+ All Categories
Home > Documents > Weltzeit 01 | 2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Weltzeit 01 | 2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Date post: 06-Apr-2016
Category:
Upload: deutsche-welle
View: 221 times
Download: 4 times
Share this document with a friend
Description:
2009 ist ein Jubiläumsjahr. Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer. Ein Anlass des Erinnerns, des Gedenkens, auch der Freude über die Wiedervereinigung des Landes. Diese Weltzeit blickt insbesondere auf noch bestehende reale Mauern – etwa nach Korea und auf die Insel Zypern – und auf virtuelle Mauern gegen Meinungs- und Medienfreiheit. Mauern im Multimedia-Zeitalter, in dem Zeit und Raum für Kommunikation keine Rolle mehr zu spielen scheinen.
32
Das Magazin der Deutschen Welle 01 Januar 2009 welt zeit 20 Jahre nach Berlin Ungelöste Mauerfälle
Transcript
Page 1: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Das Magazin der Deutschen Welle 01—Januar 2009

welt zeit

20 Jahre nach Berlin

Ungelöste Mauerfälle

Page 2: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

zenithZeitschrift für den Orient

weiter lesen.

Foto

:Mar

tin

Ger

ner Attraktive Abopämie:

Für jedes Abonnement* erhalten Sie kostenlos das Buch »Spiegelbilder« vom Literaturnobelpreisträger Nagib Machfus im Wert von 29,80 Euro. solange Vorrat reicht

Deutscher Levante Verlag GmbHLinienstraße 106, 10115 BerlinFax: 030 · 39 835 188 [email protected]

*Vier Ausgaben/Jahr für 25,00 Euro,35,00 Euro/Ausland

Hilfe von obenDas Geschäft mit derEntwicklung

zenith_Anzeigenvorlage08 05.11.2008 21:49 Uhr Seite 1

Page 3: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

vorspann —�weltzeit 01_2009

04–05 nachrichten

06–18 titel»���Die�Mauern�dieser�Welt:�Stetes�

Klopfen�höhlt�den�Stein»���The�BOBs:�Preis�für�Mauerspechte�

aus�Kuba,�Iran�und�China»���Deutschlandbilder:�Und�vergesst�

mir�die�Mauer�nicht!»���Studiodiskussion:�„Zum�Zusam-

menwachsen�verdammt“

19 spot

20–21 profil»��Finanzkrise:�Hochkonjunktur�für�

Wirtschaftsredaktionen

22 neue medien»���China:�Wissen�via�IPTV��

2� schlaglichter

24-25 vor ort »��Arktis:�Und�das�Eis�schmilzt�dahin��

26-27 partner »��Afghanistan:�Hoffnung�via�ARIANA�

28-29 vor ort »��Kamerun:�Abkehr�vom�Holzweg�

�0-�1 zoom»��Vorgestellt:�Alexander�Andreev�

Liebe Leserinnen und Leser,2009 ist ein Jubiläumsjahr. Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer. Ein Anlass des Erinnerns, des Gedenkens, auch der Freude über die Wie-dervereinigung des Landes. Nicht nur in Berlin und in ganz Deutschland blicken wir auf die Er-eignisse von 1989 zurück. Zwei Jahrzehnte nach dem Anfang vom Ende des Ost-West-Konflikts, nach der Überwindung der deutschen, der euro-päischen Teilung nimmt auch das internationale Interesse an unserem Land noch einmal zu. Eine Herausforderung für die Deutsche Welle. Sie wird ihren Zuschauern, Hörern und Inter-netnutzern ein umfassendes multimediales The-menpaket anbieten. Zugleich ruft der deutsche Auslandssender sein Publikum weltweit auf, uns eigene Erinnerungen an diese Zeit des tiefgrei-fenden – friedlichen – Wandels zu übermitteln. Ausdruck dafür, dass wir im Dialog mit der Welt stehen. In dieser weltzeit blicken wir insbesondere auf noch bestehende Mauern – etwa nach Korea

und auf die Insel Zypern. Auch auf Trennlinien jüngeren Datums: auf die Sperranlagen im West-jordanland etwa. Und nach Nordafrika. In den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla hat Eu-ropa Zäune gegen unerwünschte Einwanderung aus Afrika errichtet. Und noch immer gibt es virtuelle Mauern gegen Meinungs- und Medienfreiheit – auch dies ein Menschenrecht. Mauern im Multimedia-Zeit-alter, in dem Zeit und Raum für Kommunika-tion keine Rolle mehr zu spielen scheinen. The BOBs, der Weblog-Award der Deutschen Welle, ist ein Beispiel, wie der deutsche Auslandssender Stimmen, die bei ihren Regierungen unliebsam sind, den Rücken stärkt. Der Hauptpreis der jüngsten Auflage geht nach Kuba, weitere Preise an Blogger in China und im Iran. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und vor allem ein erfolgreiches Jahr 2009 – im Geiste der Freiheit.

Ihr Erik Bettermann

Impressum

Deutsche�WelleUnternehmenskommunikation53110 BonnT. 0228.429.2041F. [email protected]/presse

Verantwortlich: Dr.�Johannes�HoffmannRedaktion:�Berthold�Stevens�Steffen�HeinzeGestaltung:�Alexandra�Schottka�Marco�SiebertzDruck:�Brandt�GmbH�·�Bonn

Fotos:�AP�(Titel)�·�DW/C.�Fork�(S.�3)�·��M.�Müller�(S.�4,�19,�27,�30)�·��DW/M.�Altmann�(S.�5)�·�R.�Kobert/fabrik1design�(S.�6)�·�picture-alliance/dpa�(S.�9,�10,�11,�15,�18,�19,�22)�·�M.�Siebertz�(S.�12,�14)�·�DW/G.�Nielsen�(S.�13)�·�DW/A.�Bie-senbach�(S.�15)�·�Antonio�Calado�de�Maia�(S.�16)�·�F.�Liesegang��(S.�17,�20)�·�DW-Archiv�(S.�19,�21,�26)�·�DW/M.�Ebner�(S.�19)�·�DW/R.�Braum�(S.�21)�·�I.�Quaile�(S.�24,�25)�·�D.�Scheschkewitz�(S.�27)�·��C.�Debrabandère�(S.�28,�29)

Anzeigen T.�0228.429.2043F.�[email protected]

Werbung im ProgrammT.�0228.429.3507F.�[email protected]

In dieser Ausgabe

Editorial

Page 4: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Sie kamen aus Ländern, die täglich in den Schlagzeilen der westlichen Medien stehen: aus dem Libanon, aus Palästina, Syrien, Irak und Sudan. In ihren Heimatsendern gehören sie zum oberen Management.

Schwerpunkt des Trainings: Organisations-formen und Vertriebsstrategien entwickeln, die Frauen benötigen, um als Managerinnen erfolg-reich zu arbeiten. Dahinter steht – wie immer bei Maßnahmen der DW-AKADEMIE – auch das Ziel, Anstöße zu liefern, den Rundfunk in den Herkunftsländern der Teilnehmer langfris-

tig zu reformieren und mehr Medienfreiheit zu ermöglichen.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Semi-nars war der kulturelle Erfahrungsaustausch, der durch die Einbindung in das Netzwerk der DW-AKADEMIE über den Workshop hinaus fortgeführt wird. Zudem soll in einem weiter-führenden Seminar das Erarbeitete an konkreten Beispielen vertieft werden. „Es war“, resümierte eine irakische Teilnehmerin, „das beste Seminar, das ich bisher besucht habe.“ —— www.dw-akademie.de

Women-Power für das ManagementBerlin/Bonn – Auf die jeweiligen Sender zugeschnittene Managementkonzepte entwi-ckeln – darum ging es für zehn Frauen aus fünf arabischen Ländern im Kurs „Leadership for Women“. Das Fortbildungsangebot der DW-AKADEMIE sollte die Frauen zugleich in ihren Führungsqualitäten stärken.

4— nachrichten

Seit November 2008 sendet DW-TV täglich zwölf Stunden Arabisches Programm, bisher waren es acht Stunden. Zeitgleich hat das deut-sche Auslandsfernsehen inhaltlich sein Angebot stärker regionalisiert und an unterschiedliche Bedürfnisse in Ländern wie Sudan oder Irak an-gepasst.

Das 24-Stunden-Programm – im stündlichen Wechsel auf Arabisch bzw. Englisch – ist in über 20 Ländern von Marokko bis Saudi-Arabien und Irak über Satellit zu empfangen. Zusätzlich ist es als Live-Stream im Internet verfügbar. Dar-über hinaus setzt DW-TV auf Kooperationen

mit regionalen Partnern, um das junge arabische Publikum zu erreichen. Mit Erfolg: Die monat-liche Talkshow „Jugend ohne Grenzen“, die seit Mai 2008 gemeinsam mit dem ägyptischen Sen-der ERTU produziert wird, erreicht nach einer Studie von Eurodata-TV bis zu 1,1 Millionen Zuschauer in Ägypten – ein Marktanteil von 12,5 Prozent. In der Talkshow, die im Wechsel in Berlin und Kairo aufgezeichnet wird, disku-tieren junge Deutsche und Ägypter über aktuelle Jugendthemen. Viel Beachtung fand das Talk-format von DW-TV und ERTU auch auf dem Kairoer Mediafestival Mitte November. ——

Eine Million Zuschauer bei Jugend-Talk Berlin/Kairo – Die Deutsche Welle hat ihr TV-Angebot für die arabischen Länder, einem der wichtigsten Medienmärkte der Welt, nochmals ausgeweitet. Auf großes Interesse sto-ßen vor allem die gemeinsamen Talkformate mit Partnern im Sendegebiet.

01-02 „Es war das beste Se-

minar, das ich bisher besucht habe“:

Ghufra Hadi, Jamil Bushra (beide Irak)

und Jaman Quneis (Palästina)

01 02

Page 5: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

nachrichten —5weltzeit 01_2009

Wichtigste Aufgabe der Deutschen Welle sei es, „in einem Dialog kollidierender Stimmen die in-ternationale Medienpräsenz Deutschlands sicherzu-stellen“, sagte der Intendant. Der Sender vermittle Werte und Perspektiven, für die Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation stehe – vor allem Menschenrechte, Freiheit und demokratische Entwicklung. Die DW unterstütze außerdem Ziele der Entwicklungszusammenarbeit. Sie sei damit „ein bedeutender Faktor in den deutschen Außenbezie-hungen“.

In den kommenden Jahren werde die DW wich-tigstes elektronisches Medium zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur sein. „Wir brauchen eine politische Willenserklärung, dass Deutschlands mediale Visitenkarte in der Welt dauerhaft gestärkt wird. Dazu gehört auch, dass die Deutsche Welle im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem Deutsch-lands noch stärker verankert wird“, so Bettermann.

Ziel für die kommenden Jahre sei es, die medi-ale und politische Bedeutung der Deutschen Welle weiter auszubauen: durch die Stärkung der Fremd-sprachenprogramme, die Ausrichtung auf neue Zielgruppen, die inhaltliche Regionalisierung und den Ausbau von Angeboten. Dieser Ausbau sei mit

Blick auf die politische Lage vor allem in Russland, Nord- und Südamerika und der arabischen Welt, einschließlich Iran, erforderlich. Die DW wende sich dabei insbesondere an Menschen, die sich für unterschiedliche Sichtweisen interessieren, Medien intensiv nutzen und durch ihre gesellschaftliche Stellung einen hohen Einfluss auf die öffentliche Meinung ihres Landes haben.

Konkret sieht die Aufgabenplanung beispielsweise eine Ausweitung des englischsprachigen Fernseh-angebots für Asien und einen Ausbau von Koope-rationen und Koproduktionen mit Partnern vor. Inhalte für Hörfunk und Internet würden, so der Intendant, künftig in multimedialen Redaktionen erstellt. Für viele Weltregionen stehe ein deutli-cher Ausbau der Internet- und Mobilangebote an. Schließlich werde die DW-AKADEMIE „zum füh-renden internationalen Anbieter von Trainings- und Beratungsmaßnahmen für elektronische Medien in Entwicklungs- und Transformationsstaaten ausge-baut“. Ein Meilenstein sei der Start des bilingualen Masterstudiengangs „International Media Studies“ im Herbst 2009 in Bonn. —— Der vollständige Entwurf der Aufgabenplanung unter:

www.dw-world.de/aufgabenplanung

Bedeutender Faktor in den AußenbeziehungenBerlin – Die Deutsche Welle werde sich weltweit als „multimediale Stimme der Menschen-rechte“ positionieren. Das kündigte Intendant Erik Bettermann Anfang Dezember vor Journa-listen in Berlin an. Der Rundfunkrat hatte zuvor den Zielen der Aufgabenplanung für die Jahre 2010 bis 2013 zugestimmt.

03 Moderatoren der englischen

Ausgabe des Journals von DW-TV:

Brend Goff und Meggin Leigh

Page 6: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

6— titel

Mauerspechte�machten�den�Blick�frei:�von�

der�Bernauer�Straße�auf�den�Fernsehturm�

im�früheren�Ost-Berlin�

Page 7: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Stetes Klopfen höhlt den Stein

Auch 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer kennt die Welt Mauern, die Menschen von Menschen trennen: Zum Beispiel der martialisch gesicherte 38. Breitengrad zwischen Nord- und Südkorea. Jüngeren Datums ist die Sperranlage im Westjordanland. In Europa teilt Stacheldraht die Insel Zypern. Und Europa errichtet Mauern zur Abschottung gegen Zuwanderung aus Afrika. Eine Bestandsaufnahme un-gelöster „Mauerfälle“ von Khalid El Kaoutit, Sybille Golte-Schröder, Verica Spasovska und Ute Schaeffer. Dazu ein Blick auf neue, virtuelle Mauern gegen das Menschenrecht der Meinungs- und Pressefreiheit.

titel —7weltzeit 01_2009

Im Sommer 2002 begann Israel, eine Sperr-anlage zu bauen, die Israelis von Palästinensern trennt. Die Anlage umringt das gesamte West-jordanland: Zäune aus Stacheldraht, Mauern aus Beton, Wachtürme, Gräben, Tore. Sie verläuft auf militärischem Sperrgebiet, das streckenweise 70 Meter breit ist. Bis zu 700 Kilometer lang und acht Meter hoch soll die Anlage werden. Dop-pelt so hoch wie einst die Berliner Mauer. Aber natürlich kann es keinen historischen Vergleich geben.

Heute sind weder der Bau der Sperranlage, noch der Streit um die Mauer zu Ende.

Antiterrormauer – „Mauer der Apartheid“ Die Maßnahme solle palästinensischen Selbst-mordattentätern den Zugang unmöglich ma-chen. Durch die Mauer wolle man aber keine neuen Grenzen festlegen. Sie sei eine reine Sicherheits- und Selbstschutzmaßnahme. So lautet die offizielle Lesart der israelischen

Regierung, die darauf verweist, dass die Zahl der Attentate gegen die israelische Bevölkerung seit der Errichtung der „Antiterrormauer“ zu-rückgegangen sei. Zudem sei die Mauer keine israelische Erfindung: Auf ähnliche Weise schützten die USA ihre Grenze zu Mexiko, Europa schütze sich gegen illegale Einwanderer aus Afrika. Auch zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen bestehe ein Schutzzaun.

Die Mauer um das Westjordanland läuft überwiegend auf palästinensischem Boden. Israel erkennt zwar die Grüne Linie – also die Grenzen von 1949 – an, hält aber eine darüber hinausge-hende Sicherheitslinie für strategisch sinnvoll. Die Mauer soll zugleich die israelischen Sied-lungen im Westjordanland schützen. So schlän-gelt sie sich durch palästinensisches Gebiet und trennt nicht nur die Palästinenser von den Isra-elis, sondern auch palästinensische Ortschaften voneinander. Besonders betroffen sei die Stadt Qalqiliya, sagen palästinensische Quellen. Die

»Doppelt so hoch

wie einst die Ber-

liner Mauer.«

Page 8: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

hier betriebene Landwirtschaft decke über 40 Prozent des Lebensmittelbedarfs im Westjordan-land. Durch die Mauer seien Wasserquellen und landwirtschaftlich nutzbares Land konfisziert oder unzugänglich, die Lieferung von Dünger und Lebensmitteln faktisch unmöglich gemacht worden. Während für die israelischen Siedler keine Einschränkungen bestünden, könnten sich Palästinenser – die die Sperranlagen als „Mauer der Apartheid“ empfinden – im Grenzgebiet nicht frei bewegen.

Die Mauer sei völkerrechtswidrig, urteilte die UN-Vollversammlung 2004. Sie verlangte von Israel, deren Bau zu beenden und rückgängig zu machen. Israel lehnt dies bis heute ab und hält dagegen: Die UN-Vollversammlung missachte Israels Sicherheitsinteressen. Man wäre bereit, so Tel Aviv, die Gebiete zurückzugeben, wenn garantiert würde, dass keine Selbstmordattentate erfolgen.

Bis dahin müssten Tausende Palästinenser in einem „Open-Air-Gefängnis“ leben, klagen Menschenrechtler. Denn durch den Verlauf der Mauer sind manche Dörfer vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Die Grenzübergänge

werden nur für wenige Stunden am Tag geöffnet. Auf die andere

Seite darf nur

»Der Irre mit der

Bombe hat keine

Freunde im

Westen.«

8— titel

derjenige, der eine spezielle Erlaubnis hat. Die hat aber praktisch niemand.

Relikt des Kalten KriegesSzenenwechsel: Panzersperren, soweit das Auge reicht, dann breite Minenfelder und schließlich ein durchgehender Drahtzaun mit Wachtürmen alle 100 Meter: In der Stadt Panmunjon am 38. Breitengrad endete im Juli 1953 der Korea-krieg mit einem Waffenstillstandsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Demokratischen Volksrepublik Korea, dem heutigen Nordkorea. In Panmunjon wurde die bereits 1948 beschlossene Teilung Koreas in zwei unabhängige Staaten zementiert. Bis heute zerschneidet eine der am schärfsten gesicherten Grenzen der Welt die koreanische Halbinsel von Küste zu Küste in zwei Teile – eine der letzten Bastionen des Kalten Krieges.

Einen Friedensvertrag gibt es nicht. Diesseits und jenseits des 38. Breitengrades sind zwei Sys-teme entstanden, wie sie unterschiedlicher kaum sein können: das durch und durch kapitalistische und wirtschaftlich erfolgreiche Südkorea und das hermetisch von der Welt abgeschlossene na-tional-kommunistische Nordkorea mit seiner im Westen bizarr wirkenden Familiendiktatur der Kims.

Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert bis zu ersten direkten Gesprächen zwischen beiden

Staaten. Präsident Kim Dae Yung war der erste Südkoreaner, der den 38.

Breitengrad überschritt. Kim erhielt dafür

Page 9: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

titel —9weltzeit 01_2009

01 Durchgehend Stacheldraht:

Patrouille am 38. Breitengrad, der

Grenze zwischen Nord- und Südkorea

später den Friedensnobelpreis. Dennoch haben sich viele der hochfliegenden Erwartungen an diese Begegnung nicht erfüllt. Die Wiederverei-nigung haben Politiker diesseits und jenseits auf ihre Fahnen geschrieben, die Frage, zu welchen Bedingungen, ist bis heute nicht beantwortet.

Beim ersten Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea vor sieben Jahren wurde nach Jahrzehnten eine Begegnung getrennter Fami-lien ermöglicht. Bilder von weinenden, über-glücklichen Menschen gingen um die Welt. Doch einer schnellen familiären Zusammenfüh-rung, einer Wiedervereinigung stehen gewich-tige politische Gründe im Wege.

Die gewaltigen Unterschiede im Wirtschafts-system und im wirtschaftlichen Erfolg sind ein zentrales Hindernis. Es gibt viele Zahlen, die das deutlich machen: Ein Koreaner im Süden ver-dient im Durchschnitt zehnmal so viel wie ein Nordkoreaner. Noch in den Fünfzigerjahren war Südkorea von Landwirtschaft geprägt und bet-telarm. Der Norden war der reiche, industriali-sierte Teil der Halbinsel. Die Verhältnisse haben sich gründlich gewandelt.

Die entscheidende Frage ist, welches Gesell-schaftsmodell in einem vereinten Korea vorherr-schen soll. Was wird aus dem nordkoreanischen Diktator Kim Yong Il, den ein großes deutsches Nachrichtenmagazin bereits als „den Irren mit der Bombe“ charakterisiert und der keine Freunde in der westlichen Welt hat. Seit Mo-naten ist er nicht mehr in der Öffentlichkeit er-schienen. Lebt er noch? Wer übernimmt im Fall seines Ablebens das Steuer in Pyöngyang?

Die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Schutz-mächten China und USA schränkt die Be-wegungsfreiheit beider koreanischer Staaten

ein. Im asiatischen Machtgefüge vergleicht man die kore-

anische

Halbinsel mit einer Garnele zwischen Wal-fischen. Peking hat auf der einen Seite kein Interesse daran, ein Japan und den USA nahe-stehendes System direkt an der eigenen Grenze zu haben. Das gilt auch unter umgekehrten Vor-zeichen für Japan – und mittelbar für die Verei-nigten Staaten. Fingerspitzengefühl ist gefragt, deutlich wird das bei den Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm.

Seit Nordkorea im Februar 2008 die Bereit-schaft signalisiert hat, seine Nuklearanlagen stillzulegen, ist Bewegung in die sogenannten Sechsergespräche gekommen. Die Ungewissheit über das Schicksal des nordkoreanischen Dik-tators Kim Yong Il erschwert die weitere Ent-wicklung. Eines scheint festzustehen: Bis am 38. Breitengrad die Grenzbefestigungen fallen, wird noch einige Zeit vergehen.

Stacheldraht durch EU-Land Und wie lange wird die Trennung auf der Insel Zypern noch andauern? Dort steht Europas letz-te Mauer. Die Demarkationslinie zieht sich 180 Kilometer quer durch das Land, das seit 1974 in einen griechisch-zyprisch dominierten Süden und einen türkisch besetzten Norden geteilt ist. Sandsackbarrikaden und Stacheldraht markieren diese Mauer. Die Einwohner Zyperns können den jeweils anderen Teil der Insel lediglich über Checkpoints mit Ausweiskontrolle betreten. Bilder aus der Hauptstadt Nikosia, die Erinne-rungen an Berlin wecken.

Nun gibt es erstmals seit Jahrzehnten Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der geteilten Insel.

Die Teilung Zyperns wurde vor 34 Jahren durch den Putsch der damaligen Athener Junta gegen Präsident Maka-rios ausgelöst, mit dem Ziel der Verei-nigung der Insel mit Griechenland.

Türkische Truppen besetzten

Page 10: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

10— titel

01 Ende�der�politischen�Eiszeit�

auf�Zypern?�–�Der�Gesprächsmarathon�

läuft�seit�Herbst�2008,�am�Ende�sollen�

die�Inselbewohner�per�Referendum�

entscheiden

daraufhin den Norden, um eine Vertreibung der Türken zu verhindern. Bis heute halten 42.000 türkische Soldaten rund ein Drittel der Insel besetzt. 1983 wurde die Republik Nordzypern ausgerufen. Mehr als 100.000 Siedler aus der Türkei ließen sich auf dem Gebiet nieder. Die Republik Zypern, seit 2004 EU-Mitglied, kont-rolliert nur noch den Süden. Das Dilemma: Der Norden ist bis heute lediglich von der Türkei

Berlin 2009 – 20 Jahre Mauerfall 2009�ist�das�Gedenkjahr�des�Mauerfalls,�in�Berlin,�in�Deutschland�und�weltweit.�Die�Deutsche�Welle�schnürt�

für� ihr�weltweites�Publikum�ein�umfangreiches�multimediales�Programmpaket�–�darin�zum�Beispiel�eine�

Reportageserie�auf�DW-TV,�ein�umfangreiches�Dossier�und�eine�Flash-Chronik�auf�DW-WORLD.DE�sowie�eine�

Reihe�über�zensierte�Künstler� in�der�DDR�auf�DW-RADIO.�Zuschauer,�Hörer�und� Internetnutzer�auf�allen�

Kontinenten�sind�aufgerufen,�Beiträge�zum�Thema�Wiedervereinigung�in�die�Redaktionen�nach�Bonn�und�

Berlin�zu�senden.�

Die�weltzeit�wird�in�den�Ausgaben�2009�den�Schwerpunkt�fortsetzen�und�unter�anderem�die�Rolle�des�in-

ternationalen�Rundfunks�bei�der�Überwindung�der�deutsch-deutschen�Teilung�–�und�bei�noch�bestehenden�

Konfrontationen�–�beleuchten.�

www.dw-world.de/20JahreMauerfall�

Berlin�startet�2009�ein�Themenjahr�mit�einer�Fülle�von�Veranstaltungen�–�insbesondere:�eine�Open-Air-Aus-

stellung�zur�Freiheitsbewegung�in�der�DDR�auf�dem�Alexanderplatz,�Aktionen�an�wechselnden�Schauplätzen�

unter�dem�Titel�„Berlin�–�Stadt�im�Wandel“�und�das�„Fest�der�Freiheit“�vom�7.�bis�9.�November.�

www.mauerfall09.de

anerkannt; da Zypern völkerrechtlich aber eine Einheit ist, gehört auch der Norden der Insel zur Europäischen Union. EU-Recht wird dort jedoch nicht angewendet. So hält die Türkei fak-tisch Teile eines EU-Mitgliedslandes besetzt.

Wie diese Teilung überwunden werden kann, hat bereits fünf Präsidenten der Repu-blik Zypern beschäftigt, nicht weniger als 15 Initiativen der UNO wurden verworfen, die letzte 2004: Während die türkischen Zyprer dem Einigungsplan zustimmten, lehnten die Griechen ihn ab. Dennoch gibt es nun erstmals realistische Hoffnung, denn beide Volksgruppen werden nach Jahren der politischen Eiszeit jetzt von versöhnungsbereiten Politikern geführt. Präsident Christofias steht an der Spitze des grie-chisch-zyprischen Teils, Mehmet Talat führt den türkischen Norden. Beide haben ihre politischen Wurzeln in Parteien, die sich die Überwindung der Teilung auf die Fahnen geschrieben haben.

Aber Stolpersteine gibt es zuhauf: Den In-selgriechen schwebt ein Bundesstaat vor, die türkischen Zyprer wollen einen lockeren Staa-tenbund. Strittig ist auch die Zukunft der im Norden stationierten türkischen Besatzungs-soldaten und die künftige Rolle der Türkei. Talat will sie als Garantiemacht, wie es in der Verfassung von 1960 festgeschrieben ist. Die zyprischen Griechen fordern hingegen, dass die Sicherheit für Zypern allein im Rahmen der EU gewährleistet wird.

Unter Schirmherrschaft der Vereinten Na-tionen startete im Herbst 2008 der Gesprächs-marathon, konkrete Fortschritte sind bislang nicht bekannt geworden. Beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. Die Suche nach einer für alle Beteiligten tragfähigen Lösung dürfte weiterhin schwierig sein. Schließlich soll auch per Referendum in beiden Teilen der Insel über die Wiedervereinigung entschieden werden. Gut möglich, dass die Bürger dann ein deutliches Votum abgeben werden.

Festung Europa Während sich die Menschen auf Zypern und mit ihnen die EU danach sehnen, dass sich nach 34 Jahren die Wunde der Teilung endlich schließt, hat Europa eine neue Mauer errichtet. Sie soll den Kontinent uneinnehmbar machen für zehn-

01

Page 11: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

titel —11weltzeit 01_2009

»Ihr habt keine

Ahnung, wie viele

Afrikaner in der

Wüste sterben.«

tausende Afrikaner, die nach Barcelona, Paris oder Berlin wollen. Die Festung Europa ist auf afrikanischem Boden weithin sichtbar: zwei bis sechs Meter hohe Zäune – nachts mit Flutlicht grell erleuchtet, mit Bewegungsmeldern und Kameras ausgestattet. Ein dreifacher Zaun, zehn Kilometer lang, der Melilla in Richtung Land, in Richtung Afrika abschottet. Ceuta und Melilla, die spanischen Exklaven in Marokko, verschan-zen sich, sollen nicht zum Einfallstor werden für Migranten aus Afrika. Die Guardia Civil pa-troulliert und sichert die Mauer nach Europa.

Ihre Routen beginnen in Kamerun, Ghana oder Guinea – sie führen über halsbrecherische Wüstenpisten in Mali, Mauretanien und dem Niger. Und irgendwann werden sie die alters-schwachen Lastwagen verlassen, manchmal erst nach Wochen, und vor den Toren Europas stehen. Wie viele Afrikaner sich in jedem Jahr aufmachen, um nach Europa zu gelangen, dazu gibt es keine Zahlen. Afrika sitzt auf gepackten Koffern. Die Schleuser nehmen das Einkommen, das eine Familie über vier Jahre erwirtschaftet. Nur, damit einer die Flucht nach Europa wagen kann. Bis zu 3500 Euro kostet die gefährliche Reise durch die Wüste.

Europa – das ist die Perspektive für Flücht-linge wie Serge Kouatchou, der vor drei Jahren seinen Job in der kamerunischen Küstenstadt Douala aufgab, um nach Europa aufzubrechen. Zehn Mal schon hat er sich auf den Weg durch die Sahara gemacht, fünf Mal voller Hoffnung in Richtung Norden – und ebenso oft dann ab-geschoben in Richtung Süden. Serge Kouatchou ist sich sicher, dass es einen Tunnel gibt, unter dem Zaun von Ceuta hindurch. Was Europa von Ceuta und Melilla wisse, sei nur ein Teil der Wahrheit. „Ihr habt keine Ahnung, wie viele Afrikaner in der Wüste sterben.“

Serge hatte sich 2002 – gemeinsam mit fünf Freunden – zur Flucht entschlossen. „Einer ist in Spanien, einer ist in Malis Hauptstadt Bamako, einer hat durch die Hitze seinen Verstand ver-loren, einer ist tot und ich bin von Arabern nie-dergestochen worden.“ Wie viele sich in jedem Jahr auf den Weg nach Ceuta oder nach Melilla machen, ist nicht bekannt. Die Gegend nördlich der Wüstenstadt Ceuta ist ohne jede Kontrolle, außerhalb der wenigen Dörfer keine Polizei, es

greift keine staatliche Ordnung. Wüstenland, in dem unzählige Banden die Flüchtlinge überfallen.

Europa zieht die Stärksten an: junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren, sie haben studiert, sie haben Diplome. Doch sie sehen in Lagos oder Doaula, in Niamey oder Accra keine Perspektive. Die sehen sie in Europa – und wissen nicht, dass sie nicht nur der Grenzzaun in Melilla und Ceuta von einem Leben in Europa abhält, sondern dass Europa alles tun wird, sie erneut nach Afrika zu schicken.

Glaubwürdige Stimme Auch 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem folgenden Ende des Ost-West-Kon-flikts kennt die Welt weiterhin Mauern, die vor allem eines bewirken: Menschen von Menschen zu trennen. Um Teilung und Konfrontation zu überwinden, sind in erster Linie die Kontrahenten selbst gefordert – und die Vereinten Nationen. Ihren Anteil zur Aufklärung der Menschen tra-gen auch international agierende Medien bei. Die Deutsche Welle kann mit Blick auf die Überwin-dung der Teilung Deutschlands als glaubwürdige Stimme auftreten, wenn es um die noch ungelös-ten „Mauerfälle“ der Welt geht. ��——

02 Zehn�Mal�schon�hat�er�sich�auf�

den�Weg�durch�die�Sahara�gemacht:�

Serge�Kouatchou�aus�Kamerun

Page 12: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Fast wäre ihm die Ausreise gelungen, doch im letzten Moment machten ihm lokale chinesische Behörden einen Strich durch die Rechnung: Der Blogger Shuguang Zhou, 27, musste das Ticket verfallen lassen. Sein Platz in der internationalen Jury blieb leer. So waren es nur noch elf Blog-Experten, die Ende November in Berlin über die Sieger des Wettbewerbs The BOBs 2008 entschieden. Zum fünften Mal ermittelte die Deutsche Welle die weltweit besten Blogs in elf Sprachen, darunter Arabisch, Farsi und Russisch. Dazu hatte sie Jury-Mitglieder aus aller Welt eingeladen, darüber fachkundig zu entscheiden.

Immerhin: Shuguang Zhou gelang es, sich aus dem fernen Osten über einen Internet-Provider zu beteiligen und sein Votum abzugeben.

Weblogs tauchten erstmals Mitte der 1990er Jahre auf, führten aber in Deutschland als On-line-Tagebücher zunächst ein bescheidenes Da-sein. Wer meinte, anderen Internetnutzern etwas über sein Leben mitteilen zu müssen, ließ hier seinen Gedanken freien Lauf. Parallel zum Blog-Boom zu Beginn des neuen Jahrtausends etab-lierten sich vor allem in den USA einige Blogs als angesehene Medien. Beispiel Joshua Marshall: Der investigative Journalist machte einen innen-politischen Justizskandal publik. Kaum hatte er dafür einen renommierten Preis erhalten, griffen auch traditionelle Medien das Thema auf und setzten der US-Justiz zu.

Bloggen für mehr MedienfreiheitInzwischen haben auch Medienforscher die weltweite Blogosphäre entdeckt und widmen sich der dynamischen Szene. Sie suchen die Stecknadel im Heuhaufen: Denn die meisten der heute auf über 120 Millionen geschätzten Blogs dienen der privaten Kommunikation. Einige versuchen sich als seriöse Berichterstatter − und zeichnen sich durch klare Standpunkte und mei-nungsfreudige Beiträge aus. Profi-Blogger wie Stephan Niggemeier oder Don Alphonso haben sich längst einen Namen gemacht und auch unter Journalisten Ansehen erworben.

Schöne neue Blogger-Welt? Weit gefehlt: Wie Shuguang Zhou bekommen viele Anhänger in anderen Ländern die Grenzen der scheinbar virtuellen Welt schnell zu spüren. Dort, wo die Medien- und Informationsfreiheit unerwünscht ist und zum Opfer staatlicher Organe wird.

Blogger – die virtuellen Mauerspechte Bonn/Berlin − Staatliche Mauern gegen unkontrollierte Meinungs- und Informations-freiheit geraten zunehmend ins Wanken. Der Technik sei Dank − und der wachsenden Zahl an Bloggern auch in autoritär regierten Ländern. The BOBs, der internationale Weblog-Wettbewerb der Deutschen Welle, zeigt, dass dieser Boom nicht aufzuhalten ist. Ebenso wenig wie das Interesse an neuen Kommunikationsformen als Ergänzung zu klas-sischen Medien. Steffen Heinze über The BOBs 2008.

Ehrung für „Generación Y“ aus Kuba

Berlin�–�Das�Weblog�„Generación�Y“�der�kubanischen�Bloggerin�Yoani�Sánchez�ist�beim�Weblog-Award�

The�BOBs�2008�der�Deutschen�Welle�als�Sieger�hervorgegangen.�In�ihrem�Blog�berichtet�die�weltweit�

bekannte,�auf�Kuba�lebende�Sanchez�über�den�Alltag�der�jungen�Generation�auf�der�Karibikinsel.�Die�

Jury�hob�„ihren�poetischen�Stil�und�ihre�klare�Ausdrucksform“�sowie�die�„hohe�Symbolkraft�für�die�

gesamte�Blogosphäre“�hervor�(siehe�Interview�Seite�14).

Mit�dem�„Reporter-ohne-Grenzen-Preis“�im�Rahmen�des�Wettbewerbs�wurden�zwei�Weblogs�ausge-

zeichnet:�das�persischsprachige�Blog�„4equality“�und�das�Weblog�der�Chinesin�Zeng�Jinyan.�„4equa-

lity“�ist�auf�Initiative�von�50�Frauen�und�Männern�entstanden,�deren�Ziel�es�ist,�eine�Million�Unter-

schriften�gegen�frauenfeindliche�Gesetze�im�Iran�zu�sammeln.�Zeng�Jinyan�beschäftigt�sich�mit�dem�

Leben�unter�der�ständigen�Beobachtung�durch�chinesische�Behörden.�

Bestes� deutschsprachiges� Weblog� ist� „Mädchenmannschaft“,� das� sich� der� Feminismusdebatte� in�

Deutschland�widmet.�In�der�Kategorie�„Bestes�Videoblog“�ging�der�Preis�an�„Voices�of�Africa“.�Das�

Internetportal� AfricaNews.com� hat� seit� 2007� in� mehreren� afrikanischen� Ländern� sogenannte� Bür-

gerjournalisten�mit�hochwertigen�Smartphones�ausgestattet,�damit�diese�persönliche�Impressionen,�

aber�auch�journalistische�Beiträge�verfassen�und�über�das�Portal�veröffentlichen�können.�Als�bestes�

Podcast�wurde�„Radio�Grinch“�eines�russischen�Journalisten�ausgezeichnet,�der�täglich�unter�dem�

Namen�Denis�seine�Faszination�für�das�Internetradio�zum�Ausdruck�bringt.�Die�Jury�entschied�über�

die�besten�Blogs�in�elf�Wettbewerbssprachen�(Arabisch,�Chinesisch,�Deutsch,�Englisch,�Farsi,�Franzö-

sisch,�Niederländisch,�Indonesisch,�Portugiesisch,�Russisch,�Spanisch).

01

Page 13: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

titel —1�weltzeit 01_2009

Hohen Hürden und hart durchgreifenden Behör-den zum Trotz, setzen Blogger im Iran oder in China ihre Freiheit aufs Spiel. Sie tauschen sich mit Gleichgesinnten aus der Blogosphäre aus, weisen auf Missstände im eigenen Land hin, um unüberwindlich scheinende Mauern doch durch-lässig zu machen.

Die Blogmap (www.thebobs.com/blogmap) weist nur wenige weiße Flecken auf. „Unser Ziel ist es, das breite Themenspektrum in der Viel-falt der einzelnen Blogosphären abzubilden und einen sprachübergreifenden Dialog über diese Medienform anzuregen. Deshalb unterstützen wir mit unserer Initiative vor allem Blogger in Ländern mit eingeschränkter Medienfrei-heit“, machte DW-Programmdirektor Christian Gramsch in Berlin deutlich. Vor über 200 Gäs-ten wurden im Museum für Kommunikation die Gewinner von The BOBs 2008 bekannt gegeben. Kaum hatte die Deutsche Welle die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez als Haupt-preisträgerin ausgezeichnet, meldete sich die örtliche Polizei bei ihr − mit einer Vorladung. Es blieb bei einer Ermahnung.

„Die Mauern werden durchlässiger“Kein Einzelfall. Geraten Blogger in Gefahr, gilt auch die Deutsche Welle als Anlaufpunkt. „Hil-ferufe aus dem Jemen oder anderen arabischen Ländern können wir nur schnell weiterleiten, sei es an Reporter ohne Grenzen oder Amnesty International“, macht Gabriel Gonzalez deut-lich, Projektleiter von The BOBs. Über 120.000 Internet-Nutzer hatten im November 2008 bei der Abstimmung über das beste Blog mitgemacht − und den Publikumspreis an ein chinesisches Weblog vergeben. Darüber hinaus waren für

den Wettbewerb 8.500 Vorschläge eingereicht worden. Der DW-Wettbewerb ist international etabliert, der Projektleiter gefragt: Soeben hat Gonzalez eine Einladung zur größten Blogger-konferenz re:publica nach Berlin erhalten, zuvor ist er zu Gast in Pamplona, Spanien: Auf einem internationalen Journalistenkongress geht es dort um die Frage, wie sich traditionelle Medien der Herausforderung der Neuen Medien stellen. Eine Thematik, die auch im Rahmen des DEuTScHE

WELLE GLoBAL MEDIA ForuM im Juni 2009 diskutiert wird – dort werden auch Gewinner von The BOBs 2008 dabei sein.

Auch dort, wo subtilere Mauern gegen Infor-mations- und Meinungsfreiheit errichtet werden, bieten Blogs Alternativen. So forderten die USA vor Beginn des Irak-Kriegs 2003 alle Journalisten auf, Bagdad zu verlassen. Auch aus Angst vor un-liebsamen Front-Berichten. Nur wenige harrten in Bagdad aus, unter ihnen Blog-Experte Salam Pax. Er berichtete im Internet aus Bagdad über die Bombardierungen und konnte sich dank eines guten Netzwerks mit vielen irakischen Augen-zeugen austauschen und ausländischen Medien als seriöse Quelle dienen. Bis die Quelle versiegte. Und namhafte Medien besorgt fragten: Wo ist Pax? Seine Eindrücke und Erfahrungen hat der Blog-Experte in einem Buch veröffentlicht und in Dokumentarfilmen über den Irak festgehalten.

Pax ist eingeladen zum DEuTScHE WELLE GLoBAL

MEDIA ForuM in Bonn. Shuguang Zhou und Yoani Sanchez auch. ——

www.thebobs.com

02

01-04 Impressionen�von�der�

Veranstaltung�Ende�November�im�

Museum�für�Kommunikation�in�Berlin:

Moderatorin�Stefanie�Suren,�DW-TV,�

im�Gespräch�mit�dem�kongolesischen�

Blogger�Cédric�Kalonji�Mfunyi

03

02 03

04

Page 14: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

14— titel

Deutschland erschloss sich mir vom Osten her. Ostberlin war grau. Bröckelnder grauer Putz in Friedrichshain und Pankow, graue Betonplatte in Kaulsdorf und Marzahn. Und graue Uniformierte überall, manche mit einem Stich ins Schmutzig-Grüne.

Ostberlin miefte. Graue Trabis ratterten und stanken. Braunkohlegestank und Staub lagen in der Luft. In Westberlin gab es Smog-Alarm. Im Osten hustete man sich eins. In Rüdersdorf bei Berlin stürzte eine Fabrikhalle ein. Das Zement-werk hatte zwar Filter, nachts wurden sie aber abgeschaltet, um die Produktion zu steigern. Der schwere, graue Staub brachte das Hallendach zum Einsturz.

Meine Tochter Julia hat Besuch aus ihrer drit-ten Klasse an der Grundschule. Ein freches Berli-ner Mäuschen, das Jaqueline heißt. Im Fernsehen läuft eine Kindersendung. Jaqueline versteckt ihr Schnäuzchen im Sofakissen und weint. „Das darf ich nicht sehen, sonst gibt’s Haue von Papi.“ Na klar, meine Tochter hatte nicht das DDR-Sand-männchen, sondern die „Sendung mit der Maus“ eingeschaltet.

Bei DEFA-Synchron wurden in grauen Ba-racken praktisch alle Filme synchronisiert, die die große Sowjetunion produzierte. Zwei Drittel kamen in den Bunker. Manche waren sogar für DDR-Verhältnisse zu primitiv, andere wieder-um – viel zu farbenfroh, zu mutig, zu rebellisch. Mitten auf dem Studiogelände gab es noch einen Bunker. Dort lagerten die Kalaschnikows der Betriebskampfgruppe. Ab und zu zwängten die strammen Genossen ihre Bierbäuche in Uniformen und schwitzten im Gleichschritt. „Schlosser-SS“, flüsterte mir Kollege Max den Insider-Begriff für Betriebskampfgruppen ins Ohr. Max, ein Weiberheld und Hallodri. Nach dem Mauerfall kam heraus, dass er Stasi-Zuträger war.

Natürlich war nicht alles grau. Meine Fami-lie kommt aus der Sowjetunion in der DDR an – mit Kind und Kegel, ohne Bleibe, ohne Job, dafür politisch suspekt. Durch Vermittlung von Bekannten werden wir im Bungalow von damals wildfremden Menschen einquartiert. Und dürfen

Und vergesst mir die Mauer nicht!

„Habe noch viel zu erzählen“ Fragen an die 33-jährige Kubanerin Yoani Sanchéz, Siegerin der BoBs 2008 mit ihrem

Blog „Generación Y“.

DEUTSCHLANDBILD

?Was bedeutet der Preis für Sie?

Er bietet mir in gewisser Weise Schutz. Auf Kuba kann ein solcher Preis den unterschied

ausmachen, ob man sich auf der Straße bewegen kann oder hinter Gittern landet. Ich fühle

mich ermutigt, auch durch die vielen tausend Leser, die meine Blog-Beiträge wahrnehmen

und kommentieren.

?In Ihren Alltagsbeschreibungen ist keine Verbitterung, kein Zorn zu spüren – aber

sehr viel Zivilcourage…

Ich gehöre zu einer jungen Generation, die die Technologie beherrscht und sich weder als

opfer noch als Scharfrichter fühlt. Wir sind Teil dessen, was in unserem Land passiert und

dafür auch verantwortlich. unsere Sprache lässt sich nicht in politische Kategorien wie

rechts oder links einordnen. Sie ist ein Aufschrei junger Leute, die ihre Gefühle ausdrücken

und Fragen zur realität stellen möchten.

? Was macht Ihren Blog für die Staatsmacht gefährlich?

Die größte Gefahr geht von der möglichen Ansteckung aus. Dass auch andere ihren eige-

nen Blog erstellen und sagen, was sie denken. Vielleicht schreibe ich mit einer ordentlichen

Portion Skepsis und Ernüchterung, ohne aber jemanden zu attackieren oder zu diffamieren.

? Ihre Hoffnung?

„Generación Y“ ist im Frühjahr 2007 entstanden. Zwischenzeitlich habe ich oft daran

gedacht, damit aufzuhören. Der persönliche Preis ist sehr hoch. Aber auch wenn die kuba-

nischen Behörden den Zugang zum Blog auf Kuba inzwischen gesperrt haben: Ich habe noch

viel zu erzählen.

www.desdecuba.com/generaciony

Page 15: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

dort monatelang bleiben, nur Miete zahlen dür-fen wir nicht. Typisch deutsch? Typisch russisch? Oder ein seltener Glücksfall? Heute sind es unsere besten Freunde.

„Rübergemacht“ haben wir 1985. Und er-lebten den Mauerfall von der Westseite. Für zehn Mark bekam man Hammer und Meißel ausgelie-hen, um ein Stück Mauer abzuknabbern. Gott, machte das Spaß! Ein Chinese an der Ecke spen-dierte vor Freude Frühlingsrollen. „Verstehst Du nicht? Die haben keine Chinesen in der DDR. Mauer weg, ich mache drei, vier, fünf Restaurants auf!“

Und da standen wir mit einem Freund aus der ehemaligen Ostzone am Niederwalddenkmal. Was macht man mit Gästen, wenn man in Köln oder Bonn zu Hause ist: Man fährt mit ihnen die Weinstraße ab. Also standen wir am Niederwald-denkmal, und ich frotzelte: „Was für ein bombas-tischer nationalistischer Kitsch!“ Und biss mir auf die Zunge, der Freund weinte. Er, ein Deutscher, dessen Stammbaum ins Mittelalter reicht, durfte mit 50 Jahren zum ersten Mal den Rhein sehen.

Ich beneide Menschen, die sagen können: Hier ist meine, meinetwegen, kleine Heimat. Dies ist meine Stadt, meine Schule, mein Elternhaus. Das alles fehlt mir. Mein Leben war ein Treck von Osten, von einem Kaff irgendwo in Sibirien, an der chinesischen Grenze, nach Westen. Ist das vereinte Deutschland jetzt westlich genug?

Nun, machen wir uns nichts vor: Wir sind immer noch Provinz. Wir essen zwar Lamm, Kümmelbrot und mancher sogar Auberginen, aber wir stellen immer noch Sicherheit über Freiheit. Wir haben ein kurzes Gedächtnis, sonst wüssten wir aus der eigenen Geschichte, dass es ohne Freiheit keine Sicherheit gibt. Aber wir werden lockerer. Wir lachen mehr, manchmal sogar über uns selbst. Der Deutsche als solcher – und da zähle ich mich dazu – ist nicht mehr so verbissen-rechthaberisch. Wir werden toleranter: Prominent ist, wer mit Dieter Bohlen oder Boris Becker Tee trinkt. Könnte fast sein, dass ich in meiner Wahlheimat angekommen bin. —— Alexander�Warkentin�

Alexander Warkentin wurde� 1950� in� Gorno-Aldaisk� in� der� heutigen� russischen� Region�

Altai�geboren.�Die�Schule�schloss�er�in�Alma-Ata,�heutiges�Kasach-

stan,�ab.�Studierte�Anglistik�und�Journalistik�in�St.�Petersburg�und�

Moskau.� Ab� 1971� Redakteur� bei� der� russlanddeutschen� Zeitung�

„Neues�Leben“�in�Moskau.�1980�dann�die�Ausreise�in�die�DDR.�Bei�

der� DEFA-Synchron� in� Ostberlin� adaptierte� er� Drehbücher� rus-

sischer�Filme�ins�Deutsche.�1985�der�Schritt�in�den�Westen�–�und�

die� Fortsetzung� der� journalistischen� Karriere� als� Redakteur� im�

Russischen�Programm�der�Deutschen�Welle,�wo�er�unter�anderem�

den�„Deutschland-Report“�verantwortet.

01

01 „Wir�werden�lockerer.�Wir�

lachen�mehr,�manchmal�sogar�über�

uns�selbst“:�Public�Viewing�bei�der�WM�

2006�–�für�Alexander�Warkentin�ein�

Meilenstein�im�Wandel�des�Deutsch-

landbildes

Page 16: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

01 Zusammenwachsen�aus�der�

Feder�von�Antonio�Calado�da�Maia�aus�

Portugal:�Die�deutsche�Einigung�in�der�

Karikatur�des�Auslands�–�eine�Wander-

ausstellung�des�Hauses�der�Geschichte�

in�Bonn�

? Herr Lemke, Sie wurden damals nach Ostberlin geschickt, um die Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeiter von RBI in die DW zu integrieren. Was sind Ihre stärksten Erinnerungen? Lemke: Ich erinnere mich vor allem an den Tag, als ich in der Nalepastraße in Berlin-Oberschö-neweide ankam. Dort hatte der Rundfunk der DDR seinen Sitz, in einer alten Kartonagen-fabrik. Das Gebäude war imposant im Äußeren, aber wenig charmant im Inneren – mit riesigen Fluren, winzigen Büros und heruntergekom-mener Einrichtung. Da saßen nun also diese 21 Kollegen von Radio Berlin International, die künftig für die Deutsche Welle arbeiten sollten. In den Büros liefen aber auch noch ganz ziellos viele andere ehemalige RBI-Mitarbeiter herum, die in der sogenannten Warteschleife hingen, die also nicht wussten, wie es für sie beruflich weitergehen würde. Das war eine sehr traurige und angespannte Situation. Anfangs hatte es so ausgesehen, als würde die Deutsche Welle den

„Zum Zusammenwachsen verdammt“Bonn – Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, hatte das auch Folgen für die Deutsche Welle. Mit der Wiedervereinigung sollte die DW den Auslandsrundfunk der DDR, Radio Berlin International (RBI), zumindest teilweise übernehmen. Monika Dittrich moderierte aus Anlass des bevorstehenden 20. Jahrestags ein Studiogespräch mit den Zeitzeugen Frank Lemke und Henrik Böhme.

gesamten DDR-Auslandsrundfunk mit allen 320 Mitarbeitern übernehmen. Zum Schluss war aber nur noch Geld für 21 Planstellen übrig.

? Einer dieser 21 Kollegen, die von der Deutschen Welle übernommen wurden,

ist Henrik Böhme. Er war damals 31 Jahre alt und Redakteur im Deutschen Programm von RBI. Wie haben Sie die Übernahme durch die Deutsche Welle erlebt? Böhme: Das war ein sehr emotionaler Moment. Für mich war es ein großes Glück, als ich erfuhr, dass ich zu den 21 Übernahmekandidaten ge-höre. Wir wussten nicht, nach welchen Kriterien wir ausgewählt worden waren und haben das auch nie erfahren. Zugleich war es für meine langjährigen Kollegen sehr dramatisch, weil für sie mit dem Untergang der DDR auch die berufliche Perspektive wegbrach. Ich habe am Vorabend der Wiedervereinigung, am 2. Ok-tober 1990, die letzte Sendung des Deutschen Programms von RBI moderiert. Ich habe mich

Radio Berlin International (RBI) war� der� Auslandsrundfunk� der� DDR�

mit�Programmen�unter�anderem�auf�

Deutsch,�Englisch,�Spanisch,�Franzö-

sisch�und�Arabisch.�Ziel�des�Senders�

war�es,�den�Hörern�in�aller�Welt�„den�

sozialistischen� deutschen� Staat� nä-

herzubringen“.� Mit� der� Wiederver-

einigung� am� 3.� Oktober� 1990� stell-

te� RBI� seinen� Sendebetrieb� ein.�

Die� Deutsche� Welle� übernahm� Fre-

quenzen�und�Sendeanlagen�sowie�21�

Mitarbeiter�von�RBI.�

01

Page 17: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

titel —17weltzeit 01_2009

im Namen der gesamten Mannschaft von den Hörern verabschiedet und gehofft, dass man sich eines Tages auf einer anderen Frequenz wie-derhört. Und einige Tage später stand dann der Klassenfeind bei uns auf dem Flur, in Gestalt von Frank Lemke. Aber wir haben schnell gemerkt, dass er einer ist, der mit uns etwas aufbauen will.

? Die Belegschaft von RBI hat den Um-gang mit den Kollegen damals als „ent-

würdigend“ bezeichnet. Wie groß war die Enttäuschung, dass von RBI nichts mehr übrig bleiben sollte? Böhme: Natürlich waren das für viele meiner Kollegen entwürdigende Zeiten. Da sind Le-bensleistungen einfach nicht geachtet worden. Auch wenn RBI ein Propagandasender der DDR war, so hatten wir doch versucht, ein möglichst unvoreingenommenes und modernes Programm zu machen. Es waren viele gute und junge Jour-nalisten dabei, die plötzlich vor dem Nichts standen.

? Wie haben denn die Mitarbeiter der Deutschen Welle reagiert, dass sie nun

mit Journalisten aus der ehemaligen DDR zusammenarbeiten sollten? Lemke: Es gab große Skepsis und viele Vorur-teile. Die meisten dachten, das seien alles „rote Socken“, mit denen man nichts anfangen könne. Ich wollte deshalb zeigen, dass die RBI-Kolle-gen große journalistische Fähigkeiten besitzen. Ich habe ihnen gesagt, dass sie der Deutschen Welle beweisen müssen, was sie können. Und das haben wir auch geschafft: Innerhalb von zwei Wochen haben wir den Redaktionen Berichte und Reportagen zugeliefert. Das hat mehr be-wirkt als alle schönen Worte, die ich hätte finden können. Wir haben durch Leistung überzeugt. Mit der Unterstützung des damaligen Inten-danten Dieter Weirich bekamen wir bald eine ei-gene Standleitung von Ostberlin ins Funkhaus in Köln. So konnten wir unsere Beiträge ohne Um-wege überspielen. Und je mehr die ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle zulieferten, desto größer war die Anerkennung ihrer Fähigkeiten.

Böhme: Vorurteile gab es natürlich auf beiden Seiten. Aber wir waren zum Zusammenwach-sen verdammt, wir mussten die Mauern in den Köpfen also schnell einreißen. Die persönlichen Kontakte haben dabei sehr geholfen. Ich erinnere mich noch gut an die erste Reise der ostdeut-schen Kolleginnen und Kollegen ins Funkhaus nach Köln. Anfangs wurden wir komisch an-geschaut, nach dem Motto: Da kommen die aus dem Osten, die Kommunisten. Aber nachdem man sich mit den Kollegen unterhalten und abends mal ein Kölsch miteinander getrunken hatte, waren die Vorbehalte auf beiden Seiten schnell verschwunden.

? Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung gab es einen großen

Erklärungsbedarf über das, was in Deutsch-land passierte. Wie sind Sie dem gerecht geworden? Böhme: Wir haben vor allem die Geschichten der Menschen erzählt, die sich hinter den Nach-richten verbergen. Wir wollten nicht nur be-richten, dass die Treuhandanstalt hier eine Werft privatisiert und dort ein Kalibergwerk schließt, sondern wir sind dorthin gegangen und haben

Frank LemkeJahrgang�1941,�kam�1965�zur�Deutschen�Welle.�

Er�war�unter�anderem�Leiter�des�Amharischen�

Programms� und� Chef� vom� Dienst� in� der� Nah-

Mittel-Ost-Redaktion�von�DW-RADIO.�Bis�zu�sei-

ner�Pensionierung�war�er�für�die�DW-AKADEMIE�

tätig.�Im�Oktober�1990�ging�er�für�die�Deutsche�

Welle�nach�Ostberlin�mit�dem�Auftrag,�21�Mit-

arbeiter�des�DDR-Auslandsrundfunks�in�die�DW�

zu�integrieren.�

Henrik Böhme wurde�1958�in�Leipzig�geboren.�Nach�dem�Jour-

nalistik-Studium�arbeitete�er�als�Redakteur�im�

Deutschen�Programm�von�Radio�Berlin�Interna-

tional.�1990�gehörte�er�zu�den�21�RBI-Kollegen,�

die�von�der�Deutschen�Welle�übernommen�wur-

den.�Heute�ist�er�Redakteur�in�der�Wirtschafts-

redaktion�von�DW-RADIO.�

02 „Wir�haben�vor�allem�die�

Geschichten�der�Menschen�erzählt“:�

(v.l.)�Frank�Lemke,�Henrik�Böhme�und�

Monika�Dittrich

02

Page 18: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

18— titel

mit den Arbeitern gesprochen. Frank Lemke hatte einen Dienstwagen nach Ostberlin mitge-bracht, und damit sind wir über jede Autobahn-fuge in den neuen Bundesländern gebrettert. Die schlechten Straßen waren wir ohnehin gewohnt, und wir haben uns auch dahin getraut, wo Leute entlassen und Fabriken geschlossen wurden. Ge-nauso haben wir über die positiven Beispiele und die gelungenen Privatisierungen berichtet. Wir wollten den Hörern der Deutschen Welle die Sorgen und Hoffnungen der Menschen in den neuen Bundesländern verständlich machen. Bis heute ist das für mich die spannendste journalis-tische Zeit meines Lebens. Lemke: Der besondere Erklärungsbedarf über die fünf neuen Bundesländer wurde auch von politischer Seite anerkannt, weshalb die Deut-sche Welle Sondermittel aus dem Bundesinnen-ministerium bekam. Unsere Aufgabe war es, der Welt zu zeigen, dass hier ein Stück Deutschland dazugekommen ist. Eines, das anders tickt, aber nicht verkehrt tickt. Und die Fähigkeiten der ehemaligen RBI-Mitarbeiter waren dann natür-

lich gefragt, denn sie waren die Experten für die DDR, sie kannten sich aus und konnten sich in die Lebenswelt der Menschen in den neuen Bun-desländern hineinversetzen.

? Wenn Sie heute über die Deutsche Welle hinausblicken: Wie steht es 20 Jahre nach

dem Mauerfall um die Deutsche Einheit? Lemke: Die Wahrnehmung der Verhältnisse ist in Ost und West noch immer sehr unterschied-lich. Wenn ich heute in die neuen Bundesländer reise, dann erlebe ich dort noch sehr viel Unzu-friedenheit. Viele Menschen machen den Westen und die Wiedervereinigung für alles verantwort-lich, was in Ostdeutschland nicht gut läuft. Und im Westen glauben viele, die Ostdeutschen seien selbst schuld, wenn es dort nicht aufwärts gehe. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich das ändert.

Böhme: Ich denke, das ist ein Generations-problem. Die jüngeren Menschen in Deutsch-land empfinden diesen Keil zwischen Ost und West nicht mehr. Es gibt natürlich noch immer viele Enttäuschte, die sich mehr erhofft hatten, auch von den Versprechungen, die damals ge-macht wurden. Aber wenn man genau hinschaut in den neuen Bundesländern, dann sieht man so viele junge, dynamische und aufstrebende Menschen, die in den alten Bundesländern so manchem etwas vormachen würden. Es gibt auf beiden Seiten großes Potenzial, um voneinan-der zu lernen. Hier bei der Deutschen Welle hat die Integration wirklich funktioniert. Ich spüre heute keinen Unterschied mehr zwischen Mit-arbeitern aus Ost- und Westdeutschland. Und wenn wir davon ein kleines Stück an unsere Hörer, User und Zuschauer vermitteln können, dann ist das wahrscheinlich mehr, als wir vor 20 Jahren erwarten konnten. ——

01 Blick�zurück:�Das�Logo�des�

Themenjahres�in�Berlin�und�zwei�DDR-

Grenzsoldaten.

01

Page 19: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

profil —19 weltzeit 01_2009

Reportagen unterm Bananenbaum Bonn – Sechs ARD-Reporter waren 2008 unter Federführung der DW in Afrika unterwegs. Ihr Auf-trag: Geschichten erzählen – jenseits von Krisen, Krieg und Katastrophen. Die Themenpalette reichte von jungen Marathonläufern im äthiopischen Hochland über Geschäftsideen in Angola bis hin zu Er-folgsgeschichten aus dem südlichen Afrika. „Wir hätten noch wochenlang bleiben können, immer wie-der sind wir auf neue interessante Geschichten gestoßen“, berichtete Helmut Rehmsen vom WDR, der in Namibia, Botswana und Lesotho war. Beim Abschlusstreffen in Bonn resümierte DW-Chefredakteur Miodrag Soric: „Wir haben unser Ziel, neue Afrika-Themen in der ARD zu positionieren, erreicht.“

Hilfsaktion für Lauf-Talente in Äthiopien München – Junge Langstreckenläufer in Äthiopien müssen künftig nicht mehr barfuß im steinigen Hochland trainieren, sondern können moderne Laufschuhe aus Deutschland nutzen. Eine gemein-same Aktion der DW mit der Philipp-Lahm-Stiftung und der Hamburger Gesellschaft zur Förde-rung der Demokratie und des Völkerrechts macht’s möglich. DW-Reporter und Äthiopien-Experte Alexander Göbel sowie Chefredakteur Miodrag Soric stellten in München das Projekt „Schuhe für Bokoji“ vor, ohne den verletzten Nationalspieler Lahm (hier im DW-TV-Interview). Göbel wird die Verteilung der 500 Paar Laufschuhe in Bokoji, der „Wiege der Läufer“, begleiten.

Meinungs- und Medienfreiheit – ein Menschenrecht Paris – 60 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte haben die Chefs von BBC World Ser-vice, DW, Radio France Internationale, Radio Netherlands und Voice of America die Achtung der Meinungs- und Medienfreiheit angemahnt. Noch immer stünden Regierungen in Verdacht, in die Verfolgung, Verhaftung und sogar Tötung von Journalisten verwickelt zu sein. Auch aktuell wür-den Programme und Internetpräsenzen vorsätzlich durch „Jamming“ gestört. Im Sinne der UN-Deklaration sei es Aufgabe ihrer Sender, so die Runde der „Big Five“ bei ihrem Treffen in Paris, weiterhin auf höchste journalistische Standards zu setzen.

„Mehr schlecht als menschenrecht“ Bonn – Am Montag, 19. Januar 2009, diskutiert ab 17.30 Uhr eine Expertenrunde im Funkhaus der Deutschen Welle in Bonn im Rahmen der „Bonner Plattform Internationale Zusammenar-beit“. Über die Rolle der Medien als Mittler von Menschenrechten am Beispiel Afrika sprechen unter anderem die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Herta Däubler-Gmelin, und die Generalsekretärin von amnesty international, Barbara Lochbihler. Mit dabei sind auch Itai Mushekwe, Journalist aus Simbabwe, und Ute Schaeffer, Deutsche Welle. Die Veranstaltung von DW und KfW wird moderiert von Monika Hoegen, Freie Journalistin.

Krise als Chance für die Demokratie Bonn/Moskau – Er gilt als einer der Hoffnungsträger der demokratischen Opposition „Solidarnost“ in Russland: Ilja Jaschin, 25, besuchte das Russische Programm der DW. Wenige Tage, nachdem die Polizei in Moskau gegen demonstrierende Regierungsgegner vorgegangen war, verwies Jaschin bei seinem Besuch „auf wachsende innenpolitische und gesellschaftliche Spannungen, die das Interesse an einer liberalen und demokratischen Alternative zum Regierungskurs in der Bevölkerung erhö-hen“. Angesichts der eingeschränkten Medienfreiheit schätzten Oppositionskreise die Berichterstat-tung von Auslandssendern umso mehr. Jaschin: „Sie sind Garant für zuverlässige Informationen.“

spot —19weltzeit 01_2009

Page 20: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Die Erschütterung an den Finanzmärkten und die Folgen für die Weltwirtschaft sorgen in der Wirtschaftsredaktion von DW-TV „seit Monaten für den Ausnahmezustand“, so Redak-tionsleiterin Manuela Kasper-Claridge. Sonder-schichten gehören ebenso zur Tagesordnung wie zusätzliche Live-Reportagen von den wichtigs-ten Schauplätzen. Ob Existenzsorgen bei Opel, Auftragseinbrüche bei BASF oder Alarmsignale in Frankfurts Bankenszene: Die globale Krise hat dem Exportweltmeister arg zugesetzt. „Ein Ende ist überhaupt nicht abzusehen“, ist Karl Zawadzky, Leiter der Wirtschaftsredaktion von DW-RADIO und DW-WORLD.DE in Bonn, überzeugt. Auch wenn die Talfahrt nicht alle Bereiche erfasst: Die Entwicklung erfordert Kompetenz und Qualität in der Berichterstat-tung, der Erklärungsbedarf wächst. Da sind sich Zawadzky und Kasper-Claridge einig.

Und beide betonen vor allem eines: Sorgfäl-tiges Abwägen und Bewerten von Nachrichten, die oft im Sekundentakt auf dem Bildschirm erscheinen, stellen gerade in diesen turbulenten Wochen eine journalistische Herausforderung dar.

Zu wenig Platz für Wirtschaftsthemen?Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Wirt-schaftsjournalisten weist auf tiefgreifende Probleme hin. So kritisierten 86 Prozent der Befragten, dass Programm-Verantwortliche dem TV-Wirtschaftsjournalismus zu wenig Platz ein-räumen „und Wirtschaftsthemen nur noch auf Verbraucheraspekte reduziert werden“, schildert Christian Knull, Geschäftsführer des Ernst-Schneider-Preis der deutschen Industrie- und Handelskammer e.V., der die Umfrage in Auf-trag gab. Gut ein Drittel, so ein weiteres Ergeb-nis, hält die Qualität nur für „mittelmäßig“.

Ernüchternde Ergebnisse, doch die Wirt-schafts-Chefin bei DW-TV sieht einen wich-tigen Vorteil im Programmauftrag des eigenen

Senders. „Für unsere Zuschauer in aller Welt sind verbrauchernahe Wirtschaftsthemen nicht sinnvoll. Den Brasilianer oder die Frau in Hong-kong interessiert nicht, welche Autoversicherung in Deutschland am günstigsten ist.“ Von der Deutschen Welle erwarte man Analysen und Einschätzungen aus der Mitte Europas – mit Blick auch auf regionale Märkte, ob in Asien, Afrika oder Amerika.

Qualität und Glaubwürdigkeit „Für uns haben Qualität und Glaubwürdigkeit absolute Priorität“, betonen die Redaktions-leiter. Und verweisen darauf, dass Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft und stärkste Wirtschaftsnation Europas international eine enorme Bedeutung zukomme. „Das Interesse an Wirtschaftsthemen aus und über Deutsch-land ist entsprechend groß. Deshalb hat das deutsche Auslandsfernsehen auch deutlich mehr Wirtschaftsthemen im Programm als nationale Sender“, erläutert Kasper-Claridge. Für die Be-richterstattung sind die ausgezeichneten Kontakte zu Unternehmenslenkern, Chefvolkswirten, Mittelständlern und führenden Wirtschaftsinsti-tuten im In- und Ausland von großer Bedeutung. Das trägt besonders in Krisenzeiten Früchte, weil für die Analyse kompetente Gesprächspartner aus allen Branchen zur Verfügung stehen.

Während in vielen Redaktionsstuben also geklagt wird, zeigt sich Kasper-Claridge selbst-bewusst: „Wir sind gut aufgestellt.“

Vielsprachige Umsetzung Vertrauen ist auch für Karl Zawadzky ein Pfund. Seit fast 40 Jahren beobachtet der Wirt-schaftsjournalist die Märkte und Mächtigen, die Verlierer ebenso wie die Stillen, die auch in Krisenzeiten, etwa im Mittelstand, ordentliche Erträge einfahren und von Arbeitsplatzabbau nichts wissen wollen. Sein Bonner Team steht in

20— profil

Kursgewinne für die WirtschaftBonn/Berlin − Die Stimmung an den Finanzmärkten und in der Wirtschaft ist ge-dämpfter denn je. Beiträge aus den Wirtschaftsredaktionen hingegen stehen hoch im Kurs. Bei der Deutschen Welle geht es dabei vor allem um Hintergründe. Steffen Heinze besuchte die DW-Redaktionen in Bonn und Berlin.

01 „Wirtschaftsthemen�müssen�

für�Nutzer�in�Peking�oder�Sofia�speziell�

aufbereitet,�detaillierter�erläutert�und�

eingeordnet�werden“:�Karl�Zawadzky,�

Leiter�der�Wirtschaftsredaktion�von�

DW-RADIO�und�DW-WORLD.DE�

01

Page 21: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

diesen Wochen vor allem den Fremdsprachen-redaktionen Rede und Antwort, wenn es um Analysen und Hintergründe geht. Zawadzky: „Ob Chinesisches Programm oder Südosteuropa-Redaktionen: Wirtschaftsthemen sind oft kom-plex und müssen für Nutzer in Peking oder Sofia speziell aufbereitet, detaillierter erläutert und eingeordnet werden.“ Das gilt beim deutschen Auslandssender über Ländergrenzen und Konti-nente hinweg.

Krisenfeste Pläne Und die Pläne für 2009? Fest gebucht hat Kas-per-Claridge die Fortsetzung ihrer Doku-Soaps zu Schwerpunktthemen. Geplant unter anderem: eine Reihe über deutsche Unternehmen, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind, und Repor-tagen zu Strategien aus der Krise. Gezeigt wer-den Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch in der Krise in Forschung und Entwicklung und die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter inves-tieren und damit nachhaltig wirtschaften.

Das im April neu gestartete Magazin Global 3000 bietet zusätzlich die Möglichkeit für unge-wohnte Perspektiven: Arbeiter in Lesotho, die

ihren Job verlieren, weil ihre südkoreanischen Chefs die Textilien wegen der Finanzkrise nicht mehr in den USA verkaufen können, sind nur ein Beispiel. Ambitionierte Projekte, die parallel für die Seiten von DW-WORLD.DE aufbereitet werden.

Im Wettbewerb der internationalen Sender, so die Überzeugung in Bonn und Berlin, müssen die Wirtschaftsexperten der Deutschen Welle keinen Vergleich scheuen. „Wir sind gewapp-net, und vor Überraschungen sicher.“ Die seien „nicht ausgeschlossen“, so Karl Zawadzky, „auch wenn die Börsen-Party und Gier mancher Fi-nanzjongleure ein vorläufiges Ende haben mag“.

Er selbst setzt übrigens auf „sichere Werte“, ein erneuter Börsencrash ließe ihn kalt. „Bei drei Kindern kommt man erst gar nicht in die Versuchung, auf rekordverdächtige Renditen zu spekulieren.“ Seine Kollegin in Berlin ist seit vielen Jahren Sparkassenkundin und besitzt keine Aktien. „Ein unabhängiges Urteil ist wichtig für mich“, sagt Kasper-Claridge. ——

www.dw-world.de/madeingermany

www.dw-world.de/wirtschaft

03 „Den�Brasilianer�oder�die�Frau�

in�Hongkong�interessiert�nicht,�welche�

Autoversicherung�in�Deutschland�am�

günstigsten�ist“:�Manuela�Kasper-Cla-

ridge,�Leiterin�der�Wirtschaftsredaktion�

von�DW-TV�in�Berlin

02 Die�Börse�bei�den�Hörnern�ge-

packt:�Conrad�Pohl,�für�DW-TV�in�Frank-

furt,�lässt�sich�auch�in�Krisenzeiten�

nicht�die�Laune�verderben

02

03

Auszeichnung für „Geheimsache F 700“ Der� DW-TV-Beitrag� „Geheimsache�

F� 700“� von� Ute� Schneider� aus� der�

Wirtschaftsredaktion�wurde�mit�dem�

Ernst-Schneider-Preis� 2008� ausge-

zeichnet.� Die� Fernsehdokumentati-

on� zeigt,� wie� Designer,� Modellbauer�

und�Konstrukteure�parallel�an�einem�

Forschungswagen�arbeiten,�der�neue�

Techniken� einsetzt.� Der� Beitrag�

mache� „die� Faszination� für� Technik�

erlebbar“,� so� die� Jury� des� renom-

mierten� und� höchstdotierten� Jour-

nalistenpreises� der� deutschen� Wirt-

schaft.� Ausgezeichnet� wurde� in� der�

Kategorie�„Technik“�zudem�der�Hör-

funkbeitrag� „Tonfänger.� Das� Mikro-

fon�–�eine�deutsche�Geschichte“,�den�

Tom�Schimmeck�für�den�MDR�produ-

ziert�hat.�

2005� war� die� Wirtschaftredaktion�

von� DW-RADIO� für� ihre� Serie� „Die�

heimlichen� Weltmeister“� mit� dem�

Ernst-Schneider-Preis� ausgezeich-

net� worden.� In� der� Reihe� wurden�

deutsche� Mittelstandsbetriebe� vor-

gestellt.�

Page 22: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Peking – Ein eLearning-Projekt in China setzt alles auf die Karte IPTV. Das ersetzt zwar nicht den Hörsaal, aber bietet Schülern, Studenten und Lehrpersonal einen breiten Fundus an Wissenssendungen. Philipp Schäfer über Bildung von morgen.

2000 Sendestunden – das Video-on-demand-Archiv von „Wuhan Yuanlai Educational“ ist durchaus vorzeigbar. Und wächst täglich. Die Macher der chinesischen Plattform basteln fleißig an einem umfassenden Pool an Inhalten, um im ganzen Land ein Bildungsnetzwerk aufzubau-en. Schulen und Universitäten können gegen Entgelt ein Abonnement auf vorkonfektionierte Themenpakete aller Art buchen – Schüler und

Studenten sind dann in der Lage, kostenlos per Passwort und DSL-Zugang das komplette Video-Archiv über Internet Protocol Television (IPTV) zu nutzen.

Der spezielle Player unter www.yuanlaiedu.cn bietet je nach Thema, Suchbegriff oder Bil-dungsniveau Zugriff auf das Angebot. Zum verfügbaren Material gehören seit wenigen Mo-naten auch das komplette Programm an Video-on-demand-Formaten von DW-TRANSTEL

sowie ausgewählte Sendungen und Magazine von DW-TV. „Wir glauben, dass ein guter Mix aus konstanten Lehrinhalten und eher aktuellen Beiträgen die Allgemeinbildung am besten för-dert“, sagt Ji Zhang, die Leiterin des Portals, das zum Teil mit Staatsmitteln gefördert wird. Schü-ler und Studenten haben so überall Zugriff auf ansprechend aufbereitete Lerninhalte, Lehrern und Professoren bietet es eine Vielzahl an Mög-

lichkeiten, den Unterricht zu ge-stalten. Den Physik-Studenten in der Examensvorbereitung wird das wohl nicht mehr mitreißen, wohl aber Lernende, die an ge-bündeltem Grundlagenwissen interessiert sind.

Das Angebot von Wuhan Yuanlai Educational stellt dabei nur eine Facette des modernen eLearnings dar: die des me-diengestützten Lernens. Bei den meisten Systemen geht es

entweder um die Lernorganisation, um das Hochladen bzw. Verfolgen von Vorlesungen in verschiedenen Formaten oder um eine Art Lerngemeinschaft rund um Campus oder Schu-le. „Eine Anwendung, die alle diese Facetten bietet, hat sicherlich Zukunft“, erklärt André Moeller, zuständig für die Deutschkurse auf DW-WORLD.DE. Allerdings, das weiß auch Moeller, „ersetzen solche eLearning-Angebote nie den persönlichen Kontakt zum Lehrpersonal.

22— neue medien

01-02 Wissen�per�IPTV:�das�

eLearning-Projekt�von�„Wuhan�Yuanlai�

Educational“�in�China

Und Fernsehen macht doch schlau!

02

Page 23: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

01

schlaglichter —2�

Der�Dreh-�und�Angelpunkt�im�

Internet�ist�für�die�meisten�Nutzer�

die�Suchmaschine�Google.�Experten�

zufolge�könnte�die�Aufmerksamkeit�

in�den�nächsten�Jahren�jedoch�weg�

von�der�rein�Text-basierten�Suche�hin�

zur�Videosuche�wandern.�Bereits�jetzt�

werde�die�Suchfunktion�von�Youtube�

häufiger�genutzt�als�die�Yahoo-Suche�

–�womit�Youtube�die�Nummer�zwei�der�

weltweiten�Suchmaschinen�wäre.�Vor�

allem�junge�Internetnutzer�starten�ihre�

Recherche�gern�auf�der�Videoseite.�

Angesichts�einer�Generation,�die�sich�

bereits�im�Kindergartenalter�an�Video�

im�Web�gewöhnt,�prognostiziert�etwa�

Alex�Iskold�vom�Readwriteweb-Weblog�

ein�drastisches�Ansteigen�von�Bewegt-

bild-Angeboten:�„Alles,�was�Video�sein�

kann,�wird�Video�sein.“

59 Jahre Haft für Blogger in Burma Laut�Reporter�ohne�Grenzen�(RoG)�

verhängte�ein�Sondergerichtshof�in�der�

Nähe�der�Stadt�Rangun�im�Süden�des�

Landes�gegen�den�Blogger�Zarganar�

eine�59-jährige�Gefängnisstrafe.�Erst�

im�November�war�der�Blogger�Nay�

Phone�Latt�zu�20�Jahren�Haft�verurteilt�

worden.�Mit�den�Prozessen�wolle�die�

Militärregierung�offenbar�jede�Protest-

regung�vor�der�für�2010�vorgesehenen�

Wahl�unterdrücken,�kritisiert�RoG.�

Online-Bibliothek „Europeana“ gestartet Die�Europäische�Kommission�hat�die�

Online-Bibiliothek�„Europeana“�ge-

startet,�die�das�kulturelle�Erbe�Europas�

zugänglich�machen�soll.�Internetnutzer�

haben�Zugriff�auf�zwei�Millionen�Bücher,�

Landkarten,�Fotografien,�Archivdo-

kumente,�Gemälde�und�Filme�aus�

Nationalbibliotheken�und�Kulturinstitu-

ten�der�27�EU-Mitgliedstaaten.�Mehr�als�

1000�Archive,�Museen�und�Bibliotheken�

haben�bereits�digitalisiertes�Material�

zur�Verfügung�gestellt.�

DW als Superprovider im iTunes Store Mit�über�200�Podcasts�im�Angebot�ge-

hört�die�Deutsche�Welle�seit�Ende�2008�

zu�den�sogenannten�Superprovidern�im�

iTunes�Store.�Die�Firma�Apple�betreibt�

diese�Vertriebsplattform�für�digitale�

Medien�im�Netz,�zugleich�ist�der�iTunes�

Store�das�größte�und�wichtigste�Pod-

casting-Portal�weltweit.�Superprovider�

sind�hier�neben�der�Deutschen�Welle�

nur�die�BBC�und�das�US-amerikanische�

NPR-Netzwerk.�Auf�diesem�Weg�wird�

das�vielseitige�Podcast-Angebot�der�

Deutschen�Welle�auf�diversen�Seiten�

der�länderspezifischen�iTunes�Stores�

beworben.�

BBC & DW gemeinsam über DRM Deutsche�Welle�und�BBC�haben�am�

10.�Dezember�2008�einen�DRM-Kanal�

(Digital�Radio�Mondiale)�für�Europa�ge-

startet:�„BBC�&�DW“�sendet�täglich�18�

Stunden�und�präsentiert�Highlights�aus�

den�englischsprachigen�Programmen�

der�beiden�Sender.�Der�Programm-Mix:�

Nachrichten�aus�aller�Welt,�Magazine,�

Hintergrundanalysen�und�Dokumenta-

tionen�–�aus�Politik,�Wirtschaft,�Kultur�

und�Sport.�Die�Hörer�profitieren�von�

allen�Vorteilen�des�DRM-Digitalradios:�

Empfang�in�nahezu�UKW-Qualität,�

parallele�Text-Nachrichten,�Electronic�

Programme�Guide�(EPG),�automatisches�

Einstellen�der�verfügbaren�Frequenzen.

www.drm.org

��

Studie sieht Internet im Jahr 2018 vor Print In�zehn�Jahren�werden�Web-Angebote�

mindestens�ebenso�viele�Werbeeinnah-

men�generieren�wie�die�Print-Branche.�

Zu�diesem�Ergebnis�kommt�eine�Studie�

von�Forschern�der�Fachhochschule�

Mainz.�Außerdem�werden�die�Tageszei-

tungen�bis�2018�fast�ein�Drittel�ihrer�

Leser�an�das�Internet�verloren�haben,�

so�die�Wissenschaftler.

Alles Video – oder was? Sie ermöglichen abwechs-lungsreiches Lernen abseits der sogenannten Präsenzphase und erleichtern manchem Lehrer die Recherche und Unter-richtsvorbereitung.“

Vorbei die Zeiten, als der Gemeinschaftskundelehrer zur „Medienstunde“ den Fernseh- und Videowagen hereinrollen musste. Doch nicht nur der Medieneinsatz im Unterricht, auch das ortsunabhängige Ler-nen spielt dabei eine Rolle: Was einst auch den Beginn der Fernuniversität markierte, ist bei Wuhan Yuanlai Educatio-nal die Fortsetzung der Bil-dung mit anderen Mitteln, in diesem Falle IPTV: mehr Ma-terial, vielseitiger und überall verfügbar. „Das Internet spielt eine herausragende Rolle zur Informationsbeschaffung für junge Chinesen“ – mit die-ser nicht unbedingt überra-schenden Einschätzung glaubt Ji Zhang, mit der Plattform einen sinnvollen Beitrag zur Vernetzung der Bildungsein-richtungen zu leisten.

Bei aller Kulturkritik: Fern-sehen macht doch schlau. Ler-nen muss am Ende aber immer noch jeder für sich. ——

Page 24: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

24— vor ort

Und das Eis schmilzt dahin Barrow – Die Arktis erwärmt sich schneller als jede andere Region der Erde. Die einen

verbinden damit die Hoffnung auf leichteren Zugang zu Öl- und Gasreserven. Hier lebende

indigene Bevölkerungsgruppen sind indes über die Auswirkungen der Erwärmung auf ihren

traditionellen Lebenswandel besorgt. Irene Quaile besuchte die Inupiat in Barrow, der nörd-

lichsten Siedlung der USA, im arktischen Teil von Alaska.

Ein kalter, grauer arktischer Frühlingsa-bend in Barrow – oder Utpeavig, wie es die Einheimischen nennen: „Der Ort, wo man Schneeeulen jagt“. Vor einem Haus steht eine ältere Frau neben den blutroten Überresten eines Wals auf grau-weißem Schnee. „Die Jagd ist extrem gefährlich geworden“, erzählt Jeannie Dipidoe, eine Inupiat. „Das ganze Eis schmilzt. Es ist nicht mehr so stabil wie früher. Das Eis ist ständig in Bewegung, man hört es krachen – wie Donner. Manchmal haben wir es beinahe nicht mehr nach Hause geschafft.“

Walfang ist lebenswichtigNeben Jeannie steht eine Gruppe von jun-gen Europäern, eingemummt in Parkas und Schneestiefeln. Die Klimabotschafter des Climate Change College, eines gemeinsamen Projekts von WWF und dem Milcheisher-steller Ben&Jerry’s, sind für zwei Wochen in Alaska, um zu sehen, wie sich der Klimawan-del auf die Region auswirkt – und was das für die Inupiat bedeutet. Gebannt lauschen sie der Jägerin. Die Waljagd hier, das lernen sie schnell, ist für diese Menschen lebenswichtig

und hat mit der kommerziellen Walfangpra-xis in anderen Erdteilen nichts gemein. Die Inupiat sprechen von Respekt für ihre Beute und von Nachhaltigkeit. Wal und Karibu, ein nordamerikanisches Ren, sind die wichtigsten Eiweißquellen für die Einwohner. Barrow ist ein Ort der Kontraste. Es ist die „Hauptstadt“

der North Slope Region, als Zentrum der Öl-förderung bekannt und – eins der wichtigen Themen im jüngsten US-Wahlkampf – Hei-mat eines bedeutenden Naturschutzgebiets, des Arctic Wildlife Refuge. Die meisten Ein-wohner sind Inupiat. Ihre Vorfahren waren schon vor tausend Jahren hier zu Hause. Es

01 Provokation�als�Klimabot-

schaft:�Cara�aus�Irland�vom�Climate�

Change�College�mimt�Sommerlaune�

unter�Eisschollen

02

Page 25: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

vor ort —25weltzeit 01_2009

führt keine Straße nach Barrow. Der Flug-hafen verbindet den Ort mit dem Rest des Landes. Und ohne klimaschädigenden Diesel wären die Inupiat hier abgeschnitten. Kajan, ein junger Inupiat, hat sein Schneemobil ge-parkt und diskutiert mit Cara, der Klimabot-schafterin aus Irland: „Erneuerbare Energien“, sagt er, „ja, super. Gib mir ein solarbetriebenes Schneemobil – ich nutze es gern“. Beide la-chen. Auch Kajan berichtet von den Klimaver-änderungen. Es friert wesentlich später im Jahr, und das Tauwetter setzt früher ein. Das erschwert die Jagd. Kajan erzählt vom Eisan-geln und von der Jagd auf Karibu. Man fängt nur so viel, wie die Familie für den Winter braucht. Und alles wird geteilt. „Es wäre schön, wenn alle so wären“, sagt Cara.

Wissenschaftler haben es schwerDie Klimabotschafter wurden in sieben euro-päischen Ländern ausgewählt. Voraussetzung zur Teilnahme am Climate Change College ist ein aktives Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz. Caras Spezialität sind Hausrenovierung und -isolierung. Aart aus den Niederlanden hilft Firmen, ihren CO

2-

Ausstoß zu reduzieren. Die anderen Klima-

botschafter setzen sich in ihren Projekten für Wassersparen, nachhaltige Biotreibstoffe oder Kompostierung ein. Natürlich interessiert sie auch die Arbeit der Wissenschaftler in Bar-rows renommiertem Arktis-Forschungszent-rum. Hier kommen das Wissen der Inupiat und moderne Wissenschaft zusammen. Am nächsten Tag begleiten wir einen deutsch-stämmigen Wissenschaftler, Dr. Chris Pe-trich, bei einem Ausflug mit Schneemobil

und Schlitten aufs See-Eis. Es ist kalt, der Wind bläst kräftig, die Sicht ist teilweise sehr schlecht - typische Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler hier in der Arktis. Die jungen Europäer helfen, die Eisdicke zu messen. Die Ergebnisse solcher Messungen helfen bei der Erstellung von Modellen für das Weltklima.

Erosion fördert Knochenfunde zutageAber der Klimawandel hat nicht nur für die Zukunft Konsequenzen. Die Veränderungen im Meereis führen jetzt schon zu einer ver-stärkten Erosion der Küste in dieser Gegend. Und diese wiederum fördert jahrhundertealte Knochenfunde zutage, denn hier liegen die Vorfahren der Inupiat begraben. Archäologin Anne Jensen nimmt uns zu ihrer Ausgrabungs-stelle mit. Unerwarteter Schneefall bedeckt die Grabungen. Die schnelle Erwärmung macht ihre Arbeit zum Wettlauf mit der Zeit. Sie versucht, mit ihrem Team aus Freiwilligen – auch Schülern – die menschlichen Überreste zu bergen, bevor sie ins Meer gewaschen wer-den. Aart, mit 22 der jüngste Klimabotschafter, fasst das Ganze so zusammen: „Diese Reise hat mir gezeigt, dass alles zusammenhängt. Es geht nicht nur darum, dass ein bisschen Eis schmilzt. Das hat eine weit größere Be-deutung, als wir uns jemals hätten vorstellen können.“ ——

Internationale Koproduktion �„Climate�Change�College�in�Alaska:�Meeting�the�Inupiat“�und�

weitere� Features� sind� Teil� einer� internationalen� Kooperation�

im�Rahmen�des�Internationalen�Polarjahrs.�Die�Deutsche�Welle�

und�Sender�aus�Großbritannien,�den�USA,�Australien�und�Neu-

seeland� erhielten� dafür� externe� Projektgelder.� Irene� Quaile,�

Leiterin� der� Feature-Redaktion� im� Englischen� Programm� von�

DW-RADIO� (Foto),� wurde� für� „Meeting� the� Inupiat“� beim� in-

ternationalen� Wettbewerb� Turquoise� 2008� im� Spätherbst� in�

Antalya� mit� dem� 2.� Preis� ausgezeichnet.� Der� Wettbewerb�

wurde�vom�türkischen�Sender�TRT,�der�European�und�der�Asia-

Pacific�Broadcasting�Union�(EBU�und�ABU)�veranstaltet.�

www.dw-world.de/livingplanet�

blogs.dw-world.de/ice-blog

Page 26: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

?�Was hat Ihnen in der afghanischen Me-dienlandschaft gefehlt, das Sie dazu be-

wogen hat, einen Fernsehsender zu gründen? In Afghanistan gibt es sehr viele Analphabeten, besonders unter den Frauen. Fernsehen ist ein guter Weg, um diese Menschen zu informieren. Insbesondere wollten wir einen Beitrag leisten zur Bildung von Frauen aus unterschiedlichen Alters- und Gesellschaftsgruppen. Entertainment spielt auch eine Rolle. Es gibt in Afghanistan nur sehr wenige Unterhaltungsangebote.

?�Wie würden Sie das Medienkonsumver-halten der afghanischen Bevölkerung

beschreiben? In Afghanistan leben rund 30 Millionen Men-schen. Davon sind weit über 60 Prozent Jugend-liche. Das Analphabetentum ist, wie gesagt, hoch. Daher spielt Radio eine große Rolle zur Informationsvermittlung: Es ist zudem klein, transportabel und man kann es überall hören. Momentan gibt es in Afghanistan schätzungswei-se 100 Radiosender, die über UKW ausstrahlen und 14 Fernsehsender: in Kabul, in Masar-i-Sha-rif und in Herat. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Fernsehkanäle eingerichtet werden.

?�Haben die Medien an Bedeutung gewonnen?

Es gibt heute außerdem über 100 Zeitungen und Zeitschriften im Land – in dieser Größen-ordnung ein Novum in der afghanischen Presse-geschichte. Aber gleichzeitig ist der Einfluss der politischen Parteien in allen Medien zu groß, sie nutzen Sendungen oder Presse nach ihrem Gutdünken. So werden unsere Gesetze oft nicht eingehalten. Außerdem hat sich die journalisti-sche Ethik noch nicht ausreichend entwickelt. Deshalb meine ich, dass diese relativ große An-zahl von Medien in Afghanistan einer gesunden Entwicklung im Land eher schadet.

?�Wie ist das Feedback auf DW-Inhalte? Sehr gut, sie haben ein breites Echo gefunden.

Im Fernsehen sind die informativen und leicht verständlichen Sendungen der Deutschen Welle auf Dari und Paschtu sehr beliebt, zum Beispiel aus Physik und Biologie, auch Sendungen über die Tierwelt. Auch das Aufbaumagazin im Hör-funk: Durch einen Beitrag über die Errichtung eines Projekts im Norden des Landes erfahren so auch die Menschen im Süden davon. Beson-ders Berichte über humanitäre Projekte, wie den Wiederaufbau von Kliniken, sind sehr beliebt, weil sie bei den Menschen Hoffnung wecken.

26— partner

„Afghanistan braucht wieder Hoffnung“ Bonn/Kabul – Die Deutsche Welle hat ihre Aktivitäten für Afghanistan in den vergan-genen Jahren intensiviert und zusätzliche Partner gewonnen. So übernimmt der private Fernseh- und Radiosender ARIANA, dessen Programme in nahezu allen Provinzen des Landes zu empfangen sind, DW-Angebote. Sender-Chef Ehsanullah Aryanzai nahm im November an einem Management-Kurs der DW-AKADEMIE teil. Nina Haase sprach mit Aryanzai in Bonn.

02

01-03 „Wir versuchen mit aller

Kraft, die Saat der Hoffnung in den

Menschen wieder zu wecken. Das ist

momentan das Leitbild der Presse in

Afghanistan“: 60 Prozent der Bevölke-

rung sind unter 20 Jahre alt

01

Page 27: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

?�Auch Kurse der DW-AKADEMIE sind Teil der Zusammenarbeit mit Ihrem

Sender. Wie sind hier Ihre Erfahrungen? Deutschland genießt hohes Ansehen bei sehr vielen Afghanen. Wir können uns an viele deut-sche Entwicklungsprojekte in den vergangenen Jahrzehnten erinnern. Auch die Angebote der Deutschen Welle in diesem Bereich verstehen wir als Entwicklungshilfe, die der afghanischen Bevölkerung zugute kommt. Es gibt sehr we-nige Medienfachkräfte in Afghanistan. Deshalb waren die beiden Kurse der DW-AKADEMIE für ARIANA-Mitarbeiter sehr hilfreich. Auch das zwölfköpfige Journalistenteam, das zurzeit in Deutschland ist, nimmt an DW-Seminaren im Managementbereich teil. Unsere Fakultäten sind noch nicht in der Lage, Absolventen mit dem entsprechenden Niveau auszubilden. Deshalb sind wir noch mindestens zehn Jahre auf diese Hilfe angewiesen.

?�Man braucht Mut, über Aufbauarbeit zu berichten, während die Konkurrenz über

die angespannte politische Lage spricht. Die meisten Medien sind in der Tat angesichts der katastrophalen Sicherheitslage in Afghanistan ausschließlich mit Politik beschäftigt. Besonders in den vergangenen zwei, drei Jahren haben die Menschen in Afghanistan ihre Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und auf eine gesunde Entwicklung verloren. Die Hoffnung wird leider von der Politik zerstört. Wir versuchen nun mit aller Kraft, die Saat der Hoffnung in den Men-schen wieder zu wecken. Das ist momentan das Leitbild der Presse in Afghanistan. Wir machen

eine Arbeit, die die Politik nicht imstande ist auszuführen.

?�Leben Sie gefährlich? Medienmacher in Afghanistan haben keine

Angst vor dem Staat, der mischt sich auch wenig ein. Aber sie fürchten sich vor verbrecherischen Mafiagruppen, wie der Drogen- oder der Waf-fenmafia. Diese Gruppen sind wirklich gefähr-lich. Das gleiche gilt für die Feinde des Staates.

?�Was erhoffen Sie sich für die Zukunft von dieser Partnerschaft mit der DW?

Dass sich die Zusammenarbeit weiterentwickeln und Bestand haben wird, denn die Aufklärung der Menschen in Afghanistan ist sehr wichtig. Dieser Prozess führt zu einer friedlichen Gesin-nung in der Bevölkerung. Deshalb brauchen wir auch weiterhin diese Unterstützung. ——

ARIANA Television�Network�(ATN)�und�ARIANA�FM�bilden�die�größte�private�Medienkette�Afghanistans,�gegrün-

det�von�dem�aus�Afghanistan�stammenden�amerikanischen�Unternehmer�Ehsan�Bayat.�

ARIANA TV�ist�nahezu�landesweit�zu�empfangen�und�kann�dabei�die�technische�Infrastruktur�der�

ebenfalls�Bayat�gehörenden�Mobilfunkfirma�Afghan�Wireless�nutzen:�Auf�den�Mobilfunkmasten�wurden�

zugleich�Radio-�und�TV-Antennen�angebracht.�Die�Kooperation�mit�der�Deutschen�Welle�umfasst�unter�

anderem�50�Stunden�TV-Programm�(Dari�und�Paschtu)�aus�dem�Angebot�von�DW-TRANSTEL.�Ein�Paket�

über�weitere�50�Stunden�soll�in�Kürze�folgen.�

Der�Hörfunksender�ARIANA FM�versorgt�die�Hauptstädte�aller�34�Provinzen�des�Landes�und�20�wei-

tere�Städte�und�erreicht�nach�eigenen�Angaben�rund�sieben�Millionen�regelmäßige�Hörer.�Seit�No-

vember�2006�strahlt�ARIANA�FM�das�von�der�Deutschen�Welle�mit�Mitteln�des�Auswärtigen�Amts�pro-

duzierte,�täglich�30-minütige�Aufbaumagazin�in�den�afghanischen�Landessprachen�Dari�und�Paschtu�

aus.�Interesse�besteht�zudem�an�der�Serie�„Learning�bei�Ear“.�Diese�zunächst�für�Afrika�produzierten�

Radionovelas�der�Deutschen�Welle�werden�nun�auch�in�Dari�und�Paschtu�aufgelegt�–�rund�25�Episoden.

04 „Wir fürchten nicht den Staat,

sondern die Mafia“: Ehsanullah

Aryanzai, Management Director von

ArIANA Television and radio Network

03

04

partner —27weltzeit 01_2009

Page 28: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Medienpreis Entwicklungspolitik 2008

Für ihre Reportage „Kamerun – nachhaltige Waldwirtschaft im tropischen Regenwald“ hat DW-Redakteurin Carine Debrabandère (Foto)

den Medienpreis Entwicklungspolitik 2008 erhalten. Der Beitrag war Teil der Schwerpunktreihe „Rohstoffe – Fluch oder Segen?“, die

DW-RADIO im Jahr 2007 ausgestrahlt hat. Am 15. Dezember hat Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Auszeich-

nung im Rahmen eines Festaktes in Berlin überreicht. „Der Preis zeichnet journalistische Beiträge aus, die durch außergewöhnliche

Qualität das öffentliche Bewusstsein für Entwicklungspolitik schärfen“, so die Bestimmungen des Medienpreises Entwicklungspolitik, der

in diesem Jahr zum 33. Mal vergeben wurde. Er ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert.

Das grüne Gold von Kamerun Yaoundé – Sie sind die grüne Lunge unseres Planeten und bilden das artenreichste Öko-system der Erde: die Regenwälder in den Tropen. Nach UN-Angaben verliert die Welt jährlich zwölf Millionen Hektar Regenwald. Das entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands. Carine Debrabandère hat sich in Kamerun umgesehen, dem größten Holz-exporteur Schwarzafrikas, der sich bemüht, den Raubbau zu bekämpfen.

Der Anblick ist atemberaubend. Bis zum Ho-rizont erstreckt sich der grüne Ozean. Rötliche Giganten ragen bis zu 60 Meter aus dem Regen-wald heraus. Es ist die Heimat von Madjamgo, im Südosten von Kamerun. Der 45-jährige Baka-Pygmäe führt mich unter den Palaver-Baum zu den Ältesten des Dorfes Zoulabot An-cien, die sich hier versammelt haben. Sie machen sich Sorgen um ihren Wald, zu viele Bäume seien in den vergangenen Jahren verschwunden. Madjamgo dagegen erhofft sich eine bessere Zukunft durch die Holzindustrie, die seit über 30 Jahren in Kamerun den Wald ausbeutet. „Wir

wollen richtige Häuser haben“, betont er, „mit Blechdach – und dafür brauchen wir Arbeit, mit der wir Geld verdienen. Wir wollen auch eine Schule und ein Krankenhaus in der Nähe.“

Holz ist Kameruns zweitgrößte Einnahme-quelle – nach Erdöl. Tropenholz sorgt für zehn Prozent des Bruttosozialprodukts und schafft 150.000 Arbeitsplätze. Der Preis dafür ist hoch: Kahlschlag, ohne Rücksicht auf die Umwelt und kommende Generationen. In keinem anderen Land Afrikas ist bislang der Waldverlust so groß wie in Kamerun. Doch der besorgniserregende Trend könnte gestoppt werden dank einer neuen

28— vor ort

01 „Rötliche�Giganten“:�Holzar-

beiter�bei�der�SEFAC,�im�Südosten�von�

Kamerun

01

Page 29: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

GEO

ATLA

S-Copy r ight1998 G r a phi- O gr e

Algerien

Mauretanien Mali

Niger

Angola

Sambia

Namibia

DR Kongo

Nigeria

Südafrika

Kamerun

Tschad

Sudan

Senegal

Guinea-Bissau

Gambia

Botswana

Liberia

Guinea

Äq. Guinea

Lesotho

GabunKongo

Zentralafr.Republik

SierraLeone

BurkinaFaso

Simbabwe

Douala

GhanaTogo

BeninElfenbein-küste

M

Forstpolitik, an der Denis Koutou Koulagna beteiligt ist: „Wir versuchen, Waldflächen zur Nutzung freizugeben und trotzdem traditionelle Rechte zu respektieren. Wir wollen Richtlinien durchsetzen, wie der Holzeinschlag auszuse-hen hat. Und das alles wird von unabhängigen Kontrolleuren überprüft“, erklärt mir der Forst-experte im Umweltministerium der Hauptstadt Yaoundé.

EU-Projekt gegen illegalen Holzhandel Es geht vor allem um das Thema „illegale Holznutzung“. Denn rund die Hälfte des Holz-einschlags in Kamerun geschieht ohne Geneh-migung der Behörden, ohne Kontrollen, ohne Auflagen. Die zuständigen Beamten drücken oftmals beide Augen zu und lassen sich beste-chen. Kein Wunder, denn seit der Abwertung des Franc CFA im Jahr 1994 verdienen sie etwa 75 Prozent weniger. Für die Firmen lohnt sich die Bestechung allemal: „Die Unterschrift eines mittleren und kleinen Beamten kann für eine Firma die Steigerung der Jahreseinnahme um das Zehntausendfache einbringen“, erfahre ich von Dirk Thies von der GTZ, der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. Im Auftrag der Bundesregierung und der Euro-päischen Union arbeitet er am FLEGT-Projekt mit den kamerunischen Behörden zusammen. FLEGT, das steht für Forest Law Government and Trade. Dieses EU-Projekt hat der Vermark-tung von Holz aus illegalen Quellen den Kampf angesagt und soll freiwillige Vereinbarungen mit den Holz produzierenden Ländern und den dort tätigen Unternehmen herbeiführen.

Tragfähige wirtschaftliche Perspektiven80 Prozent der Produktion aus Kamerun wird nach Europa verschifft – für Fensterrahmen, Par-kettfußböden oder Furniere. Seit den Aufrufen zum Tropenholzboykott in den Achtzigerjahren sind die europäischen Kunden wählerisch gewor-den. Holzunternehmer wie Guillermo Bonnelli haben sich deshalb umgestellt. Der Italiener leitet die SEFAC, eine der größten Holzfirmen Afri-kas. Im Südosten von Kamerun bewirtschaftet die SEFAC 400.000 Hektar Wald. Was die EU auf Regierungsebene mit dem FLEGT-Pro-gramm anstrebt, das versucht Bonnelli schon seit vier Jahren vor Ort auf die Beine zu stellen. Mit Erfolg: Die SEFAC ist Ende 2007 nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert worden.

Dieser Weltforstrat ist eine internationale Initiative, der Umweltorganisationen, Vertre-

weltzeit 01_2009

ter der Gewerkschaften und indigener Völker sowie Teile der Holzwirtschaft angehören. Die Idee dahinter klingt einleuchtend: Wer den Wald trotz Holznutzung schützt, wer den umliegenden Dörfern dabei hilft, tragfähige wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln, der darf seine Holzprodukte mit dem FSC-Label auszeichnen. Und bei kritischen Kunden dafür etwas mehr Geld verlangen.

Nicht nur für die SEFAC hat das positive Folgen, sondern auch für Libongo, die Holzfäl-lerstadt direkt nebenan. Dank der Holzsteuer ist in Libongo ein Lebensmittelmarkt entstanden. Fatoumata verkauft dort Obst und Gemüse und freut sich: „Wir wohnten bisher in Strohhütten. Jetzt bekommen wir ein Haus mit richtigem Blechdach. Und wer weiß, vielleicht können wir uns irgendwann einmal auch Wände aus Back-stein leisten.“

Holzwirtschaft in Kamerun: Das war jahr-zehntelang gleichbedeutend mit der Zerstörung des Regenwaldes im dünn besiedelten Südosten des Landes. Aber wie die SEFAC versuchen inzwischen auch einige andere Holzfirmen, neue Wege zu gehen. Wenn die Pläne der Regierung gemeinsam mit den Umwelt- und

Entwicklungsorganisationen vorangetrieben werden, dann könnte Kamerun ein Vorbild in Sachen „nachhaltige Forstwirtschaft“ werden. Eine Hoffnung, die allerdings nur Wirklichkeit werden kann, wenn die Korruption stärker be-kämpft wird. ——

02 Neue�Wege�in�der�Holzwirt-

schaft:�Warten�auf�die�Reise�nach��

Douala,�Kameruns�Hafen

02

Page 30: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

�0— spot

Der erfahrene Übersetzer griff in die Trick-kiste: Er entlieh Begriffe aus anderen slawischen Sprachen, benutzte Dialektwörter oder stellte die Syntax um. So konnten „Die Aufzeichnungen des Martin Laurids Brigge“ dann auf Rilke-würdigem Bulgarisch veröffentlicht werden.

Sein Interesse am Schreiben entdeckte er früh: Mit zwölf Jahren verfasste er die ersten kleinen Geschichten, mit 20 wusste er, dass er das Schrei-ben zum Beruf machen wollte. Inzwischen hat er für seine Arbeiten zahlreiche Preise gewonnen, als Journalist und als Übersetzer. Im Dezember ehrte ihn die EU-Kommission in Bulgarien:

„Tasse, Becher, Krug, Glas – auf Deutsch gibt es so viele verschiedene Wörter für Trinkgefäße. Auf Bulgarisch sagt man: Tasse für Kaffee, Tasse für Wein, Tasse für Wasser.“ Alexander Andreev lacht, als er erzählt, welche Mühe er beim Über-setzen einer Passage aus Rainer Maria Rilkes einzigem Roman hatte: „Da ist eine wunder-schöne Szene, wo jemand vor einer Glasvitrine steht und aufzählt, was alles drin ist: Diese Pas-sage ist eine Seite lang, sehr poetisch, mit ganz unterschiedlichen Wörtern für Trinkgefäße. Es ist furchtbar, wenn man das alles mit immer demselben Wort wiedergeben muss.“

Die Aufzeichnungen des Alexander AndreevBonn – Er übersetzt gern und viel, ob Rilke, Thomas Bernhard oder Günter Grass. Er schreibt auch gern und viel: Kommentare und Hintergrundstücke für das Bulgarische Programm von DW-RADIO, das er seit Dezember 2008 kommissarisch leitet. Auch Kolumnen für bulgarische Tageszeitungen – und eigene Romane. Nina Haase stellt Alexander Andreev vor.

�0— zoom

Page 31: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

Nein, ein Dissident sei er nie gewesen. Zu sehr sei er damals durch die Muttersprache an Bul-garien gebunden gewesen, als dass er das Land hätte verlassen wollen.

Das Angebot, seine Vorlieben – Bulgarisch und Deutsch, Übersetzen und Journalismus – miteinander in einem Beruf zu verbinden, kam für Andreev 1990, nach der politischen Wende in Bulgarien. „Meine jetzt in den Ruhestand ge-gangene Chefin Roumiana Taslakowa kam Ende 1990 nach Sofia, auf der Suche nach frischen Kräften für die Redaktion. So kam sie auch zu mir.“ Er nahm das Angebot an, nach Deutsch-land zu kommen, um für die Deutsche Welle zu arbeiten: „Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben.“ Jetzt ist er mit seiner Familie seit 18 Jahren hier.

Mit seiner Frau, Anglistin und Übersetzerin, wohnt Alexander Andreev in Bonn. Zu seinem Heimatland hält er die Verbindung. Oft ist er als Lektor oder Konferenzteilnehmer in Deutsch-land, Österreich und Bulgarien unterwegs. „Das Leben ist nicht langweilig“, sagt Andreev, der nach eigenen Angaben schon seit Jahren nicht mehr den Fernseher eingeschaltet hat. „Ich spiele abends lieber Karten, gehe ins Konzert oder un-terhalte mich mit meiner Frau.“ Oder mit seiner Tochter. Die arbeitet in Brüssel als Press Officer im Kabinett der EU-Kommissarin für Informa-tionsgesellschaft und Medien. „Meine Tochter hat in Maastricht und Edinburgh studiert, hat mittlerweile Freunde überall auf der Welt. Jetzt ist sie gerade in China mit ihrem türkischen Freund. Sie lebt mit einer Selbstverständlichkeit die Freiheit, die wir nie hatten“, sagt Andreev. Und lächelt. ——

Andreev erhielt den Robert-Schuman-Preis 2008. „Der Spaß an der Sprache – und am Spiel mit dieser – liegt in meinen Genen“, sagt An-dreev. Sein Vater und sein Großvater prägten ihn früh mit ihrer Wortgewandtheit. Und seine Mutter sprach fließend Deutsch. „In meiner Familie drehte sich vieles um die deutsche Spra-che“, sagt Andreev, der mit 14 Jahren auf das deutsche Gymnasium in Sofia wechselte.

Deutschland, das war für Andreev damals hauptsächlich die DDR, wo seine Schwester studierte. Ende der Sechzigerjahre begann er, Auslandsrundfunk zu hören. So kam er mit dem Westen in Kontakt. „Ich muss zugeben, es war hauptsächlich wegen der Popmusik…“ Andreev zögert kurz, lacht und ergänzt: „Die ich bei der Deutschen Welle allerdings nicht gefunden habe.“ Nie habe er sich damals träumen lassen, einmal selbst bei der Deutschen Welle zu arbei-ten. Obwohl er im kommunistischen Bulgarien oft wegen seiner systemkritischen Radioberichte bei den Behörden aneckte, kam es ihm nicht in den Sinn, das Land zu verlassen. „Man hatte sich in dem System eingerichtet. Das muss man zu-geben. Heute schäme ich mich für diesen engen Horizont.“

Angepasst war Alexander Andreev trotzdem nie: 1983 gründete er mit einigen ambitio-nierten Kollegen die erste Live-Talkshow im bulgarischen Hörfunk. Gelegentlich luden die jungen Journalisten Gäste ein, deren Äuße-rungen die bulgarische Regierung verstimmten. „Bei einer Talkshow kann einem schon mal was herausrutschen, nicht nur dem Moderator, auch dem Gast“, schmunzelt Andreev. Es folgten Ab-mahnungen und „intensive Gespräche“ mit den Behörden, die das Programm rund um die Uhr überwachen ließen. „Wir kannten die Typen sogar, die den ganzen Tag unsere Sendung an-gehört haben. Ab und zu kamen sie und sagten: Das habt ihr falsch gemacht, das entspricht nicht der Linie, das ist feindliche Propaganda.“

Ein halbes Jahr vor der politischen Wende in Bulgarien erhielt Andreev Mikrofonverbot, das mit der Wende aber wieder erlosch. Stolz ist er darauf nicht. „Das war keine Heldentat“, sagt er.

zoom —�1weltzeit 01_2009

»Der Spaß an der Sprache

liegt in meinen Genen.«

Page 32: Weltzeit 01 |  2009: 20 Jahre nach Berlin: Ungelöste Mauerfälle

�2— vorspann

01 Begutachten�das�Modell:��

Lothar�Köhn,�Gebäudetechnik�(l.),��

und�Casinoleiter�Herrmann�Müller

02 Bald�Vergangenheit:

das�Gedränge�im�Casino

01 Begutachten�das�Modell:��

Lothar�Köhn,�Gebäudetechnik�(l.),��

und�Casinoleiter�Herrmann�Müller

Iquip exero eriliquis ad do er

Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio elenissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla feu feugiat lutet voloreet, quip ex ercidunt nonsequi blaortin veliquis dipsusci eraessi.Am zzriustie magnit augiam dolore consecte feugiamet loreril laoreet, commolorpero od esed modoloreros niscili quisse magnim dolor si ea faccumsan utpat. Ut ut lobor secte dolore tinit voloreet, quat. Duipit lortisit loreet luptat.Equat. Ut augiatue tisl eugait at del ero consed mod molor acil ipit utpat nis adit adigna conse-

quis nonullute feugait vulluptat.Im augait exero ex et veliquat.Esenis adipisis num quis nim inim dolumsan utpat. Corperostrud ming eugait nulla feugiat adigniamet dolortincin hendipsum dolore eugue magna core mod digna feum vel exer sit nulpu-tat. Volor sectetum ea faci el irit amconsed et alit el ercilisim nullan volor ilit accumsan exeraesto essim ipis at. Iduissi ex euissi blaore veraesting elenisci blamcom molortio odiat prate commo-diat praestie do dolessi.Giatue consequat wis alisi. ——

Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio elenissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla feu feugiat lutet voloreet, quip ex er-cidunt nonsequi blaortin veliquis dipsusci eraessi.

Iquip exero eriliquis ad do er

Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio ele-nissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla feu feugiat lutet voloreet, quip ex ercidunt nonsequi bla-ortin veliquis dipsusci eraessi. Am zzriustie magnit augiam dolore consecte feugiamet loreril laoreet, commolorpero od esed modoloreros niscili quisse magnim dolor si ea faccumsan utpat. Ut ut lobor secte dolore tinit voloreet, quat. Duipit lortisit loreet luptat.Equat. Ut augiatue tisl eugait at del ero consed mod molor acil ipit utpat nis adit adigna consequis nonullute feugait vulluptat.Im augait exero ex et veliquat. Esenis adipisis num quis nim inim dolum-san utpat. Corperostrud ming eugait nulla feugiat adigniamet dolortincin hendipsum dolore eugue magna core mod digna feum vel exer sit nulputat. ——

Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio elenissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla.

01 01

01 01

GMF_2009_Anz_A4.indd 1 19.09.2008 15:08:36 Uhr


Recommended