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Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

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ERLÄUTERUNGEN 1011 geschichte von Ravenna, die bis auf seine Zeit führt. Das stilistisch wenig ansprechende, aber inhaltsreiche Werk berührt verschiedentlich auch die Schicksale Theodorichs und des Ostgotenreichs. 4. Paulus Diaconus, etwa 720-790. Ein vornehmer, feingebildeter Langobarde, später Geistlicher, verfaßte ne- ben zahlreichen anderen Werken eine Historia Romana, in der er Eutrops Text bis auf Kaiser Justinian fortsetzte, sowie die höchst bedeutsame H i s t o r i a Langobardorum. Letztere entstand während seiner letzten Lebensjahre im KlosterMontecassino und reicht bis zum Jahre 744. In beiden Schriften sind mehrfach Ereignisse aus der Ostgotenge- schichte erwähnt. Erläuterungen Bei Verweisen auf Prokops Kriegsgeschichte ist die Zäh- lung des Gesamtwerkes (Buch I mit V I I I ) gemeint, innerhalb der die Gotenkriege die Bücher V - V I I I bilden. BUCH I 1. Kapitel Zum Ausgangspunkt seiner Kriegsschilderungen nimmt Prokop jeweils bedeutsame Zeitpunkte, für den Perser- und Vandalenkrieg die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert, als sich mit dem Tode Theodosius' I. (395) das Römerreich in einen West- und Ostteil auseinanderzuleben begann, für den Gotenkrieg das endgültige Erlöschen eines eigenen weströmi- schen Kaisertums (476). Über die Einzelheiten vgl. die Erläuterungen zu Excerpta 1 Valesiana § 36ff. (S. 1238)! Zum Begriff „Bundesgenossen" (foederati) bemerkt Pro- 4 kop I I I 11/3ff.: „Zu den Föderaten wurden früher nur Bar- baren gezählt, die weil von den Römern nicht besiegt - nicht als Unterworfene, sondern mit vollkommen gleichen Rechten in den Staatsverband eintraten ; denn unter foedera verstehen die Römer die mit Feinden abgeschlossenen Ver- träge". Die genannten Rechte, die zuerst den ins Reich ein- dringenden Westgoten nach der Schlacht bei Adrianopel Brought to you by | pr Unauthenticated | 1 Download Date | 6/
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ERLÄUTERUNGEN 1011

geschichte von Ravenna , die bis auf seine Zeit führt. Das stilistisch wenig ansprechende, aber inhaltsreiche Werk berührt verschiedentlich auch die Schicksale Theodorichs und des Ostgotenreichs.

4. Paulus Diaconus, etwa 720-790. Ein vornehmer, feingebildeter Langobarde, später Geistlicher, verfaßte ne-ben zahlreichen anderen Werken eine H is to r i a Romana, in der er Eutrops Text bis auf Kaiser Justinian fortsetzte, sowie die höchst bedeutsame H is to r i a Langobardorum. Letztere entstand während seiner letzten Lebensjahre im KlosterMontecassino und reicht bis zum Jahre 744. In beiden Schriften sind mehrfach Ereignisse aus der Ostgotenge-schichte erwähnt.

E r l ä u t e r u n g e n

Bei Verweisen auf Prokops Kriegsgeschichte ist die Zäh-lung des Gesamtwerkes (Buch I mit V I I I ) gemeint, innerhalb der die Gotenkriege die Bücher V - V I I I bilden.

BUCH I 1. K a p i t e l

Zum Ausgangspunkt seiner Kriegsschilderungen nimmt Prokop jeweils bedeutsame Zeitpunkte, für den Perser- und Vandalenkrieg die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert, als sich mit dem Tode Theodosius' I . (395) das Römerreich in einen West- und Ostteil auseinanderzuleben begann, für den Gotenkrieg das endgültige Erlöschen eines eigenen weströmi-schen Kaisertums (476).

Über die Einzelheiten vgl. die Erläuterungen zu Excerpta 1 Valesiana § 36ff. (S. 1238)!

Zum Begriff „Bundesgenossen" (foederati) bemerkt Pro- 4 kop I I I 11/3 ff. : „Zu den Föderaten wurden früher nur Bar-baren gezählt, die — weil von den Römern nicht besiegt -nicht als Unterworfene, sondern mit vollkommen gleichen Rechten in den Staatsverband eintraten ; denn unter foedera verstehen die Römer die mit Feinden abgeschlossenen Ver-träge". Die genannten Rechte, die zuerst den ins Reich ein-dringenden Westgoten nach der Schlacht bei Adrianopel

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(378) zugestanden wurden, umfaßten vor allem Steuerfrei-heit, Landanweisung, heimische Gauverfassung unter selbst-gewählten Führern sowie Gewährung von Jahrgeldern bzw. von Lebensmitteln, wofür die Föderaten dem Kaiser Heeres-folge versprachen. Verstärkt wurde die Eigenständigkeit der neuen Reichsinsassen durch das Verbot des connubium mit Römern. Die Landnahme selbst vollzog sich nach dem her-kömmlichen Einquartierungsmodus für römische Truppen und gewährte den Föderaten gewöhnlich ein Dri t te l an sämtlichem Besitz. Ursprünglich als Hilfe für das bedrängte Reich gedacht und zweifellos von großem Wert , haben die Föderaten schließlich den Westteil des Reiches ausgehöhlt und den selbständigen Germanenreichen auf Römerboden vorgearbeitet, wobei freilich das lange Nebeneinander der al-ten und neuen Einwohner letztere weitgehend für die Reichs-kultur gewann. I m Sinne einer scharf nationalrömischen, offenbar senatorischen Richtung verurteilt Prokop die Ent-wicklung und sieht auch in Alarich, dessen Westgoten „unter seiner Führung sich zum Angriff gegen beide Kaiser wandten und von Thrakien ausgehend ganz Europa als Feindesland behandelten" ( I I I 2/7), einen argen Bösewicht.

6 Über Odoakar siehe auch Excerpta Valesiana § 46 ff. mit den entsprechenden Erläuterungen !

9 Über Theodorichs Anfänge siehe auch E . V. ( = Excerpta Valesiana) § 49 ff. !

13 Der Versuch Theodorichs, das Jonische Meer zu überque-ren, gehört einem früheren Feldzug an.

16 Die genauen Angaben Prokops über die - inzwischen stark veränderte - Umgebung der alten Seestadt Ravenna gehen auf persönliche Eindrücke zurück.

27 Die bei Theodorich erwähnten Eigenschaften der Gerech-tigkeit, Gesetzlichkeit, Klugheit und Tapferkeit entsprechen dem Herrscherideal Prokops. Gleichwohl wird im folgenden (1/29) auch auf Theodorich die Bezeichnung Gewaltherrscher = . Tyrannos angewandt, was damals soviel wie Empörer, Usurpator und dergl. bedeutete. Streng römisch-legitimisti-sches Denken konnte sich (wie auch bei Odoaker, bei dem die Dinge freilich etwas anders liegen) offenbar nicht mi t der Herrschaft eines Ausländers über Römer abfinden, mochte auch der Hof in Byzanz seine förmliche Zustimmung erteilt haben.

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E R L Ä U T E R U N G E N 1013

Prokop folgt in seinem Bericht über Boethius und Symma- 33 chus sicher der senatorischen Überlieferung, die beide zu Märtyrern für die Sache ihrer Standesgenossen machen woll-te und auch - in noch verschärfter Form - bei E . V. § 85ff. und 92 vorliegt. Das in den letzten Regierungsjähren ziemlich gespannte Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche trug ebenfalls dazu bei, den auffallenden Gegensatz in der Be-wertung von Theodorichs Regierungstätigkeit und Lebens-ausgang zu schaffen.

Die Symmachus-Anekdote gehört der bald nach Theodo- 35 richs Tod üppig wuchernden Sagenbildung an, die seinem Bilde sogar teuflische Züge lieh. Die bei Prokop erwähnte Reue Theodorichs entspricht insofern den historischen Tat-sachen, als er bei seinem Tode einem antirömischen Kurs ent-sagt und seine Nachfolger auf enge Verbindung mit dem Kai-serhof verpflichtet zu haben scheint (Jord. Get. 304; Rom. 367 - Cassiodor Var. V I I I 5/1).

2. K a p i t e l Amalasuntha, beim Tode ihres Vaters etwa 30 Jahre alt 1

und seit etwa 4 Jahren Witwe, besaß nach Prokops Darstel-lung (2/3) eine ihrem Vater ähnliche, entschiedene Denkungs-art , war aber von Jugend auf in römischer Bildung erzogen und ihrem Volke dadurch entfremdet. So zielte ihre Regie-rung auf Frieden und Aussöhnung mit den Römern : In die-sem Sinne wurden die erwähnten Gnadenakte erlassen, die obersten Staatsbeamten ausgewechselt und die Rechtsstel-lung der Römer nachdrücklich geschützt. Der von Theodo-rich gegen die Vandalen vorbereitete Feldzug wurde einge-stellt, während die über den Westgotenkönig Amalarich aus-geübte Vormundschaft von selbst endete.

In dem Streit um die Erziehung des Atalarich künden sich 6 in novellistischer Ausmalung die unter Amalasunthas Regie-rung wachsenden Spannungen zwischen der römerfreundli-chen und nationalgotischen Richtung an.

Die Eroberung Thüringens durch die Franken (531) und 23 der Sturz der dortigen mit den Amalern (durch Heirat mit Amalaberga) eng verbundenen Dynastie, die Niederlage und der Tod des jungen Westgotenkönigs Amalarich im Kampf mit den Franken (533) und schließlich die Einverleibung von ganz Burgund in das Merowingerreich (534) erschütterten

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gleichzeitig das Ansehen des ravennatischen Hofes in der Germanenwelt. Unter dem Druck dieser Entwicklung lehnte sich Amalasuntha mehr und mehr an Byzanz an und dachte schließlich sogar an friedliche Rückgabe des Ostgotenreiches in römische Hände. Justinian, seit 527 Kaiser, unterstützte nach Kräften diese Entwicklung, war aber zunächst durch den seit 526 spielenden Perserkrieg am unmittelbaren Ein-greifen gehindert.

3. Kap i t e l 1 Theodahat (534-536) scheint in seiner unkriegerischen, der

Philosophie zugekehrten Art etwas satirisch, vielleicht auch nur typologisch verzeichnet, doch ist seine Habgier und deren Zurechtweisung durch Theodorich (Cassiodor Var. IV 39, V 12) bezeugt.

a Die Gesandten trafen etwa Mittsommer 533 in Rom ein, während eben die byzantinische Flotte auf der Fahrt gegen das Vandalenreich begriffen war und dabei auf Sizilien weit-gehende Unterstützung durch die ostgotische Regierung er-fuhr.

6 Prokops Ausführungen kennzeichnen seine auch sonst viel-fach bezeugte Ablehnung aller dogmatischen Streitigkeiten.

13 Die Gesandtschaft des Alexander - Prokops Chronologie ist nur mit Vorsicht zu verwenden - dürfte erst nach dem ent-scheidenden römischen Sieg in Afrika, also Anfang 534, in Ravenna eingetroffen sein.

17 Die beiden diplomatischen Schreiben sind vermutlich dem Gesandtschaftsbericht des im folgenden (3/30) genannten Petrus entnommen, der, von Justinian hochgeschätzt, durch drei Jahrzehnte eine bedeutende diplomatische Tätigkeit ent-faltete und neben anderen historischen Arbeiten auch Doku-mente aus seinem Wirkungskreis veröffentlichte. Ihrem In-halt nach passen die zwei hier erwähnten Briefe sehr gut in die Zeit, da die kaiserliche Regierung durch den Erfolg in Afrika gehoben, mit unmittelbaren Drohungen die Ostgoten einzuschüchtern und die „Endlösung" vorzubereiten begann.

28 Daß sich in dem Hinweis auf den Widerspruch zwischen öffentlicher und geheimer Erklärung Amalasunthas eine Kri-tik an Justinians Politik bzw. der Berichterstattung des Pe-trus verbirgt, wie Rubin in seinem RE-Artikel (Sonderdruck Sp. 156) annimmt, möchte ich bezweifeln. Wahrscheinlich

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ERLÄUTERUNGEN 1015

fand Prokop einen entsprechenden Hinweis in seiner Quelle, ha t diese aber so gekürzt, daß die Darstellung - wie auch in den folgenden Abschnitten - sprunghaft und ungenau wird. Müssen übrigens zu diesem Zeitpunkt nicht schon Amala-suntha und Theodahat zusammengearbeitet haben ?

4. K a p i t e l Theodahats Maßregelung durch Amalasuntha ist durch 1

Var. X 3 u. 4 bezeugt ; die angeblich dadurch veranlaßte Feindschaft findet hingegen in den Var. keine Stütze. Allem Anschein nach ha t das Gerichtsverfahren Theodahats Erhe-bung zum König tatsächlich vorbereitet. Zielte übrigens die Aussonderung des Patr imoniums nicht auf Rückgabe an den Kaiser hin ?

Der Tod Atalarichs (2. Okt. 534) beendete Amalasunthas 4 Aufgabe als Vormündin und Regentin. Sollten nicht die Kon-t inui tät der Amalerherrschaft unterbrochen werden und die Übergabeverhandlungen mit Byzanz dicht vor dem Ab-schluß scheitern, so mußte Theodahat als nächsterbberech-tigtes Mitglied der königlichen Familie einspringen.

Briefe (Var. X 1-4) aus den letzten Monaten des Jahres 10 534 zeigen Amalasuntha (nunmehr Königin) und König Theodahat in gutem Einvernehmen und bemüht, mit dem Kaiser in Byzanz und dem Senat in Rom enge, vertrauens-volle Zusammenarbeit zu pflegen. Unter dem Druck der go-tischen Nationalpartei mußte Amalasuntha indessen bald von ihrer — rechtlich kaum haltbaren - neuen Stellung wei-chen und sich zunächst in die ehrenvolle Schutzhaft Theoda-hats (wohl im Palast zu Ravenna) begeben, von wo sie den 4/16 erwähnten Brief schrieb.

Petrus unternahm nach Ausweis der sonstigen Überliefe- 17 rung (u. a. Liber Pontificalis ecclesiae Ravennatis des Agnel-lus, Chron. minora 1, 333) in den Jahren 534/5 zwei (oder gar drei ?) Gesandtschaftsreisen nach Italien, die Prokop aber zusammenwirf t : Nach Var. X 19, einem Dankbrief Theoda-hats an Justinian, ha t ersterer die kaiserliche Bestätigung sei-nes Regierungsantrittes - wahrscheinlich durch Petrus - er-halten und sendet nun diesen Petrus zwecks weiterer Ver-handlungen nach Byzanz zurück. Dringend verlangt er (Var. X 20) - und seine Gemahlin Gudeliva in einem gleichzeitigen Schreiben (Var. X 21 ) an Theodora - rascheste Einlösung

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von Versprechen und verleiht durch besondere Entsendung eines Vertrauensmannes diesem Wunsch noch weiteren Nachdruck. Wahrscheinlich war Amalasuntha bei Petrus ' erstem Aufenthalt am Hofe zu Ravenna ihrer Würde noch nicht entkleidet. Die Nachrichten 4/17-20 können wir mit gutem Grund auf die erste Reise des Petrus beziehen.

21 Die im folgenden geschilderten Vorgänge spielen während der zweiten Gesandtschaft des Petrus, wohl zu Beginn des Jahres 535 ; Amalasuntha ist inzwischen gestürzt, aber noch nicht in enger H a f t auf der Insel im Bolsenasee, so daß sie noch mit einiger Berechtigung die 4/16 erwähnte Erklärung abgeben konnte und auch die Gesandtschaft des Liborius und Opilio sich nicht selbst widerlegte. Während nun Petrus in Aulon auf weitere Anweisungen des Kaisers wartete, ließ Theodahat seine Gefangene nach Tuscien schaffen, vermut-lich, um sie inmitten seines dortigen Landbesitzes und in der Nähe Roms besser vor der gotischen Opposition schützen zu können. Petrus ' Eintreffen in Italien veranlaßte dann Amala-sunthas Gegner, allen Rettungsversuchen ein Ende zu ma-chen und die „Verräterin" zu töten (30.4.535). Einen zeitli-chen Zusammenhang zwischen der Ankunf t des Petrus und dem Tode Amalasunthas stellen auch die Anekdota (16/5) her, wobei freilich der angebliche Mordbefehl Theodoras Hof-klatsch gewesen sein dürf te .

31 Theodahat, jetzt in der Hand der gotischen Nationalpar-tei, muß weiterhin vorsichtig verfahren, u m gegenüber sei-nen mißtrauischen Unter tanen das Gesicht zu wahren und gleichzeitig die kampflose Übergabe seines Königreiches an Justinian vorzubereiten. Wie sich unserem Geschichtsschrei-ber die diplomatischen Verhandlungen ziemlich durcheinan-derschoben, so vermochte er auch Theodahats Doppelrolle nicht ganz zu durchschauen und erlag der Gefahr, das Wider-sprüchliche der weiteren Vorgänge lediglich aus der Feigheit, Unbeständigkeit und Habsucht des Königs abzuleiten. Viel-leicht enthielt schon seine Quellschrift eine tendenziöse Ver-änderung des historischen Vorgangs, wodurch nicht nur ein Teil des gotischen Volkes, sondern auch der König mit Schuld beladen und Justinians Vorgehen gegen Theodahat begrün-det werden sollte. Nach der Unterwerfung Afrikas entspre-chend gerüstet, konnten die Römer jetzt von diplomatischem Geplänkel zu kriegerischen Maßnahmen übergehen.

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5. K a p i t e l Just inians 9. Regierungsjahr beginnt mit dem 1. April 535, 1

der Gotenkrieg Mitte dieses Jahres. Die ersten Unterneh-mungen entsprechen nicht der Ankündigung des Petrus (4/30), der Kaiser wolle einen „erbarmungslosen Krieg" füh-ren : Vorsichtig tasten sich vielmehr die römischen Truppen an die gotischen Randgebiete heran, Mundus besetzt das kaum verteidigte Dalmatien, während Beiisar zunächst nur einen Landeversuch auf Sizilien unternehmen soll. Die römi-sche Streitmacht ist auch viel schwächer als beim Einsatz gegen Afrika. Offenbar rechnete Byzanz - auf Grund gehei-mer Abmachungen - mit keinem ernsten Widerstand, son-dern mit einer unblutigen Besitznahme.

Die Verbindung mit den Franken, schon früher von By- 8 zanz gepflegt, sollte gotische Truppen in Südgallien und Norditalien fesseln. Nachdrücklich setzte die kaiserliche Re-gierung auch die Orthodoxie der Franken gegenüber den aria-nischen Goten in Rechnung.

Prokop weilte während der Besitznahme Siziliens noch im 12 Gefolge Salomons in Afrika, was die Kürze seines Berichtes erklärt. I m übrigen scheint die gotische Regierung keinerlei Verteidigungsvorbereitungen auf der Insel getroffen zu haben.

6. K a p i t e l Die folgenden Ausführungen fußen wohl großenteils auf 1

Petrus ' Gesandtschaftsbericht. Anfang des Jahres 536 ge-lingt es diesem, durch Verhandlungen in Ravenna Theodahat zunächst zu weitgehender Unterordnung und (nach Rückkehr von Albano bei Rom, nicht von Albanien) sogar zu einer Ab-dankungserklärung zu veranlassen. Die Var. X 22-24 vor-liegenden demütigen Bittschreiben Theodahats und Gudi-levas mögen damals (4/13) nach Byzanz abgegangen sein. Um das Mißtrauen seiner Goten zu beschwichtigen, veran-laßte Theodahat fast zu gleicher Zeit (Wende 535/6) einen diplomatischen Schritt in Byzanz : Papst Agapet I. reiste im Auftrag des Königs und mit ausdrücklicher Unterstützung des Senats an den Kaiserhof, um dort die Einstellung der Feindseligkeiten zu erreichen - ein von Anfang an natürlich erfolgloses Unternehmen. Prokops Schweigen erklärt sich wohl daraus, daß der Bericht des Petrus nichts davon enthielt.

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7. K a p i t e l

5 Im Kampf der „Sieben gegen Theben" siegten zwar die Verteidiger der Stadt (und ihrer Burg Kadmea), doch fiel der König Eteokles im Kampf gegen seinen Bruder Polyneikes. Daher spricht Prokop beim Tode des Mundus von einem kad-meischen Sieg.

7 Obwohl die drei berühmten Sibyllinischen Bücher damals in Rom nicht mehr vorhanden waren, gab es doch zahlreiche „Sibyllen", auch im christlichen Gewände. Prokop ist im Geiste seiner Zeit Prophezeiungen und Wunderzeichen ge-genüber ziemlich aufgeschlossen. Im übrigen erweist sich an der Wiedergabe des Orakels Prokops Kenntnis der lateini-schen Sprache.

11 Bei Rückkehr der Gesandtschaft (April/Mai 536) hatte sich die allgemeine Lage zuungunsten der Römer verändert : Während der Angriff auf Dalmatien nach dem Tode des Mundus abgebrochen werden mußte, war Beiisars kleine Ar-mee in Sizilien durch den Aufstand des Stotzas in Afrika ge-lähmt ; er selbst mußte sogar nach Afrika übersetzen, um die Ruhe dort wieder einigermaßen herzustellen (IV 4/13ff.). Außerdem hatten die Goten mit den Franken Verhandlun-gen (V 13/14ff.) angeknüpft, um gegen Abtretung des goti-schen Teils von Gallien ihre Bundesgenossenschaft zu gewin-nen. Theodahat war unter diesen Umständen zu energischem Auftreten gegen die byzantinischen Gesandten genötigt, die nun auf rasche Einlösung seiner früheren Zusagen drängten und auch (siehe Schreiben 7/23, 24) den übrigen Goten ge-genüber keine Zurückhaltung mehr übten. Sollte sich nicht sofort die gotische Opposition gegen Theodahat erheben, mußte er die Gesandten ausschalten. An dieser Stelle endet der Bericht des Petrus.

26 Der Gegenschlag des Konstantianus erfolgte dicht vor der Sommersonnenwende (536), womit Prokop jeweils seine Kriegs jähre enden läßt.

8. K a p i t e l

1 Nach seiner durch den Aufstand des Stotzas erzwungenen Abreise aus Afrika (Frühjahr 536) nimmt Prokop nunmehr als Augenzeuge an den Unternehmungen Beiisars teil.

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Das Verhalten des Schwiegersohns Theodahats und seine 3 ehrenvolle Behandlung durch die Römer zeigt das nach wie vor bestehende enge Einvernehmen des Gotenkönigs mit den Feinden ; untätig residiert er weiterhin in Rom und erwartet hier, ohne an eine entschiedene Kriegshandlung zu denken, inmitten seiner römischen Freunde die Ankunft Beiisars.

Prokop zeigt sich über die inneren Verhältnisse Neapels β gut unterrichtet und läßt die Beteiligten in sachlichen Aus-führungen zu Worte kommen. Die wohltuende Objektivität darf uns freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß Beiisars Güte und Großzügigkeit in allzu günstiges Licht gerückt werden (8/25) ; dadurch soll die peinliche Enttäuschimg, wel-che Neapels überraschender Widerstand den Römern berei-ten mußte, und die von Beiisar, „dem Befreier Italiens", si-cher nicht gewollte Katastrophe der Stadt in ihrer Wirkimg gemildert werden.

Die Juden erfreuten sich, wie auch anderwärts bezeugt, 41 guter Behandlung durch die Goten.

9. K a p i t e l Prokop kann Theodahats Tatenlosigkeit nicht mehr allein 1

aus dessen angeblicher Feigheit erklären und greift daher -zwar mit Vorbehalt - zu einem Orakel, das an dieser Stelle einen wirkungsvollen Ausblick auf den Kriegsablauf eröffnet.

Prokop scheint nicht ganz in Beiisars geheimen Auftrag 9 gegenüber Theodahat eingeweiht gewesen zu sein; sonst spräche er nicht von einem „Winterfeldzug" gegen ihn und Rom.

Auch bei der Belagerung Roms durch die Goten sollte eine 11 trockengelegte Wasserleitung heimliches Eindringen ermög-lichen, doch wurde in diesem Fall der Anschlag noch recht-zeitig entdeckt (VI 9/lff.). Die eindrucksvolle Schilderung derartiger Strategemata ist eine besondere Stärke Pro-kops.

Das erneute Angebot Beiisars an die Einwohner von Nea- 22 pel soll diesen offensichtlich vom odium des blutigen Siegers über Römer befreien ; der Schluß der Mahnrede (9/28) weist klar in diese Richtung. Im übrigen sucht Prokop aus der ihm eigenen Weltschau heraus das Unglück Neapels als uner-forschliche, unausweichliche Schicksalsfügung ideell zu be-wältigen (9/30).

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10. K a p i t e l 1 Die eingehende Schilderung der Einnahme Neapels spart

zwar nicht mit Bemerkungen, welche die römische Kriegs-führung belasten mußten, läßt aber Beiisar möglichst un-schuldig und die gesamten Auswirkungen doch noch als er-träglich erscheinen; der abstoßende, von Beiisar sicher zu verhindernde Mord an Stephanus wird den Neapolitanern zu Last gelegt. Jordanes (Rom. 370ff., Get. 311) hingegen sowie Marcellinus com. (add. zum Jahre 536) sprechen von schwe-rer Plünderung und Verwüstung, der Liber Pontificalis L X (Vita Silverii) sogar von Ermordung der Goten und sämtli-cher Einwohner und rücksichtslosem Wüten gegen „Priester, Diener Gottes und geweihte Jungfrauen" . Nach Landolfus Sagax (M. G. Auct. ant . I I 373ff.) mußte die heimgesuchte Stadt von Beiisar durch Süditaliker, Sizilianer und afrikani-sche Gefangene neu besiedelt werden. Zweifellos haben die Kämpfe um Neapel, die Beiisar fast einen Monat festhielten und ihm viele Sympathien kosteten, seine Unternehmungen in Italien schwer beeinträchtigt.

11. K a p i t e l 1 Die gotischen Truppen standen, nachdem Theodahat sie an-

geblich „zur Schonung der Stadt R o m " (Var. X 13, ^ g r o ß e n -teils aufs Land verlegt hat te , im Süden Latiums und zwar am Kanal Decennovium unweit Tarracina, in der Weite der Campagna, wo sich für die Reiterei gute Weideflächen fanden.

Bezeichnenderweise läßt Prokop den Verdacht, daß Theo-dahat mit den Römern ein abgekartetes Spiel trieb, nur durch die Goten aussprechen und nimmt selbst keLiO Stellung dazu. Beiisars Unternehmen hä t te dadurch Eintrag erlitten.

3 Prokop kennt das Circäische Vorgebirge, eine mit dem Festland zusammengewachsene ehemalige Insel, aus Autop-sie. Auch an anderen Stellen bemüht er gerne seine aus Ho-mer (oder einem Homerlexikon) geschöpften Kenntnisse, um auf Örtlichkeiten näher einzugehen.

5 Die Königswahl des Wittigis erfolgte Ende November 536 unter dem Eindruck des unmittelbar bevorstehenden Vor-marsches Beiisars auf Rom. Die Tatsache, daß Wittigis sich gelegentlich von Grenzkämpfen - in seinem Falle gegen die Gepiden an der unteren Save etwa 530 - auszeichnete, er-

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E R L Ä U T E R U N G E N 1021

innert an die drei von Amalasuntha zunächst an Grenzposten versetzten, dann beseitigten gotischen Adeligen (V 2/21); ihrem kriegerischen Denken und ihrer Ablehnung der römer-freundlichen Amalerherrschaft stand Wittigis sicherlich nahe.

Theodahats unrühmliches Ende fällt in den Anfang De- 6 zember 536. Mit seinem Tod war allenfallsigen Widerstands-versuchen amalerfreundlicher Goten vorgebeugt. Daß Witti-gis mit solchen Kräften zu rechnen hatte, beweist einerseits die Verhaftung des Theudegisklus, andererseits die hartnäk-kige Gregnerschaft der ihm später (V 11/27) gewaltsam ange-trauten Matasuntha, der Tochter Amalasunthas.

Die von Prokop eingefügte Rede des Wittigis enthält viel 12 Rhetorik und ist, was sachliche Gesichtspunkte anlangt, aus den Überlegungen des Geschichtsschreibers herausgespon-nen : Was mußte der König sagen, um so handeln zu können, wie er tatsächlich handelte ? Im übrigen sieht Prokop den König ganz richtig als den Wiederhersteller der von Theodo-rich begründeten, durch seine Nachfolger aber verratenen „guten Überlieferungen", so wie auch die offizielle Regie-rungserklärung (Var. X 31) Wittigis in enge Verbindung mit Theodorich setzt. Wittigis suchte neben den Rüstungen her den Faden nach Byzanz nicht abreißen zu lassen: Geschickt an Justinians Vorwand zur Kriegserklärung anknüpfend be-tont er in einem Schreiben an den Kaiser (Var. X 32), daß nun kein Grund mehr zur Fortsetzung des Krieges bestehe, da Theodahat, „der Mörder Amalasunthas", bestraft und deren Tochter zur Königin erhoben sei. Dieser - natürlich er-folglose - Friedensfühler wird von Prokop nicht erwähnt. Wußte er nichts davon oder wollte er die Kriegsentschlossen-heit des Wittigis durch nichts verkleinert sehen, um so Beii-sars Rolle im folgenden Kampf um Rom möglichst glänzend herauszuheben Î

Die Tatsache, daß Wittigis nur 4000 Goten als Besatzung 26 in Rom zurückließ, jedoch zahlreiche Senatoren als Geiseln mit nach Ravenna nahm, beweist zur Genüge, wie er über die innere Einstellung der Römer und ihren Widerstandswillen -allen gegenteiligen Versicherungen zum Trotz - dachte.

12. K a p i t e l Das drohende Eingreifen der Franken auf der Apenninen-

halbinsel gibt Prokop Anlaß, den Blick seines Lesers durch

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1022 P R O K O P

einen geographisch-ethnographischen Exkurs zu weiten. Der Abschnitt beweist, wie eng damals noch die Verbindun-gen zwischen Byzanz und dem politisch längst selbständig gewordenen gallischen R a u m waren. Als Quelle scheint ein geographisches Handbuch benutzt .

3 Die doppelte Verwendung des Begriffes Alpen dürf te wahr-scheinlich auf einen I r r t um Prokops zurückgehen.

8 Die ältesten, seit dem 3. Jahrhunder t nachweisbaren Sitze der Franken lagen am Unterrhein.

9 Unter den Arborychern sind die Kelten der Armorica (vom Unterlauf der Seine bis zur Bretagne) zu verstehen, die eine gewisse Sonderstellung bewahrten.

10 Die Angabe über die Thüringer kann vielleicht in Zusam-menhang mit der Ansiedlung von Hermunduren durch L. Domitius Ahenobarbus (um Christi Geburt in Mainfranken) gebracht werden.

12 Die Burgunder erscheinen hier nicht in ihren ältesten nach-weisbaren (Bornholm = Burgundaholm!) Sitzen, sondern in der Landschaft um Worms, wo sie sich zu Beginn des 5. Jahr -hunderts niedergelassen hat ten und das Nibelungenlied spielt ; ihr dortiges Reich wurde durch Aëtius mit hunnischer Hilfe zerschlagen (436), worauf sie südwärts ins Rhonetal und die Westschweiz abwanderten (Burgund).

Zur gleichen Zeit wie die Burgunder waren auch Sueben über den Rhein vorgestoßen und ha t ten schließlich in Nord-westspanien ein Reich gegründet.

Die Alemannen, seit dem 3. Jahrhunder t nachweisbar, schoben sich über den Limes hinweg zum Rheinknie und dar-über hinaus vor, bis ihnen die Franken Hal t geboten (496).

Prokops ethnographische Quellen scheinen die Verhält-nisse verschiedener Zeitalter nicht scharf voneinander zu trennen.

12 Die Ansiedlung der Goten in Gallien (und dann in Spa-nien) beginnt 412. 475 ist Eurich selbständiger Westgoten-herrseher, sein Reich dehnt sich bis an die Rhone und Loire.

13 Hinter Prokops Bericht über die Arborycher dürf te sich folgender historischer Befund verbergen : Die Armorica löste seit etwa 446 ihr Untertänigkeitsverhältnis zum Reich und nahm an der Schlacht auf den Katalaunischen Gefilden 451 nur mehr als ein mit Rom föderiertes Land teil (Jord. Get. 191). Die Franken, damals selbst noch schwach und im Föde-

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ERLÄUTERUNGEN 1023

ratenverhältnis mit Rom, vermögen die Armoricer nur in lockere Abhängigkeit zu sich zu bringen.

Bei den Einwohnern der „äußersten Teile Galliens" han- 16 delt es sich wohl um Bretonen, die erst unter Chlodwig zum Frankenreich kommen, sich aber dauernd eine gewisse Selb-ständigkeit wahren. Der Hinweis auf das Fortleben römischer Einrichtungen in Gallien ist bezeichnend für Prokops Römer-stolz.

Odoakar t r a t mit Regierungsbeginn den Rest der gallischen 20 Präfektur - das Land zwischen der unteren Rhone und dem Alpenkamm — an die Westgoten ab.

Über Theodorichs Bündnispolitik, vornehmlich zur Ein- 21 dämmung der fränkischen Gefahr, siehe die Erläuterungen zu den Excerpta Valesiana § 63, 68, 72 (Seite 1245ff.)!

Theodorichs vorsichtiges Verhalten im Burgunderkrieg 26 fällt in das J a h r 523; damals sicherte er sich einen erhebli-chen Teil des burgundischen Landes.

Die Lokalisierung der Entscheidungsschlacht zwischen 35 Westgoten und Franken bei Carcasso ist unrichtig; die Schlacht wurde 507 bei Poitiers (in campo Vogladensi = Vouillé) geschlagen.

Theudis, Waffenträger Theodorichs, wurde dessen Stellver- 60 treter in der Regierung des Westgotenreiches und baute seine Macht immer stärker aus. Nach dem Tode Amalarichs wurde er Westgotenkönig (etwa 530).

13. K a p i t e l

Theodorich, der Sohn Chlodwigs, besiegte 531 die Thürin- 1 ger. Nach der Beseitigung ihres Königs Hermenefried gerie-ten die Thüringer ab 534 in die Abhängigkeit der Franken. Damals floh dessen Witwe Amalaberga schutzflehend samt ihren Kindern nach Ravenna.

Nachdem der Burgunderkönig Siegismund 523 im Kampf 3 gegen die Franken eine Niederlage erlitten und späterhin in ihrer Gefangenschaft ein gewaltsames Ende gefunden hatte, sein Bruder und Nachfolger Godomar aber vorübergehend in größte Bedrängnis geraten war (hierauf scheint die im Text erwähnte Einschließung in eine Landesfestung zu deuten), konnte letzterer im Jahre darauf (524), unterstützt von Theodorich, die Franken bei Veseroncia entscheidend schla-

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1024 P R O K O P

gen und die Selbständigkeit seines Landes für weitere 10 Jahre retten. 534 fiel Burgund endgültig in fränkische Hand. Godomars weiteres Schicksal ist unbekannt.

4 Amalarich, seit Theodorichs Tod (526) der ostgotischen Vormundschaft entwachsen und selbständiger Herrscher der Westgoten, heiratete, um sich gegen die Franken Sicherheit zu schaffen, Chlothilde, eine Schwester Childeberts (nicht Theudiberts). Darüber löste sich das bisherige enge Verhält-nis zwischen Ost- und Westgoten auf militärischem und po-litischem Gebiet, doch blieben zahlreiche Ostgoten in Spa-nien zurück ; dieser Umstand dürfte vor allem den Weiterbe-stand des connubium veranlaßt haben.

9 Am religiösen Gegensatz entzündete sich 531 von neuem die Feindschaft zwischen Westgoten und Franken. Nach Gregor v. Tours (Hist. Franc. III 10) fiel Amalarich bei ei-nem Fluchtversuch in Barcelona, unsicher, ob durch die Hand der Feinde oder eigener Leute, worauf der Franken-könig (Gregor nennt richtig Childebert !) mit seiner Schwester Chlothilde und „ihren großen Schätzen" nach Gallien zu-rückkehrte. Nach dem Verlust Südwestgalliens (Gascogne) schrumpft der westgotische Besitz in Gallien auf Septima-nien zusammen.

14 Hier wird die 11/28 abgebrochene Erzählung wieder auf-genommen. Ein Kentenarion ist gleich 100 römische Pfund (32,7 kg). Bei dem abzutretenden Gebiet handelt es sich um den südlichsten Streifen der Provence, zwischen Rhone (auf-wärts bis Arles) und Alpen.

17 Die Rede des Wittigis ist natürlich das Werk Prokops, gibt aber klar die mutmaßlichen Gedanken des Königs wieder. Ebenso wie dicht nach seiner Königswahl ver-sichert sich Wittigis auch hier der Zustimmung der führen-den Goten.

27 Die damals regierenden Frankenkönige waren die Chlod-wigsöhne Ildibert (Childebert) und Chlotar, sowie deren Neffe, der Sohn des 533 verstorbenen Theodorich, Theudi-bert. Der vierte Sohn Chlodwigs, Chlodomer, war 524 (siehe oben!) im Kampf mit den Burgundern gefallen.

28 Die heimliche, freilich höchst eigennützige Unterstützung der Ostgoten durch die Franken müssen wir für den ganzen folgenden Krieg in Anschlag bringen ; sie währte bis über den Tod Tejas hinaus.

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E R L Ä U T E R U N G E N 1 0 2 5

14. K a p i t e l

Wort und Begriff der Sibylle kommen den Römern von 3 den Griechen zu, die eine solche zunächst nur in Erythrai bei Smyrna kannten ; doch entfaltete sich schon frühzeitig in Cumae, der ältesten griechischen Siedlung in Italien, eine eigene Sibylle, die durch die sog. Sibyllinischen Bücher gro-ßen Einfluß in Rom gewann. I m Innern des Akropolisberges von Cumae läßt sich heute noch die Sibyllengrotte fest-stellen. Die Oracula Sibyllina, späte Sammlungen, beschäf-tigten noch das Christentum bis tief in das Mittelalter hinein.

Paps t Silverius (1. 6. 536 bis 11. 11. 537) wurde bald nach i Beiisars Einmarsch in Rom zugunsten des kaiserfreundlichen Vigilius (29. 3. 537 bis 7. 6. 555) ent thront , nach dem Osten abgeführt und starb, von seinem Nachfolger verbannt, auf der Insel Palmaria bei La Spezia.

Fidelius, sichtlich eine der treibenden Kräf te unter der 5 römischen Hocharistokratie, wird später zum Lohn für sei-nen Parteiwechsel zum praefectus praetorio bestellt (V 20/20), findet aber vor Ticinum (Pavia) durch Gotenhand den Tod (VI 12/34ff.).

Die sog. Latinische Straße führ te mehr im Innern Latiums 6 durch das Tal des Liris und Tolerus über Fregellae und Tus-culum nach Rom und wurde von Beiisar wohl aus Sicher-heitsgründen gewählt; auf der großenteils dicht am Meer bzw. durch die Pomptinischen Sümpfe führenden Via Appia mußte er fürchten, mit der kurz zuvor noch bei Tarracina (Regata) festgestellten gotischen Reiterei zusammenzusto-ßen. Die eingehende Schilderung der Via Appia geht auf per-sönliche Kenntnis zurück. Ihr Erbauer Appius Claudius Cae-CU8 war 307 und 296 Konsul, so daß Prokops Angabe, sie sei neunhundert Jahre alt, ziemlich genau st immt.

Die Por ta Asineria liegt im Osten der Stadt ; in ihrer Nähe 14 endet die Via Latina. Von der im Norden Roms gelegenen Por ta Flaminia aus führ t die gleichnamige Straße nach Ra-venna. Der Liber Pont . (Vita Silverii 4) gibt als Tag der Ein-nahme Roms den 10. Dezember 536. Justinian stand damals erst im 10. J ahre seiner Regierung. Die 60 Jahre Barbaren-herrschaft weisen auf das J a h r 476, den Regierungsantritt Odoakars, zurück.

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1026 P R O K O P

16 In Rom wurden offensichtlich Zweifel an Beiisars Krieg-führung laut ; jedenfalls war bei seiner bescheidenen Streit-macht der Vorstoß auf Rom ein gewagtes - durch die Ent -wicklung der Verhältnisse erzwungenes - Unternehmen.

15. K a p i t e l

Die Ausdehnung des Krieges auf Mittelitalien veranlaßt Prokop, dem Leser einen (großenteils aus persönlichen Ein-drücken gewonnenen) Überblick über Land und Leute zu geben.

4 Die Route über Benevent (Via Appia) nach Brundisium war der nächste und häufigst benutzte Weg von Rom in den Osten. Bemerkenswert ist Prokops fast romantisches Inter-esse für alte, bes. mit Mythen in Verbindung stehende Kunst-werke.

16 Zwischen Adria und Jonischem Meer wurde in der Antike nicht scharf geschieden, ebenso wie zuweilen zwischen Joni-schem und Thyrrhenischem Meer die Bezeichnungen im Flie-ßen waren. Der „tief ins Festland eindringende Arm" ist das heutige Adriatische Meer.

17 Der krisäische Meerbusen entspricht heute dem Golf von Korinth. An seinem Ostende lag einer der Häfen von Ko-rinth, Lechaion.

18 Der Melas ist der nördlich der Halbinsel Gallipoli gelegene Meerbusen. Die Hinweise auf Meeresarme, die durch einen nur schmalen Is thmus abgeschlossen werden, scheinen Lese-früchte Prokops, der sie wahrscheinlich einem geographi-schen Handbuch entnahm, wo sie mit einer bestimmten Theorie in Verbindimg gebracht wurden.

20 Die Besiedelung der italischen Küsten und der östlich der Adria gelegenen Gebiete wird in der Art von Periploi ge-schildert. I m ganzen verrät die Aufstellung gute Ordnung, doch nimmt mit der Entfernung die Genauigkeit ab ; so woh-nen die Ligurer, zum mindesten in ihrer Masse, nicht links, sondern rechts des Po.

Welche Berechtigung haben zu Prokops Zeiten die „Gal-lier" noch neben den Franken (29) Î Hydrus ist das heutige Otranto.

22 Zwischen Lukanien und dem Gebiet von Rom (Latium) liegt - das hier übergangene — Kampanien.

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ERLÄUTERUNGEN 1027

Wichtige Städte an der „Sohle" Italiens sind die altgrie- 23 chischen Kolonien Lokroi Epizephyrioi, Kroton und Thurioi.

Die Provinz Prekalis oder Praevali tana mit der Haupt- 25 Stadt Skodra (Skutari) umfaßte etwa das heutige Nordalba-nien und Montenegro.

Die Siskier wohnten um die Stadt Siskia, heute Sizak an 26 der Save abwärts Agram. Ob die Sueben als germanischer Stamm, bzw. als Vorgänger der Kroaten anzusprechen sind, ist noch nicht geklärt. Wahrscheinlich trugen sie ihren Na-men nach dem Fluß Savus-Save.

Karnier (Kärnten) und Noriker bewohnten das Gebiet des 27 heutigen Österreich. Singidunum entspricht dem jetzigen Belgrad, Sirmium der Stadt Mitrovica an der Save.

Die Landschaf t Langubilla ist wahrscheinlich südlich des 29 Oberlaufs des Po, entlang dem Flusse Tanarus (heute Ta-naro) zu suchen, wo jetzt die Stadt Alba liegt.

16. K a p i t e l Der Vorstoß nach Etrur ien verfolgte den Zweck, durch 1

Vorwegnahme wichtiger Punkte den Anmarsch der Goten zu hemmen und ein Vorfeld gegen Norden zu gewinnen.

Narnia beherrscht das Tal des unteren Nar, eines Seiten- 2 flusses des Tiber, und sperrt die Via Flaminia etwa 80 km nördlich Rom.

Konstant inus stößt auf der genannten Straße noch weitere 3 4 0 k m vor und n immt Spoletium (Spoleto); weitere 6 0 k m nördlich liegt beherrschend zwischen dem Lacus Trasimenus und dem Oberlauf des Tiber Perusia (Perugia).

Zur Anwerbung von Hilfstruppen im „Suebenland" - die 9 Sueben scheinen den Ostgoten tr ibutär gewesen zu sein - be-gaben sich Asinarius und Uligisalus wahrscheinlich auf der großen Heerstraße von Aquileia über Emona (Laibach) ins Savetal.

Die Stärkeangabe des Gotenheeres mit 150000 Mann ist 11 weit übertrieben und soll Beiisars späteren Sieg besonders herausheben. Demgegenüber sind Prokops Zahlenangaben über die römischen Truppenstärken vielfach von wohltuen-der Genauigkeit und Zuverlässigkeit.

Skardo (Scardona) liegt ungefähr 60 km nordwestlich Sa- 13 lonae an der von Aquileia heranführenden Straße und ent-spricht etwa dem heutigen Orte Sebenico. Burnus liegt 50 km

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Page 18: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1028 P R O K O P

nördlich davon beim Übergang aus dem Raum der oberen Save.

16 Es ist der einzige größere Flotteneinsatz der Ostgoten bis auf die späteren Jahre Totilas. Das Seewesen scheint schon von Theodorich nicht genügend gepflegt worden zu sein, was gegenüber dem flottenstarken Byzanz wesentlich zur Nieder-lage des Ostgotenreiches beitrug.

18 Über die weiteren Kämpfe um Salonae schweigt Prokop ; sie scheinen indessen erfolgreich für die Römer geendet zu ha-ben : Konstantianus jedenfalls wird späterhin (VI 30/2) durch den Kaiser beauftragt , sich von Dalmatien nach Ravenna zu begeben, während Uligisalus (VI 11/1) beim Rückzug des Wittigis von Rom (Anfang 538) als Befehlshaber in Tudera erscheint.

20 Die Anekdote von Wittigis' Aussprache mit dem Priester soll dessen triebhaftes Ungestüm hervorheben, damit Beii-sars besonnene Überlegenheit umso mehr in Erscheinung tre-ten kann. Zurückhaltender ist W. bei der Beratung in Re-gata gezeichnet.

17. K a p i t e l 12 Die Sperrung der Via Flaminia zwang wahrscheinlich Wit-

tigis, durch das Sabinerland, also weiter südlich, auf der Via Salaria zu marschieren und vielleicht nur Deckungstruppen auf der Via Flaminia zu belassen.

13 Es handelt sich um die Brücke über den Anio, der nörd-lich von Rom in den Tiber mündet und von der Via Salaria überquert wird.

14 Die Brückenbefestigung am Anio hät te , auch wenn die römische Besatzung an Ort und Stelle geblieben wäre, den Angriff der Goten kaum „zwanzig Tage oder mehr" aufhal ten können. Offensichtlich will Prokop mit seiner Darstellung den Leser über Beiisars Fehldispositionen bei der Sicherung und Verteidigung Roms hinwegtäuschen.

18. K a p i t e l Iff. Die Schilderung verrät unmittelbare Zeugenschaft Pro-

kops, der alles tu t , um Beiisars heldische Erscheinung, sein Geschick in der Waffenführung und Meisterung schwieriger Lagen, dazu die Verlässigkeit seiner unmittelbaren Begleiter in hellstes Licht zu rücken; auf gotischer Seite rundet das

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Page 19: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

E R L Ä U T E R U N G E N 1029

Schicksal des heldenhaften Bannerträgers Wisandus den be-wußt heroisch gestalteten Gesamteindruck. Taktisch gese-hen war Beiisars Erkundungszug gegen die Aniobrücke hin ein unüberlegtes Unternehmen, das überdies dem römischen Nachrichtendienst ein schlechtes Zeugnis ausstellt.

Die Por ta Praenestina befindet sich auf der Ostseite Roms ; 35 die im Westen der Stadt , jenseits des Tiber, gelegene Por ta Pankrat iana ist davon etwa 5 km entfernt , so daß bei Nacht leicht ein falsches Gerücht entstehen konnte.

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß der Gote Wakis latei- 40 nisch sprechen kann. Seine Worte enthalten die üblichen Be-schimpfungen, wie sie von den Römern gegenüber den ver-weichlichten „Graeculi" gebraucht wurden.

19. K a p i t e l Die Angabe, daß die Goten nur den Raum zwischen dem 2

Nord- (Porta Flaminia, dicht am Tiber) und dem Osttor (Porta Praenestina) mit Truppen besetzten, beweist, daß ihre Zahl höchstens 25000 bis 30000 Mann betrug und ur-sprünglich keine Aushungerung, sondern eine Erstürmung der Stadt geplant war. Ers t die Ankunf t der gotischen Trup-pen aus dem an die Franken überlassenen gallischen Gebiet (12) erlaubte es den Belagerern, die Westseite Roms jenseits des Tiber in den Ring miteinzuschließen.

Die Aquaedukte blieben nach der Belagerung großenteils 13 zerstört, was wesentlich zum Niedergang Roms beitrug.

Die Por ta Pinciana und Por ta Salaria lagen im Norden der 14 Stadt und waren dort dem feindlichen Druck besonders stark ausgesetzt.

Bei der Brücke handelt es sich um den Pons Aurelius, der 20 dicht beim Eint r i t t des Tiber in den Stadtbereich lag.

20. K a p i t e l

Prokop mißt Vorzeichen trotz mancher Bedenken große Iff. Bedeutung bei und fügt sie gern an entscheidenden Stellen ein, um so auf den Ausgang größerer Unternehmungen hin-zudeuten. Außerdem ist eine gewisse Freude am Anekdoti-schen mit im Spiele. Hier dient das Orakel auch dazu, den Gegensatz zwischen der mattherzigen Stadtbevölkerung und Beiisars Siegeszuversicht herauszustellen, ein Gegensatz, der

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1030 P R O K O P

bereits 14/16 und 18/24 aufklingend die folgende Handlung mitbest immt.

8 ff. Die zwar rhetorisch gehaltenen, aber durchaus begründe-ten Ausführungen der Gesandten müssen (wie Prokop viel-leicht sogar wollte ?) Beiisar in Verlegenheit bringen, der dar-auf nur mit der K r a f t seiner Persönlichkeit antworten kann. Das Wort von den Disteln (16) ist wohl ein authentischer, möglicherweise in Prokops Gegenwart gefallener Ausspruch des Feldherrn.

21. K a p i t e l Die eingehende und sachkundige Schilderung verschiede-

ner Kriegsgeräte stellt dem Wissen Prokops ein gutes Zeug-nis aus ; ihre Einflechtung an dieser Stelle soll den Leser über die Kampfpause bis zum 18. Tage der Belagerung hinweg-führen und zugleich die Spannung erhöhen.

22. K a p i t e l Iff. In bewußter For t führung des Gegensatzes zwischen der

törichten, ängstlichen Stadtbevölkerung und dem klugen, tapferen, vorausschauenden Beiisar konzentriert Prokop alles Licht auf dessen überlegenes Tun. Man beachte, daß erst an dritter Stelle der Pfeilregen des Heeres einsetzt !

12 Es handelt sich um die Por ta Aurelia nova, weiche die Mauer an der Moles Hadriani (Engelsburg) und dem dortigen Pons Aelius deckt.

13 Wiederum findet Prokop Gelegenheit, sein Verständnis für Architektur und Plastik zum Ausdruck zu bringen. In die-sem Verhältnis zum schön geformten Stoff dürfen wir eine wichtige Voraussetzung für sein Werk „Über die Bau ten" sehen.

21 Wir befinden uns in der Nähe der alten Petersbasilika, die Kaiser Konstantin vor den Mauern Roms errichten ließ.

23. K a p i t e l 1 ff. Die Goten scheinen gegen den Westteil der Stadt und am

linken Tiberufer im wesentlichen nur Beobachtungstruppen eingesetzt zu haben. Der ausführliche Bericht über die „Ge-borstene Mauer" und die daran geknüpfte Prophezeiung des hl. Petrus zeigen Prokops Freude an anekdotischem Detail, aber auch seine enge Verbindung mit stadtrömischen Kreisen.

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ERLÄUTERUNGEN 1031

I m Laufe des Tages verlagerte sich der Angriff der Goten 13 vom Nordost- zum Ostteil der Stadt, wo ihnen die schwache Stelle am Vivarium wohl bekannt war. Nach diesem schad-haf ten Mauerstück und der eben genannten „Geborstenen Mauer" zu schließen, ha t ten Beiisars Instandsetzungsarbei-ten bei weitem nicht den tatsächlichen Bedürfnissen genügen können.

Die Bemerkung „wenig edles Vergnügen" gilt dem Zirkus, 16 dem Prokop (wie auch seiner berühmtesten Vertreterin Theo-dora) sichtliche Geringschätzung entgegenbringt.

Die Zahl der gotischen Toten ist - entsprechend der 19/2 26 viel zu hoch angegebenen Gesamtmenge - weit übertrieben. Jeder Römer hä t te danach an jenem Tag im Durchschnitt 6 Goten töten und noch mehr verwunden müssen!

24. K a p i t e l Dem ausführlichen Brief liegt zweifellos amtliches Material 1 ff.

zugrunde, doch wurde die alte Fassung umstilisiert und das Ganze mit mancherlei Rhetorik durchsetzt. Der auffallend ernste Ton widerspricht der sieghaften Stimmung der vor-ausgehenden Kapitel und ihren Erfolgsmeldungen. Vielleicht sind in dem Brief mehrere nach Byzanz ergangene Schreiben zusammengefaßt, von denen das erste schon dicht nach dem Einmarsch in Rom liegen dürf te . So könnten sich am leich-testen die chronologischen Schwierigkeiten, die zwischen 24/18-21 und 27/1 bestehen, auflösen : Nach 27/1 sollen die Feldherrn Martinus und Valerianus bereits 23(!) Tage nach dem eben erwähnten Großkampf von Griechenland her auf kaiserlichen Befehl im Hafen von Rom eingelaufen sein.

Die Geschichte von der allmählichen Auflösung des Mo- 22 ff. saikbildes Theodorichs scheint damals tatsächlich im Umlauf gewesen zu sein ; denn sie n immt den völligen Untergang des Ostgotenreiches als unmittelbar bevorstehend an.

Auf die Sibyllinischen Orakelsprüche - es handelt sich hier 28 ff. um eine spätere, nach Zerstörung der berühmten drei Sibyl-linischen Bücher entstandene Sammlung — wurde Prokop im Verkehr mit Senatoren aufmerksam gemacht, die auch da-mals noch manche nur leicht verhüllte heidnische Tradition weiterpflegten und sich als die Verantwortlichen der „Roma aeterna" fühlten. Bei aller Zurückhaltung und Kritik hält Prokop grundsätzlich an der Möglichkeit der Zukunftsdeu-

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tung fest, sieht freilich gerade bei den Sibyllen die Schwierig-keiten als besonders groß.

25. Kap i t e l 1 - 1 2 Prokop gibt einen sachlichen, aus unmittelbarer Anschau-

ung gewonnenen Bericht von der sieh rasch verschlechternden Lebensmittel- und Arbeitslage in Rom und hebt Beiisars -natürlich unzureichende - Gegenmaßnahmen gebührend her-vor.

13 Hinter dem überraschend knappen Hinweis auf die Ent-setzung des Papstes Silverius verbirgt sich ein Gewaltakt Theodoras, die sich dabei der Hilfe Antoninas und ihres Gatten bediente. Anekdota 1/14 bemerkt hiezu: „Als sie (Antonina) aber die Kaiserin durch Hilfeleistung in schwierig-sten Lagen für sich gewonnen hatte - zuerst veranlaßte sie die Ermordung des Silverius . . . - da brauchte sie keine Be-denken mehr zu haben, ganz unbekümmert und in aller Of-fenheit sämtliche Frevel zu begehen." Uber Einzelheiten der Untat gibt Prokop trotz seines Versprechens (An. 1/14) keine weitere Auskunft, nur der Sklave Eugenius (An. 1/27) wird als Mörder genannt. Aus anderen Quellen wissen wir (u. a. Lib. pont., Vita Silverii 6-9; Marcellus comes, add. ad a. 537, 1), daß trotz Zusage freien Geleits Silverius im Palaste Beiisars von diesem unter Mitwirkung Antoninas verhaftet (21. 3. 537) und an seine Stelle eine Kreatur Theodoras, Vigilius, gesetzt wurde (29. 3. 537), der den monophysiti-schen Bestrebungen der Kaiserin seine Hilfe leihen sollte. Nach vorübergehender Verbannung in Syrien starb Silverius als Gefangener seines Nachfolgers auf der Insel Palmaria. Beiisars dunkle Rolle wird durch Verbindung des Falles mit militärischen Sicherungsmaßnahmen vertuscht. Nach Lan-dolfus Sagax soll Silverius das Vorgehen Beiisars in Neapel scharf gerügt haben.

18 Die Verbannung von Senatoren aus Rom dürfte mit dem Gewaltakt gegen Silverius zusammengehangen haben. Der erwähnte „Ahnherr" Maximus war nach Ermordung Valen -tinians I I I . (März 455) für kurze Zeit Kaiser; im Tumult nach Geiserichs Landung (Ende Mai 455) fand er den Tod.

21 Das Vorhandensein einer Statue des Janus beweist, daß dessen Kult noch gewisse Beschützer gehabt haben muß.

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Diese sind wie auch die Verehrer der Sibyllinischen Spruch-sammlungen unter den Senatoren zu suchen.

26. K a p i t e l Ostia, der alte Hafen Roms, am südlichen Arm des Tiber 8

gelegen, war damals infolge der Flußanschwemmungen schon stark versandet und nur noch wenig gebraucht. Heute liegen die Ruinen der einst bedeutenden Stadt mehr als 5 km vom Meere ab.

Die ausführliche Schilderung des Treidelverkehrs auf dem 11 Tiber zeigt uns Prokop als guten Beobachter und lebhaft für Nachschubfragen interessiert. Diese scheinen zu seinem Ar-beitsbereich gehört zu haben, und so ist die unmutige Kritik an Beiisar, „dem bloßen Militär", gut verständlich.

27. K a p i t e l Beiisars bisherige Untätigkeit scheint neben seiner zahlen- 1

mäßigen Unterlegenheit vor allem durch Mangel an Reiterei verursacht gewesen zu sein.

Die drei erwähnten Ausfälle verraten den auf Wirkung be- 4 ff. dachten Rhetor, der einerseits den sturen Barbarensinn des Gotenkönigs, andererseits Beiisars strategischen Blick (der Ausspruch 27/26 ff. scheint historisch) deutlich machen will. Wenn Prokop übrigens seinen Feldherrn erst im Einsatz die überlegene Kampfesweise und Ausrüstung der Römer er-kennen läßt, so stellt er ihm damit kein gutes Zeugnis aus; so denkt kein erfahrener Militär, sondern ein interessierter Feldzugsteilnehmer wie unser Geschichtsschreiber.

28. K a p i t e l Prokops Bericht über die Vorgeschichte der Schlacht kann 1 ff.

nicht recht überzeugen: Beiisar, bisher so selbstsicher und jeder großen Unternehmung abgeneigt, läßt sich ohne wirk-lich triftigen Grund für eine Entscheidungsschlacht gewin-nen; er plant sie zuerst in Form eines Überfalls und bleibt, obschon die Sache verraten wird, bei seinem Vorhaben, nur daß er jetzt eine offene Feldschlacht sucht. In einer Rede lehnt er schließlich die Verantwortung für alles Kommende nach Kräf ten ab. Der Tatbestand war sicher der, daß Beiisar, um den Belagerungsring zu sprengen, nach entsprechender Vorbereitung den Kampf von sich aus gesucht und dabei eine

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Niederlage erlitten hat , einen Makel, von dem ihn (siehe auch die Rede des Principius und Tamutius 23ff. !) sein Lobredner möglichst reinwaschen will.

29. K a p i t e l 3 ff. Wittigis' Rede ist wohl ganz Prokops Eigenschöpfung, der

aber darin kraftvolle, die allgemeine Lage gut erfassende Worte findet und so den kommenden Erfolg der Goten vorbereitet.

22 ff. Die folgende Kampfschilderung läßt wohl die Vorgänge in den Hauptlinien erkennen, hält aber die Rolle der obersten Führung im Dunkel. So wird Beiisar fast nirgends, seine Offiziere nur insoweit genannt, als sie sich in besonderer Weise einsetzen mußten. Das Heer aber operiert ziemlich selbständig und t rägt auch die Hauptschuld an dem un-glücklichen Ausgang.

60 Offenbar um den Eindruck der Niederlage abzuschwächen, verzichtet Prokop darauf, die Verluste der Römer anzuge-ben, räumt überhaupt nur sehr mittelbar die Tatsache eines empfindlichen Rückschlages und einer Fehldisposition der Heeresleitung ein.

Wenn Prokop hier das Ende des 1. Buches der Gotenkriege ansetzt, so mag für ihn die Absicht bestimmend gewesen sein, seinem 1. Band gleichen Umfang wie Buch 2 zu geben. Außer-dem lag an dieser Stelle zweifellos ein Punkt im ersten Teil des Gotenkrieges (535/540), wo beide Parteien sich die Waage hielten.

B U C H I I 1. K a p i t e l

Prokop füllt das Kapitel, da Beiisar zu hinhaltender Krieg-führung genötigt ist, mit verschiedenartigen Einzelunterneh-mungen; dabei findet er erwünschte Gelegenheit, gewisse Unterführer hervorzuheben und so den Kreis seiner und Be-iisars Kampfgefährten zu ehren. Die romantische Episode (§ 11-19) macht fast den Eindruck einer literarischen Ent-lehnung, inmitten des blutigen Geschehens wirkt sie als dank-bar empfundener Ruhepunkt .

2. K a p i t e l Der Abwechslung wegen verlegt Prokop das Gewicht seiner

Darstellung jetzt mehr auf medizinisch interessante Fälle

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und verrät dabei scharfe Beobachtungsgabe und gute Infor-mation (durch die behandelnden Ärzte).

Der Hinweis auf insgesamt 67 Gefechte läßt vermuten, 37 daß Prokop über sorgfältig geführte tagebuchähnliche Auf-zeichnungen verfügte. Ihnen entnahm er für sein Werk nur die wichtigsten und interessantesten Fälle und folgte bei ihrer Darbietung nicht nur chronologischen, sondern auch kompositorischen Gesichtspunkten.

Prokops zweites Kriegsjahr endet mit der Sommersonnen- 38 wende 537.

3. K a p i t e l Nach Südosten ausgreifend sperren die Goten die nach 3

Kampanien führende Via Latina und drücken auf die Ver-bindungswege nach den Häfen Antium und Tarracina, über die nach dem Verlust von Portus die Römer mehr und mehr ihren Nachschub heranführen.

Die Doppelkreuzung der Aquädukte liegt näher als von i Prokop angegeben — 6 km - bei Rom und zwar dicht an der Via Latina. Noch lange Zeit danach hieß der Platz Campus Barbaricus.

Rede und Gegenrede sind sicher nur fingiert. Sie enthalten 13 ff. aber eine unüberhörbare Krit ik am Vorgehen Justinians, die auch Beiisar nicht völlig zu entkräf ten vermag. Seine weit übertriebenen Versprechungen (§ 30, 31) sind nur dazu ange-tan, einem hellhörigen Leser den Gegensatz zwischen Wirk-lichkeit und Schein klarzumachen.

4. K a p i t e l Das Kapitel, in dem Prokop mit sichtlichem Stolz seine

große Stunde erlebt und sich vom besonderen Vertrauen Be-iisars getragen weiß, ist durch die vorausgehende Schilderung der Notlage Roms wirkungsvoll vorbereitet. Unser Histori-ker scheint gewisser Selbstüberschätzung erlegen zu sein, wenn er Beiisars erneute Aktivi tä t ( § 4) mit seinem erfolg-reichen „Durchbruch" in Verbindung bringt. Sein Weg auf der Via Appia führ te ihn übrigens nicht unmittelbar an der feindlichen Befestigung vorüber.

Mit der Absendung von 1000 Reitern nach Tarracina 6 wollte sich Beiisar die Verbindung nach Kampanien und den Zugang zur See offen halten. I m Zusammenhang damit steht

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auch der - vergebliche - Griff nach Alba an der Via Appia ( § 8 ) .

7 Die Besetzung Tiburs sperrte das Aniotal und die ins Bin-nenland und weiter zur Adria führende Via Valeria.

9 Bei der Kirche handelt es sich um die großartige Basilika ,,St. Paul vor den Mauern" mit der Grablege des Apostels (16. 7.1823 abgebrannt) an der Straße nach Ostia, nahe dem Tiber. Eine Befestigung an diesem Punkte konnte den Weg nach Ostia und den Verkehr auf dem Fluß schützen. Beiisars Bemühen verfolgte den doppelten Zweck, den Zugang zur Stadt für die erwarteten Entsatz t ruppen offen zu halten und gleichzeitig die Nachschublinien der Feinde abzuschneiden.

17 Daß die angeblich 7 000 Mann zählende gotische Besat-zung fast vollkommen der Pest erlag, ist sicher übertrieben.

20 Die knappe Bemerkung über Prokops friedliche Zusam-menarbeit mit Antonina läßt nicht die bittere Feindschaft ahnen, die der Historiker nur in seinen Anekdota auszuspre-chen wagte.

21 ff. Die geschickt zur Auflockerung des Berichts eingestreuten Bemerkungen über den Vesuv machen drei wichtige Quellen prokopischer Berichterstat tung deutlich: Eigenes Beobach-ten, mündliche Nachfrage und einschlägige Lektüre.

5. K a p i t e l 1 Die kriegerischen Isaurier aus dem hinteren Kleinasien

genießen seit Kaiser Zenon (474/5 u. 476-491), einem Ange-hörigen ihres Stammes, großes militärisches Ansehen im Reich und gelten als Kerntruppen. Auch die Entsendung des Johannes, eines bes. tüchtigen Truppenführers (siehe 10/7ff. ! ), unterstreicht die Bedeutung, die der Kaiser einem wirkungs-vollen Entsatz beimaß. Beiisars Mannschaftsbestand war jetzt verdoppelt.

3 Die geplante Verteidigung mittels einer Wagenburg zeigt, wie sehr sich die Kampfesweise der Reichstruppen derjenigen der Barbaren angeglichen hat te .

6 Die Por ta Flaminia liegt an der Nordseite von Rom, nahe dem linken Tiberufer, 1 km östlich davon die Por ta Pinciana. Bei Angriffen auf die P . Pinciana konnte der Gegner von der P. Flaminia aus in der rechten Flanke gefaßt werden.

12 Trotz der gegenteiligen Erklärimg Prokops (§ 22, 23) scheint die von beiden Toren aus geplante Zangenbewegung

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ERLÄUTERUNGEN 1037

keinen vollen Erfolg gebracht zu haben : Der Vorstoß gegen die gotische Schanze blieb stecken; darüber kann auch die Schilderung von dem Heldenstück des Aquilinus und der Verwundung des Tra janus den aufmerksamen Leser nicht hinwegtäuschen.

Aus den Zeitangaben über den Heilungsprozeß können wir 26 entnehmen, daß Prokop diese Stelle seines Buches im Jahre 545 abfaßte. Die Kriegsereignisse bis zum Jahre 550 sind danach vermutlich zwischen 545 und 550 niedergeschrieben worden.

6. K a p i t e l Die im Folgenden berichteten Verhandlungen gehen sehr 4 ff.

wahrscheinlich auf Protokolle zurück. Die Ausführungen der Goten sind eine vorzügliche Recht- 15

fertigung ihres Standpunktes, deren sachliche Wiedergabe Prokop alle Ehre macht . Der von Beiisar demgegenüber ver-fochtene Grundsatz der Unveräußerlichkeit von Reichsbesitz entspricht wohl römischem Grunddenken, enthüllt aber die Doppelbödigkeit byzantinischer Politik fremden Völkern gegenüber. I m Falle Theodorichs lag übrigens eine offizielle Anerkennung durch die oströmische Regierung vor.

Bei Beiisars Grundeinstellung war mit erfolgreichen Aus- 35 gleichsverhandlungen zwischen Byzanz und den Goten nicht zu rechnen. Er sah von Anfang an im Waffenstillstand nur ein Mittel, um sich weiter verstärken zu können und dann bei günstiger Gelegenheit erneut zum Angriff überzugehen. Bei Prokop wird dieser Befund nicht deutlich herausgestellt, Beiisar erscheint vielmehr als der „überlegene Führer gegen-über Menschen zweifelhaften Rechtes".

7. K a p i t e l Prokop scheint mit den Truppen bei der Tibermündung 1

eingetroffen sein; jedenfalls macht die sachkundige Schilde-rung (§ 1-11) den Eindruck unmittelbaren Erlebens.

Wahrscheinlich veranlaßte Beiisar durch gewisse unbe- 10 st immte Erklärungen die Goten zum Stillhalten.

Centumcellae, das heutige Civitavecchia, liegt nordwestlich 18 von Rom an der Via Aemilia.

Mit dem Verlust von Portus, Centumcellae und Albanum 20 verfügten die Goten nur noch gegen Norden zu über Nach-

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1038 P R O K O P

sohub- und Rückzugslinien ; der Zugang zur See war fast völlig abgeriegelt.

24 Beiisars Hal tung gegenüber den gotischen Gesandten und der an Johannes erteilte Auftrag lassen eindeutig die Absicht erkennen, bei nächstbester Gelegenheit den Waffenstillstand zu brechen. Johannes ' Stellung bei Alba Fucens (am Lacus Fucinus) ha t t e auch dadurch besondere Bedeutung, daß sie den Apenninübergang zwischen Rom und der Adria be-herrschte (Via Valeria).

32 Die Warnungen an Johannes bereiten schon auf kommende Mißerfolge vor und sollen die Schuld daran von Beiisar ab-wälzen.

38 Beiisars Hilfeversprechen an die Mailänder enthüllt uns seine weiteren Pläne : Aushöhlung des gotischen Hinterlandes. Über die Lage der Stadt Mailand, die er offenbar nie betreten hat , scheint sich Prokop nur aus Mittelquellen unterrichtet zu haben.

8. K a p i t e l

Der verhängnisvolle Streit zwischen Beiisar und Konstan-tinus wird überraschend ausführlich behandelt, aus doppel-tem Grund, einmal, da Prokop um die Vorfälle aus persön-lichem Erleben genau wußte, sodann — und dies scheint ge-wichtiger - , da er zweifellos Beiisar entlasten wollte. Letzte-res geschieht, indem Beiisar als durch viele Umstände ge-radezu gezwungen dargestellt wird, die „leidige" Angelegen-heit zu klären, Konstantinus hingegen die Dinge auf die Spitze getrieben haben soll. So bleibt an Beiisar nur der Makel kleben, nachträglich den Befehl zur Hinrichtung ge-geben zu haben, doch auch von dieser Schuld wird er weit-gehend durch den Hinweis auf seine sonstige Milde (§18) und das unerforschliche Walten der „mißgünstigen" Tyche (§ 1) entlastet.

In den Anekdota 1/24 ff. nennt Prokop als die wirklich Schuldige Beiisars Gemahlin Antonina, die aus persönlichem Haß die Tötung des Konstantinus bei Beiisar erwirkte. Ihre Teilnahme ist bezeichnenderweise hier ebenso verschwiegen wie beim Sturze des Papstes Silverius (V 25/15). I m übrigen verraten die Anekdota, wie nötig Beiisar eine Rechtfertigung hatte, da er „sich durch diese Affäre die heftige Feindschaft

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ERLÄUTERUNGEN 1039

des Kaisera und aller angesehenen Römer" zugezogen hat te (An. 1/30).

9. K a p i t e l Prokops Ausführungen dienen dem Nachweis, daß die

Goten den Waffenstillstand gebrochen und sich Beiisars Straf-gericht selber zugezogen hät ten. In wohlberechneter Steige-rung werden drei(!) Übergriffe erwähnt : 1. ein heimlicher Versuch, durch den trocken gelegten Schacht der Aqua Virgo in die Stadt einzudringen (§ 1—11), 2. der offene Angriff einer - freilich nicht starken - Gotenschar auf die Por ta Pinciana (§ 12-15), 3. die Bestrafung zweier Römer, die mit Schlaf-mitteln die Wachtposten benebeln und dem Gotenheer einen Großangriff ermöglichen sollten (§ 16-23). Daß Beiisar den Waffenstillstand nicht in aller Form aufkündigte, gibt zu denken.

Für Prokops religiöse Vorstellungen ist die Gleichsetzung 20 von Schicksalsfügung (§ 20) und Gottes Wille (§ 23) auf-schlußreich.

10. K a p i t e l Der Vorstoß des Johannes der Meeresküste entlang zielt I ff.

auf die Haupts tad t Ravenna, wohin auch gewisse Verbin-dungen zu Matasuntha und der im geheimen tätigen römer-freundlichen Partei gehen ; damals scheint Cassiodor aus dem Dienste des Ostgotenreiches ausgeschieden zu sein. Fürs erste werden die Rückzugslinien des Gotenheeres bedroht und die Ostküste Italiens bis in die Höhe von Ariminum gesperrt.

Prokop ist sichtlich bemüht, Johannes Gerechtigkeit wi- 7 ff. derfahren zu lassen, obwohl dessen Eigenwilligkeit das ur-sprünglich gute Verhältnis zu Beiisar bald t rübte und schließ-lich zu kaum verhüllter Feindschaft führte . Der ausgezeich-nete, Beiisar ebenbürtige Soldat wird zum Parteigänger des Narses, den er auf dem Feldzug des Jahres 552 entscheidend berät .

Die Belagerung ha t te sonach 374 Tage, und zwar vom 12ff. 12. 3. 537 bis 21. 3. 538, gedauert. Ob der Waffenstillstand vor Rom im Augenblick des Abzuges aufgekündigt war, läßt sich nicht eindeutig erkennen; Prokop spricht (§ 12) nur un-bestimmt davon, daß ,,die Frist der drei Monate zu Ende ging"·

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1040 P R O K O P

17 Die in nördliche Richtung abziehenden Goten benützten höchstwahrscheinlich den Pons Mulvius über den Tiber.

11. K a p i t e l

1 Die genauen und glaubwürdigen Zahlenangaben Prokops stehen in auffallendem Gegensatz zu der früher genannten Gesamtzahl des Gotenheeres (150000 Mann), bei der rheto-rische Ziele bestimmend gewesen sind (V 16/11).

2 Petra Pertusa - heute Furlo-Paß - liegt am Flusse Metau-rus und beherrscht den Austritt der Via Flaminia gegen die Adria hin. Nach der genauen Lageschilderung (§ 10-13) zu schließen, scheint Prokop den Ort selbst gesehen zu haben.

6 Den Ausführungen unseres Geschichtsschreibers liegen sicher Besprechungen im Stabe Beiisars zugrunde. Letzterer wünschte möglichst viel Reiterei verfügbar zu behalten und nur Infanterie in die Festungen zu legen, während Johannes seinerseits die „Beute" Ariminum nicht gefährden wollte. Seiner Härte wegen erhielt er (Liber Pont., Vita Vigilii 1) den Beinamen ,, Sanguinarius' '.

12. K a p i t e l

1 ff. Die Schilderung des Belagerungskampfes steht etwas unter der vorgefaßten, mehrfach feststellbaren Meinung Prokops, als seien die „ungeschickten" Barbaren im Einsatz von Kriegsmaschinen den Römern weit unterlegen.

14 ff. Die ziemlich rhetorischen Ausführungen des Johannes las-sen den Gedanken durchschimmern, als habe Beiisar die Besatzung weder durch Nachschub zur See noch durch mili-tärische Hilfe seinen Zusagen entsprechend unterstützt. Daran dürfte etwas Wahres sein.

26 Die Entsendung von 1000 Mann nach Genua und in die westliche Poebene bedeutete eine weitere Aufsplitterung der römischen Macht; offenbar unterschätzte Beiisar die Wider-standskraft der Goten und hoffte, diese mit geringen, rasch beweglichen Streitkräften in schnellem Zugriff zu brechen.

31 Die Festung Ticinum war eine der wichtigsten Stützpunkte gotischer Macht im Norden; von Natur aus geschützt, gut befestigt und inmitten eines volkreichen gotischen Sied-lungsgebietes gelegen, behauptete sie sich bis zum Kriegsende.

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ERLÄUTERUNGEN 1041

Der mit Just inian geschlossene Hilfsvertrag (V 5/10, 13/28) 38 hindert offenbar Theudibert , unmittelbar in Italien einzu-greifen; er bedient sich der Hilfe der von ihm abhängigen Burgunder, deren Reich er kurz zuvor erobert hat . Auch späterhin vermeiden es Römer und Franken, in Italien einen offenen Krieg zu entfachen.

Wir stehen an der Sommersonnenwende 538. 41

13. K a p i t e l Es verdient Beachtung, daß Beiisar erst ein Vierteljahr l

nach Abzug der Goten von Rom aus den Vormarsch begann. Offenbar mußte er erst Reserven und Nachschub heranholen und die Verhältnisse in der Stadt ordnen, vielleicht zögerte er auch in Erwartung eines weiteren Heeres unter Narses. Über all dies schweigt sich Prokop aus.

Mit Tudera und Clusium gewann Beiisar die zwei wich- 2 tigsten westlich des Apenninkammes gelegenen gotischen Stützpunkte und sicherte sich damit eine günstige Ausgangs-stellung zum Vorstoß über das Gebirge hinweg auf Ravenna.

Mit Ancona (Prokop kennt die Lage der Stadt vom Augen- 5 schein her) hoffen die Goten einen wichtigen Nachschubhafen der Byzantiner zu nehmen und deren wachsende Seeherr-schaft in der Adria etwas einzudämmen.

Das doch sehr bedeutsame Auftreten des Narses und seines 16 Heeres wird sichtlich ohne Freude registriert, dem neuen Manne, obwohl sich dieser bei der Niederwerfung des Nika-aufstandes und später in Alexandreia als Militär hervorgetan hat , nur ein frostiges, ziemlich allgemein gehaltenes Lob gespendet. Zweifellos empfand Prokop, ebenso wie sein „Meister" Beiisar, die neue Maßnahme des Kaisers als schwere Beeinträchtigung und persönliche Kränkung, zumal Theodoras Einflußnahme dahinter steckte.

14. K a p i t e l Die ungünstige Schilderung, die Prokop von den Herulern

gibt, soll vielleicht dazu beitragen, Narses in seinen Helfern zu diskreditieren. Jedenfalls ergreift der Geschichtsschreiber gerne die Gelegenheit, durch Vorführung solcher Naturbur-schen den Blick von dem etwas eintönig gewordenen Stel-lungskrieg in Italien weg nach Norden und auf fremde Sitten zu lenken und so die Neugier des Lesers zu befriedigen.

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1042 P R O K O P

1 Die ursprüngliche Heimat der Heruler ist im Räume der Ostsee zu suchen. Im 3. Jahrhundert erscheint deren öst-liche Gruppe am Nordufer des Schwarzen Meeres und unter-nimmt von dort aus ausgedehnte Raubzüge gegen das Reich. Späterhin den Hunnen zeitweilig unterworfen, bilden sie um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert eine starke Herrschaft am Donauknie, die auch in altrömisches Gebiet hinübergriff. Die Langobarden saßen östlich von ihnen.

12 Die Entscheidungsschlacht mit den Langobarden fällt etwa in die Jahre 505-510; mit ihr begann der Aufstieg der Langobarden, während die Heruler zunächst donauaufwärts und dann ins Gepidenreich (untere Theiß) auswichen, worauf sie großenteils als römische foederati durch Kaiser Anastasius in Illyrien angesiedelt wurden. Ihre Wohnsitze wurden später verbessert und sie selber trotz wiederholter Übergriffe mehr und mehr als ausgezeichnete Soldaten im römischen Heer verwendet.

13 Die Schilderung der Schlacht und ihrer Vorgeschichte ist rhetorisch ausgestaltet und beruht offensichtlich nur auf un-bestimmten Nachrichten, die von dem bedeutsamen Ereignis nach Byzanz gelangten. Im übrigen hat sich Prokop gute Aufschlüsse über die Heruler erholt.

33 528 trat der Herulerführer Gretes mit einem Teil seines Volkes in Byzanz zum christlichen Glauben über, doch scheint die Mehrzahl der Heruler heidnisch geblieben zu sein.

35 Die folgende sehr ungünstige Schilderung der Heruler nimmt den Faden des Berichtes § 1-7 wieder auf und trifft letztlich Justinian, der auf diese Art als Freund und Be-schützer völlig verderbter Menschen erscheinen muß. Sicher kam dabei eine allgemeine Abneigung gegen die „Ungläu-bigen" dem Geschichtsschreiber zupaß.

37 Vgl. V I I 34/42! 38 Möglicherweise fiel Ochus als Anhänger der Römer einer

nationalheidnischen Gruppe seines Volkes zum Opfer. Der Versuch, einen heidnischen Sproß des alten Königsgeschlech-tes aus Thüle beizuholen, spricht jedenfalls dafür.

15. K a p i t e l 3 Nachdem die Gesandten das Gebiet der Warnen (Nord-

schleswig) und der (auf den Inseln wohnenden) Dänen durch-zogen hatten, erfolgte wohl die Überfahrt nach Südschweden,

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E R L Ä U T E R U N G E N 1043

wo wir die Insel Thüle suchen dürfen. Skandinavien galt in der Antike als Insel ; einen reichhaltigen Bericht über mehr als 25 dort wohnende Völker verdanken wir den Zeitgenossen Prokops Cassiodorus- Jordanes (Crética 3/19-24), von denen ersterer vermutlich aus mündlichen Mitteilungen des am Hofe Theodorichs weilenden nordischen Königs Rodvulf schöpfte.

Ob Prokop im E m s t mit einer Reisemöglichkeit nach Thüle 9 rechnete, ist anzuzweifeln. Jedenfalls dürf te er die erwähnten Gewährsmänner in Byzanz gesprochen und von ihnen sach-kundigen Bericht (§ 8-15) erhalten haben. Deutlich hebt sich davon die reichlich phantastische Erzählung über die Skrithi-finnen ab ( § 16-22), die auch als einzige nicht den germanischen Einwohnern Thüles zugehören. Skrithifinnen bedeutet viel-leicht „Schreitfinnen" und hinge dann mit der Verwendung von Schneeschuhen zusammen.

Der Versuch, einen König aus Byzanz zu erhalten, geht 30 auf die römerfreundliche Partei bei den Herulern zurück, auf die sich auch der ermordete König Ochus gestützt hat .

Nach vergeblichem Bemühen, seinen Prätendenten zurück- 36 zuführen, bekleidete Just inian Suartuas mit einem hohen militärischen Posten in Byzanz (VIII 25/11). I m übrigen scheinen beträchtliche Teile der Heruler in der Gegend von Singidunum (VII 33/13) auf Reichsboden zurückgeblieben zu sein, die dann unter Phil imuth im römischen Heere dienen (VII 34/42, 39/10).

16. K a p i t e l Der aufmerksame Leser wird von der Tatsache der Ver- 1

einigung beider Heere etwas überrascht und kann sich des Verdachtes nicht erwehren, daß Prokop durch den Einschub der Kapitel 14 u. 15 über irgendwie peinliche Vorgänge zwischen den rivalisierenden Oberfeldherrn hinwegführen wollte. Jedenfalls war Beiisar zunächst keineswegs gewillt, Ariminum vordringlich zu entsetzen, und hä t te unbedenklich Johannes der äußersten Gefahr ausgeliefert; in Narses' Rede (§ 6ff.) zi t tert noch ein Klang der erregten Verhandlungen nach, die Beiisar schließlich zum Einlenken nötigten.

Prokops Darstellung soll zweifellos kaiserlicher Kritik am Verhalten Beiisars die Spitze abbiegen. Zu diesem Zweck werden seine Zwangslage (§ 17) und die geschickte Einleitung

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1044 P R O K O P

des Entsatzunternehmens Ariminum (§ 18ff.) nachdrücklich hervorgehoben. Wie seine genauen Angaben über Urbs Salvia (Urbisalia) beweisen (§ 24, siehe auch das folgende Kapitel!), war Prokop in Beiisars Gefolge.

17. Kap i te l

Iff. Die Aegisthusgeschichte verrät Prokops Aufgeschlossen-heit gegenüber dem Romantisch-Wunderbaren. Überraschend stark tritt in diesem Zusammenhang seine Persönlichkeit hervor.

12 ff. Die Schilderung des konzentrischen Angriffs auf Ariminum stellt Beiisars Feldherrngenie nachdrücklich heraus, indessen Narses völlig verschwindet. Beiisars bloße Erscheinung ge-nügt, die Feinde zu verscheuchen; obschon die römische Heeresleitung offensichtlich nur dieses Ziel im Auge hatte, wird Johannes' Untätigkeit gegenüber den fliehenden Fein-den doch tadelnd vermerkt.

18. Kap i te l

1 Ildiger als dem Schwiegersohn Antoninas und einem der engsten Vertrauten Beiisars sein Leben verdanken zu müssen, mußte Johannes nach dem Vorausgegangenen sehr beschä-men und war sicher eine von Beiisar gewollte Demütigung.

4 Im folgenden werden der Gegensatz Belisar-Narses näher untersucht und in Rede und Gegenrede die abweichenden Operationsziele umschrieben. Beiisars Ausführungen, an sich schon umfänglicher als die seines Gegners Narses, gewinnen ihm als menschlich ansprechender Persönlichkeit nicht nur die Zuneigung des Lesers, sondern erweisen ihn auch als den überlegenen Sachkenner, der durch den Gang der Ereignisse - vor allem vor Mailand - bestätigt wird.

28 Hier liegt eindeutig als Quelle ein Originalschreiben Justi-nians vor, das Prokop ähnlich wie den Brief des Johannes (16/15, 16) in stilistisch vereinfachter Form anführt. Wir dür-fen annehmen, daß Justinian Beiisar in seiner Stellung als Oberfeldherrn belassen, durch Entsendung des Narses jedoch die Kriegführung beschleunigen (drohender Perserkrieg !) und vor allem mehr auf Nordostitalien konzentrieren wollte. Da-neben versprach die gewisse Rivalität auch bessere Über-wachung.

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E R L Ä U T E R U N G E N 1045

19. K a p i t e l Nach dem Unternehmen gegen Ariminum nimmt Beiisar 1

seine Eroberungspläne gegen einzelne Stützpunkte der Goten wieder auf, doch gelingt es ihm nicht (siehe § 8 !), den Gegen-satz zu Narses zu überbrücken und ihn und seinen Anhang für eine einheitliche Kriegführung zu gewinnen.

Die - aus unmittelbarem Erleben geborene - Schilderung 2 der Lage von und vor Urbinum gibt zwar Narses' Bedenken recht, doch seinem „Liebling" Beiisar kommt der Himmel selbst mit einem Wunder zu Hilfe und liefert ihm Stadt und Besatzung in die Hände (Dezember 538).

Gegenüber Beiisars Erfolg wird die Schlappe des Johannes 20 vor Caesena nachdrücklich hervorgehoben und das recht be-trächtliche Ergebnis seiner Unternehmung gegen die Aemilia nur kurz erwähnt. Tatsächlich besitzen jetzt die Römer das Gebiet zwischen Apennin und dem Unterlauf des Po, also das Hinterland der Stadt Ravenna, die abgetrennt von ihren Hilfsquellen, einer har ten Belagerung wie zu Odoakars Zeiten entgegensieht.

20. K a p i t e l Beiisars Abzug von Urbinum nach Urbs Vetus hat te neben 1

taktischen Erwägungen als Grund auch den unüberbrück-baren Gegensatz zu Narses, mit dem es weiterhin zu keinem unmittelbaren Zusammenwirken mehr kam.

Nach den genauen Angaben zu schließen, dürf te Prokop 4 im Gefolge Beiisars vor Urbs Vetus gelegen haben. Die Bela-gerung der an sich schon durch Hunger geschwächten Stadt durch den Großteil von Beiisars Streitmacht muß im Hin-blick auf die gleichzeitige schwere Gefährdung Mailands als Fehler erscheinen und läßt sich nur ganz verstehen, wenn man bei Beiisar bewußte Zurückhaltung in der Kriegführung annimmt. Prokop übergeht diesen Gesichtspunkt und stellt dafür (§ 15ff.) die allgemeine Hungersnot in den Vorder-grund. Hierbei treten seine scharfe Beobachtungsgabe und sein Interesse für medizinische Fragen, aber auch die Freude an wirkungsvollen Schauergeschichten deutlich zu Tage.

21. K a p i t e l Die Schilderung der Vorgänge vor Mailand geschieht in

einer Art, die Beiisar von jeder Schuld an der Katastrophe

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Page 36: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1046 P R O K O P

freispricht: Beiisar ha t (§1) Martinus und Uliaris mit einem „großen Heer" zum Entsatz abgeschickt, diese aber bleiben trotz dringender Bit ten der Belagerten (Rede des Paulus § 5-9) untät ig stehen ; auf Veranlassung des Martinus sucht Beiisar nun Narses und Johannes zu bestimmen, unter zeit-weiliger Aufgabe der „bedeutungslosen" Aemilia (§19) sich an der Befreiung Mailands zu beteiligen, doch kommt infolge der Erkrankung des Johannes der Plan nicht über die ersten Anfänge hinaus (§ 24); selbst in den Kampf einzugreifen, wird Beiisar angeblich durch die Schwäche seiner Truppen und die räumliche Entfernung gehindert; ferner handelt Mundilas, Beiisars Kommandant in Mailand (und Prokops Freund, der ihn aus Rom geleitet hat , vgl. VI 4/3ff. !), bei der Preisgabe der Einwohner Mailands nur unter dem Druck unbotmäßiger Soldaten (§ 30-37) ; Uliaris endlich wird wegen seines Versagens aus Beiisars Nähe verbannt . Prokops Be-richt dient über die Rechtfertigung Beiisars hinaus aber auch der Schonung gewisser Persönlichkeiten : Nur ganz versteckt wird die wesentliche Schuld des Narses und Johannes ange-deutet - zog doch auch der Kaiser „niemanden deswegen zur Rechenschaft" und begnügte sich damit, Narses lediglich wegen seines „Zwistes" mit Beiisar abzuberufen (22/4). Es wird auch nur Uliaris, nicht aber der ebenso schuldige Mar-tinus aus Beiisars Nähe verbannt , offensichtlich weil letzterer mit Beiisars Gemahlin Antonina gut stand (VI 4/8). Das reichlich mit dokumentarischem Material durchsetzte Kapitel 21 fußt zweifellos auf dem 22/2 erwähnten (von Prokop ver-faßten) Bericht Beiisars an den Kaiser.

39 Die Zahl 300000 ist natürlich weit übertrieben und soll wohl nur den Schaden recht deutlich werden lassen, den die unglückliche Heerführung der kaiserlichen Sache zufügte. I m übrigen lag Mailand im Hauptsiedlungsgebiet der Ostgoten. Die Kapitulation erfolgte im März 539.

22. K a p i t e l

1 Bei der Wiederaufnahme seines Berichtes über Beiisars Kriegshandlungen erwähnt Prokop mit keinem Worte mehr den Ausgang der Belagerung von Urbs Vetus (20/1-14). Die Stadt scheint mit Wintersende in Beiisars Hände gefallen zu sein, ein magerer Gewinn angesichts des gleichzeitigen Ver-

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ERLÄUTERUNGEN 1047

lustes von Mailand und daher von Prokop vielleicht absicht-lich übergangen.

Das Verhalten der abziehenden Heruler erweist erneut 5 ff. deren Unzuverlässigkeit und wirft auch auf ihren „Dienst-her rn" Narses, der mit ihnen s ta t t Bundesgenossen meu-ternde Barbarenhaufen ins Land ruf t , ein ungünstiges Licht.

U m die Gepiden, die sich in Illyrien auszudehnen begannen, 11 in Zaum zu halten, ha t ten die Römer etwa u m 538 mit deren Nachbarvolk, den in Pannonien seßhaften Langobarden, ein Bündnis geschlossen, das nun deren König Wakes zu Ableh-nung des gotischen Hilfsgesuches nötigte.

Durch die Aufnahme von Verbindungen mit dem Perser- 15 könig Chosroes (Frühjahr 539) traf Wittigis das römische Reich an seiner gefährdetsten Stelle. Zwar war 533 unter schweren finanziellen Opfern ein „Ewiger Friede" zustande gekommen, der Just inian die Hände gegen Westen frei machte, mit Beiisars Erfolgen in Afrika und Italien t rübten sich aber schon von 537 an wiederum die Beziehungen zwi-schen Byzanz und seinem östlichen Nachbarn. Der offene Krieg begann März 540 mit einem persischen Einfall in Syrien. Dabei dürf te Wittigis ' Hilfegesuch nicht ohne Einfluß gewe-sen sein. Prokop hebt den Zusammenhang zwischen den Kriegen im Osten und Westen auch I I 2/Iff . hervor, wo er die Gesandtschaft der beiden Geistlichen an den Perserhof aus-führlich schildert.

Das „furchtbare Leid" bezieht sich vornehmlich auf die 20 Einnahme und Zerstörung von Antiocheia im Jahre 540 (II 8/20ff.). Fü r den Perserkrieg siehe I I 4/lff. !

Petrus und Athanasius waren trotz ihrer Gesandteneigen- 23 schaft kurz nach Kriegsbeginn von Theodahat in Haf t ge-nommen worden (V 7/25).

Das vierte Kriegsjahr endet im Mittsommer 539. 25

23. K a p i t e l

Durch rasche Eroberung der letzten gotischen Stützpunkte in Mittelitalien will Beiisar sich den Rücken frei machen ; der Vorstoß auf Ravenna soll dann den Krieg beenden.

Faesulae (Fiesole) beherrscht den Apenninübergang nord- 1 lieh von Florenz.

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5 Der Ort Dertona liegt verkehrsgünstig an der Kreuzung der Via Postumia und Via Iulia Augusta, etwa 50 km nördlich Genua, südlich des Po.

β Die ausführliche, aus persönlichem Miterleben geschöpfte Schilderung der Belagerung von Auximum (Ossimo, landein-wärts von Ancona) ist ein bemerkenswertes Beispiel von Prokops Erzählungskunst, aber auch seiner nicht geringen Selbstgefälligkeit, die ihn veranlaßt, sich als belesenen Mann und geschickten Militär (§ 23ff.) darzustellen.

24. K a p i t e l Die Ereignisse vor Auximum und Faesulae werden sach-

kundig weiter verfolgt. Besondere Hervorhebung verdient die gute Übersicht über die einzelnen Kampfhandlungen, was auf genaue Information im römischen Generalstab schließen läßt. Der an Wittigis gerichtete Brief (§ 7-10) ist zwar das Werk unseres Geschichtsschreibers, enthält aber wichtige Erkenntnisse, wie auch der Hinweis auf die verschiedene Nachschub läge (§ 13 ff.) bei Goten und Römern von tieferer Einsicht zeugt.

25. K a p i t e l 1 Prokop sieht klar das Grundproblem des fränkischen Ein-

greifens in Italien. Die bit teren Klagen über Treulosigkeit, dazu die gehässige Art, mit der den „rechtgläubigen" Franken Menschenopfer und Zauberei (§ 10) vorgeworfen werden, ver-raten noch die Angst und Unruhe im römischen Generalstab.

2 Nachdem die Franken bei der Belagerung Mailands nur Burgunder eingesetzt hat ten, hielt Theudibert die Zeit jetzt für gekommen, selbst einzugreifen, freilich nur mit einem Bruchteil der angegebenen Truppenstärke. Könnte bei den nicht seltenen „Riesenzahlen" Prokops ein stilistisches Prin-zip mitsprechen, entnommen vielleicht aus Herodot, wo ähn-lich große Barbarenheere auftreten?

8 Die Franken benützten zum Alpenübergang wahrscheinlich den Kleinen St. Bernhard und rückten über Vercellae nach Ticinum, wo sie südlich des Po (bei Dertona) auf die römi-schen und gotischen Truppen stießen.

1β Gregor von Tours (Hist. Francorum I I I 32) berichtet dazu : „Da indessen jene Gegenden, wie man erzählt, ungesund

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ERLÄUTERUNGEN 1049

sind, wurde sein Heer vielfach von Fiebern heimgesucht ; da-her starben dort viele von seinen Kriegern. Wie Theudibert dies sah, kehrte er um, doch konnten er und die Seinen reiche Beute mit sich wegführen. Damals soll er bis Pavia (Ticinum) vorgedrungen sein . . ." .

Beiisars Brief dürf te kaum in der vorliegenden Tonart ab- 20 gefaßt gewesen sein. I n seiner Ohnmacht konnte der Römer höchstens abmahnen, doch ist Prokop sichtlich bemüht, sei-nen Helden das entscheidende Wort sprechen zu lassen.

In Prokops Darstellung erscheint der Vorstoß der Franken 24 als erfolgloses, nur verlustbringendes Unternehmen. Tatsäch-lich dürf ten sie reiche Beute (Plünderung Genuas) gemacht, vor allem aber ihre Stellungen in den Kottischen Alpen ver-stärkt und gewisse Punkte in Venetien in Dauerbesitz genommen haben.

26. K a p i t e l

Die äußerst lebendige Darstellung Prokops fußt auf per-sönlichen Eindrücken und wird durch eingestreute Briefe noch weiter dramatisiert . Interesse verdienen die Angaben über die KrankenVersorgung im römischen Heer (§ 14, Aufent-halt in einer Kirche), die Kampfgewohnheiten der Sklavenen (§ 18-24) und die Kameradenjust iz (§ 26).

27. K a p i t e l

Mit dem spannenden Kampf um die Zisterne von Auximum 1 wird der Augenzeugenbericht fortgesetzt. Prokops Lob auf die solide Bauweise der Vorfahren (§ 19) ist bezeichnend für seine Einstellung zur Vergangenheit.

Beiisar steht sichtlich schon unter dem Eindruck des dro- 29 henden Perserkrieges, zu dessen Leitung er ausersehen ist. So scheint es ihm auch wünschenswert, sein Heer für den Einsatz im Osten durch Goten zu verstärken (§ 32). An dieser Stelle sei bemerkt, wie doch Prokops Bericht an Klar-heit und Kont inui tä t von dem Augenblick an gewinnt, da Narses aus dem Spiel ausgeschieden und keine Rücksicht mehr auf ihn zu nehmen ist. Gerne erführe man freilich, was Beiisars Unterfeldherrn gleichzeitig mit ihm für Leistungen vollbrachten.

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1050 P R O K O P

28. K a p i t e l

1 Magnus führt eine Reitertruppe, die das südliche Poufer zu kontrollieren hat.

2 Dalmatien seheint demnach den Goten restlos verloren gegangen zu sein.

9 Die intensiven diplomatischen Bemühungen der Franken und Beiisars um Wittigis werden nach Art Prokops in Rede und Gegenrede zusammengefaßt : Die Ausführungen der Franken stimmt Prokop im wesentlichen auf den Topos „gewaltige Überzahl" (500000!) ab, während sich die römi-sche Erwiderung auf die materielle und ideelle Überlegenheit des Reiches sowie auf die Grausamkeit und Treulosigkeit der Franken konzentriert. Damit sind die beiden Pole richtig her-vorgehoben, zwischen denen sich Wittigis zu entscheiden hat. Prokop läßt noch die Vorstellung transzendenter Gegenkräfte hinzutreten (ungewöhnlich tiefer Wasserstand des Po [§ 3-5], Brand der Kornspeicher in Ravenna [§ 26]), so daß die Goten im Kampfe gegen Beiisar sich im Streit mit der Gottheit fühlen müssen (§ 27), die hier auf Seiten der Römer steht. Ahnliche Empfindungen werden auch Gelimer in seiner Nie-derlage beigelegt ( IV 7/8).

28 Die römische Unternehmung in den Kottischen Alpen ver-folgte auch das Ziel, die Einfallpforten der Franken nach Italien in Besitz zu bekommen.

31 Die Zahlenangabe für das Heer des Uraias - 4000 Mann -verrät die bescheidene tatsächliche Stärke der eingesetzten Streitkräfte.

33 Nach dem Frankensturm hatten Johannes und Martinus wahrscheinlich wieder die frühere Stellung bei Dertona be-zogen.

29. K a p i t e l

In diesem Kapitel fällt Prokop die schwierige Aufgabe zu, Beiisars bedenkliche Rolle bei den abschließenden Verhand-lungen mit Wittigis darzustellen und trotz des offenen Gegen-satzes zwischen Kaiser und Feldherr keinem von beiden zu nahe zu treten.

1 Der in Afrika bewährte General Domnikus (IV 16/2, 17/4) und der später als höchster Zivilbeamter (praefectus prae-torio) in Italien eingesetzte Senator Maximinus (VI I 6/11)

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ERLÄUTERUNGEN 1051

überbringen einen kaiserlichen Friedensvorschlag, der wahr-scheinlich eine dauerhafte Regelung der italienischen Ver-hältnisse geschaffen, Beiisar indessen den großen Triumph wie seinerzeit über Gelimer genommen hätte. Beiisar lehnt daher den Vorschlag ab, stößt aber auf den Widerstand der Offiziere (§ 7), vor dem er scheinbar (§ 16) zurückweicht. Mit ihrer Erklärung, daß sie die Goten nicht durch Kampf nieder-zwingen könnten, geben sie das Stichwort für die nun folgende Unternehmung (§ 18ff.), in der Beiisar zur List greift und, eigenmächtig handelnd, Wittigis und seine Goten doch noch in seine Gewalt bekommt. Der Betrug ist freilich erst möglich, nachdem eine bedeutende Offiziersgruppe, die Anhänger des Narses, ausgeschaltet ist (§ 29). Obwohl als Augenzeuge an den meisten Vorgängen beteiligt, enthält sich Prokop jedes unmittelbaren Werturteils über Beiisars Handlungsweise, er betont nur die unerschütterliche Loyalität des Feldherrn (§ 19, 20), die Größe des Erfolges (§ 30ff.) sowie die ehrenvolle Behandlung des Wittigis und seiner Goten (§ 35 ,36 ,38) ; auch Justinian gibt ja später dem Vorgehen Beiisars seine Zustimmung. Ganz wohl dürfte sich freilich Prokop trotz aller Erfolgsmeldungen nicht gefühlt haben : Mitten im Stau-nen über den fast „überirdischen" Sieg bemerkt er die zornige Enttäuschung der gotischen Frauen (§ 34) und sieht späterhin Beiisars Hoffnung, der Krieg sei nun beendet (§ 36), durch Ildibads Auftreten widerlegt (§41).

Die Kapitulation Ravennas fällt in den Mai 540.

30. K a p i t e l Die im 29. Kapitel angeschlagenen Töne klingen noch lau-

ter auf, ohne daß aber Prokop aus seiner Reserve heraustritt : Einerseits werden die gegen Beiisar erhobenen Beschuldigun-gen des Hochverrats nachdrücklich zurückgewiesen und seine Abberufung mit dem Ausbruch des Perserkrieges begründet, andererseits die Bestellung bisheriger Gegner als Amtsnach-folger in Italien nicht verschwiegen und das Unfaßbare von Beiisars Entscheidung aus Gotenmund nochmals hervorge-hoben (§ 1-3, 25).

Die Absicht, Uraias zum König zu bestellen, zeigt, daß die 4 Sippe des Wittigis immer noch über gewissen Einfluß ver-fügte; doch überläßt Uraias in kluger Weise den Vortritt Ildibad, der offenbar den nationalbewußten Kreisen angehört

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1052 P R O K O P

und überdies - vgl. seine Verwandtschaft mit dem Westgoten-könig Theudis (§ 15)! - vornehmen, wenn nicht gar könig-lichen Geschlechtes war.

5 Die eingestreuten Reden (§ 5-10, 11-15, 18-24)sind Schöp-fungen Prokops ohne historische Grundlage, während in § 25 noch originale Wendungen der Gesandten nachzuhallen scheinen.

28 Nach Prokops geheimsten Wünschen (vgl. Anekdota 4/39ff. ) hät te Beiisar damals von Byzanz abfallen und den Weg des Empörers beschreiten müssen (womit er kaum Erfolg gehabt hätte). Diese heimliche Ent täuschung ha t vielleicht dazu ge-führ t , daß Prokop seit 540 seine Stellung bei Beiisar aufgab. Ausdrücklich wird er jedenfalls nach der Einnahme Ravennas nicht mehr in dessen Gefolge genannt.

Nachdem am Ende des 1. Buches der Gotenkriege im Kampf um Rom ein Unentschieden erreicht ist, bringt das Ende des 2. Buches den Sieg Beiisars und den Höhepunkt seines Lebens, deutet freilich auch schon den kommenden Umschwung an. Völlig gleichen Umfangs, sind die beiden Bücher in engem Zusammenhang miteinander abgefaßt und auch aus deutlicher innerer Bejahung von Beiisars Persön-lichkeit und Wirken geschrieben.

B U C H I I I 1. K a p i t e l

Beiisar kehrte Mitte 540 nach Byzanz zurück. Inzwischen hat te der Perserkönig den Krieg mit einem Einfall in römi-sches Gebiet eröffnet (März 540) und befand sich im Vor-marsch auf Antiocheia, nach Byzanz und Alexandreia die drit tgrößte Stadt des Reiches, die er wenige Monate später eroberte und zerstörte. Ers t als sich die angebahnten Frie-densverhandlungen zerschlugen, übertrug der Kaiser Beiisar die Führung auf dem östlichen Kriegsschauplatz (Frühjahr 541, vgl. I I 15/8). Wir dürfen aus diesem Zögern Just inians auf eine längere Trübung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Feldherrn schließen, dessen Doppelspiel in Ravenna offensichtlich mißfallen hat te . Die für Beiisar peinliche War-tezeit wird im vorliegenden Text durch eine ausgedehnte laudatio (§ 4-22) geschickt verhüllt und damit zugleich der

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ERLÄUTERUNGEN 1053

Gegensatz zu dem mißgünstigen Kaiser und der im folgenden erwähnten Zerrüttung Italiens nachdrücklich herausgear-beitet. Prokop schreibt hier vermutlich aus unmittelbarem Miterleben und wäre demnach wohl gleichzeitig mit Beiisar oder kurze Zeit später nach Byzanz zurückgekehrt.

Alexander sah sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, die 28 durch fünf Kriegsjahre verwirrten Verhältnisse Italiens zu ordnen und ohne Rücksicht auf den noch nicht völlig ge-brochenen feindlichen Widerstand die Reichsgesetze, nament-lich die harten Steuerordnungen, sofort einzuführen. Die überstürzte, wohl durch die Lasten des Perserkrieges mit-veranlaßte Maßnahme traf um so schwerer, als auf längst ver-gangene, vor der Landnahme der Germanen bestehende Ver-hältnisse zurückgegriffen wurde. Ebenso war man im rück-eroberten Afrika verfahren (Cod. Jus t . 127/6). Prokops Werke enthalten verschiedentlich scharfe Anklagen gegen die Fi-nanzpolitik des Kaisers und seiner Helfer; über Alexander äußert er sich in den Anekdota (24/8): „Die Leute aber, die so auf mancherlei Art ihre ganze Habe einbüßten, wurden zu Bettlern und hatten natürlich keine Lust mehr am Kriege. Die Folge war, daß Roms Machtstellung in Italien zusammen-brach. Dort erhob der Logothet Alexander - eigens dazu abgeordnet - kühn die erwähnten Vorwürfe gegen das Militär, zugleich trieb er von den Italikern Gelder ein, und zwar unter dem Vorwand, er müsse sie wegen ihrer politischen Haltung gegenüber Theodorich und den Goten bestrafen." (Über weitere Maßnahmen Alexanders vgl. An. 24/27ff.).

Vitalius scheint noch der tüchtigste und tätigste unter den 34 römischen Feldherrn gewesen zu sein, wie seine spätere Er-nennung zum magister militum per Illyricum (VII 10/2) beweist.

Mit der Schlacht bei dem heutigen Orte Tarvis gewann 35 Ildibad die Verbindungsstraße von Verona nach Aquileja und damit den Ostteil Venetiens bis zum Meer. Über genauere Nachrichten vom Kriegsschauplatz scheint Prokop - nun-mehr wohl in Byzanz weilend - nicht mehr verfügt zu haben.

Die Rivalität zwischen den beiden Königinnen erinnert an 37 den Streit Chriemhilds und Brunhilds im Nibelungenlied, wo der Gatte der Beleidigerin (Siegfried) ebenfalls einem Meu-chelmord zum Opfer fällt, doch besteht wohl kaum eine Beziehung zwischen den Berichten. Innerster Grund für die

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Page 44: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1054 PROKOP Blu t t a t war , wie Prokop andeu te t , der Gegensatz zwischen dem reichen Königsmacher und dem besitzlosen König.

43 Die Mordta t des Uilas er inner t an die des Optar is ( V i l /6ff. ). Der en t täuschte Brautwerber scheint mir ein wanderndes Sagenmotiv und die ganze Geschichte (§ 46-48) dichterisch-effektvoll ausges ta t te t .

49 Die Schilderung des Kriegsjahres 540/1 ist die knapps te in Prokops Gotenkrieg.

2. K a p i t e l 1 Die Verschmelzung zwischen Rugiern und Ostgoten, denen

sich erstere un te r ihrem König Friedrich beim Auszug aus Mösien angeschlossen ha t t en , war offenbar t ro tz fünfzigjäh-rigen Zusammenlebens noch nicht völlig erfolgt ; m i t Erar ich erscheinen die Rugier zum letzten Male in der Geschichte.

10 ff. Erar ich dü r f t e nach Prokops Andeu tung an I ld ibads Er -mordimg nicht unbeteil igt gewesen sein, was mi t der 1/43 gebotenen Version in Widerspruch s teh t . Offensichtlich han-delte es sich, wie Erar ichs P lan einer friedlichen Abrede mi t Byzanz (§15) oder gar einer Kapi tu la t ion (§17) beweist, u m das Aufbegehren einer römerfreundlichen Volksgruppe gegen die nat ionalen Kreise u m I ld ibad und Toti la. Dabei scheinen die Römer ihre H a n d mi t im Spiel gehabt zu haben. E r s t die Ermordung Erar ichs (Oktober 541) und Totilas Regierungs-an t r i t t gaben den Goten die Aktionsfähigkei t zurück.

3. K a p i t e l 3 Verona war nach R a v e n n a die zweite H a u p t s t a d t des Ost-

gotenreiches, mi t deren E innahme die Römer das augenblick-liche Machtgebiet der Feinde, die Poebene, in zwei Teile zu t rennen und gleichzeitig das Etschta l , die wichtigste Ein-gangspforte nach I tal ien, in ihre H a n d zu bringen hoff ten.

11 Die E innahme des persischen Kastel ls Sisauranon erfolgte Herbs t 541 durch Beiisar (vgl. I I 19/24). Die dabei gefangen genommenen Perser wurden samt ihrem Führe r Bleschames auf den italienischen Kriegsschauplatz en t sand t . Aus ihren engen Beziehungen zu Beiisar erklär t sich vielleicht das be-sondere Interesse, das Prokop an Artabazes n immt . Die Dar-stellung des Unte rnehmens gegen Verona läßt auf eine gute Quelle schließen, vermutl ich einen Augenzeugen, der freilich den römischen Befehlshabern sehr feindlich gegenübersteht

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E R L Ä U T E R U N G E N 1055

und ihnen die ganze Schuld am Mißerfolg aufbürde t . Die Rolle des Marcianus ist bezeichnend für die Hal tung der Großgrundbesitzer gegenüber den Goten.

4. K a p i t e l Der Kriegsrat dürf te in oder bei Faventia s tat tgefunden 2

haben, wo die kaiserlichen Truppen westlich an den Apennin, östlich an Ravenna und die dortige Lagune angelehnt, eine Riegelstellung bezogenhatten. Die Rede des Artabazes (§ 2-8), sicher eine Eigenschöpfung Prokops, soll durch ihre eindring-liche Warnung vor den Goten die Schuld der Feldherrn an den weiteren Mißerfolgen besonders deutlich machen.

Ähnlichem Zweck dient Totilas große Rede ; sie soll den 10fr. Umschwung der allgemeinen Lage seit Beiisars Weggang be-leuchten: Während der scheidende Feldherr die Zahl der Goten von 200000(!) auf 1000 verringert und ihr Reich auf eine einzige Stadt beschränkt hat , sieht jetzt Italien infolge der Mißwirtschaft seiner Nachfolger in den Goten seine Be-freier, und ha t die Ungerechtigkeit der Römer ihnen den Zorn Gottes zugezogen. Ein deutlicher Wandel in Prokops Ein-stellung gegenüber dem Krieg ist eingetreten.

Der von den Goten ohne sonderliche Schwierigkeiten über- 19 schrittene Fluß dürf te der dicht bei Favent ia vorbeiströ-mende Sinnius sein.

Für die Mangelhaftigkeit seiner Kenntnisse über den 2iff. Schlachtverlauf sucht Prokop durch den ausführlichen - in Einzelheiten anzuzweifelnden - Kampfber icht Ualaris-Arta-bazes zu entschädigen.

5. K a p i t e l Der gegen Just inus ausgesprochene Tadel der Nachlässig- 2

keit tr iff t einen Gegner(!) Beiisars: VI 21/16 ha t te er sich dessen Befehl widersetzt und auf Narses' Seite gestellt.

Auch Bessas und Johannes sind Gegner Beiisars (siehe VI 4 29/29!). Die folgende Niederlage der Feldherrn fällt damit vor allem dessen persönlichen Feinden (dem Kreis um Narses) zur Last .

Bei Mucellis handelt es sich um den heutigen Ort Mucello 6 im Sievetal.

I n der Schilderung des Kampfes wiederholt sich das Bild 10 ff. von Verona und Favent ia : Feigheit, Saumseligkeit, Unge-

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1056 P R O K O P

horsam der Befehlshaber führen zu schimpflicher Niederlage und schließlich zur Auflösung des römischen Heeres (Juni 542).

19 Nachdrücklich wird dem unerfreulichen Bild der römischen Führer die gewinnende, menschenfreundliche Art Totilas ge-genübergestellt, dem sich sogar die Kriegsgefangenen an-schließen. Dabei müßte freilich Prokop, um die Schwierig-keiten des römischen Reiches entsprechend zu würdigen, auch auf die zur gleichen Zeit in Byzanz wütende Pest und die harten Abwehrkämpfe an der persischen Front hinweisen.

6. K a p i t e l

l Mit der Einnahme der starken Festungen Caesena und Petra Pertusa, worüber Prokop auffallenderweise nichts Nä-heres zu berichten weiß, erzwingt Totila den Durchbruch nach Süden und schneidet so die römischen Stützpunkte am Tyrrhenischen Meer von den Adriahäfen ab. Fas t wider-standslos nimmt der König den Süden in Besitz und stellt die gotische „Zivilverwaltung" über weite Gebiete wieder her.

9 ff. Demgegenüber versagen nicht nur die in ihre Städte ein-geschlossenen Befehlshaber, sondern auch der Kaiser und die neu ernannten Feldherrn, von denen Maximinus angeblich aus Feigheit und Saumseligkeit die Adria nicht zu über-queren wagt, Demetrius hingegen zwar Initiative entfaltet -er ist ja ein alter Unterführer Beiisars ! - , aber an der Gering-fügigkeit seiner Mittel und der ungenügenden Unters tützung durch Johannes( !), den belisarfeindlichen Kommandanten von Rom, letztlich scheitert. Zur gleichen Zeit wurden im Osten die beiden Generale Beiisar und Buzes wegen angeb-licher hochverräterischer Abreden gemaßregelt (Anekdote 4/4ff.).

14 ff. Auffallend stark ist Prokops Interesse fü r Neapel, wo er ja mehrmals geweilt und gewiß auch den mit einiger Abneigung gezeichneten Kephalenier Demetrius gekannt ha t . Offenbar verstimmt ihn an diesem Mann seine durch Just inian ver-fügte Ernennung zum Stat thal ter in Neapel, und so findet er dessen Verstümmelung durch Totila ganz in Ordnung.

25 Von nun an verfügen die Goten über eine nennenswerte Flotte, mit der sie die wichtige Nachschublinie Sizilien-Neapel überwachen können.

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ERLÄUTERUNGEN 1057

7. K a p i t e l Das Kapitel setzt die Darstellung im gleichen Geiste fort :

Totilas Großmut und Humani tä t werden den unzulänglichen kaiserlichen Hilfsmaßnahmen gegenübergestellt und mit ho-hem Lobe ausgezeichnet. Die Übergabe Neapels erfolgte etwa Mai 543.

8. K a p i t e l Totilas sympathische Gestalt beherrscht weiterhin die

Szene. Wir dürfen in Prokops Bewunderung nicht nur den Ausdruck persönlichen Einverständnisses mit dem Goten-könig sehen, es verrät sich darin auch ein immer schärferes Abrücken von seiner bisherigen Einstellung zum Krieg : Seit-dem mit dem Jahre 540 die kaiserliche Politik in Ost und West (ab 543 tobt auch in Afrika ein gefährlicher Aufstand) einen schweren Rückschlag erleidet, verliert Prokop den Glauben an die Gerechtigkeit der Reichskriege und sieht in den Widersachern der Römer die strafende Hand Gottes. Der Kaiser aber erscheint ihm mehr und mehr als Quelle alles Bösen. Anekd. 18/1 lesen wir: „Daß er kein Mensch, sondern . . . ein Dämon in Menschengestalt war, dürf te die unermeß-liche Zahl von Leiden beweisen, die er über die Welt brachte ." Anekd. 18/13 heißt es von Ital ien: „Italien, nicht weniger als dreimal so groß wie Libyen, ist allenthalben noch viel men-schenärmer als dieses Land geworden. Daher wird meine Angabe auch der Zahl der dortigen Todesopfer (5 Millionen !) nahe kommen. . . . Auch dort beging der Kaiser seine sämt-lichen Verbrechen wie in Libyen. Er rief ebenfalls die sog. Logotheten ins Land, und allgemeine Zerrüttung war die unmittelbare Folge. Das Gotenreich erstreckte sich vor die-sem Krieg von Gallien bis an die dakische Grenze, wo die Stadt Sirmium liegt. Als nun das römische Heer in Italien erschien, besetzten die Germanen (Franken!) den Haupttei l von Gallien und Venetien. Sirmium aber und sein Umland kamen unter die Herrschaf t der Gepiden, mit einem Worte lauter menschenleere Gebiete. Denn die einen raffte der Krieg, die anderen Krankhei t und Hunger hinweg, die im Gefolge des Krieges auf t re ten ." Nach einem Rundgang durch die anderen Reichsteile kommt Prokop zu dem Schluß (Anekd. 18/29) : „Denn er paßte seine Maßnahmen nicht den äugen-

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1058 P R O K O P

blicklichen Verhältnissen an, sondern handelte ganz gegen die Zeit: Im Frieden und während eines Waffenstillstandes gab stets seine tückische Art den Nachbarn Anlaß zum Krieg, war dann aber Krieg, so zeigte er sich ohne Veranlassung schlaff und traf aus Habgier seine Vorbereitungen nur sehr zögernd. . . . Er gab weder den Krieg auf - er war eben ein entsetzlicher Mörder - noch konnte er über seine Feinde die Oberhand gewinnen." Damit t un wir einen tiefen Blick in Prokops Seelen Verfassung, in der er das 3. Buch des Goten-krieges schrieb.

9. K a p i t e l 1 ff. Totilas Vorgehen steht in scharfem Kontras t zu dem sträf-

lichen Verhalten der kaiserlichen Feldherrn. Die Schilderung ist auf dem Hintergrund der Anekdota zu sehen.

7 ff. Der Brief scheint Eigenerzeugnis unseres Historikers und ist wohl als Resumé aus den im folgenden erwähnten Mauer-anschlägen aufzufassen. Erneut findet Prokop Gelegenheit, seine Kritik am kaiserlichen Regiment in Italien auszuspre-chen und dabei auch (12) das Schimpfwort Graikoi einfließen zu lassen. Auf Gottes Feindschaft gegen die Römer wird be-sonderer Nachdruck gelegt (17).

23 Der vorausliegende Teil des Buches zielt, was Gruppierung des Stoffes und Verteilung von Licht und Schatten anlangt, eindeutig darauf ab, Beiisars Rückkehr nach Italien als drin-gende Notwendigkeit hinzustellen. Ers t mit seinem erneuten Eingreifen beginnt auch der Bericht wieder inhaltsreicher zu fließen.

10. K a p i t e l Der Rückkehr Beiisars (Sommer 544) war die von Prokop

in den Anekdota 4/1 ff. geschilderte „Generalsverschwörung" vorausgegangen : Auf die Nachricht von Justinians schwerer Erkrankung (543, Pest ?) sollen einige Feldherrn des Ost-heeres, darunter Buzes und Beiisar, erklärt haben, auf die Bestellung eines neuen Herrschers Einfluß nehmen zu wollen. Sie wurden infolgedessen ihrer Kommandos enthoben, Buzes mit 2% Jahren Gefängnis, Beiisar mit längerer Ungnade, teilweiser Konfiskation seines Vermögens und Wegnahme seiner Leibgarde bestraft und erst nach schwerer Demütigung vor der Kaiserin und seiner Gemahlin wieder in Dienst ge-

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ERLÄUTERUNGEN 1059

nommen. Mit unzureichenden Streitkräften und nur gegen das Versprechen, den Krieg aus eigener Tasche bezahlen zu wollen, wurde er 544 als „kaiserlicher Oberstallmeister" nach Italien entsandt . Prokop ha t te von seinem Helden Empörung gegen den Kaiser und Rache an seinen Peinigern erwartet (Anekd. 4/40); ent täuscht über dessen Untätigkeit meint er: „Sobald nun Beiisar in Italien war, nahmen die Dinge - Gott war ihm ja feind - von Tag zu Tag einen ungünstigeren Verlauf." Er hat te sich ja wieder in den Dienst des „Dämons Jus t in ian" begeben und teilte so auch den Zorn des Himmels.

Beiisar, zunächst bemüht, die rückwärtigen Linien wieder s ff. aufzubauen, sichert vor allem den wichtigen süditalischen Landepunkt Hydrus (Otranto) und nimmt dann Aufenthalt im Grenzgebiet zwischen Dalmatien und Italien, in Pola gegenüber von Ravenna (13).

Indessen stärkt Totila seine Stellung vor Rom durch Ein- 19 ff. nähme des festen Tibur, das aber nicht am Tiber, sondern am Anio liegt (23).

Der Ton der Berichterstattung ist nach Beiisars Rückkehr wesentlich milder; Totila t r i t t mehr in den Hintergrund, zum ersten Mal hören wir wieder von Grausamkeiten der Goten (22) .

11. K a p i t e l Beiisars Landung in der neuen Operationsbasis Ravenna 1

erfolgte wohl Ende 544. Die ihm in den Mund gelegte Rede enthält in Kürze das 2 ff.

offizielle Programm der Regierung, die sich nachdrücklich von dem Verhalten der bisherigen römischen Machthaber in Italien distanziert. Prokops Kri t ik ist freilich auch weiterhin deutlich zu spüren, wenn er die Erwähnung der kaiserlichen Gnade und den Appell an die Soldaten und übrigen Unter-tanen ohne jedes Echo bleiben läßt (10).

Totila wird - wie alle Gotenherrscher nach Theodahat - 7 von der kaiserlichen Regierung nicht mehr anerkannt und erhält dementsprechend in amtlichen Erklärungen die Be-zeichnung „Tyrann" ( = nicht legitimierter Herrscher, fast gleichbedeutend mit „Empörer") .

Trotz seiner schwachen Hilfsmittel versucht Beiisar zu- 11 ff. nächst (Frühjahr 545) die Initiative an sich zu reißen und durch Vorstöße auf Bononia und Auximum seine Operations-

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basis zu erweitern. Prokops sachlicher Bericht vermag den schließlichen Mißerfolg der Offensive nicht zu leugnen (37).

12 Die Tatsache, daß Prokop den Namen einer Festung nicht nennen kann, weist eindeutig auf die Benützung einer Mittel-quelle ; im Heere Beiisars befand er sich damals nicht.

15 Seit 544 war es - offensichtlich infolge des Abzugs römi-scher Truppen an andere Fronten - an der unteren Donau wieder unruhig geworden. Anten, Sklavenier, Bulgaren und Hunnen drangen in Thrakien und Illyrien ein, „fast J a h r für J ah r " , bemerkt Prokop Anekd. 18/20, „und brachten über die Bewohner dort gräßliche Leiden. Denn mehr als 200000 Römer wurden, wie ich glaube, in diesen Gebieten bei jedem Einfall getötet oder in die Sklaverei verschleppt, so daß sich heutzutage die Skythenwüste über das ganze Land hin dehnt ." Entscheidende Gegenmaßnahmen konnte das Reich nicht treffen; allmählich begann sich die endgültige Land-nahme der Bulgaren und Sklavenier südlich der unteren Donau abzuzeichnen.

16 Totila scheint durch Spione gut über alle Vorgänge bei den Römern im Bild gewesen zu sein.

32 Die beiden Seestädte sind wohl erst nach Abbruch der Belagerung von Rom (März 538), als sich der Hauptkriegs-schauplatz gegen die Adria zu verlegte, zerstört worden.

12. K a p i t e l 1 Mit der Entsendung des Johannes, seines alten Wider-

sachers (etwa Jul i 545), dürf te Beiisar das Ziel verfolgt ha-ben, sich auf gute Art des lästigen Mitarbeiters für einige Zeit zu entledigen und diesem zugleich schwere Verantwortung aufzubürden. Prokop jedenfalls benützt gerne die Mission des Johannes, um Beiisar möglichst von der Schuld am weiteren Verlauf der Dinge zu entlasten.

2 ff. Dem gleichen Zweck der Entlastung dient auch Beiisars Brief, dessen unerbittliche Schilderung der wahren Lage ein-zig und allein den Kaiser trifft . Die Anrede „Großmächtigster Herrscher" fügt noch Ironie hinzu.

11 Anekd. 5/8 ff. schildert Prokop die Hintergründe der Ver-mählung des Johannes: Theodora verfolgte den Germanus, den Neffen des Kaisers, mit solchem Hasse, daß dieser für seine Kinder keine Ehepartner fand. Mühsam erreichte er nur die (unstandesgemäße) Ehe seiner Tochter Jus t ina mit Jo-

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ERLÄUTERUNGEN 1061

hannes, der seit dieser Zeit u m sein Leben bangen m u ß t e und die Kaiserin und ihre Ver t rau te , Beiisars Gemahlin Antonina , mied. So t ragen auch diese gewisse Mitschuld an den nun folgenden Mißerfolgen in I tal ien.

Toti la gewinnt , während Beiisar un tä t ig in R a v e n n a liegen 12 ff. muß , S t ad t u m S tad t in Mittelitalien zurück und zieht so von Norden her den Kreis u m R o m enger.

13. K a p i t e l U m wenigstens auf der äußeren Linie die Bewegungsfrei-

hei t zurückzugewinnen u n d R o m bessere Unte r s tü tzung ge-währen zu können, zieht sich Beiisar nach Ep idamnus zurück, eine Maßnahme, die Prokop veranlaßt , über die Richtigkeit von Beiisars Entscheidungen nachzudenken (14-18) und ihn auf jeden Fall als einen vom Schicksal verfolgten Menschen, als einen „Got t e s fe ind" hinzustellen (vgl. auch Anekd. 5/42 !).

Die Belagerung Roms begann e twa Dezember 545, mi t viel 1 weniger T ruppen als un te r Witt igis, aber wirksamer, da To-ti la über eine F lo t te ver fügte und die Verbindung mi t den Seehäfen sperren konnte . I n R o m befehligte an Stelle des Johannes seit F r ü h j a h r 545 Bessas, ein tücht iger , schon älte-rer Militär, der mi t Beiisar jedoch in gespanntem Verhältnis lebte.

Toti la wird wiederholt als der F reund der „kleinen Leu te" geschildert, aus deren Kreis er auch einen beträchtl ichen Zu-s t rom von Mitkämpfern erhäl t . Die Beziehungen zwischen Goten und römischen Feudalherrn , insbesondere den Sena-toren, sind hingegen seit Theodaha ts Tod ausgesprochen schlecht ; deren Mehrzahl s teh t offen oder vers teckt auf Seite des Kaisers.

Der Verlust Neapels und die Stat ionierung der neuen goti- 6 sehen F lo t te bei den Äolischen-Liparischen Inseln t u n ihre Wirkung bei der Aushungerung Roms, dem nunmehr das sizilische Getreide fehlt .

P lacent ia (Piacenza) am Po sperr t die wichtige Via Aemi- 8 lia, die dem Nordsaum des Apennin ent lang zwischen Mailand und Ar iminum ver läuf t .

Cethegus floh in den ersten Monaten des J ah re s 546. Die 12 Stelle des Princeps Senatus erscheint unter Odoakar und wird dem ältesten exconsul Ordinarius übertragen, der nun gewisse Aufgaben des S tad tp rä fek ten wahrn immt .

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Page 52: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1062 P R O K O P

20 Isaak war früher (I 15/32) von den Persern zu den Römern übergelaufen und kommt jetzt vom östlichen Kriegsschau-platz her mit seinen Truppen Beiisar zu Hilfe.

21 Dank seiner engen Beziehungen zu den Herulern kann der Eunuch Narses dem bedrängten Reiche wertvolle Dienste leisten. Es scheint, daß seine Partei am Kaiserhofe wieder im Aufstieg war.

14. K a p i t e l Die Erwähnung des Namens Chilbudius gibt Prokop Ge-

legenheit, die abenteuerliche Geschichte von dessen Doppel-gänger zur Belebung seines Berichtes einzulegen und zu-gleich ein weiteres von den barbarischen Grenzvölkern dem römischen Leser nahe zu bringen. Vgl. die Exkurse über die Franken (V 12/1 ff., VI 25/1 ff.), die Heruler (VI 14/1 ff.), die Utigurer und Kutrigurer (VIII 5/1 ff.)!

2 Chilbudius, von slavischer Herkunf t , gehörte wie Beiisar und Sittas dem engsten Kreis Just inians an, wurde 531 zum magister militum per Thraciam ernannt und fand nach drei-jähriger erfolgreicher Tätigkeit 534 den Tod.

6 Die Bedeutung des Chilbudius ist wohl übertrieben dar-gestellt, doch wurde zweifellos die Donaufront unter Justi-nian zu einer unheilbaren Wunde am Reichskörper, die sich trotz aller Bemühungen der kaiserlichen Regierung nicht mehr schließen ließ. Besondere Hervorhebung verdient der große Barbareneinbruch 540 (II 4/4-11, aed. IV 9/8).

8 Die Geschichte des falschen Chilbudius wird wahrschein-lich auf Grund von Verhörprotokollen des Narses wieder-gegeben.

22 Der hier eingeschobene ethnographische Exkurs über Sklavenier und Anten ha t als eines der frühesten Zeugnisse zur Slavenfrage in der Literatur der Gegenwart ausgiebige Behandlung erfahren und wurde auch zu politischen Zwecken ausgewertet. Im ganzen gesehen fügen sich Prokops Ausfüh-rungen in das Schema der nordischen Barbarenvölker ein, zeugen aber auch von guten, verlässigen Quellen entnomme-nen Beobachtungen. Eine eingehende Erörterung der Frage würde den Rahmen unserer Erläuterungen weit überschrei-ten.

32 Kaiser Tra jan ha t te um 107 die Provinz Dacia nördlich der unteren Donau (deckt sich weitgehend mit dem heutigen Ru-

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E R L Ä U T E R U N G E N 1063

mänien) eingerichtet, doch wurde das ziemlich exponierte Gebiet unter dem Druck der Goten und anderer andringen-der Stämme um 275 endgültig wieder aufgegeben und die Reichsgrenze auf die Donaulinie zurückgenommen.

15. K a p i t e l Beiisars Versuch, mit Hilfe seiner Unterführer Valentinus 3

und Phokas von Portus aus der alten Reichshauptstadt Er-leichterung zu bringen, scheitert nach Prokops Darstellung am Widerstande des Bessas. So tragen dieser und in gewissem Umfang auch die Besatzung von Portus, aus deren Mitte ein Verräter erstand (7), die Hauptschuld am späteren Verluste der Stadt - nicht Beiisar.

Eine gewisse Saumseligkeit der römischen Besatzung in 9 ff. Por tus t rägt die Schuld auch daran, daß die Getreidesendung des Papstes Vigilius in die Hände der Goten fällt . Dieser hat te Ende 545 Rom verlassen und sollte in Byzanz im sog. Drei-kapitelstreit die Sache des Kaisers unterstützen. Bis Mitte 546 hielt er sich aber in Sizilien auf und traf erst am 25. 1. 547 in der Reichshauptstadt ein.

Bei Valentinus handelt es sich um den Bischof von Silva 13 Candida bei Rom. Mit auffallender Zurückhaltung berichtet Prokop von dessen Verstümmelung, überhaupt von den gan-zen Vorgängen bei Portus, so daß man an eine gewisse Ab-neigung gegen die kaiserlichen Verteidiger in diesem Raum denken kann.

16. K a p i t e l Pelagius, etwa von 536-544 päpstlicher Apokrisiar (Nun- 5

tius) am Hofe in Byzanz und einflußreicher Ratgeber Justi-nians in dessen Kampf gegen die Monophysiten, versah wäh-rend der Abwesenheit des Papstes Vigilius dessen Stelle in Rom und arbeitete als Vertrauensmann der kaiserlichen Re-gierung ganz in deren Sinne. Nach dem Tode des Vigilius wurde er Paps t (556-561).

Sein besonders enges Verhältnis zu Justinian erhellt aus 7 der Tatsache, daß er unter Umgehung des Stadtkommandan-ten Bessas immittelbar mit den Goten verhandeln darf. Der Princeps Senatus Cethegus ha t te kurz zuvor (13/12) auf den bloßen Verdacht hin, mit den Goten in Verbindung zu stehen, die Stadt verlassen müssen.

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Page 54: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1064 P R O K O P

9 ff. Die Worte Totilas setzen Verhandlungen zwischen dem Kai-ser und den Goten voraus, in denen letzterer offenbar die Übergabe der Stadt unter gewissen Bedingungen zugesagt ha t t e : 1. Schonung Siziliens (dem als Getreidelieferanten für Italien und als Vorposten gegenüber dem seit 543 aufständi-schen Afrika besondere Bedeutung zukam), 2. Schonung der Stadtbefestigung von Rom (dessen intakter Mauerring von den wenigen Goten kaum verteidigt werden konnte), 3. Rück-stellung der entlaufenen Sklaven an ihre alten Herren (was Totilas Streitmacht und öffentliches Ansehen erschüttern, hingegen die Senatorenschicht dem Kaiser besonders ver-pflichten mußte). Mit Geschick und Überzeugungskraft zer-pflückt Totila die kaiserlichen Bedingungen und läßt jedem aufmerksamen Leser die Unaufrichtigkeit der Politik Justi-nians klar werden. Wir haben hier allem Anschein nach die von Prokop verkürzte und auf die Schlußerklärung beschränk-te Darstellung eines längeren Verhandlungskomplexes vor uns, und diese gibt dem Historiker die erwünschte Möglich-keit, spürbare Krit ik zu üben.

27 Die inhaltsarmen Erklärungen des Pelagius verstärken den Eindruck, daß Totila die bessere Sache vertr i t t .

17. K a p i t e l

2 ff. Die mit aller rhetorischen Leidenschaftlichkeit ausgestal-tete Rede der Römer soll den Gegensatz zwischen den Nöten der Bevölkerung (einer Reichshauptstadt!) und der har t-herzigen Untätigkeit der (kaiserlichen!) Befehlshaber scharf herausheben, und damit mittelbar Just inian belasten. Zu-gleich wird Beiisars Sache indirekt verteidigt, der (siehe Kap. 18 u. 19!) das Beste versucht, Rom zu entsetzen und zu verproviantieren.

9 Die folgenden Schilderungen der Hungersnot gehen auf gute Berichte zurück und bestätigen erneut Prokops Inter-esse für medizinische Fragen, verschärfen zugleich aber auch das abfällige Urteil über die kaiserliche Besatzung. Mit der Schreckensgeschichte (20-22) und dem Auszug der Elends-gestalten (23-25) wird der Höhepunkt wirkungsvoll markiert .

10 Der Preis ist wohl übertrieben angegeben. Man bedenke, daß nach Excerpta Valesiana § 73 in der Friedenszeit unter Theodorich 60 Scheffel ein Goldstück kosteten !

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E R L Ä U T E R U N G E N 1065

18. K a p i t e l Vorbereitet durch die ergreifende Schilderung der Hun- Iff.

gersnot in Rom muß jedem Leser Beiisars Absicht, so rasch wie möglich mit der gesamten Streitmacht über See nach Rom zu fahren, natürlich besser erscheinen als die durch Johannes ' Eigenwilligkeit schließlich getroffene Zwischen-lösung. So fäll t helles Licht auf den Helden, während Johan-nes zurücktri t t , ohne daß seine Leistungen aber verkannt werden. Die Schilderung 11 ff. entwirft sogar ein durchaus ansprechendes Bild von seinem Vorgehen in Unteritalien. Vor allem sein von den anderen kaiserlichen Funktionären vorteilhaft abweichendes Verhalten gegenüber der Zivilbevöl-kerung und die dadurch erzielten Erfolge werden lobend her-vorgehoben. Als „wahren" Grund für Johannes ' Zurück-haltung gegenüber Beiisar nennen die Anekdote 5/13 dessen Angst vor Anschlägen Antoninas, die im Auftrag der Kaiserin handle.

Offensichtlich versuchte Johannes zunächst den anbefoh- 18 lenen Vorstoß auf Rom wirklich durchzuführen und benützte von Brundisium aus die Via Traiana. Über Benevent und Kapua hä t te dann der Marsch weiter gehen sollen, eine Strecke, die Prokop wohl bekannt war. Es ist bemerkens-wert, daß damals - über siebenhundert Jahre nach dem Er-eignis (216 v. Chr.) - die Erinnerung an die Schlacht von Cannae noch so lebhaft fortwirkte.

Persönlich wendet sich Prokop an keiner Stelle gegen das 21 Arianertum der Goten; er erkennt vielmehr wiederholt ihre Toleranz und gottesfürchtige Hal tung lobend an.

An einem erfolgreichen Vorstoß auf Rom verzweifelnd 26 sucht Johannes wenigstens den Besitz Süditaliens zu festi-gen und erobert das noch fehlende Verbindungsstück nach Sizilien (Bruttium) durch ein Gefecht auf der Via Popilia zwischen Vibo (Vibo Valentia) und Rhegium.

Die übergelaufenen Maurusier und Römer werden als Hoch- 28 Verräter getötet, die Goten als „legale" Gegner geschont.

19. K a p i t e l Prokop bietet einen auf genauer Sachkenntnis fußenden

Bericht, der auch sein für Kriegsgerät waches Interesse ver-rä t . Obwohl er Beiisars gründliche Vorarbeit, persönlichen

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Page 56: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1066 PROKOP

Mut und Entschlußfreudigkeit anerkennt, außerdem die Nachlässigkeit des Bessas und den Ungehorsam des Isaak kräftig hervorhebt, muß er doch das rasche Verzagen seines Helden (30) und die gegen ihn waltende Feindschaft des Schicksals (32) zugeben. Zunehmende Distanzierung gegen-über dem „von Gott Verfolgten" ist nicht zu verkennen.

Das militärische Unternehmen war wohl mit zu geringen Kräf ten unternommen und zu spitz an einer einzigen Stelle angesetzt) um einen sicheren Erfolg zu erbringen. I m Gegen-satz zur früheren Belagerung von Rom lag zudem die Haupt -macht der Goten zwischen der Stadt und dem Meer. Ob Bessas aus reinem Ungehorsam oder vielmehr aus Schwäche so gehandelt hat , bleibt schließlich auch noch zu beweisen.

20. K a p i t e l Der Abschnitt ist mit guter Sachkenntnis, aber der schon

bekannten Abneigung gegen Bessas und sein Regiment in der Stadt geschrieben. Man muß sich wundern, daß die Verant-wortlichen dort ihre Pflicht so sträflich vernachlässigt haben sollen, während die Goten sich so überaus zögernd zur Wahr-nehmung ihres Vorteils verstanden (dreimalige Einladung durch die Isaurier!). Prokop dürf te seine Nachrichten im wesentlichen aus dem Kreis u m Beiisar bezogen haben.

15 Das Eindringen der Goten geschah von Südosten (Porta Asinaria) aus, wo ihre Hauptmach t stand. Die Stadt fiel in der Nacht des 17. Dezember 546, nach etwa einjähriger Be-lagerung.

18 Prokops lebhaftes Interesse für das Schicksal einzelner Patrizier (Träger klangvoller Namen) läßt auf persönliche Bekanntschaft , zum mindesten auf standesbewußtes Denken schließen. Vielleicht war Pelagius, der im Auftrage Totilas als Gesandter nach Byzanz kam (VIII 21/17), sein Bericht-erstatter über die Zustände im eroberten Rom ?

21. K a p i t e l l£f. Die Rede Totilas enthält Prokops Stellungnahme zum

Kriegsgeschehen und unterstreicht erneut die Ursache der got. Erfolge und der römischen Mißerfolge. Unverhüllt kann der Geschichtsschreiber seiner Regierung entgegenhalten, daß nur „Gerechtigkeit im gegenseitigen Verkehr und gegenüber den Untertanen . . . Glück für alle Zeit" verbürgt (11).

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Page 57: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

ERLÄUTERUNGEN 1067

Totilas Erklärungen gegen die Senatoren sind eine wohl- 12 ff. fundierte Anklage gegen die Kaiserfreundlichkeit dieser Gruppe, richten sich aber letztlich gegen Justinian, der sie um Ämter und Vermögen gebracht ha t .

Der Brief, offensichtlich ein Auszug aus Schreiben Totilas, 21 ff. enthält als wichtigste Punk te den Hinweis auf „die Segnun-gen des Friedens" und das (auch anderwärts bei Prokop ge-priesene) Regiment des Anastasius und Theodorich sowie das Ersuchen, in ein Vater-Sohn-Verhältnis (wie es Byzanz mit „anerkannten" Barbarenfürsten pflegte) zu Just inian treten zu dürfen. Der wortkarge Bericht über Just inians ablehnen-den Bescheid enthält zweifellos einen versteckten Tadel Pro-kops, der gerne einen billigen Frieden gesehen hä t t e ; so fällt alles weitere Unglück dem Kaiser (und auch seinem Helfer Beiisar) zur Last.

22. K a p i t e l Die Angaben über die Zusammensetzung der Truppen las- l ff.

sen erkennen, daß beide Parteien bemüht waren, ihre gerin-gen Bestände an kriegsgeübten Soldaten durch halb- oder unausgebildete Milizen zu ergänzen und so auch die italische (Land)Bevölkcrung zum Kriege heranzuziehen. Wertvolle Dienste leisteten die unkriegerischen Leute nicht ; die jahr-hundertelange Bindung an ihre Grundherrn ha t te überdies das Verhältnis zu Kaiser und Staat sehr gelockert.

Bei der erwähnten Schleifung der Stadtmauern handelt es 6 sich wahrscheinlich meist nur um die Entfernimg der ohnehin schadhaften oberen Teile sowie der Stadttore.

Es mag sein, daß Totila gedroht hat , „Rom dem Erdboden 7 gleichzumachen" und „in eine Schafweide zu verwandeln", allzu wörtlich dürfen wir die Erklärungen indessen nicht neh-men; sie dienen Prokop, u m Beiisars Rolle als Ret ter sowie den Erfolg seines Schreibens gebührend herauszuheben.

Trotz des enkomiastischen Zweckes ist der Brief ein kraft- 8 ff. volles Zeugnis für die hohe Achtung, deren sich auch damals noch die Roma aeterna bei Römern und Barbaren erfreute; er zeugt auch dafür , welch tiefen Eindruck die Fülle ihrer Denkmäler und historischen Erinnerungen auf unseren Ge-schichtsschreiber hinterlassen ha t . I m übrigen dürf te für Kap. 22, das ganz von Portus aus geschrieben scheint, Beii-sar die Hauptquelle gewesen sein.

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Page 58: Werke, 2, Gotenkriege (Griechisch-Deutsch) || ERLÄUTERUNGEN

1068 P R O K O P

18 Der Möns Algidus (bei Tuskulum) liegt östlich von Rom. Von dort aus ist die Ebene südlich des Tibers zwischen Por-tus und Rom leicht zu beobachten.

19 Totila versichert sich der Senatoren, um Geiseln in Händen zu haben und durch sie auf die Hintersassen und auch auf die kaiserliche Regierung einen Druck ausüben zu können.

24 Der Möns Garganus, ein in die Adria vorspringendes Ge-birge, gibt die Möglichkeit, den Seeverkehr an der Ostküste Italiens zu überwachen.

23. K a p i t e l In knapper Übersicht faßt das Kapitel mehrere Einzel-

Unternehmungen zusammen, die Beiisars (und Johannes ') er-folgreiches Bemühen beweisen sollen, indessen nicht darüber hinwegtäuschen können, daß Totila weiterhin die Lage be-herrscht und fast völlige Bewegungsfreiheit in Italien be-sitzt (18).

3 Die Goten meiden sichtlich Städte und finden die Unter-bringung in frei liegenden Befestigungen für angemessener.

18 Acherontia liegt südöstlich von Venusia.

24. K a p i t e l Mit sichtbarer Freude nimmt Prokop die Gelegenheit wahr,

die Rückgewinnung Roms (April 547), die erste größere Tat Beiisars nach einer Reihe von Fehlschlägen, ausführlich zu schildern und den Tod des gotischen Bannerträgers (23 ff.) und die Übersendung der Stadtschlüssel an Just inian (34) als krönenden Abschluß zu setzen. Es fehlt auch nicht an einer kurzen Zwischenbemerkung über ein Kriegsgerät (Fuß-angeln 16-18). Indessen bleibt das Verhalten Totilas unklar, der (6) 25 Tage lang die kaiserlichen Truppen ungehindert an der Neubefestigung Roms arbeiten ließ und außerdem der Rückkehr zahlreicher Einwohner in die mit reichen Lebens-mitteln versehene Stadt (7) nichts in den Weg legte. Das Ganze sieht danach aus, als sei in Verfolg der mit Byzanz an-geknüpften Friedensverhandlungen (vgl. 21/18 ff.) ein Ab-kommen zwischen Totila und Beiisar geschlossen und dabei die entfestigte Stadt als „Vorgabe" überlassen, der Vertrag aber von Beiisar irgendwie einseitig gebrochen worden. Nur so wird der mit aller Leidenschaft und ohne Rücksicht auf Verluste wiederholt geführte Angriff der Goten verständlich,

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E R L Ä U T E R U N G E N 1069

verständlich auch die außergewöhnliche Erbi t terung der goti-schen Adeligen, die ihren Herrn irgendwie betrogen sehen. H ä t t e außerdem Beiisars Brief (22/8-16) eine so bedeutende Wirkung auf Totila ausgeübt, wenn dieser nicht gewisse Frie-denshoffnungen gehegt hä t t e ? Es ist sehr möglich, daß Pro-kop seine Darstellung einer Relation Beiisars an die kaiser-liche Regierung in Byzanz entnommen hat .

25. K a p i t e l Totilas lange Rede gilt der Beseitigung einer schweren Ver-

trauenskrise im Gotenheere, die ihren Grund in den Vorgän-gen um Rom hat . Wenn wir in den Ausführungen nicht nur Rhetorik sehen wollen, so war Totila trotz „kluger Vorsicht" von Beiisars „Tollkühnheit" überspielt worden und hat te allzu vertrauensselig die entfestigte Stadt geräumt bzw. her-ausgegeben. Ähnlich überlegene, wenn auch ebenso zweifel-haf te Politik gegen Barbaren ha t te Beiisar schon gegenüber Wittigis im Kampf um Rom und vor allem um Ravenna an-gewandt.

26. K a p i t e l Der erfolgreiche Versuch des Johannes, die römischen Se-

natoren in Kampanien aus Totilas Hand zu befreien, dürfte, obschon wir im allgemeinen kein enges Zusammenwirken der verfeindeten Feldherrn Beiisar und Johannes annehmen dür-fen, im Zusammenhang mit der Aktion gegen Rom gestanden und den Zweck verfolgt haben, Vergeltungsmaßnahmen der Goten zuvorzukommen.

Beachtenswert ist das starke Lob für Johannes, den Prokop 1 gegenüber Beiisar in den Vordergrund schiebt. Sogar seine selbstverschuldete Schlappe (15 ff.) bleibt ohne ernsthaften Tadel von Seiten Prokops, während dem Sieger Totila unüber-legtes Handeln vorgeworfen wird.

27. K a p i t e l Der Hinweis auf Beiisars Lageberichte läßt die Quellen 1

erkennen, aus denen Prokop schöpfte. Die Truppenverstärkungen treffen zwischen Herbst 547 2 ff.

und Sommer 548 in größeren Abständen ein und beweisen durch die bescheidenen Zahlen, wie schwer das gleichzeitig an allen Seiten bedrängte Reich Soldaten frei machen kann.

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1070 P R O K O P

Sämtliche Streitkräfte werden nach Unteritalien geleitet, von wo aus, da Rom und Ravenna zu abgelegen sind und Totila von Norden, der Aufstand in Afrika aber von Süden her drücken, die Offensive eröffnet werden sollte (12). Auch Beii-sar begibt sich - Herbst 547 - dorthin (16).

17 Prokop scheint die Namenserklärungen samt der dargebo-tenen sprachgeschichtlichen Theorie einem Lexikon entnom-men zu haben. Bei der Erwähnung der Straße von Messina und des Golfes von Tarent dürf ten persönliche Erinnerungen lebendig gewesen sein.

28. K a p i t e l 2 Die Angaben über den Golf von Tarent entsprechen nicht

genau der Wirklichkeit. Tarent liegt im innersten Winkel, nicht am östlichen Ausgang des Meerbusens ; sodann beträgt die direkte Entfernung zwischen Kroton und Tarent 150 k m und ist somit kürzer als die angegebenen 1000 Stadien. Letz-tere dürf ten der Länge einer Küstenfahr t entsprechen.

7 Die Truppen bezogen Stellung südlich von Thurii ; dadurch sollte Brut t ium abgesichert und ein Übergreifen Totilas nach Sizilien verhindert werden. Die Festung Ruscianum liegt etwa 20 km südöstlich von Thurii in Meeresnähe.

13 Obwohl Prokop sichtlich bemüht ist, die Verantwortung für die Niederlage von Beiisar auf die Soldaten abzuwälzen, hinterläßt doch die unverhüllte Schilderung der Flucht aus Kroton einen betont unerfreulichen Eindruck beim Leser.

29. K a p i t e l Beiisars Mißerfolg gibt dem Geschichtsschreiber offen-

sichtlich das Stichwort, um in gedrängter Form auf weitere Unglücksfälle des Reiches hinzuweisen. Diese begegnen uns wieder in den Anekd. 15/37 und 18/25, 38 ff., wo sie ganz offen dem „Dämon Jus t in ian" zur Last gelegt werden.

2 In seinen „Bauten" (Buch 4) berichtet Prokop ausführlich und lobend (!) von Justinians Festungsbauten auf der Bal-kanhalbinsel.

15 Bei dem Ungeheuer, das offenbar durch eine Flutwelle ans Land gespült wurde (der Sangarius mündet östlich des Bospo-rus ins Schwarze Meer), handelte es sich wahrscheinlich um eine Riesenkrake (Porphyrius heißt dunkelrot). Die dies-bezüglichen Nachrichten ha t Prokop in Byzanz gesammelt,

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wo er sich damals (547/8) sicher aufhielt . Auch die Anekdota sprechen von dem Ungeheuer (15/37).

Prokops „aufklärerische" Bemerkungen über die Bedeu- 17 ff. tung von Vorzeichen entsprechen nicht ganz seiner tieferen Überzeugung, die sehr wohl das Hereinwirken überirdischer Kräf te in Form der prodigia kennt und anerkennt.

30. K a p i t e l

Mit Frühjahrsbeginn (etwa Mai) 548 versucht Byzanz die 1 Verteidigungslinie gegen Totila noch weiter südlich auf-zubauen. Daher werden die neuen Truppen vornehmlich gleich nach Sizilien geleitet.

Nachdem seine schriftlichen Hilfegesuche nicht die ge- 3 wünschten Ergebnisse gezeitigt hat ten, beauftragte Beiisar seine Gemahlin mit der Fürsprache bei der Kaiserin, mit der Antonina (zum Ärger Prokops, vgl. Anekd. 4/18) von früher her eng verbunden war. Doch starb Theodora (infolge eines Krebsleidens) a m 28. Jun i 548. Welcher Grund nun zur Ab-berufung Beiisars führte , läßt sich nur vermuten. Das in Aussicht gestellte Kommando an der Ostfront war jedenfalls nur Vorwand; denn Beiisar wurde dort nicht eingesetzt, er kehrte auch ohne alle Eile nach Byzanz zurück. Wahrschein-lich war Just inian mit seinen Leistungen unzufrieden und von einigem Mißtrauen erfüllt, dazu verfolgte er einen neuen Plan: Durch Vermählung seines Neffen Germanus, eines tüchtigen Feldherrn, der aber bisher wegen Theodoras Feindschaft nicht entsprechend verwendet werden konnte, mit Matasuntha ergab sich die Möglichkeit, die Goten mit dem kaiserlichen Regiment zu versöhnen und den lang-jährigen Krieg doch noch zu einem beiderseits erträglichen Ende zu bringen.

Mehr und mehr t r i t t Beiisar wieder in den Hintergrund. 5 ff. Weder ihm noch den anderen römischen Feldherrn gelingt es, den Druck Totilas auf Süditalien durch Unternehmungen in seinem Rücken zu vermindern.

Die Behandlung der Besatzung von Ruscianum zeigt 2iff. Totila machtmäßig und menschlich den Römern weit über-legen. Unüberhörbar liegt in Prokops Darstellung eine be-wundernde Billigung seines Vorgehens. Den Grund der Be-strafung Chalazars erfahren wir nicht - waren Prokops Quel-

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1072 P R O K O P

len so bruchstückhaft ? Wahrscheinlich liegt eine Flüchtig-keit ihrer Auswertung vor.

31. K a p i t e l 2 545/6 beseitigte Artabanes, ein geborener Armenier aus

dem Arsakidengeschlecht, der ursprünglich auf persischer Seite gegen die Römer gekämpft hat te , den Empörer Gon-tharis während des Mahles (IV 28/23 ff.); dieser ha t te sich nach Ermordung des Feldherrn Areobindus (IV 26/31 ff.) zum Herrn von Libyen aufgeschwungen und gedachte, seine Macht durch die Ehe mit dessen Witwe, der kaiserlichen Prinzesssin Prejekta, zu festigen (IV 27/20). Just inian lohnte Artabanes ' Verdienste durch Ernennung zum magister mili-tum per Africam (IV 28/44), entbot ihn aber bald auf eigenen Wunsch nach Byzanz.

14 Bei Theodora mag neben ihrer auch anderwärts bezeugten Hilfsbereitschaft gegenüber unglücklichen Frauen (ζ. B. Anekd. 4/18 ff.) auch die Furcht mitgesprochen haben, daß Artabanes durch seine Einheirat ins kaiserliche Haus zu einem gefährlichen Thronprätendenten werde. Durch die Vermählung Prejektas mit Johannes, dem Sohne des un-glücklichen, nach dem Nikaaufstande schmählich ermordeten Thronprätendenten (I 24/56), sollte gewiß die alte Schuld Ju-stinians wieder gutgemacht werden.

17 Die Testamentsänderung durch Just inian geschah wohl auf Grund der neuen Erbgesetze (nov. 18/1 u. 115/3), die eine stärkere Berücksichtigung der leiblichen Nachkommen vor-schrieben.

32. K a p i t e l 1 ff. Über den Hochverrat des Arsakes gegen Just inian und die

Gründe seiner milden Bestrafung sind wir nicht weiter unter-richtet.

7 Armenien ha t te 428 seinen letzten arsakidischen König verloren und war als Interessengebiet zwischen Rom und Persien aufgeteilt worden. Johannes Arsakides, der Vater des Artabanes, wurde unter Wortbruch vom röm. Feldherrn Buzes (II 3/29 ff.) getötet.

10 Germanus, der tüchtige und hochangesehene Brudersohn Justinians, wurde infolge der Feindschaft und des Miß-

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trauens des Kaiserpaares, namentlich Theodoras (Anekd. 5/8), vom öffentlichen Leben möglichst ferngehalten. Eben-so erhielten seine Söhne Just inus und Justinianus keinen angemessenen Wirkungskreis.

Marcellus war comes excubitorum und als solcher vor allem 22 für die persönliche Sicherheit des Kaisers verantwortlich. Sein Ernst , seine Zuverlässigkeit und sein Mut, der auch gegen den Kaiser aufzutreten wagt, lassen ihn Prokop als das Musterbild eines Beamten erscheinen.

Als Schwiegersohn des Athanasius, des kaiserlichen Ge- 34 sandten an Theodahat (V 6/26) und späteren Praefectus Praetorio (VI 22/24), gehörte Leontius den höchsten Be-amtenkreisen an. V I I I 24/11 ff. wird er als Gesandter an den fränkischen Königshof geschickt.

Die Szene erinnert überraschend an I 25/26, wo Johannes 35 der Kappadoker ebenfalls durch Lauscher hinter einer Decke überwacht wird. Dort ist Marcellus sogar persönlich anwesend.

Die Darstellung enthält ein starkes Lob für Beiisar, der 38/39 neben Marcellus als unbedingt zuverlässige Stütze des Kaiser-tums erscheint.

Der Hinweis auf schriftliches Untersuchungsmaterial 43 macht es sehr wahrscheinlich, daß Prokop seine Darstellung aus amtlichen Dokumenten schöpfte. Daher dringt er viel-leicht auch nicht in die letzten Hintergründe der Affäre ein und vermag auch nicht die Milde des Kaisers ganz verständ-lich zu machen. Kapitel 31 und 32 sind nur lose in die Ge-samtdarstellung verwoben, sie wurden wahrscheinlich erst später eingeschoben.

33. K a p i t e l Die Beurteilung der allgemeinen Lage im Westen geschieht l

mit ungewöhnlicher Schärfe, so daß man fast zwischen der Abfassung dieses und des Kapitels 30 eine gewisse Zeitspanne annehmen möchte, in der die Erwartungen unsers Geschichts-schreibers auf einen Tiefpunkt sanken und er mit allgemei-nem Chaos rechnete.

Über die Abtretung des Gebietes zwischen Alpen und 2 unterer Rhone an die Franken siehe V 13/26 ff. !

Die Franken genossen von Seiten Ostroms eine besonders 3 ehrenvolle Behandlung. Offensichtlich auf die Rückgewin-nung Galliens verzichtend, dafür aber das starke Frankenreich

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1074 P R O K O P

gegen die Ost- und Westgoten ausspielend, übersandte Kai-ser Anastasius Chlodwig im Jah re 508 einen Königsornat und erkannte damit seine Herrschaft in aller Form an. Gregor von Tours (Historia Francorum 11/38) bemerkt hiezu: „Damals empfing er von Kaiser Anastasius ein Pa ten t als Konsul und legte in der Kirche des hl. Martinus den Purpurrock und Mantel an und schmückte sein Haup t mit einem Diadem. Dann bestieg er ein Pferd und streute unter das anwesende Volk . . . Gold und Silber . . . ; und von diesem Tage an wurde er wie der Kaiser Konsul genannt ."

6 Arelate war der Sitz des praefectus praetorio per Galliam gewesen, woraus sich vielleicht der Ehrenvorsitz der Fran-kenkönige bei den Zirkusspielen herleitete. König Theudi-bert I . (534-547/8) ging zur eigenen Prägung über, doch hielt sich diese in engen Grenzen.

6 Hier dürf te sich Prokop irren. Die - seltenen - Gold-münzen Persiens tragen alle das Bild des Großherrn.

7 Mit Theudiberts Einbruch 539 begann die Besitzer-greifung der Kottischen Alpen und Venetiens (sowie von Teilen Rätiens und Norikums) durch die Franken.

8 Das 535 von den Kaiserlichen eroberte Sirmium war 536 (nach dem Tode des Feldherrn Mundus, vgl. V 7/4!) in die Hände der Gepiden gefallen. Diese wurden seit 546 durch die Ansiedlung der Langobarden (vgl. 10!) unter Alboin im südöstlichen Norikum niedergehalten.

13 Die Heruler saßen seit dem Regierungsbeginn Ju -stinians u m Singidunum an der unteren Save, ein unbe-ständiges, aber kriegstüchtiges Volk, das viele Söldner für den kaiserlichen Dienst lieferte und bald aus der Geschichte verschwand. Damals (547) machten sie gemeinsame Sache mit den Gepiden (vgl. VII 34/43!).

14 Wiederholt tadelt Prokop die Zahlung von Jahrgeldern (oft nur verhüllte Tributleistungen) an Barbaren als Schmach des Römerreiches.

Deutlich zeigt Kapitel 33, wie sich die Fremdvölker immer tiefer in die Balkanhalbinsel hineinschieben und die Donau-grenze aufgerissen wird.

34. K a p i t e l 1 Die im folgenden geschilderten Ereignisse spielen etwa

im Jahre 549.

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Die Rede der Langobarden (6-24) und die Antwort der 6 ff. Gepiden (25-39) sind überraschend breit ausgeführt und mit viel rhetorischer Fracht belastet (vgl. vor allem 38!), geben aber, auf gutem Material und gründlicher Kenntnis der Ver-hältnisse fußend, ein deutliches Bild der Lage an der unteren Donau. An vielen Stellen ist - unter Berufung auf barbari-sche Schlichtheit des Ausdrucks, vgl. 23 - scharfer Tadel an der kaiserlichen Politik geübt, die in unwürdiger Weise mit Barbarenvölkern pakt ier t und deren Unta ten noch mit Land-anweisung und Geschenk belohnt.

Das Material für die Kapitel 33 und 34 ha t sich Prokop ähnlich wie fü r die Kapitel 31 und 32 irgendwie am Kaiser -hofe verschafft und ebenfalls erst dicht vor Herausgabe des Buches (550) eingefügt. Darauf weist die geringe Verflech-tung der Berichte mit dem übrigen Text : 47 verzichtet Pro-kop darauf, die weiteren Schicksale der Feldherrn Kon-stantianus, Aratius und Johannes zu berichten, die erst im späteren Verlauf der Erzählung plötzlich wieder mit neuen Aufgaben auftauchen (siehe VI I 40/34!).

35. K a p i t e l Die har ten Worte über Beiisar werden gerne als Beweis 1

der objektiven Einstellung Prokops gegenüber dem Feld-herrn aufgefaßt. Das ist zweifellos richtig, im vorliegenden Buch kann man indessen auch eine zunehmende innere Entf remdung zwischen beiden Männern feststellen, die schließlich zu den scharfen Verdammungsur teilen in den gleichzeitig (!) geschriebenen Abschnitten der Anekdota (5/1) führte . Von der Möglichkeit späterer Retuschen hat Prokop, der einmal Geschriebenes nicht mehr ändert, keinen Gebrauch gemacht, so daß abweichende Bewertungen ein und derselben Person nicht überraschen dürfen.

Das an dieser Stelle auffallend spät berichtete Vorzeichen 3 dient dazu, Beiisars Sieg und Niederlage rückschauend vom Transzendenten her zu fassen und in die göttliche Weltord-nung einzufügen : Die Gottheit , ihm ursprünglich freundlich gesinnt, war zu seinem Feind geworden.

Mit seinem Bemühen, die Monophysiten durch gewisse Zu- 9 geständnisse für das Chalcedonense zu gewinnen, ha t te Ju-stinian Anlaß zu dem sog. Drei-Kapitel-Streit gegeben (seit 543). Papst Vigilius, zur Hilfe nach Byzanz entboten, stellte

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sich erst nach har tem Zwang in seinem Judika tum vom 11. 4. 548 auf Seiten des Kaisers, weckte aber damit den heftigen Widerstand der westlichen Kirche, bes. in Italien und Afrika. I n dieser bedrängten Lage mußte Vigilius die Rückgewinnung Italiens und die Rückkehr in seine Stadt besonders erwünscht erscheinen, doch erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Erst nach Abschluß des 5. Allgemeinen Konzils (Konstantinopel 553) erlaubte ihm der Kaiser die Heimreise, auf der er s tarb (7. Jun i 555).

10 Bei „Gothigus" handelt es sich um Cethegus, den princeps senatus Romani, der 545/6 vor den kaiserlichen Befehls-habern wegen Hochverratsverdachtes aus Centumcellae ha t te entweichen müssen (VII 13/12).

11 Prokop sieht in Justinians Bemühungen um theologi-sche Fragen eine Verabsäumung seiner Herrscherpflichten; die staatsgefährdende Wirkung religiöser Streitigkeiten in einem Staat wie dem Reiche Justinians, wo weltliche und geistliche Gewalt fast eine Einheit bildeten, scheint ihm nicht ganz aufgegangen zu sein.

19 Vgl. VII 34/40 ff. ! 22 Die Schlacht fiel wohl in das Frühjahr 549. Der Grund für

Ildigis' plötzlichen Abzug bleibt unklar ; da er später (VIII 27/7) in Byzanz mit Auszeichnungen aufgenommen wurde, dürfte kaiserliches Geld mitgewirkt haben.

24 Mit diesem Raubzug beginnen die Gegenstöße Totilas und zwar mit dem Ziel, die Ausgangsbasen der Gegner jen-seits der Adria zu treffen. Auffallend ist die außerordentliche Här te der Kriegführung, in der irgendwie „Ends t immung" mitschwingt.

36. K a p i t e l

1 Die Belagerung begann wohl Mittsommer 549 und dauerte bis 16. 1. 550. Das gotische Heer lagerte wieder im Raum zwischen Stadt und Hafen, nahe der Por ta Ostiensis, um so jeden Nachschub zur See wirksam zu unterbinden.

6 Die Ernennung des wackeren, aber schon betagten und wenig kriegserfahrenen Patriziers Liberius war sichtlich eine Notlösung, die vorhalten sollte, bis die durch die Verschwö-rung des Artabanes verzögerte Bestellung des Germanus als Oberbefehlshaber im Westen durchgeführt werden konnte.

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Rom und Centumcellae sind durch die Via Aurelia ver- 11 bunden, welche die Haup t s t ad t durch das westlichste Tor, die Por ta Aurelia, verläßt.

Wahrscheinlich war Paulus die Quelle Prokops. Darauf 16 deutet die Tatsache, daß unser Geschichtsschreiber sehr ge-nau über die Vorgänge innerhalb der Stadt , nicht aber außer-halb ihrer Mauern (siehe 15: „Wie man sagt"!) unterrichtet ist.

Offenbar auf propagandistische Wirkung bedacht und 28 ernstlich gewillt, sich die Herzen der Stadtbevölkerung zu ge-winnen, behandelte Totila das eroberte Rom auffallend mild. Gleichzeitig unternahm er den letzten - wiederum vergeb-lichen - Ausgleichsversuch mit Just inian (vgl. 37/6).

37. K a p i t e l

Bei dem Frankenkönig handelt es sich sehr wahrschein- 1 lieh um Theudibert I . , dem einzigen Merowinger, der damals ernstlich in Italien eingriff. Da Theudibert aber bereits 548 starb, so dürf te der Heiratsplan mindestens zwei Jahre zu-rückliegen und nicht „kurz zuvor" spielen. Vermutlich war die Weigerung des Frankenkönig auch durch sein Bündnis mit Byzanz best immt.

Die Gesandtschaft des Stephanus, die Frühjahr 550 nach β Byzanz abgeht, ist wohl mit der V I I I 24/4 erwähnten iden-tisch. Danach erklärten sich die Goten bereit, den Römern Sizilien und Dalmatien völlig abzutreten, außerdem jährliche Tribute zu entrichten und Kriegsdienste zu leisten.

Der Vorstoß nach Sizilien läßt vermuten, daß Totila von 8 Norden her - durch die Franken gedeckt - keine ernstliche Bedrohung mehr zu fürchten hat te .

Es überrascht, daß der nach 36/15 „angeblich" als ver- 9 wundet nach Centumcellae entflohene Befehlshaber von Rom Diogenes t>hne weitere Bemerkung dort plötzlich als aner-kannter Pla tzkommandant genannt wird. Möglicherweise sind zwei Quellen nicht völlig miteinander verschmolzen wor-den. I m übrigen ist Diogenes, „der Doryphor Beiisars", als Verteidiger von Rom wie von Centumcellae sehr sympathisch gezeichnet (nicht minder Thurimuth und Himerius, vgl. 20!), was auf persönliche Bekanntschaft mit Prokop schlie-ßen läßt.

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27 In seinem Urteil über Verus rückt Prokop bedeutend von dem 27/5 ausgesprochenen Tadel ab.

38. K a p i t e l 1 Der Einfall erfolgte wohl Anfang 550, und zwar dürfte sich

der Stoß über den Schipkapaß hinweg in das obere Tal der Maritza ( = Hebrus) gerichtet haben, wo sich die Sklavenier trennten. Der eine Haufe rückte über Adrianopel auf Byzanz zu und traf dabei unfern der Langen Mauern auf die Stadt Tzurulon (nördlich von Perinth).

5 Asbadus gehörte zum Korps der sog. Candidati, kaiser-licher Leibwächter, die zur nächsten Umgebung des Herr-schers zählten und oft zu höheren Offiziersstellen beför-dert wurden. Justinian selbst begann seine militärische Laufbahn als Candidatus. Die Erfolge der Sklavenier waren um so beschämender für Justinian, als sie fast im Weichbild der Reichshauptstadt errungen wurden.

7 Bemerkenswert ist das wachsende Überlegenheitsgefühl der Sklavenier, die damals begannen, zur Geißel des römi-schen Reiches zu werden. Die Donau hatten sie freilich nach Prokops eigenem Zeugnis (14/2) schon in den Jahren 530/1 mehrmals überschritten.

9 Die Stadt Toperos liegt nicht am Meer, sondern westlich von Byzanz im Rhodopegebirge. Justinian hat ihre Befesti-gung späterhin wesentlich verstärkt (aed. V I 11/14 ff.).

18 Die Zahl der Todesopfer wie auch die Schilderung der Grausamkeiten dürften übertrieben sein. Prokop verfügte wahrscheinlich nur über mündliche Berichte aus dem Kata-strophengebiet .

39. K a p i t e l 1 Der Angriff auf Sizilien und die harte Behandlung der Insel

beweisen, daß Totila nicht mehr auf ein gütliches Überein-kommen mit dem Kaiser rechnete. Seit 550 begann Totila auch Münzen mit seinem Bildnis zu prägen, nachdem er bis dahin Justinian und später Anastasius als Münzbild ver-wendet hatte.

9 Die immer wieder hinausgezögerte und schließlich nur unter dem äußersten Zwang der Verhältnisse ausgesprochene Ernennung des Germanus zum „Feldherrn mit unbeschränk-ter Vollmacht" muß auf Justinians Regierungssystem ein

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ungünstiges Licht werfen. Diesen Eindruck zu verstärken, hebt Prokop die Leistungen und Fähigkeiten des Germanus im folgenden nachdrücklich hervor.

Als Befehlshaber in Libyen ha t te Germanus die Empörung 11 des Stotzas (IV 17/24 ff.) und die Verschwörung des Maxi-minus (IV 18/5 ff.) niedergeworfen und so das noch nicht lange den Vandalen abgewonnene Land dem Kaiser ge-sichert. U m die Wende 539/40 wurde er nach Byzanz zurück-gerufen.

Die „Gotengeschichte" des Jordanes, kurze Zeit später 21 (551) in Byzanz als Auszug aus Cassiodors gleichnamigem Werk abgefaßt, sollte vermutlich unter den Goten (und Italikern) Stimmung für Aussöhnung mit Byzanz machen und (nach des Germanus plötzlichem Tod) dessen nach-geborenen Sohn Germanus d. J . empfehlen.

40. K a p i t e l Der Sklaveniereinfall erfolgte Sommer 550, während Ger- l

manus in Serdika (Sofia) weilte. Von dort aus konnte er die wichtigsten von der Donau her in den Balkan führenden Täler überwachen.

Die Sklavenier wollten wahrscheinlich das Morawa- 3 Wardartal als Marschweg benützen, mußten aber vor dem Flankendruck des Germanus nach Westen zu ausweichen.

S ta t t „ Jus t in ian" dürf te sehr wahrscheinlich „Jus t inus" 5 - im Widerspruch zu sämtlichen Handschrif ten hat Maltretus diese Änderung vorgenommen - wieder einzusetzen sein; denn in dessen letztem Regierungsjahr 527, in dem freilich Just inian einige Monate mit seinem Oheim gemeinsam die Herrschaft führte , errang Germanus als magister militimi per Thraciam den entscheidenden Sieg über die Anten und begründete seinen Ruhm als Feldherr.

An Germanus entwickelt Prokop sein Idealbild eines Kai- 9 sers, in deutlichem Gegensatz zu dem Bilde Justinians der Anekdota.

Spinus ist das einzige von Prokop erwähnte Beispiel für 20 die Ernennung eines höheren Zivilbeamten durch Totila. Wir müssen aber annehmen, daß Totila zur Aufrechterhaltung einer wenn auch nur notdürft igen Verwaltung sich zahlreicher Helfer bediente. Höchstwahrscheinlich verfolgte er mit der Festnahme römischer Senatoren auch das Ziel, über diese

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Grundherrn Einfluß auf deren Verwaltungseinrichtungen zu gewinnen.

19 Auch ohne Warnung durch Spinus dürf te Totila ange-sichts der kaiserlichen Rüstungen die Konzentration seiner Kräf te in Italien für nötig erachtet haben.

33 Die Tatsache, daß die Sklavenier im Reichsgebiet zu über-wintern beginnen, zeigt eine weitere Stufe auf dem Wege zum Seßhaftwerden.

39 Prokop erwähnt auch hier wieder Korruption der Füh-rer und Ungehorsam der Soldaten, dazu das Fehlen einheit-licher Leitung als die Krebsschäden kaiserlicher Kriegfüh-rung.

Mit wenig erfreulichen Berichten schließt plötzlich und ohne daß sich ein Kriegsjahr rundet, die Darstellung des Buches. Prokop ha t te vermutlich zunächst die Erfolge des Germanus abwarten wollen, verlor dann aber mit dem Tode dieses Mannes die Freude an der Arbeit und drängte nun, mit der Schilderung rasch zu Ende zu kommen. Auf gewisses Zö-gern mit dem Abschluß des Buches deutet auch dessen be-deutende Länge (132,5 Textseiten gegenüber 107,5 der beiden vorausgehenden Bände). Bei gleicher Länge müßte unser Buch mit Kapitel 32 enden, wo tatsächlich ein gewisser Bruch festzustellen ist.

B U C H I V 1. K a p i t e l

1/2 Prokops Absicht, künftighin nicht mehr nach Kriegsschau-plätzen zu gliedern, sondern das Geschehen an allen Fronten zusammenfassend darzubieten, zeichnet sich bereits in der 548/9 geschriebenen Einleitung zu den Anekdota ab, wo wir 1/1 lesen: „Die weiteren Berichte erfolgen nicht mehr in der erwähnten Weise, denn jetzt soll zur Sprache kommen, was sich überall im Römischen Reiche zugetragen hat." Diese Darstellungsweise empfahl sich für Buch IV um so mehr, als der Band III mit dem Tode des Germanus ziemlich unver-mittelt abgebrochen hatte und große Erfolge im Osten und Westen eine Abrundung des Gesamtwerkes der „Kriege" notwendig machten. Dazu drängte es Prokop sichtlich, auch gewisse Sonderthemen zu berühren, namentlich aber seinen

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ERLÄUTERUNGEN 1081

starken geographischen Interessen zu huldigen, so daß ein zwar lockerer komponiertes, aber um so interessanteres Ge-bilde entstand.

Prokop schließt an I I 30/48 an : „Und für die Römer ging 3 das vierte J a h r des Waffenstillstandes mit den Persern zu Ende, während Kaiser Just inian sein Herrscheramt im 23. Jahre bekleidete." Die Landschaft Kolchis ist am Ost-ufer des Schwarzen Meeres bei der heutigen Stadt Poti zu suchen, wo sie im Norden vom Großen, im Süden vom Klei-nen Kaukasus umschlossen wird. Hauptf luß des Landes ist der bei Poti mündende Rion. Zu Prokops Zeiten hieß das Gebiet nach den Einwohnern gewöhnlich Lazien. Trotz des zwischen Persien und Rom bestehenden Waffenstillstandes war seit 549 der Kampf um diese Eckposition, deren Besitz den Persern den Zugang zum Schwarzen Meere verschafft hät te , wieder entbrannt und wurde mit wechselndem Erfolg geführt .

Mit Chorianos erscheint ein neuer persischer Feldherr auf i dem Kriegsschauplatz.

Der Hippis, heute Zscheniß, ist ein nördlicher Nebenfluß 6 des Rion. Östlich davon - gegen Iberien - erstreckt sich die Landschaft Mocheresis.

I m folgenden begründet Prokop den etwas umfangreich 7 ff. geratenen geographischen Exkurs (Kap. 2-6) mit der Not-wendigkeit, veraltete Angaben richtigstellen zu müssen, und bringt dabei einige nicht eben originelle Gedanken zur Frage, was alles zur Verdunkelung früherer Verhältnisse beigetragen haben mag. Meinem Dafürhal ten nach ha t Prokop sich des weiteren sehr eng an seine Vorlage angelehnt und nur wenig Eigenes geboten.

2. K a p i t e l Die Umfahr t um das Schwarze Meer erfolgt vom Bospo- 1

rus aus gegen den Uhrzeigersinn. Trotz seiner betonten Distanzierung gegenüber dem 2

Mythus (1/13) läßt es sich Prokop nicht nehmen, die „in-teressante" Amazonenfrage (3/6-11) ausführlich anzuschnei-den. Ebenso wird die Verbindung mit derMedeiasage (12) her-gestellt.

Von dem „bi t teren" Honig berichtet auch Xenophon, 4 Anabasis IV 8/20.

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5 Die Tzanen wohnen also südöstlich von Trapezunt. 8 Der Akampsis, heute Coroch, mündet bei Batum.

10 Daß die Bemerkung „bis herab auf meine Tage" Autopsie Prokops einschließt, ist kaum anzunehmen.

12 Der Sage nach soll Medeia auf der Flucht ihren Halbbruder Apsyrtos getötet und die Leiche zerstückelt haben, wodurch die Verfolger aufgehalten wurden. I m übrigen wird die Mord-t a t sehr verschieden lokalisiert. Hier scheint eine der häufigen Namensgleichsetzungen: Apsaros-Apsyrtos vorzuliegen.

16 Unter Kaiser Tra jan (98-117) ha t te das Römische Reich seine weiteste Ausdehnung im Osten.

19 Die Erwähnung von Steuerfreiheit entspricht romanti-schen Vorstellungen, wie sie sich bei Prokop nicht selten bei der Schilderung von Naturvölkern finden. Vgl. seine Be-merkungen über die Stadt Boreion (aed. VI 2/21)!

21 Die Stadt Petra dürf te nördlich des Rion zu suchen sein. 23 Suania liegt nordöstlich von Lazien in Richtung auf den

Elbrus. 24 Die Iberer wohnen von Poti aus gesehen östlich im oberen

Kuratal (Tiflis). 27 Der Phasis entspricht dem heutigen Rion. 32 Das Land der Apsilier ist südlich des heutigen Suchum ge-

legen.

3. Kapitel

3 Prokop bringt - ein alter I r r tum der antiken Geographen -den Kaukasus mit den Karpa then und dem Balkan in Ver-bindung.

4 Die Kaspischen Tore, Engpässe in den östlichen Ausläu-fern des Kaukasus bei dem heutigen Orte Derbent, wurden zur Sicherung gegen den Einbruch wilder Steppenvölker von Persern bewacht. Auch Rom ist an ihrer Sicherung in-teressiert. Die Alanen wohnen etwa südlich des heutigen Terek im Winkel zwischen Kaspischem Meer und Ost-kaukasus.

5 Die Sabirischen Hunnen sind zwischen dem Unterlauf der Wolga und dem Kaukasus zu suchen.

6 Vgl. Strabon I X 5 und X I I 3/21! Prokops Krit ik ist ra-tionalistisch und stützt sich auf Sittenvererbung als Beweis, wobei die Verbindung zwischen Amazonen und Hunnen völ-

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ERLÄUTERUNGEN 1083

lig offen bleibt. Der Ursprung der Sage und ihre Wanderung sind noch nicht geklär t .

Die Nachr ichten über die (im R a u m von Suchum wohnen- 12 den) Abasger dü r f t e Prokop selbst, und zwar in Byzanz, ein-gezogen haben. Das auffal lende Lob Jus t in ians h a t seinen Grund wahrscheinlich in Prokops Vorliebe fü r kulturelle För-derung „unteren twicke l te r" Völker.

4. K a p i t e l Sebastopolis und Pi tyus , nördlich von Suchum gelegen, 6

wurden gleichzeitig mi t Pe t ra , d . i. 541, aufgegeben. Später h a t Jus t in i an Sebastopolis neu aufgebau t (vgl. aed. I I I 7).

Man beachte Prokops E in t re ten fü r die Unversehrthei t des 6 Römischen Reiches!

Eulysia entspr icht e twa dem Kubanbrückenkopf . Dor t 7 ff. wohnten ursprünglich östlich, später westlich der Straße von Ker tsch als Res te der großen Wande rung die Tatraxit ischen Goten, ebenso wie die Abasger ein Gegenstand des prokop-schen Interesses f ü r „Na tu rvö lke r" . Wahrscheinlich h a t er über sie gelegentlich ihres Besuches in Byzanz 548/9 nähere K u n d e eingezogen. Die Kr imgoten scheint er nicht gekannt zu haben .

5. K a p i t e l Die H u n n e n wohnten ursprünglich insgesamt östlich des 4

Asowschen Meeres, später ließen sich die Kutr igurer westlich davon nieder, während die Ut igurer in den al ten Sitzen blie-ben.

Auffal lend, wie ernst P rokop die Erzählung von der 7 Hirschkuh n i m m t und mi t seinem pessimistischen Schick-salsglauben in Verbindung br ingt .

Hier scheint eine Er innerung an den großen Hunnenein- 10/11 bruch 375 in den R a u m der ostgermanischen Völker vorzu-liegen. Die Ansiedelung der Vandalen in Afrika begann erst 429, die der Westgoten in Spanien 415.

Der Übergang der Westgoten über die Donau erfolgte 376. 12 Nach ha r t en Auseinandersetzungen (Schlacht von Adrian-opel 378) wurden sie un t e r Wahrung ihrer Gau Verfassung als geschlossene, zum Kriegsdienst verpflichtete Völkerschaft in Thrakien angesiedelt und erhielten Jahrgelder zugesichert. Dieses Födera tenverhäl tn is wurde späterhin Vorbild für

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1084 P R O K O P

andere Germanenstämme. Die Germanengefahr im Balkan endete erst mit Theodorichs Abzug nach Italien (489), worauf Bulgaren und Sklavenier über die Donau nachstie-ßen.

20 Die Halbinsel Kertsch hängt nur durch eine schmale Landbrücke mit der Krim zusammen; vielleicht war damals schon die Landenge durch Wälle und Gräben (Tartaren-graben!) noch besonders geschützt.

24 I 17/1 Iff . gibt Prokop zwei Städte Komana an, die wie ihre Artemistempel ihre Gründung auf Orestes zurückführen. Ebensowenig wie dort entscheidet er sich auch hier für eine be-st immte Ansicht ; es entspricht vielmehr seiner Art, zweierlei Versionen zu nennen, dann aber die Frage offen zu lassen oder mit Achselzucken als unbedeutend zu bezeichnen.

26 Bosporus (Pantikapaion) entspricht etwa der heutigen Stadt Kertsch, Chersonesos dem heutigen Sebastopol. Beide Orte besaßen schon in griechischer Zeit als Handelshäfen auf der Krim große Bedeutung.

27 Cherson liegt an der Dnjeprmündung. 29 Südlich der Donaumündung erstreckt sich das römische

Reichsgebiet.

6. K a p i t e l

1 Abgesehen von der Tatsache, daß die nun folgenden Kampfschilderungen in das Grenzgebiet zwischen Europa und Asien führen, ha t die Untersuchung über die genaue Lage dieser Grenze in Prokops Werk wenig Berechtigung; wahrscheinlich fühlte er sich durch sein Vorbild Herodot (IV 45) zu einer entsprechenden Äußerung veranlaßt. Sie bot ihm außerdem Gelegenheit, seine „Gelehrsamkeit" zu zeigen und auf seine „Fortschrit t l ichkeit" (9) hinzuweisen. Meinem Da-fürhalten nach ist die gesamte Abhandlung über die Grenzen der Kontinente (1-15) und die anschließende Untersuchung über das Wesen von Meeresströmungen einem Trakta t ent-nommen, wobei in dem Hinweis auf die Straße von Messina (21) und den Bosporus (25-28) persönliche Erinnerungen mit-schwingen mögen. Wie wenig tief Prokop den Fragen nach-gegangen ist, beweist der Ausklang (31), der alles wieder in der Schwebe läßt.

15 Aischylos ist nach Arrian, Periplus 19, zitiert.

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ERLÄUTERUNGEN 1085

7. K a p i t e l Als Gründe für das Streben des Perserkönigs nach Lazien 1

nennt Prokop I I 28/18-24: 1. Sicherung der wankenden Perserherrschaft über Iberien, 2. Schutz des Perserreiches gegen Hunneneinfälle, 3. „Am allermeisten erhoffte er (Chosroes) sich aber von der Eroberung Laziens insofern Vor-teile für die Perser, als diese von dort aus ohne weiteres mit Landheer und Flot te die Plätze am Schwarzen Meer an-greifen und Galater wie Bithynier unter ihre Gewalt brin-gen, schließlich sogar noch Byzanz widerstandslos im Sturm nehmen könnten."

Bei den „entsetzlichen Leiden" denkt Prokop an die gro- 2 ßen Einfälle Chosroes' ins Römerreich 540, 542 und 544, die zum Abschluß des fünf jähr igen Waffenstillstandes 545 führ-ten. Bei seinem - im übrigen erfolgreichen - Angriff auf Lazien 541 erlitt Chosroes während des Rückmarsches durch Hunger, Krankhei t und unwegsames Gelände schwere Verluste (Anekdota 2/26 ff., vgl. auch I I 17/1 ff. und 20/47ff.), so daß eine Empörung der persischen Großen drohte.

Der „Angriff" auf die wichtige Grenzfestung Daras 6 (II 28/31 ff.) bestand in dem 547 durch den persischen Ge-sandten Isdigusnas trotz des Waffenstillstandes geplanten, durch die Römer aber glücklich vereitelten Handstreich. Prokops Bericht erweckt indessen einige Bedenken.

Prokop, der Daras sicher genau kannte, verdanken wir 7 auch sonst Angaben über Befestigung und Wasserversorgung der Stadt (aed. I I 1/13 ff., 2/1 ff.). Enge Übereinstimmungen zwischen der vorliegenden Stelle und den aedes machen es sehr wahrscheinlich, daß das letztere Werk neben den „Krie-gen" her abgefaßt wurde.

8. K a p i t e l Als Christen und freiheitsliebendes Volk fühlten sich die

Lazen durch die Perserherrschaft (seit 541) sehr enttäuscht und schließlich sogar in ihrer Existenz bedroht ; hinzu ka-men Schwierigkeiten infolge des Abbruchs aller Handels-beziehungen zu Byzanz. Als der Perser Phabrizus (II 28/16 ff.) den römisch gesinnten Lazenkönig Gubazes er-morden wollte und Umsiedlungspläne für den ganzen Stamm erwogen wurden, zog sich der Herrscher nördlich des Phasis-

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Rion zurück und ersuchte die Römer um militärische Hilfe ; Justinian sandte daraufhin 548/9 ein Heer von 8000 Mann unter dem noch jugendlichen magister militum Dagisthaius nach Lazien, wo die Römer mit den Lazen zusammen Petra belagerten, vor einem persischen Entsatzheer aber zurück-weichen mußten, das Petras Besatzung verstärkte (II 29/11 ff.) Nach einer Niederlage durch die Römer erhielten die Perser im Früh jahr 550 neue Verstärkung, eine ihrer Armeen lagerte sich am Hippis, einem rechten Nebenfluß des Rion. Damit setzt unser Bericht ein.

3 Die folgende Schlachtschilderung macht einen ziemlich verschwommenen Eindruck und läßt auf mangelhafte (wahr-scheinlich mündliche) Quellen schließen; rhetorischer Auf-putz soll die Schwächen verdecken.

6 Gubazes' Worte sind auffallend inhaltsarm. Unklar bleibt das Bemühen der Lazen, allein zum Angriff vorzugehen, nachdem sie dann doch bei Beginn der Schlacht - jedenfalls ihr Fußvolk - im engen Verband mit den Römern erschei-nen (14-16).

15 Die Erwähnung des Johannes als eines tapferen Kriegers geschieht I I 30/6.

21 Das Heldenstück des Artabanes (22 ff.) und das Auftreten der riesigen Alanen (37 ff.) sind mit dem sichtlichen Be-mühen breit ausgeführt, der Schilderung etwas Farbe und In-halt zu geben. Als feste Tatsachen des Kampfgeschehens scheint Prokop nur das Absitzen der Reiterei, den Tod des Chorianes im Pfeilhagel und die Flucht der Perser besessen zu haben.

9. K a p i t e l 1 Die von einer zweiten persischen Armee durchgeführte

Verproviantierung von Petra dürf te die Lazen veranlaßt haben, Dagisthaius des Verrats zu bezichtigen und dabei auch auf seinen überstürzten Abzug von der angeblich sturmreifen Festung (II 30/11) zurückzukommen. Justinian opferte seinen fähigen General, um das Mißtrauen der Lazen zu beschwichtigen. Ein J a h r später begleitete er schon wie-der Narses nach I ta l ien-(VIII 26/13); in der Schlacht bei Taginae befehligt er den rechten römischen Flügel (VIII31/4) und nimmt späterhin Rom ein (VIII 33/21). Prokops Bericht über Dagisthaius' Tätigkeit in Lazien scheint dem Feld-

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E R L Ä U T E R U N G E N 1087

herrn nicht ganz gerecht zu werden und ist wohl von den An-klagen seiner Gegner beeinflußt.

Muß schon auffallen, daß 8/39 das Erscheinen einer zwei- 6 ten persischen Armee nur kurz angedeutet wird, so über-rascht hier die Erwähnung eines dri t ten persischen Heeres im Gebiete der Abasger ; vom Zeitpunkt seines Auftretens in Lazien und seiner dortigen Wirksamkeit weiß Prokop offen-bar so gut wie nichts. Dabei läßt vielleicht erst diese Armee den plötzlichen Rückzug des Dagisthaius von Petra ver-stehen.

Der Versuch der Abasger, den alten, sehr schlimmen 12 Verhältnissen den Vorzug vor der Römerherrschaft zu geben, und ihre schließliche Vernichtung durch die Römer bedeuten bitterste Krit ik an Just inian und seiner Regierungsweise.

Die Rückgewinnung des Abasgerlandes war für die 13 Römer um so notwendiger, als sonst die Perser dadurch nicht nur Lazien vom Norden her bedrohten, sondern auch Zugang zum Meer erreichten.

Der vorzügliche Bericht über die Unternehmung des 31 Johannes und Uligagus gegen die Fluchtburg scheint von einem Augenzeugen zu stammen. Was ist indessen aus Na-bedes geworden ?

10. K a p i t e l Tzibile liegt nördlich des heutigen Suchum am Schwarzen 1

Meer. Mit der Bezeichnung magister dürf te am Hofe des Gubazes 2

etwa ein Hofmarschall gemeint sein; bei der feudalen Ord-nung des Landes konnte wohl nur ein Adeliger diese Stelle bekleiden.

Hier handelt es sieh wohl um das Heer des Nabedes, von 3 dessen Tätigkeit sich Prokop kein zusammenhängendes Bild machen kann.

Hinter dem Gegensatz zwischen Chosroes und seinem alte- 8 sten Sohn Ansozadus, der offenbar sein bedrohtes Erbrecht verteidigen wollte, steht mehr, als Prokop andeutet : die Feindschaft zwischen „nationalen" und „christlichen" per-sischen Untertanen, deren Sache der Kronprinz vertrat . Mit Rücksicht auf die hochpolitischen Folgen schreckte sein Vater sowohl bei der Verbannung wie bei der Blendung des Sohnes vor äußerster Här te zurück. I m übrigen dürften sich

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bei den Eingriffen in den väterlichen Harem im wesentlichen Herrschaftsansprüche (David-Absalon) äußern.

9 Der Verbannungsort war Gundisapur (syrische Bezeich-nung Beth Lapat = Belapaton), die zweite Stadt Persiens, und lag in Chusistan. Bezeichnend, daß Prokop (als Syrer) die syrische Namensform anwendet.

11 Der Stolz auf sein Syrertum äußert sich auch in dem starken Lob auf den „Palästinenser" Tribunus, den er schon I I 28/8 ff. gelegentlich des Waffenstillstandes 545 als einen vom Perserkönig hochgeschätzten Arzt erwähnt.

18 Die (irrtümliche) Nachricht von Chosroes' Tod rief in Persien einen Volksaufstand hervor (550), der nur mit Mili-tärgewalt, aber auch unter versöhnenden Gesten beendet werden konnte (551).

19 Phabrizus erscheint schon I I 28/16 als besonderer Scharf-macher, aber auch als verlässiger Helfer des Königs.

Über die Bedeutung des persischen Aufstandes für die Kriegshandlungen in Lazien scheint Prokop keine Klarheit gewonnen zu haben. Seine Darstellung ist auf jeden Fall von dem unrichtigen Bild des Perserkönigs als eines „unmensch-lichen Barbaren" getrübt.

11. K a p i t e l 1 Der Waffenstillstand von 545 ging 550 zu Ende. 2 Seit seinen Verhandlungen mit König Theodahat und der

langen gotischen Gefangenschaft erfreute sich Petrus der besonderen Gnade Justinians, der ihn zum magister officio-rum bestellte (VI 22/24). Auch 561 war er tätig, um den sog. 50jährigen Frieden mit den Persern zustande zu bringen. Vielleicht konnte Prokop über die vorliegenden diplomati-schen Verhandlungen einen Bericht dieses Gesandten heran-ziehen, wie uns ein solcher aus dessen Feder über die Ge-sandtschaft 561 bezeugt ist (bei Menander Protektor).

4 Schon I I 28/43 ha t te sich Prokop - als Anwalt römischer Würde - über die allzu ehrenvolle Behandlung des Isdigusnas empört, die nun freilich im vorliegenden Fall einem gewissen Zeitgewinn diente (Wiederherstellung der römischen Macht in Lazien).

8 Über Braduikius' Rolle als Dolmetscher vgl. I I 28/41 ! 11 Die Belagerung begann Frühjahr 551. Die Schilderung fuß t

auf gutem Material und erinnert in der lebendigen Art, mit

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der Prokop Einzel- und Massenleistung, technische Einrich-tungen, genaue Ortsangaben vereinigt, an die besten Partien seines „Kampfes um R o m " . Bessas wird nach seinem Ver-sagen in Rom V I I 17 und 20 nachdrücklich gelobt, aber auch die Tapferkeit der persischen Gegner ungeschmälert an-erkannt.

12. K a p i t e l Die ausführliche, einem römischen Soldaten in den Mund 4

gelegte Rede ist eine inhaltsarme Schöpfung Prokops, wahr-scheinlich dazu bestimmt, einerseits dem Vorgehen der Rö-mer das Furchtbare zu nehmen, andererseits die Gefährlich-keit und den Todesmut der Perser, „der ausgesucht besten Soldaten" (17), kräftig hervorzuheben und so den Sieg noch glänzender erscheinen zu lassen.

Die Angaben über die Verpflegungs- und Waffen Vorräte, 17 sodann über die eigenartige (persischer Technik übrigens wohlvertraute) Anlage der Wasserleitung verdankt Prokop ebenso wie die Schilderung der vorausgehenden Belagerung wahrscheinlich einem amtlichen Bericht, vielleicht dem des Bessas (der j a auch die Gefangenen sogleich dem Kaiser zusandte).

Indem Prokop Bessas' Erfolg im wesentlichen dem „gött- 34 liehen Eingreifen" zuschreibt, wird der glückliche Entscheid des Kaisers stark entwertet. Offenbar nur widerwillig kann sich Prokop von der Richtigkeit kaiserlicher Maßnahmen überzeugen, wie Bessas' Ernennung eine war.

13. K a p i t e l Mit Rücksicht auf die Winterszeit, die den Persern keine 1

größeren Truppenverschiebungen nach Lazien gestattete, hatte Bessas eine rasche Entscheidung erzwungen und im Gefühl, Petra nicht verteidigen zu können, die starke Festung geschleift. Frühjahr 551 erschien bereits der erprobte persi-sche Feldherr Mermeroes (Mihr Mihroe), der zuvor schon in Lazien tätig gewesen war und u. a. Petra aufgebaut und ver-stärkt hatte ( I I 30/ 8 ff., V I I I 11/19), mit einem überlegenen Heer.

Von Iberien kommend wendet sich Mermeroes nunmehr 3 gegen das nördlich des Phasis gelegene dicht bevölkerte Ge-biet von Lazien.

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11 Bei der gewaltigen zahlenmäßigen Überlegenheit der Perser hätte Bessas die Übergänge von Iberien her kaum erfolgreich verteidigen können, zumal die Perser auch noch über aus-gezeichnete Wegebauer (5) verfügten; so hielten sich die Römer an geschützter Stelle in Defensive. Wiederum (wie ζ. Β. V I I 17/10) wird gegen Bessas, der sich offenbar um die Beischaffung der nötigen Geldmittel bemühte, der Vorwurf der Habgier erhoben.

13/14 Kaiserliche Nachsicht gegenüber gesetzwidrig handelnden Beamten wird auch in den Anekdota (z. B. 21/9 ff.) gerügt.

18/19 Der Bericht findet sich ausführlich wieder I 12/15 ff. und I 22/9 ff. Die Rückgabe der beiden lazischen Festungen an die Römer erfolgte nach dem sog. Ewigen Frieden 532.

22 Archaiopolis lag etwa 50 km Luftlinie von der Phasis-mündung landeinwärts am Techuri, einem rechten Neben-fluß des Phasis.

14. Kap i t e l 1 Die Ortsbeschreibung von Archaiopolis verrät wie der ge-

samte Bericht des Kapitels gute, wahrscheinlich amtliche Quellen. Dazu steuert Prokop Eigenes wie die inhaltsarme Schulrede ( 14—21 ) sowie Reminiszenzen an Petra (5) und Edessa (35-40). Hinzu kommt ein Exkurs über die Dolomiten (6-9), die, am Südufer des Kaspischen Meeres hausend, als unabhängiges, kriegerisches Bergvolk noch lange eine ge-wisse Rolle spielten.

30 Die Schilderung des weiteren Kampfverlaufes stellt der persischen Führung, die weder ihre Truppen fest in der Hand hat noch die nötigen Reserven bereit hält, kein gutes Zeugnis aus.

46 Die Mocheresis liegt östlich von Archaiopolis am Mittellauf des Rion und an den Ausläufern des Kaukasus.

48 Die Festung Kotais am oberen Rion gelegen, heute die be-deutende Stadt Kurais, beherrscht den Zugang nach der nordöstlich davon sich ausdehnenden Berglandschaft Suanien sowie die persische Rückzugsstraße über Skanda nach Ibe-rien.

15. Kap i t e l In unverhohlener Erbitterung stellt Prokop die unwürdige

Haltung Justinians heraus, der nicht nur den persischen Ge-

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sandten ungebührlich auszeichnet, sondern dem Perserkönig noch Tributzahlung bewilligt, ohne daß dafür dem Reiche Lazien zurückgegeben wird. Die „meisten Römer" (13), zu deren Sprachrohr sich Prokop macht , dürf ten unter den proceres zu suchen sein, denen die Steuerlasten offenbar be-sonders unerträglich erschienen (18). Alles deutet da raufh in , daß das Kapitel in Byzanz und aus seiner Schau heraus ge-schrieben ist. Auch die 21 ff. mit Interesse, wenn auch mit der üblichen Skepsis aufgeführten Wundererscheinungen führen uns in diesen Raum.

16. K a p i t e l Das Kapitel setzt die Kritik des vorausgehenden Abschnit-

tes an Just inian und seiner ohnmächtigen Politik fort, die sich den Persern gegenüber aller Initiative begibt und Freunde wie Gubazes nur ins Elend bringt. I n der Tat behaupten nach dem Verluste der dicht bei Kotais gelegenen Festimg Uthe-mereus die Römer und Lazen nur noch die Berggebiete und einen Streifen an der Rionmündung, während die Perser im Winter 551/2 das gesamte fruchtbare Flachland und die Pässe in Händen haben. So trifft Gubazes die höhnische Be-merkung, er verschließe sich eben aus Torheit oder Trotz der wahren Einsicht, und diese müßte ihn doch von der Sache der Römer wegführen.

17. K a p i t e l Mit diesem Kapitel beginnt (bis 20) eine Abfolge von kür-

zeren, in sich geschlossenen Darstellungen, die teils der Er-gänzung und Abrundung früherer Berichte, teils wirtschafts-geschichtlichen oder ethnographisch-kulturkundlichen Inter-essen dienen, teils Verhältnisse an der unteren Donau und damit in Zusammenhang stehende diplomatische Unterneh-mungen behandeln. Sehr wahrscheinlich ha t Prokop die Par-tien erst dicht vor Herausgabe des Buches zwischen der aus-führlichen Behandlung der Vorgänge in Lazien und dem lan-gen Abschnitt über den Fortgang des Krieges in Italien (Kap. 7-16 bzw. 21-35) eingeschoben, um Buntheit und Fülle des Bandes zu vermehren und alles, was sein Schreibtisch noch an Interessantem enthielt, zu verwerten.

Durch die Verpflanzung der Seidenraupenzucht in das by- 1 zantinische Reich wurde dieses vom persischen Zwischen-

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handel unabhängig; das minderte einesteils den Goldabfluß ins Ausland und gewährleistete andernteils den staatlichen Purpurfärbereien eine gleichmäßige und sichere Belieferung mit dem nötigen Rohstoff. Der Seidenhandel mit dem fernen Osten erübrigte sich dadurch aber nicht, er wurde vielmehr auch in der Folgezeit noch lebhaft betrieben. Prokops Be-richt scheint guten Quellen zu entstammen, vereinfacht frei-lich etwas die Dinge. Zu einem Lob Justinians, der nach der Darstellung damit eine bedeutende Tat vollbrachte, kann der Verfasser sich freilich nicht aufschwingen.

9 Im Gegenteil wird durch den Hinweis auf die Art, wie der Perserkönig die römischen „Tribute" sofort gegen das Reich verwendete und sabirische Hunnen (vom Nordufer des Kaspi-schen Meeres) anwarb, jede Wirkung zerstört. Der im Frühjahr 552 neu entbrennende Krieg in Lazien brachte indessen den Persern, die sich vergeblich an verschiedenen Festungen ver-suchten, keinen wesentlichen Erfolg, so daß die Römer und Lazen ihre Stellungen halten konnten. Den Persern fehlte es offensichtlich an einer einsatzfähigen Flotte, während die Römer das Meer beherrschten und so über den nötigen Nach-schub verfügten.

20 Bei Johannes handelt es sich um den Bruder des Feldherrn Pappus, der als magister militum schon länger und zwar mit wechselndem Erfolg in Afrika gegen die Maurusitr gekämpft hat ( IV 28/45 ff.) und nun durch Trennung der rebellischen Scheichs deren Unterwerfung erreicht. Auch die schließliche Befriedung Afrikas quittiert Prokop mit dem Hinweis auf dessen Entvölkerung (22) und läßt damit die aus den Anek-dota vertraute Vorstellung von Justinian dem „menschen-vernichtenden Dämon" anklingen.

18. K a p i t e l 1 Fast genau in der Mitte des Buches wendet sich Prokop den

Vorgängen in Europa zu und knüpft an seine Darstellung V I I 34/45 an. Der Krieg zwischen Gepiden und Langobarden brach wieder im Frühjahr 550 aus, wurde aber, ohne daß wir den Grund wissen, noch vor der Entscheidungsschlacht durch einen Waffenstillstand beendet. Vielleicht wirkte römische Geheimdiplomatie ?

17 Der Einfall der Hunnen in den Balkan dauerte wohl das ganze Jahr 551, indessen sich Narses zum Feldzug gegen To-

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tila rüstete und sein Heer im Raum von Thrakien und Illy-rien sammelte. Es muß verwundern, daß Narses die Truppen nicht gegen die Eindringlinge einsetzte, ja sich sogar auf dem Weg zu seinen Truppen in Philippopolis (VIII 21/21) einige Zeit von den Hunnen am Weitermarsch hindern ließ und diesen schließlich weiteres Vordringen auf Thessalonike und Byzanz gestattete. Offensichtlich wünschte der Kaiser keinen Aufschub des Unternehmens gegen die Ostgoten und glaubte die Kutrigurer schon durch einen Angriff ihrer utigurischen Nachbarn abziehen zu können, was die von Prokop gebotene Erzählung erst richtig verstehen läßt.

19. K a p i t e l Das kaiserliche Vorgehen lähmt sofort den Angriff der 4

Kutrigurer, doch nehmen die Dinge einen für das Reich we-nig ehrenvollen Verlauf: Den Hunnen wird u. a. sogar die Niederlassung auf Reichsgebiet und der Eint r i t t in ein Föde-ratenverhältnis angeboten, was Prokop erneut Gelegenheit gibt, scharfe Anklagen gegen Just inian zu erheben und zu diesem Zweck die Erklärungen Sandils (8 ff.) entsprechend zu formulieren. Nicht ungeschickt gibt er dessen Worten einen barbarisch-schlichten Anstrich. Für Kaiser Just inian scheint der tatsächliche Erfolg und we- 22 niger die Art, wie er erreicht wird, wesentlich gewesen zu sein, während Prokop immer wieder die Würde des Reiches in den Vordergrund schiebt (ob allein aus edlen Motiven, sei dahin-gestellt). So können sich Herrscher und Geschichtsschreiber in ihrem Denken nicht verstehen.

20. K a p i t e l Die Warnen sitzen im südlichen Teil des heutigen Holland 1

und sind schon frühzeitig in Abhängigkeit von den Franken. Bei der Insel Brit t ia handelt es sich um England, während 4

Brettania wohl mit Ir land gleichzusetzen ist. Bei Thüle müs-sen wir an Skandinavien denken. Jedenfalls besaß Prokop über die Lage der genannten „Inseln" nur sehr unklare Vor-stellungen, was ihn aber nicht hinderte, sich lebhaft für die dortigen Verhältnisse zu interessieren und sogar mit dem Ge-danken einer Reise dorthin zu tragen (VI 15/8). Einwohner nordischer Länder scheinen ihm mit mündlichen Berichten

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als Quelle gedient zu haben. Dabei mischen sich Sagas mit phantastischen, in Byzanz aber nur zu gern geglaubten Mär-chenerzählungen, wie der eindrucksvollen Schilderung des „Totenlandes jenseits der Mauer" (45/46) und der „Toten-fahr ten" (47 ff.). Mit seinen Phantasieberichten über die nor-dischen Länder bewegt sich übrigens Prokop auf den Wegen einer weit zurückreichenden Tradition.

21. K a p i t e l

1 Die nachdrückliche Hervorhebung von Beiisars führender Stellung soll zweifellos die bittere Tatsache etwas verdecken, daß er nicht mehr aktiv in das Kriegsgeschehen eingeschaltet, sondern durch seinen Rivalen Narses ersetzt ist; trotz aller vorausgehenden Krit ik fühl t sich eben der Historiker auch jetzt noch seinem alten Gönner verpflichtet, der neben dem Patriziat das Heermeisteramt des Ostens und die Führung der kaiserlichen Leibgarde - diese freilich nicht lange - inne hat te . Sicher mußte es Beiisar schmeicheln, wenn sein alter Widersacher Johannes durch kaiserlichen Befehl in Salona festgehalten wurde und das heiß erstrebte selbständige Kom-mando nicht erhielt.

4 Das Ende eines Kriegsjahres an dieser Stelle erwähnt zu finden, muß überraschen. Prokop schloß eben das Buch 7 nach einigem Zögern überstürzt ab, ohne die in 1 -4 erwähn-ten Tatsachen noch aufzunehmen.

β Wenn Prokop Narses als Eunuchen vorstellt und bei seiner Ernennung den „unerforschlichen Ratschluß des Kaisers oder des Schicksals" (19) wirken läßt, nicht aber seine mili-tärische Qualitäten hervorhebt, so deutet dies auf eine mehr als reservierte Einstellung zum neuen Oberbefehlshaber. Nar-ses* Untätigkeit den hunnischen Eindringlingen gegenüber (21/22) muß den Eindruck noch weiter verschlechtern.

10 Aus der Schilderung des Vorzeichens auf eine Anwesenheit Prokops um 550 in Rom zu schließen, halte ich fü r unan-gebracht.

11 Man beachte, wie reich damals noch Rom an klassischen Kunstwerken war und welch starken Eindruck sie auf Prokop hinterließen, so daß er ihnen - siehe auch die Schilderung des „Schiffes des Aeneas" (22/9 ff.) - einen nicht unbedeutenden Platz in seiner Kriegsgeschichte gönnt !

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22. K a p i t e l Die lobenden Worte für die Römer zeugen von persönlichen i

Bindungen Prokops an die Stadt und sollen sicher auch das Mitgefühl der Leser in Byzanz wecken.

Eine Erinnerung aus Rom, sehr klar und verständig dar- 9-16 geboten. Soll sie Prokops bescheidenes Wissen um die damali-gen Kriegsereignisse etwas vertuschen ?

Das Ziel des gotischen Plünderungszuges waren die ver- 17 mutlichen Ausgangshäfen der kaiserlichen Armada. Vielleicht trug das gotische Unternehmen dazu bei, daß Narses den Landweg nach Italien benutzte.

Die Stadt Kassiope liegt in Nordkorfu, wo Prokop sicher 26 mehrmals weilte und dabei auch seinen Spekulationen über die Lokalisierung der Odyssee nachhing.

Geraistos = Karystos in Südeuböa. 27 Es handelt sich um das Gebiet um den Ambrakischen Golf. 31

23. K a p i t e l Die Belagerung Anconas steht in Zusammenhang mit den

Kap. 22 erwähnten Unternehmungen gegen Korfu und Epi-rus. Die Goten wollten der drohenden römischen Invasions-armee einen ihrer wichtigsten Lande- und Versorgungsstütz-punkte wegnehmen und dann vielleicht Ravenna als nächster Stadt das gleiche Schicksal bereiten ; dort fand sich nur eine bescheidene Besatzung, und außerdem lagen die Zugänge von Nordosten her im Einflußbereich der Franken.

Ausdrücklich wird das eigenmächtige Verhalten des Jo- 7 hannes gegenüber der kaiserlichen Anordnung in Schutz ge-nommen.

Das Unternehmen fällt in den Spätsommer 551. Skardon, 8 nordwestlich von Salona, ist das heutige Sebenico an der dal-matinischen Küste. Der Versammlungsort zeigt, wie ein-geengt schon der Zufahrtsweg (nur noch der dalmatinischen Küste entlang) nach Ravenna geworden war.

Die Überfahrt nach Italien erfolgte in rein westlicher Rieh- 9 tung nach Sena Gallica (Senigallia).

Die Ansprachen sind angesichts der Situation, unter der 14 sie gehalten sein wollen, unglückliche Erfindungen Prokops.

Die Schilderung des Gefechtes bleibt vielfach im Rhetori- 3Iff. sehen stecken und läßt nur erkennen, daß die Byzantiner

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nach einem mehr infanteristisch gehaltenen Schlachtbeginn sich schließlich ihren (tapferen) Gegnern in der Kuns t des Manöverierens überlegen zeigten.

42 ff. Mit dem Sieg war die Überlegenheit der Römer zur See wieder hergestellt und ihnen die Möglichkeit zu einer größeren Offensive zurückgegeben. Muß dieses Verdienst des Johannes nicht die spätere Leistung des Narses schmälern ?

24. K a p i t e l

1 Mit dem Verlust der Seeherrschaft in der Adria war auch das Außenwerk Sizilien fü r die Goten nicht mehr zu halten, zumal dort nur geringe Streitkräfte standen.

3 Indem Prokop die Lage der Goten nach den ersten Rück-schlägen als äußerst gefährdet und ihren Siegeswillen als ge-brochen hinstellt, muß er Narses' (und Justinians) späteren Erfolg entwerten. Zweifellos hä t te er in diesem Augenblick eine friedliche Lösung sehr begrüßt, wie sie sich in den aus-führlich erwähnten Bedingungen Totilas (4/5) darbot , vom Kaiser aber nicht wahrgenommen wurde.

6 Die schon länger tatsächlich bestehende Zusammenarbeit zwischen Franken und Goten in Norditalien wird im folgen-den näher umschrieben; wenn auch ein förmliches Abkom-men (11) wahrscheinlich nicht abgeschlossen wurde, so ha t doch Prokop genau die Grundlinien erkannt.

11 Auf Theudibert (f 548) folgte sein noch jugendlicher Sohn Theudibald, der in der kurzen Zeit seiner Regierung (f 555) dessen Italienpolitik fortsetzte, ohne aber den fränkischen Besitzstand ganz behaupten zu können.

Die folgenden diplomatischen Verhandlungen sind zweifel-los auf Grund guter Informationen berichtet und bieten, wenn auch da und dort rhetorisch aufgeschwellt und mit etwas kräftigen ethischen Akzenten versehen, durchaus sach-gemäße Gesichtspunkte. Vor allem bemerkenswert sind die von beiden Seiten vorgebrachten Rechtsansprüche auf das strittige norditalische Gebiet (15-27).

31 Mit der Eroberung Sardiniens und Korsikas (Herbst 551) versucht Totila der von Dalmatien und Sizilien her sich ab-zeichnenden Umklammerung zuvorzukommen und auch et-waigen aus (dem nun wieder beruhigten) Afrika drohenden Angriffen den Weg zu verbauen.

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E R L Ä U T E R U N G E N 1097

E s handel t sich u m den tücht igen magister mil i tum Africae 33 Johannes , der Ar tabanes im libyschen K o m m a n d o ablöste und, wie schon e rwähnt (VII I 17/20), die unruhige Provinz endgült ig befriedete.

Caranalis = Cagliari. 34 Wahrscheinlich zwingt der drohende Winter zum Abbruch 36

des Unternehmens . W a n n die Inseln späterhin wieder in R ö m e r h a n d kamen , ist unbekann t .

25. K a p i t e l Mit Rücks icht auf die wichtige Unte rnehmung gegen I ta - l

lien hielt Jus t in ian , wie f rüher schon erwähnt , seine Truppen wahrscheinlich von größeren, zei t raubenden und verlust-reichen Einsätzen anderer Ar t zurück u n d beschränkte sich den Sklaveniern gegenüber auf die Beobachtung der feind-lichen Haufen , was Prokop zu b i t te ren Bemerkungen über die Ohnmach t der kaiserlichen Armee (5) und die fragwürdige Polit ik gegenüber den Gepiden als den Helfern der Sklave-nier (6 ff.) veranlaßt . Die Gepiden h a t t e n die Sklavenier ins Römerreich gerufen, nachdem es kurz zuvor Jus t in ian ge-glückt war, ihre bisherigen Freunde , die hunnischen Kutr i -gurer, durch deren Nachbarn , die Utigurer , lahm zu legen (VII I 18/18 ff.).

Über Suar tuas vgl. V I 15/32! 11 Nach dem Sturz u n d Tod des Thüringerherzogs Hermene- 12

fried war dessen Gemahlin Amalaberga mi t ihren Kindern an den Hof von R a v e n n a geflüchtet . Die Vermählung des Lango-bardenkönigs Auduin mi t einer Tochter Amalabergas geschah im J a h r e 546/7 im Zusammenhang mi t der Ansiedlung der Langobarden (als gefährlicher Nachbarn der Gepiden) in Südostnor ikum.

Die S t ad t Ulpiana, von Jus t in ian ausgebaut und Secunda 13 Jus t in i ana genannt (aed. I V 1/28 ff.), lag in der Nähe des heutigen Pr is t ina in Südserbien (Amselfeld). I m sog. Drei-kapi tels t rei t erhob sich dor t u n d im übrigen Illyrien gegen die von Jus t in i an getroffenen kirchlichen Regelungen hefti-ger Widers tand, der zwar mi t Waffengewalt gebrochen wer-den konnte , aber noch länger nachklang. Prokop steht , wie sich aus zahlreichen Stellen erweist, den kaiserlichen Eini-gungsbemühungen auf religiösem Gebiet mi t großer Skepsis gegenüber. Offenbar fühl te er sich in seiner „aufgeklär ten"

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oder „toleranten" Haltung dem „Mönchsgezänk der Masse" weit überlegen.

14 Die Niederlage der Gepiden erfolgte etwa Juni/Juli 552, doch verhinderte Justinian ihren völligen Untergang. Er stellte kurz danach zwischen den streitenden Völkern und Rom den Frieden wieder her (V I I I 27/1 ff.). Dadurch ent-fremdete er sich die Langobarden, die schließlich 568 in Ita-lien einfielen und als erklärte Feinde des Kaisers dort ihr Reich gründeten.

19 Der Malische Golf ist ein besonders erdbebengefährdetes Gebiet. Stadt der Echinäer = Echinus in der Landschaft Malis.

23 Landschaft und Stadt Schisma liegt in der Nähe von Malis. Die geschilderten Naturkatastrophen hängen nach Prokops Auffassung irgendwie mit Justinians „dämonischem", men-schenfeindlichem Wirken zusammen (Anekdota 18/36 ff.).

24 Mit der Eroberung von Kroton durften die Goten hoffen, die Seeverbindung der Römer von Epirus nach Sizilien emp-findlich zu stören. Die Belagerung dehnte sich bis in die 2. Jahreshälfte 552 und fand erst durch das Erscheinen einer eigens von Thermopylai herbeigeführten Streitmacht (V I I I 26/1 ff.) - und wohl auch auf die Kunde von Totilas Nieder-lage bei Taginae - ihr Ende.

26. Kap i t e l

3 Der Rückzug der Goten auf das Skyläische Vorgebirge (Straße von Messina) beweist, daß sie vor allem die Bewegun-gen zur See überwachen bzw. stören wollten.

5 Narses brach April 552 mit etwa 30000 Mann von Salona zu Land nach Italien auf.

7/8 Deutlicher Seitenhieb auf den „knauserigen, mißgünsti-gen" Justinian, der einem Beiisar verweigert hatte, was er nun einem Narses gewährte.

13 Dagisthaius war (V I I I 9/1 ff.) auf Beschuldigungen der Lazen hin ein Jahr zuvor seines Kommandos in Lazien entsetzt und in Haft genommen worden. Über den Um-sturzversuch des Zames und die wunderbare Rettung seines Sohnes Kabades vor der Rache des Chosroes vgl. I 23/1 ff. ! In Byzanz war er ehrenvoll aufgenommen worden (I 23/24).

Asbadus bringt nach der Schlacht von Taginae König To-tila die tödliche Wunde bei (V I I I 32/22 ff.).

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ERLÄUTERUNGEN 1099

Johannes Phagas, als tüchtiger Befehlshaber auf verschie-denen Kriegsschauplätzen erwähnt, kämpfte schon früher in Italien (VI 23/3, VI I 13/23). Anekdota 4/4 erscheint er als Ankläger Beiisars.

Von Narses' militärischen Fähigkeiten wird auffallender- 14 weise nicht gesprochen, sein Erfolg offensichtlich der Fülle seiner Macht- und Geldmittel zugeschrieben. Ein inneres Ver-hältnis zu seiner Persönlichkeit scheint Prokop nicht besessen zu haben.

Es besteht berechtigter Zweifel, ob Narses seine Marsch- 20 route tatsächlich so wenig erkundet hat te , daß ihm die er-wähnten Schwierigkeiten völlig überraschend begegneten und erst Johannes (als erfahrener Soldat aus der Schule Beii-sars, wennschon dessen Gegner) Abhilfe schaffen mußte.

Die römische Armee traf vermutlich Jun i 552 in Ravenna 25 ein.

27. K a p i t e l Die Einfügung eines Kapitels mit zweitrangigen Gescheh-

nissen muß an dieser Stelle, da die Entscheidung auf dem italischen Kriegsschauplatz unmittelbar bevorsteht, etwas überraschen. Soll dadurch die Spannung vermehrt werden ? Jedenfalls müssen wir beachten, daß Prokop damals in By-zanz weilte und die im östlichen Balkan spielenden Ereignisse großen Eindruck in der Haup t s t ad t machten. Die Flucht des Ildigisal scheint übrigens vor 552 erfolgt zu sein und zwischen dieser und der Ermordung ein längerer Zeitraum zu liegen, als es der Bericht Prokops vermuten läßt.

Vgl. V I I 35/16 ff. ! Dort erscheint die Namensform Ildiges. 1 Vgl. V I I I 19/7! 10

28. K a p i t e l Das Kapitel ist deutlich darauf abgestellt, die Großspre-

cherei des „Barbaren" Usdrilas herauszuheben, die sich durch Zufall oder göttliches Eingreifen (10) selbst s t raf t . Narses jedenfalls wird dadurch - fast unverdient - der Schwierig-keiten überhoben und kann seinen Weg ungehindert an Ari-minum vorbei über Fanum Fortunae hinaus fortsetzen. Der Küstenstraße folgend biegt er sodann in der Nähe von Sena Gallica ins Gebirge ab und erreicht, indem er Petra Pertusa südlich umgeht, in der Gegend des alten Sentinum (heutige

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1100 P R O K O P

Nachfolgestadt Sassoferrato) die Höhe des Apennin. Mit guten Gründen nimmt H. N. Roisl (Die Schlacht bei den Busta Gallorum, Beilage zu Fr. Altheim, Die Geschichte der Hun-nen V, Berlin 1962 S. 377) den Lagerplatz der Kaiserlichen in einer Ebene etwa 5 km von Sassoferrato, bei der Bahn-station Serragualdo an.

12 Bei seinem raschen Vorstoß kam es Narses sichtlich darauf an, die Initiative zu behalten; Totila sollte die Möglichkeit genommen werden, das römische Heer in der Nordostecke Italiens einzukeilen und im weiteren Kriegsverlauf die Fran-ken doch noch zu einem unmittelbaren Eingreifen zu ver-anlassen.

29. K a p i t e l

1 Der Abzug Tejas aus Venetien läßt auf stillschweigende Übereinkunft zwischen Franken und Goten schließen, welch letztere nun ihre Kräfte in Mittelitalien sammeln können.

3 Der Durchbruch der Römer bei Ariminum scheint Totilas Operationsplan, der auf Zögerung und Zeitgewinn abgestellt war, wesentlich beeinträchtigt und ihn zum unmittelbaren Vorstoß auf das feindliche Heer bestimmt zu haben, das sonst auf Rom marschiert wäre. Sein Marsch geschah auf der Via Flaminia, wo er (vgl. Roisl S. 370!) nahe dem Ort Gualdo Tadino, etwa 20 km südlich von dem römischen Lager, Stel-lung bezog.

4 Bei Sentinum erfochten die Römer 295 v. Chr. einen ent-scheidenden Sieg über die vereinigten Samniten, Etrusker und Gallier.

6 Trotz seiner beträchtlichen militärischen Überlegenheit fühlte sich Narses seiner Sache nicht so sicher, daß er eine friedliche Beilegung des Streites völlig außer Auge ließ. Ihm schwebte dabei wahrscheinlich eine Lösung vor, wie sie bei der Übergabe von Ravenna 540 angewandt wurde : Die Goten sollten als friedliche Bewohner im Lande bleiben, während die führenden Persönlichkeiten nebst den tüchtigsten Krie-gern nach Byzanz gebracht wurden. Die Rücksicht allein schon auf die zahlreichen im Heere dienenden römischen Überläufer mußte Totila indessen zu einer kriegerischen Ent-scheidung zwingen, die bei seiner Unterlegenheit nur durch Überraschung zu seinen Gunsten ausfallen konnte.

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E R L Ä U T E R U N G E N 1101

Wie das Ringen um die entscheidende Höhe in das Kampf- 11 geschehen einzureihen ist, bleibt unklar; Prokop läßt über-haupt in der Schlachtschilderung Anschaulichkeit und Klar-heit vermissen und scheint über keine einwandfreien Quellen verfügt zu haben. So werden 16-28 Einzelszenen rhetorisch ausgeweitet.

Ob Totila beim Vormarsch auf Busta Gallorum das Lager 13 bei Taginae vollständig räumte, läßt sich nicht ausmachen, ebensowenig, wo und wie sich sein Heer bei Busta Gallorum lagerte. Möglicherweise vollzog sich der spätere Rückzug der geschlagenen gotischen Armee in Richtung auf das alte Lager bei Taginae.

30. K a p i t e l Mit den beiden Reden der Feldherrn und dem anschließen-

den Waffenspiel Totilas wird sehr geschickt der Moment der letzten Spannung erreicht. Narses' Worte (1-6) hinterlassen durch den Hinweis auf eigene Überlegenheit, Minderwertig-keit der Feinde und göttliche Hilfe, die dem Verteidiger von Recht und Gesetz nicht versagt bleibe, einen unguten, den Redner und seine Sache wenig ehrenden Eindruck. Dem-gegenüber schlägt Prokop in der doppelt so langen Rede To-tilas ergreifende, viel wärmere Töne an und macht uns den Sprecher sympathischer als seinen Gegner. Bedeutsam sind -als offensichtlich prokopische Gedanken zum Kriegsgesche-h e n - die Hinweise auf die allgemeine Erschöpfung (9/10) und die Fülle der Leiden sowie auf die Zusammensetzung des halbbarbarischen Römerheeres, das keiner Idee, sondern nur noch dem Gelde dient (17-20). Die rasche Entlassung der Langobarden nach dem Sieg durch Narses (33/2 ff.) bestätigt diese Auffassung.

31. K a p i t e l Narses verzichtete, da er sich offenbar der Barbarenkon- 2

tingente nicht ganz sicher fühlte, fast vollständig auf Rei-terei; stattdessen werden zahlreiche Bogenschützen ein-gesetzt. Die zahlenmäßige Unterlegenheit ihres Heeres, vor allem die Unzulänglichkeit des Fußvolkes, veranlaßt die Go-ten, ihre Hoffnung auf einen gewaltigen Reiterangriff zu set-zen, und so ist Totilas „tör ichte" Führung (32/4) gar nicht so

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1102 P R O K O P

geringschätzig abzutun, wie es bei Prokop geschieht. I m übri-gen weiß unser Geschichtsschreiber von der Aufstellung des Gotenheeres fast nichts.

17 In der glänzenden Schilderung von Totilas Reiterspiel er-reicht unser Geschichtsschreiber den einen künstlerischen Höhepunkt seiner Darstellung; der andere Gipfelpunkt ist Tejas Tod im letzten Kapitel. Narses bleibt demgegenüber weit im Hintergrund.

32. K a p i t e l Wir können den Ablauf der Schlacht bei Taginae nur in

Umrissen verfolgen : Zunächst Überraschungsangriff der Go-ten, dann Abwehr ihrer Reiterei infolge der zahlenmäßigen und taktischen Überlegenheit der Römer sowie des Einsatzes der Bogenschützen, schließlich verlustreiche, regellose Flucht des gesamten Gotenheeres und Totilas Tod. Ohne daß wir über Einzelmaßnahmen der Führer Näheres erfah-ren, läuft das ganze Geschehen fast zwangsläufig ab, und so fällt - trotz mancher Lobesworte (11) - kein allzu helles Licht auf die Sieger, denen schließlich weniger eigene Tapferkeit und Leistung als das Schicksal (29) den Erfolg verschaffen. Durch die zweite (gegenüber der ersten noch weniger glaub-würdige) Version über Totilas Verwundung und Tod - man wußte offenbar nichts Genaues - wird diese Auffassung noch unterstrichen und Narses' Leistung weiter ausgehöhlt. I n diesem Sinne ist wohl auch die (ironische) Wendung zu fassen (33/1) : „Narses schrieb ohne Unterlaß Gott allein den ganzen Erfolg zu, was ja auch der Wahrheit entsprach."

18 Das Fußvolk scheint danach, wie Totila auch bei seiner taktischen Planung wohl berücksichtigte, nur geringen mili-tärischen Wert besessen zu haben.

20 Ebensowenig wie über das Schicksal des gotischen Stand-lagers bei Taginae erfahren wir etwas über die Zahl der ge-retteten Kämpfer. Am besten konnte sich wohl die gotische Reiterei im Schutze der Dunkelheit aus der Katastrophe ret-ten, während das Fußvolk die schwereren Verluste erlitt, viel-leicht erst nach der eigentlichen Schlacht, als der Sieger na-mentlich gefangene römische Überläufer (20) in größerer Zahl niedermachte. Die Grausamkeit, mit der später gotischerseits gegen Senatoren und Geiseln verfahren wurde (34/3 ff.), mag damit in Zusammenhang stehen.

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33. K a p i t e l Das Verhalten der Langobarden und die Art, wie sie ent- 2 ff.

lassen werden mußten, sind ein harter Vorwurf gegen Narses, der durch Verwendung von Barbarenkontingenten auf römi-schem Boden offensichtlich die Würde des Reiches verletzt. Zweifellos geschah die rasche Abdankung der Langobarden auch mit Rücksicht auf die Franken, „ihre Todfeinde" (VIII 26/19), auf die Narses besonders achten mußte. Doch konnte sie dieser zu keinem Entgegenkommen bewegen, wie das vergebliche Unternehmen des Valerianus gegen Verona be-weist.

Teja ließ in der kurzen Zeit seiner Regierung eine beträcht- 7 liehe Menge von Gold- und Silbermünzen (mit dem Bild des Kaisers Anastasius, was ein Festhalten an der Politik seines Vorgängers bedeutete) prägen, vermutlich u m den finanziel-len Aufwendungen des Narses mit Gleichem zu begegnen und Söldner zu gewinnen.

Der Vormarsch gegen Rom geschah also im wesentlichen 9 auf der Via Flaminia.

Dagisthaius' Verdienst um die Einnahme Roms wird Nar- 21 ff. ses gegenüber betont in den Vordergrund gerückt. Diese er-folgte etwa zu Anfang Jul i 552.

Bemerkenswert sind in den letzten Kapiteln unseres Bu- 24 ches die wiederholten, ausführlichen Hinweise auf die Macht des Schicksals, die unserem Geschichtsschreiber in den dra-matischen Abläufen der Jahre 551/2 besonders deutlich ge-worden zu sein scheint.

34. K a p i t e l Die Niedermetzelung der Senatoren und Geiseln durch die 2 ff.

Goten wird zwar ausführlich und mit persönlicher Bewegung, nicht aber mit dem erwarteten scharfen Tadel an den Mör-dern wiedergegeben; eher gewinnt man den Eindruck, als habe Narses durch seinen Sieg diese Maßnahmen ausgelöst und trage mit seiner Gewaltpolitik erhebliche Mitschuld. Darauf weist auch die Bemerkung (4) hin, wonach Barbaren im Römerheer bei der Eroberung Roms die Einwohner als „Feinde" behandelt hä t ten .

Maximus wird V 25/15 und VI I 20/19 erwähnt . 6 Die Erzählung knüpf t an V I I I 26/4 an. 9

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1104 P R O K O P

15 Ragnaris zieht sich ins Landesinnere nach Acherontia zu-rück, offenbar um den in Samnium und Kampanien noch stehenden stärkeren gotischen Streitkräften näher zu sein. Noch 555 erscheint er als Führer einer gotischen Truppe in Süditalien und verteidigt hartnäckig Kompsa.

16 Bei Nepa dürf te es sich um den Platz Nepete bei Falerii in Südetrurien handeln.

18 Prokop durchschaut richtig die Politik der Franken, die erst 553, nach dem Zusammenbruch des gotischen König-tums, in den Kampf um Italien eingreifen (siehe Aga-thias 120!). I m übrigen war die fränkische Politik nicht wenig durch die Erkrankung des „allmählich dahinsiechenden" Kö-nigs Theudibald (Gregor v. T., Hist . Franc. IV 9) gelähmt, der in jugendlichen Jahren 555 ohne Nachkommen starb.

19 Die Überführung des größeren Teiles des Reichsschatzes nach Cumae dürf te darauf hindeuten, daß schon Totila den Schwerpunkt des Ostgotenreiches mehr nach dem Süden ver-legen und sich so vom fränkischen Einfluß etwas befreien wollte. Tejas Abmarsch von Norditalien dorthin hat te , zumal nach dem Scheitern seiner Verhandlungen mit den Franken, seine guten Gründe : Dort s tand ihm noch eine Flot te zur Ver-fügung, und der Besitz von Sardinien und Korsika wie auch die Verfügung über wichtige Festungen gewährten größere Bewegungsfreiheit.

Bei dem nichtgenannten Bruder Tejas handelt es sich um Aligern.

21 Daß Teja unbemerkt nach Süditalien ausweichen konnte, stellt Narses' Kriegführung kein gutes Zeugnis aus.

35. K a p i t e l 1 Mit dem Vesuv, den er gelegentlich seines früheren Aufent-

halts in Kampanien genau kennengelernt hat (VI 4/21 ff.), verbindet sich für Prokop eine besonders lebhafte Erinne-rung, so daß er gerne die Gelegenheit ergreift, früher gesam-melte Eindrücke und Lesefrüchte jüngeren Datums hier nach-zutragen.

8 Der Drakon, heute Sarno, mündet nahe den Ruinen von Pompeji. Auf dessen linkem Ufer, südlich vom Vesuv, lagerte Teja, während Narses auf dem rechten Ufer s tand und den Weg nach Cumae sperrte. Vielleicht wollte Teja zu Schiff dorthin durchbrechen.

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Der Möns Lactarius liegt mehrere Kilometer südlich des 15 Sarno.

Die Goten versuchten wahrscheinlich wieder ihre Über- 17 raschungstaktik von Taginae (diesmal aber zu Fuß), um so die feindliche Einschließung zu durchbrechen. Der Kampf fand Ende Oktober 552 s ta t t .

Die Römer handeln nach Prokops Darstellung in ihrem 18 Widerstand fast führerlos, während alles Licht auf Teja zu-sammengefaßt und er zu heroischer Höhe emporgehoben wird. Die Spitze gegen Narses ist deutlich.

Wiederum taucht die Wendung „Kampf gegen Got t" auf, 33 ff. der also - und nicht der Feldherr Narses - den Goten den Sieg verwehrt. Dieser hä t te überdies einen sinnlosen Kampf un-bedenklich fortgesetzt, wenn ihm nicht Johannes (aus der Schule Beiisars!) „weise Mäßigung" ans Herz gelegt hätte.

Die Abmachungen stehen mit den Angaben des Agathias, 36 der Prokops Werk fortsetzt, in Widerspruch. Während bei Agathias sich die Goten zu friedlicher Rückkehr auf ihre Besitzungen bereit erklären, läßt Prokop sie das nunmehr kaiserlich werdende Italien verlassen.

Cumae ergibt sich erst nach einjähriger, harter Belagerung 37 unter günstigen Bedingungen an Narses (Sommer 553).

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