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Wasser oder Goldsol21.ch/images/pdf/wasserodergoldweb.pdf · Wasser oder Gold 6 1. Vorwort des...

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Wasser oder GoldKimsakocha der Widerstand und Kampf für das Wasservon Carlos Pérez Guartambel

übersetzt von Louis Kuhn

Wasser oder GoldKimsakocha: der Widerstand und Kampf für das WasserCarlos Pérez Guartambelübersetzt von Louis Kuhn, Ende Februar 2015

OriginalAgua u oro:.Kimsakocha la resistencia por el aguaCuenca 2012

Diseño y Diagramación: Ing.Dario Vele

ISBN 978-9942-11-080-0

Derecho del autor: CUE-00619

www.aguaypachamama.orgwww.luchaporelagua.orgwww. http://ecuarunari.org

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Carlos Pérez Guartambel

Geboren am 6. Februar 1969 in Cuenca de GuapendéligKichwa Kañari-Defensor del AguaDoctor en JurisprudenciaDiplomado en Gestión de Cuencas Hidrográficas y PoblaciónEspecialidad en Justicia IndígenaEspecialidad en Derecho AmbientalMagister en Derecho Penal y Criminologia

Ausgeübte ÄmterPräs. de la Unión de Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay UNAGUAPräs. de la Federación de Organizaciones Indígenas y Campesinas del Azuay FOAPräs. de la Confederación de los Pueblos Kichwas del Ecuador ECUARUNARI

PublikationenIntroducción al Derecho ParlamentarioLa Asamblea ContituenteJusticia IndígenaLa Consulta PopularAgua u Oro: Kimsakocha la resitencia por el aguaLas Consultas Comunitarias en el Ecuador

Ex-Dozent der Universidad Salesiana y Estatal de Cuenca de Guapondélig

Fünf Mal wurde er von einer Regierung, die der Ausbeutung der Bodenschätze frönt, ins Gefängnis gesetzt, weil er sich für die Verteidigung des Wassers und die Rechte der indigenen Völker einsetzte. „Ich weiss, dass dieses Urteil“ - vom 21. März 2013, siehe Chronologie - „als Warnung dient und alle jene einschüchtern kann, die protestieren wollen. Ihnen sage ich, weint nicht für die, die kämpfen, kämpft für die, die weinen“.

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DankMein Dank gilt meinen Schwestern und -Brüdern, allen Verteidigerinnen und Ver-teidigern des Wassers; meinen Eltern Juan José und Rosa Inés, Vorbilder von Weisheit und Durchhaltewillen; meiner verstorbenen Lebens- und Kampfgefähr-tin Maria Verónica, die unsere Kinder Ñusta Krupskaia und Asiry Verónica Bes-cheidenheit und Unerschrocken¬heit im Kampf für das Wasser lehrte (siehe ihr Gedicht Den Verteidiger¬innen und Verteidigern des Wasser von Kimsakocha); Louis Kuhn für die Übersetzung dieser Zeilen, der brüderlich und gastlich mit uns verbunden die Wassertropfen des Widerstand in die Ferne trägt.

Dr. Carlos Pérez Guartambel, Februar 2015

Den Verteidigerinnen und Verteidigern des Wassers von Kimsakocha

Wie ein Donnerschlag traf unsDie Kunde des Verrats des Bruders, Der alles wusste und uns nichts sagte

Wie ein Stachel in der PupilleSchmerzte den Berg Die geheime InvasionDas Schweigen und die FahrlässigkeitDessen, der alles sah und uns nichts sagte

Doch die Tränen des Bergs rannen zu TalVerrieten den EindringlingDer das Wild aufschreckte

Es kam die Stunde des ErwachensBarfuss noch, einer nach dem andernHeiter entschlossenHörten wir den Weckruf Kimsakochas

Man sah wie die Macht, wie das GeldFrauen, Kinder, Junge und Alte kaufteDie Handvoll Kämpfender betrogWir weinten verletzt und vor WutDen Henkerkomplizen ausgesetztIm Kampf, Stunden, Monate und Jahre Man säte Zwietracht zwischen Vater und Sohn und unter BrüdernUnd entzweite das Volk

Aber die Weisheit des Herzens war stärkerDer Ruf der ErdeDer Durst nach WasserDer Kampf ging weiterDie Habgier gewann eine SchlachtAber nicht den KriegDie überlegene VernunftVom Wasser erfrischtFand Raum in den SeelenVom Fluss Irkis bis KimsakochaQuer durch Sombrederas

Die Kraft des Poncho und der SombrerosStellte das Gold in den SchattenAus klaren Quellen sprudelndFand das Wasser den Weg

Die zornige TräneLiess die Ackerfrucht kräftiger wachsenDie Umarmung der BrüderÜberwand den GrabenDes gespalteten Bergs

Die langen WanderungenMit der köstlichen WegzehrungWaren nicht vergeblich

Die Weisheit der Alten gepaartMit dem Aufstand der JungenWar nicht vergeblich

Die umsorgende Liebe zur ErdeDer Glaube an die SeinenWar nicht vergeblich

Die Väter Werden ihren Kindern und KindeskindernAm wärmenden Feuer, beim duftenden MaisDiese Geschichte erzählenWenn sie ihre GesichterMit dem Kimsakochawasser netzenZum Zeichen des Kampfes und WiderstandesDenn der Kampf geht weiter...

Verónica Cevallos Uguña

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Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort des Übersetzers

2. Genesis und Widerstand (Kommentar zum Buch)

3. Kimsakocha: Karten etc.

4. Chronologie des Widerstandes

5. Der Kampf für das Wasser im Süden Ecuadors

6. Technisch-wissenschaftliche Argumente gegen den Bergbau

7. Kein nachhaltiger Bergbau

8. Die Rechte der Natur

9. Glossar

Gedicht von Maria Verónica Cevallos Uguña

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1. Vorwort des Übersetzers

Agua u oro, Wasser oder Gold dokumentiert den Kampf und Widerstand der ein-heimischen Bevölkerung in der ecuadorianischen Provinz Azuay gegen die Ausbeu-tung und Zerstörung des Paramo-Gebietes von Kimsa¬kocha durch internationale Goldkonzerne. Der Autor Carlos Pérez Guartambel weist darin die unrechtmässige Vergabe der Minen-Konzes¬sionen nach und rechtfertigt die gesetz-, verfassungs-mässigen und durch internationale Konventionen legitimierten Entscheidungen und Handlungen der Bevölkerung. Die Konzerne säen Zwietracht in der Bevöl¬kerung und beinträchtigen die Demokratie. Das Buch verweist die angeblichen grossen wirtschaftlichen Gewinne für das Land, die Arbeits¬platzbeschaffung, die Umwel-tverträglichkeit, Nachhaltigkeit etc. ins Reich der Chimären. Es ruft auf zum Widers-tand.Motiv dieser Übersetzung ist, diesen Aufruf über die Landes- und Sprach-grenzen hinaus weiterzuverbreiten. Der Kampf ist nicht nur in den ausgebeuteten Ländern zu führen, sondern auch in den Ländern, die von der Ausbeutung gedankenlos und komplizenhaft profitieren. Verantwortungsvoll, engagiert und aktiv.Gott oder Gold heisst der Titel eines Buches von Gustavo Gutierrez (Lima, 1989), das die Beschreibungen von Bartolomé de Las Casas über die Ausbeutung und Nie-dermetzelung der Bewohner der neuen Welt durch die europäischen Eroberer im 16. Jahrhundert auf den Punkt bringt: die wirklichen Götzenanbeter kamen vom alten Kontinent. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nur dass der Kreis der habgie-rigen Götzenanbeter, einst auf die Unterdrücker und ihre Hörigen beschränkt, sich global erweitert hat und die gigantische Ausbeutung und Zer¬stör¬ung der Mutter Erde mit modernster Technologie betrieben wird. Vom Wahn und der Gier des Götzen Gold sind auch ganze Bevölkerungsteile sogenannt entwickelter Staaten besessen. Anders ist es nicht zu erklä¬ren, dass in der Schweiz 2014 über eine Goldinitiative abgestimmt wur¬de, die die Nationalbank verpflichtet hätte, 20% ihrer Aktiven per-ma¬nent in Gold zu halten, d. h. sie um 1’800 Tonnen aufzustocken, was einem Wert von 70 Milliarden Franken entspricht. Die Initiative wurde nicht aus Rücksicht auf die ausgebeuteten Länder abgelehnt, sondern um das von der Goldbindung befreite ka-pitalistische Geldsystem weiter wuchern zu lassen. Die Reichen der Welt frönen wei-terhin ihrem Gold-Sicherheitswahn. Der Goldhandel der Schweiz macht rund einen Drittel des gesamten Aussenhandels aus. Rund 40% des global geförderten Goldes wird in der Schweiz verarbeitet. Allein imm Januar 2014 wurde Gold für 7,1 Mia im-portiert und für 6,8 Mia verfrachtet, zu 80% nach Asien (Frankfurter Allgemeine und Finanz und Wirtschaft vom 20.2.2014).Aus Sicht der eingeborenen Bevölkerung der Anden gehört die Erde nicht den Mens-chen, sondern wir gehören zur Pachamama. Die Mensch¬heit webt nicht das Tuch des Lebens sondern sie ist bloss einer seiner Fäden. In Wasser oder Gold geht es um mehr als Naturschutz. Wasser ist Lebensgrundlage. Wasser ist Leben. Es geht um die grundlegenden Rechte der Natur und Menschen. Für die Einheimischen um die Verteidi¬g¬ung und - für die westliche Zivilisation – um die Wiedergewinnung der spiritueller Kosmovision. Mit Albert Schweitzer zu reden, um die „Ehrfurcht vor dem Leben“.Der mit der Übersetzung anvisierte Leserkreis liess es im Einverständnis mit dem Au-tor angezeigt erscheinen, den Text, wo möglich, zu kürzen, und die Reihenfolge der Kapitel anders anzuordnen. Aus der Grosszahl der Fotografien wurde eine Auswahl getroffen. Seit der Erstausgabe 2012 hat der Autor die Chronologie aktualisiert.

Louis Kuhn/Ende Februar 2015

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2. Genesis und Widerstand (Kommentar zum Buch)

„Es dämmerte der Abend des sechsten Tags und Gott sah, dass alles, was er geschaffen hatte, gut war... doch Gott ruhte am siebten Tag nicht aus... er WI-DERSTAND, denn in der Dunkelheit der Nacht fingen einige Menschen - die er sich ähnlich, als freie geschaffen hatte – an, sein Eben¬bild und die Schöpfung zu zerstören. Wasser oder Gold? Leben oder Wüste? Kultur oder Leere?Klar ist, der Bergbau der mächtigen Minengesellschaften verschmutzt nicht nur die Gewässer, er vernichtet auch Flora und Fauna, diskri¬mi¬niert die Armen, masst sich Herrschaft gegenüber den Regierungen an, vereitelt alternative En-twicklungsmodelle und kriminalisiert die betroffene Bevölkerung und ihre An-führer, die Widerstand leisten. In Lateinamerika und rund um die Welt. LEBENDIGES UND FREIES WASSER IST GESEGNETES WASSER. Wir schöpfen die Hoffnung aus dem Versprechen „eines neuen Himmels und einer neuen Erde“. Wir verlangen, dass Wasser nicht zur Handels¬ware verkommt, sondern frei aus den Paramo-Gebieten zu Tale bis in die Meere fliesse, den Durst der Menschen lösche und die Samen zum spriessen bringe.Das Leben ist heilig, weil es dem Schöpferwort Gottes entspringt. Der Widers-tand ist heilig. Denn in alles Lebendige legte Gott eine Wider¬stands¬kraft ge-gen die Vernichtung.Gott widerstand und setzt seinen Widerstand fort, im Herzen seines Volkes, das das Leben liebt, umsorgt und verteidigt“.

P. Teodoro Delgado Palacios, Coordinador de la Pastoral Social

3. Kimsakocha: Karten etc.

Ecuador verfügt über eine Fläche von 256’372 km². Davon gehören 106’000 km² zur andinen Zone. Der Paramo umfasst 2’298’000 Ha (= 22’980 km²). Hier trifft man auf eine artenreiche Biodiversität von Fauna und Flora, die der einheimis-chen Bevölkerung seit eh und je als Lebens¬grundlage gedient hat.Das Minenprojekt Kimsakocha befindet sich in der westlichen Kordillere, 480 km südlich von Quito und weniger als 20 km südlich von Cuenca de Guapondélig, 17 km entfernt von Tarqui und 15 km von Victoria del Portete, 12 km von Girón, 7 km von San Fernando, 6 km von Chumblín und 5 km von San Gerardo. Auf einer Höhe zwischen 3’000 – 4’160 M.ü.M. Hier verläuft die Wasserscheide der zwei grossen Wasser¬ein¬zugs¬gebiete, dem des Rio Jubones, der in den Pazifik mündet, und jenem des Rio Santiago, eines Zuflusses des Amazonas. Ihre Wasser durchziehen grosse Täler mit Landbau und Viehzucht. Sie sind uner¬lässlich für die Nahrungs-produktion und -sicherheit. Das Wasser dient den Gemeinden und Parroquias von San Gerardo, Chumblín, Zhagali, Victoria del Portete, Tarqui, Baños, San Joaquín, Turi, El Valle, ebenso wie der Umgebung von Girón, San Fernando, Santa Isabel und Cuenca de Guapondélig, der drittgrössten Stadt Ecuadors.

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MINEN-PROJEKTE IN AZUAY

PROJEKTE UNTERNEHMEN LAND KONZES-SION-JAHR

GEBIET BETROFFENER ORT

KIMSA KOCHAGold, Silber, Kupfer

IAMGOLD CANADA 2001 Cerro Casco 4.800 Ha.Río Falso 4.450 HaCristal 2.250 HaTotal : 12.500 Ha.

Tarqui, Victoria del Portete, Baños, Turi, Cuenca; Gi-ron, San Fernando.

SHYRISGold, Silber, Kupfer

CORNESTONE CANADA 2005 Gama Norte, Pare-dones, Gama Sur, soldados, Río Mi-nas, Quinuas, Skyri NE, Shyri OE, Shyri SE, Cañaribamba, Gran Muralla, Gama, Yanasacha, Vetas Grandes . Total 45.000 Ha

Tarqui, Victoria del Portete, Baños, San Juaquin, Turi, Cuenca; San Gerardo, Abdón Calderón, La Asun-ción de Girón, San Fernando, Santa Isabel.

RIO BLANCOGold, Silber,

IMC EE UU 1999 5.799 Ha Molleturo, Chaucha, zona de amortiguamiento del Cjas,Cuenca

SILVERSilber, Blei, Zink

ECUADOR GOLD CANADA 2006 3.108 Ha San Bartolomé – Sigsig; Zhidmad, San Juan y Jadán – Gualaceo, Santa Ana, Quingeo, Cuenca.

El MozoGold, Silber

MINERA CACHA-BI

1156 Ha Jima-Sigsig, Cocha-pata-Nabón

CochapataGold, Uran

GREENSHIELD EXPLORATION –NABONMINAS

CANADA 27.039 Ha Cochapata Nabón

Pedernales:Gold, Silber, Kupfer

AVOCENT MINE-RALES – WEGA MINERALES

INGLATERRA Santa Isabel, Puca-rá, San Fernando, Victoria del Portete

Taday :Gold, Silber

ATLAS MINE-RALS

CANADA Taday, Paute, Pucará

Andere: EXPLOSUREXPLOMINASdie Liste setzt sich fort …

ECUADORECUADOR

San Joaquín, Quin-geo, santa Ana, Cochapata.El Valle, Pucará , Las nieves, Jadán

Diese und weitere Vorzüge des gesamten Wassersystems von Kimsa¬kocha führten dazu, dass ein Teil dieses Gebietes, das in den kleineren Becken des Irquis-Tarqui- und des Bermejos-Yanuncay-Flusses liegt, von der Dirección Na-cional Forestal und dem Instituto Nacional Ecuatoriano de Recursos Hídricos (INERHI) zur geschützten Wald- und Vegetations¬zone von 33’426,17 Ha erklärt wurde (Ministerialdekret 292, publiziert im Supplement 255 des Registro Oficial vom 22.8.1985 mit folgenden Koordinaten in der westlichen Andencordillere: X minimo 682,267.37; Y minimo 9,655,772.00; X maximo 710,320.81; Y maximo 9,679,551.00. Plan de Manjeo BVB Yanuncay e Irquis, Ministerio del Ambiente 2006).Kimsakocha ist ein hochgelegenes Feuchtgebiet. Es liegt in einem Kra¬ter ei-

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nes inaktiven Vulkans von von 5 km Durchmesser. Dank der kon¬stanten Nie-derschläge und geringen Verdunstung entstand in tausen¬den von Jahren ein riesiges Süsswasserreservoir, an das sich ein weites Gebiet von mehr als dreis-sig weitern Seen anschliesst, die in einer ur¬sprüng¬lichen Gletscherlandschaft entstanden und untereinander ver¬bunden sind, wie z. B. die Laguna Truenoko-cha, mit 26,27 Ha, Kimsa¬kocha mit 15,48 Ha, Bermejos mit 8,22 Ha, Paredones del Inka 8,10 Ha, Chuyakocha mit 4,85 Ha, Yantawaycukocha mit 2,78 Ha und vielen klei¬neren Seelein mehr. Für die Alten war Kimsakocha ein Heiligtum und Teil ihrer Kosmovision, wo der Kolibri, der Kurikinke, der Fisch, der Waca¬mayo, die Schlange, der Puma und der Mensch zusammenleben.

4. Chronologie des Widerstands

1891 Hunderte von Gemeindemitglieder von Tarqui, Victoria del Portete und Va-lle erwerben nach längeren Trockenzeiten und schweren Über-schwemmungen das Weideland von Sombrederas, inklusive Kimsa¬kocha und weitere Flächen. 1903, 1912 und 1945 kommen weitere Gebiete hinzu, die sie beweiden und an-derweitig nutzen. Am 4. Juli 1981 stellt Notar Sr. Manuel Maldonado Quitanilla einen formellen Eigen¬tumstitel aus, der am 5. August 1981 mit der Nr. 135 ins Eigen¬tums-Register Nr. 3 eingetragen wird.Anfangs bis Mitte des 20. Jh., als der Verkauf von Alkohol strafbar war, benutzten einheimische Säumer die geheimen Pfade im Kimsakocha-Gebiet für den Alko-holtransport. Gleichzeitig dienten die Saumpfade aber auch für den ökonomis-chen und kulturellen Austausch zwischen der Pazifikküste und der Bergregion.1960 werden im Rahmen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen in Kimsakocha am Rande des Kraters des inaktiven Vulkans Metalle entdeckt.1990 weist die Gesellschaft COGEMA Goldfunde nach.1991 Berät die Weltbank (WB) Ecuador bei der Erarbeitung eines Bergbauge-setzes. Mittels des Projektes für technische Hilfe zur Berg-bauentwicklung und Umweltkontrolle (auf spanisch PRODEMINCA 3655-EC 1991-2001) fördert sie die legalen und organisatorischen Mass¬nahmen im Minensektor mit geplanten 24 Mio Dollar. Schliesslich sind es aber nur 20 Mio: davon 11 Mio von der WB, 8,5 Mio von England und Schweden in Form von nicht rückzahlbaren Darlehen und 750 000 Dollar seitens der nationalen Regierung. Der Vorwand der Regierung war, private Investoren anzulocken und die wirtschaftliche Entwicklung zu för-den, ohne die nationalen Interessen und insbesondere ohne die bäurischen und indigenen kollektiven, sozialen und umweltmässigen Rechte zu respektieren. Die Autoritäten des öffentlichen Sektors pfleg¬ten und pflegen bis heute sehr enge Beziehungen zu den privaten nationalen und internationalen Minenunterneh-men (u. a. Pablo Terán Ribadeneira, Ex-Energie-Minister, Cesar Aníbal Espinosa, Ex-Präsident und aktuelles Mitglied des Direktoriums de La Camera de Minería del Ecuador und Bruder der aktuellen Ministerin des Patrimoniums, Fernanda Espinoza).Eine spätere Überprüfung der Auslandschuld führte zur Empfehlungen, den Kre-ditvertrag 3655-EC als illegtim zu erklären, 1. weil er ein neo¬liberales Modell beeinhaltet, das den privaten nationalen und inter¬nationalen Minensektor pri-vilegiert, 2. weil er das staatliches Naturerbe der Verfügungsgewalt des privaten Bergbaus ausliefert, 3. weil er die kollektiven, sozialen und umweltmässigen Re-chte der indigen Bevöl¬kerung ebenso wie der Gesamtbevölkerung substantie-

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ll beeinträchtigt, 4. weil er verfassungs- und gesetzmässige Rechte zugunsten privater, ausländischer Interessen und damit die nationale Souveränität verletzt und 5. weil er eine Verschuldung für Beratungen beinhaltet, die für das Land schädlich sind. Zudem weist das Projekt gravierende Fehler bezüg¬lich Umwelt-bewertung und eine fehlende vorgängigen Volksbefragung auf. Es wird emp-fohlen die Verantwortlichkeiten der nationalen Autori¬täten und der Weltbank festzulegen.1991-1994 Die Gesellschaft COGEMA beginnt mit der Goldsuche und Son-dierungsarbeiten in Kimsakocha1994-1997 COGEMA-TVX-NEWMONT setzen die Arbeiten in grösserer Tiefe fort und entdecken 350’000 Unzen Gold mit einem nur geringen Metallanteil pro Gesteinseinheit, was für die Einstellung weiterer Projekt¬arbeiten sprach.1998 Iamgold erwirbt deren Konzessionen und setzt die Goldsuche und Son-dierungsarbeiten fort und beginnt mit der Ausbeute. Es wird eine Autostrasse bis zur Hochebene gebaut.

2001, 16. Mai Iamgold beantragt die Minenkonzession von der Dirección Regio-nal de Minería del Azuay.2001, 21. November Der Eindringling Iamgold erhält die Minenkonzession „Rio Falso“ und „Cerro Casco“ innerhalb der Parroquias (Bezirke) Victoria del Portete, Tarqui, Chumblín, Baños y San Gerardo in den Kantonen Cuenca, Girón und San Fernando.200321. Mai Iamgold erhält die Minenkonzession des Gebietes „Cristal“ mit einer Oberfläche von 2’250 Ha, in der Parroquia San Gerardo y Chumblín des Kantons

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Girón, mit einem Total von 12’962 Ha.12. Juli Die Gemeindemitglieder nehmen schlechte Energien in ihrem heiligen Paramo von Kimsakocha wahr, angesichts der plötzlich auftretenden Gegenwart unbekannter Personen.September. Einige Gemeindemitglieder gehen hinauf nach Kimsakocha, um die Anwesenheit Fremder zu überprüfen.20. Oktober Neue Überprüfung: Es sind Eindringlinge vorhanden.20. Dezember Ortsansässige von Sombrederas treffen auf Markierungen mit Schriftzeichen in den weiten Paramos und Feuchtgebieten von Kimsakocha.200426. Januar Gemeindemitglieder von Victoria del Portete bestätigen die schlechte Nachricht über die Anwesenheit von Fremden mit Fahrzeugen im Paramo und beschliessen, sich zu organisieren.5. März Nach zahlreichen Treffen formiert sich das Comité de Defensa del Medio Ambiente (Komitee zur Verteidigung der Umwelt) von Victoria del Portete, präsi-diert u. a. von Federico Guzmán, Geovany Guzmán und José Mogrovejo.20. Mai Aufruf an weitere Leiter, die Verteidigung zu verstärken.5. Juli Sie beschliessen, sich an die öffentlichen Stellen zu wenden und Informa-tionen einzufordern über die Minenbewilligungen in Kimsakocha.10. Oktober Nach langen und zähen Prozeduren entdecken sie, dass das Minis-terio de Energia y Minas dem kanadischen Eindringling Iamgold eine Minenkon-zession erteilt hat.8. November Gemeindemitglieder von Victoria del Portete verschaffen sich eine Dokumentation über eine weitere Iamgold-Minenkonzession.4. Dezember Die Versammlung der Benützer des Sistema Comunitario de Agua der Parroquias von Tarqui und Victoria del Portete beschliessen, ihre Quellgebiete mit radikalen Mitteln gegen die Regierung mit dem Ziel zu verteidigen, die Mi-nenkonzession in Kimsakocha zu annullieren.

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200527. Januar Die Wasserbenützer beschliessen eine Grossversammlung vor dem Regierungsgebäude der Provinz Azuay durchzuführen und die Aufhebung der Minenkonzession zu verlangen.6. Mai Die Wasserbenützer führen eine weitere Grossversammlung vor der Di-rección Regional de Mineria del Azuay durch, um die Minenkon¬zession zu an-nullieren.25. August Die erneute Mitglieder-Versammlung der kommunalen Wasserwerke der Provinz Azuay im Calderón-Park verlangt Antworten auf die Petitionen zur Annullierung der Minenkonzession in Kimsakocha.23. November Delegationen aus der Provinz Azuay sprechen beim Ministerio de Minas y Petroleo vor und fordern die Annullierung der Minenkonzession in Was-serquellgebieten.200610. Januar Hunderte von Gemeindemitglieder unternehmen einen 20 km langen Marsch von Victoria del Portete nach Cuenca als Zeichen des Widerstandes ge-gen das Minenprojekt in ihrem Wasserquellgebiet.3. April Die Versammlung der Wasserbenützer beschliesst, massiv gegen den Tagbergabbau in Kimsakocha zu mobilisieren.4. u. 5. Mai Die kommunalen Wasserbenützer blockieren die Zu- und Wegfahrtss-trassen der Hauptstadt Cuenca, einige an der Hauptver¬kehrs¬ader Paname-ricana Süd, auf der Höhe der Einfahrt bei Tarqui; die Wasserbenützer der Parro-quias Octavio Cordero y Sidcay blockieren die Panamericana Nord, und lähmen damit den gesamten Verkehr der Pro¬vinz Azuay; eine dritte Gruppe kämpft gegen die Mineria „Marmoles Santa Rosa“, im Eigentum des Italieners Gianlu-ca Lamincia. (Nachdem dieser während 25 Jahren Marmor und Feldspat in den Bergen der Gemeinde San Luis de Parcoloma ausgebeutet hatte, ohne jemals der Gemeinde und ihren Bewohner auch nur einen Rappen zu bezahlen, floh er erschrocken, angesichts der aufgebrachten Menschenmenge, die diesen üblen Typen, der immer nur von der Güte und Geduld der Bewohner gelebt hatte, für immer davonjagten.)

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13. Juni Die Leiter der kommunalen Wassersysteme treffen den Prä¬si-dents-chaftskandidaten Correa und verlangen die Annullierung der Minen-konzessio-nen in Wasserquellgebieten. Der Kandidat verspricht, solche Minengesellschaf-ten aus diesen Gebieten hinauszuwerfen.23. Juni Eduardo Matute, Präsident der Junta Parroquial (Bezirksrat) von Victoria del Portete, begünstigt durch die Minengesellschaft Iamgold, erhebt Strafklage, er sei verfolgt worden, gegen 18 Gemeindeführer von Victoria del Portete, mit dem Ziel, sie einzuschüchtern und das Feuer des Kampfes zu ersticken. Der Sta-atsanwalt klagt sie wegen banden¬mäs¬sigem Vorgehen an. Die Absicht dahin-ter war, die Gemeinde¬vor¬steher ins Gefängnis zu setzen und damit den Weg für die Minenin¬dustrie freizumachen.5. November Die Bevölkerung von Victoria del Portete erklärt, wegen ihres Wi-derstandes gegen das Minenprojekt an den Präsident¬schafts¬wahlen nicht teilzunehmen. Das Tribunal Electoral (Wahlgericht) droht im Gegenzug die Ge-meindevorsteher strafrechtlich anzuklagen und die Wähler ökonomisch zu sank-tionieren.26. November Victoria del Portete ist landesweit die einzige Parroquia, die nicht an den Präsidentschaftswahlen (2. Wahlgang Correa gegen Noboa) teilnimmt, zum Zeichen des Widerstandes gegen die illegale Konzession in Kimsakocha. Dagegen reagierten Mitglieder des Tribunal Electoral heftig.Dezember. Der Präsident des Tribunal Electoral von Azuay erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen die Führer der Parroquia Victoria del Portete und gegen die Unión de Sistemas del Agua del Azuay wegen Rebellion und Ver-hinderung der Wahlen in dieser Parro¬quia (zwei Strafanzeigen gegen die Ge-meindevorsteher).2007Februar. Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay erklären, per¬ma¬nent zu tagen und bereiten den Aufstand im Süden Ecuadors vor.4. Juni Beginn des Aufstandes zur Verteidigung des Wassers gegen den Bergbau in der Provinz Azuay unter Teilnahme der Wassersysteme in verschiedenen Kan-tonen: Gualaceo, Chordeleg, Sigsig, Nabón, Girón, San Fernando, Santa Isabel, und u. a. den Parroquias Jima, Cochopata, Victoria del Portete, Tarqui, Proyecto Nero, Molleturo, Octavio Cordero, Sicay, Baños.

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4. bis 8. Juni Die Protestmittel werden radikalisiert. Die Hauptstadt Cuenca wird vom Umland isoliert. Auch die Polizei kann die Gemeinde¬mitglieder an den Hauptverkehrsachsen der Provinz zu den übrigen Städten des Landes und in den Norden von Peru sowie an der Pan¬ame¬ricana Süd, Nord und Molleturo-Naran-jal nicht wegschaffen.8. Juni Diese Massnahmen zur Sperrung der Panamericana Süd enden nach einer Woche, mit der Ankunft in Tarqui von Alberto Costa, dem zuständigen Minister für das Minenwesen, der bereit ist, mit den De¬mon¬stranten den Dialog au-fzunehmen. Er verspricht nach Wegen zu suchen, um die Minenkonzessionen zu annulieren und an einem runden Tisch zum Dialog einzuladen.4. Juli 26 Führer der kommunalen Wassersysteme in der Provinz Azuay treffen sich mit Präsident Correa im Regierungsgbäude Carandolet in Quito. Im Verlau-fe der Sitzung bestätigt dieser erneut, dass er die Kon¬zes¬sionen von Iam-gold aufheben werde. Aber er brauche Beweise, dass die Minenkonzessionen auf Wasserquellgebieten liegen und dass sie auf illegale Weise ausgestellt worden seien. Sonst, so Correa, „wird Iamgold eine horrende Geldsumme fordern und das Land bankrott gehen“. Wäh¬rend der Sammlung der Beweise, soll man die Blockierung der Strassen einstellen. Schliesslich, um die notwendigen Abklärun-gen auf den Weg zu bringen, schlug er vor, eine Kommission mit Vertretern der Gemein¬den und des Staates zu bilden, welche die Minenkonzessionen unter juri¬stischen und umweltschützerischen Gesichtspunkten überprüfen.8. bis 10. Juli Aufgerufen von der Cordinadora de Defensa de la Vida y de la Sobe-rania wird die Panamericana Süd erneut besetzt. Mehr als ein Dutzend Manifes-tanten werden festgenommen, u. a. Ignazia Pérez, Medardo Tenesca, Francisca Zhagui, zudem Oswaldo Jara, Pfarrer von Victoria del Portete, der sich dem Kam-pf gegen die Minenkonzessionen angeschlossen hatte.26. Oktober Nach eineinhalb Jahren strafrechtlicher Verfolgung aus¬gelöst durch die Junta Parroquial (Bezirksrat) von Victoria del Portete, unterstützt von der Mi-nengesellschaft Iamgold, wird das Verfahren ge¬gen 18 Führer von Victoria del Portete durch Dr. Azucena Andrade, Richterin am Ersten Strafgericht von Azuay eingestellt (Strafprozess Nr. 1001-07).13. November Es erscheint ein Bericht PROMAS (Programa para el Manejo del Agua y del Suelo) der Universität Cuenca, der behaup¬tet:“Quimsacocha hat keine unterirdischen Gewässer“.14. November Galo Chiriboga, der neue Minister für Energie und Bergbau, kün-det an, dass er Iamgold verpflichte, 3’220 Ha seiner Minen¬konzessionen an den Staat abzutreten, um die Bergseen zu er¬hal¬ten und die Wasservorkommen zu schonen. Santiago López, der Ge¬schäfts¬führer des kommunalen Wasserwer-ks ETAPA, erklärt seinerseits, dass es sich dabei um „ein Faktum ohnegleichen“ handle, während die Wasserbenützer spürten, dass es sich um ein weiteres Be-trugsmanöver der nationalen und lokalen Regierungsstellen handelt, weil 3’220 Ha völlig ungenügend sind, um die Paramos von Kimsakocha zu schützen. An-gesichts eines solchen Verrats der Regierung, die Monate zuvor noch mit lau-ter Stimme verkündet hatte, keine Minenausbeutung im Wasser¬quellgebiet zu bewilligen, entschieden sich die Kommunen, ihren Wider¬stand mit noch grös-serem Nachdruck wieder aufzunehmen.15. November Die Firma Iamgold feiert die Entscheidung von Präsi¬dent Correa und nützt die Gelegenheit für ein Pressecommuniqué, worin sie ihre exemplaris-che Verantwortung für Umwelt- und Sozialanliegen hervorstreicht. “Wir überge-ben einen kleinen Teil unserer Konzessionen, um eine klare Botschaft abzuge-

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ben“, erklärt Joseph Conway, Präsident von Iamgold, und fügt hinzu: „Iamgold verspricht die Umwelt zu bewah¬ren und zu beschützen. Wir machten das Rich-tige“. Und zur Beruhig¬ung allfälliger Investoren und um die Kotierung an der Börse von Toron¬to zu steigern rühmt die Firma sich:“Dieses Gebiet umfasst ca 3’000 Ha, 23% der Gesamtfläche des Iamgold-Anteils von 12’967 Ha. Es enthält keine (Gold)vorkommen und keine (geeigneten) Schichten für den Ab¬bau von Gold. Dies alles hat keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Quimsaco-cha-Projekts“. Im weiteren fügt er bei:“Nun können wir fort¬fahren und helfen ein Bergbaugesetz zu formulieren, das zum Vorteil aller Gemeindemitglieder ist. Wir erwarten eine enge Zusammenarbeit mit der Regierung und schätzen deren Unterstützung“. (s.http://www.iamgold.com/presserelease2007.asp)4. Dezember Präsident Correa sagt in einer Sabatina (= in einer seiner vielen Reden, die er jeden Samstag am Radio, landesweit ausgestrahlt, hält):“Die Umweltschützer verdrehen alles, nicht die Gemeinden pro¬testieren, sondern eine Gruppe von Terroristen, Umweltromantiker und infantile Ökologen sind es, die die Regierung destabilisieren möchten... Schluss mit der Anarchie. Alle, die sich gegen die Entwicklung des Lan¬des stellen sind Terroristen. Man lasse sich nicht täuschen. Die Regier¬ung forscht nach, wer hinter allem steht, die Re-gierung lässt nicht nach, bis sie gefasst sind...“Im Verlaufe des Jahres 2007 hatte Iamgold mit Hilfe der schweren Ma¬schi¬-nen des Consejo Provincial del Azuay die Strasse bis zu den Quellen des Rio Ir-quis-Tarqui, zu einem östlichen Zweig des Kimsakocha-Beckens, verlängert und zerstörte damit den Paramo (die Pajagras- und die Feuchtgebiete).

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20087. April Zehn Autobusse mit Wasserbenützern u. a. aus Girón, Victoria del Porte-te, Tarqui, Sidcay, Octavio Cordero, Gualaceo, Chordeleg und Sigsig fahren nach Monte Christi, wo der Verfassungssrat die neue Ver¬fassung ausarbeitet, und verlangt von ihm die dringliche Zustimmung zum Mandato Minero, um sämtliche Wasserquellgebiete von Minen¬kon¬zessionen zu befreien.14. April Als sich eine Protestbewegung gegen die offizielle Haltung der Regierung ankündet, die den Inhalt der ILO-Konvention 169 ab¬schwäch¬en will, ruft Prä-sident Correa die Bevölkerung auf, sich der Pro¬testbewegung entgegenzuset-zen:“Jeder Angriff auf das Privateigentum ist illegal. Der Staat garantiert den Minengesellschaften die Integrität ihrer Güter und Grundstücke, die sie legitim erworben haben“, und er droht:“Wenn uns 200 Leute schlagen, rufe ich dazu auf, dass 200’000 Bürger auf die Strasse gehen“. Er erlaube keine Behinderungen und Eingriffe. Das Gesetz werde mit aller Strenge angewendet:“Wir rufen dazu auf und gebieten dieser Hundertschaft von aufgebrachten Ver¬rückten, die vom Ausland finanziert werden, Einhalt“. Bei unzähligen Gelegenheiten hat Präsident Correa seinen Mitläufern dargelegt:“Ob sie wie Bettler auf einem Sack Gold sit-zen wollen oder ob sie den Reichtum aus dem Boden holen wollen, für das Erzie-hungs-, das Gesund¬heits¬wesen, für die Wasserversorgung. Genug der Dema-gogie all dieser Fundamentalisten, die sich der Entwicklung entgegenstellen und wie im Höhlenzeitalter leben wollen“. Ebenso argumentierte Evo Morales, der Präsident von Bolivien am 10. Juli 2009:“Wovon soll denn Bolivien leben, wenn einige NGO fordern: „Amazonas ohne Petrol“...sie sagen mit an¬dern Worten, das bolivianische Volk brauche kein Geld, keine Einkom¬men aus Regalen, dann müssen sie auch sagen, es gibt kein Bono Juancito Pinto, keine Renta Diginad und kein Bono Juana Azurduy“ (= verschiedene Boni bzw. Altersrenten). Alan Garcia, Präsident von Peru, bläst am 28. Oktober 2007 ins gleiche Horn:“Und ge-gen die Ausbeut¬ung des Petrols hat man die Redewendung vom unantastbaren Urwald geschaffen,... damit Millionen von Hektaren nicht durchforscht werden dürfen und das peruanische Erdöl unter der Erde bleibt“.18. April Die Verfassungsgebende Versammlung erlässt in Monte Christi das Mandato Minero, welches die Minenkonzessionen in Wasser¬quellgebieten für ungültig erklärt.25. April Iamgold teilt mit, zusammen mit sieben andern Gesell¬schaft¬en (Au-relian Resources Inc., Cornecstone Capital Resources, Corriente Resources, Dy-nasty Metales & Mining, Ecometales Limite, International Minerales y Salazar Resources) Präsident Correa und hohe Regierungs¬beamte getroffen zu haben, mit dem Ziel die Zukunft des Bergbaus in Ecuador und die Auswirkungen des Mandato Minero zu diskutieren. Das Pressecommuniqué von Iamgold ergänzt:“-Der Präsident hat die Minen¬gesellschaften eingeladen, sich mit dem zuständi-gen Minister zu tref¬fen, um bei der Formulierung des neuen Gesetzes über den Bergbau, mit dessen Ausarbeitung ab 28. April 2008 begonnen wird, mitzu¬ar¬-beiten“. Es stellt sich also heraus, dass das Bergbaugesetz auf dem Tisch der transnationalen Minengesellschaften gemacht wird, unter ihrem Diktat. Und was wird aus der Souveränität, die der Präsident stän¬dig ins Feld führt? (siehe www.iamgold.com and through).28. Mai Grossaufmarsch der Mitglieder der Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay durch die Hauptstrassen der Provinzhauptstadt Cuenca. Verlangt wird die Erfüllung und Durchsetzung des Mandato Minero, welches die Konzessionen in Wasserquellgebieten aufhebt.

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20. Juli Als Antwort auf den Widerstand gegen den Bergbau und die Konstruktion einer Raffinerie für Schweröle äussert sich Präsident Correa:“Ich sagte es schon öfters, die grösste Gefahr für unser Projekt geht von jener infantilen Linken aus, diesem infantilen Ökologismus (...) Aber, wie können wir jene Lügner, die uns nun schon so häufig betrogen haben, zur Raison zwingen, und wie jene Funda-mentalisten, die immer Nein zum Bergbau sagen (...)? Ich halte ihnen gegenüber fest, wir sind die wahren Umweltschützer, wir lassen uns aber nicht lächerlich mach¬en. Wir betreiben keinen rückwärts gerichteten Kult (...). Man muss, ich bestehe darauf, diese absurden Fundamentalisten als verkappte Links¬radikale und Ökologisten in die Schranken weisen. Ich glaube ein Um¬welt¬schützer und Linker zu sein. Ich sage Ihnen: die schlimmste Gefahr für unser Projekt sind diese radikalen infantilen Compañeros (...)“.18. Oktober Die Sistemas Comunitarias de Agua del Azuay rufen die Basis zum Widerstand gegen die Verabschiedung eines neuen Bergbau¬gesetzes auf.18./19. Dezember Der Widerstand setzt sich fort mit der Schliessung der Pana-mericana Süd in der Provinz Azuay, angesichts der kurz bevor¬stehenden Anna-hme des überfallartig vorgelegten Bergbaugesetzes ohne gesetzesvorgängige Volksbefragung der betroffenen Gemeinden.20095. bis 8. Januar Am Vorabend der Annahme des Bergbaugsetzes durch die Natio-nale Verfassungsgebende Versammlung erhebt sich im Süden Ecuadors ein Au-fstand mit Blockaden der Panamericana Süd, sodass die Provinz Azuay von den übrigen Provinzen im Süden und von Nord-Peru abgeriegelt wird. Die Schliessung der Ausfahrtstrassen im Norden von Cuenca schneidet den Zugang zur Küstenre-gion ab. Ebenso zum Amazonasgebiet.

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Die Repression der Regierung ist extrem. Die Konsequenz: 30 Verhaf¬tete, darunter auch Frauen und Minderjährige.Nebst den Verhafteten werden drei Gemeindemitglieder notfallmässig ins regio-nale Spital eingeliefert: Pablo Cochancela mit einer Fraktur im Gesicht und am rechten Oberkiefer; Iván Villa mit schweren Gesichts¬verletzungen durch eine Tränengasbombe; Angel Rodas, der Betreiber des Sistema Comunitario de Agua von Tarqui – Victoria del Portete wird am schwersten, durch einen Kopfschuss, verletzt und muss einen chir¬urg¬ischen Eingriff am Gehirn über sich ergehen lassen, mit ungewisser Prognose.

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Die Repression war extrem. Mehr als 400 Polizisten und Spezialeinheiten des GIR, der GOE und aus Machala und Guayaquil beigezogene Kom¬man¬dos waren – auch mit Hunden – im Einsatz. Sie drangen auch in die Wohnungen der Bauern von Tarqui ein und richteten Schäden an. Alles unterstützt durch bedrohliche Helikopteranflüge, Busse, Polizei-Geräte und -Fahrzeuge, die bei Meutereien zum Einsatz kommen.Zehn Wasserbenützer beginnen einen Hungerstreik, unterstützt von Salvador Quishpe, ab 2010 Präfekt der Provinz Zamora Chinchipe, vor dem Gerichtshof in Cuenca.Während es landesweit brodelt, wird der Leiter Carlos Pérez Guartambel, von der Polizei gesucht, festgenommen, fortgeschleift und gefoltert und zwar von 30 Gendarmen der GEO bei hellichtem Tag im Zentrum von Cuenca, angesichts der erschrockenen Bürgerschaft und Medien. Gravierender Vorfall, weil durchgeführt ohne richterlichen Haftbefehl und verfassungsmässige Grundlage.10. Januar Das Parlamet erlässt das Bergbaugesetz und fünf Tage später setzt es Präsident Correa in Kraft. Die Gemeinden erklären nach einem heroischen Kampf trotz des Bergbaugesetzes:“ Wir haben eine Schlacht verloren aber nicht den Krieg. Der Widerstand geht weiter“.16. Januar Angesichts der Opposition gegen das neu erlassene Berg¬bau¬gesetz sagt Präsident Correa:“... wir sagten immer, dass die grösste Gefahr für unser politisches Projekt, nachdem nun sukzessiv an den Ur¬nen die politische Rechte ausgeschaltet wurde, im linken Getue (izquierdismo), in der Umweltschützerei und im infantilen Eingeboren¬wahn (indigenismo) besteht. Schade, dass wir uns davon täuschen liessen“.27. Februar Präsident Correa besucht die Kirche in Victoria del Portete zum Ge-denken an die Schlacht von Tarqui 1829, wo er die Verteidiger der Wasservor-kommen aufreizt und sie als Verrückte, Ruhestörer und als Höhlenbewohner ab-qualifiziert. Worauf die Einwohnerin Maria Manuel Tube mit fester Stimme ruft:“ Correa, Verräter, Lügner“, was Prä¬sident Correa veranlasst, ihre Festnahme an-zuordnen.15. März Die Benützer der Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay sammeln Unterschriften und Kopien der Identitätsausweise der Bürger, um eine Klage we-gen Verfassungswidrigkeit des Bergbaugesetzes ein¬zureichen.9. April Die Wasserbenützer schliessen die Strassen in der Provinz Azuay, im Moment, wo der Dialog, dem man misstraut, zwischen der Regierung und der CONAIE einsetzt.30. Mai Die Unión de Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay unter¬breiten dem Verfassungsgericht in Quito eine Klage wegen Verfass¬ungs¬widrigkeit des Bergbaugesetzes.20. August In Cuenca beginnt eine Massenmobilisierung, die sich an-schliessend auf ganz Ecuador ausbreitet, gegen das Projekt eines nach¬teiligen Wasserge-setzes und gegen den Bergbau.8. Oktober Iamgold stellt gewaltige Forderungen gegenüber SENAGUA betre-ffend Wasserrechte für den Betrieb des Bergbaus und will damit den Gemeinden der Parroquias Tarqui, Victoria del Portete, San Gerardo y Chumblín das lebens-notwendige Wasser streitig machen, das für den Hausgebrauch, für das Tränken der Tiere und die Bewässerung ihrer Kul¬turen und für ihre Ernährungsicherheit völlig unerlässlich ist.15. November Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay moblisieren vor der Dirección Regional de Mineria und verlangen die Erfüllung des Mandato Minero

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beim Verfassungsgericht und ein Urteil über die Verfassungswidrigkeit des Ber-gbaugesetzes. Der Präsident des Verfassungsgerichts schlägt die Bildung einer Kommission vor, die Kimsakocha besucht, bevor ein Urteil ergeht. (Was aber nie geschah).201012. Januar Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay verlangen von den Städten Cuenca und Girón, vom Consejo Provincial del Azuay, vom Ministerio del Ambiente und von ETAPA die Bildung einer tech¬ni¬schen Equipe, um die nötigen Informationen zu sammeln und einen technischen Bericht zu erstellen, damit Kimsakocha in die Liste von Ramsar aufgenommen wird; auch, damit die notwendigen Schritte unter¬nommen werden, um den Paramo und die Feucht-gebiete von Kimsakocha zum Kultur- und Naturwelterbe zu erklären.3. März Die Gemeinden und die Wasserbenützer mobilisieren für eine Massenve-ranstaltung gegen den Bergbau zur Verteidigung ihres Was¬sers, damit ins neue Wassergesetz ein Artikel aufgenommen wird, der Ecuador vom Bergbau befreit oder zumindest Bergbauaktivitäten in Was¬ser¬quellgebieten verbietet.26. März Das Verfassungsgericht tritt nicht auf die Klage wegen Ver-fassungswi-drigkeit des Bergbaugesetzes, ohne vorher - wie zugesagt - eine Kommission für einen Augenschein in Kimsakocha gebildet zu haben, und ohne die technischen Umwelt-Kriterien bei kompetenten Organisationen und Personen einzuholen, welche ausschlaggebend für die Beurteilung der Frage der Verfassungswidrigkeit sein könnten. Statt dessen versucht das Gericht sein Nichteintreten mit einer Empfehlung an die Verfassungsgebende Versammlung zu kompensieren, damit diese eine Norm erlasse für die gesetzesvorgängige Volksbefragung aller Betro-ffenen vor Erlass zukünftiger Gesetze.7. April Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay führen erneut eine grosse Mobilisierung in Cuenca zur Verteiding ihres Wassers und gegen den Bergbau durch.

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8. April Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay nehmen an der nationalen Massenveranstaltung in Quito gegen das Projekt eines neuen Wassergesetzes teil.Der Widerstand gegen das neue Wassergesetz, das den Bergabbau weiterhin zulässt, insbesondere in Quellwassergebieten, geht weiter. Fortgesetzt werden auch die Klagen beim Verfassungsgericht wegen Nichterfüllung des Mandato Mi-nero. Ebenso die internationale Klage gegen den verfassungswidrigen Erlass des Bergbaugesetzes vor der Comisión Interamericana de los Derechos Humanos .4. Mai Die Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay nehmen ihr Recht auf Wi-derstand wahr und blockieren die Strassen in Azuay, während die CONAIE die Na-tionalversammlung in der Hauptstadt Quito in Beschlag nimmt. Am selben Tag, bei der Hauptstrassenverzweigung, dem „Y“ bei Tarqui, werden im Rahmen eines brutalen Polizeizugriffs die Führer Carlos Pérez, Federico Guzmán und Efraín Arpi festgenommen. Gleichzeitig werden auf der Autostrasse Cuenca-Molletura, auf der Höhe von San Joaquin, Pablo Quezada und Isaac Lojano festgesetzt. Nach dieser Festnahmen radikalisiert sich die Schliessung der Strassen u. a. in Girón, Santa Isabel, Nabón, Vichtoria del Portete und Tarqui.Am Nachmittag des gleichen Tages verfügt ein unbekannter Richter in Cuenca, unter Druck der Landesregierung, die vorsorgliche Inhaftierung der Führer we-gen Sabotage und Terrorismus.

5. bis 7. Mai Die Proteste radikalisieren sich im ganzen Land und das Parlament krebst einen Schritt zurück: Mangels genügend Stimmen wird das Wassergesetz nicht beschlossen. Am Abend des 7. Mai 2010 verfügt Dr. José Vicente Andrade, Präsident des Gerichtshofs von Cuenca, die Freilassung der Verhafteten, im Ans-chluss an das Frei¬lass¬ungsbegehren der Advokaten Bruno Segovia und Luis Alberto Guerrero, Verteidiger der „Terroristen“, während Hunderte von Comune-ros den Gerichtshof von Cuenca umstellen.

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8. Mai Die Führer von CONAIE, Marlon Santi, und von ECUARUNARI, Delfín Tene-saca, kommen nach Cuenca, um an der ersten plurina¬tio¬nalen Parlaments-versammlung der südlichen Volksstämme teilzu¬nehmen. Man beschliesst, den Protest gegen das perverse Wasser¬gesetz zu radikalisieren.11. Mai Ecuador wacht verstört auf und sieht sich überall mit Strassen¬sperren in den Bergen konfrontiert. In der Provinz Azuay tagt erneut die plurinationale Parlamentsversammlung der Volksstämme, mit Teilnahme von kirchlichen Ba-sisorganisationen, präsidiert von den Priestern Ángel Lobato, Teodoro Delgado, Juan de la Cruz Rivadeneira und Kléver Pañi, und mit Mitgliedern der Gemein-dewassersysteme, mit lokalen Auto¬ri¬täten, Studenten, Umweltschützern und Vertretern aus den sozialen Sektoren.12. Mai Der Widerstand der Indigenas wächst. Die Regierung ertrinkt in einem Meer von Protesten und ist auf verlorenem Posten, da sie die nötige Zahl der Stimmen nicht aufbringt, um das neue Wassergesetz im Parlament zu verabs-chieden. Es wird ins Feld geführt, die Regierung habe das Recht auf die geset-zesvorgängige Volksbefragung nicht ein¬ge¬halten und somit der Kampf für das Wasser nicht eingestellt werde, was die politische Stabilität der Regierung Correa bedroht.16. Juni Die Federación de Organizaciones Indigenas y Campesinos del Azuay (FAO) und die Unión de Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay, begleitet von sozialen Bewegungen, präsentieren dem Verfass¬ungs¬gericht eine Beschwer-de wegen Nichterfüllung des Mandato Minero, das festhält, dass alle Minenkon-zessionen in Quellwasser¬gebieten aufgehoben sind.10. August Im Bericht zur Lage der Nation sagt Präsidenten Correa:“... schon vor langer Zeit lernte ich, mich nicht selber zu betrügen und ich bekenne, dass ich

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zutiefst enttäuscht bin durch soviel Doppelmoral. Hier haben wir den Tod von Bosco Wisum und da die angeblichen Verteidiger der Menschenrechte, bewehrt mit hehren Prinzipien. Aber, was sie ef¬fek¬tiv machen, ist, ihre Dogmen und Fundamentalismen zu verteidigen, so dass die Polizei schuldig ist, bis das Gegen-teil bewiesen ist, während jeder beliebige Unverantwortliche, der sich indigener oder sozialer Führ¬er nennt, unschuldig sein soll. So wird alles ins Gegenteil ver-kehrt. Alles unter der Schminke von hochtrabenden Wörtern wie „Widerstand“ oder „sozialer Protest“. Ich habe gesehen, wie sich jene zu Verteidigern der Pa-chamama hochstilisieren und mit viel Überheblichkeit glauben, sie seien die ein-zigen, die sie schützen können. Es sind dieselben, die die Strassen blockieren, indem sie Bäume fällen, von denen sie behaupten, dass sie sie schützen...Ich habe gesehen, wie sie sich absurd verhalten, wenn sie den Bergbau im grossen Stil zurückweisen, aber demagogisch den Bergbau der kleinen Mineure akzeptie-ren, der viel umweltver¬schmutz¬ender ist“.25. Oktober Die Gemeinden, die ihr Wasser verteidigen, gehen nach Kimsakocha hinauf, um die Beschützerin ihres Wassers, die Jungfrau von Kimsakocha, nahe an den Seen aufzustellen. Sie werden von Prie¬stern begleitet, die das Wasser verteidigen und nationalen Führern der Indigena-Bewegung. Tags darauf stehlen Schänder des Glaubens das Bildnis... und nach einem Monat intensiver Suche, wird es in der Tenen¬cia Politica von San Gerardo entdeckt. Mit noch mehr Glau-ben und Kraft kehren alle zurück in die Berge, um die Jungfrau und Beschützerin des Wassers erneut am Ufer des Bergsees von Kimsakocha aufzustellen.19. Dezember Die Unión de Sistemas Comunitarios de Agua (UNAGUA) und die Federación de Organizaciones indigenas del Azuay erheben Klage vor der Comi-sión Interamericana de Derechos Humanos, weil das Bergbaugesetz ohne geset-zesvorgängige Volksbefragung erlassen wurde und deshalb Verfassungsbestim-mungen und die ILO-Konvention 169 verletzt.201120. Januar Die Sistemas Comunitarios de Agua und andere Sozial¬sektoren ve-reinbaren, ein Kontinentaltreffen für das Wasser und die Pachamama duchzu-führen.22. März Wie alle Jahre, feiern die Sistemas Comunitarios de Agua den Welttag des Wassers mit einem Massenaufmarsch und künden das Kontinentaltreffen für das Wasser und die Pachamama an.22. bis 24. Juni Cuenca de Guapondélig ist der Tagungsort der Völker des Abya Yala für das Wasser und die Pachamama. 2’700 Personen aus 26 Ländern des Kontinents und aus Europa nehmen daran teil. An die¬sem Treffen konstituiert sich das Tribunal Ético (Ethikgericht), vor dem 189 Personen auftreten, die durch ihre Regierungen angeklagt wurden, weil sie das Wasser verteidigten (www.aguapachama.org.).2. Juli Die Regierungsmacht besetzt das kommunale Wasserwerk, das sein Was-ser von Kimsakocha via den Fluss Irkis bezieht, um die Bevöl¬kerung zu demo-bilisieren und zu bedrohen und den Weg für die Berg¬aus¬beutung durch die transnationalen Gesellschaften zu öffnen.4. Juli Es bildet sich eine Kommission mit den Ratsmitgliedern Lauro López, Lau-ro Pesantez, Carlos Orellana, Jorge Luis Idrovo und der Defen¬soria del Pueblo (= Ombudsman, Beschwerdebeauftragter). Später kommen hinzu: Patricio Vega, Cesar Zea von der Asociación de Dere¬chos Humanos und Delegierte von ETAPA sowie die Junta Parroquial von Tarqui und Victoria del Portete und Vertreter des Sistema Comunitario Tarqui und Victoria del Portete. Ihr Ziel ist, einen Ausweg

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aus dem Kon¬flikt zu finden.6. Juli Die Wasserbenützer vertreiben nach langen und intensiven Ge¬sprä¬-chen die Militärs aus dem Trinkwasserwerk und bestärken sich in ihrem Widers-tand zur Verteidigung des Wassers von Kimsakocha.

4. August Mitglieder der Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay werden vom Consejo Cantonal empfangen und bitten um folgendes:1. dass alle Wasserquellgebiete im Kanton Cuenca, u. a. Kimsakocha, von jeder Art von Bergbau und allen menschlichen Eingriffen, die diese empfindlichen Zo-nen beeinträchtigen, befreit werde.2. dass durch eine Resolution des Consejo Cantonal die Zonen Kimsa¬kocha, Rio Blanco, Aguarongo (Santa Ana, Quingeo und andere Parro¬quias) als Ve-getations-Zonen und geschützte Wälder, als Quell- und Wassersammelgebiete bezeichnet werden, die den Wasserhaushalt regeln und damit das Leben für die heutige und zukünftige Genera¬tionen garantieren, für die Menschen von Cuen-ca und in der Provinz Azuay. Deshalb dürfen die Gebiete nicht für rein wirtschaft-liche Zwecke und schon gar nicht für den Bergbau missbraucht werden.3. dass Studien durchgeführt und Inventare erstellt werden von der Biospähre u. a. von Kimsakocha, Rio Blanco, Aguarongo, Sunsun-Yanasacha, um sie in die Lis-te der geschützten Feuchtgebiete von Ramsar aufzunehmen gemäss der an den Alcalde von Cuenca, den Geschäftrsführer von ETAPA, den Präfekten von Cuenca und ans Um¬welt¬ministerium gerichteten Petition vom 4. Februar 2010.5. dass das Municipio von Cuenca als autonome lokale Regierung die Erfüllung des Prinzips der freien gesetzesvorgängige Volksbefragung bei der Landesre-gierung einfordere, wie sie durch Verfassung und inter¬nationale Instrumente garantiert ist.4. dass zugleich die Quellgebiete der westlichen Kordilleren von Cuenca, insbe-sondere Kimsakocha, dem Nationalpark Cajas angegliedert und Kimsakocha zum Kultur- und Naturwelterbe wird.15. August Die Versammlung des Sistema Comunitario Tarqui und Victoria del Portete kündet an, dass sie eine Volksbefragung durch¬führen werde, ob für den Bergbau im Paramo von Kimsakocha eine Bewilligung erteilt wird oder nicht.1. Oktober Auf einer halben Seite der Zeitung El Mercurio von Cuenca wird eine offizielle Pressemitteilung publiziert, unterzeichnet vom Gobernador de Azuay, die die Bevölkerung davor warnt „an der Volks¬befragung, die illegal und ver-

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fassungswidrig“ sei, teilzunehmen. Bereits in der Nacht zuvor haben die Minen-gellschaft und die Regierung tau¬sen¬de von Flugblättern in Tarqui und Victoria del Portete verteilt, mit dem Aufruf, an der Volksbefragung nicht teilzunehmen. Damit zeigte die Regierungsgewalt ihre Nervosität angesichts der bevorstehen-den Volks¬befragung und dem Nein zum Kimsakocha-Bergbau an den Urnen.2. Oktober Es erscheint ein an die Landesregierung gerichtetes öffent¬liches Manifest in der Zeitung El Mercurio, unterschrieben vom Alcalde und 15 Rats-mitgliedern von Cuenca, die von der nationalen Regierung ein Moratorium der Unterschriften unter die Bergbau-Verträge im Gebiet von Cuenca verlangen.

v2. Oktober Die Benützer des Sistema Comunitario Tarqui und Victoria del Porte-te gehen trotz Beschimpfungen, Alarmierung und der Droh¬ungen seitens der nationalen Regierung massiv an die Urnen. Sie sind sich dabei bewusst, freiwi-llig an der ersten freien gesetzesvorgängigen Volksbefragung in der Geschichte Ecuadors teilzunehmen, unter Kon¬trolle von 15 nationalen und internationalen Beobachtern, gemäss den Normen der ehrbaren Verfassung von Monte Christi, gemäss der ILO-Konvention 169, gemäss der UN-Deklaration der Rechte indige-ner Völ¬ker vom 13.9.2007 und gemäss eigenen internen Normen der Gemein¬-de. Das Resultat der Abstimmung: klare 93% sagen NEIN zu Bergbau-Aktivitäten in Paramo- und Wasserquellgebieten in Kimsakocha.26. Oktober Präsident Correa, aufgeschreckt durch die Resultate der Gemein-de-Konsultation, welche eine totale Opposition gegenüber der Bergbau-Indus-trie darstellt, kommt nach Kimsakocha, um zu versuchen den Widerstand der Gemeinden zu brechen und befiehlt Leonardo López, den Präsidenten der FAO, festzunehmen. Der gewaltfreie Wider¬stand der Gemeindemitglieder, die die Wipala (die Fahne des Abya Yala) und das Blaue Tuch tragen, das den unaufhör-lichen Kampf für das Was¬ser symbolisiert, kontrastiert mit der massiven Mili-tärpräsenz, die allein durch ihr Vorhandensein einen aggressiven Akt gegenüber dem Ge¬mein¬de¬frieden darstellt. Der ausbeuterische abendländische Kapi¬

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ta¬lis¬mus zeigt sein Gesicht: Eroberung und Unterwerfung der Natur und ihrer Kinder, seine Gier ist widernatürlich... die zivilisatorische Krise ist eine Warnung. In diesem geschichtlichen Moment ist es ein Gebot der Stunde, wenn du forts-chrittlich, Demokrat, Revolutionär, Humanist zu sein behauptest, die Pachama-ma nicht zu attackieren, die hingebungs¬volle Mutter der Gemeinden. Die Tei-lnahmslosigkeit lässt die Herzen erfrieren. Komplizenschaft ist ein Verbrechen, aber wenn du um die Folgen weisst, dann ist es ein doppeltes Verbrechen. Wenn du dein Leben wahrhaftig liebst und das deiner Kinder, dann fang an, der Pa-cha¬mama mit Ehrfucht zu begegnen. Erinnere dich an das Gesetz des Ayni (der Reziprozität): du erhälst, was du gibst...Wir sind uns bewusst, dass der Kampf nicht einen Tag und nicht ein Jahr dauert. Wir gehen damit schon ins nächste Jahrzehnt und die Zeit zieht weiter ins Land, solange wir nicht die zivilisatorische Krise überwinden und mental das Paradigma des „Fortschritts“ und den Neokolonialismus nicht verändern. Der Kampf ist ni-cht eine Frage der Geschwindigkeit sondern des Widerstands. Unsere Vorfahren lehrten uns zu widerstehen. Deshalb sind wir hier. Kämpfend sind wir geboren, kämpfend leben wir weiter, kämpfend werden wir sterben. Im Kampf sterben, heisst leben.201215. Januar Die PNUD schickt eine Abordnung zu den Kimsakocha-Gemeinden, um Zeugnisse über die erste Volksbefragung in Ecuador zu sammeln und befragt An-führerinnnen und Anführer der dreizehn ihr Wasser verteidigenden Gemeinden.20. Mai Die dokumentierten Zeugnisse über die Volksbefragung wer¬den der Generalversammlung der UN in New York als beispielhafte Praxis sozialer Teilha-be beim Aufbau von Demokratie unterbreitet.14. August Drei Verteidiger des Wassers und Führer des Anti-Bergbaus (Carlos Pérez Guartambel, Federico Guzmán und Efraín Arpi) werden wegen Terrorismus angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil sie das Wasser verteidigt

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haben. Auf starken und geschlossenen gesellschaftlichen Druck hin ändern die Richter ihren Entscheid und reduzieren die Strafe auf acht Tage mit der Begrün-dung, dass ihr Kampf ehrbar und uneigennützig ist.14. November Iamgold verkauft seine Konzession an INV Metals Inc. Die Mehrheit des Aktienpaketes von INV gehört weiterhin Iamgold.201321. März Die drei verurteilten Anführer treten ihre Gefängnisstrafe begleitet von hunderten von Personen an. Sie halten während acht Tagen ausserhalb des Gefängnisses Wache. Er verlor seine Freiheit am Vorabend des Welttages des Wassers. Peréz wurde bereits im Januar 2009 festgenommen, als er gegen das Bergbaugesetz protestierte. Ein Jahr später, im Mai, wurde er erneut in Tarqui festgesetzt, mit Federico Guzmán und Efraín Arpi, während ihres Protestes ge-gen die Minenausbeutung. Der auf Umwelt- und Strafrecht spezialisierte Jurist verteidigte sich selber. Im Verlaufe seiner Verteidig¬ung verlor er seine Weg-gefährtin und Frau, Verónica Cevallos, Mutter seiner zwei Töchter, die an Krebs starb. Vor ihrem Tod schrieb sie ein Gedicht (siehe Den Verteidigerinnen und Verteidigern des Wassers von Kimsakocha). Peréz ging ins Gefägnis nicht um zu schweigen. Seine Gefangenschaft ist ein Tropfen im Meer des Wider¬stands. Das Recht der Gemeinschaft zum Widerstandes ist in der Ver¬fass¬ung nieder-gelegt. „Ich wünsche niemandem diese Last des Gefängnisses. Niemand will aus seinem Heim herausgerissen werden, das gerade jetzt für meine beiden beunru-higten Kinder nichts als Leere ist. Ich weiss, dass dieses Urteil als Warnung dient und alle jene einschüchtern kann, die protestieren wollen. Ihnen sage ich, weint nicht für die, die kämpfen, kämpft für die, die weinen“.(http:www.vistazo.com/imprea/pais/imprimir.php?Vistazo.com&id=5915 1/1)

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18. April Carlos Peréz Guartambel wird zum Präsidenten der Confederación de Pueblos Kichwas del Ecuador (Ecuarunari) gewählt, auch zum Zeichen der na-tionalen Besorgnis der Völker für die Verteidig¬ung des Wassers. Dadurch hat Guartambel auf nationaler Ebene dem Widerstand gegen die Minenausbeutung ein Gesicht gegeben.201421. März Mehr als vierzig Dorfgemeinschaften, im Widerstand gegen den Berg-bau und zur Verteidigung des Wassers von Kimsakocha, feiern zum ersten Mal Yakumama Raymi, das Fest der Mutter Wasser für den Paramo von Kimsakocha, in Cuenca mit rund tausend Teilnehmenden.29. November Pamela O’Donell, Botschafterin von Kanada, besucht Kimsakocha, um den Widerstand der Bevölkerung für den Paramo und die Wasserquellen eins zu eins zu erleben und nimmt einen Eindruck mit nach Hause, der von den Dars-tellungen der Bergbauunternehmer erheblich abweicht.201529. Janurar Vor zweinhalb Jahren wurden beim Consejo Nacional Electoral (natio-naler Wahlrat) bzw. anschliessend beim Verfassungs¬gericht Formulare für die Durchführung einer Volksbefragung verlangt. Nach einer 2 ½ jährigen Wartezeit erhalten die ihr Wasser von Kimsa¬kocha verteidigenden Gemeinden endlich die offiziellen Formulare, um 10% der Unterschriften der Wahlberechtigten des Kantons Girón zu sammeln, damit eine Volksbefragung ermöglicht wird mit der Frage:¬“Sind Sie mit der Durchführung von Bergbauaktivitäten in den Paramo¬-gebieten und im Wassersystem von Kimsakocha einver¬standen?“Anfangs März wird die Kampagne zur Unterschriftensammlung mit einem Fes-takt der Verteidiger und Verteidigerinnen des Wassers von Kimsakocha in der Stadt Girón gestartet.

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5. Der Kampf für das Wasser im Süden Ecuadors

Die Harmonie in KimsakochaVor dem Eindringen der Bergbauindustrie, mit ihrem zivilisatorischen Herrs-chaftsanspruch, ins Heiligtum von Kimsakocha (= Drei Seen), schmiegten sich die Mäander des Wassers, langsam und sacht vom Jatun Urku (= Grosser Berg) herunterfliessend, in die endlos weite Hoch¬ebene. Rehe, Hasen und Pumas wa-ren in dieser dichten Stoppel¬gras¬landschaft zu Hause unter den aufmerksa-men Augen der Killikus, Kurikinkes und Kondore, die vom Himmel aus die Quelle des Lebens bewachten. “Zahm waren diese Tiere, von ganz nahe konnten wir sie beobachten“, erzählt José Pérez Tacuri, ein 94jähriger Mann aus der Ge¬mein¬-de von Escalera-Tarkis. Wehmütig sehnen sich die alten Säumer und Hirten nach ihrem unermesslichen und vertrauten Paramo, den sie wie ihre Handfurchen le-sen.

Alles war still und gemeinschaftlich, bis das Wort „Entwicklung“ in den Ohren der Menschen widerhallte und die Goldbeutel von Iamgold klin¬gel¬ten, ge-hätschelt von Lakaienregimes, die unter Preisgabe der Kultur, der Kosmovision und der kosmischen Lebensführung den natürlichen Lebenskreislauf zerstören und mit Feuer und Blut in der Umgebung von Cuenca de Guapondélig den Me-ga-Bergbau durchpeitschen wollen, in einem Gebiet, wo tausende von Menschen

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ohne Überfluss, aber ge¬stützt auf ihren Gemeinschaftssinn und ihren uralten Grundsatz der Gegenseitigkeit*) zusammenleben mit der Allpamama (= Allmu-tter), mit Wirakocha (= Gott, Wesen des Wassers) und mit ihren Brüdern und Schwes¬tern: Luft, Feuer, Pflanzen und Tieren. Mit ihnen teilen wir den gemein-samen Lebensraum in Ehrfucht, Hingabe und Opferbereitschaft.*) Das Gesetz der Reciprocidad (Gegenseitigkeit) oder Ayni beeinhaltet: „gebt und nehmt“, mehr geben und weniger nehmen, Hände die geben und erhalten, erntet was ihr sät; von da entsteht und wächst immer weiter die Solidarität, die Nach¬giebig¬keit, die Wechselseitigkeit, die Gemeinschaft und der Gemeins-chaftsbesitz, die Minka (= gemeinsame Freiwilligenarbeit), die Einheit, Kraft, Spi-ritualität, Heiterkeit, der Kampf, die Aktion, das Leben und die Liebe.

Dann begann die Minengesellschaft Almosen zu verteilen: Rohr¬leit¬ungen, Ze-ment, Computer, baute Fussballplätze, Schulaulen und sie finanzierte sogar eine Kapelle – in Corral Pampa – obwohl dort schon eine vorhanden war. Ihr Ziel war, Zwiespalt zu säen, mit dem Glauben der Bevölkerung, die zutiefst religiös ist, zu spielen. Nichts ist gratis im Leben. Alle: solche, die bewusst und solche, die in den Tag hinein leben, werden erwischt, Naive und Leichtgläubige. Jede Per-son hatte ihren Preis, Autoritäten und öffentliche Angestellte. Sie beschmutzten ihre Ehre. Mit Checks von Iamgold in der Tasche reisten sie nach Kanada, Chile, Peru, um die „Vorzüge“ des „verantwortungsvollen Bergbaus“ zu bewundern. Die Universitäten standen dem in nichts nach und liessen sich bestechen. Für das Programm Behandlung von Wasser und Boden (PROMAS) erhielt die Universität Cuenca 250’000 Dollar; 2007 kam sie zum Schluss, dass es in Kimsakocha kein unterirdisches Wasser gibt. Noch eine Frage?Dieser üble Handel hörte nicht auf. Das Volk wurde mit Propaganda überhäuft. Einige handelten für sich Geschäfte aus, andere Berater¬aufträge, wieder ande-re wurden mit Reisen, Anstellungen, Banketten, Ferienaufenthalten, Stipendien und Geschenken geködert und der grosse Rest durfte die Brosamen, die vom Tisch fielen, auflesen. Alle haben ihr Gewissen und ihre Ehre verloren. Viele liefen in die Falle ihres Ehrgeizes. Gemäss Quellen von Iamgold wurden 43 Mio Dollar von 2003-2011 in die Erforschung und Entwicklung investiert, davon 2,3 Mio in

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die Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Dies erklärt, weshalb viele Einwohner weit mehr die Interessen der Minengesellschaften als die ihrer eigenen Mutter Erde verteidigen. Es wäre schön, wenn die multinationale Gesellschaft darleg-te, gegen welche Gegenleistung Präsident Correa den Minengesellschaften er-laubt, seine öffentlichen Verlautbarungen zur Förderung des Bergbaugeschäfts zu verwenden.Es waren die unbeugsamen Indigenas und die Bauern, die die hinter¬listige Ber-gbau-Bürokratie nicht um den Finger wickeln konnte. Ihre Weisheit alarmierte sie als Verteidiger des Wassers vor der Gefahr der weltweit schmutzigsten Indus-trie. Die Gemeinschaft war beunruhigt, überprüfte, forschte nach, sensibilisierte und organisierte sich und ent¬fachte den Docht der natürlichen andinen Widers-penstigkeit und stellte sich ohne Aufschub und mit ungleich langen Spiessen dem rastlosen Kampf gegen die „Heilige Allianz“ der Diktatur der Minengesell-schaften und der servilen nationalen und lokalen Regierungsleute. Der Kampf wird lange dauern. Je länger er dauert, mit Höhen und Tiefen, um¬so¬mehr wird der schwierige Weg zur eigentlichen Herausforderung des Volkes.

Der strategische Ort von KimsakochaDer Paramo von Kimsakocha nimmt eine überragende Stellung in Süd-Ecuador ein. Sein Ort ist strategisch und sein ökologischer Wert ver¬pflich¬tet, diesen Raum als Wasserspeicher für eine ganze Region zu erhalten. Die ständig he-raufziehenden Nebel bringen grosse Nieder¬schlagsmengen bei niedriger Ver-dunstung. Die hohe Luftfeuchtigkeit bleibt an den Berggräsern der Paramolands-chaft in Form von Milliarden von Regentropfen hängen. Der nasse Untergrund bildet das Wasser¬reservoir für niederschlagsarme Zeiten. Die dichtbewachse-ne Ober¬fläche, die Bodenbeschaffenheit und die orografischen Verhätnisse bil-den einen natürlichen Wasserfilter. Unerschöpflich und gleichmässig fliesst das Wasser von dort - ober- und unterirdisch - in die tiefer gele¬genen Gebiete, wo sich schon seit Urzeiten Menschen angesiedelt hatten: Kañaris und Inkas, heute Dorfgemeinschaften und Städte, die vom unersetzbaren Wasser leben.Es ist wichtig hervorzuheben, dass alle Ausläufer von Kimsakocha eine gros-se Ähnlichkeit mit dem angrenzenden Gebiet im Südwesten der westlichen An-denkordillere aufweisen. D. h. sie bilden einen Teil eines ausgedehnten Raumes mit identischen geohydrologischen und ökolog¬ischen Eigenschaften, mit sehr grossen Wasservorkommen und Biodi¬ver¬sität, anschliessend an die Bosques y Vegetación Protectora ((BVP) = Wald- und Vegetations-Schutzgebiet) von Mo-lleturo y Molle¬pungo und von Sunsun-Yanasacha, Totoracocha, Yungilla y Ma-zan, die als Patri¬monio Forestal del Estado gelten. Ebenso schliesst dieser Teil an den Nationalpark El Cajas an. Zusammen bilden sie die grössten Wasser-re-serven für die Stadt Cuenca und die ganze Region. Paradoxerweise befinden sich hier auch die grössten Bodenschätze, insbesondere Gold, analog wie in El Cajas, wo mit Sicherheit wegen der identischen geo¬hydro¬logischen Struktur eben-falls Gold, Silber, Kupfer, Molybdän und andere Mineralien wie Uran vorkommen.In den Kordilleren gilt die Maxime: wo es Wasser hat, da ist auch Gold. Der Schöp-fer stellt die menschliche Weis- und Klugheit auf die Probe: Wollt ihr Gold oder Wasser?

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Cuenca de Guapondélig in den AndenEs scheint, dass die eingeborenen Lebensgemeinschaften des Abya Yala keine einheitliche Bezeichnung für diese Ökosysteme in den Bergen hatten. Im Tawan-tinsuyo (= Inka-Reich der vier Suyos) kannten die Inka¬gemeinschaften zwei

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Bezeichnungen für diese Höhengebiete: die Antis und die Punas.Der Terminus Antis kommt vom Wort Antisuyo, das sich auf eines der vier Teile des Tawantinsuyo bezieht. Das Antisuyo, nach der Be¬schreibung von Guamán Poma de Ayala, war jenes Gebiet zwischen den Bergen und dem Urwald verbun-den mit dem Symbolismus der Weiblich¬keit, der Nacht, dem Halbschatten, der Wildnis, der Natur, der Unord¬nung und der Naturfreiheit; ihm entsprach als Dualität und Kom¬ple¬men¬tarität das Chinchaisuyo, das Ordnung und Harmo-nie bedeutet; das Collasuyo, mit seinem Bezug zum Maskulinen.Garcilaso de Vega hingegen benutzte den Terminus „antis“, um sich auf die „montaña brava“, die Bergwildnis, nämlich auf die östlichen Berg¬flan¬ken der Kordilleren, zu beziehen. Andererseits spricht der Kichwa-Text Die Handschrif-ten des Huarochiri von zwei „antis“. Wenn der Gott Payacaca spricht, erwähnt er ein „anti“ im Urwald und eines in der Yunga (= die regenreichen Gebiete am Osthang der Kordilleren). Dem¬zu¬folge wissen wir, dass es einen Unterschied gab zwischen dieser Zone des „anti“ und der Zone des peruanischen und bolivia-nischen Altiplanos , das wir heute als Puna kennen.Eine ältere Inkagemeinschaft bezeichnete sich selbst noch mit dem Namen An-tis. Bis um 1600 wurde dann der Terminus Antis, der sich später in Andes (= Anden) verwandelte, von den Inkas ausschliesslich für den Teil der Kordilleren benutzt, die sich von Venezuela bis nach Patagonien hinziehen, aber nicht für das Urwaldgebiet, auch nicht für die gesamten Anden, die das ganze Abya Yala, von Nord- über Zentral- bis hinunter nach Südamerika durchziehen.In der Welt der Eingeborenen wurden die Wohnstätten dort gebaut, wo der Bo-den nicht kultiviert werden konnte. Machu Pichu ist ein Beispiel dafür. Die Berge waren heilige Orte, wo sich das Wasser für die Dorf¬gemeinschaften sammelte. Ihre Seenlandschaften und Feuchtgebiete erfüllten eine ökologische Aufgabe von überragender Wichtigkeit. Wo Seen fehlten, errichteten die Vorfahren Teiche, um die unterirdischen Wasserkanäle zu speisen, die andernorts wieder als Quellwas-ser hervor¬traten. Diese Praxis war vor allem in den südlichen Anden verbrei-tet, wo mehr Trockenheit herrschte als im Norden. Die Wassereinzugsbecken auf den mittleren und niedrigeren Höhenlagen waren schon immer Orte grösserer menschlicher Niederlassungen. Da wurden denn auch Kolonial-Städte gegründet wie Santa Ana de los Rios de Cuenca, wodurch unglücklicherweise Tomebamba (gegründet von den Inkas), vormals Guapondélig (zur Zeit der Kañaris), zerstört wurde.

Tarqui und Victoria del Portete in der GeschichteEinen Teil des unteren Kimsakocha-Beckens bilden die Parroquias Vitoria del Por-tete und Tarqui. Beide haben historische Bedeutung, weil hier die Misión Geodé-sica Francesa 1736 ihre Messungen durchführte, um die Form der Erdkugel zu bestimmen und weil hier 1829 der erste inter¬ame¬ri¬kanische Krieg zwischen Peru und Ecuador stattfand.

Der ökologische Nutzen und Gewinn von KimsakochaWenn der Nationalpark El Cajas für Cuenca de Guapondélig für die Speisung des Rio Tomebamba eine grosse Bedeutung hat, so hat das Kimsakocha-Wasserge-biet eine noch grössere Wichtigkeit, entspringen ihm doch drei Flüsse. Zwei für Cuenca, nämlich der Rio Tarqui und der Rio Yanuncay, und der Rio Rircay für die Kantone Girón, San Fernando, Santa Isabel und die pazifische Küstenzone. We-gen der viel grösseren Zahl von Feuchtgebieten als derjenigen in El Cajas trifft

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die lokalen und nationalen Autoritäten eine historische Schuld, weil sie sich seit 2009 weigern zu beantragen, Kimsakocha auf die Liste von Ramsar für inter¬na-tional bedeutende Feuchtgebiete zu setzen. Ebenso sollte Kimsa¬kocha Teil des Nationalparks El Cajas werden und zum Naturwelterbe erklärt werden.Aus diesem Feuchtgebiet, Sumpf und Hochmoor nähren sich elf Wasser¬becken der Region: Rircay, Zhurucay, Alumbre-Cristal, Falso, Chorro, Kalloancay-Portete, Kiwawayku-Irquis, San Augustín, Tutupali, Zhucay y Bermejos-Yanuncay, ohne den Rio Minas als Zufluss des Rio Jubones, der die Provinz El Oro durchquert, und ohne den Rio Chauca dazu zu zählen, der in den den Rio Gala mündet, mit dem er durch die Provinz Guayas in den Pazifik fliesst.Der Rio Tarqui bringt von den vier Flüssen, die durch Cuenca ziehen, die kleins-te Wassermenge, aber er ist der längste und wichtigste für die Bewässerung der südlichen Periferie des Kantons Cuenca. In dieser Zone werden täglich etwa 250’000 Liter Milch für den Süden und die Küstengebiete Ecuadors produziert. 1985 wurde durch eine völlig ver¬fehl¬te Politik des ehemaligen Centro de Re-conversión Económico de Azuay, Cañar und Morona Santiago (CREA) der Rio Tarqui begradigt und kanalisiert mit schweren umweltmässigen, sozialen, öko-nomischen und kulturellen Folgen. Die meisten Anreiner hatten fortan keinen Zugang zum Wasser, wo sie die Kühe tränken konnten. Die vom Fluss genährten uralten Bewässerungskanäle wurden und sind bis heute zerstört. Die Flusssedi-mente, die bis dahin als natürliche Wasserfilter dienten, wur¬den ausgebaggert und als Sand und Kies für den Betonbau etc. ver¬wendet.Auch der Rio Yanucay entspringt den Feuchtgebieten von Kimsakocha. Vom ihm entnimmt das Stadtwasserwerk von Cuenca im Bereich Sustag 500 Liter pro Se-kunde, was einem Drittel des gesamten Verbrauchs der Stadt entspricht. Bis zum Jahr 2030, wenn die Bevölkerung auf rund eine halbe Million angewachsen sein wird, sind 650 l/s vorgesehen.

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Das Wasser von Kimsakocha für die BewässerungIn der Geschichte haben sich Menschen immer in der Nähe von Was¬ser-vorkom-men angesiedelt. In diesem Gebiet leben tausende von Familien vom Wasser, das zu ihrer Existenzsicherung durch Ackerbau und Vieh¬zucht notwendig ist. Sie haben vor langer Zeit mit Pickel und Schaufeln, in Minkas (in gemeinschaft-licher Freiwilligenarbeit) ihre Bewässerungs¬kanäle gebaut und dem schwieri-gen Gelände und der Unbill des Klimas getrotzt, ohne fremde technokratische Anleitung und ohne die geringste finanzielle staatliche Unterstützung. Was die Vorfahren angefangen haben setzen die heutigen und die zukünftigen Nachkom-men fort. Der Gemeinschaftssinn, heute unterschätzt und verachtet, hat unsere Vor¬fahren beseelt und sie in Minkas Utopien realisieren lassen, die noch heu¬te für private und individuelle Unternehmungen, typisch für die abend¬ländische Kultur, undenkbar wären.Über zwanzig der wichtigsten Gemeinschaftsbewässerungs-Kanälen, viele über zehn Kilometer lang, versorgen über 2’200 Familien.

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Kimsakocha und das TrinkwasserRund 15’300 Familien beziehen aus dem Gebiet der umliegenden Gemeinden von Kimsakocha ihr Trinkwasser. Zudem fördert das Stadt¬wasserwerk aus dem Gebiet Sustag für rund 100’000 Einwohner Cuencas 500 l/s. Bis zum Jahr 2030 sind 650 l/s geplant. Das Wasser¬einzugsgebiet des Rio Rircay versorgt die Stä-dte San Fernando und Girón etc. Bekannt aus diesem Gebiet ist insbesondere der touristisch attraktive Wasserfall Chorro de Girón.

Der Paramo von Kimsakocha und seine BiodiversitätDie Paramos sind Ökosysteme in den Höhen der tropischen Anden Südamerikas, die weltweit eine einzigartige Bioregion bilden. Sie befin¬den sich auf 3’200 bis 4’500 M.ü.M. Ihre Charakteristika sind tiefe Tem¬pe¬raturen, vor allem nachts, mit starken klimatischen Variationen we¬gen der sehr unterschiedlicher Topo-grafie, und einer Luftfeuchtigkeit von durchschnittlich über 80% während des ganzen Jahres. Die älteren Leute erzählen: bis in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts waren die höchsten Erhebungen Kimsakochas immer wieder mit Schnee be¬deckt, was heute, wegen des Klimawandels, nicht mehr der Fall ist. Die kritischste Zeit für eine ausreichende Wasserproduktion ist im Novem¬ber, dann fällt oft auch Hagel, meist von heftigen Winde begleitet.Die Vegetation wird dominiert von Pajonalgras, Mooskissen, von Awarango-Pflan-zen und einer dichten Kinua-Bewaldung. Im Primärwald sind im weiteren anzu-treffen: Duco, Wawal, Surur, Zhadan, Laurel, Jalug, Shiripe, Gañal, Cedro, Arra-yan, Rambran, Kishuar, Pumamaki, Facte etc.Leider ist das Gebiet Kimsakocha bezüglich Biodiversität noch kaum er¬forscht. Inventarisiert wurden bisher 380 Pflanzenarten, davon 30 ende¬mische mit ei-ner Vielfalt von Polylepis. Man zählte rund 20 Säuge¬tier- und 44 Vogelarten, darunter den Kondor, und eine grosse Zahl von Amphibienarten (Siehe Interview im El Comercio vom 6.11.2006, S. 16, mit Raffaella Ansaloni, Direktorin des Her-bario de la UDA).

Kimsakocha Naturerbe der MenschheitKimsakocha mit seinen 11 Mikroeinzugsbecken ist wohl bedeutender als der Na-tionalpark El Cajas. Diesem entspringt nur ein Fluss, der Rio Tome¬bamba. Hier entspringen drei Flüsse, die Rios Yanuncay, Tarqui und Rircay. Seine weiten Feu-chtgebiete sind einzigartig in der ganzen Reg¬ion. Auch in Trockenzeiten ver-siegt das Wasser nicht. Für die Bevölker¬ung liefern sie nebst dem Wasser auch Brennstoffe, Naturfasern für ver¬schiedenen praktischen Gebrauch und bioche-mische Stoffe. Das Gebiet wirkt auch als Klimaregulator. Für die Bevölkerung beinhaltet das Gebiet auch spirituelle und ästhetische Güter. Es gilt als heiliger Ort, der für die Bevölkerung identitätsstiftend ist und als Erholungs- und Ökotou-ris¬mus¬gebiet benutzt wird.

Es fehlt an vertieften Studien der andinen ParamosLeider, so der brasilianische Wissenschafter Brad Wilcox vom American Institute for Global Change Research, weiss man mangels Forschung fast nichts über die hydrologischen Prozesse in den hochgelegenen andinen Regionen der Paramo-gebiete. Wenn zu ihnen in ganz Latein¬amerika nicht Sorge getragen wird, könn-ten rund 60 Millionen Einwoh¬ner der Städte von Bogota, über Quito, Medellin, Lima, Arequipa, La Paz, Cochabamba, bis Santiago de Chile etc. mit der Beeinträ-chtigung bis hin zum gänzlichen Verlust von Süsswasser bestraft werden.

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Die unglaubliche Fähigkeit Wasser zurückzuhaltenDer grösste Teil der dunkeln Böden von Kimsakocha besteht aus pyroklastischem Material, aus Vulkanasche, in Kombination mit organischem Material (Andoso-les). Je nach Topografie sind diese Böden sehr tief und stehen deshalb ständig unter Wasser. Sie sind bekannt als Hydric Histosol (siehe den Bewirtschaftungs-plan des BVP Irquis Yanun¬cay, Ministerio del Ambiente, 2006). Auf rund 30% der schützen¬den Wald- und Vegetationsböden, wo man Mooskissen und Pflan-zenreste antrifft, besteht eine Rückhaltungsfähigkeit für Wasser, die mindestens das Vierfache des Eigengewichts des Bodens beträgt, was auch in Troc¬ken¬zei-ten genügend Wasserreserven garantiert. Die Pflanzenbewuchs, der rund zwei Drittel des Kimsakochagebietes ausmacht, ist auch für den CO²-Abbau wichtig.

Kulturelle Bedeutung von KimsakochaDie Berggegenden der Anden wurden seit Jahrtausenden von einer Grosszahl von indigenen Kulturen bewohnt und bewirtschaftet: die Kichwa in Ecuador, die Kechwa in Peru und Bolivien, die Aymara in Argentinen, Chile, Peru und Bolivien, die Coyas und Atacameños in Chile und Argentinien, die Mapuches in Patago-nien, die Paeces und Guam¬bianos in Kolumbien. Zu erwähnen ist auch die tau-sendjährige Wasser¬kultur der Urus, die auf dem Titicacasee wohnen und wegen der Beein¬träch¬tigung des Feuchtgebiete nur noch eine kleine Gemeinschaft bilden.Kimsakocha hat im kollektiven Gedächtnis für die Bevölkerung seit je einen ho-hen soziokulturellen und spirituellen Stellenwert: u. a. der Wert des Gemeins-chaftseigentums der Erde und des Wassers, die damit verbundenen Riten, Zere

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monien, Erzählungen, Traditionen und Legen¬den ihrer Kochas, Pukllus, Taskis, Pacchas, Wakas (Seen, Rinnsale, Was¬ser¬fälle, Quellen und heiligen Orte).Die ausgiebigen Pajagrasgebiete waren für die Kühe, Schafe, Kameloide und Pferde vor allem in Zeiten grosser Trockenheiten unverzichtbare Weiden, z. B. Sombrederas. Diese Allmend wurde 1891 legal erworben und von den Bauern von Escaleras, Tarqui, El Valle, Cumbe, Victoria el Portete bezahlt und später ergänzt mit weiteren Erwerbstiteln, in weiser Vorhersicht, als ob sie die gierigen Ansprüche der Minengesellschaften geahnt hätten.Grossen spirituellen Wert haben auch die kulturellen Elemente, die in Symbolis-men und zirkularen und halbzirkularen Raumgestalten zum Ausdruck kommen, Spiralen, die das reziproke Geben und Nehmen im Wasser verkörpern. Ihre dort hinterlassenen archäologischen Spuren der Kañaris und Inkas an den Seen in Kimsaskocha belegen, dass sie den spirituellen Wassergeist- (Yaku Samy) und Naturzeremonien dien¬ten. Von grosser Bedeutung sind auch die architektonis-chen und inge¬nieur¬mässigen Kunstwerke der Inkas in Paredones ebenso wie die Bewässerungssysteme.Die Vorfahren begriffen, dass es ohne Wasser keine Weiden, keine Äcker, keine Nahrung, Kleider und schliesslich kein Leben gibt. Dazu kommt, dass in Kimsako-cha ein hohes Energiepotential liegt mit epiter¬malen Ablagerungen, inklusive Quarzen und Uran.

Die Minenkonzession und die GesetzesverletzungenNach den ersten Minenerkundungen wird am 21. November 2001 der Firma Iam-gold die Konzession Cerro Caso und Rio Falso im Gebiet von Kimsakocha erteilt,

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wo 3’100’000 Unzen Gold entdeckt wurden, nebst Silber, Kupfer, Molybdän etc. Das Gold, mit einem sehr niedrigen Metall¬anteil von 6,76 Gramm pro Tonne ist allerdings nicht in Minen konzen¬triert. Nach internationalen Standards ist ein Metallanteil von weniger als 10 g/t für den Abbau nicht rentabel, aber weil dieser im Tagabbau erfolgt, ist er mit extremen irreversibeln Umweltschäden verbun-den.Bis zu diesem Zeitpunkt war alles, was in Kimsakocha vor sich ging, Staats-geheimnis. Erst 2007 wurden die Dokumente bekannt, als Präsi¬dent Correa, aufgrund der aufsässigen Proteste der betroffenen Ge¬mein¬de¬mitglieder eine Kommission zur Revision der Konzession, mit den Mitgliedern Ing. Hernán Loyola und Carlos Pérez, einberief. Sie deckten gravierende Gesetzes- und Ver-fassungsverletzungen bei der Kon¬zes¬sions¬vergabe auf.

Es gab keine Befragung der DorfgemeinschaftenIn den Unterlagen der DIREMI und der Delegación del Ministerio del Ambiente gibt es keinen Hinweis für die Befragung und Zustimmung der Gemeinden zu den Bergbau-Konzessionen, d. h. der Mitglieder der Wasser- und Bewässerungssys-teme. „Comunidad“ bedeutet nicht Muni¬cipio, Junta Parroquial oder Univer-sitäten. „Communidad“ ist die Ge¬mein¬schaft der Gemeindemitglieder oder -Familien, die ihre eigene Organisation mit eigenen Normen haben, mit ihrer ei-genen alt¬her¬ge¬brachten Kosmovision, und die vom Bergbau „profitiert oder Schaden nimmt“. Die Gemeindemitglieder und Benützer des Wassers sind die direkt Betroffenen der Parroquias Victoria del Portete, Tarqui, des Pro¬yecto Nero mit den Parroquias Baños, El Valle, Turi, Huayna Capac, Monay y Pacha, ebenso diejenigen von San Gerardo, Girón, San Fernan¬do und praktisch die Hälfte der Einwohner der Stadt Cuenca, die Wasser vom Rio Yanuncay beziehen.Hingegen steht auf 164 Seiten des Kommissionsberichts fest, dass tau¬sende von Wasserbenützer ausdrücklich erklärt haben, dass sie nie zu den Bergbauak-tivitäten von irgendeiner Minengesellschaft und insbe¬son¬dere nicht von Iam-gold konsultiert wurden. Ebenso steht eides¬statt¬lich fest, dass 57 Wasservors-teher nie für die Prospektion etc. der be¬trof¬fenen Gebiete konsultiert wurden.

Verletzung des Art. 11 Buchstabe c) des BergbaugesetzesIm Konzessionsgesuch bestätigt Iamgold, dass sie sich verpflichtet, die Berichte einzuholen, wie sie in Art. 11 c) des Bergbaugesetzes erfor¬der¬lich sind. Diese Norm verlangt, dass zum Betrieb des Bergbaus Berichte vom Consejo Natio-nal de Recursos Hídricos ausgefertigt werden müs¬sen, „wenn es Seen, Teiche, Stauseen oder Orte, die für die Wasser¬fassung für die Bevölkerung bestimmt sind, betrifft, die in einer hori¬zon¬talen Entfernung bis 200 Meter vom geplan-ten Bergwerk liegen“. Im vorliegenden Fall, liegt das konzessionierte Gebiet nicht 200 Meter von den Seen etc. entfernt, sondern sogar mitten drin.Aus dem Memorandum 101577-7 der DIREMI, unterzeichnet von der Ingenieurin Guadelupe Herdoiza, Chefin des Servicio Técnico y Catastro Minero Regional geht hervor, dass das Gebiet des Rio Falso und des Cerro Casco, innerhalb der ges-chützten Zone des Beckens des Rio Paute liegt, seinerseits ein Mikrobecken des Rio Yanucay und Irquis, Sunsun-Yanazacha und Totoracocha.

Negativer Bericht der Spezialkommission zum Bergbau in BVB Im Bericht der Spezialkommission, präsidiert von Ing. Jenny Zamora, zum Rio Falso vom 2. Februar 2001, sind u. a. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

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festgehalten:- angesichts dessen, dass die Minengebiete innerhalb des „patrimonio forestal del Estado und der BVP“, d. h. in Schutzgebieten, die hochsen¬sibel und fragil sind, liegen, ist es notwendig, eine Basislinie für den ge¬samten Bergbau fest-zulegen;- es ist eine vertiefte Studie über die Flora durchzuführen, um ihren Um¬wel-t¬wert zu bestimmen;- in einem Plan müssen die Bohrprobenstellen und die Fahrwege fest¬ge¬legt werden;- es muss eine Beschreibung der praktischen Vorgänge zur Milderung der Na-tur-Eingriffe, während und nach der Exploration, erstellt werden, die in topogra-fischen Karten der Örtlichkeiten des Bergbaus bezüglich Wald- und geschützten Vegetationsgrenzen niederzulegen sind;- aus den (für den Antrag einzureichenden) Dokumenten muss die Verpflichtung hervorgehen, dass keinerlei Veränderungen und keinerlei (Bergbau)aktivitäten innerhalb der Feuchtgebiete oder andern kri¬ti¬schen Zonen realisiert werden.Am 22. März 2001 fügt die Präsidentin der Kommission den Bericht über die Inspektion der von Iamgold beantragten Minenzonen bei und ver¬langt mittels amtlichem Bericht 008-COMIESP-2001, dass die (oben angeführten Beobachtun-gen) erfüllt werden müssen, um mit dem Bewilligungsverfahren für die Konzession fortzufahren (Hervorhebung von Carlos Pérez Guartambel).Der Vertreter von Iamgold teilt am 30. März 2001 der Kommission mit, dass Antworten und Erklärungen zu den von der Kommission gemach¬ten Beobach-tungen vorhanden seien. (Dieses Dokument ist aber in den Unterlagen der Mi-nenkonzession nicht vorhanden).Am 3. Mai 2001 richtet sich Iamgold an die Präsidentin der Spezial¬kom¬mis-sion und behauptet, man habe die geforderten Bedingungen erfüllt und beantra-gt die Erteilung der Konzession.Am 21. August verlangt der Vertreter von Iamgold die Bergbaukonzes¬sion, un-ter Verweis auf Art. 19 des Umweltschutzreglements, wonach die Bewilligung-sinstanz den Vorbringen von Iamgold stillschweigend zugestimmt habe.Am 18. September 2001 verneint Ing. Federico Auquilla, Regional¬direk¬tor des Bergbaus von Azuay, eine solche stillschweigende Zustimmung und verweigert die Konzession.

Innerhalb von 43 Tagen wurde das ungesetzliche Vorgehen legitimiert... Wieviel hat diese ungewöhnliche Operation gekostet?Nachdem eine stillschweigende Zustimmung zur Konzession ohne vor¬gängige Evaluation des Eingriffs in die Umwelt (EIA) abgelehnt und ohne dass Art. 11 c) des Bergbaugesetzes erfüllt wurde, hat derselbe Beamte, nämlich Ing. Federico Auquilla, - ein früherer Angestellter von Iamgold - der 43 Tage zuvor die Kon-zessionsbewilligung verweigert hatte, am 1. November 2001, den Vertreter von Iamgold vorgeladen, und das DOCUMENTO DE APTITUD unterschrieben und Iam-gold die Kon¬zes¬sion erteilt.Was passierte innerhalb dieser 43 Tage, sodass es zu einer Kehrtwend¬ung von 180 Grad kam? Gemäss Strafrecht handelt es sich um eine Rechts¬beugung oder -brechung, um Amtsmissbrauch. Die amtlichen Kontrollinstanzen haben sich ge-genüber den Gemeinden (im oben defi¬nier¬ten Sinn), in ethischer und recht-licher Hinsicht schuldig gemacht. Auquilla wurde zudem, anstatt sanktioniert zu werden, von der Regier¬ung Correa ausgezeichnet und zum Vizeminister des

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Bergbaus beför¬dert. Von der gleichen Regierung, die gegen ihre Vorgänger-Re-gier¬ungen lospoltert, sie seien für die lange neoliberale Nacht verantwort¬lich, und die deren frühere Funktionäre aus dieser zwielichtigen Ära über¬nimmt. Ein schlagendes Beispiel für den verlogenen Diskurs der Regierung.Am 21. Novembe 2001 wird die Konzession erteilt und bereits am 22. November, innerhalb eines einzigartig kurzen Zeitraums wird sie von der Notaria Quinta von Cuenca protokolliert und offiziell am 23. Novem¬ber in die Register eingetragen. Der Rest ist Geschichte.

Zum Schluss beantragt die von Präsident Correa am 4. Juli 2007 eingesetzte Kommission (der u.a. Carlos Pérez Guartambel angehörte), nachdem sie flagran-te Gesetzes- und Verfassungsverletzungen aufge¬deckt hatte, für das betroffe-ne Konzessionsgebiet den Konzessionstitel für die Gesellschaft Iamgold Ecuador S. A. als nichtig und rechtlich folgenlos zu erklären,- weil die Bedingungen von Art. 11 c) des Bergbaugesetzes nicht erfüllt sind;- weil die Berichte des CNHR und CREA nicht vorliegen;- weil Art. 19 des Umweltreglements betr. Minenaktivitäten unerfüllt ist;- weil schliesslich keine vorgängige Volksbefragung der betroffenen Bevölkerung durchgeführt wurde, wie sie in den Art. 84.5, 84.8, 84.12 der Verfassung 98 vor-gesehen sind;- weil Art. 6 und 7 der ILO-Konvention 169 verletzt wurde.Offensichtlich wurde dieser Kommissionsbericht in den präsidialen Papierkorb geworfen und die Dialoge dienten nur dazu, um die Aufmerk¬samkeit der Be-völkerung abzulenken und Zeit zu gewinnen, damit die Berg¬bauziele erreicht werden können.Aber das unerschütterliche Volk schloss die Strassen, um sich Wege für den Wi-derstand zu öffnen.

6. Technisch-wissenschaftliche Argumente gegen den Bergbau

Der Bergbau wird Kimsakocha zerstörenDie Motive der gesellschaftlichen Opposition gegen den industriellen Bergbau liegen in seinem technischen und ökonomischen Charakter, ebenso wie in sei-nen sozialen, umweltmässigen und politischen Konse¬quenzen. Das zentrale Moment, das den Übergang vom traditionellen zum modernen Bergbau ausma-cht, ist das Übermass an Ausbeutung – mit gigantischen technischen Mitteln – und dieses führt weltweit zur suk¬zessiven Erschöpfung der Minen mit hohem Metall-Anteil im Gestein.Die allergrösste Mehrheit des aktuellen industriellen Bergbaus fördert Metall mit sehr niedrigem Metall-Anteil pro Tonne Gestein: Kupfer¬vor¬kommen mit nur 6 kg/t; Goldvorkommen mit weniger als 10 g/t, z. T. nur 0,5 g/t; in Kimsakocha (Iamgold) sind es 6,76 g/t und in Fruta del Norte (Aurelian-Kinross) sind es 11,2 g/t.Weltweit variieren die flüssigen und festen Abfälle aus dieser Art gross¬in¬-du-strieller Ausbeutung pro Unze Gold zwischen 12 und 120 Tonnen.Dies bedeutet, dass bei diesen niedrigen Konzentrationen von Metall-vorkom-men die Förderung via Stollenbau nicht mehr rentabel ist, sondern nur noch im industriellen Tagabbau, wobei auch chemische hochkontaminierende Substan-zen verwendet werden.

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Zudem sind die daraus resultierenden langfristigen Umweltver¬schmutz¬un-gen grenzüberschreitend – via Flüsse und Luft, durch Quecksilber¬dämpfe, - mit der Folge, dass die Bergbauunternehmen für Umwelt¬schä¬den nicht zur Ve-rantwortung gezogen werden können. Die Beheb¬ung solcher Umweltschäden durch Schwermetalle, saure Schlämme - wenn die Bergbaugesellschaften das Feld schon längst verlassen haben - bleibt dann an den Staaten hängen.

Kimsakocha darf nicht angetastet werden1. Kimsakocha ist keine Wüste wie Antofagasta oder Atacama in Chile. Aber selbst in solchen Wüstengebieten wird die Umwelt durch den industriellen Berg-bau beeinträchtigt. Die grossen Wassermengen, die beim Goldabbau verbraucht werden, treiben den Wasserpreis in die Höhe: z. Z. 300 Dollar pro l/s (Observato-rio de Conflictos Mineros de America Latina, Quito 2010).Kimsakocha heisst zwar Drei-Seen, aber das ganze Gebiet umfasst insgesamt über dreissig Seen und viele kleine Seelein dazu. Seine Feucht¬gebiete erstrec-ken sich auf über 30 km². Sein unschätzbarer Reichtum an Wasserquellen nährt elf Wassereinzugsgebiete. Dies erlaubt keine menschlichen und schon gar keine bergbaulichen Eingriffe. Kimsakocha hat eine grössere ökologische Bedeutung als der Nationalpark El Cajas. Diesem entspringt nur ein Fluss. In Kimsakocha sind es drei grosse Flüsse, die aus elf Mikrogeländebecken entspringen: die Rios Rircay, Tarqui und Yanun-cay.Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Oberflächen- sondern auch des Grundwassers, obwohl das Programa de Manejo de Agua y Suelo der Universität

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Cuenca (PROMAS) behauptet, es gebe keine Grund¬wasser-vorkommen. Dem-gegenüber stellte die Firma AmbiGest Cia. Ltda., Beauftragte der Firma Iamgold, bereits 2005 fest:“In der gegen¬wärtigen Erforschungsphase wird die Qualität des Grundwassers nicht beeinträchtigt“. Aber in der Ausbeutungsphase, ist die Verschmutzung und Austrocknung irreversibel. Einige sehen offenbar nur, was sie sehen wollen. Richtig ist, das Oberflächenwasser zu beobachten, wie es aus dem Grundwasser hervorquillt.2. Der Boden von Kimsakocha ist eine „Wunder“-Kombination von pyro-klastis-chem und organischem Material ((Vulkanasche und Ärosole). Er vermag viermal mehr Wasser zurückzuhalten als sein Eigengewicht wiegt, was vor allem in Zei-ten grosser Trockenheit für die Unter¬lieger¬gebiete wichtig ist . Kein technis-ches Resevoir bietet bessere Speicher¬möglich¬keiten.3. Im Paramo von Kimsakocha gibt es hohe Schwefelkonzentrationen, was stark saure und oxidierte Böden mit sich bringt. Das führt z. B. an der Quelle des Alum-

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bre-Tals dazu, dass an ihrem Wasserlauf keine Pflan¬zen gedeihen können. So-bald beim Bergbau Gestein abgebaut wird und Schwefel mit Luft und Wasser in Berührung kommt, entsteht Schwefel¬säure, d. h. Gift für die organische Umwelt. Der Wissenschafter Jean Kuipers bestätigt, nach Durchsicht der EIA von Iamgold, dass grosse Mengen schwefelhaltigen Gesteins vorhanden sind, die Schwefel-säure mit sich bringen. Es sei daher sehr angezeigt, dass die Bevölkerung sich gegen den Bergbau zur Wehr setze (J. K., technischer Wissenschafter, von TV Al Jazeera interviewt, hat mehr als 15 Jahre im Bergbau gear¬beitet. Siehe Websi-te: Ecuador:Water or Gold-People-Power-Al Jazeera English).4. Die kanadische Firma SRK Consulting, Beauftragte von Iamgold, kam 2006 zum Schluss, dass die Goldvorkommen in Kimsakocha schwefel¬haltig und epi-termal sind. (Preliminary Assessment Report, Mai 2006). Immer wo Schwefel in vulkanischem Gestein anzutreffen ist, hat es in der Regel auch Arsen und Quec-ksilber, Elemente, die krebserregend sein können.5. Die Bergbauindustrie bricht und zermalmt das Gestein und setzt die darin vorhandenen chemischen Elemente frei. Wo diese mit Sauerstoff in Kontakt kom-men transformieren sie sich zu Säuren, was die Wasser¬quellen für Jahrzehnte und -hunderte, auch nach der Schliessung der Minen, verseucht.Die Benützung von Sprengstoff führt zudem dem Wasser Nitrate und Amoniak zu, was dessen Eutrophisierung und Verschmutzung bewirkt.

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6. Es ist sehr wahrscheinlich, dass im Gestein von Kimsakocha auch radioaktive Stoffe vorhanden sind, die beim Abbau ins Grundwasser gelangen können.7. Die für die Goldindustrie verwendeten Chemikalien beeinträchtigen und töten die Wasserfauna, wie es sich in den Rios Chicos, Gala, Tenguel und Siete gezeigt hat, mit ihren hohen Konzentratinen an Quecksilber, Arsen, Kupfer, Vanadium und Kobalt. Der Rio Siete wurde Mitte der 1990er Jahre als „schwer kontaminiert“ bewertet, danach als „toter Fluss“, wegen des Bergbaus in Bella Roca, im Süden von Ponce Enriquez/Ecuador (Municipio de Guayaquil DMA-CA-2008-309, Dez. 2007, Informe Monitoreo de los Ríos, Canal, Suelo y Aguas de Pozos de la Parro-quia de Tenguel, unterzeichnet von den Ing. Jorge Narváez Ochoa und Francesca Escala Benítes, 2008; MMSD, La Pequeña Minería en el Ecuador, Fabián Sando-val, 2001; PRODEMINCA, Perspectiva Socio¬económica de la Pequeña Minería y La Minería Artesanal: estudio de caso de Nambija y Ponce Enríquez, soc. Miguel Caravajal e ing. José Rivadeneira, 1997).8. Eine weitere Funktion des ausgedehnten Paja-Paramogebietes besteht darein, nebst der Absorption von CO², die hohe Luftfeuchtigkeit einzufangen und dem Boden zuzuführen, was den Wasserkreislauf reguliert. Deshalb hat ETAPA vor einem Eingriff in Kimsakocha gewarnt, was aber den Geschäftsführer von ETA-PA, Oswaldo Larriva, nicht hindert, anstatt sich für das Wasser von Kimsakocha einzusetzen, Pro- Bergbau-Veranstaltungen zu unterstützen (Audit-Bericht von ETAPA unter Leitung von Ing. Marcelo Quishpe, Techniker des öffentlichen Un-ternehmens ETAPA, der entgegen der Verwaltung einen wahren und objektiven Bericht verfasste; Seminario Arbitraje y Ambiente: Los Desafíos de la Minería y la Conservación del Augua en el Austro Ecuatoriano; auspiciantes ETAPA EP, Go-bierno Provincial del Azuay y Camera de Minería de Cuenca).9. Im besagten Gebiet gibt es auch geologische Verwerfungen. Sofern 80 bis 150 Meter tief abgegraben bzw. gesprengt wird, wodurch Risse etc. entstehen, beste-ht auch die Gefahr, dass die Grund- und Ober¬flächen¬wasserströme umgelei-tet werden (Bericht des Ministerio de Recursos no renovables an die Consejales von Cuenca im Sept. 2011).10. Die nationale Regierung hat bereits folgende Konzessionen ver¬geben: 12’967 Ha an Iamgold; 5’779 Ha an EMC; 45’000 Ha an Cornec¬stone. Das ist nur der Anfang, denn die Regierung will offensichtlich in der Provinz Azuay einen Minendistrikt etablieren. Auf dem Land kennt man die Redensart vom „Wurm in der Kartoffel“, d. h. er kommt erst raus, wenn im Innern alles zerstört ist. Es ist deshalb davon auszu¬gehen, dass dereinst selbst der Nationalpark El Cajas sich nicht aus den Klauen der „verantwortungsvollen Mineria“ befreien kann. Azuay, das Wasser-, Biodiversitäts-, Kultur- und Gemeinschaftsparadies, wird sich dann in ein Steuerparadies und Paradies von Straflosigkeit, Korruption und Umwelt-zerstörung verwandeln.

Offiziell und verantwortungslos heisst es:“Der Bergbau kommt so oder so, daran ist nichts zu ändern“. Aber die Bevölkerung ist nicht gewillt, die Geschichte von Cajamarca in Peru mit der Austrocknung der Seen u. a. Yanakocha, Corazón, Pato hinzunehmen, oder den Tod des Rio Grande.Es gibt bereits genug bittere Erfahrungen mit dem Bergbau. Er zahlt keine Gewin-nsteuern, er organisiert sich so, dass 100% seiner Investiti¬onen von den Steu-ern abgezogen werden, er zahlt auch keine Munizi¬pal-Steuern. Paradebeispiel ist Barrick Gold in Argentinien: für die Mine Veladero lieferte man lediglich 1,7% an Regalien ab. Das rechnerische Ergebnis ist eindeutig: fette Gewinne bei den

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Unternehmen und winzige Einkommen bei der öffentlichen Hand; einerseits ex-trem reiche Firmen und arme Bevölkerung wie in Guatemala, Honduras, El Salva-dor, Bolivien, Peru, Argentinien oder Mexiko etc.

7. Kein nachhaltiger Bergbau

Das Minengeschäft blutet Amerika ausAuf unserm Planeten ist der Segen der Bodenschätze des Südens zur Erbsünde der Ausbeutung des Nordens geworden. Dort wird die Herr¬schafts-Strategie der zivilisatorischen Ausbeutung entworfen. Die wichtigsten Minen-Transaktions-geschäfte werden an der Börse von Toronto abgewickelt. Der Goldpreis wird vom Komitee der „London Bullion Market Association“ von London aus gesteuert (CIA-NURO, La cara tóxica del oro, 2010). Ihm gehören die folgenden transnationa-len Finanzinstitute an: Bank of Nova Scotia, Canada; HSBC Bank USA; Barclays Capital, GB; die Deutsche Bank und die Société de France. Als Beispiel für die Machtballung steht Ex-US-Präsident Georg Bush sen., einer der Hauptaktionäre von Barrick Gold Corporation. Sie ist die gröss¬te transnationale Minengesells-chaft der Welt mit Geschäftssitz in Toronto; auf Tagabbau spezialisiert, betreibt sie 27 Minen in den USA, Kanada, Australien, Peru, Chile, in der Dominikanische Republik, in Argentinien und Tansania. (http://porunproyectonacional.blogspot.com/2010/08/quienes estan-detras-barrick-gold.html).Die Minister der Regierungen Lateinamerikas stehen wie Bettler Schlan¬ge vor der Börse von Toronto auf der Suche nach Mineninvestoren. Ohne Würde bieten sie ihre Bodenschätz dem erstbesten Minengauner gegen trübe Geschäfte an. Dazu einige Beispiele:Argentinien. Seit der Ära von Präsident Menem bis zur gegenwärtigen Präsi-dentin Fernández de Kirchner wird verkündet, der Bergbau bringe Fortschritt. Statt dessen herrscht unglaubliche Korruption. Die Zerstör¬ung der Gletscher in den Kordilleren, die die Flüsse des Valle in Chile und des Valle de Cura in Argen-tinien nähren, führte zu einem riesigen Sozial- und Umweltkonflikt mit unvorher-sehbaren Konsequenzen.Brasilien privilegiert die Minenausbeutung unverhältnissmässig zu Lasten der Umwelt. Typisches Beispiel: Vale. Die dubiose transnationale brasilianische Ge-sellschaft kündete mit dem Projekt IIRSA für 2013 die Verdoppelung der Alu-minium- und Verdreifachung der Kupferaus¬beutung an. (Siehe Reflexiones del Primer Tribunal Ético a la Minería de Frontera, 2010).Kolumbien betreibt nicht nur Kohleabbau, sondern fördert Mega¬projek¬te zum Abbau von Metallvorkommen mit Anglo Gold Ashanti, Grey Star, seit der Re-gierung Alvaro Uribe:“Man habe weltweit die grössten Gold¬reserven entdeckt“. Betroffene Gemeinden und Umweltschützer werden als Terroristen behandelt, weil sie sich dem Fortschritt der Nation ent¬ge¬gen¬setzen.Peru. Vom verurteilten Diktator Fujimori bis zu Präsident Ollanta Humala, der im Wahlkampf schwor, das Wasser zu verteidigen, wird die Bevölkerung in Ca-jamarca unterdrückt, wo die Firma Yanacocha, abhän¬gi¬ge von Newmont und Barrick Gold, operiert. Konsequenz: Blei im Blut der Kinder des Minengebiets La Oroya. Newmont verschleisst 900 Liter Wasser pro Sekunde, d. h. täglich 77,7 Millionen Liter. Cajamarca war vor der Minen-Ausbeutung das viertärmste Depar-tement des Landes, seither wurde es zum zweitärmsten. Der Fortschritts-Mythos entlarvt sich als Rückschritt. Der gravierendste Fall liegt in Majaz zutage, beim

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grenzüberschreitenden Projekt mit Ecuador: in den Gemeinden, die sich weiger-ten ihren Grund und Boden dem Bergbau zu opfern, wurden 28 Personen gefol-tert, 7 kamen zu Tode nebst einer grossen Zahl Verletzter. Volksabstimmungen in den Gemeinden wurden von Präsident Alan Garcia nicht anerkannt.

Bolivien kennt in seinen Minen-Städten Oruro, Potosi, Cercado und Sucari eine Armut zwischen 56% und 89%.Venezuela ist trotz seines nationalistischen Diskurses und dem Pro¬gramm des Socialismo del Siglo XXI weit davon entfernt, die trans¬natio¬nalen Minen-gesellschaften aus dem Land zu weisen. Der Staat ist Kom¬plize gigantischer Umweltzerstörung.Selbst in Salt Lake City, Utha/USA, klagt eine Gruppe von Ärzten und Umwelts-chützern gegen Rio Tinto, die grösste Minengesellschaft der Welt, wegen Verlet-zung des Luftreinhaltegesetzes, weil jährlich 1’000 bis 2’000 Menschen vorzeitig sterben.Mexiko ist „vom Fluch des Segens der Bodenschätze“ ebenfalls nicht ausge-nommen. Morde und Drohungen durch gekaufte paramilitärische Gruppen sind an der Tagesordnung. Mehr als 200 transnationale und nationale Unternhemen wie Cananea (= grösste Minengesellschaft Latein¬amerikas) verwüsten die Ge-biete von Potosi, Chiapas, Veracruz, Guerrero, Morelos, Jalisco, Nayarit, Yautepec, Oaxca, Ciudad de Mexiko, Zacatecas etc. Kein Gesetz und keine Autorität kon-trolliert oder verhin¬dert gar die kolossale Zerstörung der Biodiversität und die Kontami¬na¬tion der Wasserquellgebiete, die Invasion indigener Dörfer oder auch nur deren Recht auf Ruhe und Schlaf.

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Gleiches Bild in Zentralmerika mit ihrem Hang zu Lakaiendiktaturen, z. B. Gua-temala: 1965 erteilte die Regierung der EXIMBAL de INCO eine Minenkonzession, mobilisierte seine Sicherheitskräfte, vertrieb die Bauern aus ihren angestamm-ten Gebieten und provozierte damit eine Rebellion in den Bergen. Die Regierung reagiert mit dem Einsatz von Todesschwadronen, ermordet Aktivisten, Anwälte und Kritiker der Minen¬industrie. Einzig Costa Rica erlässt auf starken sozialen Druck hin ein Moratorium für den Minen-Tagabbau. Aber die übrige Minenausbeutung wird fort¬gesetzt.Ecuador beeilt sich nun mit 5 Megaprojekten einen Quantensprung zu machen: Fruta del Norte, Mirador, San Carlos-Pananza, Rio Blanco und Kimsakocha, nebst vielen Ausbeutungen im Amazonasgebiet und im Süden Ecuadors. Der Widers-tand der indigenen Bevökerung und sozia¬ler Gruppierungen von 2006-2008 verpflichtete die Verfassungsgebende Versammlung von Monte Christi zum Er-lass des Mandato Nr. 6, bekannt als Mandato Minero, das momentan der Aus¬-beut¬ung und Zerstörung durch Megaprojekte Einhalt gebietet.

Bis heute wurden 161’000 Tonnen Gold ausgebeutet, die Hälfte allein in den letz-ten 50 Jahren. Die Vorräte erschöpfen sich. Es wird immer schwie¬riger, neue Mi-nen zu entdecken. Die zunehmende Nachfrage der Schwellenländer, monetäre Gründe und die Spekulation treiben den Goldpreis in die Höhe

Sozialprogramme beinträchtigen den WiderstandAlle Regierungen Lateinamerikas, von links bis rechts, befolgen die im Norden ausgedachten Rezepte, um den Aufstand der Bevölkerung im Keim mit Hilfspro-grammen zu ersticken. Es geht um einen Almosen-Populismus: Die „Bolsa Fami-lia“ in Brasilien; „Chile Solidario“; „Juancito Pinto“ und „Renta Dignidad“ in Boli-vien; „Panes“ in Uruguay; „Programa Familiar“ in Argentinien; „Bono Solidario“ in Ecuador, eingeführt vom ehemaligen Präsidenten Jamil Mahuad, mit einem Monatsgeld von 15 US-Dollar:“Nur bis man die Armut überwunden hat“. Da aber die Minen¬ausbeutung kein Entrinnen aus der Armut bringt, hat der Populimus von Präsident Correa den Betrag auf 30 US-Dollar und die Abhängigenzahl ver-doppelt. Man verführt die Bevölkerung mit weiteren rückständigen Programmen: „Sozialwald“, „Sozialkrediten“ etc.

Der Bergbau und das wirtschaftliche BlendwerkDie Minenausbeutung spielte für die Entwicklung der „reichen“ Länder, wie die USA, Kanada, Australien etc. nur eine untergeordnete Rolle. Die Minengesells-chaften verfahren nach dem Motto: Flugs auftauchen und – nach der Ausbeutung – flugs wieder verschwinden: Schnelle Ausbeute und Zurücklassen riesiger irre-parabler Umweltschäden. Z. B. San Martin de Goldcorp. in Honduras: Ausbeu-tung in 9 Jahren; Marlin Goldcorp. in Guatemala: 10 Jahre; die Mine El Dorado de Pacific Rim in El Salvador: 6 Jahre. In Ecuador wollen Iamgold und EMC die Vorkom¬men in 8 Jahren ausbeuten.In Argentinien beträgt der in der Mine Veladero geschätzte Wert 12 Milliarden US-Dollar. Als Konzessionsentgeld erhält die Provinz bloss 70 Millionen, zahlbar während 20 Jahren. Damit lösen sich die wirtschaftlich vorgegaukelten grossen Einnahmen in nichts auf.Artikel 93 des Bergbaugesetz von 2009 in Ecuador rechnet mit 95% des Regals für die ausländische Konzessionsnehmerin, 5% für den Staat, davon 60% für die Lokalregierungen (Provinzen, Municipios und Parroquias). Heisst das nationale

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Souveränität, mit der sich die Regier¬ung Correa immer brüstet?Fazit: die Ausbeutung der Bodenschätze führt nicht zu höherer Ent¬wick¬lung, sondern zu höherer Verschuldung, zur Schwächung und Zerstörung des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft, zu Umwelt¬zerstörung und institutioneller Korruption.

Der Bergbau ist für die Völker ein schlechtes GeschäftJeffrey Sachs und Andrew M. Warner weisen anhand von 95 unter¬suchten En-twicklungsländern im Zeitraum von 1970-1990 nach:“Je höher ihre Abhängigkeit vom Export ihrer Bodenschätze war, umso geringer war das Wachstum des Bru-tto-Inland-Produkt (BIP) pro Kopf“. Bestätigt von Jean-Philipp Stijns, University of California, Berkley. Zu gleichen Resultaten gelangt Richard M. Auty von der Uni-versität Britanica, Lancaster bei 85 untersuchten Ländern. Ähnlich Alan Gelb von der Weltbank: „Länder mit Bodenschätzen schneiden bezüglich Wirtschaftswa-chstum und Investitions-Return schlecher ab“. Nancy Birdsall et. al.:“Solche Län-der investieren auch weniger in das Erzieh¬ungs-wesen“. Die Weltbank stellt zudem fest, dass solche Länder über unterentwickelte politische und soziale Institutionen und ungenügende Wirtschaftsleistungen verfügen. Es fehlt an In-vestitionen in menschliche Ressourcen und öffentliche Infrastruktur“ (s. Informe Oxfam America, 2010).

Zahlen zur Beschäftigung im BergbauInsgesamt sind weniger als 0,7 % aller registrierten Lohnempfänger im Bergbau tätig. Eine in den Berbau investierte Million Dollar generiert kaum mehr als 0,5 bis 2 direkte Arbeitsplätze. In Honduras z. B. schafft das handwerkliche Gewerbe einen 11 mal höheren Wert als der Berg¬bau; in Guatemala 50-80 mal mehr. In Chile, wo der Bergbau zwischen 1990-2004 durchschnittlich 150% zulegte, gin-gen 18’490 Arbeitsplätze verloren (= ein Beschäftigungsrückgang von 1,34% auf 0,67%). Ana¬loge Zahlen ergeben sich in Argentinien. Alumbrera in Catamarca ver¬sprach 10’000 Arbeitsplätze zu schaffen, am Schluss waren es 1’800, und deren Mehrheit ging nicht an Einheimische. Zudem überstieg der Armutsindex den Landesdurchschnitt von 17,2% deutlich.Auch inNordamerika trägt der Bergbau nur mit 1,8% zum BIP bei und beschäftigt insgesamt nur 0,6% der Arbeiter.Sprechend sind auch die diesbezüglichen Buchtitel mit Fragezeichen: Treasure or Truble? Mining in Developing Countries? Natural Resources: Blessing or Cur-se? (Segen oder Fluch?) etc. (siehe Microsoft ® Encarta ® 2009. ©1993-2008 Microsoft Corporation; Informe Oxfam 2009; Alberto Acosta, La maldición de la abundancia, Quito, 2010).

Die andere Seite der Medaille im NordenEcuadors Präsident Correa betrachtet als Vorbilder für die Entwicklung von Berg-bau Kanada, USA, Norwegen und Chile. Das trifft wider eigenes besseres Wissen, über das Correa als Ökonom verfügen sollte, nicht zu. Norwegens Wohlstand beruht vor allem auf Erdöl, der Beitrag aus dem Bergbau zum BIP ist marginal. Chile profitierte von starken US-Investiti¬onen, um das sozialistische Gegenmo-dell (Kuba) zu desavouieren. Der Preis dafür war der Staatsstreich von General Pinochet – mit anschlies¬send langjähriger Folterdiktatur - gegen die legitime Regierung Salvador Allende (+ Nine Eleven 1973).USA, Kanada und Australien sind nicht wegen ihrer Bodenschätze ent¬wickelte

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Länder, sondern vor allem wegen ihrer hochentwickelten Unter¬nehmens- und Finanzorganisation. Dort wird viel in die Erziehung und die Universitäten inves-tiert, in Forschung und Humankapital. Auch in den typischen Bergbauregionen der USA sind die Städte weit davon entfernt zu prosperieren, statt dessen kämp-fen sie permanent gegen Armut.Die wohlhabendsten Länder weltweit verdanken ihren Entwicklungs¬stand nicht dem Vorkommen von Bodenschätzen, woran ihnen sogar meist gänzlich man-gelt: Schweiz, Japan, Hongkong, Südkorea, Singapur. Ausschlaggebend sind: Akkumulation von Kapital, Technologie, solide politische, kulturelle und soziale Institutionen, Investionen in Bildung und Forschung, z. T. schon seit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts.

Eine weitere Illusion: Wiederherstellung der UmweltWisconsin und Montana, USA, haben Gesetze gegen den Tagabbau erlassen. Die Bergbaugesellschaften wären zudem verpflichtet zu bewei¬sen, dass sie während der Explorationsphase und auch 10 Jahren nach Schliessung einer Mine keine Wasserverschmutzungen verur¬sachen. Bis heute konnte von keinem Un-ternehmen ein solcher Nach¬weis erbracht werden. Die sogenannte saubere „Spitzentechnologie“ ist diesbezüglich nichts als eine Beleidigung der Intelligenz der einfachen Bevölkerung und der Weisheit der Natur. Die einzige Technologie, die das Wasser nicht beeinträchtigt ist: das Wasser nicht anzutasten.Kanada machte eine - kriminell-gerissene - Ausnahme: die Unter¬neh¬men er-klären sich einfach bankrott, um keine Verantwortung für die Umweltzerstörung durch rund 10’000 Minen zu übernehmen. In einem staatsanwaltlichen und ge-

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richtlichen Paradies wie Kanada wird man dafür nicht vor Gericht gestellt. Fazit: rund 23% aller Feuchtgebiete wurden zwischen 1980 -90 durch industrielle Abfä-lle der Minen verseucht und zerstört.

Die Prostitution der UniversitätenEs ist an der Tagesordnung, dass die Bergbauindustrie das Gewissen der Wis-senschafter mit Geld zum Schweigen bringt. Barrick Gold finanzierte eine gan-ze Handelsschule der Universität Toronto. Eine ehrbare Ausnahme macht die Universität von Cajamarca, Peru, die Schmiergelder zurückwies. In Argentienen gelangte man an 20 Uni¬versi¬täten. Einzig vier haben der Bestechung widers-tanden: Cordova, Patagonia, Rio de la Plata und Julán (siehe 15 mitos y realida-des de la mineria transnacional en la Argentina, Colectivo de Voces de Alerta, Argentina, 2011).

Der Bergbau und die indigenen Gemeinschaften in KanadaDie indigenen Völker Kanadas: die Irokesen, Senekas, Missagos, Uronos, Mo-hawaks und andere haben schwere Schläge seitens der Minen¬indu¬strie er-litten. Sie wurden aus ihren angestammten Gebieten vertrieben, ihrer Rechte beraubt, aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen. Einige sind im 3. Jahrtau-send ohne Basisversorgung, ohne Trink- und Abwasseranschluss, ohne elektris-ches Licht.

Minen kontaminierenEine der ersten katastrophalen Auswirkungen des Bergbaus geschieht im Mo-ment, wo der Berg abgebaut und das Gestein zermalmt wird und mit Luft und Wasser, das in den Boden eindringt, in Berührung kommt. Die andinen Böden sind in hohem Masse sauer, oft mit starker Schwe¬fel¬konzentration. Bei dies-em Prozess entsteht u. a. Schwefelsäure und es werden Arsen, Blei, Eisen, Zink, Quecksilber etc. freigesetzt, die für die Biosphäre tödlich wirken können.Nach dieser Abbauphase, werden in der Waschphase dem Schlamm Zyanid und andere Chemikalien zugesetzt, die das Wasser stark ver¬gif¬ten. Das vergifte-te Wasser kann nicht in beliebigen Mengen in Rückhal¬te¬becken – die meist undicht sind - gestaut werden. Es ist unvermeid¬lich sie von Zeit zu Zeit zu

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entleeren, auch wenn die Gifte überhaupt nicht abgebaut sind. Zyanid verursa-cht, vor allem bei Wasserver¬schmutz¬ungen durch technische Zwischenfälle, Umweltkatastrophen, oft auf Distanzen bis zu 2’000 km vom Unfallort entfernt. Selbst in den USA, Australien und Kanada – Vorzeige-Länder für Präsident Co-rrea – kommen jährlich Dutzende von Säugetieren, Reptilien und Tausende durch Blausäure vergiftete Fische und Vögel zu Tode. Diese Gifte akku¬mu¬lieren sich in den Fischkörpern etc. und werden über die Nahrungs¬kette weiterverbreitet, bis hin zu schwangeren Müttern und ihren Föten.Auch die unterirdischen Wasserströme werden verseucht. Die katastrophalen Auswirkungen können hunderte und tausende von Jahren an-dauern. Ein extremes Beispiel ist die Mine Rio Tinto in Spanien aus der Zeit des Römischen Reiches vor mehr als zweitausend Jahren.Weitere Umweltverschmutzungsquellen sind die im Bergbau verwen¬de¬ten Explosivstoffe. Bingham Canyon in den USA verwenden z. B. jährlich 70 Million Pfund.Oft werden die giftigen Umweltabfälle nicht oder nur unzureichend ent¬sorgt.Würden die Umweltschutz-Vorschriften von den Minengesellschaften ein-gehal-ten, so könnten die schlimmsten Tragödien verhindert werden. Statt dessen ver-legen sie ihre Ausbeutung in Länder mit ungenügenden Umweltschutznormen. Es gibt weltweit keinen Bergbau, der bewiesen hat, kein Wasser zu kontaminie-ren (siehe Cyanide in water and soil, D. A. Dzombak, 2009; Toxicidad del cianuro para los seres vivos, 2010; J. Kuipers y otros, 2006).

„Spitzentechnologie“ eine andere ChimäreEs wird behauptet, die moderne Wissenschaft und Technologie sei im Stande, alle möglichen Auswirkungen des Bergbaus vorherzusehen und unter Kontrolle zu bringen. Viele Mitglieder der Wissenschafts¬gemein¬schaft sind jedoch der anderen Auffassung, dass die menschlichen Fähig¬keiten auch in diesem Be-reich sehr begrenzt sind (siehe A. Acosta, C. Zorilla und W. Sacher, 21 Preguntas sobre la mineria, 2001). Als Bei¬spiele dienen zwei Mega- Umweltkatastrophen im Jahre 2010 : Erstens die von BP verursachte Ölkatastrophe im Golf von Mexi-ko. Dazu Mandy Joye, Biochemikerin an der Universität Georgia:“Solche Katastro-phen sind unvermeidlich, wenn wir in immer grösseren Meerestiefen nach Erdöl bohren. Wir spielen mit dem Feuer“. Zweitens die Atomkraftwerk-Katastrophe in Fukushima, Japan.

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Wasserverschleiss im BergbauDie Zahlen sind astronomisch: für eine Unze Gold werden 8’000 Liter Wasser ver-braucht. Für eine Tonne Kupfer 10-30’000 und für eine Tonne Stahl 250’000 Liter ohne das Wasser hinzuzurechnen, das benötigt wird, um den Schlamm aus den Tiefen hochzupumpen. Die Mine von Nevada, USA, braucht soviel Wasser wie die Bevölkerung von New York.

Menschenrechte und DemokratieDie Sozialkonflikte entstehen bereits vor der Minenausbeutung und, was noch schlimmer ist, die tiefen Wunden bleiben für sehr lange Zeit, wenn nicht für im-mer, bestehen. Der Berg San Pedro in San Luis de Potosi in Mexiko wurde inner-halb von fünf Jahren buchstäblich dem Erdboden gleich¬gemacht. Die Mine San Xavier liess selbst eine Kirche und ganze Wohngebiete verschwinden. Mit einer Minenrente haben die Goldaus¬beu¬ter den politischen Instanzen aller Stufen das Gewissen abgekauft. Die Universität San Luis liess sich bestechen, das Mi-litär sowieso, alles mit dem Segen von José Morales Reyes, dem Erzbischof von San Luis de Potosí (siehe Minera 500 años de saqueo, suplemento especial de la Jornada, 14 de noviembre de 2011).Gemäss dem Observatorio de Conflictos Mineros de America Latina (OCMAL) gibt es zur Zeit 120 Sozial- und Umweltkonflikte zwischen Minen¬unternehmen, Re-gierungen und Widerstand leistenden Gemein¬den. Allein in Peru machen solche Konflikte, nach der Statistik der Defensoria del Pueblo (Ombudsman/Beschwer-debeauftragter), landes¬weit die Hälfte aller Konflikte aus. Dies führt unweiger-lich zu Menschen¬rechtsverletzungen und zur Verletzung der demokratischen politischen Rechte der Bevölkerung, mangels adäquater demokratischer Volks-be¬frag¬ungen oder -abstimmungen.Es geht dabei nicht nur um soziale, ökonomische und umweltmässige Aspekte sondern um die substantielle Fragen der Demokratie und des Rechtsstaates. Es fehlt an einer echten Volksbefragung und politischen Teilhabe der Bevölkerung am Entscheidungsprozess. Jeglicher Konsens wird gering geschätzt. Die Be-völkerung wird gespalten und der legitime Widerstand kriminalisiert. Ecuador, als ehemalige Insel des Friedens, gerät zusehends in den Strudel sozialer Konfli-kte. Bereits sind 189 krimi¬nalisierte Personen registriert, weil sie vom Widers-tandsrecht Gebrauch machen und das Wasser und die Natur verteidigen.

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8. Die Rechte der Natur

Die Natur ist ein lebendiger OrganismusVom „einfachsten“ Stein, der nicht stumm ist - er ist nur still - bis zum kom¬ple-xen Organismus des Menschen, hat jedes Element in der Natur ein Anrecht auf Leben. Der Mensch kommt mit Rechten, sogar schon vor seiner Geburt, auf die Welt. Wenn der Mensch, der im Nachgang zur Natur, oder besser aus der Natur herauswachsend, in Erscheinung tritt und Rechte hat, so ist es nicht mehr als natürlich, dass auch die Pacha¬mama Rechte hat. Die Universelle Deklaration der Menschenrechte ent¬stand aus einer anthropozentrischen Optik. Noch gibt es keine Univer¬selle Erklärung der Rechte der Natur. Aber mit und ohne Rech-te wird Mutter Gaia (= Erde) die schlimmsten Umweltkatastrophen überstehen, nicht aber ihre Kinder, die unweigerlich von der Gesundheit ihrer Pacha¬mama abhängen.Für die andinen Völker ist die Pachamama ein lebendiges Wesen, das die mens-chliche Spezies ebenso wie ihre Geschwister, die Pflanzen, Tiere und Minera-lien erleuchtet und durchdringt. Aus ihrem natürlichen Empfinden heraus aner-kennen und heiligen die Eingeborenen deren Rechte. Sie erkannten, dass ohne Gesundheit der Mutter Natur ihre Kinder erkranken und sterben. Sie verstan-den, dass ihre Allpamama Realität und Idee, Passion und Aktion, Quantität und Qualität, Ursache und Wirkung, Raum und Zeit ist. Deshalb erwidern sie dies uneigen¬nützig, danken ihr grosszügig, respektieren sie demütig und entziffern weise ihr Wesen, mit Hilfe von Symbolen, Riten, Tänzen, Gesängen, Erzählungen und Zeremonien.Während die andinen Völker den Symbolismus bevorzugen, griffen die semitis-chen und griechisch-römischen Völker auf die Schrift zurück, aber im Grunde da-rin übereinstimmend, dass die Natur ein lebendiger Organismus ist. Von Pytha-goras bis zu Platons Timäus herrscht Einig¬keit, dass die Erde alles auf dem Planeten belebt und in seiner Republik steht:“Wie wenn die Erde deine Mutter und Ernährerin wäre, so sollst du dich zu ihr verhalten“. Für Tacitus war die Mut-ter Erde eine Gottheit, die gebärt und alles lenkt. Cicero hält die Erde für intelli-gent und weise (siehe Silvia Jaquenod de Zsögön, Derecheo Ambiental, Madrid 2004). Aber als das Gen der Ich-Habgier auftrat, gewann die Güteraneignung Oberhand, ebenso die Ausbeutung der Natur und des Menschen, die Akkumula-tion von Kapital. Alles verwandelte sich in Kapital: die Natur und insbesondere auch der Mensch, was die schlimmste Form von Kapi-talismus darstellt. Um das zu erreichen, musste man dominieren, sich mit Wissenschaft und Technik legi-timieren und mit Gewalt drohen. Die Paradigmas änderten sich: man lebt nicht mehr mit der Natur, sondern von der Natur. Die lebendige Erde wird zur toten. Alles wird Sache. Die Natur und ihre Kinder werden Handelsware. Die abendlän-dische Wis¬sen¬schaft hat dem neuen Paradigma zum Durchbruch verholfen. Es gibt nur noch drei Reiche: das animalische, vegetarische und mineralische. Sowohl in der Literatur wie in den Schulen ging das wichtigste Reich, das der Spi-ritualität vergessen. Halten wir uns demgegenüber an Blaise Pascal:“Das Herz kennt Gründe, die der Verstand nicht kennt“. Die Wissenschaft und die Technik leisten grosses, aber ihre Empfindungs¬losigkeit lässt die Herzen der Menschen erfrieren.

Internationale Instrumente zum Schutze der Natur1971 wird in der iranisches Stadt Ramsar die internationale Übereinkunft von

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Ramsar beschlossen, in Kraft seit 1975, einzigartig durch ihren Umweltschutz für Feuchtgebiete, Wasser und deren Flora und Fauna.Im Juni 1972 legen 113 Länder an der Konferenz von Stockholm den Grunds-tein für alle künftige Umweltschutzpolitik. Der 5. Juni ist seither weltweit der Tag des Umweltschutzes.1982 beschliesst die UN-Generalversammlung die Charta der Natur (WWF).Der Brundtlandbericht formuliert 1987 erstmals den Begriff der nachhaltigen Entwicklung.Am 31. Januar 1992 folgt die Erklärung von Dublin über das Wasser und die nachhaltige Entwicklung. Daran knüpfen Erklär¬ungen von sechs Weltforen an und am 28. Juli 2010 verabschiedet die UN-Generalversammlung eine Reso-lution, dass der Anspruch auf Trink¬wasser, unentbehrlich zum Leben, einem Menschenrecht entspricht.1992, an der Konferenz von Rio de Janeiro, mit 170 Teilnehmer¬län¬dern, wird die Konvention zur Biodiversität beschlossen. Ebenso die Übereinkunft über den Klimawandel.2002 folgt der Gipfel von Johannesburg.2004 tritt das Kioto-Protokoll in Kraft (ohne Unterzeichnung der USA).Im Dezember 2009 findet die 15. Konferenz über den Klimawandel in Kopenhagen statt.

La Comunidad Andina de Naciones (CAN)Im März 2009 anerkennt die CAN, dass mehr als 60 Millionen Menschen in Kolum-bien, Ecuador und Peru bezüglich ihrer Wasserversorgung von Paramo-Gebieten abhängig sind. Viele Städte von Bogota, über Quito, Cuenca, Loja bis zu Caja-marca und Piura kommen überein, den Bergbau in den Paramogebieten auszus-chliessen:“Es sind unsere Lebensräume und heilige Territorien und einzigartige Ökosysteme, die zum Naturerbe gehören und unsere kulturelle Identität aus-machen. In Ecuador müssen mehr als 2 Millionen Hektaren Paramo zwingend geschützt werden“. Insbesondere müssen sie geschützt werden vor Bergbau, (falscher) Auf¬forstung (mit Pinos etc.), Agrikultur und Massentourismus, Mo-torsport, häufiger Brandrodung und Grossbauwerken.Am 10. Dezember 2010 fand der Gipfel von Cacun statt, der erneut an der Rea-lisierung der Kioto-Forderungen scheiterte. Zu deren Ver¬tusch¬ung beschloss man einen Grünen Klimafonds zu schaffen mit 30 Millionen Dollar Einlage seitens der Industrieländer, obwohl man wuss¬te, dass mindestens 100 Millionen Sofor-thilfe nötig wären.

Kontinental-Treffen der Völker des Abya Yala für das Wasser und die PachamamaDas Treffen fand im Juni 2010 in Cuenca de Guapondélig statt mit folgen¬den Vereinbarungen:Das Ausmass der ökologischen Verwüstung unserer Wohnräume ist die Folge des westlichen Zivilisationsmodells mit ihrer Marktwirtschaft und der Akkumulation von Reichtümern. Es ist an der Zeit, dieser Barbarei, insbesondere dem Bergbau im grossen Stil und der Erdölförderung, welche die Menschenrechte der einhei-mischen Bevölkerung und die Naturrechte mit Füssen tritt, Einhalt zu gebieten. Die Rechts¬ver¬letz¬ungen geschehen oft unter dem arglistigen Deckmantel von Program¬men zur Erhaltung der Natur.Das Sumak Kawsay ist Leben in Harmonie zwischen den Menschen und der Pa-

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chamama. Geboren aus den andinen Völkern, ist Sumak Kawsay ein neuer uni-versaler Ansatz für einen neuen Lebensstil.Wasser ist Quelle allen Lebens. Die Verteidigung des Wassers und der Ökosyste-me ist ein Menschenrecht.Die Kriminalisierung der Personen und Organisationen, die die Rechte der Ge-meinschaften und der Natur verteidigen, ist zur Staatspolitik geworden, die die Menschenrechte, garantiert in der Verfassung und in internationalen Abkommen, verletzt.Die Frauen, mit ihrer unauflösbaren Verbindung zur Pachamama, haben mit Standhaftigkeit die Verteidigung des Lebens auf sich genommen und bilden die vitale Kraft in allen Phasen des Widerstandes.Die Rebellion der Jugend des Abya Yala, in den Fusstapfen ihrer Väter und Mütter, mobilisiert den kontinentalen und weltweiten Widerstand.Die Bischöfe, unseres Kontinentes beharren als Propheten des Lebens darauf, dass gegenüber der Natur „die Interessen wirtschaftlicher Gruppen, die auf irra-tionale Weise die Lebensquellen zum Schaden ganzer Völker zerstören, nicht vorherrschen dürfen“.

Wir erklären unser Abya Yala frei von jeglichem Bergbau in grossem Stil, frei von jeder Plünderung und Verwüstung.Wir ratifizieren:- Den Widerstand und die dauernde Mobilisierung der Völker und Natio¬nalitäten des Abya Yala, auf dem Weg zur Errichtung des Sumak Kawsay, als legitim und heilig. Wir erklären den 11. Oktober zum Tag der Freiheit und des kontinentalen Widerstandes. Mit der Unterstützung der von der Erdölausbeutung heimgesuch-ten Völker, anerkennen wir ihren Kampf, in der Hoffnung die Erdöl-“Zivilisation“ zugunsten einer Kultur des Sumak Kawsay zu überwinden.- Die gemeinschaftliche und öffentliche Bewirtschaftung des Wassers als Garan-tie, um die Rechte der Natur und an der Natur und der Ge¬mein¬schaften zu bewahren.- Die Wichtigkeit und den Wert des althergebrachten Wissens und der Weisheit, als Teil des Wissens- und Kulturschatzes der Menschheit.- Die Legitimität des Urteils des Internationalen Ethikgerichts. Wir gehen von der moralischen Gültigkeit und dem authentischen Ausdruck der Gerechtigkeit aus,

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wie sie im Leben der Völker verankert ist. Sie muss vom Staat, den Medien und der internationalen Gemeinschaft aner¬kannt und aufgenommen werden.

Wir fordern:- Eine Universelle Erklärung der Naturrechte.- Das Ende des Bergbaus und der Ausdehnung der Erdöl- und Minen¬ausbeu-tung, vor allem im grossen Stil, auf unserem Kontinent, damit die beeinträchtig-ten Gegenden wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden.- Das Recht der eingeborenen Völker und Gemeinschaften, ihre eigenen Lebens-formen zu leben und über das Schicksal ihres Bodens und ihrer Territorien zu entscheiden.- Die freie und vollständig informative vorgängige Volksbefragung als ein unver-zichtbares Recht, als Ausdruck der kollektiven Rechte der Völker und Nationalitä-ten. Ihrem Entscheid muss Rechnung getragen und Respekt entgegengebracht werden.- Das Ende von Komplizenschaften, womit die Regierungen die Interes¬sen der nationalen und transnationalen Minenunternehmen decken und sich ihnen unter Inkaufnahme der Verletzung der Menschen- und Naturrechte unterwerfen.- Das Ende der Kriminalisierung der Verteidiger/innen der Natur.- Den Stopp der Privatisierung des Wassers, um es wieder sozial gerecht zu ver-teilen.- Dass die Universitäten dazu beitragen, das Sumak Kawsay zu fördern, durch Wissensvermittlung und althergebrachte Praktiken; dass sie zu einer auf Ethik basierten souveränen und autonomen Wissenschaft beitragen und sich freima-

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chen von Interessenbindungen an transnati¬onale Unternehmen; dass sie sich zur Verteidigung des Lebens und der Natur verpflichten.

Wir verpflichten uns:- Das Leben zu verteidigen und den Widerstand mit allen möglichen Mitteln (Mo-bilisierung der Bevölkerung, öffentliche Anzeigen etc.) zu organisieren.- Zum Beistand der Kichwa- und Kañari-Völker in ihren Prozessen vor dem Inter-nationalen Gerichtshof der Menschenrechte.- Zu Solidarität und Respekt gegenüber den Amazonas-Völkern, deren Hartnäc-kigkeit und lebendigem Zeugnis, und der von Texaco/Chevron ihnen gegenüber begangenen Grausamkeiten, die von Gerichten in ihrem Sinne bestätigt wurden. Wir wachen darüber, dass das Urteil auch positiv zu ihren Gunsten umgesetzt wird.- Zur Unterstützung der Montubias-Gemeinschaften des Rio Grande in der Pro-vinz Manabi, um ihre Unversehrtheit zu retten. Die öffentliche Gewalt hat das Territorium dieser Gemeinschaften zu räumen.- Zur Förderung der Anwendung der UN-Deklaration über die Rechte der indige-nen Völker und die Verwirklichung der ILO-Konvention 169 und aller weiteren Ins-trumente, welche die kollektiven Rechte schützen (Territorien, Volksbefragung, interkulturelle Politik etc.).- Zur Schaffung von Kommissionen, bestehend aus Betroffenen und Unterstüt-zungsorganisationen, um darüber zu wachen, dass kriminali¬sierten Personen seitens des Staates u/o der Unternehmen ein fairer Prozess garantiert wird, um ihre Rechte und die der Gemein¬schaften zu verteidigen.

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Bei aller Kritik werden die positiven Initiativen seitens der Staaten nicht geleug-net.

Die Rechte der Natur in der VerfassungEcuador wurde weltweit zum Pionier, indem es in seiner Verfassung aus dem Jahre 2008 (EV08) Rechte der Natur verankerte. Es scheint, dass die aktuelle Regierung noch nicht in der Lage ist, weder diese Errungen¬schaft noch deren Konsequenzen anzuerkennen, was die Erklärung dafür wäre, dass sie mit Füssen tritt, was die Verfassungsgebende Versammlung von Monte Christi 2008 mit den Händen geschrieben hat. Der Druck seitens der indigenen und umweltbewuss-ten Bewegungen war entscheidend für diese Rechtsneuerung.Schon 1978 hatte der in Umweltfragen engagierte Anwalt Godofredo Stuzin am Kongress für Umweltrechte in Valparaiso/Chile vorge¬schla¬gen:“Die Aner-kennung der Natur als Rechtssubjekts ist ein gradueller Entwicklungsprozess...sukzessive wird das Rechtsgut Natur Autonomie und Persönlichkeit erwerben... erst im Verlaufe der Zeit wird die Natur zuerst in der Lehre, dann in der Rechts-prechung und schliesslich in der Gesetzgebung die juristische Stellung einneh-men, die ihr gebührt“.Art. 10 EV08 bestimmt:“ Personen, Gemeinschaften, Völker, Natio¬nali¬täten und Kollektive sind Rechtsträger der Rechte, die die Verfassung und die interna-tionalen Instrumente garantieren. Die Natur ist Subjekt jener Rechte, die ihr die Verfassung zuerkennt.“Art. 71 EV08:“Die Natur oder Pachamama, in der sich das Leben repro¬du¬ziert und realisiert, hat das Recht auf integrale Existenz, Erhaltung und Regeneration ihrer Lebenszyklen, ihrer Struktur, Funktionen und Entwicklungsprozesse. Jede Person, Gemeinschaft, jedes Volk und jede Nationalität kann von der öffentli-chen Autorität die Erfüllung der Rechte der Natur einfordern. Um diese Rechte anzuwenden und zu interpre¬tie¬ren sind die in der Verfassung niedergeschrie-benen Prinzipien zu beach¬ten. Der Staat spornt die natürlichen und juristischen Personen und die Kollektive an, die Natur zu schützen und fördert die Ehrfurcht gegen¬über allen Elementen, die das Ökosystem bilden“.Art. 72 EV08:“Die Natur hat das Recht auf ihre Wiederherstellung. Diese Wieder-herstellung ist unabhängig von der Verpflichtung, die den Staat, natürliche und juristische Personen trifft, geschädigte Individuen und Kollektive, die auf die na-türlichen Systeme angewiesen sind und von ihnen abhängen, zu entschädigen.In Fällen von schweren oder permanenten Eingriffen, inklusive solchen der Aus-beutung von nicht erneuerbaren Bodenschätzen, ergreift der Staat die wirksam-sten Mechanismen, um die Integrität der Natur wieder herzustellen, und die adä-quaten Mittel, um die giftigen Umweltschäden zu eliminieren oder zu mildern“.Art. 73 EV08:“Der Staat trifft Vorsichtsmassnahmen und verfügt Ein¬schrän-kun-gen gegenüber Aktivitäten, die zur Vernichtung ganzer Spezien, zur Zerstörung der Ökosysteme und zu dauerhaften Veränder¬ung von Naturzyklen führen kön-nen“.

Die nachhaltige EntwicklungNachhaltig ist eine Entwicklung, die die Verbesserung der Lebens¬qualität der Personen, das Gleichgewicht zwischen ökonomischer Entwicklung und der Erhal-tung der Umwelt, die Qualität des Wassers, der Luft, des Bodens etc. zum Zie-le hat und die Bedürfnisse der kom¬men¬den Generationen nicht ausser Acht lässt. Alles, was wir von der Natur erhalten, ist nur geliehen, das wir in gleichem

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oder besserem Zu¬stand denen übergeben müssen, die uns nachfolgen.Art. 395 EV08 sagt:“Der Staat garantiert ein nachhaltiges Modell der ausgegli-chenen Umweltentwicklung, die kulturelle Vielfalt respektierend, die die Biodi-versität und die Kapazität der natürlichen Regeneration der Ökosysteme erhält und die die Bedürfnisse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen absi-chert“.Art. 276. Ziff. 4 EV08 bestimmt:“Zurückgewinnen und bewahren der Natur und eine gesunde und nachhaltige Umwelt erhalten, die den Personen und den Ko-llektiven den gleichmässigen, dauernden Zugang zu Wasser, Luft, und Boden guter Qualität garantiert, ebenso wie zu den Gütern der Bodenschätze und des Naturerbes“.Art. 3 EV08:“ Primäre Pflichten des Staates sind: 1. Ohne irgendwelche Diskri-minierung den effektiven Genuss der in der Verfassung und in internationalen Instrumenten etablierten Rechte zu garantieren, insbe¬son¬dere die Erziehung, die Gesundheit, die Ernährung, die soziale Sicher¬heit und das Wasser für die Bewohner.... 5. Die nationale Entwicklung planen, die Armut ausrotten, die na-chhaltige Entwicklung und die gerechte Verteilung der natürlichen Vorkommen und den Reichtum fördern, um zum Guten Leben zu gelangen“.

Das menschliche Recht auf WasserDas Wasser als wesentliches Element wird in der Verfassung zum Menschenrecht erklärt. Für die Gemeinschaften der Ahnen war Wasser immer mehr als die fri-vole chemische Formel H²O. Das Wasser ist Symbol, Kultur, Spiritualität, weil wir Wasser sind, vom Wasser kommen und wieder zu Wasser werden.Art. 12 EV08:“Das Recht auf Wasser ist fundamental und unverzichtbar. Das Wasser ist strategisches Nationalgut, zum öffentlichen, unver¬äus¬ser¬lichen und immerwährenden Gebrauch, es ist nicht verpfändbar und wesentlich für das Leben“.Art. 318 EV08: „Das Wasser ist strategisches Nationalgut für den öffent¬lichen Gebrauch, unveräusserliches und immerwährendes Staats¬eigen¬tum. Es ist ein vitales Element der Natur und für die Existenz der mensch¬lichen Wesen. Jede Form von Privatisierung des Wassers ist verboten. Die Bewirtschaftung des Wassers ist ausschliesslich öffentlich und gemeinschaftlich. Der öffentliche Dienst der Wasseraufbereitung, der Wasserhaushalt des Trinkwassers und die Bewässerung werden aus¬schliesslich durch staatliche juristische oder geme-inschaftliche Perso¬nen ausgeübt. Der Staat stärkt die Bewirtschaftung und das Funk¬tionieren der Gemeinschaftsinitiativen im Hinblick auf die Wasserbe-wir-t¬schaftung und das Angebot von öffentlichen Dienstleistungen mittels Anreizen von Allianzen zwischen dem öffentlichen und gemeinschaft¬lichen Sektor. Der Staat ist direkt verantwortlich für die Planung und Geschäftsführung der Wasser-vorkommen, für den menschlichen Kon¬sum, für die Bewässerung als Grundlage der Nahrungsversorgung, für die notwendige ökologische Wassermenge und für produzierende Aktivi¬täten. Diese aufgezählte Reihenfolge legt gleichzeitig die Prioritäten fest. Die Verwendung von Wasser für produzierende Ziele im öffentli-chen, privaten Bereich und für die solidarische Volkswirtschaft bedarf der Autori-sierung durch den Staat in Übereinstimmung mit dem Gesetz“.Art. 411 EV08 präzisiert:“Der Staat garantiert die Erhaltung, Wieder¬er¬lan-g¬ung und die integrale Handhabung der Wasserressourcen, der Wasser-ein-zugsbecken und der entsprechend dem Wasserzyklus öko¬logisch notwendigen Wassermengen. Jegliche Aktivität, die die Qualität und die Quantität des Wassers

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und das Gleichgewicht der Ökosysteme beeinträchtigen kann, bedarf der (geset-zlichen) Regelung, insbesondere in den Quellgebieten und Zonen der Wasserau-fbereitung. Die Nach¬haltig¬keit der Ökosysteme und der menschliche Wasser-konsum haben Priorität bei der Nutzung und dem Verbrauch des Wassers“.

Heute sorgt man sich weltweit über die begrenzten Wasservorkommen, im Ge-gensatz zur früheren Auffassung, als man sich diese noch als un¬be¬grenzt und unerschöpflich vorstellte. Die Vertreter der Nationen erar¬beiteten deshalb eine Erklärung, worin sie den Regierungen em¬pfehlen, dringende Massnahmen ge-gen die Verknappung und Beein¬träch¬tigung ihrer Wasserquellen zu ergreifen.Art. 412 EV08:“Die Autorität, die mit der Bewirtschaftung des Wassers beauftragt ist, ist verantwortlich für die Planung, Regulierung und die Kontrolle. Diese Auto-rität kooperiert und koordiniert sich mit derjenigen Autorität, die für die Umwel-taufgaben zuständig ist, damit die Wasser¬wirt¬schaft sich auf ein ökosystemis-ches Ziel fokussiert“.

Zum Zeitpunkt der Diskussion eines neuen Projekts für ein Wasser¬gesetz war eines der Hauptbedenken der indigenen Bewegung die ausschliessliche Konzen-tration der Entscheidungsmacht über das Wasser bei der Regierung. Nach Au-ffassung der indigenen Bewegung muss diese paritätisch geteilt werden. Des-halb verlangte sie die Schaf¬fung eines plurinationalen Wasser-Rates, besetzt mit Regierungsmit¬glie¬dern und Mitgliedern der Zivilgesellschaft gemäss dem Prinzip der Parti¬zipation, wie es in der Verfassung niedergelegt ist. Dazu kam die Sorge seitens der indigen Bewegung durch die Bedrohung des Bergbaus in den Wasserquellgebieten, ebenso wie die Privatisierung und die Ham¬ster¬käu-fe des Wassers. Alles führte zu einem massiven Widerstand seitens der indigenen Bewegung. Damit wurde die Behandlung des Wasser¬gesetzes aufgeschoben, bis zur Durchführung einer vor¬gesetz¬lichen Volksbefragung. Die CONAIE und die UNAGUA, zusammen¬geschlossen in der FOA, erhoben beim Verfassungsge-richt gegen die Nationalversammlung und die Exekutive eine Verfassungsklage wegen Verfassungsswidrigkeit des Bergbaugesetzes, weil in den Gemeinden kei-ne vorgesetzliche Volksbefragung durchgeführt worden war. Das Verfassungs-gericht urteilte, dass bei jedem Gesetz, mit Ausnahme des Bergbaugesetzes, dieses kollektive Recht beachtet werden müsse. Die indigene Bewegung bes-chwerte sich wegen dieser Ausnahme beim CIDH.

Juristische Prinzipien in der Verfassung zur UmweltArt. 395 EV08:“Die Verfassung anerkennt die folgenden Umwelt¬prinzipien:1. Der Staat garantiert ein nachhaltiges Entwicklungsmodell, das umweltmässig ausgeglichen ist und die kulturelle Vielfalt respektiert. Es erhält die Biodiversität und die Fähigkeit zur natürlichen Regeneration der Ökosysteme. Es sichert die Erfüllung der Bedürfnisse der gegen¬wärtigen und zukünftigen Generationen.2. Die Politik der Umweltbewirtschaftung hat transversal zu erfolgen und muss seitens des Staates auf allen Ebenen und von allen natürlichen und juristischen Personen auf dem ganzen Staatsgebiet zwingend erfüllt werden.3. Der Staat garantiert die aktive und permanente Teilnahme der betroffenen Per-sonen, Gemeinschaften, Völker und Nationalitäten, bei der Planung, Ausführung und Kontrolle aller Aktivitäten, die umwelt¬mässige Eingriffe beeinhalten.4. Im Falle eines Zweifels über die Tragweite gesetzlicher Bestimm¬ungen im Umweltbereich, sind diese zum vorteilhaftesten Schutz der Natur zu auszule-

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gen“.Art. 397 EV08:“Im Falle von Umweltschäden handelt der Staat sofort und subsi-diär, um die Gesundheit und die Wiederherstellung der Ökosysteme zu garan-tieren. Über die entsprechende Sanktion hinaus, setzt der Staat gegenüber dem Schadensverursacher die Verpflicht¬ungen zur vollständigen Wiederherstellung durch, gemäss den im Gesetz festgesetzten Bedingungen und Verfahren. Die Ve-rantwortung trifft auch die für die Umweltkontrolle zuständigen verantwortlichen Bediensteten. Um das individuelle und kollektive Recht in einer gesunden und ökologisch ausgeglichenen Umwelt zu garantieren, verpflichtet sich der Staat zu:1. Jeder natürlichen oder juristischen Person, jeder Kollektivität oder menschli-chen Gruppierung sind gesetzliche Klagen erlaubt, an die juristischen und admi-nistrativen Organe zu gelangen, ohne direkten persönlichen Interessennachteil, um einen wirksamen Schutz in Umweltsachen zu erlangen, insbesondere auch um vorsorgliche Massnahmen zu fordern und um Umwelt-Bedrohungen oder -Schäden abzuwenden. Die Beweislast über die Inexistenz eines potentiellen oder realen Schadens liegt beim Betreiber der Aktivität oder bei demjenigen, der dazu den Auftrag erteilt hat.2. Die wirksamen Mechanismen zur Prävention und Kontrolle der Umwelt-konta-mination sowie zur Wiederherstellung beschädigter natürlicher Räume und zum nachhaltigen Umgang mit den Natur¬ressourcen zur Verfügung zu stellen.3. Die Produktion, den Import, die Verteilung, den Gebrauch und die Endverfü-gung über für Personen und Umwelt toxische und gefährliche Stoffe zu regulie-ren.4. Die Unantastbarkeit der Naturschutzzonen zu sichern, derart dass die Erhal-tung der Biodiversität und der ökologischen Funktionen der Öko¬systeme garan-tiert bleibt. Die Bewirtschaftung und die Administration der Naturschutzzonen ist Sache des Staates.5. Die Erstellung eines nationalen Vorsorgesystems, zur Risiko¬bewältig¬ung und zur Bekämpfung von Naturkatastrophen aufgrund der Prinzi¬pien der Unmi-ttelbarkeit, der Effizenz, der Vorhersicht, Verantwortung und Solidarität“.

UmweltschadenArt. 396 EV08:“Der Staat wendet die Politik und die passenden Mittel an zur Ver-meidung negativer Umweltereignisse, wenn Gewissheit bezüglich eines Scha-dens besteht. Im Falle eines Zweifels über ein Umweltereignis, verursacht durch eine Aktion oder eine Unterlassung, auch wenn keine abschliessende wissens-chaftliche Klarheit über den Schaden besteht, wendet der Staat die wirksamen und passenden Schutzmassnahmen an.Die Verantwortung für Umweltschäden ist objektiv. Jeder Umwelt¬schaden impli-ziert, über die entsprechenden Sanktionen hinaus, die Verpflichtung, die Ökosys-teme vollständig wieder herzustellen und die betroffenen Personen und Geme-inschaften zu entschädigen.Jeder Handelnde in Produktionsprozessen, in der Verteilung, Vermarkt¬ung und im Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen hat die direkte Verantwortung zu übernehmen und jedem – damit verbundenen – Um¬welt¬ereignis zuvorzukom-men und den Schaden zu mindern und zu repa¬rieren, den er verursacht hat. Zudem hat er ein dauerndes Umwelt-Kontrollsystem aufrechtzuerhalten.Die gesetzlichen Klagen, um Umweltschäden zu verfolgen und zu sanktionieren sind unverjährbar“.Diese Verfassungsbestimmung ist zwiespältig. Ideal wäre, ein kompe¬tentes Or-

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gan mit landesweiter Umweltjurisdiktion zu schaffen und Umwelt¬schutzrichter in der ganzen Republik einzusetzen.Wir begrüssen die Unverjährbarkeit der Umweltklagen.Gegenüber jedem verursachten Schaden besteht ein direkter Bezug zur Veran-twortung. Das Prinzip ist klar: wer kontaminiert, bezahlt. Im Umwelt¬recht ist es immer besser vorzubeugen als nachträglich den Schaden zu beheben.Weder das aktuelle Zivil-, Verwaltungs- noch das Strafrecht reichen aus, um die Umwelt vor Schäden ausreichend und die Rechte der betrof¬fenen (indigenen) Bevölkerung zu schützen. Diese Rechtsgebiete wurden noch nicht den Normen der neuen Verfassung angepasst.Das Recht auf vorgängige VolksbefragungEin fundamentales Recht, das die Partizipation der Urvölker garantiert, ist das Recht auf eine Volksbefragung mittels geeigneter Verfahren und durch deren repräsentative Institutionen. Diese Befragung ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und den Umständen entsprechend durchzuführen, um zu einem Konsens zu gelangen. Die Volksbefragung muss 1. frei sein. Die Bevölkerung ist 2. vorgängig über alle Aspekte voll zu informieren. Sie darf 3. keinerlei Eins-chränkungen unterworfen wer¬den und sie hat sich 4. den traditionellen Mech-nismen der Volksgemein¬schaften anzupassen: den Eigenheiten ihrer Verfahren, ihrer Sprache, Zeitpläne, Örtlichkeiten etc., ohne äussere Einmischungen oder gar Eingriffe, was der Auferlegung von andern Methoden gleichkäme als jenen, die in den Volksgemeinschaften gebräuchlich sind. Das Ziel dieser Verfahren muss das Einverständnis und die Zustimmung oder die Ablehnung zu einem Ge-setz, zu einem bestimmten Handeln oder zu einem Projekt sein.In Übereinstimmung mit den internationalen Instrumenten ist ihre Erfüllung zwin-gend und deren Nichtbeachtung führt zur Nichtigkeit der intendierten Vorhaben (der Regierungen bzw. von Unternehmen). Die Volksbefragung ist verbindlich. Es kann deshalb nicht angeführt werden, mangels einer Zustimmung liege die Endentscheidung bei der Regierung, da es sich um eine ausdrückliche Norm han-delt: Wenn keine Zustimmung durch die indigene Gemeinschaft vorliegt, so kann ein Projekt nicht realisiert werden. (Siehe Carlos Perez Guartambel, Justicia Indi-gena, 3. Aufl. 2014).Art. 57 EV08 bestimmt:“Gegenüber den eingeborenen Kommunen, Gemeins-chaften, Völkern und Nationalitäten, werden gemäss Verfassung und internatio-nalen Verträgen, Übereinkünften, Erklärungen und aller übrigen Instrumenten der Menschenrechte die folgenden kollektiven Rechte anerkannt und garantiert:Ziff. 7. Die vorgängige, freie und informierte Volksbefragung, innerhalb einer vernünftigen Frist, über Pläne und Programme zur Erkundung, Ausbeutung, Kom-merzialisierung von nicht erneuerbaren Ressourcen, die sich in ihrem Boden be-finden und die sie umweltmässig und kultu¬rell betreffen können. Im weitern wird die Teilhabe an den Vorteilen, die diese Projekte mit sich bringen ebenso wie die Entschädigung für die sozialen, kulturellen und umweltmässigen Beein-trächtigungen, die jene verursachen, anerkannt und garantiert. Die Volksbefra-gung ist obliga¬torisch und rechtzeitig durchzuführen. Wenn keine Zustimmung seitens der befragten Gemeinschaft erreicht wird, so ist gemäss Verfassung und Gesetz vorzugehen.Ziff. 17. Konsultiert zu werden, bevor ein gesetzgeberisches Mittel ergriffen wird, das irgendeines seiner kollektiven Rechte betreffen kann“.Art. 398 EV08 schreibt vor:“Für jede Entscheidung oder staatliche Bewilligung, die die Umwelt betreffen kann, bedarf es einer Volks¬befragung der betroffenen

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Gemeinschaft, die umfassend und recht¬zeitig zu informieren ist. Das konsultie-rende Subjekt ist der Staat. Das Gesetz regelt die vorgängige Volksbefragung, die bürgerliche Partizi¬pation, die Fristen, das befragte Subjekt und die Krite-rien der Würdig¬ung und der Einwände betreffend die der Volksbefragung un-ter¬worfe¬nen Aktivitäten.Der Staat bewertet die Meinung der (indigenen) Gemeinschaft ent¬sprech¬end den im Gesetz und in den internationalen Instrumenten der Menschenrechte festgehalten Kriterien.Wenn aus dem bezeichneten Verfahren der Volksbefragung mehrheit¬lich eine Opposition resultiert, so ist der Entscheid, das Projekt aus¬zu¬führen oder nicht, von der übergeordneten administrativen Instanz gemäss Gesetz durch eine Re-solution mit gehöriger Begründung zu übernehmen“.Art. 28 des Umwelt-Gesetzes hält fest, dass bei Nichterfüllung des Volksbefra-gungs-Verfahrens, wie es die Verfassung vorsieht, die vorgesehene Aktivität ni-cht ausgeführt werden darf und alle sie betreffenden Verträge null und nichtig sind.Der ecuadorianische Staat ist keine juristisch vom internationalen Kontext iso-lierte Gesellschaft. Er steht in einer Tradition internationaler Zusammenarbeit, die auch in der Verfassung von Monte Christi 2008 ihren Niederschlag gefunden hat.Art. 3 EV08:“Vorrangige Pflichten des Staates sind: 1. Ohne irgend¬welche Dis-kriminierung den effektiven Genuss der Rechte zu garan¬tieren, die in der Ver-fassung und in den internationalen Instrumenten niedergelegt sind, insbesonde-re die Erziehung, die Gesundheit, die Ernährung, die soziale Sicherheit und das Wasser für alle seine Bewohner“.Art. 10 EV08:“Die Personen, Gemeinschaften, Völker, Nationalitäten und Kollek-tive sind Inhaber und Nutzniesser der in der Verfassung und in internationalen Instrumenten niedergelegten Rechte“.

Die ILO-Konvention 169Art.6 bestimmt:“1.Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkom-mens haben die Regierungen a) die betreffenden Völker durch geeignete Ver-fahren und insbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen zu konsul-tieren, wann immer gesetzgeberische oder admini-strative Massnahmen, die sie unmittelbar berühren können, erwogen werden; b) Mittel zu schaffen, durch die diese Völker sich im mindesten gleichen Umfang wie andere Teile der Be-völkerung ungehin¬dert auf allen Entscheidungsebenen an auf dem Wahlprinzip beruhen¬den Einrichtungen sowie Verwaltungs- und sonstigen Organen betei-li¬gen können, die für sie betreffende Massnahmen und Programme ver¬an-t¬wortlich sind; c) Mittel zu schaffen, die es den Völkern ermöglichen, ihre eige-nen Einrichtungen und Initiativen voll zu entfalten, und in geeig¬neten Fällen die für diesen Zweck erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.2. Die in Anwendung dieses Übereinkommens vorgenommenen Konsul¬tationen sind in gutem Glauben und in einer den Umständen ent¬sprechen¬den Form mit dem Ziel durchzuführen, das Einverständnis oder die Zustimmung bezüglich der vorgeschlagenen Massnahmen zu erreichen“.Art 15.:“1. Die Rechte der betreffenden Völer an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schliessen das Recht dieser Völker ein, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.

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2. In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an den mineralischen oder unte-rirdischen Ressourcen oder Rechte an anderen Ressourcen des Landes behält, haben die Regierungen Verfahren festzulegen oder aufrechtzuerhalten, mit de-ren Hilfe sie die betreffenden Völker zu konsultieren haben, um festzustellen, ob und in welchem Ausmass ihre Interessen beeinträchtigt werden würden, bevor sie Programme zur Erkundung oder Ausbeutung solcher Ressourcen ihres Lan-des durchführen oder genehmigen. Die betreffenden Völker müssen wo immer möglich an dem Nutzen aus solchen Tätigkeiten teilhaben und müssen einen an-gemessenen Ersatz für alle Schäden erhalten, die sie infolge solcher Tätigkeiten erleiden“.Gemäss ecuadorianischer Verfassung ist der Staat Inhaber der nicht erneuerba-ren Bodenschätze. In Übereinstimmung mit Art. 15 der ILO-Konvention 169, die als Teil der Verfassung Verfassungsrang hat, muss seitens des Staates deshalb den Völkern und Nationalitäten ein Verfah¬ren zur Verfügung gestellt werden, da die Bergbauaktivitäten einen direkten Eingriff in ihre Territorien und ihr Zusam-menleben darstellen.Die Volksbefragung darf nicht als blosser Formalismus gehandhabt werden, son-dern sie hat eine Schutzrolle zu spielen, die sich in einem dauernden Dialog über die Angelegenheiten, die sie betreffen können, niederschlägt. Konsequen-terweise braucht die vorgängige Volksbefrag¬ung eine dauernde Information über Pläne und Erkundungs- und Schürf¬programme, über die Ausbeutung und Kommerzialisierung der nicht erneuerbaren Bodenschätze, die sich in ihren Terri-torien oder in deren Nähe befinden.

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UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker vom 13.9.2007Art. 19:“Die Staaten verständigen sich und kooperieren nach Treu und Glauben mit den betroffenen indigenen Völkern, über deren eigene repräsentativen Insti-tutionen, um ihre freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zus-timmung zu erhalten, bevor sie Gesetz¬gebungs- oder Verwaltungsmassnah-men beschliessen und durchführen, die sich auf diese Völker auswirken können.“Art. 38:“Die Staaten ergreifen in Konsultation und in Zusammenarbeit mit den indigenen Völkern die geeigneten Massnahmen, einschliesslich Gesetzgebungs-massnahmen, um die Ziele dieser Erklärung zu erreichen“.Überdies siehe Art. 8,10,11, 23, 25, 26, 29,32. Hier heisst es, dass die Institution der vorgängigen Volksbefragung nicht eine blosse Befragung ist. Sie ist bindend, es bedarf des Einverständnisses und der Zustimm¬ung (ja oder nein) zu einem normativen Akt oder zur Ausbeutung von Bodenschätzen.In der Anerkennung, dass die Volksbefragung sich nicht in einer blossen Informa-tion oder öffentlichen medialen Publikation erschöpft, zeigt sich, dass sie nicht ein blosses Anhörungs- oder Informationsverfahren ist. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der ILO gehört die Anhörung von indigenen Repräsentanten nicht bloss aus diesem Grunde zur vor¬gängigen gesetzlichen Volksbefragung, sondern die Befragung muss ein systematischer Verhandlungsprozess sein, der als genuiner Dialog mit den legitimierten Repräsentanten beider Seiten zu führen ist. Sie ist die Existenz eines genuinen Austausches der beidseitigen Positionen, des aufrichtigen Wunsches nach Übereinstimmung in gutem Glauben.Aus all dem folgt, dass das ecuadorianische Bergbaugesetz absolut verfas-sungswidrig ist, da es ohne vorgängige Volksbefragung erlassen wurde.Das kolumbianische Verfassungsgericht hat in 9 von 10 Fällen fest¬gehalten, dass wegen Fehlens einer Volksbefragung Gesetze verfass¬ungs¬widrig sind, ein Mangel, der nur durch Erlass neuer Gesetze (z. B. ein Forstgesetz) mit vor-hergehender Volksbefragung der indigenen Bevölkerung behoben werden kann. In der Hauptsache wurde dies damit begründet, dass „die enge Beziehung, die die Indigenas mit ihrer Erde pflegen, als fundamentale Basis ihrer Kultur, ihres spirituellen Lebens, ihrer Integrität und ihres wirtschaftlichen Überlebens be-griffen und anerkannt werden muss. Für die indigenen Gemeinschaften ist die Beziehung zur Erde nicht nur eine blosse Frage des Besitzes und der Lebensmi-ttelproduktion, sondern die Erde ist ein materiell-spirituelles Element, deren sie vollumfänglich bedürfen, um ihr überliefertes Kultur¬gut zu bewahren und es den zukünftigen Generationen weiterzugeben“. Gleiche Interpretationen finden sich in der Rechtssprechung Costa Ricas.Auch der Corte Interamericana hat in Anwendung der Convention Americana sobre Derechos Humanos festgehalten, „dass die indigenen Völker in den ersten Etappen der Planung befragt werden müssen und nicht erst, wenn die Notwendi-gkeit auftaucht die Zustimmung der Gemein¬schaft einzuholen“.Ein dreiköpfiges Komitee des Administrativrates der ILO hat – anlässlich der mexikanischen Verfassungsreform von 2001 - bezüglich der not¬wen¬digen systematischen Volksbefragung festgehalten:“dass ein Ver¬fahren, in welchem Personen und Organisationen zwar die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äus-sern, aber keinen genuinen, kontinuier¬lichen, und während genügend langer Zeit durchgeführten Austausch pflegen konnten, um zumindest zu einem Ein-verständnis zu gelangen, dass ein solches Verfahren nicht ausreicht“.Der Interamerikanische Gerichtshof der Menschenrechte hat in einem Fall des Saramaka-Volkes gegen Surinam festgehalten, dass der Staat bei der Volksbe-

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fragung die Pflicht gegenüber den indigenen Völkern hat, sie gemäss ihren Ge-bräuchen und Traditionen zu befragen, indem „die traditionellen Methoden der indigenen Bevölkerung für die Entscheid¬fällung massgebend sind“. Im Falle von Projekten im grossen Stil, die ihr Überleben bedrohen, sei dies nur mit Zus-timmung der ganzen Gemein¬schaft zulässig (Urteil vom 28.11.2007, Serie C. Nr. 172. Sala constitu¬cional de la Corte Suprema de Justicia de Costa Rica, Sentencia Nr. 13832 vom 11.9.2008, consulta facultativa, expediente Nr. 08-011089-0007-CO; Corte Constitucional de la Republica de Colombia, Sentencia C-030 de 2008).

Grundvoraussetzungen für die vorgängige Volksbefragung

Sie muss frei sein. Die Volksbefragung muss sich in einem Kontext abspielen, der genügend Information zum Thema, zur Darstellung und zur Organisation des Verfahrens sowie zu den Resultaten beeinhaltet. Sie muss ohne Druck, Drohung, Manipulation, Betrug, Bestechung oder soziale oder irgendwelche andere Form von Gewalt stattfinden. Vor, während und nach dem Verfahren muss der Staat dafür einstehen, dass die Menschenrechte respektiert, die Gesetze angewandt und die Politik, die Kosmovision und das kosmische Zusammenleben, die Kultur und die soziale und politische Organisation der indigenen Kommunen, der Ge¬-mein¬schaften, Völker und Nationalitäten und anderer Gruppen gemäss den in-ternationalen Dokumenten garantiert werden (ILO-Konvention 169 Art. 6, 7, 15; UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker Art. 12, 16, 20. Europ. Parlament, Resolution über die internationalen Mittel zum wirksamen Schutz der eingebore-nen Völker vom 9.2.1994. ALNUDH, UNO-Doc. HR. CERD. 99.29 vom 18. 3. 1999).Sie muss vorgängig stattfinden: vor der Ausarbeitung, vor dem Beschluss und der Veröffentlichung eines Gesetzes, öffentlicher poli¬tischer Handlungen, Regulierungen und Aktivitäten stattfinden. Es muss vorgängig ein angemesse-ner Zeitraum eingeräumt werden für Infor¬ma¬tion, für den Beizug von Bera-tung, für eine Vorbefragung (preconsulta) über die Mechanismen der Befragung, für die Verhandlung und für den Dialog, damit die Studien und Szenarien über die möglichen Folgen erar¬beitet und allen mitgeteilt werden können.Sie ist obligatorisch. Dies gilt auch, wenn in einem Gesetz etc. das entspre-chende indigene Volk etc. darin nicht direkt erwähnt, aber betrof¬fen ist (ILO-Kon-vention 169, Art. 6,7,15, 24. Bericht de ILO-Kommission, in der Beschwerde ge-gen Bolivien aufgrund der Konven¬tion der eingeborenen Völker und Stämme 1989. Ebenso der Bericht dieser Kommission in analoger Angelegenheit gegen Ecuador 2001. UN-Charta Art. 73).Bei direkter Betroffenheit. Sie hat immer stattzufinden, wenn ein Gesetz etc. auf irgendeine Weise die Rechte, insbesondere die funda¬men¬talen der indi-gen Bevölkerung etc. tangiert. D. h. nicht, dass eine Aktivität, eine legislative oder administrative Massnahme etc. direkt oder ausschliesslich auf die indigene Bevölkerung ausgerichtet sein muss. Wenn diese nicht direkt betroffen ist, muss keine Volksbefragung stattfinden, aber sie muss an der nationalen Debatte teil-haben können.Sie ist auf Zustimmung ausgerichtet. Sie ist nicht bloss eine Notifikation und noch weniger ein blosser Formalismus. Sie zielt auf die Zu¬stim¬mung der indigenen Gemeinschaft ab. Sie ist deshalb gutgläubig zu führen, ohne Manipu-lation, Betrug, Fallen und Lügen, mit dem Ziel das indigene Kollektiv zu respek-tieren (s. obige Zitate und Urteil des CIDH, Saramak geg. Surinam 28.1.2007).

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Sie braucht geeignete Mechanismen. Die Mechanismen müssen jeder in-digenen Gemeinschaft, unter Respektierung ihrer Eigenheiten, bestmöglich an-gepasst sein. Das Verfahren muss graduell, einfach, systematisch und auf die Gemeinschaft zugeschnitten sein. Es muss sich bezüglich Zeitrahmen und Form in einem friedlichen öffentlichen Rahmen abspielen, sodass schliesslich auch in kritischen Punkten ein Konsens erreicht werden kann. Es muss eine Vorbefra-gung und Vor¬information und dann die Volksbefragung selbst stattfinden (siehe Zitate in den vorgängigen Abschnitten und Dritter Bericht der ILO-Kommission in der Beschwerde geg. Kolumbien. DDPI Art. 18, 19, 20, 28, 38. CEDR, Recommen-dación General sobre poblaciones Indígenas § 7. ALNUDH, UN-Doc. HR. CERD 99.29 vom 18.3.1999).Gewählte Repräsentanten. Die Repräsentanten beider Seiten müssen auf le-gitime Weise für ihren Bereich bzw. ihre Aufgaben gewählt sein, gemäss den Prinzipien einer partizipativen Demokratie aber auch unter Beachtung der be-sonderen Strukturen der kulturellen Vision und Politik der betroffenen indigenen Bevölkerung. Diese Wahl der Reprä¬sen¬tanten hat im Rahmen einer Vorbefra-gung stattzufinden. (Urteil CIDH Saramak geg. Surinam vom 28.1.2007. ILO-Kon-vention 169 Art. 6 und 7).Sie muss Wirkung entfalten. Die Resultate der Volksbefragung müssen re-chtlich wirksam in die Beschlussfassung der Gesetze etc. einfliessen. Der Staat hat diesbezügliche Garantien bereitzustellen. Beiderseits muss Gutgläubigkeit vorhanden sein, mit der Absicht zu einem Konsens zu gelangen.Sie muss die Selbstbestimmug respektieren. Die indigenen Kommunen, Gemeinschaften, Völker etc. rechnen nicht nur mit dem staatlichen und durch internationale Mechanismen garantierten Rechts¬schutz, sondern mit spezifis-chen Schutzmitteln ihrer kulturellen, politi¬schen und territorialen Integrität. Durch die Mechanismen der Volksbe¬fragung soll die Integrität, Autonomie, Selbstverwaltung, ihre Formen der Repräsentation und ihres Gewohnheitsrech-tes gestärkt werden (CIDH, Gemeinschaft der Mayagna Sumo Awas Tingni geg. Nicaragua, Sentencia de Fondo y Reparación vom 31.8.2001).Sie muss kompatibel mit den Menschen- und kollektiven Rechten sein. Insbe-sondere sind die Rechte und spezifischen Normen zum Schutz und zur Förde-rung von Gruppen, Völkern und Nationalitäten zu respektieren. Selbst wenn ein Konsens und eine Zustimmung des Volkes aufgrund der vorherigen Parameter entstünde, ohne das hier genannte Kriterium zu erfüllen, so wäre die Befragung nicht gültig (s. obgenannte Anm.).Sie muss auf die repräsentativen indigenen Institutionen zugeschnitten sein. Der Internationale Gerichtshof für Menschen¬rechte hat im Falle Sara-maka gegen Surinam verlangt, dass die Befrag¬ung gemäss den Gewohnheiten und Traditionen der indigenen Bevölker¬ung durchgeführt werden muss, d. h. mittels traditioneller indigener reprä¬sentativer Institutionen, die eine Vielfalt von identitätsstiftenden, geografischen, geschlechtsspezifischen, sprachlichen etc. Perspektiven verkörpern.Sie muss systematisch und transparent sein. Die Befragung muss das le-gitime Recht des Widerspruchs zulassen. Die Bevölkerung muss auch das Recht haben, eigene Initiativen einzubringen. Die Debatten müssen transparent sein und der systematische Anspruch zielt darauf ab, dass die Befragung Teil eines kontinuierlichen Pozesses der Parti¬zipation ist.Sie ist eine Pflicht des Staates. Gemäss Verfassung und ILO-Konvention 169 hat der Staat die Pflicht – im beschriebenen Sinn – Volksbefragungen durchzu-

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führen. Der ecuadorianische Staat hat demgegenüber diese Pflicht systematisch missachtet. Deshalb hat die indigene Bevölkerung aufgrund ihres Selbstbestim-mungsrechts, der Selbstverwaltung und der Autonomie ihre eigene Befragung in voller Legitimät, am 2. Oktober 2011, durchgeführt. Angeführt von ihren indige-nen Autoritäten, in Anwesenheit von 15 nationalen und internatio¬nalen Beoba-chtern, haben 93% der althergebrachten Gemeinschaften der Wasserbenützer von Tarqui und Victoria del Portete Nein zu allen Berg-bauaktivitäten in den Para-mo- und Feuchtgebieten von Kimsakocha gesagt. Das Prinzip der Selbstbestim-mung und des freien Entscheides ist in Art. 7 der ILO-Konvention 169 festgehal-ten:„1. Die betreffenden Völker müssen das Recht haben, ihre eigenen Priori¬täten für den Entwicklungsprozess, soweit er sich auf ihr Leben, ihre Überzeugungen, ihre Einrichtungen und ihr geistiges Wohl und das von ihnen besiedelte oder an-derweitig genutzte Land auswirkt, festzule¬gen und soweit wie möglich Kontro-lle über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung auszuüben. Darüber hinaus haben sie an der Auf¬stellung, Durchführung und Bewertung von Plänen und Programmen für die nationale und regionale Entwicklung mitzuwirken, die sie unmittel¬bar berühren können.2. Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie des Gesund-heits- und Bildungsstandes der betreffenden Völker mit ihrer Beteiligung und Unterstützung muss in den allgemeinen Plänen für die wirtschaftliche Entwic-klung der von ihnen bewohnten Gebieten Vorrang haben. Auch die besonderen Entwicklungspläne für diese Gebiete sind so zu gestalten, dass sie diese Verbes-serungen begünstigen.3. Die Regierungen haben sicherzustellen, dass in Zusammenarbeit mit den be-treffenden Völkern gegebenenfalls Untersuchungen durchgeführt werden, um die sozialen, geistigen, kulturellen und Umweltaus¬wirk¬ungen geplanter En-twicklungstätigkeiten auf diese Völker zu beurteilen. Die Ergebnisse dieser Un-tersuchungen sind als grundlegende Kriterien für die Durchführung dieser Täti-gkeiten anzusehen.4. Die Regierungen haben in Zusammenarbeit mit den betreffenden völker Mass-nahmen zu erfgreifen, um die Umwelt dr von ihnen bewohn¬ten Gebiete zu schützen und zu erhalten“.Ebenso steht in Art. 4 der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker:„-Bei der Ausübung ihres Rechtes auf Selbstbestimmung haben indigene Völker das Recht auf Autonomie oder Selbstverwaltung in Fragen, die ihre inneren und lokalen Angelegenheiten betreffen , sowie das Recht, über die Mittel zur Finan-zierung ihrer autonomen Aufgaben zu verfügen“.

Das heisst, die eingeborenen Völker können auf autonome Weise ohne irgend-welche Einschränkung ihre Konflikte lösen und ihr Schicksal in Funktion ihrer Kos-movision und des ursprünglichen kosmischen Zu¬sam¬men¬lebens gestalten, in welchem sich das soziale, ökonomische, politische, kulturelle, umweltmässige und spirituelle Leben auf systema¬tische, integrale und kosmische Art abspielt.

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9. Glossar

Abya Yala: alter Name des amerikanischen KontinentsAlcalde: BürgermeisterAllpamama: Allmutter (in kosmischer Weite und Fülle)Ayni: Gesetz der Reziprozität, des Gebens und Nehmens, des Gehens und Kom-mens...Azuay: Provinz Ecuadors mit Hauptstadt CuencaBVB: Bosques y Vegetation Protectora, Plan für geschützten Wald und VegetationCAN: Comunidad Andina de Naciones(Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru, bis 2006 auch Venezuela), wird wohl von UNASUR abgelöst.Cantón: Kanton, dritte politisch-administrative Organisationsebene, nach Comu-nidad (1. Ebene), Parroquia (2. Ebene), Cantón (3. Ebene), Provincia (4. Ebene)Chakana: Kreuz des Südens, Symbol der andinen Kosmovision mit seinen vier Lebenselementen Luft, Wasser, Erde und FeuerCIDH: Corte International de los Derechos Humanos, Internationaler Gerichtshof der Menschenrechte mit Sitz in Costa RicaCNHR: Consejo Nacional de Recursos Hídricos, Nachfolgerin von INERHICONAIE: Confederación de Nacionalidades Indigenas del EcuadorCREA: Centro de Reconversion Economica de Azuay (existiert nicht mehr)Cuenca: Hauptstadt der Provinz Azuay, Santa Ana de los Rios de Cuenca, siehe GuapondéligDDPI: Declaración de los Derechos de los Pueblos Indigenas = Erklärung der Ve-reinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker (Resolution 61/295) vom 13.9.2007DIREMI: Dirección Regional de Mineria del AzuayECUARUNARI: Confederación de Pueblos Kichwas del EcuadorEIA: Evaluación de Impacta Ambiental, (Studie zur) Auswertung der Auswirkun-gen von UmwelteingriffenETAPA: Empresa publica municipal de Telecomunicaciones, Agua potable, Alcan-terillado y Saneamiento, CuencaEV08: aktuelle Ecuadorianische Verfassung von Monte Christi in Kraft seit 2008FOA: Federación de Organizaciones Indigenas y Campesinos del Azuay, Zusam-menschluss der CONAIE und UNAGUAGIR: Grupo de Intervención y de RescateGobernadór: Kontrollorgan der Regierung in den Provinzen, Kantonen und Bezir-kenGOE: Grupo de Operaciones especiales de la Policia NacionalGuapondélig: ursprüngliche Siedlung der Kañari, später von den Inkas umbe-nannt in Tomebamba, seit der Kolonialisierung CuencaIamgold: Iamgold Ecuador S. A.IDH: Indice de Desarollo HumanoIIRSA: Iniciativa para la Integración de la Infraestructura Regional de America del SurILO: International Labor Organisation, mit Sitz in GenfILO-Konvention 169: Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen le-bende Völker in unabhängigen Ländern 1989, i. Kraft 1991INERHI: Instituto Nacional Ecuatoriano de Recursos Hídricos, Vorgängerin von CNHRJunta: Rat, Junta Comunal (Gemeinderat), Junta Parroquial (Bezirksrat)

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Kañari: Andenvolk in Ecuador, bereits vor Ankunft der Inka.Kimsakocha: Kimsa = 3; Kocha = See(n)Mandato Minero: auch bekannt als Mandato Nr. 6 , das die ecuadorianische Verfassungsgebende Versammlung von Monte Christi am 18. April 2008 erliess, um der Ausbeutung und Umweltzerstörung durch Mega-Minenprojekte Einhalt zu gebieten.Minka: gemeinsame Freiwilligen-Arbeit der Dorfgemeinschaften bei Strassen-bau, Wasserbewirtschaftung etc.Pachamama: Mutter ErdePaja: Zähes Gras im Paramo-GebietPanamericana: Hauptverkehrsader Nord-Süd in den Anden von Quito bis PeruParamo: Feuchtgebiet in den AndenhöhenParroquia: Bezirk, die nächsthöhere pol.-admin. Stufe nach der GemeindePNUD: Plan de las Naciones Unidas por el Desarollo (Entwicklung)Präfekt: Vorsteher einer ProvinzPROMAS: Programa para el Manejo de Agua y Suelo = Programm zur Bewirts-chaftung des Wassers und des Bodens der Universität CuencaQuimsacocha: siehe Kimsakocha. Diese Schreibweise, die von der indigenen mit „K“ abweicht, wird oft in amtlichen Dokumenten, sowie von den Minengesell-schaften und manchmal auch in der Presse verwendetRamsar: völkerrechtliche Übereinkunft ü. Feuchtgebiete beschlossen in Ramsar/Iran.Raymi: FestSENAGUA: Secretaria Nacional de Agua, Nachfolgerin von CNHRSistema Comunitaria de Agua: Gemeinschaft der Wasserbenützer einer Pa-rroquia oder von DorfgemeinschaftenSumak Kawsay: Buen Vivir, Gutes Leben, Begriff auch in der (siehe) EV08Tawantinsuyo: Inkareich mit seinen vier Teil-Gebieten (= Suyo); tawan = 4UNAGUA: Unión de Sistemas Comunitarios de Agua del Azuay = Vereinigung der Gemeinde-Wasser-Betriebe in der Provinz AzuayWipala: Fahne des (siehe) Abya YalaWirakocha: Wasser-Gott, Wasser-WesenYaku Samay: Geist des WassersYakumama Raymi: Yaku = Wasser; Raymi = Fest

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