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William Shakespeare: Eine Einführung in Werk und Wirkung€¦ · Einleitung pe, für die...

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Sonja Fielitz

William Shakespeare

Eine Einführung in Werk und Wirkung

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

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Einbandgestaltung: Peter Lohse, Büttelborn

Abbildung: Symbolische Darstellung der Durchbrechung des mittel-alterlichen Weltbildes, 1888.Aus: Camille Flammarion: L’atmosphère, et la météorologie populaire,Paris 1888. i akg-images.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

i 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe dieses Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, HemsbachEinbandgestaltung: schreiberVIS, BickenbachGedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem PapierPrinted in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24646-5

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-72364-6eBook (epub): 978-3-534-72365-2

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

I. Der historische William . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Stratford und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122. Schauspieler und Dramatiker in London . . . . . . . . . . . . 143. Verfasserschaftstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164. Persönlichkeit und dramatisches Werk . . . . . . . . . . . . 175. Die Portrait-Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206. Religiöse Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

II. Die Zeit: Epochenkonstrukte und das Theaterleben in London . . 261. Problematik von Epochenkonstrukten . . . . . . . . . . . . . 262. Theaterleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

III. Kanon der Dramen und Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411. Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412. Quartos und First Folio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433. Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455. Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456. Gattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

IV. Das nicht-dramatische Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531. Venus and Adonis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532. The Rape of Lucrece . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573. Die Sonette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

V. Das dramatische Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651. Komödien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662. Romanzen / Späte Stücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723. Tragödien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734. Römerdramen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795. Historien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806. Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

VI. The Bard / Global Shakespeare . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981. Englischer Nationaldichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 982. Non-Bard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983. Beginnende Shakespeare-Verehrung . . . . . . . . . . . . . 1014. Aufstieg zum Genie in der Romantik . . . . . . . . . . . . . . 103

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Inhalt

5. Global Shakespeare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036. Rewritings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

VII. Das Werk in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091. Traditionelle Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1092. Postmoderne Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1153. Cultural Studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

VIII. Das Werk in Übersetzungen am Beispiel der deutschen Rezeption 1251. Werktreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1252. Christoph Martin Wieland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1263. Johann Jakob Eschenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1294. ,Schlegel/Tieck‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1305. Johann Heinrich Voß und Söhne . . . . . . . . . . . . . . . . 1356. Kanonisierung der Schlegel/Tieck-Übersetzung . . . . . . . . 1367. Weitere Übersetzungen des 19.–21. Jahrhunderts . . . . . . . 137

IX. Shakespeare in den non-print-Medien . . . . . . . . . . . . . . 1431. world wide web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1432. Interaktive Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1443. Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1454. Oper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

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Einleitung

„Who is afraid of William Shakespeare?“ Eine Ringvorlesung dieses Titels aneiner deutschen Universität in jüngster Vergangenheit, zu der vom Veran-stalter die wenigen Hochschuldozentinnen und -dozenten aus ganzDeutschland zusammengesucht und eingeladen wurden, die sich nocheinen Lehr- und Forschungsschwerpunkt in der Shakespeare-Philologie be-wahrt haben, mag in nuce erfassen, wie es um ,Shakespeare‘ gegenwärtig inder deutschen Universitätslandschaft bestellt ist. Lehrende wie Studierendeentfernen sich seit vielen Jahren aufgrund einer immer stärkeren Spezialisie-rung, Theorie-Verhaftung und Abkehr von Historischem auf Seite der Leh-renden wie auch aufgrund der Umwidmung von Lehrstühlen der Shakes-peare-Philologie zu postcolonial studies und media studies mehr und mehrvon dem Forschungsgebiet, welches vor zirka 30 Jahren noch eines der amhöchsten angesehenen war – und bis heute aufgrund seiner zirka 400-jähri-gen Geschichte zweifellos zu den komplexesten gehört. Dazu kommt das„na, Shakespeare machen wir ja alle“, was die Verfasserin wiederholt vonKollegen gehört hat, die natürlich auch ,Shakespeare‘ in Einführungskursenund Seminaren unterrichten, aber irgendwann in der Begegnung mit einem/einer der wenigen Professorinnen und Professoren an deutschen Universitä-ten, die auch international in der Shakespeare-Philologie ausgewiesen sind,feststellen müssen, dass sie eigentlich nichts Neues über einen der wirkungs-mächtigsten Autoren der Welt sagen können.

Eine (leider realistische) Szenerie wie diese erhellt vielleicht den Hinter-grund für den Versuch eines Buches, welches es sich zur Aufgabe macht, inder gegenwärtigen Dürre der Shakespeare studies an deutschen Universitä-ten etwas Fruchtbarkeit anzubieten – und dies einer Leserschaft (ab hierwird der Lesbarkeit halber für das gesamte Buch geltend die maskulinegrammatikalische Form ,Der Zuschauer‘ immer auch die feminine ,Die Zu-schauerin‘ mit einschließen) wie Studierenden der Literatur- und Kulturwis-senschaft, insbesondere der Anglistik, Lehrern, die vor allem auch in derKollegstufe unterrichten, Kollegiaten, literarisch Interessierten und Theater-kundigen. Dass Shakespeare auch in einer breiteren deutschen Öffentlich-keit auf nachhaltiges Interesse stößt und aus unserer Kultur nicht wegzuden-ken ist, zeigen die Spielpläne der Theater, die Erfolge von Verfilmungen, dieBearbeitungen und nicht zuletzt die Schlagzeilen in der Boulevardpresse,wenn wieder einmal ein Kandidat für ,Shakespeare‘ präsentiert wird.

Nun wird sich mancher Leser fragen, wieso denn eine weitere Einführungin ,Shakespeare‘ ,sein muss‘ und worin das Neue des vorliegenden Buchesliegt. An allgemeinen Einführungen zu ,Shakespeare‘, d.h., in dessen Leben,dessen Zeit, dessen Werke, dessen Nachruhm und Wirkung in englischeroder deutscher Sprache herrscht in der Tat kein Mangel. Bei den vorhande-nen Titeln (in englischer und deutscher Sprache, wobei Letztere in dieserexemplarischen Skizze eines Überblicks unberücksichtigt bleiben sollen)lassen sich verschiedene Schwerpunktsetzungen unterscheiden: Eine Grup-

genus neutrale

Bestandsaufnahme

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Einleitung

pe, für die exemplarisch William Baker, William Shakespeare (Writers‘ Se-ries, 2009) stehen kann, beschränkt sich bewusst auf Fakten und wendetsich polemisch gegen eher spekulative Bücher wie z.B. Stephen GreenblattsWill in the World (2004), welches, nicht unpassend, als „eine Biographie imKonjunktiv“ gilt. Die Informationen über Shakespeares Werk sind chronolo-gisch angeordnet und in Beziehung zu zeitlichen Ereignissen festgesetzt. In-terpretationsansätze werden nicht gegeben. Bakers letztes Kapitel (Conclu-sion) heißt demnach folgerichtig „Shakespeare’s Life Enshrined: The FirstFolio“. „Enshrined“ assoziiert deutlich die Vorstellung von ,für alle Zeit be-wahrt‘ und ,unveränderlich‘. Diese Gruppe von Einführungen erweckt somitden Eindruck, als sei das Studium Shakespeares ein abgeschlossenes Gebiet,das aus Fakten bestehe. Es wird unserer Ansicht nach freilich nicht gezeigt,dass die Shakespeare-Forschung in ständiger Entwicklung ist und voller Um-brüche und Neuorientierungen steckt, und dass alle so genannten ,Fakten‘ebenso interpretationsbedürftig wie -fähig sind. Außerdem wird nicht zurKenntnis genommen, dass ,Shakespeare‘ wesentlich mehr ist als der histo-rische William.

Eine andere Gruppe von Einführungsbüchern versucht, die Vielfalt desWerkes von Shakespeare mit Hilfe von Kategorien darzustellen. Im englisch-sprachigen Bereich kann für diesen Ansatz exemplarisch stehen GermaineGreers Shakespeare. A Very Short Introduction (Oxford, 2002), in dem nacheinem Kapitel „Life“ die Kapitel „Poetics“, „Ethics“, „Politics“, „Teleology“und „Sociology“ folgen. Ein solcher Ansatz wird hier als problematisch an-gesehen, weil der Eindruck entsteht, Shakespeares Werk sei ein homogenerTextblock, in dem gewisse Vorstellungen und Auffassungen vorgetragenwerden. Eine dritte Gruppe unterscheidet unserer Ansicht nach zutreffendzwischen der historischen Person William Shakespeare als Forschungsge-genstand und dem kulturellen Konstrukt ,Shakespeare‘, wie es zu verschie-denen Zeiten und in verschiedenen Kulturen realisiert wurde, so etwa PeterHyland, Introduction to Shakespeare. The Dramatist in his Context (London,1996) und Peter Holland in seinem als Buch gedruckten Oxford Dictionaryof National Biography-Artikel (Oxford, 2007). Die Konstrukte des ,Bard‘ als,Sweet Swan of Avon‘, ,Naturgenie‘, ,Kulturheros‘ etc. haben allerdings dieInterpretationen der Werke in der Weise stark beeinflusst, dass sie eine Ge-neralperspektive auf eben diese vorgeben. Dieses Vorgehen führt dazu,nach einer ,universal meaning‘ oder ,pure essence‘ von Shakespeares Dra-men zu suchen, ohne wiederum die zeitliche, lokale oder kulturelle Einbet-tung seiner Werke zu berücksichtigen. Eine letzte Gruppe besteht aus Ein-führungen, die speziell für den Schulunterricht geschrieben wurden. Faktenund Drameninterpretationen sind so vereinfacht („write a letter to Ophelia“),dass Schüler als intendierte Leser befähigt werden sollen, die häufigsten Fra-gen der Prüfer zu beantworten, was allerdings einer Einführung in das uni-versitäre Studium nicht gerecht wird.

Auch wenn der vorliegende Band natürlich Kompromisse mit der Text-sorte und dem Umfang eines Einführungsbuches schließen muss, verfolgtdieser doch einen anderen Aufbau und ein anderes Konzept als die oben ge-nannten Titel. Erkenntnisinteresse dieses Buches ist es, die Bereiche Shakes-peare und Shakespeare-Forschung als ,offenes‘ Phänomen zu vermitteln.Der Grundgedanke und die Leitidee, die dieser Einführung zugrunde liegt,

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Erkenntnisinteresse

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Einleitung

ist, dass die Shakespeare-Philologie eben nicht als abgeschlossenes Gebietpräsentiert werden darf, sondern als Forschungsfeld, das ebenso kontinuier-lich wie kreativ weltweit betrieben wird. Eine Antwort auf Fragen, eine Inter-pretation, wird es nie geben. Genau wie die nicht endende Ausei-nandersetzung mit Shakespeare mit ihren unterschiedlichen Ansätzen undBearbeitungen, mit Entdeckungen und Kontroversen, mit Umbrüchen undNeuorientierungen ständig im Gange ist, soll hier aufgezeigt werden, dassalle angeblich gesicherten ,Fakten‘ und jede Interpretation je nach Erkennt-nishorizont in immer wieder verschiedener Weise gedeutet werden könnenund müssen.

In Anbetracht der Fülle des Materials, welches es zu Shakespeare und sei-nen Werken gibt, muss im Rahmen dieses Buches auf einiges, was die Ver-fasserin gerne berücksichtigt hätte, was aber der Textsorte Einführungsbuchund dessen Umfang geschuldet ist, verzichtet werden. So konnte eine Büh-nengeschichte von Shakespeares Dramen nicht geleistet werden, da ein sol-ches Vorhaben eigene Regale von Büchern füllen würde und jede Auswahlnur subjektiv bleiben müsste. Des Weiteren muss in einzelnen Kapitelnexemplarisch vorgegangen werden, d.h., ein Phänomen zunächst an sich er-läutert und dann repräsentativ für andere an einem Text erläutert werden.Weiterführende Hinweise finden sich für alle Kapitel in der bewusst umfang-reich angelegten Bibliographie.

Mein tief empfundener Dank gilt an erster Stelle meinem akademischenLehrer, Prof. em. Dr. Wolfgang Weiß, der mich seit meinem Studium an derLudwig-Maximilians-Universität München in den 1980er Jahren für Shakes-peare zu begeistern wusste und mir auch für das vorliegende Buch zahlrei-che wertvolle Anregungen gegeben und Korrekturvorschläge gemacht hat.Meine Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität Marburg,Imke Kimpel M.A., war, wie immer, eine unverzichtbare Hilfe bei der Zu-sammenstellung von Materialien, sowie der fachlichen Durchsicht und letz-ten Korrektur des Typoskripts. In einer Zeit extrem hoher Belastung in derakademischen Selbstverwaltung und zudem der einen oder anderen E-Mail,welche nachhaltig Hamlets Gefühl einer „world out of joint“ aufkommenließ, war sie einmal mehr der nervenstarke und stets diskrete Fels in einer„sea of troubles“, wofür ich ihr meinen sehr herzlichen Dank aussprechenmöchte. Carolina Bauer M.A. und Katharina Willstumpf erwarben sich gro-ße Verdienste bei der Beschaffung oft schwer erhältlicher Sekundärliteratur,wofür ich ihnen ebenfalls nachdrücklich danken möchte. Mein Dank in derAcademia gilt ferner den Studierenden meiner Lehrveranstaltungen an denUniversitäten München, Göttingen, Münster und Marburg, die mir über denZeitraum meiner inzwischen zirka 20-jährigen akademischen Lehrtätigkeithinweg durch ihr Interesse und ihre Fragen an ,Shakespeare‘ immer wiederaufgezeigt haben, welch vielschichtiges, vielfältiges und in ihrer Faszinationnie endendes Gebiet die Shakespeare-Philologie ist.

Maike Gotthardt hat manch wertvollen Präsenz-Moment durch ihr wei-ches Klarinettenspiel geschaffen. Beatrix Busse war während der Entste-hungszeit dieses Buches immer als Freundin da, die mir geduldig zugehörtund weitergeholfen hat, wenn es ganz schwierig war. Rev. Paul Edmondsonwar, ebenfalls wie immer, ein wunderbar einfühlsamer und verständnisvol-ler Freund. Und Gilbert Gornig, Marga Munkelt, Erich Poppe, sowie Daniela

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Beschränkung

Danksagung

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Einleitung

und Markus Herzog, Patricia Schlote, Brigitte Zach und Doris Zeller habensich, wie auch Alf und Tessi, in den letzten Monaten mehr über Shakespeareangehört als sie wahrscheinlich gewollt hätten. Ihr habt es Euch nie anmer-ken lassen – lieben Dank dafür.

Last but not least gebührt Frau Jasmine Stern der Dank dafür, diese Publi-kation für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft angeregt und angenom-men, sowie stets mit großer Freundlichkeit und Geduld begleitet zu haben.Generell möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der WBGund der Setzerei, die mit dem vorliegenden Buch befasst waren, für ihre stetsschnelle, sehr sorgfältige und kompetente Arbeit danken.

Widmen möchte ich dieses Buch IHM.

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I. Der historische William

Sobald man als Universitätslehrender gefragt wird, was man denn schwer-punktmäßig so mache und antwortet, dass man sich so einigermaßen beiShakespeare auszukennen glaube, kommt in 95% der Fälle die Frage „ja,gab es den denn überhaupt“? Und die Antwort der Autorin war und wirdauch in Zukunft immer ein klares „ja“ sein.

Die Diskussion um den ,historischen Shakespeare‘ ist eine never endingstory, und es kann und soll nicht Aufgabe dieses Einführungsbuches sein,den Leser in alle Abgründe biographischer Spekulationen zu führen. Fakt ist,dass wir nur wenige Dokumente über Shakespeares Leben haben, und diesegeringe Zahl in eklatantem Gegensatz zu seinem überragenden weltliterari-schen Rang steht, der ihm spätestens seit der Romantik zugewiesen wird.Ausgangspunkt all der Zweifel über den historischen William Shakespeareist, dass ein Mann aus relativ einfachen Verhältnissen einer Handwerkerfa-milie vom Lande und ohne universitäre Bildung doch nicht diese herausra-genden Werke der Weltliteratur geschrieben haben könne. Woher hätte eretwa das Wissen um die klassische Mythologie haben sollen? So werden mitschöner Regelmäßigkeit, unterstützt durch die Medien und ihre Sommerlö-cher, immer wieder neue ,Beweise‘ für die immer gleichen Kandidaten, diesich eigentlich hinter ,William Shakespeare‘ verbergen, ins Feld geführt,oder gänzlich neue Kandidaten in die Diskussion gebracht. Jüngstes, undhöchst unrühmliches Zeugnis von Spekulationen wie diesen ist Roland Em-merichs Film Anonymus (2011) ein Machwerk, das bei jedem, der etwas Ah-nung von Shakespeare hat, nur Kopfschütteln über so viel Ignoranz und Ar-roganz hervorrufen kann. Von all diesen Spekulationen wollen wir uns hierfernhalten.

Es gibt genügend documentary evidence, dass eine historische Person na-mens William Shakespeare auch wirklich existierte, und generell sind Lü-cken in frühneuzeitlichen Biographien nichts Ungewöhnliches. In Relationzu anderen Dramatikern der Zeit wissen wir über William Shakespeare so-gar wesentlich mehr als über manch anderen, wie etwa John Webster, demwir herausragende Tragödien wie The Duchess of Malfi oder The White De-vil zu verdanken haben, über den aber nichts bekannt ist. ShakespearesName erscheint erstmals im Druck am Ende von Venus und Adonis (1593)und The Rape of Lucrece (1594) (vgl. Kap. IV). Im Kontext der Dramen tauchtsein Name erstmals 1598, auf der Titelseite der zweiten Quarto von RichardIII, auf. Eine zweite Quarto von Love’s Labour’s Lost, die eine (heute verlore-ne) bad quarto ersetzen sollte, kündigt an, sie sei „newly corrected and aug-mented by W. Shakespere“. Die zweite Quarto von Richard II verzeichnetebenfalls Shakespeares vollständigen Namen. Andererseits erscheint Shakes-peares Name nicht auf der zweiten Quarto von Romeo and Juliet, die 1599,zwei Jahre nach der ersten, erschien. Die Quartos von 2Henry IV, The Mer-chant of Venice, A Midsummer Night’s Dream und Much Ado about Noth-ing, die alle 1600 veröffentlicht wurden, verzeichnen wieder alle seinen

Zeugnisse

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I. Der historische William

Namen, nicht aber Henry V , welches ebenfalls 1600 veröffentlicht wurde.Eine Erklärung mag sein, dass der Name der Schauspieltruppe, die das Dra-ma zur Aufführung brachte, sich besser verkaufte als der Name des Autors.Zu Shakespeares Lebzeiten wurden etwa 35 Ausgaben von 18, und damitder Hälfte, seiner Dramen in Einzelausgaben (Quartos) veröffentlicht, dieweiteren 18 in der posthum publizierten Gesamtausgabe der Folio von 1623(vgl. Kap. III). Etwa zwei Drittel der Einzelausgaben verzeichnen seinen Na-men, die anderen enthalten die Namen der Schauspieltruppen, für die erschrieb, d.h., The Lord Chamberlain’s Men und The King’s Men (vgl. Kap. II).Darüber hinaus erwähnen mindestens vierzehn verschiedene PersonenShakespeare zu seiner Lebzeit. Er selbst stellt in seinem Testament (siehe un-ten) eine Verbindung zwischen seiner Familie in Stratford und seinen Schau-spielerkollegen in London her, womit beide ,Leben‘ belegt sein dürften.

1. Stratford und Familie

Gemäß dem Gemeindebuch der Stadt Stratford-upon-Avon, Warwickshire,England, wurde William Shakespeare im April (als das älteste überlebendeKind) von John und Mary Shakespeare geboren. Wann genau, ist unsicher,denn erhalten ist nur der Eintrag in das Taufregister von Stratford, welchesfür den 26. April 1564 „Gulielmus filius Johannes Shakspere“ verzeichnet.Geht man davon aus, dass ein solcher Eintrag drei Tage nach der Geburt vor-genommen wurde, ergibt sich als der Geburtstag der 23. April. Auf denzufällig – oder auch passenderweise für den englischen Nationaldichter –zudem der englische Nationalfeiertag St. George’s Day fällt. Die Grabauf-schrift in der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon verzeichnet auchexakt den 23. April (1616) als Shakespeares Todestag.

William Shakespeare hatte noch sieben Geschwister, von denen drei be-reits im Kindesalter starben. Sein jüngster Bruder Edmund (getauft am 3. Mai1580) war als Schauspieler in London tätig, wo er jung starb. Er wurde imDezember 1607 in der St. Saviour’s Church in Southwark bestattet. WilliamsVater John war Handwerker, wohl Handschuhmacher, und erfolgreicher Ge-schäftsmann in Stratford-upon-Avon und Umgebung, und dies insbesondereim Wollhandel. Als angesehener Bürger war er Mitglied des Stadtrats, 1568wurde er „high bailiff“, was unserem Amt des Bürgermeisters in etwa ent-spricht. In den späten 1570er Jahren scheint er in finanzielle Schwierigkei-ten geraten zu sein. 1592 erscheint der Name John Shakespeares auf einerListe von Personen, die den anglikanischen Gottesdienst nicht wie erwartetbesuchen („heretofore presented for not coming monthly to the church ac-cording to her Majesty’s laws“). Aus welchen Gründen dies geschah, ist un-klar. Möglich sein könnten die Angst vor Schuldeneintreibern oder auch sei-ne Kontakte zu den missionierenden Jesuiten, die in der Zeit rigoros verfolgtwurden (siehe unten). John Shakespeares religiöses Testament, welches im18. Jahrhundert unter dem Dach seines Hauses in der Henley Street gefun-den wurde, seitdem aber verloren ist, basiert auf einer Vorlage des KardinalsCarlo Borromeo. John Shakespeare starb im Jahr 1601, Shakespeares MutterMary, die aus dem Landadel (gentry) des Geschlechts der Arden stammte,welches dem Katholizismus anhing, starb 1608.

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Ausgaben

Der Vater JohnShakespeare

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1. Stratford und Familie

William Shakespeare besuchte wahrscheinlich die Stratford grammarschool, wo er – neben der Bibel – mit den griechischen und lateinischenKlassikern wie Aesops Fabeln, Ovids Metamorphosen, den Komödien vonPlautus und Terenz, Cicero, Seneca, Horaz und Vergil vertraut gemacht wor-den sein dürfte – was durchaus auch Eingang in sein dramatisches Werk ge-funden hat. In The Taming of the Shrew (3.1) verkleidet sich Lucentio als La-teinlehrer, um sich – mit Hilfe eines Textes aus dem ersten Buch von OvidsHeroides – Bianca zu nähern. The Merry Wives of Windsor enthält eine gan-ze Szene (4.1.) zwischen dem walisischen Schulmeister Evans und demSchüler William, die auf William Lilys Schulgrammatik basiert. Phrasen ausLily’s Latin Grammar finden sich zudem in Sir Andrew’s „Not to be abed af-ter midnight is to be up betimes, and deliculo surgere, thou knowest“(Twelfth Night, 2.3.1–2) oder Tranio’s „If love have touched you, naught re-mains but so / Redime te captum quam queas minimo“ (Taming,1.1.155–56), welches – wie übrigens auch in Lily’s grammar – falsch zitiertist. Love’s Labour’s Lost (und hier besonders die pseudo-gelehrten Charakte-re Don Armado, Nathaniel und Holofernes) ist generell das Drama Shakes-peares zu einem nicht immer ungetrübten bzw. satirisiert dargestellten Ver-hältnis von Latein und Englisch. Nicht zuletzt wurde in dem Jungen, der inAs You Like It „creeping like snail / Unwillingly to school“ (2.7.146–7) einebiographische Anspielung auf den jungen William Shakespeare gesehen,was freilich rein spekulativ ist.

Der historische William dürfte die Schule mit 16 Jahren abgeschlossen ha-ben, und soweit wir wissen, nahm er kein Studium in Oxford oder Cambrid-ge auf. Was er stattdessen in den folgenden Jahren beruflich unternahm, istnicht bekannt. Was er in den Jahren 1585 bis 1592 tat, für die Ernest Honig-mann die Phrase „the lost years“ prägte, ist bis heute im Dunkeln geblieben(siehe unten).

Dokumentarisch belegt ist Shakespeares Heirat mit Anne Hathaway am27. November 1582 in der Kirche von Temple Grafton in der Nähe vonStratford-upon-Avon. Er war 18 Jahre alt. Annes Grabaufschrift (sie starb1623) verzeichnet, sie sei im Alter von 67 Jahren gestorben, woraus sich,wenn die Angabe korrekt ist, errechnen lässt, dass sie bei der Hochzeit 26Jahre alt gewesen sein muss. Freilich tun sich auch bei dieser EheschließungFragezeichen in der Biographie Shakespeares auf, da der Bischof von Win-chester zunächst eine Heiratslizenz für „Willelmum Shaxpere et AnnamWhateley de Temple Grafton“ ausstellte. Am nächsten Tag wurde ein Ab-kommen unterzeichnet, um den Bischof zu schützen, falls die Hochzeit von„William Shagspere“ und „Anne Hathwey“ rechtliche Schritte nach sichziehen sollte (Honigmann, 3), da William noch minderjährig, und Anne be-reits schwanger war. War nun Anne Whatleley oder Anne Hathaway dieGlückliche? Deren Tochter Susanna wurde jedenfalls am 26. Mai 1583 ge-tauft. Sie heiratete später Dr. John Hall, und aus der Ehe ging eine Tochter,Elizabeth (getauft am 21. Februar 1608), hervor. Susanna und ihr Mann soll-ten nach William Shakespeares Tod seine Testamentsvollstrecker sein. DerTochter Susanna folgten noch zwei weitere Kinder für William und Anne:am 2. Februar 1585 wurden die Zwillinge Hamnet und Judith getauft. Ham-net starb 1596 im Alter von 11 Jahren; Judith heiratete spät Thomas Quiney(siehe unten).

13

Der Sohn WilliamShakespeare

Familie

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I. Der historische William

2. Schauspieler und Dramatiker in London

1592 taucht William Shakespeare in London auf und wird von Robert Gree-ne, der wie auch George Peele, Thomas Lodge, Christopher Marlowe, Tho-mas Kyd oder Thomas Nashe zu den so genannten ,University Wits‘, alsoden Autoren, die ein Universitätsstudium absolviert hatten, gehörte, in des-sen Groatsworth of Wit beleidigt. Greene, der sich zu dieser Zeit bereits amEnde seines Lebens befand, wirft seinen Schauspielerkollegen vor „[…] tho-se puppets […] those spake from our mouths, those antics garnished in ourcolours“ und wettert besonders gegen „this upstart crow, beautified with ourfeathers that with his Tiger’s heart wrapped in a player’s hide, supposes he isas well able to bombast out a blank verse as the best of you: and being anabsolute Johannes Factotum, is in his own conceit the only Shake-scene inthe country“ (zit. bei Hyland, 9). Die kursivierte Stelle ist eine Anspielungauf den dritten Teil von Shakespeares Drama Henry VI („O tiger’s heartwrapp’d in a woman’s hide!“ 1.4.137) und identifiziert somit den Gemeinten– über das Wortspiel der „Shake-scene“ hinaus – doch einigermaßen ein-deutig. Die Feindseligkeit Greenes lässt sich mit Neid auf diesen nicht-aka-demischen Neuankömmling oder Eifersucht auf dessen Erfolg erklären, zu-mal auch andere Dramatiker der Zeit, die kein Universitätsstudiumvorweisen konnten, wie Thomas Dekker und John Webster, ausgesprochenerfolgreich waren. Wichtig für die Annäherung an die Biographie Shakes-peares ist, dass wir mit Greenes Referenz aus dem Jahr 1592 das erste Zeug-nis für seine Präsenz als Schauspieler und Autor in der Theaterwelt Londonshaben.

Unbekannt ist, für welche Schauspieltruppe Shakespeare arbeitete, als erin London ankam. Es könnten die Leicester’s Men gewesen sein, oder dieTruppe des Ferdinanado Lord Strange, der 1593 Earl of Derby wurde. Zu denLord Strange’s Men zählten einige Schauspieler, die später zu den LordChamberlain’s Men gehörten (so Will Kempe und John Heminges). Als dieTheater 1594 nach zwei Jahren Schließung wegen der Pest wieder eröffnetwurden, schloss sich William Shakespeare den Lord Chamberlain’s Men an.Er wird zusammen mit Will Kempe und Richard Burbage verzeichnet, fürAufführungen bei Hofe in der Weihnachtszeit bezahlt worden zu sein. So-weit wir wissen, blieb Shakespeare bei seiner Truppe, die sich nach derThronbesteigung durch James I (1603) The King’s Men nennen durfte und di-rekt dem Patronat des Königs unterstand, bis zu seinem Rückzug vom Thea-ter an seinem Lebensende.

In den zwei Jahren, in denen die Theater wegen der Pest geschlossen wa-ren (Sommer 1592 bis Frühling 1594) veröffentlichte er seine Versepen Ve-nus and Adonis und The Rape of Lucrece; die Sammlung seiner Sonette er-schien 1609 (vgl. Kap. IV). Interessant ist, dass die beiden Werke vonRichard Field gedruckt wurden, der, wie Shakespeare, aus Stratford-upon-Avon stammte und sich seit 1579 in London als erfolgreicher Drucker etab-liert hatte. Es gab also offenbar mehrere Verbindungen zwischen Stratfordund London, und Shakespeare suchte den Kontakt zu Bekannten. Doku-mente über Shakespeares Reisen und die Verbindung von Familie und Berufzwischen London und Stratford gibt es nicht. In dieser frühen Phase als Dra-matiker der Lord Chamberlain’s Men entstanden vor allem Shakespeares

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Robert Greene

Dramen

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2. Schauspieler und Dramatiker in London

Historiendramen und Komödien. Titus Andronicus und Romeo and Julietwaren in dieser Zeit seine einzigen Versuche im Bereich der Tragödie. Um1600 schrieb er einige der Dramen, die wir heute als problem plays (vgl.Kap. V) bezeichnen, wie Measure for Measure, All’s Well that Ends Wellund Troilus and Cressida. Es folgten die vier ,großen‘ Tragödien Hamlet,Othello, King Lear und Macbeth. 1608 nahm sein Dramenschaffen eine er-neute Wende, als er sich den so genannten ,Romanzen‘ oder Märchenstü-cken (Pericles, Cymbeline, The Winter’s Tale, The Tempest) zuwandte. Diesmag begründet gewesen sein mit der Tatsache, dass die King’s Men von1608 an zusätzlich zum Globe Theatre auch das Blackfriar’s Theatre, ein pri-vates indoor theatre, bespielten, welches eher von einem finanziell und so-zial besser gestellten Publikum besucht wurde (vgl. Kap. II). Das letzteStück, welches Shakespeare allein geschrieben haben dürfte, ist The Tem-pest. Danach entstanden in Zusammenarbeit mit John Fletcher The TwoNoble Kinsmen und Henry VIII or All is Tue, bei dessen Uraufführung 1613das Globe Theatre niederbrannte (vgl. Kap. II).

In familiärer Hinsicht war William Shakespeare 1596 ein Familienwappengewährt worden (Shakespeare beantragte das Wappen für seinen Vater, des-sen Antrag in den 70er Jahren abgelehnt worden war), was den hohen sozia-len Status, den er erworben hatte, bestätigt. 1597 kaufte er New Place, dasmit drei Stockwerken und nicht weniger als fünf Giebeln zweitgrößte Hausin Stratford-upon-Avon, welches von Sir Hugh Clopton erbaut worden war,der bemerkenswerterweise als Sohn Stratfords 1491 zum Lord Mayor vonLondon aufgestiegen war. In den folgenden Jahren erwarb William Shakes-peare beträchtliche Ackerflächen rund um Stratford, was ihn – neben seinerExistenz als Dichter und Dramatiker – als ebenso wohlhabenden wie erfolg-reichen Geschäftsmann ausweist. Aus den Steuerbüchern der Stadt Londongeht für die gleiche Zeit hervor, dass er 1596 in St. Helen’s, Bishopsgate, inder Nähe von The Theatre lebte. 1599 war er in das Gebiet der Liberty of theClink am Südufer der Themse in der Nähe des Globe Theatre gezogen. 1612sagte er in einem Prozess zwischen Stephen Bellot und dessen Schwiegerva-ter, Christopher Mountjoy, in dessen Haus Shakespeare 1604 gewohnt hatte,aus. Shakespeares letzte bekannte Investition, der Erwerb des Blackfriar’sGatehouse in London im November 1613, ist erst in den letzen Jahren imZusammenhang mit der Frage seiner Religionszugehörigkeit (siehe unten) inden Fokus der Wissenschaft gerückt. Das Haus war als Unterschlupf für Ka-tholiken bekannt, und es stellt sich die Frage, weshalb Shakespeare im Altervon 49 Jahren, in einer Zeit, für die man bisher annahm, er habe sich nachStratford-upon-Avon zurückgezogen, dieses Gatehouse mit direktem Zu-gang zur Themse erwarb?

Shakespeare verfasste sein erstes Testament 1615 oder 1616 und unter-schrieb mit „in perfect health and memory“, doch am 25. März 1616 korri-gierte er dieses, indem er seiner Tochter Judith einige finanzielle Auflagengegenüber ihrem Ehemann Thomas Quiney, den sie einen Monat zuvor ge-heiratet hatte, machte. Kurz nach deren Trauung wurde bekannt, dass Tho-mas eine Beziehung zu einer Margaret Wheeler unterhielt, die nicht ohneFolgen blieb. Mutter und Kind starben bei der Geburt. Die Änderungen imTestament betreffen die finanzielle Absicherung Judiths und ihrer künftigenNachkommen, da Shakespeare seinem Schwiegersohn Thomas offensicht-

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Investitionen

The Blackfriar’sGatehouse

Testament und Tod

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I. Der historische William

lich misstraute. In diesem Testament vermacht William Shakespeare Geldden Armen, zudem Freunden in Stratford, sowie seinen Schauspielerkolle-gen in London, was die Verbindung der Person ,William Shakespeare‘ ausStratford mit dem Dramatiker ,William Shakespeare‘ in London belegt. Sei-nen Schauspielerkollegen der King’s Men Richard Burbage, John Hemingesund Henry Condell hinterlässt er Geld dafür, dass sie sich Trauerringe kaufensollten, um an ihn zu erinnern. Seine Frau Anne findet in diesem TestamentErwähnung damit, dass er ihr das (oft zitierte und diskutierte) „second-bestbed with all the furniture“ (wobei Letzteres das Bettzeug, Vorhänge und De-cken meint) vermacht, wobei ihr als seiner Witwe ohnehin ein Drittel desVermögens zufiel. Seine einzige überlebende Schwester, Mrs. Joan Hart, be-kam lebenslanges Wohnrecht in New Place. Der größte Teil des Besitzesging an seine Tochter Susanna. William Shakespeare starb am 23.4.1616,seine Frau Anne am 6. August 1623, die Tochter Susanna im Juli 1649, Judithim Februar 1662. William Shakespeare ist im Altarbereich der TrinitityChurch in Stratford-upon-Avon begraben, und sein Grabstein trägt die fol-gende Aufschrift:

Good friend, for Jesus‘ sake forbearTo dig the dust enclosed here!Bless’d be the man that spares these stones,And curs’d be he that moves my bones.

Susannas einzige Tochter, Elizabeth, war zweimal verheiratet: erst mit Tho-mas Nash, und nach seinem Tod mit John (später Sir John) Bernard. Elizabethstarb kinderlos, und mit ihrem Tod im Jahre 1670 endete Shakespeares di-rekte Linie (Judiths drei Söhne waren alle jung verstorben). Elizabeth ver-machte New Place ihrer Familie; 1759 wurde es abgerissen.

Shakespeares ,Leben‘ endete nicht mit seinem biologischen Tod. Im Jahre1623, also etwa zehn Jahre, nachdem Shakespeare aufgehört hatte zuschreiben, veröffentlichten zwei seiner Schauspielerkollegen, John Hemin-ges and William Condell, seine Dramen im prestigeträchtigen Folio-Format,welches bis dahin vor allem der Dichtung vorbehalten gewesen war (vgl.Kap. III). Heminge und Condell begründen ihre Ausgabe mit dem Ziel „tokeep the memory of so worthy a friend and fellow alive“, und schließen vierLobpreisungen in die Vorrede der Folio mit ein. Die berühmteste ist sicherdie von Ben Jonson (siehe unten), der von sich sagt, er „loved the man“ undehrte „his memory on this side idolatry as much as any“.

3. Verfasserschaftstheorien

In Anbetracht des Mangels an biographischen Dokumenten bleibt es nichtaus, dass Kritiker versucht haben, die ,Lücken‘ im Leben William Shakes-peares zu füllen bzw. dessen gesamte biologische Existenz in Frage zu stel-len. In der Geschichte der Shakespeare-Forschung sind nicht weniger als 76Kandidaten vorgeschlagen worden, wer sich hinter dem Namen ,WilliamShakespeare‘ verbergen könnte. Der prominenteste von diesen dürfte Ed-ward de Vere, 17. Earl of Oxford, sein. Er starb allerdings bereits 1604 unddamit zirka zehn Jahre, bevor die letzten Dramen, die unter dem Namen

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Gesamtausgabeseiner Dramen

Kandidaten


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