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Wirtschaftsrat-Positionspapier Lebensader Infrastruktur - Handeln statt Klagen

Date post: 01-Apr-2016
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Positionspapier zur Verbesserung des Güterverkehrs der Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur der Landesverbändes Hamburg und Schleswig-Holstein des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
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www.wirtschaftsrat.de Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur der Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein DIE STIMME DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT
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Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

Lebensader Infrastruktur:Handeln statt KlagenLandesfachkommission Logistik und Infrastrukturder Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

DIE STIMME DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT

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Hamburg / Kiel, Juli 2014

Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen

Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur der Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

Positionspapier zur Verbesserung des Güterverkehrs

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

Kommissionsvorsitz: Prof. Dr. Peer WittenVorsitzender der Landesfachkommission

Jens Broder Knudsenstellvertretender Vorsitzenderder Landesfachkommission

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Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen

VORWORT

Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die Lebensader der deutschen Wirtschaft. Die LogistikdrehscheibeHamburg sorgt für Wachstum und Beschäftigung in der Region und in der ganzen Bundesrepublik. 139,6 Mil -lio nen Tonnen Güter wurden im Jahr 2013 im Hamburger Hafen von Seeschiffen geladen und gelöscht, gutsechs Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Nach den Boomjahren 2007 und 2008 war dies der dritthöchsteUmschlag der Hafengeschichte.

Der Containerumschlag ist im Jahr 2013 um weitere 4,4 Prozent gestiegen. Die besondere Wettbewerbsfähigkeitdes Hamburger Hafens liegt in der guten Hinterlandverbindung begründet. Im Jahr 2013 wurden 9,3 Millionen Container im Hamburger Hafen umgeschlagen. 3,9 Millionen davon wurden per Feederschiff aus der bzw. indie Nord- und Ostseeregion transportiert. 5,4 Millionen Container waren auf die Hinterlandverbindung angewiesen: Der Weitertransport bzw. Antransport der Container erfolgte zu etwa 60 Prozent über die Straßeund zu etwa 40 Prozent über die Schiene. Hamburg ist Europas größter Bahnhafen.

Infrastruktur ist die Grundausstattung einer Volkswirtschaft und macht auch gleichzeitig deren Kapitalstockaus. Ausgaben für Straßen, Wasserstraßen und Schienenwege sind daher Investitionen in Wohlstand undArbeitsplätze. Versäumnisse in Erhaltung und Ausbau machen sich nachhaltig bemerkbar.

In Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft haben die Landesverbände Hamburg undSchleswig-Holstein dieses Positionspapier verfasst. Es richtet sich an die politischen Entscheidungsträger aufLandes- und Bundesebene. Ziel ist es, die aktuellen Probleme in der Logistikwirtschaft aufgrund mangelnderLeistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur darzulegen und realistische sowie politisch vertretbare Lösungs-ansätze aufzuzeigen.

Prof. Dr. Peer Witten Jens Broder KnudsenVorsitzender stellvertretender Vorsitzenderder Landesfachkommission der Landesfachkommission

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ZUSAMMENFASSUNG

Klagen über marode Infrastruktur beschränken sich derzeit nicht nur auf Norddeutschland. Die MetropolregionHamburg ist jedoch als bedeutender Logistikstandort besonders von einer leistungsfähigen Verkehrsverbindungüber Straße, Schiene und Wasserwege abhängig. Dies wollen die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem vorliegenden Positionspapier deutlich machen. Die Ursachen für die unzureichende Situationwerden in einer jahrzehntelangen Unterfinanzierung, in ineffizienten Planungs- und Genehmigungsverfahrenund in einer mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz von großen Bauvorhaben gesehen.

Dass für Erhaltung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur keine ausreichenden finanziellen Mittel zurVerfügung stehen, hat bereits im Jahr 2000 die Pällmann-Kommission ausführlich dargelegt. Zwischenzeitlichwurde der Investitionsbedarf genau beziffert: 7,2 Milliarden Euro werden pro Jahr benötigt, um den laufendenErhalt und den Abbau des Sanierungsstaus bei Straße, Schiene und Wasserstraße zu schultern. Die Frage, woherdieses Geld kommt, hat die Große Koalition nicht beantwortet. 5 Milliarden Euro – und damit 1,25 MilliardenEuro pro Jahr – werden zusätzlich für die Verkehrswegefinanzierung zur Verfügung gestellt. Diese Mittel reichenbei Weitem nicht aus. Die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein des Wirtschaftsrats fordern daher:Mindestens 3 Milliarden Euro sind zusätzlich pro Jahr aus Bundesmitteln zur Verfügung zu stellen. Angesichtsder Höhe der aktuellen Steuermehreinnahmen muss jetzt endlich die Verkehrsinfrastruktur eine deutlichePriorität erhalten.

Zugleich ist stärker auf alternative Finanzierungsmodelle zurück zu greifen. Die Erfahrungen mit dem so- genannten Lebenszyklusmodell haben gezeigt, dass dieses hervorragend geeignet ist, privatwirtschaftlicheKompetenz und privates Kapital für die Infrastrukturentwicklung zu gewinnen. Der geplante Ausbau der A 7verfolgt genau diesen Ansatz, der ebenfalls bereits beim Ausbau der A 1 zu einer kurzen Bauphase und damithoher Effizienz geführt hat.

Neben den Finanzierungsdefiziten erweisen sich die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren inDeutschland als Investitionshemmnis. Das Verbandsklagerecht ermöglicht und befördert eine Anfechtung vonPlanfeststellungsbeschlüssen. Dies führt nicht nur zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen,sondern bedeutet für die planfeststellende Behörde bereits im Vorfeld eine intensive Beachtung möglicher Klagegründe. Eine Vereinfachung und Beschleunigung würde sich bereits durch eine Beschränkung der Gerichteauf eine formal-rechtliche Überprüfung ergeben. Dadurch wären die Gerichte von der Last einer materiell-rechtlichen Überprüfung befreit und die Güteabwägung einer politischen Entscheidung bliebe richtigerweiseallein bei den politisch Verantwortlichen.

Langwierige Verfahren und Finanzierungsprobleme bei Großprojekten haben in Deutschland ein Klima man-gelnder gesellschaftlicher Akzeptanz erzeugt. Eine kritische Bevölkerung zwingt die Vorhabenträger zu einerumfangreichen Legitimationskommunikation. Dabei verliert ein Vorhaben an positiver Aussagekraft. Einerichtig verstandene Bürgerbeteiligung, die frühzeitig ansetzt, offen und transparent ist, kann nicht nur zu einerVerfahrensbeschleunigung beitragen, sondern auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer leis tungs -fähigen Infrastruktur – nicht nur in Norddeutschland – schärfen.

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

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Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen

ÜBERSICHT

1. Wo stehen wir heute? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2. Was müssen wir tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1 FINANZIERUNG

2.1.1 Finanzierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1.2 Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.1.3 Lebenszyklusmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.1.4 Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2 PLANUNG

2.2.1 Planungs- und Genehmigungszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2.2 Planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.2.3 Planungskapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.2.4 Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.3 AKZEPTANZ

2.3.1 Bürgerbeteiligung verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.3.2 Grenzen der Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3.3 Akzeptanz für die Bauphase sichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3.4 Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

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1. Wo stehen wir heute?

Ein leistungsfähiges Güterverkehrswegenetz in Norddeutschland entscheidet über die Attraktivität des export-orientierten Wirtschaftsstandorts Deutschland, die Zukunft der maritimen Wirtschaft und die Lebensqualitätim gesamten Land. Diese Leistungsfähigkeit ist derzeit aufgrund vernachlässigter Investition in zunehmendemMaße nicht mehr gegeben. Zahlreiche Baustellen führen zu Staus, zu erheblichen Wartezeiten und reduzierendadurch die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Logistik gegenüber den Nachbarländern. Das deutsche Stra-ßennetz droht auch im europäischen Vergleich seine Spitzenposition einzubüßen und ist zugleich stark vomallgemeinen Verkehrswachstum betroffen.

Sämtliche Szenarien zur Entwicklung der Verkehrsnachfrage in Deutschland und der EU gehen von einer sub-stantiellen Zunahme des Güterverkehrs aus. Der Anteil des Straßengüterverkehrs am Modal-Split steigt vor-aussichtlich weiter an.1 Der Umschlag in den deutschen Seehäfen wird bis 2030 laut Seeverkehrsprognoseum 80 Prozent wachsen. Die Hinterlandanbindungen in den Segmenten Straße, Schiene und Flüsse stoßenaber bereits heute an ihre Kapazitätsgrenzen. Bei einer nahezu Verdoppelung der Ladungsmengen ist ihreAnpas sung dringend erforderlich. Die Kapazitäten von Schiene und Wasserstraße werden auch in den kom-menden Jahrzehnten das zusätzliche Verkehrsaufkommen der Bundesrepublik Deutschland allein nicht auf-nehmen können. Folglich muss die Straße zusätzliche Güterverkehre aufnehmen, damit Deutschland als Export-nation weiterhin erfolgreich sein kann.

Zur aktuellen Situation: Im Jahr 2013 haben die Schließung des Nord-Ostsee-Kanals oder die Sperrung der RaderHochbrücke in Schleswig-Holstein auf dramatische Weise die gesamtdeutschen und europäischen Folgen fürdie Logistikwirtschaft offenbart, die durch eine marode Infrastruktur im norddeutschen Raum auch skandina-vische Verkehre trifft. Die norddeutschen Häfen sind auf einen leistungsfähigen Nord-Ostsee-Kanal ebensoangewiesen wie auf eine Fahrrinnenanpassung von Weser und Elbe. Der Nord-Ostsee-Kanal ist für die deutschenNordseehäfen auf Grund des Wege- und somit Zeitvorteils in den Ostseeraum und vice verca der entscheidendeWettbewerbsvorteil gegenüber den Wettbewerbshäfen in den Niederlanden und Belgien. Der Anstieg des Containerumschlags im ersten Quartal 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum belegt die ungebrochene Attrak-tivität des Hamburger Hafens und des Logistikstandorts Hamburg und damit die Bedeutung der seewärtigenZugänge und der Hinterlandanbindung. Aufgrund des Trends zu immer größeren Schiffen erweist sich dieFahrrinnenanpassung als Schicksalsfrage für die Metropolregion.

Auch die Brücken sind den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Hälfte aller Brücken an Bun-desfernstraßen sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand und mussten in der Vergangenheit sogar fürden Lkw-Verkehr voll gesperrt werden. Brücken wirken als Nadelöhre und können schlimmstenfalls zu einererheblichen Beeinträchtigung des Gesamtnetzes führen, wie am Beispiel der Rader Hochbrücke und der Köhl-brandbrücke deutlich wird.

An dem für die Hafenhinterlandverkehre so wichtigen Bahnnetz rund um Hamburg sind in den letzten Jahrendiverse Investitionen vorgenommen worden. Für die sogenannte Y-Trasse, den Neubau der SchienenstreckeHamburg-Bremen-Hannover, werden nun nach jahrelangen Diskussionen Alternativen geprüft. Die Realisierungwird indes noch Jahre dauern.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland droht im europäischen Wettbewerb aufgrund verkehrspolitischer Versäumnisse im Norden rund um die Seehäfen abgehängt zu werden. Arbeitsplätze sind nicht nur im nord-

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

1 vgl. Kurzstudie im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des BMVBS, September 2013

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deutschen Raum, sondern genauso in den süd- und westdeutschen exportorientierten Produktionszentrensowie in Skandinavien in hohem Maße akut gefährdet.

Die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein des Wirtschaftsrats stellen mit diesem Positionspapierihrer Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur Möglichkeiten einer langfristigen, nachhaltigen undleistungsfähigen Infrastrukturpolitik vor. Dazu werden Ursachen identifiziert und jeweils die entsprechendenHandlungsempfehlungen formuliert. Ziel ist die langfristige Sicherung der Exportstärke Deutschlands durcheine fortgesetzt funktionsfähige Anbindung der maritimen Handels- und Wirtschaftsstandorte Nord -deutschlands.

2. Was müssen wir tun?

Die Ursachen für die aktuellen Defizite in der Infrastrukturausstattung liegen zum einen in der jahrzehnte -langen Unterfinanzierung des Verkehrsetats, zum anderen aber auch in langen Planungs- und Genehmigungs-verfahren sowie zunehmenden Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung.

2.1 FINANZIERUNG

2.1.1 Finanzierungsbedarf

Die „Daehre-Kommission“ hat in ihrem Abschlussbericht vom Dezember 2012 einen jährlichen Finanzierungs-bedarf der bundesdeutschen Verkehrsinfrastruktur über alle Ebenen und für alle Verkehrsträger (ohneLuftverkehr) in Höhe von

7,2 Milliarden Euro

dargestellt. Allein für die laufende Erhaltung und den Betrieb fehlen jährlich

4,5 Milliarden Euro.

Hinzu kommt ein Nachholbedarf (ohne Erweiterung und Verbesserung) von insgesamt 40,5 Milliarden Euro.Wird dieser über 15 Jahre abgearbeitet, ergibt sich ein Betrag von jährlich

2,7 Milliarden Euro.

Für die Verfügbarkeit einer bedarfsgerechten Verkehrsinfrastruktur muss eine ausreichende Finanzausstattunggewährleistet werden. Die derzeit dafür in den öffentlichen Haushalten bereit gestellten Mittel reichen zurFinanzierung nicht aus. Allein das Land Schleswig-Holstein soll in den nächsten Jahren einen Investitionsbedarfvon 900 Millionen Euro mit Finanzierungsmitteln von 280 Millionen Euro bewältigen.

2.1.2 Finanzierungsquellen

Ende September 2013 hat die „Bodewig-Kommission“ zur Beseitigung der Unterfinanzierung einen Stufenplanzur Aufstockung des Infrastrukturetats vorgestellt. Kernbotschaft ist u.a. die stärkere Nutzerfinanzierung undsomit eine Ausweitung der Lkw-Maut. Eine Pkw-Maut wird nicht ausgeschlossen. Im Einzelnen wird vorge-schlagen:

■ Regelmäßige Netzzustands- und -leistungsberichte als Grundlage für sachgerechte Entscheidungen;

■ Erfassung von Folgekosten und Substanzverlust der Infrastrukturinvestitionen (Lebenszyklusansatz);

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■ Schaffung von Anreizen zur effizienten Bewirtschaftung der Bestandsverkehrsinfrastruktur (Einführungvon Belohnungs- und Sanktionsinstrumenten);

■ Einrichtung eines Fonds zur Sicherstellung einer zweckgebundenen, zugriffsfesten und überjährigenFinanzausstattung;

■ Abrücken der Länder von den traditionellen Quotenmodellen.

Bereits im Jahr 2014 soll der Bund jährlich 2,7 Milliarden Euro in ein Sondervermögen leisten. Eine überjährigeund bestandssichere Bindung der Haushaltsmittel in einen Fonds ist für die Umsetzung und langfristige Kapa-zitätsausweitung in der Tiefbauwirtschaft notwendig und sinnvoll. Erhaltung und Sanierung hat Vorrang vorNeubau.

Trotz des festgestellten Finanzbedarfs von jährlich 7,2 Milliarden Euro hat sich die Große Koalition nur aufzusätzliche Bundesmittel von 5 Milliarden Euro für die gesamte Legislaturperiode bzw. zusätzliche 1,25 Mil -liarden Euro jährlich verständigen können. Dies reicht bei weitem nicht aus. Der Staat bleibt in der Ver -antwortung. Von den etwa 53 Milliarden Euro, die der Staat jährlich über die Mobilitätsnachfrage einnimmt(2012: Energiesteuer 39,8 Milliarden Euro, Kfz-Steuer 8,5 Milliarden Euro und Lkw-Maut 4,5 Milliarden Euro),fließt nur etwa ein Drittel zurück in die Infrastruktur (2012: Wasserwege 2,1 Milliarden Euro, Schiene 4,2 Milli-ar den Euro, Straße 12,3 Milliarden Euro). Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur muss im Bundeshaushaltoberste Priorität erhalten. Daher müssen alle künftigen Spielräume, die durch steuerliche Mehreinnahmenentstehen, für eine Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden.

Trotz aller Anstrengungen wird allein eine steuerfinanzierte Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastrukturnicht ausreichen, den hohen Bedarf zu decken. Eine zusätzliche Nutzerfinanzierung durch Mauteinnahmenist daher unvermeidbar. Hierzu gibt es unterschiedliche Modelle mit sowohl positiven Erfahrungen (BeispielBAB 1) als auch mit negativen Erfahrungen (Warnow-Tunnel). Aus heutiger Sicht ist insbesondere das an derVerfügbarkeit orientierte Lebenszyklusmodell besonders geeignet.

2.1.3 Lebenszyklusmodell

Grundgedanke dieses Ansatzes ist die Übertragung der Verantwortung für ein Projekt, von der Planung undFinanzierung bis zum Bau und zur Bewirtschaftung auf einen privaten Investor. Er wird über den vollen Lebens-zyklus von etwa 30 Jahren entsprechend der Verfügbarkeit incentiviert. Ist die Verfügbarkeit nicht oder nurteilweise gegeben, verringern sich seine Einnahmen. Ein ganz wesentlicher Unterschied zu anderen Modellliegt darin, dass der Investor nicht das Verkehrsmengenrisiko trägt. Seine Einnahmen sind also nicht vom Verkehrsaufkommen der Strecke abhängig.

Die Vorteile des Lebenszyklusmodells liegen u. a. in:

■ einer erheblich zügigeren Realisierung der Baumaßnahmen gegenüber den konventionellen Bauprojektenund effizienteren Bauausführung (Bsp. Baustellenmanagement im Mehrschichtbetrieb; kaum Schnitt -stellen zwischen den Bereichen Planung und Bau) sowie einer kürzeren Realisierungsphase;

■ Berücksichtigung von Folgekosten einer Investition durch Messung der Verfügbarkeit der Straßen überden vollen Lebenszyklus von 30 Jahren;

■ Entlastung der öffentlichen Haushalte durch private Finanzierung, indem Investitions- und Betriebskostenganz oder teilweise auf den Lebenszyklus des Bauobjektes verteilt werden;

■ höherer Kostendisziplin durch mehr Effizienz aufgrund von Bonus- und Malusregelungen und privatwirt-schaftliche Verantwortung für den Betrieb von Fernstraßen über Jahrzehnte.

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2.1.4 Forderungen des Wirtschaftsrats

■ Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel von 3 Milliarden Euro p.a. statt bisher 1,25 Milliarden, finanziert aus Steuermehreinnahmen;

■ Einforderung von EU-Mitteln für die Finanzierung transeuropäische Netze;

■ Nutzung von Lebenszyklus- und Verfügbarkeitsmodellen mit Übertragung von Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb auf einen privaten Investor;

■ Nutzerfinanzierung für Wasserstraßen nur, wenn sie für alle Wasserstraßen gilt, da ansonsten eine Wettbewerbsverzerrung zum Schaden der norddeutschen Seehäfen und zugunsten der Wettbewerber in den Niederlanden entsteht.

2.2 PLANUNG

2.2.1 Planungs- und Genehmigungszeiträume

Die Planungs- und Genehmigungszeiträume für Verkehrsinfrastrukturprojekte in Deutschland sind zu lang.Nicht selten verändert sich im Zeitablauf die Grundlage, sei es sachlicher, juristischer oder finanzieller Art, dieeinst ein Vorhaben in bestimmter Form notwendig machte. Die Folge: Die Projekte verteuern sich, die Akzeptanzin der Bevölkerung schwindet und der dringend notwendige Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verzögert sicherheblich.

Mit dem auf die neuen Bundesländer beschränkten Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz aus demJahr 1991 sowie mit dem darauf folgenden Infrastrukturbeschleunigungsgesetz aus dem Jahr 2006 konntenbereits Verbesserungen erzielt werden. Dennoch sind weitergehende Ergänzungen und Nachbesserungenim Verwaltungsverfahrensgesetz dringend erforderlich, um die Planungsverfahren in Deutschland weiter zubeschleunigen.

2.2.2 Planungsrecht

Es ist auffällig, dass die planungsrechtlichen Verfahren bei unseren europäischen Nachbarn deutlich schlankerverlaufen. Dies zeigt sich bei staatenübergreifenden Infrastrukturprojekten wie beispielsweise der Fehmarn-Belt-Querung. In anderen EU-Mitgliedsstaaten können Planungs- und Genehmigungszeiträume deutlich kürzerund am Ende auch erfolgreich abgeschlossen werden, obwohl diese auch denselben europäischen Gesetzenunterliegen. Dagegen wird die Planung und Vergabe von großen Infrastrukturprojekten in Deutschland immerumfangreicher und komplizierter. Insbesondere das europäische und deutsche Umwelt- und Naturschutzrechtsind komplexe Verfahren, die durch zahlreiche Gutachten und gerichtliche Auseinandersetzungen zulangwierigen und kostenintensiven Planungsprozessen führen. Hier gilt es Optimierungspotentiale auszu-schöpfen, ohne dass der Schutz von Umwelt und Natur vernachlässig wird. Allerdings müssen Ausmaß undzusätzliche Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren Nutzen stehen.

Die umfassende Berücksichtigung sämtlicher Umweltbelange muss einer späteren materiell-rechtlichen Über-prüfung vor Gericht standhalten. Die Möglichkeit der Verbandsklage macht eine Befassung der Gerichte wahr-scheinlich. Eine Verkürzung der Verfahrensdauer – ohne Beeinträchtigung der fachlichen Qualität ent -sprechender Entscheidungen – besteht insbesondere im Bereich der gerichtlichen Verfahren und der Ausge-staltung der Verbandsklagen anerkannter Naturschutzverbände.

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Eine Beschleunigung der Verfahrensdauer kann bewirkt werden, wenn bei Klagen von anerkannten Umwelt-verbänden – oder anderen – die Überprüfung der Genehmigungsentscheidung durch die Gerichte auf folgendeAspekte beschränkt wird:

■ Sind die Umweltverbände im Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt worden?

■ Hat sich die Genehmigungsbehörde mit allen von Umweltverbänden und anderen im Genehmigungsver-fahren vorgebrachten Einwendungen ordnungsgemäß, d.h. ermessensfehlerfrei befasst?

Dabei ist neben der Verfahrensbeschleunigung ein weiterer, ebenso bedeutsamer Aspekt zu beachten: Wennsichergestellt ist, dass die Gerichte sich ausschließlich auf die Frage konzentrieren, ob alle im Verfahren vor-gebrachten Argumente ordnungsgemäß berücksichtigt wurden, wird den Gerichten die Güteabwägung überpolitische Entscheidungen entzogen. Eine solche Güteabwägung ist nicht Aufgabe der Gerichte, sondern mussAufgabe der politischen Entscheidungsträger bleiben. Andernfalls ginge damit eine Entmündigung der politischVerantwortlichen einher.

Außer die Konzentration der Gerichte auf formal-juristische Aspekte liegt ein Beschleunigungspotenzial in derÜberprüfung der Gerichtszuständigkeit. Die im Rahmen sog. Genehmigungs- und Verfahrensbeschleunigungs-gesetze vorgenommene Regelung, wonach das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erst- und letztinstanzlichfür Infrastrukturprojekte zuständig ist, hat wegen der Vielzahl der gerichtlichen Überprüfungsverfahren faktischzu keiner Beschleunigung geführt. Die Kapazitätsausstattung des Gerichts sollte an die Verfahrens anfor de -rungen so angepasst werden, dass eine deutliche Beschleunigung eintreten kann.

Weitere Vereinfachungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten liegen in einem effizienteren Planungsverfahren.Das Raumordnungsverfahren ist ein dem Zulassungs- und Genehmigungsverfahren vorgelagertes Prüf- undAbstimmungsverfahren. Darin wird geklärt, ob eine Maßnahme mit den Erfordernissen der Raumordnung ver-einbar ist und wie raumbedeutsame Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden können. Dafür notwendigist eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die auch im Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss.Durch eine Bündelung von Entscheidungskompetenzen und Vermeidung von Redundanzen, wie eine doppelteUmweltverträglichkeitsprüfung, ließen sich beide Verfahren – Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren– effizient gestalten.

Eine weitere Verfahrensoptimierung ist auch bei der Behördenbeteiligung möglich. Die Bestellung von gemein-samen Gutachtern in Abstimmung mit den beteiligten Verwaltungen kann eine nicht notwendige Doppelbe-gutachtung vermeiden. Darüber hinaus ist eine Fristsetzung für Behördenbeteiligung unentbehrlich.

2.2.3 Planungskapazitäten

Die Bereitstellung von Investitionsmitteln des Bundes für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in den Ländernsetzt voraus, dass auf Landesebene baureife Projekte vorliegen. Derzeit sind Mittel für Infrastrukturmaßnahmenvorhanden, allerdings ist die öffentliche Hand nicht in Lage, dieses Geld vollständig zu verbauen, da es anbaureifen Projekten fehlt. Eine „Vorratsplanung“ ist teuer und muss vom Land vorfinanziert werden. Die not-wendigen Haushaltsmittel sind in der Vergangenheit vielfach Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen.

Auch fehlt es an Planungskapazitäten. Durch einen massiven Abbau von Personal fehlt es in den Verwaltungenan Ingenieuren und Juristen, um zeitnah Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Eine Lösung besteht inder Beauftragung privater Dienstleister. Die Vergabe von Planungsaufträgen an private Ingenieurbüros unddie Durchführung von Anhörungen und Öffentlichkeitsbeteiligungen durch externe Projektmanager könnenzu einem beschleunigten Planfeststellungsverfahren einen bedeutenden Beitrag leisten.

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Dafür müssen ausreichende Mittel auf Bundes- und Landesebene bereitgestellt werden. Grundsätzlich undperspektivisch ist aber eine Personalaufstockung in diesem Bereich dringend erforderlich, denn eine Vergabevon Projekten wird nicht ohne Beteiligung der Verwaltung möglich sein.

2.2.4 Forderungen des Wirtschaftsrats

■ Erhebliche und unverzügliche Aufstockung von Planungsmitteln für Infrastrukturmaßnahmen in den Ländern,

■ Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf formal-rechtliche Aspekte mit der Folge einer

■ Verfahrensbeschleunigung sowie

■ Verhinderung gerichtlicher Güteabwägung und dadurch bedingter Entmündigung politisch Ver-antwortlicher,

■ Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren durch Aufstockung der Kapazitäten des Bundesverwal-tungsgerichts oder der Wiedereinführung der Zweistufigkeit,

■ Vermeidung von Redundanzen im Planungs- und Genehmigungsverfahren (beispielsweise Verzicht auf mehrfache Begutachtung).

2.3 AKZEPTANZ

Die im Planungs- und Genehmigungsverfahren vorgesehenen Instrumente der Bürgerbeteiligung reichenoft nicht, um die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung sicher zu stellen. Eine Ausweitung von Partizipa-tionsmöglichkeiten muss nicht im Widerspruch stehen zu dem Erfordernis der Planungsbeschleunigung undder wirtschaftlichen Notwendigkeit einer zügigen Realisierung.

2.3.1 Bürgerbeteiligung verbessern

Unabhängig von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts, wonach Betroffene ihre Belange innerhalbeiner bestimmten Frist einreichen können und diese dann in einem Erörterungstermin verhandelt werden,sollte im Planfeststellungsverfahren eine umfangreiche und frühzeitige Anhörung der Öffentlichkeit erfolgen.Schon vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens ist die Öffentlichkeit von dem Vorhaben und vor allem demNutzen des Projekts zu informieren. In diesem frühen Stadium haben die Bürger die Gelegenheit, aktiv eineEntscheidung mitzutragen. Ist das Verfahren bereits eingeleitet, entsteht schnell der Eindruck der Passivität,die lediglich durch Protest in Aktivität verwandelt werden kann. Daher muss bereits vor Beginn der Planungein positives Klima für die Maßnahme erzeugt werden.

Die Art der Kommunikation ist dabei ebenso von Bedeutung wie die Personen, die den Prozess führen. Infra-strukturmaßnahmen sind politisch motivierte Vorhaben und müssen durch die höchste politische Ebenevertreten werden. Dabei reicht es nicht, auf die Legitimation des Vorhabens abzustellen. Vielmehr sind diepositiven Auswirkungen des Projekts bzw. ist der Nutzen für die Allgemeinheit hervorzuheben: Infrastruktur-maßnahmen setzen Impulse für Lebensqualität und Arbeitsplätze. Sie haben langfristig Wohlfahrtseffekte zurFolge oder können architektonisch wertvoll sein. Insofern hat jedes Infrastrukturvorhaben ein hohes Innova-

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tionspotenzial. Durch klar formulierte, positive Botschaften lassen sich in der öffentlichen Wahrnehmung Bildererzeugen, die eher Akzeptanz bewirken als die formale Rechtfertigung eines Vorhabens.

Durch Kooperation mit Verbündeten können Multiplikatoreffekte erreicht werden, die in einen breiten gesell-schaftlichen Konsens münden. Ideologisch motivierter Bürgerbeteiligung wird im Idealfall so der Nährbodenentzogen. Die politischen Entscheidungsträger und die durchführende Verwaltung können wieder als Partnerbetrachtet werden. Jedes Infrastrukturvorhaben ist auch ein Eingriff in die Natur und in Rechte Dritter. Diesenegativ Betroffenen müssen frühzeitig identifiziert und in den Planungsprozess einbezogen werden. Generellhat die Planungsbehörde alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ein offener Umgang mitBetroffenen und allen Interessierten erleichtert die Akzeptanz und führt somit zu kürzeren Planungsverfahren.

Kommunikation muss somit positiv, frühzeitig, umfassend, offen und transparent sein.

2.3.2 Grenzen der Bürgerbeteiligung

Infrastrukturvorhaben dienen einem übergeordneten, politisch definierten und parlamentarisch entschie -denem Ziel. Legitimation ergibt sich durch die Entscheidung der demokratisch gewählten Vertreter. Die Komplexität eines Vorhabens macht eine intensive Befassung und professionelle Beurteilung erforderlich.Direktdemokratische Elemente sind hier nur begrenzt angebracht. Diese Grenzen sind in räumlicher undzeitlicher Hinsicht zu definieren.

■ Räumliche Abgrenzung von Bürgerbeteiligung

Unmittelbare negative Betroffenheit von einem Vorhaben ist immer nur lokal gegeben. Daher können nurlokale Volksentscheide zulässig sein. Sie dürfen aber nicht für Verkehrsprojekte von regionaler oder über -regionaler Bedeutung gelten, da in dem Fall mehr Bürger in ihrer Gesamtauswirkung auf Wohlstand undLebensqualität betroffen sind. Ein Volksentscheid auf kommunaler Ebene darf somit nur für lokale Verkehrs-projekte gelten.

■ Zeitliche Abgrenzung von Bürgerbeteiligung

Eine direktdemokratische Entscheidung ist nur dann sinnvoll, wenn sie nicht mehr juristisch angefochtenwerden kann. Nach einer politischen Entscheidung für ein Projekt und nach Abschluss des Planfeststellungs-verfahrens mit einem rechtskräftigen Beschluss muss abschließende Rechtssicherheit gegeben sein. Die bauausführenden Unternehmen ebenso wie Bürger und politische Entscheidungsträger müssen sich auf dieGültigkeit eines rechtsstaatlichen Verfahrens verlassen können. Somit darf ein Volksentscheid nur unmittelbarnach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses und vor Baubeginn zulässig sein.

2.3.3 Akzeptanz für die Bauphase sichern

Langwierige Planungen und verzögerter Baubeginn können im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Rah-menbedingungen sich verändern und die Maßnahme ihre Berechtigung verliert: Unternehmen und andereAkteure passen sich den vorhandenen Gegebenheiten an und verlagern ihre Aktivitäten in andere Regionen.Es entstehen rechtliche und politische Unsicherheiten. Daher ist nicht nur eine zügige Planung, sondern aucheine unmittelbare und schnelle Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Sofort nach rechtskräftigemAbschluss des Planfeststellungsverfahrens muss mit der Umsetzung begonnen werden.

Nicht selten schwindet die Akzeptanz für ein Vorhaben, wenn Baumaßnahmen zu lange dauern und sich alleindadurch die Kosten unverhältnismäßig erhöhen. Eine umfassende Information über die Dauer der Maßnahme,über Baufortschritt sowie Nutzen und Kosten erhalten die Akzeptanz und verhindern eine Verlagerung der

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Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

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wirtschaftlichen Aktivitäten. Behinderungen durch Staus beeinträchtigen die Produktivität von Logistik -unternehmen. Der dadurch bedingte Wettbewerbsnachteil muss absehbar und somit berechenbar sein.

Im Straßenverkehr lassen sich Staus und Behinderungen aufgrund von Baumaßnahmen durch die Verwendungvon intelligenten und standardisierten Verkehrsleit- und Informationssystemen reduzieren. Ein umfassendesund abgestimmtes Baustellenmanagement kann Staus auf das unvermeidbare Maß reduzieren. In der Praxissind Baustelleneinrichtungen nicht immer direkt am Baufortschritt orientiert. Die Einrichtung von Baustellenist teuer und wird aus Kostengründen oft für große Teilabschnitte vorgenommen. Der Grund für die dadurcherhöhten Behinderungen ist für Verkehrsteilnehmer nicht erkennbar. Das vermindert die Akzeptanz. Behinde-rungen des Verkehrsflusses verursachen immer einen volkswirtschaftlichen Schaden. Dies ist bei den Kostenfür Baustelleneinrichtungen mit einzukalkulieren.

2.3.4 Forderungen des Wirtschaftsrats

■ Vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens ist die Öffentlichkeit umfangreich zu informieren und zu beteiligen.

■ Die Kommunikation muss auf den Nutzen der Maßnahme und das Innovationspotenzial abstellen.

■ Volksentscheide über Infrastrukturmaßnahmen sind nur reichweitenadäquat zulässig, d.h. der Kreis der Betroffenen darf sich nicht auf die direkt Betroffenen beschränken, sondern muss auch die indirekt Betroffenen mit einbeziehen.

■ Eine direkt-demokratische Entscheidung darf nur vor Baubeginn zulässig sein und muss spätestens unmittelbar nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses erfolgen.

■ Zügiger Baubeginn und Baufortschritt mit umfassender Information über die Maßnahmen sichert die Akzeptanz während der Bauphase.

3. Fazit

Die Bereitstellung einer leistungsfähigen und bedarfsgerechten Infrastruktur ist Voraussetzung für den Erhaltvon Wohlstand und Arbeitsplätzen. Etwa 55 Milliarden Euro nimmt der Bund jährlich über die Mobilitäts -nachfrage ein (Energiesteuer, Kfz-Steuer, Maut), aber nur etwa ein Drittel fließt wieder zurück in dieInfrastruktur. In der Vergangenheit wurden die verfügbaren Mittel nicht immer effizient eingesetzt. Aufgrundlanger Planungs- und Realisierungsphasen oder von Akzeptanzproblemen kam ein beträchtlicher Teil der zurVerfügung gestellten Mittel nicht der Verkehrsinfrastruktur zugute.

Die vorgenannten Maßnahmen können dazu beitragen, „mehr Transport für den Euro“ zu ermöglichen. Siedienen damit der Effizienzsteigerung zur Stärkung des Standorts Deutschland und des Wirtschafts- und Han-dels zentrums Hamburg.

Die Stärkung des politischen Gewichts der norddeutschen Länder setzt eine intensivere Zusammenarbeit voraus.Eine Kooperation, wie sie etwa bei der Abstimmung der Baumaßnahmen der A 7 durch die Ernennung einesgemeinsamen Koordinators erfolgt, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Eine Identifikation der poli-tischen Entscheider mit Wirtschaftsräumen – wie der Metropolregion – ist dringend erforderlich, unabhängigvon Ländergrenzen.

Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen

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Wirtschaftsrat der CDU e.V.Landesverband HamburgBrigitte Nolte, Referentin für WirtschaftspolitikColonnaden 25, 20354 Hamburg

Landesverband Schleswig-HolsteinDr. Bertram Zitscher, LandesgeschäftsführerKleiner Kuhberg 2-6, 24103 Kiel

Internet: www.wirtschaftsrat.de

Titelfoto: © SylentPressStand: Juli 2014


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