+ All Categories
Home > Documents > Vorwort - Schweitzer Onlinecontent.schweitzer-online.de/static/catalog_manager/live/... · 2014. 1....

Vorwort - Schweitzer Onlinecontent.schweitzer-online.de/static/catalog_manager/live/... · 2014. 1....

Date post: 02-Jan-2021
Category:
Upload: others
View: 1 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
3
Vorwort In der Literatur über das mathematische Handwerkszeug des theoretischen Physi- kers scheint eine Lücke zu klaffen: Einerseits gibt es eine Reihe von hervorragen- den Lehrbüchern zum Thema „Mathematik für Physiker“ für das Grundstudium, andererseits gibt es eine Fülle von ausgezeichneten Monographien über die ma- thematischen Grundlagen diverser physikalischer Theorien, meist verfasst von be- kannten Fachvertretern aus der mathematischen Physik. Wir denken hier an Werke wie etwa [7, 10, 11, 14, 18, 26–28, 32, 35, 45, 59, 60, 62, 66–69, 78, 79, 85, 88] oder auch Klassiker wie [56, 90] oder [93]. Was uns aber zu fehlen scheint, ist ein Verbindungsstück zwischen diesen beiden Extremen, also ein Aufbaukurs, der es Studierenden im Hauptstudium oder graduierten Theoretikern erlaubt, mit be- grenztem Aufwand einen fundierten Einstieg in die mathematischen Grundlagen der fortgeschrittenen Theorien zu gewinnen. Das zweibändige Werk, dessen zweiter Band hier vorliegt, versucht, diese Lücke zu schließen. Es beruht zum größten Teil auf Vorlesungen, die die Autoren in Mainz und Regensburg für Studierende der Physik im Hauptstudium gehalten haben. Als potentiellen Leserkreis haben wir aber nicht nur diese im Auge, sondern auch Stu- dierende von Master-, Aufbau-, Graduierten- und Promotionsstudiengängen im Be- reich der Physik, außerdem angehende mathematische Physiker, die von der Physik herkommen und möglichst zügig den Einstieg in die rigoros mathematische Be- handlung der Probleme gewinnen möchten, und nicht zuletzt alle diejenigen un- ter den aktiven theoretischen Physikern, die das Bedürfnis verspüren, ein tieferes und klareres Verständnis ihrer mathematischen Werkzeuge zu gewinnen, dabei aber (verständlicherweise!) weder Zeit noch Muße finden, sich mit der mathematischen Fachliteratur und all ihren Beweisdetails ausführlich auseinanderzusetzen. Bei der großen und ständig wachsenden Vielfalt mathematischer Hilfsmittel, die in der modernen Physik Verwendung finden, war es natürlich nicht möglich, alle wichtigen Themen vollständig abzudecken, und, wie immer, bleibt die Stoffaus- wahl etwas subjektiv geprägt und ist von den Interessen und der wissenschaftlichen Ausrichtung der Autoren mitbestimmt. So wurden z. B. die statistische Physik und die nichtlineare Dynamik zugegebenermaßen stiefmütterlich behandelt. Im ersten Teil geben wir eine Einführung in die Differentialgeometrie – und damit auch in die moderne Formulierung der Tensorrechnung – als mathematische Grundlage für die klassische Mechanik, die klassische Feldtheorie und vor allem für die Relativi- v
Transcript
Page 1: Vorwort - Schweitzer Onlinecontent.schweitzer-online.de/static/catalog_manager/live/... · 2014. 1. 28. · matischen Grundkurs für Physiker absolviert haben, wie er in Deutschland

Vorwort

In der Literatur über das mathematische Handwerkszeug des theoretischen Physi-kers scheint eine Lücke zu klaffen: Einerseits gibt es eine Reihe von hervorragen-den Lehrbüchern zum Thema „Mathematik für Physiker“ für das Grundstudium,andererseits gibt es eine Fülle von ausgezeichneten Monographien über die ma-thematischen Grundlagen diverser physikalischer Theorien, meist verfasst von be-kannten Fachvertretern aus der mathematischen Physik. Wir denken hier an Werkewie etwa [7, 10, 11, 14, 18, 26–28, 32, 35, 45, 59, 60, 62, 66–69, 78, 79, 85, 88]oder auch Klassiker wie [56, 90] oder [93]. Was uns aber zu fehlen scheint, istein Verbindungsstück zwischen diesen beiden Extremen, also ein Aufbaukurs, deres Studierenden im Hauptstudium oder graduierten Theoretikern erlaubt, mit be-grenztem Aufwand einen fundierten Einstieg in die mathematischen Grundlagender fortgeschrittenen Theorien zu gewinnen.

Das zweibändige Werk, dessen zweiter Band hier vorliegt, versucht, diese Lückezu schließen. Es beruht zum größten Teil auf Vorlesungen, die die Autoren in Mainzund Regensburg für Studierende der Physik im Hauptstudium gehalten haben. Alspotentiellen Leserkreis haben wir aber nicht nur diese im Auge, sondern auch Stu-dierende von Master-, Aufbau-, Graduierten- und Promotionsstudiengängen im Be-reich der Physik, außerdem angehende mathematische Physiker, die von der Physikherkommen und möglichst zügig den Einstieg in die rigoros mathematische Be-handlung der Probleme gewinnen möchten, und nicht zuletzt alle diejenigen un-ter den aktiven theoretischen Physikern, die das Bedürfnis verspüren, ein tieferesund klareres Verständnis ihrer mathematischen Werkzeuge zu gewinnen, dabei aber(verständlicherweise!) weder Zeit noch Muße finden, sich mit der mathematischenFachliteratur und all ihren Beweisdetails ausführlich auseinanderzusetzen.

Bei der großen und ständig wachsenden Vielfalt mathematischer Hilfsmittel, diein der modernen Physik Verwendung finden, war es natürlich nicht möglich, allewichtigen Themen vollständig abzudecken, und, wie immer, bleibt die Stoffaus-wahl etwas subjektiv geprägt und ist von den Interessen und der wissenschaftlichenAusrichtung der Autoren mitbestimmt. So wurden z. B. die statistische Physik unddie nichtlineare Dynamik zugegebenermaßen stiefmütterlich behandelt. Im erstenTeil geben wir eine Einführung in die Differentialgeometrie – und damit auch indie moderne Formulierung der Tensorrechnung – als mathematische Grundlage fürdie klassische Mechanik, die klassische Feldtheorie und vor allem für die Relativi-

v

Page 2: Vorwort - Schweitzer Onlinecontent.schweitzer-online.de/static/catalog_manager/live/... · 2014. 1. 28. · matischen Grundkurs für Physiker absolviert haben, wie er in Deutschland

vi Vorwort

tätstheorie. Die Präsentation ist hier insofern elementar gehalten, als dass affine Zu-sammenhänge nur in Gestalt ihrer kovarianten Ableitungsoperatoren auftreten unddass allgemeine Bündeltheorie und Prinzipalzusammenhänge gänzlich außen vorbleiben. Trotzdem reicht diese Einführung aus, um darauf aufbauend einen zwang-losen Einstieg in die moderne Gravitationsphysik oder die aktuellen Eichtheorienzu ermöglichen.

Der zweite Teil von Band 1 befasst sich mit mathematischen Grundlagen derQuantenmechanik, die der Funktionalanalysis, der Integrationstheorie und der Dis-tributionstheorie entstammen. Wiederum sind wir überzeugt, dass die Beschäfti-gung mit den vorgestellten Grundlagen einen leichten Zugang zu verschiedenenweiterführenden Themen ermöglicht, z. B. zur algebraischen Quantenfeldtheorie,zur Theorie der Pfadintegrale oder zur Verwendung von C∗-Algebren in der statisti-schen Physik.

In diesem Band werden zwei der wichtigsten funktionalanalytischen Themenbehandelt, nämlich die unbeschränkten Operatoren und die Spektralzerlegung vonHERMITEschen Operatoren. Den Abschluss dieses Bandes wird dann eine gründ-liche, doch recht elementare Diskussion von Gruppen und ihren Darstellungen imHinblick auf ihre Rolle als mathematische Beschreibung von Symmetrien und Inva-rianzen in der Quantenphysik bilden.

Den Schluss des ersten Bandes bildet ein Anhang, den Prof. V. Bach (Mainz)dankenswerterweise beigesteuert hat und in dem an einem konkreten Beispiel auf-gezeigt wird, wie gewisse weiterführende Konzepte der allgemeinen Maß- und In-tegrationstheorie in der statistischen Physik Verwendung finden. Ferner behandelnwir im ersten Teil als Anwendung des dort entwickelten differentialgeometrischenKalküls koordinatenfreie Formulierungen der klassischen Mechanik, der MAX-WELLgleichungen und der EINSTEINschen Feldgleichungen. In den Teilen II bis IVverzichten wir jedoch weitgehend auf konkrete physikalische Beispiele, abgesehenvon einigen Bemerkungen über die statistische Interpretation der Quantenmechanikin Teil III und über die Entartung von Energieniveaus infolge von Symmetrien desHAMILTONoperators in Teil IV, beschränken uns aber ansonsten auf Andeutungen.Wir gehen davon aus, dass die behandelten mathematischen Themen dem Leserschon in irgendeiner Form bei seiner Beschäftigung mit Physik untergekommensind (oder noch unterkommen werden) und betrachten es als unsere Aufgabe, dieuns Mathematikern antrainierte rigorose Denkweise dazu zu nutzen, von den ent-sprechenden Begriffen und Resultaten ein klares, unzweideutiges Bild zu geben.Der Bezug zur Physik spiegelt sich hier vorwiegend in der Stoffauswahl wieder –so stehen z. B. bei unserer Einführung in die Funktionalanalysis die HILBERTräumedeutlich im Vordergrund, da sie in der Physik eine ungleich größere Rolle spielenals andere topologische Vektorräume, und in Teil IV werden wir uns selbstverständ-lich auf diejenigen konkreten Gruppen konzentrieren, die für die Betrachtung vonSymmetrien und Invarianzen in der Physik relevant sind.

Die gerade angesprochene streng mathematische Denkweise darf natürlich nichtdazu verleiten, alles detailliert beweisen zu wollen, wie man das bei einem Lehrbuchfür angehende Mathematiker tun würde. Vielmehr haben wir uns – ähnlich wie beiunserem Grundkurs [34], in dem das hier vorliegende Buch auch schon angekündigt

Page 3: Vorwort - Schweitzer Onlinecontent.schweitzer-online.de/static/catalog_manager/live/... · 2014. 1. 28. · matischen Grundkurs für Physiker absolviert haben, wie er in Deutschland

Vorwort vii

wurde – von dem Gedanken leiten lassen, dass ein mathematischer Beweis nur dannangebracht ist, wenn er gleichzeitig eine Rechentechnik demonstriert und einübenhilft, die bei den physikalischen Anwendungen wirklich vorkommt. Häufig ist dieBeweistechnik, die für ein tieferliegendes mathematisches Resultat benötigt wird,jedoch von ganz anderem Charakter als die Technik seiner Anwendung, und insolchen Fällen beschränken wir uns auf eine bloße Skizze der maßgeblichen Ideenoder sogar auf ein Literaturzitat, das als Quellennachweis zu verstehen ist und nichtunbedingt als eine Aufforderung, sich mit der betreffenden Literatur aktiv auseinan-derzusetzen. Auch im Übrigen verfolgen wir ähnliche didaktische Prinzipien wie sieschon in [34] zugrunde gelegt wurden, versuchen also, uns auf das Wesentliche zukonzentrieren, Langatmigkeit zu vermeiden und in wenigen wohlgesetzten Wortenein klares Bild von den Dingen zu vermitteln. Unterstützt wird dieses Bemühendurch eine große Zahl von Übungsaufgaben. Sie dienen teilweise dem Einüben vonRechentechniken, der Gewöhnung an abstrakte Begriffe, indem man diese an kon-kreten Beispielen diskutiert, und hier und da auch der kurzgefassten Behandlungvon zusätzlichem Stoff. Zahlreiche Hinweise unterstützen die Lösung der Übungs-aufgaben, so dass die erfolgreiche Behandlung einer Aufgabe nicht daran scheiternsollte, dass einem ein bestimmter raffinierter Trick gerade nicht eingefallen ist.

Trotz der vielen verschiedenen mathematischen Sachgebiete (und trotz dreierverschiedener Autoren) haben wir versucht, generell einheitliche Notationen durch-zuhalten, und die meisten dieser Bezeichnungen sind in einem vorbereitenden Ab-schnitt zusammengefasst und mit kurzen Erläuterungen versehen. Dies hat uns auchGelegenheit gegeben, einige der benötigten Vorkenntnisse anzusprechen. Grund-sätzlich sollte das Buch für alle zugänglich sein, die einen dreisemestrigen mathe-matischen Grundkurs für Physiker absolviert haben, wie er in Deutschland weit-gehend üblich ist. Man wird uns nachsehen, dass wir bei Verweisen auf solcheVorkenntnisse unser eigenes Lehrbuch [34] zitieren, und wir sind überzeugt, dassniemandem, der seine Vorkenntnisse aus anderer Quelle bezieht, hieraus ein Nach-teil erwächst.

Schließlich möchten wir Professor Volker Bach unseren gebührenden Dank aus-sprechen, nicht nur für den von ihm beigesteuerten Artikel über unendliche Produktevon Maßen und statistische Mechanik, sondern auch für viele hilfreiche, interessanteund bereichernde Gespräche. Unser Dank gilt überdies Professor Florian Scheck,der die Entstehung auch dieses Werkes mit Unterstützung und Ermutigung begleitethat. Martin Huber hat kompetent und zuverlässig die Zeichnungen angefertigt, unddas Umsetzen der Manuskripte in LaTeX-Quelltext wurde in ebenso kompetenterund zuverlässiger Weise von Renate Emerenziani und Ulrike Jacobi besorgt. Ihnenallen gilt unser aufrichtiger Dank.

Mainz, Karl-Heinz GoldhornMai 2010 Hans-Peter Heinz

Margarita Kraus


Recommended