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Werke von Nomi Baumgartl und Andreas Feininger gemeinsam in...

Date post: 04-Feb-2021
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04 2011 PHOTOGRAPHIE 109 Er zählt zu den Großen der Fotografie im 20. Jahrhundert, sie zu den erfolgreichen zeitgenössischen Fotokünstlerinnen. Im New York der 80er-Jahre sind sie sich begegnet: Andreas Feininger und Nomi Baumgartl. PHOTOGRAPHIE zeichnet den Dialog in Bildern nach. Werke von Nomi Baumgartl und Andreas Feininger gemeinsam in der Münchner Galerie Stephen Hoffman RENDEZVOUS IN BILDERN The Photojournalist 1951, Andreas Feininger © Time Inc. Courtesy by Galerie Stephen Hoffman BILDER & GESCHICHTEN 108 PHOTOGRAPHIE 04 2011 –  Es war keine schlichte Doppelausstellung, die Stephen Hoffman in seiner Galerie in der Münchner Prannerstraße präsentierte. Eher schon könnte man von einem Gipfeltreffen, ei- nem Rendezvous in Bildern sprechen, das – ter- mingerecht zu Nomi Baumgartls 60. Geburtstag – den Kontakt, das Gespräch, die langjährige Freundschaft zwischen der jüngeren Deutschen und dem amerikanischen „Klassiker“ in schwarz- weißen Bildern reflektierte: Auf der einen Seite schwerpunktmäßig Andreas Feiningers frühe Stadtansichten aus New York, auf der anderen Nomi Baumgartls Porträts, die nicht zuletzt die Naturverbundenheit des Fotografen Andreas Fei- ninger unterstreichen. Und auch nach Ausstel- lungsende kann man sich ausgewählte Arbeiten von Andreas Feininger sowie das Portfolio von Nomi Baumgartl in der Galerie vorlegen lassen. Nomi Baumgartl, 1950 im Donauries geboren, hat an der Gesamthochschule Düsseldorf Design und Visuelle Kommunikation studiert, bevor sie sich im Bereich Bildjournalismus zügig einen Namen machte. Die heute in München lebende Fotogra- fin publizierte in praktisch allen wichtigen natio- nalen wie internationalen Magazinen (darunter Stern, Geo, Paris-Match, Time, Life) und war ab 1992 Mitglied der renommierten Agentur Bilder- berg. Neben der Auftragsarbeit in Journalismus und Werbung widmete sie sich freien Langzeit- projekten, die meist in viel beachtete Bücher mündeten. Erwähnt seien ihre Bildbände über den Zeichner Horst Janssen (1984), den Schrift- steller Wolfgang Koeppen (1997) oder Chris Gallucci, den „Elefantenmann“, 2007 als höchst erfolgreiches Buch bei Frederking & Thaler er- schienen. 1983 lernte Nomi Baumgartl in New York den Fotografen Andreas Feininger kennen. Was sich in der Folge entwickelte, war ein intensiver ge- danklicher Austausch, der um Fragen der Wahr- nehmung, der Weltsicht, des Verständnisses von Kosmos und Natur kreiste. Längst hatte Feininger zu diesem Zeitpunkt die Kamera aus der Hand gelegt. Doch angeregt durch seine Gesprächs- partnerin nahm er seine Naturstudien wieder auf, während er umgekehrt Nomi Baumgartl in ihrem fotografischen Anliegen bestätigte: „Du und mein Freund Sam Haskins seid vermutlich die fantasiereichsten und kreativsten Fotografen, die ich kenne“, ließ er Baumgartl in einem seiner vielen Briefe wissen. Andreas Feininger, 1906 in Paris geboren, zählt zu den herausragenden Fotografen des 20. Jahr- hunderts. Der Sohn des Malers Lyonel Feininger besuchte ab 1922 die Tischlerwerkstatt unter Walter Gropius, wechselte etwas später an „The Photojournalist“ zählt zu Andreas Fei- ningers bekanntesten Arbeiten. Das Bild des Magnum-Fotografen Dennis Stock entstand im Jahr 1951.
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  • 04 2011 PhotograPhie 109

    Er zählt zu den Großen der Fotografie im 20. Jahrhundert, sie zu den erfolgreichen zeitgenössischen Fotokünstlerinnen. Im New York der 80er-Jahre sind sie sich begegnet: Andreas Feininger und Nomi Baumgartl. PHOTOGRAPHIE zeichnet den Dialog in Bildern nach.

    Werke von Nomi Baumgartl und Andreas Feininger gemeinsam in der Münchner Galerie Stephen Hoffman

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    – Es war keine schlichte Doppelausstellung, die Stephen Hoffman in seiner Galerie in der Münchner Prannerstraße präsentierte. Eher schon könnte man von einem Gipfeltreffen, ei-nem Rendezvous in Bildern sprechen, das – ter-mingerecht zu Nomi Baumgartls 60. Geburtstag – den Kontakt, das Gespräch, die langjährige Freundschaft zwischen der jüngeren Deutschen und dem amerikanischen „Klassiker“ in schwarz-weißen Bildern reflektierte: Auf der einen Seite schwerpunktmäßig Andreas Feiningers frühe Stadtansichten aus New York, auf der anderen Nomi Baumgartls Porträts, die nicht zuletzt die Naturverbundenheit des Fotografen Andreas Fei-ninger unterstreichen. Und auch nach Ausstel-lungsende kann man sich ausgewählte Arbeiten von Andreas Feininger sowie das Portfolio von Nomi Baumgartl in der Galerie vorlegen lassen.Nomi Baumgartl, 1950 im Donauries geboren, hat an der Gesamthochschule Düsseldorf Design und Visuelle Kommunikation studiert, bevor sie sich im Bereich Bildjournalismus zügig einen Namen machte. Die heute in München lebende Fotogra-fin publizierte in praktisch allen wichtigen natio-nalen wie internationalen Magazinen (darunter Stern, Geo, Paris-Match, Time, Life) und war ab 1992 Mitglied der renommierten Agentur Bilder-berg. Neben der Auftragsarbeit in Journalismus

    und Werbung widmete sie sich freien Langzeit-projekten, die meist in viel beachtete Bücher mündeten. Erwähnt seien ihre Bildbände über den Zeichner Horst Janssen (1984), den Schrift-steller Wolfgang Koeppen (1997) oder Chris Gallucci, den „Elefantenmann“, 2007 als höchst erfolgreiches Buch bei Frederking & Thaler er-schienen.1983 lernte Nomi Baumgartl in New York den Fotografen Andreas Feininger kennen. Was sich in der Folge entwickelte, war ein intensiver ge-danklicher Austausch, der um Fragen der Wahr-nehmung, der Weltsicht, des Verständnisses von Kosmos und Natur kreiste. Längst hatte Feininger zu diesem Zeitpunkt die Kamera aus der Hand gelegt. Doch angeregt durch seine Gesprächs-partnerin nahm er seine Naturstudien wieder auf, während er umgekehrt Nomi Baumgartl in ihrem fotografischen Anliegen bestätigte: „Du und mein Freund Sam Haskins seid vermutlich die fantasiereichsten und kreativsten Fotografen, die ich kenne“, ließ er Baumgartl in einem seiner vielen Briefe wissen.Andreas Feininger, 1906 in Paris geboren, zählt zu den herausragenden Fotografen des 20. Jahr-hunderts. Der Sohn des Malers Lyonel Feininger besuchte ab 1922 die Tischlerwerkstatt unter Walter Gropius, wechselte etwas später an

    „The Photojournalist“ zählt zu Andreas Fei-ningers bekanntesten Arbeiten. Das Bild des

    Magnum-Fotografen Dennis Stock entstand

    im Jahr 1951.

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    die Bauhochschule Weimar und schloss an der Anhaltischen Bauschule in Zerbst in Thüringen 1928 sein Architekturstudium ab. Parallel ent-stehen erste Kamerabilder: Aufnahmen im ex-perimentellen Geist des Bauhauses, mit denen Feininger quasi über Nacht zu einem Teil jener fotografischen Avantgarde avanciert, die unter dem Begriff „neues Sehen“ für internationale Aufmerksamkeit sorgt. Bereits 1929 ist er auf der legendären „Film und Foto“-Ausstellung in Stuttgart vertreten. Eine Aufnahme – ein Nega-tivdruck mit dem Titel „Elbschlepper“ – findet Eingang in Franz Rohs programmatisches Buch „foto-auge“. Feininger nimmt Kontakt zur fotoge-

    schichtlich bedeutenden Agentur Dephot auf und hat erste Veröffentlichungen in der Vossischen Zeitung oder der Hamburger Illustrierten. 1932 er-folgt der Wechsel nach Paris. 1933 übersiedelt er nach Schweden, um sich dort ganz der Fotografie zuzuwenden, was zunächst ausschließlich Archi-tekturfotografie bedeutet. In Schweden heiratet er die Bauhäuslerin Grete Wysse Hägg. Mit ihr zieht er 1939 nach New York, wo noch im selben Jahr sein erstes Fachbuch erscheint. Freischaf-fend arbeitet er für die Agentur Black Star, später fest für die Illustrierte Life. In dieser Zeit entste-hen einige seiner bekanntesten Bildfindungen, darunter ein Porträt des jungen Dennis Stock mit G

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    „The Photojournalist“ inspirierte Nomi Baumgartl zu diesem Porträt von Andreas Fei-

    ninger mit dem Titel „The Naturalist‘s Eye“.

    Die Masse Mensch als Muster: Gern aus der Distanz blickt Andreas

    Feininger auf unsere

    moderne Zivilisation.

    Hier ein Blick auf Coney

    Island im Sommer 1948.

    Ein Künstler spiegelt sich in seinen Dingen. In sen-

    sibel erfassten Close-ups

    folgt Nomi Baumgartl ei-

    nem erweiterten Porträt-

    begriff (rechts unten).

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    Leica („The Photojournalist“). 1962 trennt er sich von Life, um sich wieder ganz dem Büchermachen zuzuwenden. Feininger wird zum vermutlich be-deutendsten Fotopädagogen des 20. Jahrhunderts mit am Ende über 40 Titeln. Rund um die Welt sind seine mit eigenen Fotografien illustrierten Werke Standardliteratur. Andreas Feininger starb 1999 in New York. Noch zu Lebzeiten hatte er die Ehrenmitgliedschaft des BFF (Bund Freischaffen-der Fotodesigner) sowie den Kulturpreis der DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie) erhal-ten – die höchste fotografische Auszeichnung, die in Deutschland zu vergeben ist.

    Immer wieder bis Anfang der 1990er-Jahre hat Nomi Baumgartl den älteren Freund und Kollegen in Amerika besucht. Parallel zu den Gesprächen entstehen Porträts, die am Ende einen umfangreichen Zyklus formen. Dabei geht es Baumgartl weniger um das merkfähige Einzelbild. Was sie sucht, ist die intensive, sich

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    Nomi Baumgartl + aNdreas FeiNiNgerNomi Baumgartl1950 im Donauries geboren. 1972 erster Preis auf der photokina für ihre Reportage „Gesell-schaft 1972“. 1973-77 Studium an der Gesamthochschule Düsseldorf für Design und Kommuni-kation. Abschluss mit Diplom. Tätig als freischaffende Fotografin. Fashion und Advertising u. a. für Escada, Jil Sander, Leica, Trussardi, Porsche, Rodenstock und BMW. Bildjournalisti-sche Arbeiten in Stern, Paris Match, SZ-Magazin, Zeit-Magazin, Vanity Fair, Brigitte, Art, Cos-mopolitan. Zahlreiche Ausstellungen in Deutschland und international. Mehrere Bücher, u. a. Titel über Horst Janssen (1984) und Wolfgang Koeppen (1997) sowie als jüngste Publi- kation „Der Elefantenmann“ (2007). Zahlreiche Preise. Lebt in München.

    andreas (Bernhard Lyonel) FeiningerGeboren 1906 in Paris. Sohn des Malers Lyonel Feininger. Bruder des Bauhäuslers und Fotogra-fen T. Lux Feininger. Kindheit, Jugend in Berlin und Weimar, wo der Vater ab 1919 am Bauhaus unterrichtet. Dort von 1922-25 Besuch der Tischlerwerkstatt unter Walter Gropius. 1925-28 Stu-dium an der Bauhochschule Weimar sowie an der Anhaltischen Bauschule in Zerbst (Thüringen). Erste Aufnahmen. Autodidakt. 1929 vertreten auf der Stuttgarter Ausstellung „Film und Foto“. Abbildungen in der von Franz Roh herausgegebenen programmatischen Anthologie foto-auge. Kontakt zur Agentur Dephot. Erste Publikationen in der Vossischen Zeitung und Hamburger Illustrierten. 1932 Wechsel nach Paris. 1933 Schweden. Völlige Hinwendung zur (Architektur-)Fotografie. Heirat mit der Bauhäuslerin Grete Wysse Hägg. 1939 nach New York. Im selben Jahr Herausgabe eines ersten Fachbuchs in Englisch. Ab 1940 freischaffend tätig für die Agentur Black Star und die Illustrierte Life. Daneben viel gelesene Kolumnen in Fachzeitschriften. 1962 Abschied von Life. Freier Fotograf und Buchautor. Über 40 Titel in den USA. Zahlreiche interna-tionale Ausgaben seiner insbesondere auf das Schaffen ambitionierter Amateure einflussreichen Bücher. 1972 Robert Leavitt Award der ASMP. 1987 Lifetime Achievement Award (ASMP). 1998 Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh). 1999 in New York gestorben.

    Info: www.andreasfeiningerarchive.com

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    bisweilen über Jahre ziehende fotografische Auseinandersetzung mit einer Persönlichkeit, ihrem Wesen, ihrem Charisma, ihren geistigen Tiefen. Nomi Baumgartl macht sich buchstäblich ein Bild über viele Bilder. Was sie mitbringt, ist Geduld, aber auch Passion. Ihre Porträts über die Zeit atmen Empathie, Einverständnis, eine stil-le, fast meditative Leidenschaft. Schon Andreas Feininger hatte dies erkannt: „Die Bilder, die Du von mir gemacht hast, sind eine einzige Freude. Du hast alles eingefangen – von den intimen De-tails meines Alltags zu Hause und den kleinen Dingen, die ich liebe, bis zur Eile und Aufregung New Yorks ... “Die Ausstellung in München präsentierte zum ei-nen Originalabzüge von Andreas Feininger (alle noch zu Lebzeiten geprintet und signiert), zum anderen ein Portfolio, das Nomi Baumgartl 2006 zum 100. Todestag des befreundeten Fotografen konzipiert hat und zwei Jahre später realisieren konnte. Subkutan – und die Einladungskarte mit Feiningers „Photojournalist“ (1951) und Nomi Baumgartls „The Naturalist’s Eye“ (1989) hat dies aufs Schönste unterstrichen – geht es um Fragen des Sehens und der Wahrnehmung und darüber hinaus unseren Blick auf eine uns um-gebende Natur, die für Andreas Feininger immer stärker zum Gegenstand der Reflexion gewor-den ist. „Wir sind alle Teil der Natur, ein Teil des Universums.“ Ein Gedanke, den Nomi Baumgartl fortschreibt. _ Hans-Michael Koetzle

    „Andreas Feininger vereinigt in sich zwei bedeutende Wesenszüge: die eines ausgefuchsten Magazinfotografen und die eines behutsamen Pädagogen.“  (L. Fritz Gruber)

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    Mehr und mehr sind es Fragen rund um Umwelt und Natur, die Andreas

    Feininger in seinem späten Schaffen

    interessieren. In Nomi Baumgartls

    Porträtserie über den Fotografen kommt

    diese Hinwendung zum Ausdruck.

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    New York war zur neuen Heimat des Fotografen geworden und so wurde die Stadt

    an sich zu einem der großen fotografischen

    Themen Andreas Feiningers.

    Urbane Ansichten mit dem Teleobjektiv zu

    verdichten, gehörte zu

    Feiningers Spezialitäten:

    Metropolis in Schwarz-

    weiß (rechts).


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