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Wie beeinflusst der Alterungsprozess das sensomotorische ... Wie beeinflusst der Alterungsprozess...

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Wie beeinflusst der Alterungsprozess das sensomotorische System? Zusammenfassung: Das sensomotorische System (SMS) be- steht aus Sensoren, dem peripheren und zentralen Nervensystem und der Muskula- tur. Diese Strukturen sind funktionell kreisförmig verknüpft. Sie verantworten alle erdenklichen Bewegungen. Jede Be- wegung hat zwei Komponenten: die Ziel- sensomotorik und die Stützsensomotorik. Letztere sichert mit den posturalen Regulationen das Gleichgewicht und fließende, präzise Bewegungen. In allen Lebensphasen wird ständig aus- reichend häufige und anstrengende Be- lastung benötigt, um sich gesund zu ent- wickeln, die Struktur und Funktion zu erhalten und den altersbedingten Verän- derungen verzögernd entgegenzustehen. Eine intensive Muskelaktivität ist essen- ziell, denn der aktive Muskel ist ein endo- VON DR. WOLFGANG LAUBE krines Organ. Er produziert entzündungs- hemmende Substanzen für den ganzen Körper. Eine chronisch fehlende Muskel- aktivität (Inaktivität) führt über die nicht unterdrückte Entzündung nach langer Entwicklungszeit zu den Erkrankungen der „Gruppe der physischen Inaktivität“. Der Alterungsprozess betrifft alle Struktu- ren des SMS. Die Sensoren für die Über- setzung schneller mechanischer Verände- rungen gehen verloren und die schnellen auf- und absteigenden Nervenbahnen werden langsam. Das periphere und zen- trale Nervensystem verliert Neuronen und die Vernetzung wird abgebaut. Damit re- duzieren sich systematisch alle integrati- ven Funktionen und alle motorischen und kognitiven Leistungen. Die Muskulatur verliert die schnellen Muskelfasern. Sie werden durch Bindegewebe und Fett er- setzt. Das Gesamtergebnis ist letztendlich die Gebrechlichkeit. Essenziell gegen den Abbau und die neu- ronalen Funktionseinbußen ist vielseitiges Bewegungstraining zum Erhalt der alltäg- lichen Bewegungsausführungen notwen- dig. Besonders muss die Sensomotorik des Stehens und Gehens gesichert werden. Um den Zelluntergang durch den Mecha- nismus des programmierten Zelltods zu verzögern, ist Ausdauertraining zwingend erforderlich. Es sichert die energetische Existenz jeder Zelle oder Muskelfaser. Zum Erhalt der Muskulatur aber auch der Bindegewebestrukturen und des Skeletts ist Krafttraining erforderlich. gungsgrund und dem Bewegungsergebnis dienen, auch als „Zielsensomotorik“ be- zeichnet. Sie kann am Ergebnis gemessen werden. Eine zum Ziel führende Bewe- gung besteht immer aus einem Komplex systematisch aufeinander folgender und gegenseitig abgestimmter, stabilisierender (die Statik sichernder) und die Gelenke dynamisch bewegender Anteile. Zur Fein- regulation sowohl der Bewegungsanteile als auch der Gesamtbewegung ist neben dem zentralen Antrieb die sensorische Onlinerückmeldung (die Reafferenz) D as sensomotorische System (SMS: Laube 2009, Abb. 1, 3, 4) des Men- schen fasst alle Strukturen zusammen, welche alle erdenklichen aktiven Körper- haltungen und alle Bewegungen – vom scheinbar „einfachen Gehen“ bis zur höchst anspruchsvollen Sensomotorik der Sprache oder derjenigen zum Spielen eines Instrumentes – verantworten. Es sichert aktiv die Körperhaltung und jede Körperstellung gegen die Schwerkraft, garantiert bei allen Haltungen und Be- wegungen das Gleichgewicht (Balance) und sorgt für das Erreichen von Bewe- gungszielen. Solche Bewegungsziele sind zum Beispiel die gewünschte Ortsverän- derung mittels Gehen, das Aufheben eines Gegenstandes oder das Bedienen der Computertastatur oder von Maschinen. Das sensomotorische System – die Ziel- und Stützsensomotorik Wenn wir unsere Bewegungen beobach- ten, verfolgen wir mit jeder Bewegung primär ein Ziel. Deshalb werden alle Be- wegungskomponenten, die dem Bewe- MEDIZIN & TECHNIK 32 ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK 1|17 Robert Kneschke/fotolia
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Page 1: Wie beeinflusst der Alterungsprozess das sensomotorische ... Wie beeinflusst der Alterungsprozess das sensomotorische System? Zusammenfassung: Das sensomotorische System (SMS) be-steht

Wie beeinflusst der Alterungsprozessdas sensomotorische System?

Zusammenfassung:Das sensomotorische System (SMS) be-steht aus Sensoren, dem peripheren undzentralen Nervensystem und der Muskula-tur. Diese Strukturen sind funktionellkreisförmig verknüpft. Sie verantwortenalle erdenklichen Bewegungen. Jede Be-wegung hat zwei Komponenten: die Ziel-sensomotorik und die Stützsensomotorik.Letztere sichert mit den posturalen Regulationen das Gleichgewicht undfließende, präzise Bewegungen. In allen Lebensphasen wird ständig aus-reichend häufige und anstrengende Be -las tung benötigt, um sich gesund zu ent-wickeln, die Struktur und Funktion zuerhalten und den altersbedingten Verän-derungen verzögernd entgegenzustehen.Eine intensive Muskelaktivität ist essen-ziell, denn der aktive Muskel ist ein endo-

VON DR. WOLFGANG LAUBE

krines Organ. Er produziert entzündungs-hemmende Substanzen für den ganzenKörper. Eine chronisch fehlende Muskel -aktivität (Inaktivität) führt über die nichtunterdrückte Entzündung nach langerEntwicklungszeit zu den Erkrankungender „Gruppe der physischen Inaktivität“.Der Alterungsprozess betrifft alle Struktu-ren des SMS. Die Sensoren für die Über-setzung schneller mechanischer Verände-rungen gehen verloren und die schnellenauf- und absteigenden Nervenbahnenwerden langsam. Das periphere und zen-trale Nervensystem verliert Neuronen unddie Vernetzung wird abgebaut. Damit re-duzieren sich systematisch alle integrati-ven Funktionen und alle motorischen undkognitiven Leistungen. Die Muskulaturverliert die schnellen Muskelfasern. Sie

werden durch Bindegewebe und Fett er-setzt. Das Gesamtergebnis ist letztendlichdie Gebrechlichkeit.Essenziell gegen den Abbau und die neu-ronalen Funktionseinbußen ist vielseitigesBewegungstraining zum Erhalt der alltäg-lichen Bewegungsausführungen notwen-dig. Besonders muss die Sensomotorik desStehens und Gehens gesichert werden.Um den Zelluntergang durch den Mecha-nismus des programmierten Zelltods zuverzögern, ist Ausdauertraining zwingenderforderlich. Es sichert die energetischeExistenz jeder Zelle oder Muskelfaser.Zum Erhalt der Muskulatur aber auch derBindegewebestrukturen und des Skelettsist Krafttraining erforderlich.

gungsgrund und dem Bewegungsergebnisdienen, auch als „Zielsensomotorik“ be-zeichnet. Sie kann am Ergebnis gemessenwerden. Eine zum Ziel führende Bewe-gung besteht immer aus einem Komplexsystematisch aufeinander folgender undgegenseitig abgestimmter, stabilisierender(die Statik sichernder) und die Gelenkedynamisch bewegender Anteile. Zur Fein-regulation sowohl der Bewegungsanteileals auch der Gesamtbewegung ist nebendem zentralen Antrieb die sensorischeOnlinerückmeldung (die Reafferenz)

Das sensomotorische System (SMS:Laube 2009, Abb. 1, 3, 4) des Men-

schen fasst alle Strukturen zusammen,welche alle erdenklichen aktiven Körper-haltungen und alle Bewegungen – vomscheinbar „einfachen Gehen“ bis zurhöchst anspruchsvollen Sensomotorik derSprache oder derjenigen zum Spielen eines Instrumentes – verantworten. Es sichert aktiv die Körperhaltung und jedeKörperstellung gegen die Schwerkraft,garantiert bei allen Haltungen und Be-wegungen das Gleichgewicht (Balance)

und sorgt für das Erreichen von Bewe-gungszielen. Solche Bewegungsziele sindzum Beispiel die gewünschte Ortsverän-derung mittels Gehen, das Aufheben einesGegenstandes oder das Bedienen derComputertastatur oder von Maschinen.

Das sensomotorische System –die Ziel- und StützsensomotorikWenn wir unsere Bewegungen beobach-ten, verfolgen wir mit jeder Bewegungprimär ein Ziel. Deshalb werden alle Be-wegungskomponenten, die dem Bewe-

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1 Die Grafik zeigt die Strukturen des SMS. Es wird durch die Sensoren, das periphere undzentrale Nervensystem und die Muskulatur repräsentiert. Die Sensoren der Propriorezeption(in der Muskulatur, den Faszienstrukturen, den Gelenkkapseln, den Bändern), der Ober-flächensensibilität der Haut, die Schmerzrezeptoren in diesen Strukturen sowie die Augenund die Gleichgewichtsorgane liefern dem Gehirn die Informationen, aus denen es die Emp-findungen und Wahrnehmungen, wie die Körperhaltung und Körperstellung und bewe-gungsabhängige Positionsänderungen, berechnet. Das Gehirn generiert dann in Abhängig-keit von der Motivation und der Bewegungsidee das Motorprogramm der Zielbewegung,worin es die notwendigen muskulären Aktivitäten für das Gleichgewichtsverhalten inte-griert. Die Muskulatur setzt das Ansteuerungsprogramm des Gehirns in Haltung und Bewe-gung um. Auf der nichtwillkürlichen Ebene des Rückenmarks und des Hirnstamms gibt essehr viele Querverbindungen zwischen den auf- und absteigenden Bahnen, die insbesonderefür die Stützsensomotorik wirksam sind.

während der Bewegung ein essenziellesElement der sensomotorischen Funktion.Die Verarbeitung der Reafferenz sorgt zu-gleich für das Bewusstwerden des Bewe-gungserfolges. Entsprechend ist das ZNSvon der sensorischen Rückkopplung ab-hängig, um eine zeitliche und räumlicheCharakterisierung und Verlaufsbeobach-tung der Zielbewegung absichern zu kön-nen. Hervorzuheben ist die Verarbeitungder sensorischen Informationen für die„vorausschauende“ muskuläre Regula -tion, welche erst stabile Körperhaltungenund fließende Bewegungen ermöglicht.

Da aber jede Bewegung bei sehr gu ter Beherrschung aus unserer Sicht sicher, fließend, harmonisch und schein-bar absolut automatisch, präzise undmühelos abläuft, muss die Bewegung ei-ne zweite Komponente haben. Die Mög-lichkeit, Bewegungen so charakterisierenzu können, wird durch die sogenannte„Stützsensomotorik“ realisiert. Der phy-siologisch Eingeweihte spricht hier auchvon den posturalen Regulationen. Hierbeihandelt es sich um höchst komplexe un-willkürliche sensomotorische Subpro-gramme, gemeinsam verantwortet vomRückenmark und dem Hirnstamm, diemit den sensomotorischen Zielaktivitä-ten kombiniert werden. Die statischeHaltungssicherung und die dynamischeGleichgewichts sicherung ist eine Basis-funktion des komplexen motorischenWillkürverhaltens.

Die Stützsensomotorik erfüllt dreiHauptaufgaben: 1. Der Körperschwerpunkt wird beim Ste-hen immer innerhalb der Fußsohle ge-halten. Auf diese Weise werden Stand-sicherheit und Balance garantiert.

2. Die Körpersegmente werden stets soangeordnet, dass sie der Schwerkraftwiderstehen und die Haltung der Kör-persegmente zueinander wird geregelt.

3. Durch Kopplung und/oder Stabilisie-rung von Körpersegmenten im Raumund zueinander sowie die Organisationvon adäquaten Ausgleichsbewegungenwird das Gleichgewicht bei allen dyna-mischen Bewegungsaktivitäten auf-rechterhalten. Die wichtigste Funktionhierbei ist die „vorausschauende“ (an-tizipatorische) posturale Muskelakti-vität. Sie gleicht eben vorausschauendzu erwartende destabilisierende Ver-änderungen des Körperschwerpunktesaus. Im Ergebnis bleibt nicht nur dasGleichgewicht bei jeder Bewegungs-komponente erhalten, sondern die Be-

wegung wird zugleich sicher, präzise,harmonisch und fließend. Dabei ist unbedingt hervorzuheben:

Eine optimale Kombination beziehungs-weise Integration der Komponenten fürdie Balance und die Bewegungssicher-heit mit und in die Bewegungsabläufeder Zielsensomotorik muss ausschließlichdurch sensomotorisches Bewegungsler-nen (Sport: Techniktraining) hergestelltund auch aufrechterhalten werden. Die-ser Bedarf des Lernens ist für jede neueBewegung neu zu leisten. So können wirabsolut problemlos und sicher auf festem,aber auch auf unebenem Boden gehen.Dies ist aber sofort nicht mehr möglich,wenn wir auf dem Balken einer Turneringehen möchten. Hierfür müssen wir dieSicherung des Gleichgewichtes für dieZielbewegung Gehen neu erlernen.

Es sei bereits hier vorausgeschickt:Die Sensomotorik im Alter (Abb. 4) mitder sich entwickelnden Sturzgefährdungbasiert auf fortschreitenden Verlustender Sensorik, den Alterungsprozessen desGehirns mit Abbau des Bewegungsma-nagements und den integrativen Gleich-gewichtsregulationen (posturalen Regu-lationen) sowie dem Kraftverlust derMuskulatur (Laube 2009, Strotmeyer et

al. 2009, Manor et al. 2012, Ward et al.2014, Wang et al. 2016, Lange-Maia et al.2016). Die Fähigkeit, die Alltagsbewe-gungen stabil und sicher ausführen zukönnen, muss durch „bewegungserhalte-nes Lernen“ gesichert werden. Das istdann Sturzprophylaxe.

Die Struktur des sensomotorischen SystemsDas SMS besteht aus folgenden drei ana-tomischen Strukturelementen (Abb. 1): 1. Sensoren: Diese sind entweder eigen-ständige Strukturen (Muskelspindeln,Golgiapparate, Meißner-, Vater-, Paci-ni- oder Ruffini-Körperchen) oder siewerden durch das periphere Nerven -system als freie Nervenendigungen mitSensorfunktion zur Verfügung gestellt.Die Mechanosensoren übersetzen dieaktuellen mechanischen Gewebebe-dingungen und die haltungs- oder be-wegungsbedingten Veränderungen inden myofaszialen und den Bindegewe-bestrukturen der Gelenke (Propriore-zeption oder Tiefensensibilität) und derHaut (Oberflächensensibilität). DasAuge übersetzt die elektromagneti-schen Wellen des sichtbaren Lichtsund der Vestibularapparat die ständige

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Wirkung der Schwerkraft (lineare Be-schleunigung der Erdanziehung) undbewegungsabhängige (Winkel-) Be-schleunigungskräfte des sich im Raumbewegenden Kopfes. Wichtig sindauch die Schmerzsensoren (Nozizepto-ren).

2. Die für die Motorik relevanten Anteiledes peripheren und zentralen Nerven-systems – einschließlich derjenigen fürdie bewussten Bewegungshandlungen(Motivation, Bewegungsidee und -ent-wurf) und damit die bewegungsbe-dingten und bewegungsabhängigenDenk- und Erinnerungsprozesse.

3. Die Skelettmuskulatur (mit ihren Faszi-en als Sensorstandorte). Diese Strukturelemente sind funktio-

nell kreisförmig verknüpft (Laube 2009).Sie sind bei jeder erdenklichen Bewe-gung immer als untrennbares Ganzes inFunktion (vgl. Abb. 1, 3, 4). Daraus resul-tiert auch, dass durch jede erdenklicheKörperhaltung, Körperstellung und Be-wegung die Sensoren veranlasst werden,die aktuellen Bedingungen und/oderzeitabhängigen Veränderungen an ihremanatomischen Standort an das Gehirn zumelden oder zurückzumelden. Dadurchwird der Funktionskreis geschlossen.

Struktur- und Funktions -sicherung durch AktivitätDie Funktions- und Leistungsfähigkeit je-des Strukturbestandteils des SMS und desGesamtsystems als Funktionseinheit re-sultiert während der gesamten Lebens-spanne aus der in Art der abverlangtenFunktion (sensomotorisches Lernen bezie-hungsweise Erhaltung des Bewegungs-könnens, Ausdauer, Kraft), deren Umfang(zeitliche Dauer von Belastungs- bezie-hungsweise Trainingsreizen) und derenIntensität (Anstrengungsgrad). Die Bilanzzwischen Aktivität (Beanspruchung) undInaktivität (Laube 2009, 2011) entscheidetüber die Entwicklung beziehungsweisedie Erhaltung der aktuellen Strukturenmit ihren Funktionen und über struktu-relle Ver besserungen (Adaptionen) oderRückbauprozesse (Inaktivitätsatrophie bisDe generation; Involution: altersbedingterstruktureller Rück- und Umbau). Verän-derungen einer Komponente führen un-mittelbar auch immer zu einem positivenoder negativen Einfluss auf strukturelleVeränderungen in den anderen Kompo-nenten des SMS, denn es ist eben immerals Funktionseinheit aktiv oder nicht.

In der frühen Lebensspanne (Kindheit,Jugend) sorgt die Beanspruchung für die

vollständige und optimierte biologischeEntwicklung aller Teilstrukturen. Eineständig zu geringe körperliche Aktivitätführt zu einer unvollständigen Entwick-lung und Leistungsfähigkeit aller Körper-strukturen und ist die Grundlage einesdeutlich erhöhten Risikos im weiterenLeben mit relativ großer Zeitverzögerungvon 20 bis 40 Jahren an chronisch dege-nerativen Erkrankungen zu erkranken(Crump et al. 2016a-c).

In der mittleren Lebensspanne ist eine ausreichende Beanspruchung fürdie Erhaltung von Struktur, Funktion undGesundheit erforderlich. Nur systemati-sches gesundheitsorientiertes Trainingvermag das Risiko an chronisch degene-rativen Krankheiten der „Erkrankungs-gruppe der physischen Inaktivität“ (Abb. 2; diseasome of physical inactivity,Pedersen 2009) stark zu senken.

Im „letzten“ Lebensabschnitt, der imHinblick auf den Alterungsprozess be-reits spätestens im dritten Lebensjahr-zehnt beginnt und somit den mittlerenAbschnitt einschließt, wird eine ausrei-chende, systematische körperliche An-strengung für das Verzögern und damitdas Hinausschieben der altersbedingtenAb- und Umbauprozesse zwingendbenötigt (siehe hinten).

Die Hauptwirkung der physischen Be-anspruchungen ist die spezifische Akti-vierung der anabolen globalen endokri-nen (Hormonwirkung im Zielorgan nachTransport im Blut; Wachstumshormon,Gonadotropine der Hypophyse) und lokalen Hormonsysteme. Die lokalenHormonsysteme werden durch die ver-schiedenen Familien der endokrinen, pa-rakrinen (Hormonwirkung direkt im Ge-webe) und autokrinen (Hormonwirkungdirekt beim Produzenten) wirksamenWachstumsfaktoren, zum Beispiel deraktiven Muskulatur (Myokine), aber auchder weiteren Gewebe, repräsentiert. Die-se Hormonsysteme sind die zwingendnotwendigen Vermittler aller strukturel-len Entwicklungs-, Erhaltungs- und An-passungsprozesse infolge der abverlang-ten Funktionen. Der Umfang und dieIntensität dieser be las tungsbedingtenAktivierungsprozesse beginnt eben abdem dritten Lebensjahrzehnt systema-tisch abzufallen.

Unter normalen Funktionsbedingun-gen ist die kontraktile Muskelaktivitätein immanenter und untrennbarer Be-standteil jeder Funktion des sensomoto-rischen Systems.

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2 Die Grafik beschreibt die Entstehung der Krankheiten der Erkrankungsgruppe der physi-schen Inaktivität (diseasome of physical inactivity; Pedersen 2009). Ein ständiger Bewe-gungsmangel bedeutet Gewebeabbau und damit –schwäche. Die Regenerations- und Erho-lungsfähigkeit ist reduziert. Gewebe und Organe werden krankheitsanfällig. Körperschwächebedeutet, dass das entzündungsfördernde Hormon des Bauchfetts durch die entzündungs-hemmenden Hormone der aktiven Muskulatur nicht neutralisiert wird. Im gesamten Körper(in allen Geweben) etabliert sich eine chronische, systemische gering intensive Entzündung.In einem Zeitraum von sehr vielen Jahren verursacht diese Entzündung die gewebespezifi-schen Struktur- und damit Funktionsstörungen, welche sich dann als chronisch degenerati-ve Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Gehirns, des Stoffwechsels und als dreionkologische Erkrankungen manifestieren. Ergänzend müssen auch die Arthrosen der klei-nen und großen Gelenke und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule benannt werden(Frank 2003).

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Die Muskelaktivität hat eine dualeFunktion. Erstens ist sie Quelle ständigerhaltungs- und bewegungsabhängigernervaler („digitaler“) Informationen (Abb. 3) an das Gehirn mittels myofas-zialer Afferenzen oder Rückinformatio-nen (Re afferenzen) der Mechano-, Che-mo- und Nozizeptoren von ihremjeweiligen anatomischen Standort in denMuskeln und den bindegewebigen Struk-turen Gelenkkapseln, Bänder, Periost undumfangreicher Faszienbereiche.

Bei häufigen Wiederholungen der Bewegungen führen die afferenten In-formationsströme und deren gezielteVerarbeitung im Nervensystem zu Lern-prozessen im Gehirn. Lernen durch dassehr häufige Wiederholen von Bewegun-gen bedeutet Stabilisierung, Erhaltungbeziehungsweise Veränderung der neu-ronalen ZNS-Strukturen. Hat man etwasgelernt, dann hat sich das Gehirn dafürstrukturell positiv verändert. Hat manetwas verlernt, dann hat das Gehirn dienotwendigen Strukturen für die Leis tungzurückgebaut. Die „nervale Manage-mentstruktur für die Bewegung“ stehtnicht mehr oder nur noch abgeschwächtzur Verfügung.

Voraussetzende Schnittstelle für die strukturgestützten neurophysiologi-schen Lernprozesse – gegeben durch diespezifische Vernetzung zwischen denNeuronen und Neuronennetzen – ist erneut die Aktivierung der anabolen en-dokrinen und lokalen Signalwege globalund spezifisch auch im Gehirn selbst.Diese sind essenziell erforderlich für dieOrganisation der aufgaben- beziehungs-weise bewegungsspezifischen ZNS-Strukturierung.

Zum Zweiten ist die Muskelaktivität,wenn sie ausreichend häufig, andauerndund anstrengend ist, die Voraussetzungfür die endo-, para- und autokrine Hor-monproduktion des Muskelgewebes(Abb. 3). Nur der aktive Muskel ist einHormonproduzent, also ein endokrinesOrgan. Mit seinen eigenen Signalstoffen,den Myokinen, werden die beanspru-chungsspezifischen Adaptationen desmuskeleigenen Energiestoffwechselsund der kontraktilen Kapazität unter-stützt. Die Wirkung auf den Energie-stoffwechsel ist zugleich antidiabetisch.Gleichzeitig kommuniziert die aktiveMuskulatur über diese Substanzen mitanderen Geweben, hier besonders mitdem viszeralen Fettgewebe, der Leberund dem Gehirn.

Des Weiteren wirken muskel eigeneSignalsubstanzen im ganzen Körper ent-zündungshemmend. Damit ist der Muskelmit seinen Substanzen der Gegenspielereiner entzündungsfördernden Substanzdes viszeralen Fettgewebes, dem Tumor-nekrosefaktor Alpha. Ist durch Bewe-gungsmangel die Bilanz zugunsten desviszeralen Fettgewebes verschoben, wirdeine generalisierte Entzündung imganzen Körper (low grade systemic in-flammation, Petersen und Pedersen2005) provoziert. Diese nicht schmerz-hafte Entzündung verursacht langfristigdie spezifischen Gewebeschädigungen,welche nach sehr vielen Ent wick lungs -jahren für die chronisch degenerativenErkrankungen des Herz-Kreislauf-Sys-tems (Arteriosklerose, Bluthochdruck), desStoffwechsels (metabolisches Syndrom,Diabetes mellitus Typ II ein-schließlich al-ler Vorstadien), des Gehirns (Depressio-nen), des Stütz- und Bewegungsapparates(Arthrosen) und von onkologischen Er-krankungen (Mamma-, Prostata-, Kolon-karzinom) verantwortlich zeichnen.

Aktivität wirkt antientzündlichund gesundheitsförderndDas ZNS und die Muskulatur strukturierensich durch ihre Funktion selbst und ge-genseitig, stimmen ihre Strukturen infol-ge Aktivität und Inaktivität aufeinander

ab – und nur die häufig kontrahierendeMuskulatur vermittelt über ihre Myokineein antientzündliches und damit gesund-heitsförderndes Milieu in allen Gewebendes Körpers (vgl. Abb. 3). Muskelaktivitätist strukturerhaltend, strukturaufbauend,antientzündlich und damit gesundheits-fördernd und wirkt dem altersbedingtenStrukturabbau und -umbau (Involution)entgegen, ohne ihn letztendlich aufhaltenzu können. Aus allen Aspekten resultiert:Muskeltätigkeit ist die wirksamste, besserdie „einzige ursächlich wirkende“ „Anti-Aging-Intervention“.

Mit Hilfe der durch die Muskeltätig-keit aktivierten hormonellen Schnittstel-lensubstanzen adaptieren die peripherenStrukturen – wie die Skelettmuskulaturmit ihrer kontraktilen Kapazität undihrem Energie- und Baustoffwechsel, dasBindegewebe- und das Fasziensystemsowie die Strukturen der Logistik- undRegulationssysteme – auf die spezifi-schen Beanspruchungen. Die Adaptatio-nen der peripheren Strukturen auf dieverschiedenen Belastungsformen warenin der Vergangenheit ausführlicher Ge-genstand der wissenschaftlichen Arbeit.

Das Gehirn adaptiert gleichfalls insehr kurzen Zeiträumen. Im ZNS habendas Lerntraining zum Erwerb oder zur Er-haltung des Bewegungskönnens, dasAusdauer- und das Krafttraining sehr

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3 Die Grafik verdeutlicht die duale Funktion der Muskulatur. Die Sensoren der Muskulaturwie der zugehörigen Bindegewebestrukturen (Faszien) liefern „digitale“ Informationen (dieAfferenzmuster). Diese verarbeitet das Gehirn für die Regulation von Haltung und Bewe-gung. Durch sehr häufige Verarbeitungsprozesse während des Bewegungslernens oder desErhaltens des Bewegungskönnens strukturiert sich das Gehirn dafür. Der aktive Muskel istaber auch Hormonproduzent. Er liefert die Myokine, mit denen der Muskel auf biochemi-schem Weg mit sich selbst kommuniziert und den Stoffwechsel antidiabetisch und die Ge-fäßinfrastruktur positiv beeinflusst. Seine Substanzen haben eine Wirkung auf die Leber,das Bauchfett und auch auf das Gehirn. In der Summe wird unter anderem auch das sehrwichtige antientzündliche Netzwerk in allen Geweben und Organen aktiviert.

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unterschiedliche, hoch spezifische, abersich optimal ergänzende Anpassungenzur Folge (Adkins et al. 2006).

Bewegungslernen provoziert die be-wegungsspezifische Vernetzung (Synap -togenese) der Nervenzellpopulationenund diese sorgt für effektive und schnel-le Interaktionen zwischen den verant-wortlichen neuronalen Netzwerken fürdas Bewegungsmanagement. Es findeteine Organisation oder Reorganisationder „Körperrepräsentation“ im Gehirnstatt. Dies betrifft sowohl die Hirnwin-dung, in der alle Informationen primärankommen (Homunkulus des primärensomatosensorischen Cortex), als auch dieHirnwindung, in der das Signalmusterder Muskelaktivierungen für die Bewe-gung zu zirka 30 bis 40 Prozent ihrenAusgangspunkt nimmt (primärer motori-scher Cortex).

Ausdauertraining hat keinen Einflussauf die motorische Repräsentation unddie Vernetzung. Es induziert aber dieEröffnung und Neubildung von versor-genden Gefäßen (Angiogenese) im Ge-hirn. Demnach hat diese Trainingsformeine Wirkung auf die hoch wichtigenFaktoren Blut- und damit Sauerstoff-und Substratversorgung und den Ener-giestoffwechsel des Nervengewebes. Des

Weiteren steigert es die Produktion vonanabolen Substanzen (unter anderembrain derived nerve factor) und hat damiteine sehr wichtige Funktion für die Le-bens- und Funktionsfähigkeit der Neuro-nen. Es sorgt somit wie auch im Muskelfür die logistischen Voraussetzungen, umnotwendige effektive Strukturwirkungenzur Funktionserhaltung und Funktions-verbesserung aber auch zur positivenBeeinflussung der Alterungsvorgänge zugenerieren.

Krafttraining verändert die Erregbar-keit der spinalen und zentralen Moto-neuronen und führt im spinalen Bereichzur verbesserten und funktionsspezifi-schen Vernetzung. Es hat, wie auch dasAusdauertraining, keinen Einfluss auf diezentrale Repräsentation im Motorcortex.

So sind die Belastungsmodi sensomo-torische Koordination, Ausdauer undKraft für die Adaptationen auch im ZNSnicht austauschbar, sondern die ihneneigenen adaptiven Wirkungen repräsen-tieren sehr sinnvolle gegenseitige Ergän-zungen für eine optimale Struktur undFunktion. Anti-Aging-Training muss so-mit alle Trainingsformen integrieren.

Hinsichtlich des Schmerzes ist einqualitativ hoch stehendes vielfältigesBewegungsmanagement zugleich ein

wichtiges Elemente der bewegungsbe-gleitenden zentralen Schmerzhemmungund insbesondere die peripheren Aus-daueradaptationen stehen der Generie-rung von Schmerzafferenzen aus derMuskulatur sowie den Bindegewebs-strukturen entgegen. Zusätzlich mini-miert die Bewegungsqualität mechani-sche Fehlbelastungen des Stütz- undBewegungssystems. Sie beeinflusst somit wesentlich den Beginn und denFortschritt degenerativer schmerzauslö-sender Erkrankungen der kleinen Wirbel-gelenke wie der großen Gelenke.

Systematisches Gesundheitstrainingproduziert eine somatische (körperliche),antientzündliche, antinozizeptive (gegenden Schmerz gerichtete), antiinvolutive(gegen den Altersabbau und -umbau ge-richtet) und „anti-aging orientierte“Strukturierung des Gehirns und aller an-deren Körperstrukturen (Laube 2013).

Der Alterungsprozess des sensomotorischen SystemsAm Alterungsprozess sind alle Struktur-elemente des SMS mit spezifischen Vor-gängen beteiligt (Abb. 4).

Abnahme aller sensomotorischenFunktionenDie altersbedingten Veränderungen betreffen alle Strukturen und damitFunktionen für die koordinativen, kondi-tionellen (Ausdauer, Kraft) und die bewe-gungsrelevanten kognitiven Leis tungen.Als Folgen des Alterungsprozesses müssenunter anderem benannt werden:

Sensomotorische Koordination– Abnehmende sensorisch-kognitive undsensomotorische Fähigkeiten und Fer-tigkeiten,

– Verschlechterung des statischen Posi -tionssinns (static position sense),

– Verschlechterung des dynamischen Po-sitionssinns (dynamic position sense,velocity sense). Der statische Positions-sinn erkennt die Gelenkpositionen beiKörperhaltungen und der dynamischePositionssinn die Kinematik eines sichbewegenden Gelenks. Grundlage hier-für ist eine komplexe Vielzahl von Sensorinformationen und ihre zentral-nervöse Verarbeitung. Beim Zustande-kommen des dynamischen Positions-sinns tragen die Afferenzen allerMuskelspindeln, der Sensoren der Ge-lenkkapseln, der Bänder sowie derHaut bei. Mit dem Alter nimmt der

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4 Die Grafik fasst die durch den Alterungsprozess ablaufenden Veränderungen im SMS zu-sammen. Bei den Mechanosensoren der Haut und der Propriorezeption gehen systematischbevorzugt diejenigen verloren, welche schnelle Veränderungen, wie zum Beispiel die Druck-veränderungen während eines Abrollvorgangs, übersetzen. Die übrigen Sensoren verlierenan Empfindlichkeit. Die Augen verlieren an Kontrast und Raumauflösung und die Gleichge-wichtsorgane werden unempfindlicher. In den auf- und absteigenden Bahnsystemen werdendie ehemals schnell leitenden Wege langsam und hier wie im Gehirn gehen Neurone verlo-ren. Bevorzugt wird aber die Vernetzung zwischen ihnen abgebaut. Die Funktion der Struk-turen der unwillkürlichen wie der willkürlichen Ebenen fallen ab. Der Muskel wird im Sinneder Sarkopenie, also Muskelfaser(MF)verlust zugunsten von Bindegewebe (Bdgw.) und Fett,ab- und umgebaut. Die Anzahl der motorischen Einheiten (ME) sinkt und die verbleibendenMuskelfasern reduzieren die Kontraktilität.

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Beitrag der Muskelspindelafferenzendeutlich ab,

– Ansteigende Erkennungsschwellen für Gelenkbewegungen (movement detec tion threshold). Die Erkennungs-schwellen der Sensoren steigen beson-ders bei sehr geringen Bewegungsge-schwindigkeiten an.

Kraftfähigkeiten– Abnehmender Kraftsinn: Zu erkennenan groben, nicht mehr fein justiertenKrafteinsätzen,

– Sarkopenie: Systematischer Ab- undUmbau des Muskels, charakterisiertdurch den Verlust von Muskelfasernund deren Ersatz durch Fett- und Bin-degewebe. Der Untergang der Muskel-fasern beruht auf dem programmiertenZelltod (Apoptose). Veränderungen undStörungen der ATP-Bildung werden alseine wesentliche Ursache dafür ange-sehen,

– Durch die Sarkopenie wird die Musku-latur langsamer und die Kraftabstufunggröber,

– Maximalkraft: Bevorzugte Abnahmeder statischen und dynamischen kon-zentrischen (überwindenden) Kraft ge-genüber der dynamischen exzentri-schen (nachgebenden) Kraft,

– Schnelligkeit/Schnellkraft: VerminderteFähigkeit zum schnellen Kraftanstieg,damit Absinken der Muskelleistung.

Ausdauer/Ermüdungsresistenz– Abnehmende Kapazität der aerobenATP-Re-Synthese in den Muskelfasern,

– verschlechterte neurovegetative Regu-lation der Durchblutung,

– Abbau der Gefäßversorgung.

Der Alterungsprozess: Nachhaltige Veränderungen derBewegungsregulation

Alle sensorischen Systeme einbezogenDie Propriozeption wurde von Sherrington(1906) als „die Wahrnehmung des Körpersoder von Körperabschnitten im Raumund der Gelenk- und Körperbewegung“definiert. Sie umfasst die Übersetzungder physikalischen Bedingungen und Ver-änderungen im Muskel, in den Gelenk-kapseln, den Bändern, dem subchondralenKnochen und der Haut in die „körper -eigene Sprache“ und die Verarbeitungdieser Informationen. Nur ein geringerTeil dieser afferenten Informationen ist

bewusstseinsfähig. Aus diesen Informa-tionen entstehen aber als kognitive Leis -tung des Gehirns die bewussten Empfin-dungen und Wahrnehmungen über dieStellung des Körpers im Raum, die Hal-tung von Körperteilen zueinander und die Dynamik der Veränderungen der Gelenk-positionen während einer Bewegung.Dies kann der Mensch dann auch sprach-lich ausdrücken.

Das sensorische Altern scheint einvon den Beinen in Richtung des Kopfesaufsteigender Prozess zu sein (Ulfhake etal. 2002).

Sensorik (Propriozeption) der Halswirbelsäule (HWS)Es ist keine Körperhaltung oder Bewe-gung denkbar, ohne dass die dem Zieldienenden Muskelaktivitäten nichtgleichzeitig mit denen zur Aufrechterhal-tung von Haltung, Stellung, Gleichge-wicht und Bewegungsdynamik zwingendverbunden wären (Laube 2011). Untersu-chungen zur posturalen Kontrolle zeigen,dass die Propriozeption des Halses nebendem direkten Einfluss auf die Muskelnder unteren Extremität offensichtlichauch einen direkten Zugriff auf die Mus-keln des Körperstamms hat (Anderson u.

Magnusson 2002; Ali et al. 2003). Dieserdirekte Zugriff macht auch Sinn, denn dieModifikationen und Abstimmungen derAktivitäten der Körperstammmuskulaturmüssen immer mit möglichst geringerZeitverzögerung in statische und erstrecht in dynamische Gleichgewichtsreak-tionen integriert sein. Bei 60- bis 70-Jährigen sind die lokomotorischen Antworten infolge der Störung der Halspropriozeption abgeschwächt. Es besteht eine reduzierte Sensitivität derHalspropriozeption gegenüber der desvestibulären Systems (Deshpande u. Pat-la 2005). Störungen der HWS-Mechanikkönnen diese Auswirkungen in die frühe-ren Phasen der Lebensspanne bezie-hungsweise auch die altersbedingtenfunktionellen Folgen vorziehen.

Die Propriozeption auch der HWS un-terliegt nicht nur einem „einfachen“ in-volutiv-degenerativen Prozess, sondernauch Veränderungen der sensorischenNeurone selbst, einer Veränderung dersensorischen Innervation und von Neu-ronenverlusten durch den programmier-ten Zelltod (Apoptose). Hierbei ist dietrophisch vermittelte Abhängigkeit dersensorischen Neurone vom Zielgewebe(Ulfhake et al. 2002), im Wesentlichen

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5 Es sind die Wirkungen des sensomotorischen Trainings für das Erlernen und Erhalten desBewegungskönnens sowie des Ausdauer- und Krafttrainings zur unter anderem Beeinflus-sung der alterungsbedingten Veränderungen im SMS global angegeben. Das ZNS verant-wortet das Bewegungsmanagement mit physiologischer Schmerzhemmung. Vielseitiges Balancetraining, ausreichend zeitig begonnen, erhält die notwendigen strukturellen undfunktionellen Voraussetzungen gegen die Entwicklung der Sturzgefährdung. Das Ausdauer-training sichert die aerobe Energieproduktion und ist somit Anti-Apoptosetraining, denn derdeutliche Verlust der Anzahl und der Funktion der Mitochondrien mündet unter anderem indie Apoptose. Das Krafttraining wirkt dem Ab- und Umbau der Muskelstruktur entgegenund kann somit als Anti-Sarkopenietraining angesehen werden. Gleichzeitig ist Krafttrai-ning für die Festigkeit der Bindegewebestrukturen sowie die Knochenmasse und –festigkeit(Anti-Osteoporosetraining) essentiell. Ausdauer- und Krafttraining stimulieren gemeinsamdie anabolen Kapazitäten und die Produktion entzündungshemmender Myokine.

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von der Muskulatur, prägend. Muskel-training ist somit ein wichtiges Elementauch für ein gut funktionierendes Ner-vengewebe. Die neurotrophen Wechsel-wirkungen erhalten die Plastizität desNervensystems und verantworten auchdie altersbedingten Veränderungen. Siespielen eine Rolle beim Verlust von sen-sorischen Nervenendigungen und demanormalen Wachstum regenerierenderund aussprossender Nervenfasern in einZielgebiet (Bergman et al. 2000). DieseWechselbeziehung zeigt sich unter an-derem am Zusammenhang zwischen ver-ringerter sensomotorischer periphererNervenfunktion und reduzierter Kraft(Ward et al. 2014, 2015, Strotmeyer et al.2009, Lange-Maia et al. 2016). Die Ver-änderungen der sensorischen Funktionsind eng mit den Merkmalen der motori-schen Alltagsmobilität und im Alter mitder Sturzgefährdung verknüpft.

Sensorik (Afferenzen) des Vestibularapparats und der AugenWährend der Bewegungsabläufe, zumBeispiel dem Gehen, sind für die Regula-tion des Gleichgewichts gleichfalls dieAfferenzen des Vestibularapparates undder Augen essenziell. Fällt der visuelle In-formationskanal aus, dann nehmen dieWertigkeiten der propriozeptiven Affe-renzen – bevorzugt auch aus dem Hals-bereich, den Beinen und dem Vestibular-apparat – sowohl für die Planung alsauch die Regulation einer sicheren und effizienten Bewegung (Bove et al. 2001)zu. Die sensorische Integration der Pro-priozeption und der vestibulären Infor-mationen zur Wirkung der Erdanziehungund von Rotationsbewegungen des Kop -fes sind wesentlich an der räumlichenOrientierung während aller Bewegungenbeteiligt. Die Raumorientierung ist einSchlüsselfaktor für die Regulation dyna-mischer Abläufe (Hollands et al. 2001).

Mit den vestibulären Informationengeneriert das ZNS einen Referenzrah-men, in den die propriozeptiven Afferen-zen integriert werden. Grundlage ist dieKonvergenz beider sensorischer Informa-tionssysteme auf verschiedenen Ebenendes ZNS. Sie beginnt in den Nervenkernendes Vestibularapparates (Gdowski undMcCrea 2000) und ist gleichfalls auf kor-tikaler Ebene (Bottini et al. 2001) nach-weisbar. Eine Störung propriozeptiverAfferenzen aus der unteren Extremität,zum Beispiel durch Vibrationen im Ste-hen, sorgt bei älteren Menschen für eine

verminderte posturale Antwort, also fürUnsicherheit.

In der Zusammenfassung kommt eszu folgenden ausgewählten Veränderun-gen der Sensorik:– Verlust von Rezeptoren, bevorzugt jenerzur Übersetzung schneller und sehrschneller Veränderungen (schnell ad-aptierende Sensoren),

– Verlust der Sensibilität der Muskelspin-deln (Mynark u. Koceja 2001) bzw. der noch vorhandenen Sensoren (ins-gesamt: Abbau der Propriorezeption/Oberflächensensibilität),

– Verluste der vestibulären Funktion, wo-bei die Veränderungen alle Strukturendes vestibulären Systems von den Sen-soren bis zu den neuronalen Strukturenbetreffen (Merchant et al. 2000),

– Verluste der visuellen Funktionen, ins-besondere der Kontrast und Raumauf-lösung.

Peripheres und zentrales NervensystemDer Abbau und Umbau der Sensorik unddie Prozesse im Gehirn führen zu einerfortschreitend eingeschränkten Bewe-gungsregulation, basierend auf einer sys -tematisch abnehmenden Qualität vonEmpfindungen und Wahrnehmungenüber die Körperhaltung, -stellung und dieBewegungsdynamik. Die posturale Kon - trolle, die Stützsensomotorik, verschlech-tert sich systematisch. AusgewählteGründe hierfür sind:– Verluste der neuronalen Vernetzung inRückenmark und ZNS mit Abbau derintegrativen somatosensorischen Funk-tionen,

– reduzierte Leitungsgeschwindigkeitenbesonders von ehemals schnellen Ner-venfasern aufsteigender sensibler undabsteigender motorischer Neuronen(Scaglioni et al. 2003),

– reduzierte Anzahl sensorischer Neurone(Maisonobe u. Hauw 1977),

– reduzierte Anzahl von Neuronen imspinalen Interneuronennetz (Terao etal. 1996),

– abgebaute Interaktionen zwischen afferenten (Scaglioni et al. 2003) undefferenten (Terao et al. 1996) Re-flexwegen, unter anderem durch Ver-netzungsverluste (vgl. auch Abb. 1),

– regional spezifische Veränderungen imGehirn mit relativ geringen Zellverlus -ten und im Vordergrund stehender re-gionaler Verminderung der Vernetzung.Darunter leiden die Funktionsdynamik

der neuronalen Funktionen und diePlas tizität des Gehirns (Burke u. Barnes2006). In der Folge kommt es zu Defi-ziten in der Verarbeitung und Integra-tion sensorischer Informationen; sen-somotorische und kognitive Leistungennehmen ab,

– Reduzierung der zentralen Selektionund Wichtung sensorischer Informatio-nen,

– Verluste der internen zentralnervösenRepräsentation der Körperhaltung undder räumlichen und zeitlichen Orientie-rung durch interaktive sensorische Integration mit den vestibulären undoptischen Informationen,

– Verluste der sensorisch-motorischenIntegration und der sensorischen Se-lektion und Auswahl gemeinsam mitden zielgerichteten kognitiven und mo-torischen Funktionen,

– verschlechterte statische und dynami-sche Gleichgewichtsregulation (balan-ce control),

– Verluste der Mechanismen der Bewe-gungskorrektur,

– Verluste der Anzahl von Alpha-Moto-neuronen, wobei insbesondere die Po-pulation der schnellen motorischenEinheiten betroffen ist (Terao et al.1996). Bei über 60-Jährigen sind nurnoch zirka 50 Prozent des Motoneuro-nenpools vorhanden (Tomlinson u. Ir-ving 1977); im M. biceps brachii undbrachialis bei Männern und Frauenwurde nur noch die Hälfte der motori-schen Einheiten gegenüber 20- bis 40-jährigen Menschen gefunden.

– Verluste der Anzahl der Gamma-Moto-neuronen (Kawamura et al. 1977) unddamit der sensorischen Muskelspindel-funktionen.

MuskulaturDie Anzahl der Skelettmuskelfasernnimmt ab. Sie werden durch Fett- undBindegewebe (Sarkopenie) ersetzt. Zu-sätzlich verändern die verbleibendenMuskelfasern ihre kontraktilen Eigen-schaften. Wesentliche Faktoren der Sar-kopenie sind: – Verluste von schnell kontrahierendenMuskelfasern (FTF; numerische Atro-phie),

– Atrophie (zelluläre Atrophie) der ver-bleibenden Muskelfasern,

– Verminderung der Kontraktilität derverbleibenden Muskelfasern,

– Reduktion der Produktion muskuläreranaboler Hormone,

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– Verminderung der Ansprechbarkeit derMuskelfasern für anabole Substanzen,

– reduzierte Produktion von kontraktilen(Kraft!) und mitochondrialen (Energie-versorgung!) Strukturproteinen und er-höhte Produktion von Substanzen fürden Gewebeabbau.

Sensomotorik im Alter: Haltungund Bewegung, SturzgefährdungDas Gehen ist eine der wenigen Bewe-gungsformen, welche der Mensch aufdem Lernniveau der sogenannten varia-blen Verfügbarkeit beherrscht (Meinelund Schnabel 1998). Das bedeutet, dieposturale Stabilität kann unter sehr starkund auch schnell variierenden Umge-bungsbedingungen und selbst bei inten-siven externen Beeinflussungen absolutgesichert werden.

Wird das Gehen mit weiteren Aufga-ben verknüpft, lässt sich anhand derZeitmuster der Schritt-zu-Schritt-Fluk-tuationen die kognitive Komponente ab-leiten. Sie erlangt im Alter wieder einesteigende beziehungsweise erneut sicht-bare Bedeutung. Kognitive Beanspru-chungen haben Auswirkungen sowohlauf die Ganggeschwindigkeit als auchauf die Gangvariabilität. Die scheinbarvöllig automatische Regulation des Will-kürakts Gehen wird mit dem Alter wiederimmer mehr unter die Kontrolle derhöheren Nerventätigkeit gestellt. DieVeränderungen der Gangsensomotorik(reduzierte Geschwindigkeit, Variabilitätder Schrittlänge) sind sichere Hinweisefür eine sich entwickelnde Sturzgefähr-dung. Die Gehgeschwindigkeit ist mit derSturzgefährdung und der Mortalität ver-bunden (Cesari et al. 2005).

Der Fuß wurde von Cavanagh (1999)als Sensororgan bezeichnet. In der Fuß-sohlenhaut sind zirka 70 Prozent allerRezeptoren für die Übersetzung sehrschneller mechanischer Veränderungenausgelegt (Kennedy und Ingelis 2002a),was auch für die Abbildung der schnellenDynamik des Abrollvorganges erforder-lich ist. Für die posturale Regulation desStehens aber auch für die Generierungder Gangmotorik sind aber die sensori-schen Informationen der Fußsohle alleinnicht ausreichend. Es sind hierfür die In-formationen der Sensoren der gesamtenunteren Extremität als „Sensorkette“ er-forderlich (Zehr et al. 1997). Als Indika-tor der posturalen Stabilität gelten dieim Stehen mittels Stabilografie messba-ren Schwankungen des Körpers. Sie sind

Zeichen der dynamischen Stabilität desStehens und daran ist die Propriorezep-tion zu 58 bis 69 Prozent beteiligt (Lordet al. 1991, Simoneau et al. 1992). Zu-gleich tragen gekreuzte Reflexe zwi-schen rechts und links mit kurzer Latenz -zeit zu dessen Sicherung (Gervasio et al.2015) bei.

Der sensorische Abbildungsprozessdes Abrollvorgangs wird mit dem Alterdurch die Reduzierung der Aktivierungs-schwellen der Fußsohlensensoren beein-trächtigt (Ingelis et al. 2002b) und diebeschriebenen Veränderungen der ge-samten Sensorik, wie diejenigen im Ner-vensystem, verursachen eine fortschrei-tend schwächer werdende Gang- undStandsicherheit. Dem Defizit an Sensorenund der Funktion der noch vorhandenenSensoren einschließlich der neuronalenVerarbeitungsdefizite kann bei altenMenschen durch Einlagen mit intensiverpropriorezeptiver Stimulation (spike in-soles) positiv begegnet werden (Pallulel etal. 2009). Die Stimulation mit grobenEinlagen (textured insoles) vermag sogardie bei alten Menschen wieder intensi-vierte Beteiligung der willkürlichen Ebe-ne, des präfrontalen Cortex, zurückzu-drängen (Clark et al. 2014).

Mit dem Gehen über zehn Meter oh-ne und mit Rechenaufgaben, dem Rück-wärtsgehen, dem timed up and go-Test(TUG: Aufstehen, drei Meter Gehen, Um-drehen, drei Meter Zurückgehen, Hinset-zen), dem Aufstehen vom Stuhl und demTreppensteigen auf und ab kann der aktuelle Funktionszustand des SMS charakterisieren werden. 407 im Mittel70-jährige Patienten benötigen für zehnMeter 15,1 plus/minus 8,5 Sekundenund der Zeitzuwachs durch gleichzeitigesRechnen beträgt 4,7 plus/minus 4,9 Se-kunden. Die Zeit für zehn Meter belegtbereits eine latente bis deutlich vorhan-dene sensomotorische Insuffizienz unddie Zuwachsrate des Zeitbedarfs begrün-det eine Sturzgefährdung bei einer so -genannten Multitasking-Aufgabe. DerTUG-Test mit 18,0 plus/minus 8,9 Sekun-den bestätigt die Entwicklung bezie-hungsweise das Vorliegen einer Sturzge-fährdung. Das fünfmalige Aufstehenbenötigt 18,8 plus/minus 8,9 Sekundenund das Treppenauf- und abwärtsgehen(21 Stufen) verbraucht 39,2 plus/minus16,9 Sekunden bzw. 39,3 plus/minus17,1 Sekunden. Zwischen dem Gehenohne/mit Rechnen, dem TUG und demTreppensteigen bestehen enge Zusam-

menhänge, denn die Beanspruchungenähneln sich. Ein abweichendes Bean-spruchungsprofil wird mit dem Aufstehengefordert. Das Gehen ist gegenüber demAufstehen eine akzentuiert koordinativeLeistung und das Aufstehen wird ge-genüber dem Gehen mehr durch dieKraftfähigkeit der Muskulatur der unte-ren Extremität bestimmt. Das Rück-wärtsgehen ist in diesem Alter eine häu-fig kaum noch beherrschte koordinativeLeistung und kann von den meisten nichtmehr ausgeführt werden.

Physische Aktivitäten zur Beeinflussung der altersbedingten VeränderungenVorausgeschickt werden muss, dass dieWirkungen eines chronischen Bewe-gungsmangels und diejenigen der Alte-rungsprozesse sehr gut vergleichbar sind.Die Strukturen und damit Funktionenwerden abgebaut und der Abbau gehtzeitabhängig in Degeneration über (vgl.Abb. 2, 4).

Training der sensomotorischen KoordinationDie SMS-Leistung ist immer das Produktaller seiner Strukturanteile. Dazu gehörenauch die kognitiven Funktionen, welcheebenfalls systematischen, altersbeding-ten Leistungseinbußen unterliegen. In derFolge sind die noch beherrschten Bewe-gungshandlungen genauso beeinflusstwie das sensomotorische Lernen, zumBeispiel im Präventions- oder Rehabilita-tionsprozess.

Das Altern der kognitiven Funktionenbasiert auf zwei grundsätzlichen Ansät-zen. Ein Ansatz bezieht sich auf die Ver-arbeitungsressourcen des ZNS. Die Kog -nition wird als wesentlich von derVerarbeitungsgeschwindigkeit bestimmtangesehen. Diese nimmt mit dem Alter ab(Laube 2009). Ein weiterer Ansatz fokus-siert auf prozessspezifische Leistungen(„process-specific accounts“), wie dasUnterscheiden von Aufgaben mit undohne exekutive Kontrollprozesse bezie-hungsweise das Hin- und Herschaltenzwischen verschiedenen Aufgaben. Eskommt zu Defiziten in den exekutivenProzessen, wie beispielsweise der Mög-lichkeit, schnell zwischen zwei odermehreren Aufgaben umzuschalten, wobeider präfrontale Kortex eine wesentlicheRolle spielt (West 1996).

Das möglichst vielseitige und variableAusführen von Haltungen und Bewegun-

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gen mit hohen Ansprüchen an dasGleichgewicht (sensomotorisches Erhal-tungslernen) dient im Alterungsprozessder Zielstellung, die Sturzgefährdunglange hinauszuschieben beziehungswei-se zu beeinflussen (Abb. 5). Die postura-le Stabilität kann somit für alle üblichenBelastungen des Alltags länger erhaltenbleiben, der physiologische altersbeding-te Verlust kann verzögert werden. DaStrukturverluste nur durch umfänglichesTraining funktionell abgefedert werdenkönnen, sollte der Schwerpunkt auf derPrävention liegen.

Training der Ausdauer: EnergetischeAbsicherung, Antiapoptose-TrainingDie Funktionskette Lunge/Herz-Kreis-lauf-System/aerobe Kapazität des Muskelssteht für die energetische Absicherungaller Lebensprozesse und körperlichenLeistungen einschließlich der Erholungs-fähigkeit. Die energetische Basis ent-scheidet auch über die Lebensfähigkeitder Gewebe und damit im Alterungspro-zess über den programmierten Zelltod(Apoptose, Abb. 5).

Die maximale O2-Aufnahme als dasFunktionsmerkmal der Logistikkette fälltzwischen dem 25. und 80. Lebensjahrstark ab. Der Anstieg der O2-Aufnahmeinfolge einer stufenförmigen Belastungbis zum Leistungsmaximum fällt auf un-ter 50 Prozent junger Menschen. AlsFaktoren dieser Entwicklung wirken so-wohl kardiovaskuläre als auch muskulä-re Ursachen. Aus kardiovaskulärer Sichttragen dazu eine verminderte Kapillari-sierung bei, auf deren Grundlage esselbst bei ausdauertrainierten älterenPersonen zu einem reduzierten mus-kulären Blutfluss unter zyklischer Belas -tung (Proctor et al. 1998) kommt. Diesbasiert darauf, dass die sarkopenischeUmstrukturierung des Muskels in Rich-tung langsam kontrahierend nicht miteinem entsprechenden Ausbau der Ka-pillarisierung einhergeht. In den Muskel-fasern sind die verminderten Aktivitätender mitochondralen Enzyme beteiligt.Dadurch reduziert sich auch der O2-Ver-brauch pro Muskelvolumen (Protector u.Joyner 1997).

Ausdauertraining hebt in den Skelett-muskelfasern die antioxidative Kapazitätund die Ausprägung des „heat shock pro-teins“ (Li 2002) und beide Trainingsfolgenrichten sich gegen den altersbedingtenprogrammierten Zelltod (Suzuki et al.2000). Die Apoptose-Signalwege im Ske-

lett- und Herzmuskel werden deutlichabgeschwächt. Somit ist Ausdauertrai-ning gleich Antiapoptose-Training desSkelettmuskels und zugleich gegen dieHerzinsuffizienz gerichtet.

Der alternde Muskel reagiert auf Aus-dauer- als auch auf Krafttraining mitdeutlichen energetischen und mit kon-traktilen Adaptationen (Hypertrophie),die bei älteren Menschen mit optimalemKrafttraining noch deutlicher ausfallenkönnen (Häkkinen et al. 1998). Ausdau-ertraining sorgt, wie bei jungen Perso-nen, für einen Anstieg der oxidativen Ka-pazität, eine Abnahme des kontraktilenATP-Bedarfs und eine reduzierte glykoly-tische ATP-Produktion. Anders als beijungen Personen kann Krafttraining imAlter auch zu einer deutlichen Erhöhungder oxidativen Kapazität führen. Im Ge-gensatz zum Ausdauertraining steigendaraufhin auch die mitochondrale Volu-mendichte und die Muskelmasse nacheiner sechsmonatigen Trainingsphase. ImAlter sind die Strukturen der aeroben Ka-pazität hochsensibel auf beide Belas -tungsarten (Jubrias et al. 2001). Damitist für Menschen über 55 bis 60 Jahre dietraditionelle Ansicht nicht mehr ausrei-chend korrekt, dass Ausdauertraining daserste Mittel der Wahl zur Verbesserungder aeroben Kapazität ist. Auch Kraft-training ist aus energetischer Sicht Antiapoptose-Training.

Training der Kraft: Antisarkopenie-TrainingDas Muskelgewebe unterliegt der nume-rischen wie der zellulären Atrophie. Bei-de Faserpopulationen sind dabei wedereinheitlich noch linear betroffen. DerVerlust von Muskelmasse durch Atrophieist das wesentlichste Merkmal von Inak-tivität beziehungsweise Immobilisation.Mit dem Alterungsprozess steigt zusätz-lich die Quote des Muskelfaserunter-gangs durch Apoptose (Abb. 5). Mit derAbnahme der Motoneuronen und vonMuskelfasern wird das Muskelgewebelangsamer, verändert die kontraktilen Eigenschaften und die Anpassungsfähig-keit ist reduziert. Die Ansprechbarkeit aufanabole Hormone sinkt systematisch ab,ebenso der Hormonspiegel selbst.

Das Krafttraining hat in der Lebens-spanne und im Alterungsprozess mehre-re miteinander gekoppelte Aufgaben zurErhaltung von Struktur und Funktion. Diebiologische Wirkung bezieht sichzunächst auf die Kraft und später auch

auf die Ausdauer. Zugleich entwickeltund erhält es die Regenerations- undAdaptationsfähigkeit der Skelettmusku-latur. Der Muskel wird auch als endokri-nes Organ (Pedersen 2010) länger erhal-ten. Den aus dem viszeralen Fettangetriebenen systemischen chroni-schen Entzündungsprozessen und denvielfältigen chronischen Inaktivitäts-erkrankungen (Pedersen 2010) wird ent-gegengewirkt.

Für die kontraktile Muskeladaptationwird das Wachstumshormonsystem akti-viert. Die kontraktionsbedingte Aktivie-rung des IGF-I-Systems (insulinähnlicherWachstumsfaktor) ist im Muskel bereitsnach einer Belastungseinheit nachweis-bar. Der „mechano-growth-factor“ akti-viert frühzeitig die Satellitenzellen (Hillund Goldspink 2003). Sie versorgen dieSkelettmuskelfasern mit genetischemMaterial für Reparaturprozesse und dieHypertrophie. Mitglieder der IGF-Familieinduzieren auch die belastungsbedingteKollagensynthese und bestimmen dieAnpassung der Bindegewebsstrukturen(Heinemeier et al. 2007). Des Weiteren istdas Skelett auf Krafttraining angewie-sen. Die Kraft ist direkt und sehr eng mitder Knochenmasse und Knochenfestig-keit verbunden.

Für den alten Menschen ist Krafttrai-ning somit sehr wichtig – sowohl für denmöglichst langen Erhalt der Muskulaturaus kontraktiler und energetischer Sichtals auch für die Sicherung der mechani-schen Belastbarkeit von Sehnen, Bän-dern, Faszien und des Skeletts. Es ist so-mit unter anderem auch wichtiges Antiosteoporose-Training. �

Anschrift des Verfassers:PD Dr. med. sc. (habil) Wolfgang LaubeKolumbanstr. 46844 Altach

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