Werner SOrgel
Konsensus und Interessen Eine Studie zur Entstehung des Grundgesetzes fiir die Bundesrepublik Deutschland
Leske Verlag + Budrich GmbH Opladen 1985
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Sorgel, Werner Konsensus und Interessen: e. Studie zur Entstehung d. Grundgesetzes fliT d. Bundesrepublik Deutschland / Werner Sorgel. - OpJaden : Leske und Budrich, 1985.
ISBN 978-3-8100-0500-7 ISBN 978-3-322-95497-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95497-8
(c) 1985 by Leske Verlag + Budrich GmbH, Leverkusen
Gesamtherstellung: Hain Druck GmbH, Meisenheirn/Glan
Inhaltsverzeichnis
V orbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
I. Konsensus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Moglichkeiten und Grenzen einer deutschen Deutschlandpolitik unter Besatzungsherrschaft - Die Konzeption der Sozial-demokratie ........................................... 19 Yom gesamtdeutschen Konsultativrat zum westdeutschen Provisorium - Wandlungen des politischen Konzepts der Unions-parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die Frankfurter Dokumente ............................ 39 Verfassungskonzeptionen ............................... 55
Die Verfassungskonzeption der Sozialdemokratischen Par-tei Deutschlands ................................... 56 Verfassungskonzeptionen der Unions-Parteien . . . . . . . . . . 73
II. Interessen ....................................... 89 Konsensus und Interessen in der reprasentativen Demokratie 89 Das gemeinsame Interesse 91 Das Grundgesetz als Institut zur Sicherung und Abgrenzung von Interessenspharen 93 Interessen, Konsens und Offentlichkeit 94 Interessen und Organisation 97 Sozialstruktur des Parlamentarischen Rates und Interessen 104 Interessen und Integration 109 Interessen und politische Parteien 110 F6deralismus und Interessen 115 Interessen und Restauration 117
Beamte
Richter Restauration 134 Interessen 138 Diskussionen und Beschhisse iiber die rechtsprechende Gewalt im Herrenchiemsee-Konvent 142 Diskussionen und Beschliisse iiber die rechtsprechende Gewalt im Parlamentarischen Rat - Intcrventionen der Justiz 145
120
134
Gemeinden ........................................... 158
Kirchen... ..... . . . . . . .. .. ......... ......... ........... 167 Organisation 167 Konsensus 168 Interessen 175 Der Weimarer Kirchenkompromil3 redivivus 179 Der Konkordatsstreit 184 Der Elternrechtsstrei t 188
5
Gewerkschaften ....................................... 201 Konsensus 201 Interessen und Interessenpolitik 205
Unternehmer .......................................... 214
Fluchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Anhang: Ubersichten - Dokumente ..................... 232
Organisations schema des Parlamentarischen Rates ......... 233
Parlamentarischer Rat - Abgeordnete, Ersatzleute, Berliner Delegierte ............................................ 236
Dbersichten: Abgeordnete, Berliner Delegierte und Ersatzleute nach Fraktionen 259 Parteizugehorigkeit der Abgeordneten und ihre Verteilung auf die Lander 259 Abgeordnete, Delegierte und Ersatzleute, die zugleich Landtagsabgeordnete waren 260 Abgeordnete, die zugleich einer Landesregierung angehorten 260 Berufe der Abgeordneten, Delegierten und Ersatzleute 261 Anteil der Berufsbeamten unter seinen Mitgliedern 261 Anteil der Akademiker unter seinen Mitgliedern 262 Anteil der Akademiker und Juristen in verschiedenen Konstituanten 262
Richtlinien fUr den Aufbau der Deutschen Republik (SPD) . 263
Erster Menzel-Entwurf einer »Westdeutschen Satzung« (SPD) 267
Zweiter Menzel-Entwurf fur ein Grundgesetz (SPD) . . . . . . . . 279
Der Staatsaufbau im kunftigen Deutschland. Ein Memorandum (CSU) ................................................ 294
Grundsatze fur eine deutsche Bundesverfassung. Entwurf des Ellwanger Freundeskreises der CDU jCSU ................ 297
Eingabe der Gewerkschaft Deutscher Beamtenbund an den Parlamentarischen Rat yom 29. Oktober 1948 ............. 308
Stellungnahmen der J ustiz und der J uristischen Fakultaten zum Grundgesetz-Entwurf yom Marz 1949 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
Deutscher Stadtetag. Denkschrift zum Grundgesetz fUr die Westzonen (Oktober 1948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Eingabe der Leitung der Evangelischen Kirche der Rheinpro-vinz an den Parlamentarischen Rat yom 29. 10. 1948 314
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Eingabe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland an den Parlamentarischen Rat vom 9. 11. 1948 ............. 315
Eingabe der Fuldaer Bischofskonferenz an den Parlamentari-schen Rat vom 20. 11. 1948 ............................. 317
Offener Brief des Diozesankomitees der Katholikenausschiisse in der Erzdiozese Koln an die Abgeordneten des Parlamentari-schen Rates vom 21. 2.1949 ............................ 319
V orschlage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (britische Zone) fUr »sozialrechtliche Bestimmungen im Grundgesetz« 321
Eingabe des Fliichtlingsausschusses des Zonenbeirats an den Parlamentarischen Rat vom 12. 10. 1948. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
Literaturverzeichnis .................................... 326
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
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Verzeichnis der Abkiirzungen
Abg. Abs. AllMilGouv. AoR ARA Art. Ba. BDl Bay. BGG Br. CDU/CSU
DBB DGB Dok. l/ll/III DOV
DP DPD DRiZ
Drs. DUD EKD FA FDP SA GDBB GG GG (mit arab. Zahl) GGE
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Abgeordnete(r) Absatz Alliierte Militargouverneure Archlv des offentlichen Rechts Allgemeiner Redaktionsausschu13 des PR Artikel Baden Bundesverband der Deutschen lndustrie Bayern Bonner Grundgesetz Bremen Christlich-Demokratische Union; Christlich-Soziale Union Deutscher Beamtenbund Deutscher Gewerkschaftsbund Frankfurter Dokumente l/ll/Ill Die Offentliche Verwaltung, Zeitschrift flir Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik Deutsche Partei Deu tscher-Presse-Dienst Deutsche Richterzeitung, Organ des Deutschen Richterbundes Drucksache Deutschland-Union-Dienst Evangelische Kirche in Deutschland AusschuB flir Finanzfragen (FinanzausschuB) des PR Freie Demokratische Partei FiinferausschuB des PR Gewerkschaft Deutscher Beamtenbund Grundgesetz fiir die Bundesrepublik Deutschland Nummer des Grundgesetzartikels
Grundgesetz-Entwurf
GO GSA
HA HChB
HChK
He. JOR NF
KPD LDP MDR NJW NRW NSDAP OB OLG PI. PR PV Prot. PVS Rhld.Pf. RPfiA
SchI.Ho. SED 7A Sopade SPD Stenoprot. Tab. VA VPD VO VVDStRL
Geschiiftsordnung AusschuB fiir Grundsatzfragen (GrundsatzausschuB) des PR HauptausschuB des PR Herrenchiemsee-Bericht (Bericht iiber den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee) Herrenchiemsee-Konvent (Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee) Hessen Jahrbuch des Offentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge Kommunistische Partei Deutschlands Liberal-Demokratische Pratei Monatsschrift flir Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Oberbiirgermeister Oberlandesgericht Plenum des PR Parlamentarischer Rat Parteivorstand Protokoll Politische Vierteljahresschrift Rheinland-Pfalz Ausschu6 flir Verfassungsgerichtshof und Rechtspfiege (Rechtspfiegeausschu6) des PR Schleswig-Holstein Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Siebenerausschu6 des PR SPD-Pressedienst Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenographisches Protokoll Tabelle Vnterausschu6 V nion-Presse-Dienst Vcrordnung Veroffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtlehrer
9
WGB WRY Wu.Ba. Wu.Ho. Z ZA
ZJBl.BrZ
10
Weltgewerkschaftsbund Weimarer Reichsverfassung Wurttemberg-Baden Wurttemberg-Hohenzollern Zentrumspartei AusschuB fur Zustandigkeitsfragen (ZustandigkeitsausschuB) des PR Zentral-Justizhlatt fur die Britische Zone
Notiz
Die Erstausgabe zu der hier unvedindert nachgedruckten Buchfassung einer Studie iiber die Entstehung des Grundgesetzes fiir die Bundesrepublik Deutschland erschien im J ahr 1969 in der Reihe der Frankfurter Studien zur Wissenschaft von der Politik im Ernst Klett Verlag, Stuttgart. Die Untersuchung wurde vom Autor im Rahmen einer Dissertation am Lehrstuhl fiir Politische Wissenschaft in Frankfurt bereits 1965 abgeschlossen. Sie entstand auf Anregung von Carlo Schmid, einem der Vater des Grundgesetzes.
Den AnstoB zur Neuauflage des Buches gab en Hochschullehrer, nachdem das Werk seit vielen Jahren im Handel vergriffen war. Die wissenschaftliche Kritik rechnete die Untersuchung von Sorgel25 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes zu jenen Arbeiten, denen wohl fiir absehbare Zeit abschlieBender Charakter zukommt (vgl. Zeitschrift fiir Parlamentsfragen 3/1973 S. 451 ff).
Der Autor ist seit 1978 einer der Inhaber und Leiter des von ihm mitgegriindeten Sozialwissenschaftlichen Instituts SINUS in Miinchen.
Der Verlag
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Aus den Vorbemerkungen zur ersten Auflage
Der VerfassungskompromiB von 1949 kam zustande, als das Verlangen nach Stabilisierung der wirtschaftlichen und politis chen Verhaltnisse in Westdeutschland fast aIle politischen Erwagungen und Argumente bestimmte. Die vorliegende Untersuchung beschaftigt sich mit diesem Abschnitt deutscher Nachkriegsgeschichte. Sie versucht zu belegen, wie sich der Konsensus von Parteien und anderen politis chen und gesellschaftlichen Kr1lften tiber die staatsrechtliche Neuordnung Westdeutschlands nicht zuletzt der Sicherung von gruppenspezifischen Interessen durch das yom Parlamentarischen Rat verabschiedete Grundgesetz verdankt.
Konsensus und Interessen konnen nicht als einander entgegengesetzte Prinzipien der Politik begriffen werden, sondern sie sind notwendig aufeinander bezogen. Schon deswegen konnte mit der formalen Untergliederung der Arbeit in zwei Hauptteile, Konsensus und Interessen, nicht beabsichtigt sein, unter der einen Oberschrift das eine und unter der zweiten das andere Problem gegeneinander abgegrenzt zu behandeln. Vielmehr wird auch in jenem Teil der Studie, der die Herstellung eines Konsensus zwischen den maBgeblichen politischen Kraften in Westdeutschland vor dem Zusammentreten des Parlamentarischen Rats untersucht, von I nteressen, ihrer Rechtfertigung und VerhiiIlung zu reden sein. Allerdings schien es sinnvoll, die dort untersuchten politischen Vorgange - die Auseinandersetzungen in politischen Parteien und zwischen diesen tiber die Griindung eines deutschen »Weststaates«, die Herausbildung von parteispezifischen »Verfassungskonzeptionen«, sowie die Verhandlungen zwischen deutschen Politikern und westlichen AIliierten - primar unter dem Aspekt der Herstellung eines Konsensus zu begreifen. Immerhin stellte auch im westlichen Deutschland des Jahres 1948 der Versuch, ein auf dieses Gebiet (wenigstens vorlaufig) beschranktes staatliches Gebilde zu errichten, keine Selbstversdindlichkeit dar. Ein Vorhaben, das sich nach dem herkommlichen Verstandnis der Staatsrason so sehr im Widerspruch zum nationalen Interesse der Deutschen befand, konnte Aussicht auf Realisierung nur dann haben, wenn hieriiber - tiber aIle divergierenden Interc_ssel'l und politischen Zielvor-
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stelIungen hinweg - ein breiter Konsensus zwischen den maBgeblichen politis chen Kraften bestand oder hergestellt werden konnte.
Damals waren die entscheidenden politischen Krafte auf deutscher Seite zum einen die groBen politischen Parteien SPD und CDU/CSU, zum anderen die Landerregierungen. Sie aIle trafen ihre Entscheidung: Zustimmung zur Griindung eines »Weststaates«, jedoch nicht unabhangig von den eigentlichen Machthabern in den deutschen Westzonen, den westlichen AlIiierten. Es wird zu zeigen sein, daB der schlieBlich erzielte KompromiB zwischen den deutschen politischen Kdften und den Militargouverneuren sehr weitgehend Interessen und politis chen ZielvorstelIungen der westlichen AlIiierten Rechnung trug - und zwar noch ehe die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates iiberhaupt begannen.
1m zweiten Hauptteil der Untersuchung wird die EinfluBnahme von sieben Interessengruppen auf die Formulierung des Grundgesetzes dargestelIt und zugleich der Versuch unternommen, die Interessenpolitik dieser Gruppen unter systematischen Gesichtspunkten zu analysieren.
Auch dieses Problem lieB sich nicht einfach unter einemAspekt - dem der Wahrung »partikularer Interessen« - abhandeln und zwar schon deswegen nicht, weil die verschiedenen, teilweise einander widersprechenden, Interessen dieser politischen Kdfte in bestimmten Grundfragen der Ordnung des politischen Gemeinwesens konvergierten. Auch zwischen diesen Kdften bestand ein Konsensus, der fUr die GrUndung der Bundesrepublik und fUr deren Stabilisierung kaum minder bedeutsam gewesen ist, als der Konsensus zwischen den politischen Parteien und den Landerregierungen. DaB dieser Konsensus auBerparlamentarischer Krafte aus einem gemeinsamen »Grundinteresse« alIer dieser Gruppen abzuleiten ist, wird einmal in der Einleitung zu diesem Teil der Arbeit theoretisch zu begrUnden versucht, im iibrigen solI dies im Zuge der Darstellung und Analyse der Interessenpolitik der einzelnen Gruppen nachgewiesen werden.
Der erste Teil der Untersuchung basiert vornehmlich auf der Analyse offentlicher Verlautbarungen der groBen westdeutschen Parteien, der Landerregierungen und der westlichen Alliierten zur Deutschlandfrage in den ersten Jahren der Nachkriegsara. Dem ProzeB der Willensbildung Uber die GrUndung eines provisorischen westdeutschen Gemeinwesens wurde darUber hinaus auch in den Protokollen der westdeutschen Landtage nachgegangen. Teilweise nur schwer zugangliche Ver-
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handlungs- und Gedachtnisprotokolle uber die Auseinandersetzungen zwischen den alliierten Militargouverneuren und den westdeutschen Regierungschefs lieferten die Grundlage fur eine ausfuhrliche Darstellung der Verhandlungen uber die sogenannten »Frankfurter Dokumente«. Die Herausbildung von »Verfassungskonzeptionen« der SPD und der CDU/CSU wurde, gleichsam ab ovo, an Hand von fruhen Parteiprogrammen, programmatischen AuBerungen der Parteifuhrer sowie auf Grund von informellen und offiziellen Verfassungsentwurfen und -~orsdllagen der Parteien und einze!ner Parteigruppen rekonstruiert .. In einem Anhang zur Arbeit werden die wimtigsten dieser Verfassungsentwurfe im Text wiedergegeben.
Das Material fur den zweiten Hauptteil der Arbeit lieferten einmal die Protokolle der Verhandlungen des Parlamentarismen Rates und seiner Ausschusse. Auch die Verhandlungsniedersmriften des Herrenchiemsee-Konvents wurden, soweit erforderlim, herangezogen. Gaben diese Materialien AufschluB uber die Reaktionen des Parlamentarismen Rates auf an ihn herangetragene Gruppenforderungen, so wurden umgekehrt diese Gruppenforderungen an Hand von Zeitungsberichten und sonstigen VeroffentlidlUngen, von Eingaben, Stellungnahmen, internen Verbandsprotokollen u. a. unter systematischen Gesichtspunkten analysiert. Die wichtigsten der Eingaben, jener an der Arbeit des Parlamentarischen Rates unmittelbar interessierten Verbande und Institutionen, finden sich im Anhang.
Miinchen im Juni 1968 Werner Sorge!
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