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WINGbusiness Heft 03 2014

Date post: 06-Apr-2016
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WING ISSN 0256-7830; 47. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M 3/14 Innovation von Organisation und Prozessen 18 Hybride Leistungsbündel – Wenn Produkt und Service ver- schmelzen 6 HUMANIC passt immer - Innova- tion beim Schuh- kauf durch 3D- Fußscan 11 Business Innovation business
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WINGISSN 0256-7830; 47. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M 3/14

Innovation von Organisation und Prozessen

18

Hybride Leistungsbündel – Wenn Produkt und Service ver-schmelzen 6

HUMANIC passt immer - Innova-tion beim Schuh-kauf durch 3D-Fußscan 11

Business Innovation

business

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www.magna.com

Magna ist der meistdiversifizierte Automobilzulieferer der Welt.

Das Produkt- und Leistungsspektrum reicht von der Entwicklung und Produktion von Teilen, Komponenten und Modulen über die Systemintegration bis zur Entwicklung und Fertigung von Gesamtfahrzeugen für die globalen Automobilhersteller.

Zu unseren Kompetenzen gehören Design, Entwicklung, Fertigung und Testung von Innenausstattungen, Sitzsystemen, Schließsystemen, Karosserie- und Fahrwerksystemen, Spiegelsystemen, Elektronik- systemen, Außenausstattungen, Antriebsstrang und Allradtechnik, Dachsystemen, Tanksystemen, Batteriesystemen, Fahrzeugentwicklung und Fahrzeug-Auftragsfertigung.

Das Unternehmen beschä�igt ca. 130.000 Mitarbeiter an 317 Produktionsstandorten und 83 Produktentwicklungs-/Engineering-/ Vertriebszentren in 29 Ländern.

THE FUTURE IS OURS TO MAKE

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3WINGbusiness 3/2014

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach einem ungewöhnlich wechselhaften und regenreichen Sommer waren die letzten warmen Herbsttage eine willkom-mene Abwechslung. Die Natur zeigt sich in den buntesten Farben. Strahlend blauer Himmel. Selbst in einem Land wie Kalifornien, in dem die Sonne ohnehin fast immer scheint, war diese Jahreszeit was Besonderes. Der „Indian Summer“ war die angenehmste und bunteste Zeit im Silicon Valley, an die ich mich wehmütig erinnere. Im Rahmen meines Bewer-bungsgesprächs wurde ich zum Mittagessen eingeladen. Wir entschieden uns für die berühmteste Hamburger-Bude (im wahrsten Sinne des Wortes) in Palo Alto: „Kirks“, eines der ältesten einschlägigen Lokale, 1948 gegründet. Alle hatten sie hier schon geduldig in einer langen Schlange gewartet: Gordon Moore, William Hewlett, Dave Packard und viel an-dere mehr. Das Lokal bestand im Wesentlichen aus einem großen Holzkohlegrill und zwei Köchen, die im Akkord große Fleischlaibchen grillten. Die bekam man dann auch in einem Brötchen ausgehändigt und konnte diese an der „Assembly Station“, welche ich irrtümlich als „All you can eat“-Buffet verstand, fertig mit Salat, Tomate etc. belegen.Das Mittagessen war, wie sich übrigens nachträglich heraus-stellte, eine perfide Fortführung des Assessments: Während ich zu Modellierung und Optimierung von Warteschlangen-netzwerken befragt wurde, beobachtete Prof. Veinott, mein Gastgeber, amüsiert, wie mir die Hamburger-Sauce langsam den Ärmel herunter rann, während ich nach den richtigen englischen Vokabeln rang.Das Bemerkenswerteste war aber die Fahrt zum und vom Mittagessen. In einem fort erzählte Pete von Firmen und vor allem Restaurants, die an dieser oder jener Ecke waren. Mir schien es, als ob sich hier das Rad der Zeit deutlich schneller dreht als sonst wo. Oder lag es vielleicht an seinem Alter? Als ich vor einigen Jahren mit meinen Mitarbeitern in der Gegend war, bemerkte ich, dass ich ihnen von ehemaligen Firmen und Restaurants zu erzählen begann. Nun war ich mir ganz sicher, dass es nichts mit dem Alter zu tun hat.Das Silicon Valley ist gewiss kein Einzelfall. Es ist aber ein Ort, an dem sich Innovation und gleichzeitig Entstehen, Prosperität und Verfall von Unternehmen quasi im Zeit-raffer studieren lassen. Hier kann man alle Unternehmens-formen beobachten: Kleine Start-Up Unternehmen, die wie

Sterne aufsteigen und verglühen, oder zu großen Konzernen werden wie HP, Intel oder Apple – große Unternehmen, die sich mehr schlecht als recht über Wasser halten können. Pharmakonzerne, die nur mehr durch Absorption von Bio-Tech Startup-Unternehmen überleben können – oder eben „Kirks“, den es immer noch, wenngleich an anderer Adresse, gibt. Unternehmen sind zweifelsohne einer sich permanent än-dernden Umwelt ausgesetzt. Lohnt sich Anpassung und In-novation für ein bestehendes Unternehmen? Ist es vielleicht besser, neue Geschäftsideen neuen Unternehmen zu überlas-sen? Gibt es Unternehmen, die erfolgreich beides können? Seit der Portfoliomatrix, in der 1973 Unternehmen mit Hunden, Kühen, Sternchen und Fragezeichen verglichen wurden, gibt es auf dem Gebiet der Unternehmens-Innova-tionsforschung viele neue, interessante Erkenntnisse. Dem Rechnung tragend, haben wir unser aktuelles Heft unter das Thema „Business Innovation“ gestellt und Expertinnen bzw. Experten aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, dazu Bei-träge zu gestalten. An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Dipl.-Ing. Christiana Müller für die Unterstützung bei der Zusammenstellung dieses Heftes bedanken!Der Erste dieser Beiträge stammt von Prof. Stefan Vorbach und seinem Team vom Institut für Unternehmungsführung und Organisation der TU Graz und widmet sich hybriden Leistungsbündeln, in denen Produkt und Service verschmel-zen. Mag. Heinzpeter Mandl, Vorstand der Leder & Schuh AG, stellt den 3D-Fußscan als innovative Idee bei Humanic vor. Dipl.-Ing. Dr. Thomas Puchleitner, von der Universität Graz, zeigt die Vorteile der Anwendung einer „Customer Journey Map“ in der Innovationsforschung.Dipl.-Ing. Dr. Andreas Suter von der Firma GroNova und Dipl.-Ing. Doris Weitlaner von der Fachhochschule Cam-pus02, stellen eine Methodik zur Innovation von Organi-sation und Prozessen dar. Darauf folgend diskutieren Mag. Hannes Schmid und Dipl.-Ing. Gerald Sertschnigg von der Kärntner Abfallbewirtschaftung GmbH, Innovationsaspekte in Zusammenhang mit Abfall als Rohstoff der Zukunft. Den Bereich der Lagerlogistik behandelt dann Dipl.-Ing. Franz Mathi, Vorstand der Knapp AG. Die beiden Profes-soren Frank Piller (Institut für Technologie und Innovati-onsmanagement RWTH Aachen und MIT) und Christian Ramsauer (Institut für Industriebetriebslehre und Innovati-onsforschung, TU Graz) skizzieren schließlich die „Maker Economy“ als neue Chance für die Business Innovation.Im letzten Bericht des Themenschwerpunktes, befasst sich Ines Kähsmayer, Magna Interiors Global, mit dem Thema Innovation Culture.Ich hoffe, dass Ihnen die Artikel, die wir in diesem Heft für Sie zusammengestellt haben, gefallen und Denkanstöße ge-ben. Im Namen des Redaktionsteams wünsche ich Ihnen einen schönen Herbst.

Ihr Sieg fried Vössner

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Siegfried Vössner

Business Innovation

Kirk‘s Steakburgers, Palo Alto,Silicon Valley um 1960

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Top-Thema: Business Innovation

Harald Wipfler, Christiana Müller, Stefan Vorbach, Wolfgang MarkoHybride Leistungsbündel – Wenn Produkt und Service verschmelzen 6Innovative Kundenlösungen durch hybride Leistungsangebote

Heinzpeter MandlHUMANIC passt immer - Innovation beim Schuhkauf durch 3D-Fußscan 11

Thomas PuchleitnerKundenausrichtung in der Innovationsforschung anhand der Customer Journey Map 14

Andreas Suter, Doris WeitlanerInnovation von Organisation und Prozessen 18Grazer Ansatz für Organisations- und Prozessgestaltung

Hannes Schmid, Gerald SertschniggAbfall als Rohstoᶣ der Zukunft 22

Franz MathiKNAPP bringt neueste Technologie in die Lagerlogistik 25

Frank Piller, Christian RamsauerDie Maker Economy – Neue Chance für Business Innovation 28

Ines KähsmayerInnovation Culture 33

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Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL Business Innovation 3

UNINACHRICHTEN Studierende für das Product Innovation Project 2014/15 gesucht 17

WINGnet Schmid Daniel StEP-Up - Best Practice-Konferenz, Krems an der Donau, 25.06.2014 32

CALL FOR PAPERS Themenschwerpunkt „IT Security“ in WINGbusiness Heft 01/2015 36

LEUTE/KÖPFE Dipl.-Ing. Dr. Stefan Grünwald 36Neuer Studiengangsleiter Informationstechnologien und Wirt-schaftsinformatik an der FH CAMPUS 02

WINGregional Florian Rathner WINGregional Oberösterreich Veranstaltung: 37 Besuch Anger Machining in Traun

IMPRESSUM Impressum 38

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TOP-THEMA

1. Einleitung

Starker Preisdruck, sinkende Gewinn-margen und die zunehmende techno-logische Gleichwertigkeit von Konkur-renzprodukten zwingen Unternehmen in vielen Branchen zum Umdenken. Traditionelle Geschäftsmodelle, die alleinig den Verkauf von Produkten in den Mittelpunkt stellen, sind lang-fristig nicht ausreichend. Im Indus-triebereich wurde deshalb begonnen, das Kerngeschäft um Dienstleistungen zu erweitern. Allerdings war die Er-schließung des Dienstleistungsmarktes in vielen Fällen nicht erfolgreich, da die Dienstleistungen ohne systema-tischerPlanung und Kostenkontrolle als „Zusatz“ zu Produkten angeboten wurden. Sach- und Dienstleistungen

Harald Wipᶥer, Christiana Müller, Stefan Vorbach, Wolfgang A. Marko

Hybride Leistungsbündel – Wenn Produkt und Service verschmelzenInnovative Kundenlösungen durch hybride Leistungsangebote Für Hersteller von Produkten wird es immer schwieriger, sich nur über die Eigenschaften ihrer Produkte zu differen-zieren. Hybride Lösungsangebote, in denen Sachleistungen und Dienstleistungen integriert sind, versprechen Abhilfe, indem sie individuell auf Kunden angepasste und umfassende Problemlösungen bereitstellen. Dieser Ansatz wird zu-nehmend intensiver verfolgt. Für Unternehmen ist dieser Schritt häufig mit Veränderungen des gesamten Geschäfts-modells – von der integrierten Planung und Entwicklung über die Art der Leistungserbringung bis hin zur Vermark-tung hybrider Leistungsbündel – verbunden. Zahlreiche Beispiele aus der Industrie zeigen allerdings, dass innovative Geschäftsmodelle auf Basis hybrider Leistungsbündel den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens sichern können.

müssen vielmehr in einer integrierten Sicht geplant, realisiert und vermarktet werden, was zu umfassenden Verände-rungen des bisherigen Geschäftsmo-dells führen kann. (Meier & Uhlmann, 2012)

Mit hybriden Leistungsbündeln, die Produkte und Dienstleistungen integrieren, soll Kunden ein wahr-nehmbarer Mehrwert geboten werden. Durch die konsequente Ausrichtung auf den Kundennutzen übernimmt der Anbieter zunehmend Aufgaben, die zuvor durch die Kunden ausgeführt wurden. Beispiele sind Kopiergeräte in einem Performance-Pricing-Modell (Kunden bezahlen pro Kopie, besitzen und warten das Gerät aber nicht mehr selbst) oder Software-as-a-Service-An-

gebote (Standardsoftware wird an Kundenwünsche angepasst über das Internet bereitgestellt, die erforderliche Hardware wird durch das Rechenzent-rum des Anbieters betrieben) (Berko-vich et al., 2011, S. 357). Das Kunden-Lieferanten-Verhältnis verschiebt sich je nach Ausprägung des zugrunde lie-genden Geschäftsmodells hin zu einer integrativen Kooperation. Das innova-tive Verständnis der Sach- und Dienst-leistungsanteile in Form hybrider Leis-tungsbündel (Abb. 1) führt dabei nicht nur zu weitreichenden Veränderungen in der Planung und Entwicklung des Leistungsangebots, sondern auch zu völlig gewandelten Anforderungen an die Leistungserbringungsprozesse.

Für Unternehmen bedeutet das Angebot von hybriden Leistungsbün-

Foto: Fotolia

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TOP-THEMA

deln häufig eine strategische Neuaus-richtung, da auch die Anpassung des kompletten Geschäftsmodells erfor-derlich sein kann: Neben dem Nut-zenversprechen, in dessen Mittelpunkt das Leistungsbündel steht, und einer auf Produkt und Dienstleistung ausge-richteten Wertschöpfung ändert sich auch die Ertragsmechanik (Kindström, 2010, S. 479f). Das neu entwickelte Ge-schäftsmodell kann gesamte Branchen revolutionieren, wie die Unternehmen Rolls-Royce oder Hilti gezeigt haben. Rolls-Royce änderte sein Geschäfts-modell Anfang der 80er Jahre vom Verkauf von Flugzeugturbinen zum Verkauf von Flugstunden. Die Turbine bleibt nun im Besitz des Lieferanten, der für Wartung und Instandhaltung zuständig ist, und die Kunden bezah-len für die geleisteten Flugstunden (Gassmann et al., 2013, S. 200f). Hilti hat erkannt, dass Kunden keine Bohr-hämmer, sondern Löcher benötigen. Hilti veränderte sein Geschäftsmodell in der Form, dass Kunden nun an Stel-le des Werkzeuges eine permanente Werkzeugverfügbarkeit angeboten wird. Hilti garantiert die Verfügbarkeit des Werkzeuges, übernimmt Wartung und Instandhaltung und liefert im Fal-le eines Diebstahls Ersatz (Gassmann et al., 2013, S. 48f). Sowohl Rolls-Royce als auch Hilti sind in ihrer Branche sehr erfolgreich und konnten sich von Mitbewerbern differenzieren.

2. Klassifizierung hybrider Leistung-sangebote

Mittlerweile gibt es zahlreiche Definiti-onen für hybride Leistungsbündel (Be-uren et al., 2013, S. 223). Den Begriffser-klärungen ist gemeinsam, dass sie von einer Kombination von Sachleistungen (Produkten) und Dienstleistungen zur Erfüllung von Kundenbedürfnissen ausgehen. Diese gehen über eine rein additive Kombination von Produkt und Dienstleistung hinaus und bieten als kundenspezifische Problemlösungen einen wesentlichen Mehrwert aus Kun-densicht. Im Laufe der Diskussion sind viele unterschiedliche Bezeichnungen, wie hybride Wertschöpfung, Produkt-Service-Systeme, integrierte Produkte, Produkt-Dienstleistungs-Bündel, Sys-temlösungen etc. aufgekommen. An-gesichts der verwirrenden Begriffsviel-falt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass teils alte Konzepte um-

benannt und „neu“ erfunden worden sind.

Für die Charakterisierung von hy-briden Leistungsangeboten wird das Verhältnis zwischen Produktanteil (materieller Anteil) und Dienstleis-tungsanteil (immaterieller Anteil) ge-genübergestellt. Die Leistung bewegt sich in diesem Kontinuum zwischen den Polen reines Produkt und reine Dienstleistung. Spath & Demuß (2006, S. 473) betrachten zusätzlich zum Im-materialitätsgrad auch das Ausmaß der Integration durch die technisch-organisatorische Zusammenführung der Leistungsbestandteile und die Einbettung in die Wertschöpfungspro-zesse des Kunden. Reiss (2006, S. 50f) entwickelt sechs Konstruktionsformen für hybride Produktangebote. Das Spektrum reicht von traditionellen disjunkten Mischformen, die sich durch überschneidungsfreie Kopplung auszeichnen, bis hin zu hybriden Pro-blemlösungen, innerhalb derer infol-ge der konjunkten Konstruktion die Sach- bzw. Dienstleistungskomponen-ten nicht mehr differenziert werden können.

Hinsichtlich einer Systematik von Dienstleistungen kristallisieren sich bei verschiedenen Autoren (z.B. bei Empacher (1994), Hockerts et al. (1994), Bierter (1997), Cook et al. (2006), Meier et al. (2009)) drei Formen von Service-konzepten heraus, die auch im nach-haltigkeitsorientierten Management diskutiert werden:

Produkt- bzw. funktionsorientierte �DienstleistungenNutzungs- bzw. verfügbarkeitsori- �entierte DienstleistungenErgebnisorientierte Dienstleistun- �gen

Produktorientierte Leistungsbündel be-schränken sich darauf, Sachleistungen zu verkaufen, die einem festgelegten Profil von Merkmalsausprägungen ent-sprechen und um Dienstleistungen er-gänzt werden. Im nutzungsorientierten Modell wird Kunden die Verfügbarkeit eines funktionsfähigen Produktes ver-traglich zugesichert.

Der Kunde ist dadurch von Aufga-ben wie Wartung oder Störungsbehe-bung entlastet. Im Rahmen ergebnis-orientierter Leistungsbündel betreibt der Kunde das Sachgut (z.B. eine Ma-schine) nicht mehr selbst, sondern ruft nur vereinbarte Produktionsergebnisse ab. Das Konzept der Nachhaltigkeit fin-det insofern Eingang in die Systematik, als durch den Fokus auf Lösungen der Kundennutzen über die Funktion und nicht über das Eigentum am Produkt definiert wird, sodass der Umweltein-fluss geringer ist, als in traditionellen Geschäftsmodellen.

Park et al. (2012) haben jüngst in einer umfassenden Literaturrecherche 13 unterschiedliche Konzepte identifi-ziert, die die Basis für die Klassifizie-rung in Abbildung 2 darstellen.

3. Nutzen für Unternehmen

Durch hybride Leistungsangebote können sich Unternehmen von Mitbe-werbern mit technisch ähnlichen Pro-dukten differenzieren. Wenn es zudem gelingt, den Dienstleistungsanteil fle-xibel und kostengünstig anzupassen, kann besser auf individuelle Kunden-wünsche eingegangen werden (Aurich et al., 2007, S. 820).

Kunden stellen in der Entwicklung hybrider Leistungsbündel eine wich-tige Ressource für das Unternehmen

Abbildung 1: Entwicklung des Begriffsverständnisses hybrider Leis-tungsbündel (Meier et al., 2005)

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TOP-THEMA

dar und werden Teil des Unterneh-mensnetzwerkes.

Dabei werden auch Aktivitäten an den Kunden ausgelagert, was zu einer Wertsteigerung beim Unternehmen und beim Kunden führt (Kindström, 2010, S. 486), letzterer die Rolle eines Co-Entwicklers von Leistungen ein-nimmt (Hearn & Pace, 2006, S. 58f).

Der intensive Kundenkontakt kann zu einer langfristigen Beziehung und Kundenbindung führen (Barquet et al., 2013, S. 697).

Ein Ziel von Produkt-Dienstleis-tungs-Systemen liegt in der Verlänge-rung der Lebens- bzw. Nutzungsdauer des Produktes. Wenn das Produkt im Besitz des Herstellers verbleibt, besteht

erhöhtes Interesse an der Langlebig-keit des Produktes bzw. an einer umweltgerechten Entsorgungsmög-lichkeit nach der Nutzungsphase. Hersteller lassen den Produkten in diesem Fall übli-cherweise eine in-tensivere Wartung und Instandhal-tung zukommen. Gleichzeitig sind sie an der kor-rekten Verwen-dung der Produkte interessiert und unterstützen diese durch eine einge-hende Beratung, da das ihren War-tungs- und Service-aufwand reduziert (Cook et al., 2006, S. 1456).

Von einem so-zialen Gesichts-punkt aus be-trachtet bieten Produkt-Dienst-leistungs-Systeme die Möglichkeit, wissensintensive Arbeitsplätze zu gestalten. Da die S e r v ic ekomp o -nente unabhängig vom Erzeugungs-ort zu erbringen ist, können qua-lifizierte Arbeits-plätze unabhängig vom Produktions-ort der materiel-len Komponente geschaffen wer-den (Aurich et al., 2006, S. 1481).

4. Konsequenzen für die Umsetzung

Der Übergang von einem reinen Produktangebot zu einem hybriden Leistungsangebot erfordert Verände-rungen im gesamten Unternehmen, von der Planung, Entwicklung und Realisierung bis zur Vermarktung der Leistungsbündel. Dabei sind unterneh-

Konzept Charakteristika Beispiele Bundling verpackt zwei oder mehr Produkte bzw. Dienstleistungen in ein

Angebotsbündel häufig in Konsumgütermärkten auftretendes Konzept ursprünglich aus dem Marketing

Computer-Hardware und Software werden als Bündel angeboten

Systems Selling Produkt und Dienstleistung werden nicht einzeln sondern als vorkonfiguriertes Paket angeboten Kombination aus Produkt und Dienstleistung erlaubt leichte Anpassung und

Abstimmung an die Kundenbedürfnisse und Zielgruppe vornehmlich in Investitionsgütermärkten Mischungsverhältnis aus Sach- und Dienstleistung kann sich nach

Lebenszyklusphase eines Produkts (Pre-sales, Sales, After-sales) unterscheiden Art der vertikalen Integration

Computer-Hardware mit vorinstallierter Software Im Premiumsegment hoher

Dienstleistungsanteil, im Massenmarkt hoher Sachleistungsanteil Pre-sales und After-sales sind

dienstleistungsintensiver (z.B. Beratung, Kostenvoranschläge)

Full Service Weiterentwicklung von Bundling und Systems Selling, um auf unterschiedliche und komplexe Kundenwünsche einzugehen weniger Verkaufsstrategie (wie die zuvor genannten Konzepte), sondern

gesamtheitliche Marketingstrategie Leistung vom Anbieter eher autonom (ohne Mitwirkung des Kunden)

erstellbar

Industrielle Instandhaltung von Anlagen durch den Hersteller Finanzierungskonzepte für

Betreibermodelle

Service Package Kombination aus Produkt und Dienstleistung: nicht als verkaufsfördernde Maßnahme, sondern essentiell notwendig für Leistungserbringung Service stellt zentrale Komponente dar, Produkte dienen zur Unterstützung Leistung vom Anbieter unter (mehr oder weniger) Mitwirkung des Kunden

erstellt

Software-as-a-Service

Product Service Dienstleistung mit klarem Produktbezug (im Gegensatz zu sog. Industrial Service, welche unabhängig vom Produkt angeboten werden) keine Integration von Produkt und Dienstleistung zu einem Angebot (wie bei

den früheren Konzepten), sondern Dienstleistung an sich ist schon integriert Dienstleistung mit/ohne Mitwirkung Kunde möglich Ziel ist Produktdifferenzierung gegenüber Mitbewerbern

Mobilitätsgarantie vom Fahrzeughersteller (OEM)

Installed Base Service

verwandt mit Konzept Product Service, aber engerer Fokus häufig im Produktionsbereich (installed base: Anzahl aller aktuell im Einsatz

befindlichen Anlagen) produkt- oder prozessbezogene Services sind auf die Anlage abgestimmt und

unterstützen Endanwender über gesamte Lebenszeit des Produktes im Gegensatz zum Product Service auch Hinzunahme von Dienstleistungen

möglich, die keinen Produktbezug aufweisen auch als Industrial-Product-Service-Systems (IPS2) bezeichnet

Verschleißabhängige automatische Werkzeugbereitstellung für Bearbeitungsmaschinen über die gesamte Lebenszeit der Anlage

Solutions Kunde steht im Mittelpunkt, nicht Produkt oder Dienstleistung Produkte und Dienstleistungen werden integriert, um Kunden

maßgeschneiderte Problemlösungen anbieten zu können Anbieter muss teilweise alternativ Sach- oder Dienstleistung anbieten;

Kunde übernimmt Konfiguration selbst

Beispiele für Optionen: Reparatur oder Ersatzinvestition, Hosting-Dienste oder Softwarekauf

Integrated Solutions Sehr ähnlich zu Konzept Solutions Begriff meist verwendet für öffentliche oder private Großkunden

(Infrastruktur, Mobilkommunikation, Eisenbahn, usw.)

Entwurf, Bau und laufender Betrieb eines Mobilfunknetzes

Eco-Efficient Producer Services

Produkt-Dienstleistungs-Mix generiert höheren Kundennutzen bei geringerer Umwelteinwirkung (Ressourceneinsparung in Herstellung und Änderung von Nutzungsgewohnheiten)

Energieversorgungs-unternehmen, das Energieberatung anbietet

Product Service System (PSS)

Fokus auf Funktionserfüllung bzw. Nutzenstiftung beim Kunden bei gleichzeitiger „Dematerialisierung“ bzw. Erhöhung des Serviceanteils drei Typen von PSS häufig anzutreffen: - produkt- bzw. funktionsorientiert - nutzungs- bzw. verfügbarkeitsorientiert - ergebnisorientiert

Produktorientiert: z.B. Wartung, Schulung Nutzungsorientiert: z.B.

Waschsalon Ergebnisorientiert: z.B.

Pflanzenschutz als DL Functional Sales Fokus auf Verkauf einer Funktion und nicht eines Produktes

betrachtet neben der Nutzungsphase auch die Entstehungs- und Wachstumsphase eines Produktes steigert den Nutzen für Leistungsempfänger durch Erfüllung von

Kundenanforderungen

Angebot für Wäschereinigung, anstelle einer Waschmaschine Verrechnung nach gedruckten

Seiten anstelle Verkauf von Druckern

Functional Product auch „Total Care Product“ genannt Kunde kauft Funktion anstelle Produkt und Dienstleistung Funktionserfüllung steht im Vordergrund

Anstelle Kauf von Heizungskessel und Wartung kauft Nutzer Wärme von einem Heizungsanlagenhersteller

Integrated Product and Service Offering (IPSO)

kombiniert die drei zuvor genannten Konzepte zu einem ganzheitlichen Konzept

Beispiel Rolls-Royce oder Hilti

Abbildung 2: Klassifizierung von Hybriden Leistungsbündeln (eigene Darstellung i.A.a. Park et al., 2012; Spath & Demuß, 2006; Reiss, 2006)

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TOP-THEMA

mensinterne (z.B. organisationale und personelle Aspekte) und -externe Her-ausforderungen (z.B. Kundenintegrati-on, -individualisierung) zu bewältigen.

In der Bereitstellung hybrider Leis-tungsangebote sind verschiedene Un-ternehmensbereiche involviert, die gleichberechtigte Partner sein müssen. Die getrennte Entwicklung von Pro-dukten und Dienstleistungen und die übliche Trennung in einen Produkt- und einen Dienstleistungsbereich sind daher nicht erfolgversprechend. Aufbau- und Ablauforganisation und abteilungsspezifische Informationssys-teme müssen so gestaltet werden, dass abgestimmte Prozesse und kurze Ent-scheidungswege in der Realisierungs-phase sichergestellt werden (Meier & Völker, 2012, S. 137f). In Vorgehensmo-dellen für die Entwicklung hybrider Leistungsbündel wird deshalb häufig eine eigene Phase der Organisations-umgestaltung vorgesehen, wozu auch die Gestaltung von Kooperationsnetz-werken gehört.

Bei der Entwicklung hybrider Leis-tungsbündel müssen verschiedene Kundentypen mit individuellen Er-wartungen, aber auch unterschiedliche Produktlebenszyklen, Marktanforde-rungen, Innovationsraten oder Pla-nungshorizonte berücksichtigt werden. Die Abstimmung der komplexen Lö-sungsangebote mit den Kundenanfor-derungen erfordert hochqualifiziertes Personal, zumal die Wahrnehmung der Qualität der Leistungserbringung wesentlich durch das professionelle Auftreten der handelnden Personen bestimmt wird. Vertriebsabteilungen müssen lernen, die Vorteile kompletter Lösungsbündel zu kommunizieren und individuelle Kundenlösungen an-stelle gewohnter Produkte zu verkau-fen. Und auch auf Kundenseite benöti-gen die in der Umsetzung involvierten Personen entsprechende Qualifikati-onen und Entscheidungsgewalt. (Meier et al. 2006, S. 27)

Die Dienstleistungsanteile müssen bereits in der Entwicklungsphase des Leistungsbündels mit dem Produkt abgestimmt werden. Integrierte Pla-nungsprozesse sehen dazu eine umfas-sende Anforderungsanalyse mit allen betroffenen Unternehmensbereichen vor. Da der Nutzungsvertrag mit dem Kunden ein zentrales Element bildet, müssen in der Planungsphase auch bereits alle Rahmenbedingen wie ver-

tragliche Verpflichtungen, Laufzeiten, Besitzverhältnisse, Zahlungsvarianten usw. entlang des Produktlebenszyklus betrachtet werden. (Stark & Müller, 2012, S. 45f; Spath & Demuß, 2006, S. 464ff)

Für eine kundenspezifische Ausge-staltung der Leistungserbringung muss das Unternehmen in der Lage sein, ein dynamisches Portfolio bereitzuhalten, das auf die individuellen Kundenbe-dürfnisse adaptierbar ist. Das erfordert flexible Ressourcen und Kapazitäten, wobei der Ressourcenbedarf durch einen bestmöglichen Zugang zu den Benutzungsinformationen und gute Kenntnisse über die Prozesse der Kun-den bestimmt werden kann (Meier & Völker, 2012, S. 137f; Kindström, 2010, S. 488).

Wenn anstelle von Produkten eine Nutzung bzw. ein Leistungsergebnis verkauft werden, dann gestalten sich

auch die Erlöse wesentlich komplexer und differenzierter (Kindström, 2010, S. 485). Das Produkt ist nur Mittel zum Zweck und der Kunde kommt nur für die tatsächliche Nutzung auf. Das Produkt bleibt also im Besitz des An-bieters, der das Risiko der Investitions-kosten trägt. Daimler entwickelte sein Car-Sharing-Konzept Car2Go nach die-sem Prinzip, wobei die Abrechnung im Minutentakt erfolgt und nicht wie bei normalen Autovermietungen stunden- oder tageweise. (Barquet et al. 2013, S. 695; Gassmann et al., 2013, S. 191f)

5. Fazit

Hybride Leistungsbündel stellen die umfassende Lösung von Kundenproble-men in den Mittelpunkt. An Stelle von Produkten wird ein Leistungspaket an-geboten, das auf die individuellen Kun-denanforderungen abgestimmt ist und wahrnehmbaren Kundenutzen bietet. Dieser neue Ansatz erfordert ein Um-denken beim leistungserbringenden Unternehmen (organisatorische Maß-nahmen, integrierter Planungsprozess, Qualifikation, neue Geschäftsmodelle etc.), allerdings auch Überzeugungsar-beit gegenüber dem Kunden. Gleich-zeit ergibt sich damit aber die Chance, sich von einer Technologie- zu einer Nutzerführerschaft zu entwickeln und dauerhafte Kundenbeziehungen auf-zubauen, die kurzfristige Preiskämpfe überdauern und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sichern (Meier & Uhlmann, 2012).

Literatur:

Aurich, J.C., Fuchs, C., Wagenknecht, C. (2006): Life cycle oriented design of techni-cal Product-Service Systems, in: Journal of Cleaner Production, 14, 2006, S. 1480-1494Aurich, J.C., Schweitzer, E., Siener, M., Wolf, N. (2007): Lebenszyklusorienterte Konfiguration investiver Produkt-Service-Systeme, in: ZWF, Jg. 102, 12, S. 820-824Barquet A. P. B., Gouvea de Oliveira M., Amigo C. R., Cunha V. P., Rozenfeld H. (2013): Employing the business model con-cept to support the adoption of product-ser-vice systems (PSS), in: Industrial Marketing Management, 42 (2013), S. 693-704.Berkovich M., Leimeister J.M., Krcmar H. (2011): Requirements Engineering für Pro-duct Service Systems, in: WIRTSCHAFTS-INFORMATIK, 53(6), S. 357–370.

Xerox: Ein klassisches Beispiel für die Entwicklung hybrider Leistungs-

angebote

Da hochwertige Kopiergeräte relativ teuer und schwer verkäuflich waren, hat Xerox bereits in den 60er Jahren begonnen, seine Produkte zu geringen Preisen zu verleasen, anstelle sie zu ver-kaufen („Rent Instead of Buy“-Modell). Später wurde dazu übergegangen, die Verrechnung auf Basis der Anzahl der tatsächlich gedruckten Seiten durchzu-führen (Functional Sales). Umfassende Serviceverträge und Online-Support garantieren Kunden mittlerweile eine maximale Betriebsbereitschaft und er-möglichen eine bestmögliche Wartung der Geräte (Added Service). Bei der Produktgestaltung der Geräte wird der gesamte Lebenszyklus betrachtet und die Komponenten sind für die Wieder-verwertung gestaltet (Sustainability). Inzwischen hat sich Xerox von einem Gerätehersteller zu einem führenden Lösungsanbieter im Bereich des Doku-mentenmanagements entwickelt und bietet Lösungen für Dokumenten-be-zogene Aktivitäten in Organisationen, bis hin zur Unterstützung von Ge-schäftsprozessen und IT-Outsourcing (Integrated Product and Service Offe-ring).

(Gassmann et al., 2013, S. 201, 206; Park et al., 2012, S. 539; Beuren et al., 2013, S. 226)

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TOP-THEMA

Dipl.-Ing. Harald WipᶥerInstitut für Unterneh-mungsführung und Organisation, TU Graz

Dipl.-Ing. Christiana MüllerInstitut für Unterneh-mungsführung und Organisation, TU Graz

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Stefan VorbachVorstand des Insti-tutes für Unterneh-mungsführung und Organisation, TU Graz

Dipl.-Ing. Wolfgang A. MarkoInstitut für Unterneh-mungsführung und Organisation, TU Graz

Beuren F.H., Gomes Ferreira M. G., Cau-chick Miguel P. A. (2013): Product- service systems: a literature review on integrated products and services, in: Journal of Clea-ner Production, 47, S. 222–231.Bierter, W. (1997): Öko-effiziente Dienstleis-tungen und zukunftsfähige Produkte, in: Bullinger, H.J. (Hrsg.): Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert, Gestaltung des Wandels durch Aufbruch in die Zukunft, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, S. 557-585.Cook, M.B., Bhamra, T.A., Lemon, M. (2006): The transfer and application of Product Service Systems: from academia to UK manufacturing firms, in: Journal of Cleaner Production, 2006 (14), S. 1455-1465.Empacher, C. (1994): Öko-Dienstleistun-gen, Begriff und Bedeutung, Materialien Soziale Ökologie Nr.5, Institut für sozial-ökologische Forschung, Frankfurt am Main.Gassmann, O., Frankenberger, K., Csik, M. (2013): Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Konzepte mit dem St. Gallener Business Model Navigator, Carls Hanser Verlag, München.Hearn G., Pace C. (2006): Value-creating ecologies: understanding next generation business systems, in: Foresight 8.1, S. 55–65.Hockerts, K., Petmecky, A., Hauch, S., Seu-ring, S. (1994): Servicekonzepte als Element einer öko-effizienten Kreislaufwirtschaft, in: Hockerts, K. et al. (Hrsg.): Kreislaufwirt-schaft statt Abfallwirtschaft, Optimierte

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TOP-THEMA

Heinzpeter Mandl

HUMANIC passt immer - Innovation beim Schuhkauf durch 3D-FußscanAus einer Vision wurde Wirklichkeit: HUMANIC revolutioniert via Hi TEC & 3D-Fußscan den Schuhkauf. So indi-viduell der Fingerabdruck eines Menschen ist, so unterschiedlich ist auch das Abbild der Füße. Ein perfekt passender Schuh bietet nicht nur Komfort, sondern ist essentiell für unsere Gesundheit. Vor allem bei Kindern stellt sich der HUMANIC AVATAR als bahnbrechende Erfindung heraus und wird vom Arzt empfohlen.

Schuhgrößen sind weltweit nicht genormt, einheitliche „Passform-

definitionen“ nicht möglich. Dies ist einerseits bedingt durch die hohe Mo-dellvariabilität, andererseits durch die unterschiedlichen Füße der Menschen auf der Welt - in Japan kurz und breit, in den USA lang und schmal. Eine be-sonders gute Möglichkeit, Schuhe vir-tuell zu verpassen besteht darin, den 3D-Innenraum des Schuhs mit dem 3D-Abbild beider Füße, dem HUMA-NIC AVATAR, zu vergleichen. Eine In-novation auf dem Schuhmarkt, die den Schuhkauf für immer revolutioniert.

Das individuelle, persönliche Pass-formgefühl des Menschen

Bisher sind Versuche, Schuhe virtuell zu verpassen, am individuellen Pass-formgefühl der Menschen geschei-tert. Es gibt Menschen, die eher enge Schuhe mögen und andere, die eher einen lockeren Sitz bevorzugen. Dies

Foto:Leder & Schuh AG

kann auch mit der verschiedenen Emp-findlichkeit der menschlichen Füße (Ausprägung der Gefühlsnerven in den Füßen) zusammenhängen. Der HUMANIC AVATAR verwendet daher einen selbst lernenden Algorithmus zum Errechnen der passenden Schuh-größe eines Modells für Erwachsene. Das heißt, der persönliche HUMANIC AVATAR einer erwachsenen Person merkt sich, welche Schuhdimensionen diese Person als passend bewertet hat und verwendet dieses Wissen bei der Ermittlung des nächsten Größenvor-schlags.

Um dieses Lernen zu ermöglichen ist jede/er Kundin/e gebeten, seinem HUMANIC AVATAR bekannt zu-geben, welche Schuhe ihr/ihm gut passen. Dies funktioniert in den HU-MANIC Stores sehr einfach mit Hilfe des Pocket-PC der Verkäuferin oder durch Kaufen des passenden Schuhs, aber auch im eShop www.humanic.net durch Bewerten der Schuhe in der

5-Sterne Logik. HUMANIC empfiehlt daher, nach dem 3D-Fußscan im Ge-schäft ein oder zwei Paar Schuhe zu probieren und das persönliche Pass-formgefühl dem eigenen HUMANIC AVATAR mitzuteilen. In der Folge wird durch jeden weiteren Kauf oder jede weitere Passformbestätigung der Größenvorschlag verfeinert.

Ein Beispiel:

Die Trittspuren von 15 Männern, die das gleiche Schuhmodell in der glei-chen Größe als bestpassend empfun-den haben. Alle wollten den Schuh mit der roten Brandsohle.

Abb. 1: Trittspuren

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TOP-THEMA

Die Basis für den persönlichen HU-MANIC AVATAR ist der 3D-Fußscan. Ein Fußscanner im HUMANIC Store erzeugt mithilfe von Licht und einer Kamera ein elektronisches 3D-Abbild beider Füße. In dem dreidimensionalen Abbild sind 24 Umfänge definiert, die beim Ermitteln des Größenvorschlages verwendet werden.

Die Daten werden auf einem pass-wortgeschützten Online-Konto auf www.humanic.net gespeichert - der individuelle HUMANIC AVATAR ent-steht. Auf diesem Konto können auch die HUMANIC AVATARE von Fami-lienangehörigen gespeichert werden, was vor allem Eltern den Schuhkauf für ihre Kinder erleichtert.

HUMANIC scannt jede Größe je-des angebotenen Schuhmodells und stellt diese Daten online in der Da-tenbank zur Verfügung. Bis jetzt sind über 20.000 Modelle – das sind mehr als 200.000 einzelne Größen - und fast 100.000 Personen vermessen worden. Diese 3D-Daten werden in Echtzeit ab-gefragt und für jeden Größenvorschlag genutzt. Die Fußgröße (das 3D-Modell in mm) bleibt bei Erwachsenen lange

Zeit gleich, die Schuhgröße ist von Modell zu Modell verschieden.

Das Verpassen von Kinderschuhen

Mehr als die Hälfte aller Kinder trägt zu kleine Schuhe, was Form und Wachs-tum der Füße beeinträchtigen und zu Fuß- und Haltungsschäden führen kann. Kinder bis zum 12. Lebensjahr

Abb. 2: 3D-Fuß-Scan

haben noch keine ausgeprägten Fuß-nerven und können daher noch nicht beurteilen, ob und wo sie der Schuh drückt. Außerdem wachsen Kinderfü-ße im Monat um durchschnittlich 1,4 mm bei Dreijährigen und immerhin 0,4 mm bei zehnjährigen Kindern. Bisher konnte man nur statisch eine „Wachstumszugabe“ von 9-15 mm (ab-hängig von der aktuellen Fußlänge des Kindes) einkalkulieren und em-pirisch eine Schuhgröße für das Kind ermitteln. Mit der sogenannten „Dau-menprobe“ konnten sich Eltern und Verkäufer überzeugen, dass der Schuh heute genug Überlänge hat, damit er wahrscheinlich die nächsten 4-6 Mo-nate vom Kind getragen werden kann.

Ao. Univ. Prof. Dr. Christian Gäb-ler, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie ist Unterstützer des HUMANIC AVATAR seit der ers-ten Stunde:

„Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kinder aufgrund ihrer neurologischen Entwicklungsphasen schwer beurteilen können, ob ein Schuh passt oder nicht. Schlecht sitzende Schuhe sind – neben ge-netischen Faktoren – die häufigste Ursache für Fehlstellungen und Deformierungen der Zehen. Dies macht mit zunehmendem Alter oft Operationen erforderlich, die vermeidbar wären, wenn man bereits im Kindesalter die optimale Passform erken-nen könnte. HUMANIC AVATAR stellt bei der exakten Schuhgrößen-Bestimmung einen unglaublichen Fortschritt dar. Daher unterstütze ich gemeinsam mit dem Team der Sportordination dieses Konzept.“

HUMANIC AVATAR kann un-ter Zuhilfenahme von statistischen Wachstumsdaten simulieren, wie sich der Kinderfuß in den nächsten 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 Monaten entwi-ckeln wird.

Durch Vergleichen des 3D-Fußscans und des 3D-Schuhscans wird nicht nur die richtige Größe ermittelt sondern auch berechnet, wie viele Monate der

Schuh passen wird. Auf dem Bildschirm des Pocket-PC der Verk äufer in kann sogar in Monatsschrit-ten gezeigt werden, wie der Kinderfuß im Schuh Mo-nat für Monat wachsen wird und wann er über die ideale Passformzo -ne hinausge-wachsen ist und damit zu klein sein

wird. Zusätzlich werden die Eltern zeitgerecht per Mail daran erinnert, dass die Füße des Kindes wieder ver-messen werden sollen.

Größenvorschlag funktioniert auch im Online Shop

HUMANIC AVATAR schlägt mit dem persönlichen Passformgefühl der Kunden die richtige Größe eines vom Kunden ausgewählten Schuhmodelles in allen Einkaufssituationen vor. Im HUMANIC eShop www.humanic.net wird das gewählte Schuhmodell vom persönlichen HUMANIC AVATAR virtuell anprobiert und die passende Größe ermittelt. Das geschieht, wenn die/der Kundin/e eingeloggt ist, ganz automatisch. Dadurch können Kun-den sicher sein, dass sie den Schuh aus

Abb. 3: Bild vom Fuss-Scan

Abb. 4: Größenvor-schlag

Abb. 5: Simulation des Fußwachs-tums im Schuh

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Passformgründen nicht retournieren müssen, womit Einkaufen im HUMA-NIC eShop risikolos wird. Kein anderer eShop dieser Welt kann bis jetzt diesen Service bieten.

Der HUMANIC Fuß-Scan designed by KiBiSi

KiBiSi, kreative Produktgestaltung für Industrial-DESIGN, gehört zu den

Abb. 6: eShop

einflussreichsten Desi-gnergruppen Skandi-naviens. KiBiSi wurde von Lars Larsen, Bjarke Ingels Group und Jens Martin Skibsted in Ko-penhagen gegründet. Produktdesign von Kopfhörern über Fahr-räder bis hin zu Stüh-len, made by KiBiSi, wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Kernauf-gabenbereich ist Funk-tion, Technik und Äs-

thetik in Form und Optik optimal zu vereinen.

Die Herausforderung, einen bedie-nungsfreundlichen Fußscanner für bestehende und teilweise sehr unter-schiedliche Ver-kaufsbereiche zu entwickeln, scheint geglückt. So ent-standen eine klei-ne und eine große Scanner-Ausfüh-rung, die je nach Platz und Umfeld optimal in die Stores integriert werden kann. Der große Scanner soll einen aufgestell-ten Schuhkarton darstellen und wirkt besonders auf geräumigen Verkaufs-flächen extrem attraktiv und zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Innovation trifft auf Funktion und Bedienungsfreundlichkeit!

Abb. 7: 3D Fuß-Scanner

Mag. Heinzpeter MandlVorstandsmitglied Le-der & Schuh AG

Management-Summary:

HUMANIC AVATAR stellt eine Re-volution für den Schuhhandel dar. Durch einen Fußscan der HUMANIC-KundInnen in den HUMANIC Stores wird das persönliche 3D-Abbild bei-der Füße (der HUMANIC AVATAR) mit allen Schuhmodellen verglichen, wodurch die passende Schuhgröße für jedes Schuhmodell in Echt-Zeit ermittelt werden kann. Besonders für das Finden der richtigen Schuhgröße von Kindern ist diese Neuerung ein absoluter Durchbruch auf dem Schuh-markt! Auch im eShop www.humanic.net schlägt HUMANIC AVATAR den KundInnen die richtige Schuhgröße vor und reduziert somit die Retouren. Weltweit kann bis jetzt kein anderer eShop diese Innovation bieten.

Autor:

Mag. Heinzpeter MandlVorstandsmitglied Leder & Schuh AGJahrgang: 1966Ausbildung: BWL-Studium an der Karl-Franzens-Universität in Graz

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Thomas Puchleitner

Kundenausrichtung in der Innovationsforschung anhand der Customer Journey Map Der Kunde nimmt in der Innovationsforschung vermehrt die Rolle des Innovationstreibers ein. Unternehmen erken-nen die Bedeutung latenter Kundenbedürfnisse für zukünftige Produkt- und Serviceinnovationen und binden Kunden verstärkt in den Prozess der Ideengenerierung ein. Während der Fokus bisher auf die Optimierung einzelner Produkte oder Kundenkontakte (Touchpoints) gerichtet wurde zeigt sich, dass die ganzheitliche Kundenzufriedenheit (Custo-mer Experience) über alle Kontaktpunkte zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Customer Journey Map als Methode der Experience Forschung erlaubt die vollständige Ausrichtung der Unternehmenswertschöpfung auf identifizierte Kundenbedürfnisse. Sie dient dabei als Ausgangspunkt für nachgelagerte Optimierungen und Neuimplementierungen sämtlicher Touchpoints. Die angeführten Beispiele verdeutlichen die außerordentliche Nützlichkeit der Methode für die Ideengenerierung.

Nicht zuletzt die aktuelle Ausgabe der Wing Business zeigt, dass sich

die Innovationskultur eines Unterneh-mens maßgeblich auf den zukünftigen Unternehmenserfolg auswirkt.

Der Fokus des Innovationsprozesses richtet sich dabei immer stärker nach dem Kunden aus. Versuchte man frü-her Wettbewerbsvorteile zu lukrieren indem hinter verschlossenen Türen neue Produkte entwickelt wurden, so zeigen sich starke Tendenzen zur Öff-nung des Innovationsprozesses gegen-über unternehmensexternen Instituti-onen und Personen.

Der Kunde wird zunehmend als Quelle zur Optimierung bestehender, oder dem Design neuer Produkte an-gesehen.

1. Die Rolle des Kunden in der Inno-vationsforschung

Die konsumentengestützte Innova-tionsforschung spannt sich über ein breites Feld möglicher Kundeninteg-rationen. Beginnend mit der Ideen-generierung für neue Angebote (z.B. über Ideenwettbewerbe), die laufende Optimierung bestehender Produkte (verschiedene Formen des Produkt-feedback) über den Entwicklungspro-zess bis hin zur Evaluierung neu ent-wickelter Produkte direkt am Kunden (mittels Prototypen und Simulatoren) reichen die Möglichkeiten. Ein wesent-licher Auslöser dieser Entwicklung ist die veränderte und gestärkte Rolle des Kunden [1]. Informationstechnologien

erlauben weltweite Preis- wie auch Pro-duktvergleiche und damit den direkten Austausch zwischen Konsumenten. Örtliche Verfügbarkeit und Beratung werden durch internationalen Preis-vergleich und Kundenbewertungen ersetzt. Die zunehmende Marktmacht des Kunden verlangt von Unterneh-men die vollständige Ausrichtung nach den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe(n) [2]. Die Erwartungen müssen identifi-ziert, Angebote dementsprechend an-gepasst oder neu geschaffen werden. Während diese Ausrichtung zumeist zu inkrementellen Innovationen führt, gilt es auch die Augen hinsichtlich po-tentieller radikaler Innovationen offen zu halten. „Lead User“ unterscheiden sich von klassischen Kunden dahinge-

Foto: Fotolia

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hend, dass sie Produkte in neuer Art und Weise nutzen oder überhaupt ihre Bedürfnisse durch neue Lösungswege befriedigen. Sie nehmen damit einen Vorreiterstatus ein und schaffen völlig neue Märkte und Geschäftsmodelle. Dem Wassersport „Kitesurfen“ wird beispielweise eine genau solche Ent-wicklung zugeschrieben. Im Jahr 1997 als Alternative zum Windsurfen von zwei Brüdern initiiert, betreiben der-zeit rund 1,2 Millionen Sportler diesen Sport mit einem geschätzten Marktvo-lumen von über 250 Millionen Dollar [3].

2. Vollständige Ausrichtung auf Kun-denbedürfnisse

Sowohl für inkrementelle wie auch für radikale Innovationen gilt es den Fokus auf den Kunden zu setzen um dessen Bedürfnisse zu ermitteln und Prozesse und Produkte danach auszu-richten. Aus Sicht des Kunden stellt ein Produkt ein Glied innerhalb einer dahinterliegenden Wertschöpfung dar. Fokussierung bedeutet nun dieses ei-gentliche latente Bedürfnis zu ermit-teln und dieses in den Mittelpunkt zu stellen, weniger ein einzelnes Produkt. Hybride Leistungsbündel sind die Fol-ge einer solchen Öffnung der Betrach-tungsweise. Für Unternehmen gilt es wesentliche Eckpunkte zu beachten:

Fokussierung auf den tatsächlichen �Wertschöpfungsprozess aus Sicht des KundenIdentifizierung der emotionalen �Entscheidungspunkte innerhalb des Kundenprozesses (Moments of Truth)Gegenüberstellung der bisherigen �Serviceangebote (Touchpoints) mit den KundenbedürfnissenIdentifikation von Lead-Usern durch �Vergleich mit kundentypischen WertschöpfungsprozessenKommunizierbarkeit der Kunden- �bedürfnisse innerhalb des Unter-nehmensSchaffung einer Entscheidungs- �grundlage für Anpassungen oder Neuentwicklungen

Nicht alleine das Erfassen von Kun-denbedürfnissen reicht also aus, son-dern vielmehr die unternehmerische Wertschöpfung gilt es an den Kunden auszurichten. Zur Sicherstellung dieser

Ausrichtung hat sich in den vergangen Jahren eine, vor allem in den USA, stärker verbreitete Methode bereits be-währt. Ausgehend von der Customer Experience Forschung ermöglichen Experience Maps einerseits die Dar-stellung und Analyse des Kundenpro-zesses, und andererseits das direkte Ableiten von Handlungen. Als Me-thode stellt sie damit die Schnittstelle zwischen Kundenbedürfnissen und Unternehmenstätigkeiten dar und eig-net sich damit ideal zur Innovationsfin-dung und –realisierung.

3. Customer Journey Mapping in der Innovationsforschung

Die Customer Journey wird vorrangig in der Experience Forschung einge-setzt und ist dort auch unter dem Be-griff Experience Map bekannt [4]. Sinn der Map ist es, die Wertschöpfung aus Sicht des Kunden darzustellen und potentielle Eingriffspunkte durch ein Unternehmen zu ermitteln. Sie dient dabei vorrangig der Identifikation von neuen Potentialen und Innovationen, beinhaltet jedoch gleichzeitig eine komplexitätsreduzierende, visuelle Komponente [5].

Bei der Identifikation potentieller Innovationen bedient sich die Journey Map Erkenntnissen unterschiedlichs-ter Quellen. So können qualitative wie auch quantitative Informationen aus Kundenbefragungen, Datenanalysen, Beobachtungen oder Fokusgruppen in strukturierter und verwertbarer Form aufbereitet werden um ein Gesamtbild der Kunden und derer Bedürfnisse ab-zubilden.

Die erstellte Map dient als Ausgangs-punkt für das anschließende Blueprin-ting der umzusetzenden Innovationen. Der Fokus wird hier vom reinen Kun-denblick wieder bewusst stärker zu-rück auf das Unternehmen gerichtet

Abb. 1: Die Customer Journey Map und anschließendes Blueprinting

um Lösungen schlussendlich auch zu entwickeln.

Aufbau und Vorgehen

Customer Journey Maps können sehr variabel eingesetzt werden und bieten damit ein breites Einsatzspektrum. Das beschriebene Vorgehen bezieht sich speziell auf die Identifikation von Innovationen und bezieht somit jene Bereiche mit ein, die zur Ideengenerie-rung dienen. Die Komponenten einer Journey Map bleiben grundsätzlich unverändert. Involviert in den gesam-ten Prozess sind in der Regel unterneh-mensinterne Mitarbeiter und Manager sowie Experience Designer, die den gesamten Prozess leiten und begleiten: [6]

1. Den ersten Schritt stellt ge-meinhin eine Analyse der aktuellen Ausgangssituation inklusive der Ziel-setzung des Unternehmens dar. Die Personas Methode hilft die definierten Zielgruppen exakt zu adressieren und unterschiedlichen Requirements abzu-bilden. Der Fokus wird in dieser Phase nun weg vom Unternehmen hin zum Kundenprozess der Zielgruppen gelegt. Dafür wird ein generischer Kunden-prozess gestaltet, der speziell für die Ideengenerierung in der Innovations-forschung möglichst weit zu fassen ist. Bereits in dieser Phase wird klar welche Teilprozesse das Unternehmen gegenü-ber dem Kunden zu diesem Zeitpunkt abdeckt. Branchen- oder Unterneh-menskenner erarbeiten in Kooperation mit Experience Designern diesen Pro-zess, der in weiterer Folge die x-Achse darstellt.

2. Als nächstes werden die Be-trachtungsdimensionen der Map ge-wählt, die sich je nach Zweck der Map unterscheiden können. Anhand dieser Dimensionen werden die in Schritt 1 definierten Prozessschritte analysiert.

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Beispiele sind hierbei Interaktionsmög-lichkeiten der Kunden, zentrale Frage-stellungen aber auch Bedenken und Hemmnisse die kundenseitig auftre-ten. In diesem Schritt ist die Erfahrung

des Experience Designers besonders gefragt, da sich das weitere Vorgehen und die zukünftigen Ergebnisse nach den gewählten Dimensionen richten. Die Dimensionen repräsentieren typi-scherweise die y-Achse.

3. Nun beginnt die eigentliche Erarbeitung der Inhalte. Für jede Pha-se und Dimension werden Erkennt-nisse unterschiedlichster Quellen einbezogen. Wissen aus unternehmen-sinternen Workshops wird mit Erkennt-nissen quantitativer und qualitativer Erhebungen ergänzt. Unterschiedliche Sichtweisen zwischen Einstellungen der Mitarbeiter (interne Sicht) und un-ternehmensexternen Quellen (externe Sicht) werden abgeglichen. Involvierte Mitarbeiter identifizieren bereits Pro-bleme und erkennen gleichzeitig Po-tentiale. Für jede Kundenphase werden „Moments of Truth“ erarbeitet. Diese besonders emotionalen Momente stel-len die entscheidenden Situationen dar, in denen der Kunde sich ein Bild vom Unternehmen und dessen Leis-tung macht. Kundenorientierte Wert-schöpfungsmöglichkeiten werden ersichtlich, neue Ideen generiert - der Innovationsprozess ist an seinem Hö-hepunkt.

4. Mit etwas Abstand werden nun die derzeit vom Unternehmen

angebotenen Produkte und Service betrachtet und innerhalb der Map platziert. Losgelöst von rechtferti-genden Argumentationen, warum ein Angebot in seiner derzeitigen Form

existiert, werden sie den in Schritt 3 erfassten „Moments of Truth“ ge-genübergestellt. Defizite werden er-kannt und Optimierungspotentiale aufgedeckt. Gleichzeitig stellen Kun-denphasen ohne Interaktionspunkte Entwicklungspotentiale für neue Wert-schöpfungen dar. Die Journey Map ist nun inhaltlich ausgestaltet.

5. Im letzten Schritt geht es nun darum die Map nutzbar zu machen. Experience Designer beschäftigen sich damit die erarbeiteten Ergebnisse aus Schritt 4 visuell ansprechend darzu-stellen und gleichzeitig Komplexität zu reduzieren. Diese Visualisierung muss selbsterklärend sein, sodass Mitarbeiter die Map ohne Widersprüche interpre-tieren und in ihr tägliches Umfeld ein-binden können. Innovationspotentiale werden somit innerhalb des gesamten Unternehmens kommunizierbar ge-macht. Gleichzeitig werden auf Basis der Ergebnisse die Handlungsschritte mit der Unternehmensführung abgelei-tet. Die Map wird durch Management wie auch Mitarbeiter tief im Unterneh-men verankert.

Abbildung 2 zeigt exemplarisch eine erarbeitete Customer Journey Map. Ausgehend vom generischen Kunden-prozess sind die einzelnen Aktivitäten

inkl. nutzbarer Kommunikationskanä-le abgebildet. Die Dimensionen „Thin-king“ und „Feeling“ beziehen sich auf Ergebnisse qualitativer Forschung, die Balkencharts aus einer quantitativen

Befragung spiegeln die derzeitige Kundenzu-friedenheit mit den Serviceangeboten des untersuchten Unterneh-mens wider. Zuletzt sind die bereits erarbeiteten Handlungsschritte in-nerhalb der Map aufge-führt.

Einmal erarbeitete Maps identifizieren nicht nur Innovationspotenti-ale sondern dienen auch der gesamten Unterneh-mensausrichtung. Än-dert sich das Unterneh-mensumfeld bzw. Markt oder Kunde, oder tritt das Unternehmen in neue Märkte ein, muss die Methode wiederholt und auf die veränderten

Bedingungen Rücksicht genommen werden.

4. Einsatzbeispiele

Zahlreiche Fallbeispiele demonstrieren die Nützlichkeit der Customer Journey Map als Methode stärkerer Kundeno-rientierung. In einer auf dem Blog des Harvard Business Review veröffent-lichten Studie werden konkrete Ver-änderungen anhand von Kennzahlen festgemacht. Während bei transakti-onsbasierten Geschäftsmodellen die Verkaufszahlen durch positive Custo-mer Experience um 140 % gesteigert werden konnten, verlängert sich auch die Laufzeit bei Abo-basierten Verrech-nungen merklich. Bei schwacher Cus-tomer Experience kündigten 43 % nach einem Jahr das Abonnement, durch Optimierungen blieben 74 % nach dem ersten Jahr noch Kunde. [8]

Auch im Bereich der Innovationsfor-schung können bereits erste Beispiele genannt werden. Nach dem Verlust von Marktanteilen in den vergangenen Jahren war Nokia gezwungen neue Wege zu beschreiten. Mit Einführung der Modellreihe Lumia im Jahr 2011 konnte Nokia Marktanteile zurück-gewinnen und sich wieder am Markt stabilisieren. Die Gestaltung der Inter-

Abb. 2: Beispielhafte Customer Journey für die Reisebuchung [7]

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Dipl.-Ing. Dr. techn. Thomas Puchleitner, MBAUniversität Graz

aktionspunkte mit dem Kunden wur-de dabei mittels der Customer Journey Mapping Methode bewerkstelligt. Be-sonderes Augenmerk wurde auf digi-tale Touchpoints im Retail gelegt, was sich auch am Erfolg der Lumia Modell-reihe niederschlägt. [9]

Eine andere Herausforderung hat-te Virgin Atlantic Airways (VAA) zu meistern. Für ihre Präsenz am Londo-ner Flughafen Heathrow galt es ein in-novatives neues System zu entwickelt, dass den Check-In Prozess einerseits kostentechnisch optimiert aber gleich-zeitig auch ein ansprechendes Kunde-nerlebnis darstellt. Das Kundenverhal-ten von Antritt der Reise bis hin zum Abflug wurde vollständig analysiert um latente Bedürfnisse festzumachen und daraus Lösungen abzuleiten. Neu entwickelte Check-In Schalter konnten so die Durchlaufzeiten um 75 % redu-zieren und damit gleichermaßen Kos-ten einsparen wie auch Wartezeiten reduzieren. Die Änderungen machten sich auch in der Kundenzufriedenheit sichtbar: Im Kundenzufriedenheits-index CSI (Customer Service Index) konnte ein Anstieg um 30 % verzeich-net werden. [10]

Wie die angeführten Beispiele ver-deutlichen eignet sich die Customer Journey Map in der Innovationsfor-schung zur Findung wie auch Durch-setzung von Ideen im Unternehmen. Während die visuelle Darstellung der Komplexitätsreduktion und damit der Strategieumsetzung innerhalb der Belegschaft dient, ermöglichen die Detailergebnisse eine vollständige Orientierung bestehender und neuer Touchpoints an den Kundenbedürf-nissen.

Literatur

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[5] J. Dent, “Customer Journey Mapping: A walk in customers shoes,” ascend magazine, Nr. 2, 2013.

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[7] adaptive path, “The Anato-my of an Experience Map | Adaptive Path.”, erreichbar unter: http://www.adaptivepath.com/ideas/the-anatomy-of-an-experience-map/. [aufgerufen: 21-Aug-2014].

[8] P. Kriss, “The Value of Custo-mer Experience, Quantified.”, Harvard Business Review, erreichbar unter: http://blogs.hbr.org/2014/08/the-value-of-customer-experience-quantified. [aufgerufen: 21-Aug-2014].

[9] Method, “Case Study Nokia.” available: http://method.com/work/no-kia. [aufgerufen: 21-Aug-2014].

[10] Enginegroup, “Tailoring ser-vices for Virgin’s customers.”, erreichbar unter: http://enginegroup.co.uk/work/virgin-atlantic-heathrow-customer-ex-perience. [aufgerufen: 21-Aug-2014].

Autor

Dipl.-Ing. Dr.techn. Thomas Puchleit-ner, MBA, studierte Softwareentwick-lung & Wirtschaft an der Technischen Universität Graz und promovierte im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwe-sen – Maschinenbau. Unternehme-risch seit 2001 im Technologiesektor tätig, beschäftigt er sich seit mehreren Jahren intensiv mit Customer Expe-rience Research. Die Ausrichtung der Wertschöpfung an die Bedürfnisse des Kunden und die Gewinnung von Kunden als Fans liegt im Fokus seiner Tätigkeiten.Dr. Puchleitner unterrichtet an der Universität Graz und der Donau Uni-versität Krems.Kontakt unter www.puchleitner.com

Studierende für das Product Innovation Project 2014/15 gesuchtDas Product Innovation Project bietet motivierten Studierenden die Gelegenheit sich im Rahmen eines Projekts mit dem Thema Produktentwicklung zu beschäftigen. Die Aufgabenstellung und das Projektbudget kommen direkt aus der Industrie - Studierende entwickeln innerhalb eines Studienjahres ein Produktkonzept, einen Businessplan und einen funktionierenden Prototypen. Heuer werden voraussichtlich Projekte mit der Oxford University, Magna Interiors, Fronius International, voestalpine Stahl Donawitz und Google Kalifornien durchgeführt. Man kann sich als Studierender noch bis 15. Oktober 2014 für das Product Innovation Project 2014/15 bewerben. Einfach einen englischen Lebenslauf an [email protected] schicken. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung. Weitere Informationen finden Sie auch unter www.product-innovation.at.

Abb.: Product Innovation Project mit Google Kalifornien im Bereich der Google Glass (Foto: Tim Reckmann)

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Foto: Fotolia

Andreas Suter, Doris Weitlaner

Innovation von Organisation und ProzessenGrazer Ansatz für Organisations- und Prozessgestaltung Gemeinhin wird Innovation mit der Lancierung neuer Produkte (oder Dienstleistungen) verbunden, allenfalls noch eines neuen Geschäftsmodells. Nur selten wird Innovation mit Prozess- oder Organisationsinnovationen assoziiert. Zwar ist der Umsatz oft die Folge von Produktinnovationen; ob dieser profitabel ist, wird allerdings durch Prozessin-novationen entschieden.

Attraktiver Payback von Prozessin-novationen

Im Unterschied zur Produktinnova-tion, für welche vielerorts ein respek-tables Budget zur Verfügung steht, wird wenig in Prozessinnovationen investiert. Daran können auch die in-ternen Stellen für Prozessmanagement wenig ändern, denn ihre Aufgaben liegen eher im Bewahren der Prozess-standards als in der Neugestaltung von Organisation und Prozessen. Dabei wären die realisierbaren Potentiale mit Prozessinnovationen beträchtlich bzw. die Amortisationszeit in den allermeis-ten Fällen markant. Dahingehend lie-gen Erfahrungswerte für professionell

geplante und umgesetzte Prozessinno-vationsprojekte (z.B. unter der Flagge „Business-Process-Reengineering“ oder „Operational-Excellence“) vor: der Ein-malaufwand beträgt 0.2x bis 1.0x des jährlich wiederholten Zusatzergeb-nisses, d.h. die Payback-Zeit liegt zwi-schen 3 und 12 Monaten. Angesichts dieser Attraktivität müsste jedes Unter-nehmen gezielt in Prozess- und Orga-nisationsinnovationen investieren! Hier setzt der Grazer Ansatz für Or-ganisations- und Prozessgestaltung an, welcher der Grundidee folgt, Pro-zesse und Strukturen im Gleichschritt zu innovieren (siehe „Die Wertschöp-fungsmaschine“). Die Rollen, Zustän-digkeiten und Verantwortlichkeiten im Unternehmen wie auch die Pro-zess- bzw. Organisationsschnittstellen werden dabei geklärt und gegebenen-falls neu festgelegt. Aus der Perspekti-ve der Wertschöpfung werden auf die-

se Weise die Prozesse und Strukturen so vereinfacht, dass das Unternehmen auch ohne informelle Beziehungen (z.B. Management auf Zuruf) effizi-ent funktioniert. Zugleich werden die strukturellen Leistungsbarrieren nach oben versetzt. Da die betrieblichen Unzulänglichkeiten – zum Beispiel in Form von „Leerlauf“ – reduziert wer-den, können sich die Mitarbeiter wie-der den wertschöpfenden Aktivitäten zuwenden und die geforderte Leis-tungsfähigkeit entwickeln.

Die Resultate sind beachtlich, wenn die Prozessinnovation nicht vor den Bereichs- und Abteilungsgrenzen en-det:

Ein Präzisionsgerätehersteller ordnete seine �Aktivitäten zur Gewinnung und Betreu-ung der Kunden neu. Bisher standen viele Bereiche und Abteilungen unkoordiniert in Kontakt mit den Kunden: Kundenberater,

Unter Prozessinnovation wird die Erneu-erung der strukturell-systemischen Gege-benheiten wie Prozesse und Organisa-tion des Unternehmens verstanden.

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TOP-THEMA

Key-Account-Manager, Servicetechniker, Dialogzentrale, Marketingabteilung und externe Händler. Fortan wurden die Kun-den umfassend von branchenbezogenen und interdisziplinär zusammengesetzten Kundenteams betreut. Ferner wurden die einzelnen Kundenkontakte orchestriert - nicht zu viel, nicht zu wenig. Damit konnten die Vertriebskosten um mehr als einen Viertel gesenkt und die Marktanteile gleichzeitig gesteigert werden.Ein Elektroinstallateur reduzierte den Ko- �ordinationsbedarf und Leerlauf im Over-headpersonal um rund 75 %, indem er das bisher komplexe Prozessmodell auf zwei parallele, durchgängige Geschäftsprozesse für die Kundengewinnung und -betreuung bzw. die Leistungserbringung reduzierte. Damit verbesserte er das Verhältnis von di-rekt-produktiven zu indirekt-produktiven Mitarbeitern von 5:4 auf 5:1. Die Vollkosten je verrechenbare Stunde konnten mithin um 28 % gesenkt werden. Infolgedessen war der Elektroinstallateur mit seinen 3.500 Mitarbeitern wieder konkurrenzfähig.Ein Komponentenhersteller entledigte sich �der langen, verästelten Ablaufketten und gewann im globalen Geschäft neue Schlag-kraft: zum einen wurde an Prozesssicher-heit und Liefertreue hinzugewonnen, so-dass von der teuren Luftfracht auf günstige Seefracht umgestellt werden konnte; zum anderen wurden die Prozesse verschlankt, was zur Senkung der Gemeinkosten führte. Insgesamt verbesserte sich die Ergebnissi-tuation um 6 EBIT-Prozentpunkte, je zur Hälfte durch tiefere Transport- bzw. Ge-meinkosten.Ein Anlagenbauer litt unter Margenerosi- �on während der Auftragsabwicklung. Die Abwicklungszeit bis zur Inbetriebsetzung und Abnahme durch den Kunden dauerte zu lange. Durch die starke Involvierung der ausführenden Bereiche bereits in der Angebotsphase und die Stärkung der Pro-jektleitung mit Linienkompetenz auf Zeit („Jedes Projektteam im Anlagenbau bildet ein Profit-Center auf Zeit.“) konnte die durchgängige Verantwortlichkeit etabliert und die Margenerosion gestoppt werden. Die Ergebnismarge verbesserte sich damit um durchschnittlich 5 Prozentpunkte und die Projektzeiten wurden um mehr als 2/3 verkürzt. Mit der Modularisierung der Produktarchitektur wurden zusätzlich die Projektrisiken vermindert.Aufgrund einer radikalen Marktver- �änderung hatte sich bei einem Spezial-maschinenbauer der Auftragsmix von wenigen kundenspezifischen Großauf-trägen mit einer typischen Losgröße von

100 Stück auf zahlreiche Kleinaufträge mit durchschnittlich 6 Stück reduziert. Die Problematik lag darin, dass die Kleinaufträge immer noch kundenspe-zifische Entwicklungen beinhalteten. Mit der Trennung des kundenspezifischen Aufsatzes von der wiederverwendbaren Standardplattform wurde die Varianten-explosion gestoppt. Gleichzeitig wurden in der Fertigung und Materialbeschaffung Volumeneffekte erzielt, da der Großteil der Maschinenteile identisch blieb. Trotz zusätzlicher Entwicklungskosten für die Standardplattform wurde das Ergebnis um netto 3 EBIT-Prozentpunkte nachhaltig verbessert.Ein großes Bauunternehmen litt unter sin- �kenden Margen. Die Produktivität auf der Baustelle stagnierte. Die Bauleitung war durch die Betreuung von vielen parallelen Baustellen überlastet. Eine Reorganisati-on war unumgänglich. Die Rollenteilung zwischen Bauleitung und ausführender Mannschaft wurde abgeschafft und die Arbeitsplanung, Beschaffung und Abrech-nung an das Bauteam vor Ort delegiert. So konnte eine Schnittstelle, welche hohen Koordinationsaufwand in der Zentrale und unproduktive Wartezeiten auf der Baustelle verursachte, aufgehoben werden. Als weitere Maßnahme wurden die Bauvor-haben nach Schwierigkeitsgrad und Risiko segmentiert. Die einfache Baustelle wurde von einem Vorarbeiter, der Bau eines Ein-familienhauses hingegen vom Polier verant-wortlich geleitet. Der Bauleiter konnte sich in der Folge auf schwierige Großbauten fo-kussieren. Die durchschnittliche EBIT-Mar-ge verdoppelte sich letztendlich.

Innovationssprung vor Optimierung

Je nach Ausgangslage sind bei der Pro-zessinnovation Optimierungen oder regelrechte Performance-Sprünge ins Auge zu fassen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass sich die Optimierung innerhalb der struktu-rell-systemischen Gegebenheiten (z.B. Organisationsgrenzen) bewegt, der In-novationssprung letztere hingegen in Frage stellt:

Prozessoptimierung: � Die Optimie-rung1 von Prozessen findet unter Beachtung der Prozess- und Orga-nisationsgrenzen statt. Dabei be-

1 „Die Wertschöpfungsmaschine: Strategie operativ verankern, Prozessmanagement umsetzen, Operational-Excellence errei-chen“ von Andreas Suter, Stefan Vorbach & Doris Weitlaner, Hanser-Verlag, Mün-chen (erscheint im November 2014)

„Die Wertschöpfungsmaschine“

Viele Geschäftsstrategien werden mit viel Kompetenz und Aufwand entwi-ckelt, ohne jemals ihre Wirkung zu ent-falten. In manchen Unternehmen wer-den zudem Prozesse und Strukturen festgelegt, welche die Strategie nicht unterstützen, vielmehr der Wertschöp-fung im Wege stehen und betriebliche Komplexität schaffen. Hier setzt der Grazer Ansatz für Organisations- und Prozessgestaltung an: Eine Geschäfts-strategie entfaltet ihre positive Wir-kung nur dann, wenn die Prozesse und Strukturen des Unternehmens konse-quent auf sie abgestimmt sind und so dem Wertschöpfen der Mitarbeiter op-timale Leitplanken setzen. Das Buch „Die Wertschöpfungsma-schine“ ist ein Leitfaden. Darin wer-den einfache Prinzipien des Grazer Ansatzes für die strategiegerechte Or-ganisations- und Prozessgestaltung beschrieben. Es beinhaltet eine Fünf-Schritte-Methode, mit deren Hilfe die Geschäftsprozesse aus der Geschäfts-strategie bestimmt werden. Es zeigt anhand von dutzenden Fallbeispielen, wie ein Unternehmen konkret als Wertschöpfungsmaschine gestaltet wird, wie die Prozesse und Struktu-ren auf die Wertschöpfung getrimmt, die organisatorischen Schnittstellen vereinfacht sowie die betrieblichen Leerläufe und Komplexität eliminiert werden:

Die Geschäftsprozesse und Struktu- �ren werden aus der Geschäftsstrate-gie abgeleitet, indem das Unterneh-men wie eine Blackbox vom Groben bis ins Detail aufgelöst wird. Die Prozess- und Organisations- �schnittstellen werden reduziert und auf Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen vereinfacht. Durch die Integration von Wert- �schöpfung und Prozessregelung werden durchgängige Rollen, Zu-ständigkeiten und Verantwortlich-keiten festgelegt.

Mit der „Wertschöpfungsmaschine“1

wird die Basis für rasche und nachhal-tige Leistungssteigerungen gelegt. Das Buch gibt zahlreiche Tipps für den All-tag, um die strategische Ausrichtung direkt mit Operational-Excellence zu verknüpfen und das betriebliche Ge-schehen effektiver sowie effizienter zu gestalten − getreu dem Motto „don‘t work harder, but smarter“.

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deutet Optimierung durchaus, dass wertvernichtende Tätigkeiten elimi-niert, Abläufe vereinfacht, Prozes-stätigkeiten zusammengefasst oder die Ressourcen sowie Instrumente angepasst werden – jedoch stets im Rahmen des strukturell-systemisch Gegebenen. Typischerweise sind die Verbesserungen inkrementell und betragen letztlich nur 10-30 % in aus-gewählten Performancegrößen (z.B. Reduktion der Durchlaufzeit von 12 auf 9 Tage).Prozess-Innovationssprung:�� Innovati-onssprünge sind nur möglich, wenn die Prozessgrenzen – meistens auch der aufbauorganisatorische Rahmen – neu und strategiegerecht festgelegt werden. Faktisch hat dies zur Fol-ge, dass die Geschäftsprozesse neu definiert werden. Der Innovations-sprung bedeutet, dass die Prozess- und Organisationsschnittstellen neu gestaltet werden, damit die struktu-rell-systemischen Grenzen verscho-ben werden. Letztlich werden Rol-len und Verantwortlichkeiten sowie Aufgaben und Zuständigkeiten modifiziert oder gar neu definiert. Der damit verbundene Aufwand ist beträchtlich, wird jedoch mit erheb-lichen Performanceverbesserungen belohnt. Typischerweise betragen sie 100-300 % in strategierelevanten Performancegrößen (z.B. Redukti-on der Lieferzeit von 12 auf 3 Tage).

Offensichtlich sind Performancever-besserungen beim Innovationssprung markant höher als bei der Optimie-rung. Dennoch ist die Prozessopti-mierung in der Praxis häufiger an-zutreffen als der Innovationssprung. Im Zuge des verbreiteten kontinu-ierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) werden die Potentiale der Pro-zessoptimierung schrittweise ausge-reizt – im Einzelfall gar „überreizt“. Denn sofern die Optimierung insular erfolgt, leidet die Gesamtperformance (siehe auch „Die sieben Todsünden im Prozessmanagement“). Jedes der oben erwähnten Unternehmen stieß vor dem beschriebenen Innovationssprung mit der Optimierung an Grenzen:

Der Präzisionsgerätehersteller maximierte �die Anzahl der Kundenbesuche je Kun-denberater und Servicetechniker, ohne die Kontaktbedürfnisse des Kunden zu be-rücksichtigen. Persönliche Besuche waren aber ein teures Vertriebsinstrument, wenn

Zeit

Leistungsfähigkeit (auswählte Performancegröße)

110-130 %

100 % (Status quo)

Umsetzungs- start

Prozess- Innovations-

sprung Prozess-

optimierung

Umsetzungs- start

200-400 %

Zeit

Leistungsfähigkeit (auswählte Performancegröße)

Verbesserung der Prozessperformance durch Optimierung bzw. Innova-tionssprung

sie vom Kunden als aufdringlich wahrge-nommen werden. Der Elektroinstallateur steigerte in vielen �kleinen Schritten die Produktivität des Montagepersonals, indem planerisch-dis-positive Tätigkeiten zum Overheadperso-nal verschoben wurden. Unter Berücksich-tigung des aufgebauten Overheadpersonals stagnierte die Gesamtproduktivität jedoch jahrelang auf tiefem Niveau.Der Komponentenhersteller entwickelte �mit Akribie ein verästeltes Prozessmodell, um alle logistischen Sonderfälle abzude-cken und gleichwohl jede mutmaßliche Synergie im Unternehmen zu nutzen. Der Überblick über die Aufträge wurde ver-loren, lange Abwicklungszeiten mussten mit teuren Transportmitteln wettgemacht werden.Beim Anlagenbauer wurde jahrelang �der Kompetenzaufbau in den Fachabtei-lungen priorisiert. Der Projektleiter muss-te die Abwicklung koordinieren, hatte als Bittsteller gegenüber den Fachabteilungen allerdings keine Befugnisse, den Projekt-auftrag wirklich voranzutreiben.Der Spezialmaschinenbauer entwickelte �im Rahmen der Kundenaufträge seine Produktpalette weiter. Damit konnte er up-front-Innovationen in der Produktent-wicklung einsparen. Mit der Dominanz von Kleinaufträgen nahmen auch die kundenspezifischen Entwicklungen zu; die resultierenden Entwicklungskosten wurden untragbar.Das Bauunternehmen reagierte auf den �Margendruck, indem der zentralen Bau-leitung schleichend mehr zu betreuende Baustellen zugewiesen wurden. Darunter litt die zuverlässige Versorgung der Bau-stellen; Fehlmaterialien und unproduk-tive Wartezeiten gehörten zum Alltag.

Offensichtlich wird ein Innovations-sprung erst dann ins Auge gefasst, wenn die Optimierungspotentiale als nicht mehr ausreichend erachtet wer-den.Der Prozessinnovationssprung bedeu-tet zumeist, dass einige bestehenden Organisations- und Prozessschnittstel-len aufgehoben und andere am rich-tigen Ort entlang der Wertschöpfungs-kette positioniert werden. Damit werden die strukturell-syste-mischen Barrieren entfernt und Raum für neue Leistungsfähigkeit geschaf-fen.

Fazit: Mit der Neugestaltung der Schnittstellen hat jedes Unternehmen einen großen Hebel in der Hand, sich strategiegerecht aufzustellen, die be-triebliche Komplexität zu eliminieren

„Die sieben Todsünden im Prozessmanagement“

Immer wieder scheitern Prozessinno-vationen bzw. geraten ins Straucheln. Ursache hierfür ist häufig die Tatsache, dass eine oder mehrere der „Totsün-den” begangen werden.Todsünde 1: Ungenügende Flughöhe; zu früh zu viele DetailsTodsünde 2: Fehlendes Maßschneidern der Prozesse auf die Geschäftsstrategie Todsünde 3: Viele SchnittstellenTodsünde 4: Keine “End-to-End”-Zu-ständigkeiten im GeschäftsprozessTodsünde 5: Trennung von Prozesssteu-erung und -ausführungTodsünde 6: Ausklammerung der Auf-bauorganisationTodsünde 7: Tool-Gläubigkeit

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und die Gesamtperformance zu stei-gern. Hierin liegen die großen Poten-tiale des Grazer Ansatzes.

Autoren:

Dr. Andreas Suter ist heute Mana-ging Partner des international tätigen Managementdienstleisters GroNova (www.gronova.com).

In den letzten 20 Jahren hat er Dut-zende von Unternehmen aller Bran-chen darin unterstützt, Prozesse und Organisation zu innovieren. Von 1994-99 war er Universitätsprofessor für Unternehmensführung und Orga-nisation der Technischen Universität in Graz. Hier hat er mit dem damaligen Team den Grazer Ansatz für Organisations- und Prozessgestaltung entwickelt.

Dipl.-Ing. Dr. Andreas Suter Managing Partner des Managementdienstlei-sters GroNova

Dipl.-Ing. Doris WeitlanerWissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin für Prozess-management an der Fachhochschule CAMPUS 02, Graz

DI Doris Weitlaner ist wissenschaft-liche Mitarbeiterin und Dozentin für Prozessmanagement an der Fachhoch-schule CAMPUS 02 in Graz. In enger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz treibt sie die Entwick-lung der „Wertschöpfungsmaschine“ in Theorie und Praxis voran.Einer ihrer Schwerpunkte ist die In-tegration von Prozess- und Informati-onsmanagement.

WING: Herr Professor Vorbach, Sie sind Mit-Autor des neuen Buchs „Die Wert-schöpfungsmaschine“. Worum handelt es sich dabei?

Vorbach: Bei der „Wertschöpfungsma-schine“ handelt es sich um Prinzipien für die Organisations- und Prozessge-staltung in Unternehmen. Das Buch ist ein Leitfaden, wie die Strukturen und die Prozesse aus der Geschäftsstrategie abgeleitet werden – und zwar Schritt für Schritt. Dadurch lässt sich zum einen die Strategie im Unternehmen umsetzen, zum andern wird das Un-ternehmen besonders wertschöpfend. Anhand von Dutzenden von Fallbei-spielen aus Konsumgüter-, Dienstleis-tungs- und Industrieunternehmen zeigen wir, wie der betriebliche Alltag effektiver und effizienter wird. Daher auch der Buchtitel.

WING: Das Heftthema lautet Business Innovation. Wo sehen Sie den Zusam-menhang zur Organisations- und Prozess-gestaltung?

Vorbach: Aus formaler Sicht entstehen Innovationen in Prozessen. Der Ab-lauf bei Innovationen gliedert sich in Phasen, die spezifische Aufgaben und Charakteristika haben. Frühe Phasen sind weniger straff zu organisieren, der Zufall muss eine Chance bekommen. Späte Phasen im Innovationsprozess hingegen dürfen aus Effizienzgesichts-punkten wenig Spielraum gewähren.

An die Organisations- und Prozessge-staltung werden also phasenspezifisch unterschiedliche Anforderungen ge-stellt. Dies ist bekanntermaßen her-ausfordernd, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen und hoch-gradig neue Produkte, Prozesse und Dienstleistungen.

WING: Prozessinnovationen werden von Unternehmen im Gegensatz zu Produkt- innovationen teils als nachrangig angese-hen. Das Thema wird hinter KVP (kon-tinuierlicher Verbesserungsprozess) und ähnlichen Konzepten versteckt. Worin sehen Sie die Ursachen?

Vorbach: In der Tat wird dem Thema Prozessinnovationen in Wissenschaft und Praxis deutlich weniger Aufmerk-samkeit zuteil als etwa der Produk-tinnovation. Dies liegt vielleicht an der schwereren Beobachtbarkeit, Analyse und Beschreibbarkeit von Prozessinno-vationen. Man benötigt tiefen Einblick in technische und organisatorische Abläufe. Prozessinnovationen treten vermehrt in gesättigten oder rückläu-figen Märkten auf, in denen Effizienz-gedanken in den Vordergrund rücken, etwa um günstiger und schneller eine Leistung erstellen zu können. Meist wird Bestehendes verbessert; der Inno-vationsgrad ist gering.

Hingegen werden Prozessinnovationen bei der Gestaltung von Dienstleistun-gen (Service Engineering) deutlich pro-minenter diskutiert. Schließlich steht dort der Leistungserstellungsprozess unmittelbar im Mittelpunkt. Dieser Prozess ist aber schwieriger kommu-nizierbar als etwa das Ergebnis einer Produktinnovation.

Professor Vorbach von der TU Graz im Gespräch mit dem WING

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Hannes Schmid, Gerald Sertschnigg

Abfall als Rohstoᶣ der Zukunft Die KAB Kärntner Abfallbewirtschaftung GmbH mit Sitz in Klagenfurt ist seit Jahrzehnten auf dem Ge-biet der Abfallsammlung und -behandlung tätig und versucht mit innovativen Ideen klimarelevante Poten-tiale der Entsorgungswirtschaft zu nutzen. Die Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Herstellung von Ersatz-brennstoffen zur Substitution von fossilen Energieträgern in Verbrennungsanlagen und zur Aufbereitung von Abfällen zu Vorprodukten für stoffliche Verwertungswege. Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung gel-ten hierbei als Eckpfeiler des Umweltschutzes und sind Basis der abfallwirtschaftlichen Maßnahmen der KAB. Der Artikel zeigt auf, wie auch mit vermeintlich wertlosen Produkten (Abfällen) Innovationen möglich sind.

Business Innovation bei der KAB

Mit innovativen Ideen versucht das Unternehmen Potentiale der Entsor-gungswirtschaft umweltschonend zu nutzen. Mit einer modernen Aufberei-tungsanlage, in der aus Gewerbe- und Sperrmüll sowie Verpackungsabfällen ein Substitut für Primärrohstoffe und -energieträger hergestellt wird, leistet die KAB einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Stoffstromwirtschaft. Durch diese Anlage wurde ein innova-tiver Prozess in der Aufbereitung rea-lisiert. Neben Prozessentwicklungen versucht das Unternehmen auch durch Produktinnovationen bislang schlecht genutzte Potentiale in der stofflichen Verwertung zu heben. Hierzu wurde die Idee eines Recyclingprodukts aus verschiedenen Kunststoffqualitäten ge-boren. Dieses sorgt dafür, dass neben dem schon gewohnt gut funktionie-rendem Recycling von sortenreinen

Kunststoffen, wie z.B. PET (Polyethy-lenterephthalat), PE (Polyethylen), PP (Polypropylen), auch eine heterogene Mischung aus verschiedenen Kunst-stoffqualitäten einer stofflichen Ver-wertung zugeführt werden kann. Somit wird eine Alternative zum derzeitig üblichen Weg, nämlich der energetischen Nutzung in der Ersatz-brennstoffaufbereitung, beschritten. Diese neue Möglichkeit der stofflichen Verwertung heterogener Kunststoff-gemische hätte das Potenzial einer Geschäftsmodellinnovation für die Branche, da neue Produkte, neue Kun-dengruppen, neue Vertriebskanäle bis hin zu neuen Finanzierungsmodellen damit verbunden sind.

Aufbereitung von Ersatzbrennstoffen

Wie die Bezeichnung schon impli-ziert, werden durch die energetische Nutzung der in Ersatzbrennstoffen

enthaltenen Energie fossile Primär-brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle etc.) ersetzt. Diese Substitution ist aber nur dann sinnvoll, wenn neben den öko-logischen Aspekten auch die energe-tischen Ansprüche der industriellen Verwertungsanlagen bedient werden. Die Anforderungen an die Qualität der Ersatzbrennstoffe sind demnach sehr komplex und je nach Kunden und Endprozess unterschiedlich. Um aus der heterogenen Zusammensetzung von Ersatzbrennstoff die Spezifikati-onen der unterschiedlichen Feuerungs-anlagen garantieren zu können, ist eine mehrstufige Aufbereitung mit Vor-zerkleinerung, Störstoffentfrachtung, Nachzerkleinerung und Konfektionie-rung notwendig.

Um den hohen Ansprüchen von Kunden und Gesetzgeber zu entspre-chen, werden regelmäßig Qualitäts-kontrollen durchgeführt. Dabei wer-den kontinuierlich Stichproben der

Foto: KAB

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TOP-THEMA

unterschiedlichen Fraktionen gezogen, aufbereitet und im betriebseigenen Umwelt- und Abfallanalytiklabor ge-mäß den geltenden Normen analysiert. Das eigene Labor ist das Herzstück des Qualitätsmanagementsystems der KAB. Die KAB ist somit in der Lage,

die Produktionsprozesse der Ersatz-brennstoffherstellung permanent ana-lytisch zu begleiten und infolgedessen aussagekräftige Durchschnittswerte über längere Zeiträume zu erhalten.

Mit der Inbetriebnahme der Ersatz-brennstoffaufbereitungsanlage entspre-chend dem neuesten Stand der Technik, in der aus Gewerbe- und Sperrmüll so-wie stofflich nicht verwertbaren Verpa-ckungsabfällen ein Substitut für fossile Primärenergieträger hergestellt wird, leistet die KAB einen wesentlichen Bei-trag zur nachhaltigen Stoffstromwirt-schaft und Rohstoffnutzung. In Anleh-nung an die 5-stufige Abfallhierarchie in der Abfallrahmenrichtlinie liegt die Priorität zunächst in der Rückgewin-nung von Wertstoffen und Wiederver-wendung im Stoffkreislauf. Der nicht

rückführbare Anteil der gesammelten Materialströme wird gesondert einer Aufbereitung zugeführt. Zehntau-sende Tonnen heizwertreiche Abfälle werden so jährlich für die Industrie als Ersatzbrennstoff sowie zu Vorpro-dukten für die stoffliche Verwertung aufbereitet. Die thermische Nutzung dieser Ersatzbrennstoffe in Mitver-brennungsanlagen bzw. die stoffliche Verwendung als Zuschlagstoff in der energieintensiven Zementerzeugung schont einerseits den Vorrat an fossilen Primärenergieträgern und spart ande-rerseits Treibhausgasemissionen ein.

Das Konzept zur mechanischen Be-handlung von Abfällen basiert auf den langjährigen Erfahrungen der KAB mit den bisherigen Abnehmern vergleich-barer Abfälle, den spezifischen Quali-tätsanforderungen der nachfolgenden Verwertungsanlagen und der Notwen-digkeit möglichst flexibel unterschied-liche Inputmaterialien behandeln zu können. Diesen Anforderungen ent-sprechend sind mehrstufige Abschei-dungen von Metallen und Schwerstof-

fen sowie die manuelle Sortierung bestimmter Fraktionen vorgesehen. Weiters beinhaltet die Anlagentechnik eine zweistufige Zerkleinerung um die Inputströme „anlagengängig“ zu ma-chen, sowie die gewünschten Korngrö-ßen der Outputströme sicher zustellen. Um eine für den Transport optimierte Dichte zu erreichen, ist eine Konditio-nierung von diversen Fraktionen mit-tels Ballenpresse vorgesehen.

Die Anlagen- und Maschinentech-nik wurde so konzipiert, dass Materi-alien, die aufgrund ihrer Zusammen-setzung oder speziellen Eigenschaften nicht den gesamten Aufbereitungspro-zess durchlaufen müssen, vorzeitig aus der Anlage ausgeschleust werden kön-nen. Genauso besteht die Möglichkeit, durch mobile Aufgabe- und Reversi-onsbänder Materialien z.B. nur der Nachzerkleinerung zuzuführen. Un-terschiedliche Materialströme können demnach zielgerichtet in die Aufbe-reitung eingebracht oder vor weiteren Behandlungsschritten abgetrennt wer-den. Teilströme durchlaufen somit nur die notwendigen Prozesse, wodurch die Effizienz der Anlage deutlich ge-steigert und der Energieverbrauch re-duziert werden kann.

In der beschrieben Ersatzbrenn-stoffproduktion konnten somit einige Prozessinnovationen realisiert werden, die die Produktionsanlage zu einer der modernsten in Südösterreich macht.

Projekt Bausteinelement aus Recyc-lingmaterial

Im Rahmen des Projektes „Bausteine-lemente“ werden in Kooperation mit einem heimischen Industriebetrieb und einem deutschen Entsorgungsun-

Abbildung 1: Ersatzbrennstoffaufbereitungsanlage der KAB

Abbildung 2: Qualitätsgesicherter hochkalorischer Ersatzbrenn-stoff

Abbildung 3: Anlagentechnik in der Ersatzbrennstoffaufbereitung

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ternehmen flexible Schalungselemente für Bausteine (z.B. für Schüttgutboxen oder räumliche Abgrenzungen) aus Recyclingkunststoff hergestellt, die bei Bedarf mit einem Betonersatz aus Kraftwerksreststoffen oder alterna-tiven Materialien gefüllt werden kön-nen. Das Produkt kann man sich ver-einfacht als einen überdimensionalen Lego - Baustein vorstellen. Die Idee eines Recyclingprodukts sorgt dafür, dass neben dem schon gewohnt gut funktionierenden Recycling von sor-tenreinen Kunststoffen auch hetero-gene Mischungen aus verschiedenen Kunststoffqualitäten einer stofflichen Verwertung zugeführt werden können. Trotz des „abfallwirtschaftlichen Ruck-sacks“ (Energieeinsatz und Emissionen aus Aufbereitung und Transport) trägt die Verwendung von Sekundärrohstof-fen wesentlich zur Einsparung von Pri-märenergieträgern und treibhauswirk-samen CO2 Äquivalenten bei.

Wie bei vielen erfolgreichen Inno-vationen scheint das Endergebnis klar und der Weg dorthin einfach zu sein. Dass dies in der Praxis selten der Fall ist, zeigt auch das Beispiel der Pro-duktinnovation der KAB. Aus den Analysewerten und der Kenntnis des Entstehungsprozesses des Abfalls hat das Team der KAB zunächst erkannt, dass besonders einer der anfallenden Materialströme Potential für eine hö-herwertige Verwertung hat: der nicht aussortierbare Rest aus der Kunststoff-sammlung. Dieser konnte nicht in die Kunststoffwertung rückgeführt wer-den, da das Material ein heterogenes Gemisch aus verschiedenen Kunst-stoffarten und -qualitäten darstellt. Eine sortenreine Trennung war mit den verfügbaren Techniken nicht mög-lich bzw. der Aufwand weder ökolo-gisch noch ökonomisch sinnvoll.

Das F&E - Team der KAB hatte sich aber zum Ziel gesetzt, einen Weg zu finden, um dieses Material aus der der-zeitigen energetischen Nutzung in eine stoffliche Verwertungsschiene zu füh-ren und somit der europäischen Ab-fallhierarchie (Abfallvermeidung vor Wiederverwendung, vor stofflichem Recycling, vor thermischer Verwer-tung, vor Deponierung) zu entspre-chen. Ferner kann dieser Weg als ein zusätzlicher Produktzyklus für die ein-gesetzten Ressourcen gesehen werden

Mag. Hannes SchmidProjekt- und Innovati-onsmanagement,KAB Kärntner Ab-fallbewirtschaftung GmbH

und nach Ablauf der Verwendungs-zeit als „Sekundär-produkt“ ist ein weiterer Einsatz in der thermischen Verwertung, als optimale Rohstoff-nutzung, ebenso möglich.

Als Resultat aus den Voruntersu-chungen, sowie der Abschätzung der Möglichkeit, die das Ausgangsmaterial liefert und den technischen Anforde-rungen, die an das mögliche Endpro-dukt gestellt werden, wurde die Her-stellung eines flexiblen und elastischen aber gleichzeitig im Inneren stabilen Bauelements in Erwägung gezogen. Das Projekt ist derzeit so weit voran-geschritten, dass ein kunststoffverar-beitender Betrieb in Kärnten mehrere Herstellungstests durchgeführt hat und an der Anfertigung eines Proto-typs arbeitet.

Hinsichtlich des Innovationsge-haltes des Projektes muss festgehal-ten werden, dass weder das Recycling von Kunststoffen an sich, noch die Herstellung von Bausteinsystemen eine Erfindung der KAB ist. Aus heu-tiger Sicht führt allerdings der Einsatz von heterogenen Abfallgemischen aus der Verpackungssammlung zur Kunststoffproduktion zu beachtlichen Qualitätseinbußen hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften und zu technischen Schwierigkeiten bei der Verarbeitung, wonach diese Material-ströme derzeit hauptsächlich energe-tisch verwertet werden.

Die einzelnen Bestandteile dieser Restfraktion bestehen zwar aus ur-sprünglich hoch-wertigen Kunst-stoffen, diese sind aber als Ganzes stark vermischt, verunreinigt und nicht mehr trenn-bar. Obwohl also die Grundlagen be-reits am Markt vor-handen waren, ist die Idee der KAB in Kombination als innovativ und her-

ausragend zu bewerten. Die Innovati-on liegt in der möglichen zusätzlichen sekundären stofflichen Nutzung, somit in einer höherrangigen Verwertung der Rohstoffe und einer quantitativen, erhöhten Verwertungsmöglichkeit der zunehmend begrenzten Ressourcen (stofflich -> stofflich -> thermisch).

Das Beispiel der Kärntner Abfallbe-wirtschaftung GmbH zeigt, dass Un-ternehmen auch in einer gewöhnlich als wenig innovativ eingeschätzten Branche, wie dies bei der Abfallwirt-schaft der Fall ist, durchaus respektab-le Produkt- und Prozessinnovationen hervorbringen. Dies kann als Vorbild zur Steigerung der Innovationsleistung in anderen Unternehmen und Bran-chen gelten.

Autoren:

Dipl.-Ing. Gerald SertschniggProkurist, Leitung nicht gefährliche AbfälleKAB Kärntner Abfallbewirtschaftung GmbH

Mag. Hannes SchmidProjekt- und Innovationsmanagement,KAB Kärntner Abfallbewirtschaftung GmbH

Dipl.-Ing. Gerald SertschniggProkurist, Leitung nicht gefährliche Abfälle, KAB Kärntner Abfallbewirtschaftung GmbH

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Franz Mathi

KNAPP bringt neueste Technologie in die Lagerlogistik Seit über 60 Jahren steht das weltweit tätige Unternehmen mit steirischen Wurzeln für innovative Systemlösungen. Kunden aus aller Welt, wie beispielsweise der deutsche Pharmagroßhändler Noweda, die Supermarktkette Spar oder Leineweber mit dem Modelabel Brax, setzen auf die Kompetenz und Branchenlösungen der KNAPP-Gruppe. Im letzten Wirtschaftsjahr 2013/14 erzielte das Unternehmen mit 383,75 Millionen Euro erneut einen Rekordumsatz.

KNAPP gilt als innovativer Intra-logistik-Partner für die Branchen

Pharma, Fashion, General Retail und Food Retail. Im Pharma-Bereich wird die komplette Supply Chain – vom Produzenten über den Großhändler bis hin zum Point-of-Sale, also der Apotheke – bedient. Dort konnten auch mit Lösungen für Direct-to-Pati-ent-Modelle wesentliche Neuerungen eingeführt werden. Sehr erfolgreich ist auch der Bereich Fashion und Life-style, hier konnten im letzten Jahr sehr große, internationale Marken gewon-nen werden.

Auch im Lebensmittelbereich wur-den innovative Lösungen für neue Kunden eingeführt. Im Bereich Gene-ral Retail sind einige der großen euro-päischen Namen neu hinzugekommen. Schließlich punktete KNAPP auch im Internetgroßhandel. Mit der neuen Tochtergesellschaft YLOG Industry So-lutions in Dobl und dem YLOG-Shutt-le erreicht KNAPP eine neue Kunden-gruppe im mittelständischen Bereich, wo der Trend zu kleineren, aber smar-

Foto: Knapp AG

ten Investitionen geht. Nach nicht ein-mal einem Jahr Tätigkeit können hier schon Erfolge in Form von mehreren Projekten verzeichnet werden. Die insgesamt rund 1.600 installierten An-lagen in mehr als 60 Ländern zeugen von der Wettbewerbsfähigkeit und ma-chen KNAPP zum Global Player.

Mit Pioniergeist zum Erfolg

Eine der großen Stärken des Unter-nehmens ist sicher die umfassende Sys-temkompetenz und das Prozess-Know-how, das im KNAPP-Konzern vereint wird. Dabei fokussiert sich das Unter-nehmen nicht nur auf die klassische Anwendungsentwicklung, sondern vor allem auch auf Basistechnologien: Beispielsweise wurden Entwicklungen im Shuttle-Bereich weiter vorangetrie-ben – vor allem nennenswert sind das freifahrende Open Shuttle, aber auch das YLOG-Shuttle, mit dem das Un-ternehmen nun in der Lage ist, eine 3D-Matrix in einem Regal abzubilden. Außerdem wurde jüngst ein weiterer

Meilenstein in der Intralogistik ge-setzt: Mit einer Roboterlösung ist man in der Lage einerseits unterschiedliche Artikel aus einem Behälter zu kommis-sionieren und andererseits einen Be-hälter restlos leer zu kommissionieren. Tatsächlich beschäftigt sich die Indus-trie seit mehr als 10 Jahren mit dieser Aufgabenstellung und hatte bis dato keine zufriedenstellende Lösung dafür gefunden. KNAPP hat diese Aufgabe innerhalb des letzten Jahres gut gelöst – das illustriert deutlich die Innovati-onskraft und Lösungskompetenz.

Unter den bahnbrechenden Innova-tionen der letzten Jahrzehnte befinden sich beispielsweise auch der Kommissi-onierautomat SDA, das automatische Lagersystem OSR Shuttle oder die ers-te UNIX-basierte Software im industri-ellen Bereich.

Aufbauend auf den Erfahrungen der letzten zehn Jahre hat KNAPP – Erfinder des Shuttle-Systems – die Weiterentwicklung des OSR Shuttles

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vorangetrieben. Das OSR Shuttle-System (OSR steht für Order Storage Retrieval) ist ein halbautomatisiertes, hochleistungsfähiges Lager- und Kom-missioniersystem, das seit rund 10 Jah-ren Anwendung in der Intralogistik findet. Schließlich greift das Unterneh-men mit den neuesten Entwicklungen rund um moderne Bilderkennungs- und Bildverarbeitungssoftware sowie neuen automatischen Kommissionier-systemen aktuelle Trends, wie die Null-Fehler-Strategie oder same-and-next-day-delivery, auf und bereitet den Weg in ein neues Zeitalter der Intralogistik.

Forschung und Entwicklung als Grundlage von Business Innovation

Die konstante Investition in Forschung und Entwicklung und die Förderung des Know-hows an den steirischen Standorten waren schon immer feste Bestandteile des Erfolgs. So investier-te KNAPP im Wirtschaftsjahr 2013/14 mehr als 7 Prozent des Umsatzes, also rund 28 Millionen Euro, in die For-schung und Entwicklung. Mehr als 400 Personen beschäftigten sich mit Neu- und Weiterentwicklungen für alle Kernbranchen. Neuentwicklun-gen entstehen oft aus neuen Anforde-rungen des Marktes.

So konnte KNAPP mit Pack2Patient eine erfolgreiche neue Lösung für die Direktbelieferung von Endkunden im Pharmabereich schaffen und auf neue rechtliche Rahmenbedingen eingehen. Weiterentwicklungen gab es auch in-nerhalb der Produktgruppe KiSoft Vi-sion, wo mit Hilfe intelligenter Bilder-kennungstechnologie Fehler in jedem Prozessschritt vom Wareneingang bis zum Warenausgang reduziert werden.

Start in ein neues Zeitalter

Die Industrie befindet sich am Beginn eines neu-en Zeitalters: der Industrie 4.0. Nach drei vorangegan-genen industriel-len Revolutionen – beginnend bei der Dampfkraft über die Fließband-fertigung gefolgt von der digitalen Revolution – folgt

nun das Zeitalter der cyberphysischen Systeme und des Internets der Dinge. Im Zentrum von Industrie 4.0 steht die Vernetzung zwischen Mensch und Maschine. Das Ziel: die intelligente, vernetzte Fabrik. Oder, im Fall von KNAPP – das intelligente, vernetzte intralogistische System.

Ein Aspekt dabei ist der Einsatz von Robotertechnologie: Robotik ist für die Intralogistik ein noch junges Thema – mit immensem Wachstumspotenzial, aber auch großen Herausforderungen. Jahrelang galt der zuverlässige Griff in die Kiste als nicht automatisierbar.

Die Anforderungen an Robotik und Sensorik sind sehr hoch, die Objekter-kennung und der Greifvorgang hoch-komplex – viele Komponenten müssen harmonisch zusammenspielen, um diese Vorgänge erfolgreich umzuset-zen. Wieso also überhaupt auf Robotik setzen? Die Möglichkeiten, die diese Technologie eröffnet, sind ungemein groß. Wo der Mensch an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt, können Ro-boter übernehmen – beispiels-weise wenn es darum geht, monotone und anstrengende Tätigkeiten über einen langen Zeitraum bei gleichbleibender Qualität und Leistung durch-zuführen. Dadurch eignen sie sich besonders für den Ein-satz im Mehrschichtbetrieb mit hohen Durchsätzen und geringer Fehlertoleranz. Qua-litätssichernde Maßnahmen und die Verfolgbarkeit der Artikel entlang der Supply Chain können – vor allem im Hinblick auf aktuelle und zu-künftige rechtliche Anforde-

rungen – mithilfe von Robotern umge-setzt werden.

Vertraute Wege verlassen

Manche Wege geht man, um herauszu-finden, dass es gilt, einen neuen Weg zu finden. Eine solche Erkenntnis er-fordert Mut, ist aber auch die Basis, die Fortschritt ermöglicht. Im Jahr 2010 startete ein abteilungsübergreifendes Kernteam aus rund 15 KNAPP-Mitar-beitern die Entwicklungsarbeiten für einen Kommissionierroboter – vor allem im Hinblick auf den Einsatz entlang der Pharma Supply Chain. Al-lerdings musste das Team kurz vor der Serienreife die erste Version des Kom-missionierroboters einer Neuevaluie-rung und einem Redesign unterziehen, was sowohl Auswirkungen auf die ein-gesetzten Komponenten als auch auf die Prozesse des Roboters hatte. Zu-nächst wurde die Entwicklungskompe-tenz für die Greiferkomponenten ins Haus geholt – dies mündete in zwei Pa-tentanmeldungen für den Knickarm- roboter und Greifer. Außerdem wur-den mehrere automatisch wechselbare Greifer zur Abdeckung eines breiten Artikelspektrums entwickelt. Auch die Integrationskompetenz wurde ins Haus verlegt. Für die Umsetzung der maßgeschneiderten Bildverarbeitungs-technologie und Applikationen nach den Vorstellungen von KNAPP wur-den zwei hochspezialisierte Lieferanten ins Boot geholt. Aus logistischer Sicht wurden die Prozesse optimiert – dies verschafft dem System mehr Flexibili-tät. Die neue Generation ermöglicht es nun auch, mehrere Stück pro Zeile zu kommissionieren und einen Behälter restlos leer zu kommissionieren.

Abb.1: OSR Shuttle mit Pick-it-Easy Arbeitsplatz

Abb. 2: Vollautomatischer Kommissio-nierroboter Pick-it-Easy Robot

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TOP-THEMA

Dipl.-Ing. Franz MathiCOO KNAPP AG

Zukunftsweisende Technologien

Mit dem Pick-it-Easy Robot gelingt ein wichtiger Schritt in der Intralogistik – der Kommissionierroboter vereint höchste Leistung, maximale Flexibili-tät und fehlerfreie Kommissionierung in einem System.

So wird der Roboter zum Mitarbei-ter des Menschen – eine bessere Vertei-lung der Auftragslast und Steigerung der Produktivität um das bis zu 4-Fache ist mit Unterstützung von Pick-it-Easy Robot möglich. Weiterer großer Vor-teil des Roboters: Er kann nachträglich in bestehende Intralogistiksysteme in-tegriert werden. Mit der Entwicklung des Pick-it-Easy Robot konnte KNAPP nicht nur einen wichtigen Meilenstein

in der Intralogis-tik setzen, sondern auch einen wert-vollen Lösungs-baustein zum zero defect warehouse – dem Lager der Zukunft, in dem Fehler der Vergan-genheit angehören – hinzufügen.

Intelligente Ser-vicesysteme

Mit Augmented Reality und Daten-

brillen als Schlüsseltechnologien wird an einer benutzerfreundlichen und in-teraktiven Kommunikation zwischen Mensch und Maschine gearbeitet.

Fortschritte gibt es beispielsweise im Forschungs-projekt Assist 4.0 – einem zentralen Softwaresystem. Dieses System soll mit Hilfe von modernen Endge-räten wie Tablets, Smartphones oder Datenbrillen, zu-künftig Service-personal weltweit

situationsangepasst mit Informationen sowie visualisierten Daten unterstüt-zen, um so Wartungs- und Reparatur-arbeiten noch effektiver und effizienter abzuwickeln.

Autor:

Franz Mathi, COOStudierte an der Technischen Univer-sität Graz Elektrotechnik. Franz Ma-thi begann seine Karriere bei KNAPP 1999 als Leiter von Kundenprojekten. Von 2002 bis 2007 zeichnete er für den Bereich Produktmanagement und Innovation verantwortlich. 2007 übernimmt er die Geschäftsleitung der KNAPP Logistik Automation GmbH (ab 1. Juli 2009 KNAPP AG) und wird 2012 als Chief Operating Officer in den Vorstand der KNAPP AG berufen.

Abb. 3: Intelligente Assistenzsysteme der Zukunft

Factbox zur KNAPP AG

Gründer: Ing. Günter KnappGründungsjahr: 1952Eigentümerstruktur: mehrheitlich im Besitz der Familie KnappKompetenzen: Komplettanbieter maßgeschneiderter intralogistischer Systeme von der Entwicklung und Planung über die Installation bis zur umfassenden NachbetreuungKernbranchen: Pharma, Fashion, Retail/Lifestyle sowie Food RetailFirmenzentrale: Hart bei GrazNiederlassungen: 19 (in der Steiermark: Leoben, Grambach, Dobl)Repräsentanzen: 13Mitarbeiter: 1.800 in Österreich, 2.500 weltweitUmsatz: 383,75 Mio. Euro (Wirtschaftsjahr 2013/14)Exportanteil: 98 %F&E-Quote: jährlich ca. 7 % des UmsatzesMitarbeiter-Benefits: KNAPP-Akademie, Werksrestaurant, betriebliche Kinderbetreuung, Gesundheitsprogramm (Sport- und Vitalveranstaltungen, Massagen, Betriebsarzt etc.), Social Events und vieles mehrIntegriertes Managementsystem: Qualitätsmanagement (ISO 9001), Arbeits- und Gesundheitsschutz (OHSAS 18001) und Umweltmanagement (ISO 14001) zertifiziert

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TOP-THEMA

Frank Piller, Christian Ramsauer

Die Maker Economy – Neue Chance für Business Innovation Erfinder, Innovatoren und andere kreative Menschen oder auch nur unzufriedene Kunden, die Ihre Ideen zur Wirk-lichkeit werden lassen und neue Produktideen haben, verfügen heute über einen einfachen und erschwinglichen Zugang zu High-Tech-Fertigung um rasch Prototypen oder Einzelstücke bauen zu können. Dabei können Teile entweder lokal in sogenannten „FabLabs”, „TechShops” und anderen „Maker Spaces” selbst gefertigt werden, oder durch die Nutzung von dezentralen, weltweit verfügbaren Kapazitäten der digitalen (High-Tech-) Fertigung über das Internet unkompliziert bestellt werden. Im Zentrum steht dabei immer der Austausch mit Gleichgesinnten, ent-weder durch direkten Kontakt oder über eine Cloud. Dies ermöglicht, dass sich Teams finden und ganz im Sinn von Industrie 4.0 völlig neue Geschäftsmodelle und Start-Up Unternehmen entstehen. Großunternehmen ha-ben das enorme Potenzial der „Maker Economy“ für Business Innovationen erkannt und unterstützen interessier-te Mitarbeiter bei der Umsetzung von Produktideen in „Maker Spaces“ außerhalb der eigenen Firma. Ein Beispiel ist BMW, die derzeit gemeinsam mit der TU München in den ersten deutschen TechShop investieren. Die ersten FabLabs an Universitäten in Deutschland und Österreich wurden an der RWTH Aachen und an der TU Graz eröffnet.

1. Einleitung

Die Erkenntnis, dass neben kontinu-ierlicher Produkt-, Service- und Pro-zessinnovation auch die konsequente Entwicklung des Geschäftsmodells unabdingbar ist, führt in Industrie und Wirtschaft zu zunehmender Be-schäftigung mit dem Themenfeld der Geschäftsmodell-Innovation.

Der Begriff „Business Innovation“, „Business Modell Innovation“ bezie-hungsweise „Geschäftsmodell-Innova-tion“ hat sich in den vergangenen Jah-ren zum Modewort entwickelt. Es geht vor allem um die Weiter- oder Neuent-wicklung der Grundlage des unterneh-

Foto: Matthias Friessnig

merischen Handelns: Das Geschäfts-modell. Dieses kann als Hypothese des Managements verstanden werden, wie, wann und mit welchen Mitteln ein Unternehmen Wert für seine Kunden schafft – und dafür honoriert wird.1

2. Das neue Verständnis von Business Innovation

Der heutige Ansatz der Geschäftsmo-dell-Innovation setzt jedoch an drei neuen Ausgangspunkten an:

1 Gassmann, O. et al.: Geschäftsmodel-le entwickeln - 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator. Hanser Verlag, München. 2013

(I) Zum einen hat sich die Einsicht etabliert, dass sich selbst erfolgreiche Global Player langfristig nicht aus-schließlich auf ihr einmal etabliertes Geschäftsmodell verlassen können, sondern dieses kontinuierlich hinter-fragen und weiterentwickeln müssen. Beispiele von Unternehmen, die einst zu den großen ihrer Branche gehörten, dann aber durch Ignoranz der sich ver-ändernden (Branchen-) Umwelt in die Irrelevanz abstürzten, unterstützen dieses Umdenken. Dazu gehört etwa Kodak. Das Unternehmen hatte schon 1975 eine funktionierende Digitalka-mera entwickelt. Aus heutiger Sicht eine einmalige Chance als Technolo-gieführer einen neuen Markt zu be-

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gründen, der die analoge Fotographie ablösen und günstige Kameras massen-markttauglich machen sollte. Doch es kam anders: Um das damals etablierte und erfolgreiche Filmgeschäft vor der Innovation aus dem eigenen Hause zu schützen, legte Kodak die Erfindung zu den Akten. Disruptiert wurde der Markt schließlich doch, allerdings von anderen. Kodak meldete 2012 Insol-venz an, während mit digitalen Kame-ras aller Art viele Milliarden umgesetzt werden. Dieses Beispiel illustriert auch den zweiten Ansatz der modernen Ge-schäftsmodell-Innovation.

(II) Die Idee und Entwicklung der Di-gitalfotographie wurde bei Kodak „von unten“ vorangetrieben. Bei vielen Un-ternehmen hat sich inzwischen die Er-kenntnis etabliert, dass das innovative Potenzial der eigenen Mitarbeiter eine wichtige Ressource ist, und entspre-chend gefördert werden sollte. Dies gilt auch und besonders für Geschäftsmo-dell-Innovation. Diese Innovation muss als partizipativer, offener Ansatz gestal-tet werden, der jeden Mitarbeiter mit Produktmanagement-Verantwortung einschließt. In der Vergangenheit war Geschäftsmodell-Innovation Aufgabe der obersten Unternehmensleitung, die an einem neuen Geschäftsmodell arbeitete. Auslöser dazu war meist eine Krise, wie ein Einbruch des Geschäfts, oder neue Wettbewerber. Das neue Verständnis sieht Geschäftsmodell-In-novation dagegen als Regelprozess, der jedem Produktinnovationsprozess vor-ausgehen, respektive diesen antreiben muss.2 Daraus erschließt sich der dritte Ansatz moderner Geschäftsmodell-In-novation.

(III) Unter Anlehnung an das Prinzip des „Design Thinkings“ geht es darum, partizipative und interaktive Metho-den bereitzustellen, die eine kreative und zugleich systematische Ableitung neuer Geschäftsmodelle ermöglichen.3 Der Begriff Design Thinking bezeich-net einen Prozess, um kreative Kon-zepte hervorzubringen. Dieser nutzer-orientierte Ansatz stützt sich auf die Kernschritte Verstehen, Beobachten,

2 Kaplan, S.: The Business Model Inno-vation Factory: How to Stay Relevant When The World is Changing. Wiley, New Jersey. 20123 Johnson, M.: Seizing the White Space: Business Model Innovation for Growth and Renewal. Harvard Busi-ness School Press, Boston. 2010

Ideenfindung, Prototyping sowie Ver-feinerung, die von interdisziplinären Arbeitsgruppen, häufig in mehreren iterativen Schleifen, durchgeführt wer-den. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei früh und häufig mit Prototypen zu arbeiten. Wie bei Produkten muss ein Instrumentarium bestehen, um ite-rativ viele Prototypen von neuen Ge-schäftsmodell-Konzepten zu kreieren und diese zu evaluieren.

In den vergangenen Jahren haben sich einige Ansätze etabliert, die das oben diskutierte neue Verständnis von Geschäftsmodell-Innovationen prägen und – mit verschiedenen Schwerpunk-ten – die drei Ansatzpunkte umsetzen. Der bekannteste Ansatz ist seit einigen Jahren das Business Model Canvas von Alexander Osterwalder, das an der ETH Lausanne entstanden ist.4 Mit Hilfe dieses Schemas visualisieren Unterneh-men bestehende oder potenzielle neue Geschäftsmodelle nach wichtigen Ein-flussfaktoren, geordnet nach Produkt(-entstehung), Vertriebskanäle, Kun-den(-beziehungen) oder Kosten- und Umsatzstrukturen. Damit entsteht eine gute Methodik, um schnell und einfach verschiedene „Prototypen“ von Geschäftsmodellen zu diskutieren und miteinander zu vergleichen. Dieses Werkzeug ermöglicht es Mitarbeitern unterschiedlicher Ausbildung und Qualifikation, relativ einfach und mit geringem Aufwand neue Geschäftsmo-dell-Ideen strukturiert zu visualisieren. Die Barriere zur Kommunikation der eigenen Idee wird somit gesenkt und die Zahl der potenziellen Innovatoren erhöht. Unternehmen sollten eine ge-eignete Infrastruktur etablieren, die es Mitarbeitern erlaubt, diesen Prozess ebenso in klaren Schritten zu planen, zu vollziehen und das Ergebnis ex post zu kontrollieren, wie dies für alle an-deren elementaren Geschäftsprozesse selbstverständlich ist.

Damit ist aber ausdrücklich nicht das beliebte Werkzeug des Konti-nuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) gemeint, das auf inkrementelle Optimierungen abzielt. Erfolgreiche Geschäftsmodell-Innovation ist häu-fig radikal und führt nicht selten zu tiefgreifenden Veränderungen in den Prozessen und Strukturen eines Unter-nehmens.

4 Osterwalder, A.; Pigneur, I.: Business Model Generation. Wiley, New Jersey. 2010

3. Die Rolle der Maker Economy bei Business Innovationen

Ein neues Modell der Business Innova-tion stellt in den letzten Jahren die so-genannte „Maker Economy“ dar. Diese Bewegung wird in den nächsten Jah-ren viele produzierende Unternehmen dazu veranlassen, ihre Geschäftsmo-delle zu überdenken. Diese Initiative soll hier erläutert und deren Entwick-lung dargestellt werden.

Die Einsicht, dass Forschung und Entwicklung nicht mehr ausschließ-lich intern und unter größtmöglicher Abschottung stattfinden sollte, hat sich in den vergangenen Jahren in KMUs wie auch in großen Unternehmen mehr und mehr verfestigt. Konzepte wie „Open Innovation“, „User Inno-vation“ und „Customer Co-Creation“, bei denen die Einbindung externer Wissensträger in den Kreativ- und Pro-blemlösungsprozess enorme Potenziale erschließt, sind vielerorts zum festen Bestandteil der F&E-Politik geworden.

Manche Unternehmen bauen ihr Geschäftsmodell direkt auf die Kre-ativität von Nutzer bzw. Maker auf und übertragen Produktentwicklung, Produktmanagement und weitestge-hend sogar das Marktrisiko an sie: Das Unternehmen Threadless aus Chica-go produziert und verkauft T-Shirts und schafft es, die meisten wertschöp-fenden Tätigkeiten an Kunden auszula-gern. Kunden entwerfen neue Designs für T-Shirts am Computer und stellen diese auf die Website des Unterneh-mens (1.000 Designs pro Woche). Die meisten Nutzer aber haben weder Lust noch die Zeit oder die Fähigkeit, selbst Designs zu erstellen. Sie übernehmen eine zentrale anderen Aufgabe dieses Modeunternehmens: das Produktma-nagement. Jede Woche bewerten mehr als 250.000 Nutzer die neuen Designs und machen Verbesserungsvorschläge zu den Entwürfen anderer. Threadless vertraut dabei seinen Nutzern völlig: Das Unternehmen produziert wöchent-lich etwa vier neue Designs, und zwar die, die von der Mehrheit der Commu-nity als besonders gelungen („I love it“ in der Sprache von Threadless) bewer-tet wurden. Diese werden dann in ho-hen Auflagen gedruckt und verkauft. Die Kunden übernehmen für das Un-ternehmen dabei auch weitgehend das Marktrisiko, da sie sich zum Kauf ihres Wunsch-T-Shirts (moralisch) verpflich-

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TOP-THEMA

ten, bevor dieses in Produktion geht. Dieses Commitment wird durch das Anklicken eines Buttons gegeben („I‘d buy it“), der besagt, dass ein Nutzer ein Design nicht nur gelungen findet, son-dern dieses auch kaufen würde.

Die Maker als Kreative

Die wesentliche Differenzierung zum etablierten Markt liegt dabei darin, dass die Maker den Evolutionsschritt vom Konsumenten zum innovativen Unternehmer gehen: Maker sind kre-ative Entwickler, die unter Ausnut-zung dedizierter Infrastrukturen nicht nur Ideen und Prototypen, sondern marktreife Produkte erstellen und diese – oft unter Open-Source-Hard-ware-Lizenzen – vermarkten. Ihre Mo-tivation ist dabei aber nicht primär das Gewinnstreben. Vielmehr geht es um den Spaß an der Entwicklung, die Nut-zung des Produktes für eigene Zwecke und den Stolz auf das fertige Werk.

Was zunächst nach „Hobbybastelei“ klingt, bietet in der Praxis ein enormes Innovationspotenzial – beflügelt durch drei Entwicklungen:

(I) Die „Tools des Innovierens“, d.h. Laborkapazität, Rechenleistung, CAD-Programme, 3D-Drucker oder Lasercutter zum Prototypenbau oder Simulations-Software sind heute viel erschwinglicher.

(II) Maker haben heute Zugriff auf eine Produktionsinfrastruktur indus-trieller Qualität, Firmen wie Shape-ways, Ponoko, TechShop, eMaschi-neshop oder das FabLab Netzwerk machen dies möglich.

(III) Die Speicherung digitaler Entwürfe unter Creative-Commons-

Lizenzen oder anderen Open-Hardware-Lizenzen erlauben die Verwendung der Designs anderer – und damit einen viel effizi-enteren Entwicklungspro-zess.

Die Maker als Geschäftsmo-dell-Lieferanten

Maker mischen mittler-weile ganz stark beim Bau von Flug-drohnen mit, erstellen Low-Cost-La-germanagement-Robotor auf Basis des RasberryPi-Rechners, haben mit „Lo-cal Motors“ einem Start-Up eines Har-vard MBA Absolventen ein marktreifes Open-Source-Auto in „Mikrofabriken“ gebaut, das vom US Militär eingesetzt wird, oder revolutionieren gerade den Bereich des Smart-Homes. Das neu-este Projekt von Local Motors ist der Zweisitzer Roadster „Strati“ mit Elek-troantrieb und 100 km Reichweite. Das Fahrzeug wurde im September 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt und wurde in 44 Stunden von einem 3D-Drucker ausgedruckt. Lediglich der Antriebsstrang mit einem Renault Elektro-motor und wenige Anbau-teile von Lieferanten wur-den montiert. Ganz nach Open-Source-Logik haben die Fahrer das Design des Roadsters erstellt. Local Motors will das Fahrzeug in den nächsten Monaten zum Verkauf anbieten.

Ein weiteres besonders prominentes Beispiel ist Phonebloks: Das vier-köpfige niederländische Maker-Team hat, getrieben von per-sönlichem Interesse an einem nach-haltigeren Telefon, das Konzept eines modularen Handys entwickelt. Dieses Projekt wurde mittlerweile in Zusam-menarbeit mit Google (Project Ara) unter hoher medialer Aufmerksamkeit weitergetrieben.

Das letzte Beispiel zeigt eindrucks-voll, wie etablierte Unternehmen vom enormen Kreativpotenzial der Maker-Szene mit neuen Geschäftsmodellen profitieren können. Mit vergleichsweise

geringen Investitionsvolumina lassen sich nahezu serienreife Produktinno-vationen aufspüren. Diese können im Rahmen einer engen Kooperation mit den Urhebern, über deren technische Möglichkeiten hinaus, weiterentwickelt und im Idealfall für alle Parteien ge-winnbringend auf den Markt gebracht werden. Für Unternehmen ist eine intensive Beschäftigung mit diesem Thema in jedem Fall eine wichtige Zu-kunftsinvestition: Denn die gegenwär-tige technische Entwicklung macht es wahrscheinlich, dass sich Qualität und Möglichkeiten, der für Privatanwender zugänglichen Produktionstechnologie, in naher Zukunft stark steigern wer-den. Damit können innovative Nutzer mit einer neuen Idee, diese - in vielen Fällen - direkt zur Marktreife werden lassen. Finanziert durch crowdfunded Seed Capital mittels Kickstarter & Co.

4. FabLabs als Maker Spaces

Der Zugang zu Produktionsinfrastruk-tur ist in den letzten Jahren durch ver-schiedene zeitgleiche Entwicklungen

stark erleichtert worden. Günstige Maschinen mit neuen Technologien, vernetzt mit bedienerfreundlicher Software, machen es möglich. Insbe-sondere in den USA hat dieser Trend zu sogenannten „Maker Spaces“ geführt, die in verschiedenen Städten in Form von FabLabs (Fabrication Laboratory), TechShops und anderen Ausprägungs-formen den kreativen Makern angebo-ten werden.

Dabei geht es aber nicht nur um Infrastruktur in Form von Räumlich-

Besuch von US Präsident Barack Obama im TechShop in Pittsburg (Quelle: techshop.ws)

Der „Strati“ von Local Motors aus dem 3D- Dru-cker wurde in 09/2014 vorgestellt (Quelle: www.localmotors.com)

Die Maker Economy ermöglicht neue Geschäftsmodelle

Open-Source Software und Hard-ware fördern Kreativität

Maker haben einfachen Zugang zu High-Tech

Maschinen

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TOP-THEMA

keiten, Maschinen und Werkzeugen, sondern auch um gemeinsame Pro-jekte, Mentoren und Austausch von Expertenwissen innerhalb einer Maker Community. Ziel ist immer die Umset-zung einer kreativen Idee in Form eines angreifbaren Produktes.5 Von der Idee ausgehend wird durch iteratives Rapid-Prototyping ein Produkt entwickelt und oft von anderen weiterentwickelt. Die Erfahrungen, Ideen und Methoden werden im weltweit offenen „Maker Community Netzwerk“ ausgetauscht. Daraus entstehen Produktinnovati-onen und neue Geschäftsmodelle.

FabLabs sind High-Tech-Werkstät-ten und stellen ein großes Netzwerk als „Maker Spaces“ dar. Studierende und andere Maker haben die Möglichkeit, unkompliziert moderne und bediener-freundliche Produktionsmaschinen für die Prototypenfertigung nach einem Training und einer meist unkompli-zierten Maschineneinweisung selbst zu nutzen.

In Workshops und Seminaren tref-fen sich Gleichgesinnte und arbeiten gemeinsam oder alleine an ihren Pro-jekten. FabLabs sind damit Orte der Bildung und Wissensvermittlung. Neben 3D-Druckern stehen den Nut-zern auch 3D-Scanner, Laser-Cutter und CNC-Maschinen für die „digitale“ Fertigung zur Verfügung. Mit den im digitalen Netzwerk verbundenen CAD Rechnern können Produktdesigns kre-iert und dann zur Fertigung an die Maschinen gesendet werden. Neben Bauteilen aus unterschiedlichen Mate-rialien können auch Platinen gefertigt und Bauteile verlötet werden. So entste-hen ganze mechatronische Produkte.

5 Makerspace Team: Maker space Play-book – School Edition 2013

FabLab Initiative des MIT

Die FabLab Initiative stammt von Prof. Neil Gershenfield, der seinen Studie-renden am Massachusetts Institut of Technology (MIT) in Cambridge ei-nen unbürokratischen und günstigen Zugang zu kleinen High-Tech Produk-tionsmaschinen für die digitale Fer-tigung ermöglicht hat und sehr rasch erkannte, dass es dafür nicht nur bei Studierenden, sondern auch bei an-deren kreativen Makern einen groß-en Bedarf gibt. Bei der Erfüllung der FabCharter und positiver Prüfung des Antrages durch das MIT wird man in das FabLab Netzwerk (FabFoundation, International FabLab association) auf-genommen. Mittlerweile haben sich weltweit viele FabLabs aufgrund der Initiative etabliert.

In der von ihm entwickelten Lehr-veranstaltung „How To Make (almost) Anything“ am MIT führt Neil Gers-henfield mithilfe von Studierenden aus interdisziplinären Fachrichtung vor, wie man sie durch das zur Verfügung stellen von einfach zu bedienenden Produktionsmaschinen bei der Ent-wicklung von Produktinnovationen unterstützt oder diese überhaupt erst möglich macht. Aus diesen neuen Pro-dukten entstehen dann oft Start-Up Unternehmen mit völlig neuen Ge-schäftsmodellen.6

FabLab an der TU Graz und der RWTH Aachen

Am Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung der TU Graz ist es das Ziel der Lehrveranstaltung „Product Innovation Project“ mit Stu-dierenden aus interdisziplinären Fach-richtungen einen funktionsfähigen Prototypen zu bauen und einen Busi-ness Plan zu entwickeln. Seit kurzem betreibt das Institut gemeinsam mit dem Institute of Production Science and Management das dafür neu einge-richtete „FabLab Graz“. Das neue Fab-Lab Graz ist Mitglied der international

6 FAB – The coming Revolution on your desktop- form personal comup-ters to personal fabrication, Neil Ger-shenfield , 2005, Basic Books, Camb-ridge

FabLab association und der FabFoun-dation. Die TU Graz ist damit die erste österreichische Universität, die ein Fab- Lab betreibt. In Deutschland wurde das erste FabLab an der RWTH Aachen gegründet (https://hci.rwth-aachen.de/fablab). Das FabLab Graz befindet sich in der Inffeldgasse 11 im 1. Stock und steht nicht nur allen Studierenden der TU Graz zur Verfügung, sondern ist jeden Donnerstag zwischen 13 und 18 Uhr auch für andere Privatpersonen öffentlich zugänglich (weitere Informa-tionen unter http://fablab.tugraz.at).

5. Zusammenfassung

Der unbürokratische Zugang kreativer Privatleute und Entrepreneure zu de-zentralen bedienerfreundlichen High-Tech-Fertigungseinrichtungen zu nied-rigen Kosten, wie sie bisher allenfalls der Industrie vorbehalten waren, ist insbesondere in den USA auf dem Vor-marsch. Der Einkauf im Lebensmittel-geschäft an einem Samstag, das Trai-ning im Fitnessstudio oder der Besuch im „TechShop“ werden in Zukunft für viele einen ähnlichen Stellenwert im Tagesablauf einnehmen.

US-Präsident Obama unterstützt seit 2012 diese Entwicklung mit Milliar-den-Förderungen, um Produktinnova-tionen und Geschäftsmodell-Innovati-onen für viele kreative Amerikaner zu ermöglichen. Diese Entwicklung wird auch in Österreich und Deutschland sichtbar werden. Erste „TechShops“ sind in Deutschland bereits im Ge-spräch. In Zusammenarbeit mit BMW

FabLab Graz Manager Matthias Friessnig (li.) mit seinem Team (Quelle: TU Graz/Lunghammer)

TU Graz Rektor Harald Kainz mit seinem iPhone Holzcover aus dem FabLab (Quelle: TU Graz/Lungham-mer)

MIT-Studierende lernen ‘How To Make (almost) Anything’ im

FabLab

TU Graz und RWTH Aachen als Vorreiter der FabLab Initiative in

Österreich und Deutschland

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TOP-THEMA

plant die TU München derzeit auf 1.800 m2 in Garching einen „TechShop“. Die Zukunft der Geschäftsmodelle wird von der Maker Economy mitbestimmt. Die Demokratisierung der Produktion, wie zum Beispiel durch FabLabs, bietet ganz neue Chancen für Business Inno-vationen und damit für die wirtschaft-liche Zukunft unserer Gesellschaft.

6. Literatur

• Gassmann, O. et al.: Geschäftsmodel-le entwickeln - 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Na-vigator. Hanser Verlag, München. 2013• Kaplan, S.: The Business Model Inno-vation Factory: How to Stay Relevant When The World is Changing. Wiley, New Jersey. 2012• Johnson, M.: Seizing the White Space: Business Model Innovation for Growth and Renewal. Harvard Busi-ness School Press, Boston. 2010• Osterwalder, A; Pigneur, I: Business Model Generation. Wiley, New Jersey. 2010• Makerspace Team: Maker space Play-book – School Edition 2013• FAB – The coming Revolution on your desktop- form personal comupters to personal fabrication, Neil Gershen-field, Basic Books, Cambridge 2005

Autoren:

Prof. Dr. Frank T. Piller 1989-1994 Studium Betriebswirt-schaftslehre an der Julius-Maxi-milians-Universität Würzburg 1995-1999 Promotion zum Thema

Mass Customiza-tion an der Uni-versität Würzburg2001-2004 Habili-tation zum Thema Open Innovation und User Innova-tion an der TUM Business School, TU München2004-2007 Re-search Fellow an der Sloan School of Management, Massachusetts Institute of Technolo-gy (MIT), Cambridge, USASeit 2007 ist Frank Piller Professor und Direktor des Instituts für Tech-nologie- und Innovationsmanage-ment an der RWTH Aachen und Co-Direktor der MIT Smart Custo-mization Group am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Prof. Dr. Christian Ramsauer1987-1993 Studium Wirtschaftsingenieur-wesen/Maschinenbau an der TU Graz;1993-1997 Universitätsassistent am Insti-tut für Wirtschafts- und Betriebswis-senschaften der TU Graz, Abteilung Industriebetriebs-lehre und Inno-vationsforschung; 1997-1999 Visiting Scholar an der Har-vard Business School in Boston, USA;1999-2004 Ma-nagement Con-

Prof. Dr. Frank T. PillerRWTH Aachen

sultant bei McKinsey&Company in Wien;2005-2008 Geschäftsführender Gesell-schafter der “UNTHA shredding tech-nology”;2010 Habilitation (Privatdozent) zum Thema “Produktionsstrategie”;2010-2011 Geschäftsführer der Active Equity GmbH in München;Seit 2011 ist er Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Indus-triebetriebslehre und Innovationsfor-schung (IBL) und Kurator des Institute of Production Science and Manage-ment (PSM) am FSI der TU Graz.

Prof. Dr. Christian RamsauerTU Graz

„StEP-Up - Unternehmensplattform zur Steigerung von Effektivität und Produktivität“ lud am 25. Juni 2014 wieder zur diesjährigen Best Practice-Konferenz nach Krems an der Donau ein. Die Veranstaltung lief unter der Überschrift: „Wege zur systemati-schen Produktivitätssteigerung“. Im Rahmen der Veranstaltung referierten einige hohe Persönlichkeiten der Wirt-schaft über ihre persönlichen Erfah-rungen und ihre eigenen individuellen Lösungsansätze, um einen kontinuier-liche Verbesserung der Produktivität

zu gewährleisten. Zwei unserer aktiven WINGnet Mitglieder aus Innsbruck nutzten die Gele-genheit an diesem Event teilzu-nehmen. Eine gute Möglichkeit, um mit jenen Personen aus der Wirtschaft in Kontakt zu treten, mit denen man später vielleicht einmal Zusammenarbeiten wird. Das ganze abgerundet, hat eine Show von Dr. Roman F. Szeliga, der einen launigen Vortrag über „Humor in der Wirtschaft“ hielt.

StEP-Up - Best Practice-Konferenz, Krems an der Donau, 25.06.2014 WINGNET INNSBRUCK

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TOP-THEMA

The future is ours to make.

MAGNA Presserückwand.indd 1 01.10.12 13:26

Ines Kähsmayer

Innovation Culture

Das Thema Innovation hat in den letzten Jahren zusehends an Auf-

merksamkeit und Bedeutung gewon-nen. Unternehmen, die besonders in Forschung und Entwicklung inves-tieren, können durch ihre gesteigerte Innovationskraft im globalen Wettbe-werb bestehen und mit Innovationen am Markt punkten. Doch finanzielle Investitionen alleine machen noch kei-ne geballte Innovationskraft aus.

Was sind die zentralen Aspekte einer �nachhaltigen Innovationskultur?Unter welchen Bedingungen kön- �nen im Unternehmen neue Ideen entstehen und als Innovationen im Markt hervorgehen?Welche unternehmerische Stärke �kann zur Quelle von Innovationen werden?

Innovationskultur als Fundament

Ein Unternehmen wird nicht von heu-te auf morgen zum Innovationsführer – erst die Schaffung einer entspre-

chenden Kultur ermöglicht „das Ge-deihen“ von Innovation.

Wie eine derartige Kultur aufgebaut und gestaltet werden kann bzw. was im Einzelnen dazu beiträgt, möchte ich anhand eigener Erfahrungswerte nun an einigen Beispielen näher erläutern.

Management Commitment

Wichtigster Aspekt in diesem Kon-text ist das Commitment des Ma-nagements. Nur wenn die Unterneh-mensführung zu 100 Prozent dahinter steht, kann eine entsprechende Kultur geschaffen werden. Dies kann sich bei-spielsweise in der Vision und Mission des Unternehmens widerspiegeln oder auch durch Leadership Messages aufge-zeigt und unterstrichen werden. Jedes Unternehmen muss hier das für sich passende „Setup“ finden.

Erst wenn die Mitarbeiter erkennen, dass die Unternehmensspitze es ernst meint, lassen sich weitere kulturför-

derliche Maßnahmen ergreifen und er-folgreich umsetzen.

Die richtigen Mitarbeiter

Natürlich stellen auch die Mitarbeiter einen wesentlichen Faktor im Zusam-menhang mit der Innovationskultur eines Unternehmens dar.

Wenn es den Führungskräften eines Unternehmens gelingt, Neugier, Lei-denschaft und Interesse bei den Mitar-beitern zu wecken, entwickelt sich der kreative Geist fast wie von selbst. Die-se Aspekte lediglich zu wecken, reicht aber auf Dauer nicht aus. Vielmehr ist der Erfindergeist jedes Einzelnen zu fördern und zu fordern, was eine be-sondere Herausforderung darstellt und höchster Führungsqualitäten bedarf. An dieser Stelle wird auch nochmals die Bedeutung des Management Com-mitments sichtbar, denn: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst“ [1]. Wenn die Mitarbeiter für ihre Aufgaben „brennen“, sind der Kre-ativität keine Grenzen gesetzt.

Foto: Magna International Inc.

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TOP-THEMA

Eine „gemeinsame Sprache“ sprechen

Ein gemeinsames Verständnis von „In-novation“ ist ebenfalls eine Grundvor-aussetzung zur Schaffung einer nach-haltigen Kultur.

Global agierende Unternehmen, die weltweit Forschung und Entwicklung betreiben, sind durch unterschiedlichs-te Kulturen und Entwicklungen auf Basis der jeweiligen Sozialisierung ih-rer Mitarbeiter geprägt. Dass hier nicht von Haus aus ein gleiches Innovations-verständnis vorliegen kann, ist leicht nachvollziehbar. Umso wichtiger ist es daher, in diesem Zusammenhang eine „gemeinsame Sprache“ zu entwickeln. Nur wenn jeder Einzelne verinnerlicht hat, was „Innovation“ für das Unter-nehmen bedeutet, kann entsprechende Kreativität fließen und langfristig die Innovationskraft gestärkt werden.

Verstehen die Mitarbeiter unter „In-novation“ beispielsweise lediglich das Kreieren neuer Ideen bzw. Impulse, werden sie sich bezüglich der Indus-trialisierung keine weiteren Gedanken machen. Zielt jedoch das gemeinsame Verständnis darauf, dass „Innovation“ sowohl die Erfindung als auch die Kommerzialisierung meint, werden auch die Mitarbeiter unter diesem Cre-do Ideen entwickeln und sich Gedan-ken darüber machen, wie diese Ideen einen erfolgreichen Markteintritt schaffen können.

Wertschätzung, Awards, Auszeichnungen

Neugier, Leidenschaft und Interesse bei den Mitarbeitern zu wecken, ist eine Sache. Aber dieses „Brennen“ auf-rechtzuerhalten, ist ein weiterer wich-tiger Aspekt.

In den letzten Jahren konnte ich beobachten, wie essenziell Wertschät-zung, Respekt und Anerkennung auch in diesem Kontext sind, wobei hier die intrinsische Motivation eine weit grö-ßere Rolle spielt, als unser einer viel-leicht vermuten würde.

Für Mitarbeiter, die ihre Aufgabe(n) „lieben“ und mit entsprechender Pas-sion betreiben, stellen extrinsische Faktoren lediglich eine „nette“ Begleit-erscheinung dar. Die wirkliche Motiva-tion aber resultiert aus ganz anderen Gegebenheiten.

Diese „passionierten Mitar-beiter“ wollen beispielsweise die (Weiter)Entwicklung und erfolgreiche Umsetzung ihrer Ideen miterleben. Sie streben auch danach, diese Ideen ent-sprechend „gewichtigen“ Personen vor-zustellen bzw. zu präsentieren, um ge-meinsam das Potenzial und mögliche nächste Schritte diskutieren zu kön-nen. Wertschätzung in der Form, dass sich die Führungskraft persönlich Zeit nimmt für den Mitarbeiter, stellt hier einen besonderen Motivationsfaktor dar. Auch etwaige Veröffentlichungen über die Ehrung bzw. Auszeichnung von Mitarbeitern für innovative Ideen bzw. Erfindungen können wesentlich zur Erhöhung der Motivation beitra-gen. Das Inter- oder Intranet, Unter-nehmenszeitschriften bzw. -zeitungen, Mitarbeiterveranstaltungen oder -präsentationen seien in diesem Zu-sammenhang als geeignete Beispiele genannt. Auch entsprechende interne oder externe Innovation Awards kön-nen höchst motivierend wirken und Wertschätzung und Anerkennung für die Mitarbeiter zum Ausdruck brin-gen.

Innovationsprozess

Auch wenn wir uns im Bereich des „Kreativen“ bewegen, lässt sich eine nachhaltige Innovationskultur nicht ganz ohne einen entsprechend veran-kerten bzw. etablierten und gelebten Innovationsprozess schaffen.

Mitarbeiter sollen durch das Leben eines etablierten und nachhaltigen Prozesses in ihrer kreativen Arbeit un-terstützt werden; zudem wirkt sich ein effizienter, gelebter Prozess abermals entscheidend auf die Durchlaufzeiten, aber auch auf die Qualität von Ideen bzw. Entwicklungen aus, was langfris-tig wiederum die Wettbewerbsfähig-keit des Unternehmens stärkt.

Klassisch finden sich in diesem Kon-text Stage-Gate®-Prozesse. Doch be-sonders in der Phase 0, der sogenann-ten Ideengenerierungsphase, empfiehlt sich eine unternehmensspezifische Gestaltung unter Berücksichtigung al-ler für das Unternehmen wesentlichen Rahmenbedingungen. Beispielsweise gilt es zu beachten:

ob das Unternehmen zentral oder �dezentral organisiert ist,

wie die internen Innovations- bzw. �Produktentwicklungsprozesse ge-staltet sind, ob in Phase 0 mit externen Partnern �zusammengearbeitet wird, welche Strategien im Hinblick auf �das geistige Eigentum („Intellectual Property“) verfolgt werden, ob und wie Kundenaspekte in Phase �0 einfließen usw.

Ferner empfiehlt sich eine regelmäßige kritische Betrachtung und Hinterfra-gung des gesamten Prozesses bzw. der einzelnen Prozessphasen, da aufgrund von Erfahrungen oder auch diverser Umwelteinflüsse (z. B. Organisations-veränderungen) Korrekturen bzw. Ver-änderungen sinnvoll oder notwendig werden.

Innovationspartner bzw. -netzwerke

In der heutigen Zeit wird es immer populärer, Innovationspartnerschaften einzugehen oder sogenannten Innova-tionsnetzwerken beizutreten. Denn: Sowohl Partnerschaften als auch Netz-werke können – eine entsprechende Unternehmenskultur vorausgesetzt – ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Innovations- und somit Wettbewerbsfähigkeit leisten.

Die große Herausforderung besteht in diesem Zusammenhang allerdings darin, zum Unternehmen passende Partner oder Netzwerke zu identifizie-ren. Sind die „richtigen“ Partner ausge-wählt – beginnend bei Forschungsin-stituten, über Universitäten bis hin zu Start-ups oder Erfindern im klassischen Sinne –, gilt es diese in den Innovations-prozess sowie die Innovationsstrategie zu integrieren, um so mittels externer Unterstützung das Innovationspoten-zial optimal ausschöpfen zu können. Diversität sowie das Vermeiden von „Scheuklappen-Denken“ stellen hier wesentliche Erfolgsmerkmale dar.

Fördern und Fordern

Damit Unternehmen besondere Innovationsstärke an den Tag legen können, sollte der Erfindergeist der einzelnen Mitarbeiter – wie eingangs erwähnt – stets gefördert und gefor-dert werden.

Für die Umsetzung gibt es viele un-terschiedliche, bekannte und weniger

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TOP-THEMA

bekannte Möglichkeiten. Den Klas-siker stellt der sogenannte Innovati-onsworkshop dar. Richtig ausgestaltet kann diese weitverbreitete und häufig angewandte Kreativitätsmethode ei-nen wesentlichen Beitrag zur Förde-rung und Forderung leisten.

Einen weiteren Ansatzpunkt stellt die Gestaltung des tagtäglichen Um-feldes der Mitarbeiter dar. Begonnen bei den einzelnen Büroräumen, über Besprechungszimmer bis hin zur Kan-tine oder Cafeteria – das Design dieser sowie die Verfügbarkeit oder das indi-rekte Wahrnehmen bestimmter Gege-benheiten entscheiden über mehr oder eben weniger Kreativität.

Weiters kann das Unternehmen bzw. das Management sogenannte In-novationsfelder definieren und mani-festieren, die ein besonderes Potenzial für zukünftige Innovationen erwarten lassen. Diese klar festgelegten Bereiche helfen den Mitarbeitern ebenfalls bei der Entwicklung von Ideen, da sie auf-zeigen, in welchen Themenfeldern das Unternehmen wesentliche Zukunft-schancen sieht. Die Mitarbeiter kön-nen dadurch fokussiert an neuen Ideen zu speziell diesen Feldern arbeiten.

Oftmals problematisch, aber von besonderer Bedeutung im Zusam-menhang mit Kreativität ist der Faktor Zeit, und zwar Zeit zum „Spinnen von Ideen“. Eine Art der Kulturausprägung kann beispielsweise darin bestehen, Kreativzeit zu definieren, sodass den Mitarbeitern ein gewisser Anteil der Arbeitszeit für die Entwicklung von Ideen zur Verfügung steht. Da Mitar-beiter oft mit ihrem Alltagsgeschäft bereits mehr als ausgelastet sind, bleibt der zur Steigerung der Wettbewerbs-fähigkeit notwendige kreative Input häufig aus. Es bedarf somit Arbeitszeit-modellen, die ein Kreativsein der Mit-arbeiter gezielt forcieren, ohne dabei das Erreichen anderer zu erbringender Leistungen einzuschränken oder gar zu gefährden. Die Entwicklung bzw. das aktive „Leben“ eines derartigen Modells ist jedenfalls hinsichtlich einer nachhaltigen Innovationskultur unab-dingbar.

Die hier ausgewählten und aufge-zeigten Beispiele sollen als Anregung dienen, wobei explizit darauf hinge-

wiesen sei, dass in diesem Kontext stets jene Ansätze Anwendung finden soll-ten, die insbesondere zur Kultur des jeweiligen Unternehmens passen.

Innovationsmanagement

Je nach unternehmerischer Reife, Mög-lichkeit und/oder Strategie eines Unter-nehmens hinsichtlich Innovation wird diese Thematik auch auf unterschied-lichste Art und Weise „gemanagt“.

Von internen, entsprechend der Organisationsform integrierten Stab-stellen oder Abteilungen für Innova-tionsmanagement bis hin zu in den Innovationsprozess bzw. das Unter-nehmen integrierten, externen Inno-vationsberatern lassen sich heutzutage vielfältigste Arten der Handhabung wiederfinden. Oft kommt auch eine Kombination der einzelnen Varianten zum Einsatz.

Einen wichtigen und nicht zu un-terschätzenden Aspekt stellt hierbei das Thema Vertrauen dar (unabhängig davon, ob interne oder externe Innova-tionsmanager zum Einsatz kommen). Die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeiter sich insbesondere dann kreativ einbrin-gen bzw. Engagement zeigen, wenn sie Vertrauen in die Personen bzw. in den Prozess des Innovationsmanagements haben. Wird dieses Vertrauen miss-braucht (etwa im Zuge des Screenings bzw. der Evaluierung von Ideen), kann dies vor allem langfristig gesehen gra-vierende Auswirkungen haben. Kre-ative Impulse und Ideen im täglichen Tun, das Mitwirken und Einbringen in Innovationsworkshops oder etwa zwi-schenmenschliche Harmonie sind bei fehlendem Vertrauen gefährdet.

Der richtige Zeitpunkt

Einen weiteren, besonders sensiblen Faktor möchte ich Ihnen abschließend noch darstellen und als Anregung mit-geben: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ [2]

Oder umgekehrt formuliert: Selbst die womöglich tollste Idee oder Erfin-dung wird sich als „Flop“ oder nicht umsetzbar herausstellen, wenn sie zum „falschen“ Zeitpunkt vorangetrieben wird, wobei „falscher Zeitpunkt“ in diesem Zusammenhang vieles meinen kann.

Stellen Sie sich etwa vor, Sie bringen die innovativste Kaffeemaschine auf den Markt, die die Welt je gesehen hat; eine Maschine, die sich beispielsweise ohne jegliche Schalter, Knöpfe oder andere Bedienelemente steuern lässt; eine Maschine, die durch allerneues-te Materialien und ein ganz außerge-wöhnliches Design besticht…. Denken Sie, dass Ihnen hier ein erfolgreicher Markteintritt gelingen wird, wenn die Maschine derart „futuristisch“ ist und bei der Entwicklung offensichtlich ei-nige Technologiestufen übersprungen wurden? Technologiestufen, die ein Anwender jedoch zum „Erlernen“, „Vertraut machen“ und langfristig „intuitiven Verinnerlichen“ benötigt … Nein, aller Voraussicht nach steht hier eher ein Scheitern bevor, da die Innovation etwa den Anwender über-fordert oder nicht den heute gängigen und bei den Kunden verinnerlichten Mustern (z. B. hinsichtlich Bedienung) entspricht.

Es gibt eine Reihe von Umweltein-flüssen, die den Faktor „richtiger Zeit-punkt“ prägen. Die besondere Kunst liegt darin, diese (natürlich oft auch branchenspezifischen) Einflüsse ent-sprechend zu erfassen bzw. zu beden-ken und für eine erfolgreiche Umset-zung einfließen zu lassen.

So kann beispielsweise auch eine Technologie, die für ein Unternehmen komplett neues „Terrain“ bzw. den Auf-bau einer neuen Kompetenz bedeuten würde, nur zum richtigen Zeitpunkt, d. h. unter Berücksichtigung entspre-chender Rahmenbedingungen zum Erfolg werden. Finden die auf den vor-herigen Seiten beschriebenen Aspekte Beachtung im Unternehmen, sind Sie auf dem besten Weg, eine nachhaltige Innovationskultur aufzubauen bzw. zu fördern und zu leben.

Quellenhinweis

[1]Augustinus von Hippo (römischer Philo-soph und Kirchenlehrer)[2]Victor Hugo (französischer Schriftsteller)

Autorin:

Frau Ines Kähsmayer, die als Back-ground ein technisches Studium kom-biniert mit Wirtschaft und Manage-ment aufweisen kann, ist aktuell bei

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36 WINGbusiness 3/2014

Dipl.-Ing. Dr. techn. Stefan Grünwald - Neuer Studiengangsleiter Informationstechnologien und Wirtschaftsinformatik an der FH CAMPUS 02Seit Februar 2014 ist Stefan Grünwald Studiengangsleiter für Informationstech-nologien und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule der Wirtschaft CAMPUS 02 in Graz und verantwortlich für das Bachelorstudium Wirtschafts-sinformatik, das Masterstudium IT & Wirtschaftsinformatik sowie einige post-graduale Angebote (Master Software Engineering Leadership und akademischer Lehrgang für Software Engineering). Schon seit 2006 ist Stefen Grünwald FH-Prof. an der FH CAMPUS 02 an der Studienrichtung Informationstechnologien und Wirtschaftsinformatik und als Fachbereichsleiter für Wirtschaftsinformatik, Lektor und Forschungsverantwortlicher tätig. Des Weiteren ist er IT- und Un-ternehmensberater mit den Schwerpunkten Unternehmensstrategie, Prozess- management und IT-Management. Seine Wurzeln hat Stefan Grünwald an der TU Graz. Nach seinem Studium Wirt-schaftsingenieurwesen Maschinenbau (Mechatronik) richtete er seinen Fokus als Universitätsassistent am Institut für Unternehmungsführung und Organisation auf die Themen Informationsmanagement, Prozessmanagement und Systems En-gineering.

LEUTE/KÖPFE

Call for PapersThemenschwerpunkt: IT Security

in WINGbusiness 01/2015

Beschreibung

Für die Ausgabe 01/2015 laden wir Au-toren herzlich ein, ihren Beitrag zum Themenschwerpunkt „IT Security“ einzureichen. Von Interesse sind Artikel zu Pro-jekten und Forschungstätigkeiten zur Steigerung der Sicherheit von Fir-mennetzwerken, zur Datensicherheit, zu Sicherheitsstrukturen, zu Disaster Recovery, zu digitalen Signaturen oder ähnlichen Themen.

Es können zwei unterschiedliche Bei-tragsarten übermittelt werden:• Die Verfassung eines Textes als Be-richt aus der Praxis.• Die Einreichung eines wissenschaft-lichen Beitrages in Form eines wissen-schaftlichen Papers (WINGPaper mit Reviewverfahren; die Ergebnisse des Reviewverfahrens erhalten Sie 4-8 Wo-chen nach der Einreichfrist).Hinweise für Autoren: Vorlagen zur Erstellung eines WING-papers und konkrete Layout-Richt-

linien sind als Download unter: http://www.wing-online.at/de/wing-business/medienfolder-anzeigen-preise/ oder per E-Mail verfügbar.

Autoren können ihre Beiträge zum Themenschwerpunkt als PDF an [email protected] übermitteln. Die Ergebnisse des Reviews werden innerhalb von 4-8 Wochen nach Ein-sendung des Artikels zugestellt.

Annahmeschluss: 12.01.2015

Magna Interiors global für das Thema Innovation verantwortlich. Sie ist seit ihrer Diplomarbeit im Jahre 2003 im Magna-Konzern tätig, wobei sie in der Vergangenheit vor allem bei Magna International für den Aufbau und die Etablierung eines globalen, Magna-gruppenübergreifenden Innovations-programmes sowie einer Innovations-plattform zuständig war. Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Beitrags „Innovation Culture -

Ines KähsmayerInnovation ManagerMagna Interiors Global

ein Erfahrungsbe-richt“, erschienen in: „Open Innovation in der Praxis.Erfahrungen, Fallbei-spiele, Erfolgsmetho-den“, herausgegeben von Serhan Iliund Matthias Schmöl-ders. Düsseldorf: Sym-posion Publishing, 2014 (in Druck).

CALL FOR PAPERS

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37WINGbusiness 3/2014

WINGREGIONAL

Florian Rathner

Besuch Anger Machining in TraunWINGregional Oberösterreich Veranstaltung, 10.06.2014

Ablauf:

geführter Rundgang durch die Pro- �duktionPräsentation Unternehmen und �Vortrag zum Thema „Produktinno-vation – Entwicklung eines Standard Transferzentrums“ durch Geschäfts-führer Mag. Klaus DirnbergerDiskussion �Ausklang mit Zeit für Gespräche �und zum Netzwerken inkl. Buffet

Nach einer längeren Verschnaufpause trafen sich WING-Mitglieder aus Ober- österreich zu einer Regionalkreisveran-staltung bei der Firma Anger Machi-ning in Traun.

Die – wenn auch etwas kleine, da-für sehr hochkarätige - Runde wurde nach der Begrüßung gleich mal durch den Produktionsbereich geführt, wo wir die Produktinnovation Standard-Transferzentrum aus der Nähe begut-achten konnten. Der Name Anger ist seit der Gründung des Unternehmens 1982 weit über die Region hinaus be-kannt, vor allem durch den Unterneh-mensgründer Anton Anger, der mit sei-ner Erfindung von Maschinen für die

Bearbeitung von Brillenrahmen den Grundstein für die Entwicklung von Transferzentren gelegt hat. Nach der Pensionierung von Anton Anger 1998 und der Übertragung der Geschäfts-anteile an seine Söhne folgte 2005 die Übernahme des Unternehmens durch Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn in Form eines Managements-Buy-In. Transferzentren etablierten sich weiter als führende Lösung für die zerspa-nende Fertigung von Präzisionstei-len in der Mittel- und Großserie. Die Bearbeitung wie Fräsen, Bohren und Gewinden erfolgt dabei umgekehrt zu konventionellen Bearbeitungszentren, das heißt, das Werkstück wird in eine Spannvorrichtung gespannt und CNC-gesteuert von Werkzeug zu Werkzeug bewegt.

Dadurch kann die komplette Be-arbeitung in ein bis max. zwei Auf-spannungen erfolgen, was eine hohe Produktivität sichert. Anger bietet in diesem Segment neben teilespezifischen Turn-Key-Lösungen für die Großseri-enproduktion auch ein rekonfigurier-bares Standard-Transferzentrum für flexible Bearbeitungsanforderungen an. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die

Mehrspindelkopf-Technologie der Fir-ma Hellmerich Precision Components aus Seeboden.

Diese Firma wurde 2010 ebenfalls von Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn übernommen. Diese Fakten und vieles mehr präsentierte uns nach dem Produktionsrundgang der Geschäfts-führer Klaus Dirnberger persönlich, unterstützt von seinen Mitarbeitern Werner Bramhas, Bereichsleiter für Vertrieb und Vorprojektierung sowie Robert Blauhut, Bereichsleiter für Stan-dard-Transferzentren. In der angeregten Diskussion konnten viele Fragen über die Technologie und die Einführung eines neuen Produktes geklärt werden.

Die Herausforderung liegt dabei stark auf dem Thema Total Cost of Ow-nership. Anger gibt sich sehr zuversicht-lich, damit auf dem Markt punkten zu können, und ihre Produktinnovation, das Standard Transferzentrum erfolg-reich positionieren zu können. Die Veranstaltung klang wie gewohnt bei einem Buffet und weiteren Gesprächen aus, in dem noch viel über die Heraus-forderungen eines innovativen KMU diskutiert wurde.

Foto: Florian Rathner

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Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Fir-menpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar.Hervorzu-heben ist der Zugang zur Technischen Universität als Inno-vations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ih-nen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt. Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Tech-nischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglich-keiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und so-mit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Ex-kursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unter-nehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Mög-lichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und

Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Management) internationale Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Län-dern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Ak-tivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events kön-nen sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist mög-lich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen. Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/wien.html finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem LeistungsumfangWINGnet Wien:Theresianumgasse 27, 1040 Wien, [email protected] ZVR: 564193810

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Gegründet 1952, beschäftigt KNAPP heute über 2.500 Mitarbeiter und verfügt über ein globales Netzwerk von Unternehmensstandorten von Buenos Aires bis Sydney. Die hohe Exportquote von 98 Prozent unter-streicht die Internationalität der KNAPP-Gruppe.

KNAPP zählt zu den weltweit führenden Anbietern intralogistischer Kom-plettlösungen und automatisierter Lagersysteme. Zu den Kernbranchen zählen Pharma, General Retail, Food Retail sowie Fashion. Als zuverläs-siger Partner begleitet KNAPP Kunden aus aller Welt über die gesamte Projektdauer von der Planung bis zur Installation der Systeme und bietet eine universale Nachbetreuung.

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