Date post: | 06-Apr-2016 |
Category: |
Documents |
Upload: | fritz-maus |
View: | 216 times |
Download: | 1 times |
Vorlesung X
Selbstmedikation und alternative Medizin
Prof. Dr. Jürgen Hoyer
•Dresden, 02. Juli 2015
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 2
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 3
Gliederung
1. Selbstmedikation2. Der Placebo-Effekt3. Alternative Medizin
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 5
Selbstmedikation
= Behandlung von Krankheiten / Beschwerden oder Einnahme von Medikamenten ohne ärztliche Rücksprache
•rezeptfreie Medikamente (und Hausmittel)
•4,3 Milliarden EUR jährlich (~1/5 der verschriebenen)
•durch Praxisgebühr Verzicht auf Arztbesuch oder Einnahme von „Restbeständen“
•Stiftung Warentest (2002): 40% der getesteten Medikamente „nicht geeignet“
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 6
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 7
Beispiel Generalisierte Angststörung
Diffuse Symptome laden zur Selbstmedikation ein
DSM-IV Kriterien für Generalisierte Angststörung (GAS)A. Übermäßige Angst und Sorge (furchtsame Erwartung) bezüglich mehrerer Ereignisse
oder Tätigkeiten (wie etwa Arbeit oder Schulleistungen), die während mindestens 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage auftraten.
B. Die Person hat Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren.
C. Drei der folgenden Symptome: Ruhelosigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Muskelspannung, Schlafstörungen
D. Sorgen sind nicht auf eine andere Achse-I-Störung beschränkt (z.B. Angst, sich zu blamieren)
E. Relevante Beeinträchtigung
F. Symptome nicht direkt auf Drogen, medizinische Störungen, affektive oder psychotische Störungen zurückzuführen (Abgrenzung zur Depression)
DSM-V: GAS-Definition mit geringfügigen Textveränderungen beibehalten!
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 8
Epidemiologie
• 12-Monatsprävalenz (BRD): 2,2% (z.B. Jacobi et al., 2014)
• Lebenszeitprävalenz (USA): 2,9% (z.B. Kessler et al., 2012)
• Geschlechterverteilung: Frauen sind beinahe doppelt so häufig betroffen wie Männer
Verlauf:
• Inzidenz: in jedem Alter möglich, insb. Aber bei älteren Menschen (anders als bei anderen Angststörungen)
• Verlauf: chronisch (meist retrospektive Daten)
Hauptproblem in der Versorgung: selten vom Hausarzt erkannt und selten versorgt (Wittchen, Kessler, Beesdo, Krause, Höfler & Hoyer, 2002)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 9
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 10
Beispiel Generalisierte Angststörung
Alles, was gegen „Ängste und Nervosität“ hilft:
• Kava-Kava• Klosterfrau Melissengeist• „Kuren“• Ginkgo biloba (Tebonin)• Lavendelöl• Bibliotherapie• Gute Ratschläge
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Sorge dich nicht… / Don‘t worry…
Dale Carnegie (1888-1955)
• weltweite Auflage: über 15 Millionen• weit über 100 Monate auf diversen
Bestsellerlisten• Erstauflage: 1944 („How to stop
worrying and start living“)
Bobby McFerrin (*1950)
„Don‘t worry!“ funktioniert nicht mehr:• Patienten mit GAS können z.B. einer Fernsehsendung nicht mehr
richtig folgen, weil sie eigentlich mit ihren Sorgen beschäftigt sind und diese eben nicht „abstellen“ können
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 12
Ginkgo biloba bei Angststörungen?(Wölk, Arnoldt, Kieser1 & Hoerr1, 2007; 1Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG)
Eingesetzt als Demenzmedikament (Wirkung umstritten) • bei Älteren angstreduzierender Effekt beobachtet• auch bei Jüngeren?
Empirie•N = 107 (> ¾ GAS; Rest Anpassungsstörung)•3 Gruppen: Placebo, niedrige Dosis, hohe Dosis•Outcomes: HAMA, CGI, EAAS (Erlanger Skala für Angst, Aggression, Spannung), Beschwerdeliste
Ergebnis: G.b. war dem Placebo überlegen (in allen Maßen)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 14
… eine der verwendeten Methoden: Hamilton Anxiety Scale (HAMA) (Wölk et al., 2007)
= Fremdbeurteilungsinstrument zur Einschätzung des Schwere-grades einer Angststörung (nicht der Diagnose)
•14 Items
•Fremdrating: 0 (nicht vorhanden) bis 4 (ernst)
•Beispielitems:
• intellekt. Beeinträchtigung: Konzentration & Gedächtnis• somatische Beschwerden: Muskelschmerz, Bruxismus• kardiovaskuläre Symptome: Schwäche, Herzklopfen, Brustschmerzen,
Tachykardien (Puls )• ängstliche Stimmung: Sorgen, Katastrophisieren• Furcht: vor Fremden, allein zu sein, der Dunkelheit
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 15
… HAMA Scores (Wölk et al., 2007)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 16
Ginkgo biloba als Alternative? (Wölk et al., 2007)
• G.b. ist sicher und gut akzeptiert, bes. unter Älteren• keine Gefahr der Abhängigkeit (vs. z.B. Benzodiazepine)
Aber:
• HAMA erfasst auch intellektuelle und körperliche Symptome• Wirkmechanismus weitestgehend unklar• Diagnostik in der Studie rein klinisch (orientiert am DSM, aber keine
standardisierte Diagnosestellung)• Co-Autoren
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 17
Alternative Medizin und Generalisierte Angst: Effekte wie durch Psychotherapie!(?) (Hoyer & Moeser, in Vorb.)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 18
Alternative Behandlungsmethoden für GAS (within-effects)
Studie Methode N total N treat
präHAM-A Scoremean (SD)
Behandlungs-dauer
postHAM-A Score
mean (SD) Dubois et al (2010) Balneotherapie 237 117 24.4 (3.7) 8 Wochen 12.4 (4.8)Woelk & Schläfke (2010) Lavendelöl (Silexan) 77 40 25.0 (4.0) 6 Wochen 13.7 (6.7)Sherman et al (2010) Massage 69 23 24.8 (5.7) 12 Wochen 14,9 (6.2)
Bonne et al (2003)Klassische Homeopathie 44 22 31.4 (7.2) 10 Wochen 21.7 (11.6)
Bystritsky, Kerwin & Feusner (2008) Rosenwurz 10 10 23.4 (6.0) 10 Wochen 14.10 (8.06)Boerner et al (2003) Kava 129 43 23.14 (3.19) 8 Wochen 8.37 (7.44)
Woelk et al (2007) Ginko biloba 107 67 4 Wochen480 mg 32 30.7 (5.2) 14.3 (7.3)
240 mg 35 29.7 (5.5) 12.1 (8.6)
ES = 2.8
… ähnlich uneindeutig: Tebonin und Demenz (I)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Weinman et al., 2010; BMC Geriatrics
Folie 19
…ähnlich uneindeutig: Tebonin und Demenz (II)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 20
Weinman et al., 2010; BMC Geriatrics
Johanniskraut (Hypericum; St. John‘s Wort)
• Eingesetzt als „natürliches“ Antidepressivum.
• Bei leichten und mittelschweren Depressionen Wirkung vergleichbar mit Antidepressiva; überlegen gegenüber Placebo (Röder, Schäfer & Leucht, 2004; Linde et al.
2005); jüngst in Frage gestellt: die neuesten und besten Studien zeigen kleinere Effekte (Werneke, Horn & Taylor, 2004)
• Potentielle Nebenwirkung: Lichtallergie; Wechselwirkungen mit Asthma-, Herzmedikamenten oder der Pille
• Beschleunigt Abbau anderer Medikamente in der Leber: bis zu 10-fache Dosen nötig (z.B. SSRI - Antidepressiva)
Was, wenn Johanniskraut nicht hilft – katastrophisierende Interpretation?
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 21
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Linde K, Berner M, Egger M, Mulrow C. St John's wort for depression: Meta-analysis of randomised controlled trials. British Journal of Psychiatry 2005;186:99-107.
Folie 22
Befunde von der Güte der Studien abhängig
Vorteil (?)
Weniger Absetzen des „Medikaments“(Linde et al, 2007)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 23
Übersicht: Wirkungsgrad pflanzlicher Medikamente bei Angststörungen (Hoyer & Köllner, 2015)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 24
Beispiel für Nebenwirkungen bei der Selbstmedikation: „Bestäubungsmittel“ (SZ-Magazin)
• Ich bin nasensprayabhängig. Meine Nase ist immer verstopft. Frei atmen kann ich nur, wenn ich mir alle fünf bis sechs Stunden ein Schnupfen-medikament in die Nase sprühe. Tue ich das nicht, fühle ich mich, als wäre eine Vakuumpumpe an meine Nase angeschlossen, als würden die Nasenlöcher zubetoniert ..
• Entzug: Man kann wochenlang nicht schlafen, denn vor allem nachts ist die Nase ständig verstopft. Man hat Kopfschmerzen, wird übellaunig, befindet sich in einem permanenten Dämmerzustand, der Mund ist ausgetrocknet, man hechelt wie ein Hund. Und überhaupt: Wenn man andauernd durch den Mund atmet, sieht man ja auch etwas dümmlich aus. Trotzdem, ich will nicht länger Junkie sein.
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 25
Selbstmedikation – Gefahren
• Medikamentencocktails (auch bei Selbstmedikation parallel zu Behandlung ohne Wissen des Arztes)
• Verzögerung des Arztbesuchs
• Nebenwirkungen beachten (wirklich den Apotheker gefragt?)
• „Natürlich“ ≠ Ungefährlich: Nebenwirkungen (Kava Kava: Leberschäden vermutet; Zulassung ausgesetzt)
• Abhängigkeitspotential: Schmerz-/Abführmittel, sogar Nasenspray
• 1,5 Mio. Medikamentenabhängige in D, davon• >1 Mio. Benzodiazepin-Abhängige
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 26
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 27
Selbstmedikation – Fazit
• Nur bei leichten, diagnostisch sicher einzuschätzenden Beschwerden
• Zeitlich beschränkt (max. 1-2 Wochen), niemals Dauergebrauch
• Bei Verschlechterung sofort zum Arzt
• Packungsbeilage beachten, Apotheker fragen
• Viel hilft nicht zwangsläufig viel, sondern kann auch viel schaden (Keine Wirkung ohne Nebenwirkung)
• Wechselwirkungen beachten (chronische Erkrankungen)!
Aber: nicht selten hilft es doch
! PLACEBO-Effekt !
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 28
Gliederung
1. Selbstmedikation2. Der Placebo-Effekt3. Alternative Medizin
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 29
Der Placeboeffekt (I) (Kaptchuk, 2002)
= unspezifischer Effekt durch das Ritual der Behandlung und den (gestärkten) Glauben an Besserung, bei Anwendung nicht wirksamer Medikamente oder Behandlungen.
• Einige Jahrhunderte neben Erbrechen und Schwitzen der medizinische Wirkmechanismus
• Wirkung der Hälfte aller Medikamente vor 1950 vermutlich durch Placebowirkung (biochemische Wirksamkeit in Folge zweifelhaft, Shapiro & Shapiro, 1997)
• Kulturabhängig: Wirkung bei Magengeschwüren: Deutschland 60%; Brasilien 6% – Schamanen und Rituale von heute?
• Auch Tiere und Kinder sprechen auf Placebos an
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 30
Der Placeboeffekt (II) (Rief, Hofmann & Nestoriuc, 2008)
• Placeboeffekt wird in klinischen Studien berücksichtigt (links)
• Trennung spezifischer Effekt (Medikament) vs. unspezifischer Effekt (Placebo) problematisch
• Patienten können oft anhand von Nebenwirkungen des Medikaments erkennen, ob sie in der Versuchsgruppe sind – Erwartungen werden bestärkt (rechts)
Daher sog. „aktive Placebos“
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Plac
ebo
Plac
ebo
Med
ikam
ent
Plac
ebo
Plac
ebo
Med
ikam
ent
Folie 31
Der Placeboeffekt (III) (de Saintonge & Herxheimer, 1994)
• Ausmaß des (zusätzlichen) Placeboeffekts ~ Behandlungsart bzw. -ritual:
• Infusion > große Kapseln > kleine Tabletten
• Qualität:
• gelbe Pillen wirken eher stimulierend/antidepressiv• weiße eher schmerzlindernd
• Richtung:
• wenn Ärzte ärgerlich, abweisend: negativ (Nocebo)• Steigerung wenn sie zeigen, dass sie an Wirkung glauben
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 32
Nocebo-Effekt (I) (Engelhardt, 2004; Rief, Hofmann & Nestoriuc, 2008)
• Placebos (Medikamente ohne Wirkstoffe) können ebenfalls unerwünschte Nebenwirkungen haben: Müdigkeit, Kopfschmerz, Nervosität, Übelkeit, Durchfall,…
• … die nicht durch die pharmakologische Wirkung des Medikaments erklärt werden können = Nocebo-Effekt
Eine Erklärung: leichte körperliche Symptome sind in der Bevölkerung weit verbreitet, diese werden durch das Placebo besser wahrgenommen und auf das Medikament attribuiert
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 33
Nocebo-Effekt (II) (Engelhardt, 2004; Rief, Hofmann & Nestoriuc, 2008)
• Circa 20% der gesunden Vergleichspersonen in einer Medikamentenstudie erlebten Nebenwirkungen, obwohl sie in der Placebo-Bedingung waren (Rosenzweig, Brohier & Zipfel, 1993).
• Rief et al. (2009): Nebenwirkungen in Depressions-Behandlungsstudien in der Placebobedingung höher, wenn es um Trizyklika (relativ starke Nebenwirkungen) gegenüber SSRI (geringere Nebenwirkungen) ging!
• Nocebo-Effekte häufiger, wenn behandelnder/verschreibender Arzt verärgert oder zurückweisend
• Kann Ursache für Non-Compliance sein
Überschneidung mit optimalem Arztverhalten(Vorlesung 9)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 34
Zurück zum Placebo-Effekt… (I)
Moseley et al. (2002): Chirurgie als Placebo•Arthrose – Schmerzen im Knie: Kniespülung plus Glättung des Knorpels
•Vergleich:
• Tatsächliche therapeutische Arthroskopie (Spülung; mit/ohne Glättung)• vs. einfache Schnitte (nur Operationswunde = Placebo)
•Ergebnis:
• Keine Unterschiede bzgl. Knieschmerzen und Beschwerden nach 1 und 2 Jahren
• Jährlich in Dtld. ca. 400.000 Arthroskopien
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 35
Zurück zum Placebo-Effekt… (II)
McRae et al., 2004
•Ebenfalls kein Unterschied zwischen der tatsächlichen und der nur vorgetäuschten (sham surgery) OP (Stammzellentransplantation bei Parkinson-Erkrankung).
•Diejenigen Patienten verbesserten sich am meisten, die glaubten, sie hätten tatsächlich die OP erhalten.
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 36
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 37
(Explizite) Erwartungen und (implizite) Konditionierungen sind vermutlich beide beteiligt (vgl. z.B. Stewart-Williams & Podd, 2004)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 38
Vom Placebo lernen (I) (Kaptchuk, 2002)
Der Placeboeffekt ist Element jeder (guten) medizinischen Behandlung:
•Aufmerksamkeit & Anteilnahme
•Beeinflussung und Steuerung von:
• Erwartungen (Wirksamkeit der Behandlung/Handlungs-Ergebnis-Erwartungen)• Angst (Optimismus vs. Risikowahrnehmung)• Selbstaufmerksamkeit
•Aktivierung sehr früh konditionierter Reaktionen: krank: Arzt (weißer Kittel) -> Besserung
•Therapeutisches Verhalten, das den Placeboeffekt verstärkt, findet sich oft in unkonventionellen Therapiesettings! (TCM)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 39
Vom Placebo lernen (II) (Kaptchuk, 2002)
Placeboeffekt schon in der Ausbildung explizit als therapeutischen Mechanismus berücksichtigen!
•Faktoren identifizieren und nutzen, die Wirkung maximieren & Nebenwirkungen minimieren
•Placeboeffekt am größten, wenn Kombination mit spezifischer Behandlung
•langfristige, alleinige Wirkung zweifelhaft: vgl. emotions-orientierte Bewältigungsstrategien (vs. problem-orientierte)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 40
Bewusste Gabe von „Placebo“: ethisch vertretbar? (Engelhardt, 2004)
Transparenz und Partnerschaft (Compliance) vs. gute Unterhaltung mit positivem Effekt (Placebo)?
•Dilemma: je besser Patient informiert und aufgeklärt, desto resistenter gegenüber Placebowirkungen
•Bedeutung für Arzt (Lüge?) und Arzt-Patient-Verhältnis?
•langfristige Folgen, wenn Placeboeinsatz bekannt wird?
•Wirkung von Placebos früher als Beweis für einen „eingebildeten Kranken“ – schlicht falsch
Der Placeboeinsatz i.e.S. (Scheinbehandlung) ist ethisch problematisch und vermutlich auch gar nicht notwendig!
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 41
Gliederung
1. Selbstmedikation2. Der Placebo-Effekt3. Alternative Medizin
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 42
TCM – Akupunktur (I) (Kaptchuk, 2002)
Akupunktur wirkt
• Gegen Erbrechen nach Operation/Chemotherapie und Übelkeit bei Schwangerschaft
• Gegen Zahnschmerzen
Unklar:• Chronischer Schmerz• Rückenschmerz (LBP)• Kopfschmerz
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 44
Akupunktur ist bei chronischemKnieschmerz (Arthrose)
und chr. Rückenschmerzen(Lendenwirbelsäule)
Kassenleistung!
TCM – Akupunktur (II) (Leibing et al., 2002)
Akupunktur bei chronischem Rückenschmerz (low back pain) besser als Placebo?
•N = 131; Patienten mit mind. 6 Monaten LBP
•3 Gruppen:
• Gruppe 1: Physiotherapie• Gruppe 2: Physiotherapie + 20 x Verum-Akupunktur• Gruppe 3: Physiotherapie + 20 x Sham-Akupunktur
= Placebo-Akupunktur: oberflächlich (nicht so tief) und nicht an Akupunkturpunkten, sonst identisch
= aktiver Placebo! (s.o.)
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 45
TCM – Akupunktur (III) (Leibing et al., 2002)
Ergebnis:•(Verum)-Akupunktur ist Kontrollgruppe (1) überlegen bzgl.:
• Schmerzintensität• Behinderung durch Schmerz• psychischer Stress
•Auch noch nach 9 Monaten, aber schwächer
•V-Akupunktur ist S-Akupunktur nur in der Reduktion des psychischen Stress überlegen; nicht aber in Bezug auf: Schmerzintensität, Behinderung durch Schmerz
Spricht das jetzt für oder gegen Akupunktur?
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 46
Rubrik „Die spannende Studie“
• .
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 47
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 51
Servan-Schreiber • Herzkohärenztraining (Harmonisierung von Herzschlag und Atmung) = Biofeedback HRV
• EMDR
• Tagesrhythmus steuern durch Sonnenaufgangssimulation
• Akupunktur
• Omega-3-Fettsäuren
• Bedeutung körperlicher Aktivität („Prozac or Puma")
• emotionale Kommunikation
• Liebe
Fazit – alternative Medizin
• Oberstes Kriterium: keinen Schaden anrichten• Kein Ersatz für konventionelle Therapien bei ernsten Erkrankungen
Gefährlich, wenn als Ersatz gesehen
Evtl. Ressource, wenn ergänzend eingesetzt• Unspezifischer Placeboeffekt sehr wahrscheinlich• Je nach Passung Krankheit – Arzt – Setting – Patient sogar Verstärkung
des Placeboeffekts
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 55
Direkte Wirkung ist unwahrscheinlich!
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Gingko/Rotwein/
Johanniskraut...Depression
(mindert)
Folie 57
Indirekte und unspezifische Effekte sind wahrscheinlicher
2.7.2015 Gesundheitspsychologie
Gingko/Rotwein/
Johanniskraut...Depression
(kein Effekt)
Pos. Erwartungen
Mehr Aktivität
Erleichterung
Folie 58
Fragen
• Erklären Sie den Placeboeffekt – auch an einem Beispiel! Überlegen Sie sich Mechanismen, über die ein Placebo Wirkung entfalten kann!
• Was verstehen Sie unter Selbstmedikation? Wie bewerten Sie sie? Begründen Sie Ihre Antwort!
• Was ist ein Nocebo-Effekt? Nennen Sie Einflussgrößen!• Wie kann man die Wirkung unkonventioneller Therapien vor dem
Hintergrund des Placeboeffekts und Ihnen bekannter Konzepte wie Selbstaufmerksamkeit, Optimismus und Selbstwirksamkeit erklären?
• Sie erfahren vom Patient, dass dieser sich neben der Behandlung bei Ihnen auch noch von einem Geistheiler in Hinblick auf seinen Bluthochdruck behandeln lässt. Wie sollten Sie reagieren? Ihr Ziel: Arzt-Patienten-Verhältnis und Compliance fördern/sichern.
2.7.2015 Gesundheitspsychologie Folie 59