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Von Der Menschwerdung Jesu Christi

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  • 8/8/2019 Von Der Menschwerdung Jesu Christi

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    Jakob Bhme

    Von der

    Menschwerdung

    Jesu Christi

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    = 2 =

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    Von der Menschwerdung Jesu Christi

    Vorwort

    In dem Bewutsein, im Anbruch einer neuen Menschheitsepoche zu stehen, istJakob Bhme mit seinen Schriften vor seine Zeit hingetreten. Das wird schon inseiner Aurora oder Morgenrte im Aufgang deutlich, wenngleich das dortAusgesprochene noch der Klrung bedurfte. Der Autor dieses Fragmentgebliebenen Buches meinte zunchst, nur sich selbst zum Memorialgeschrieben zu haben. Um so berraschter war er, als er beobachtete, da seinez.T. umfangreichen Buchmanuskripte sowie die davon gefertigten Abschriftenseiner Freunde immer grere Kreise zogen.

    Der Mensch ist zu dem Ende in das magische Reich dieser Welt erschaffenworden, da er dasselbe Mysterium offenbare und die Wunder ans Licht und inFormen nach der ewigen Weisheit bringe.

    Dieses Wort aus dem 3. Teil des vorliegenden Buches Von der Mensch-werdung Jesu Christi lt deutlich hervortreten, welche Aufgabe Bhme dem

    Menschen zuweist. Es geht ihm immer wieder darum, die damit verknpfteErkenntnisverpflichtung bewut zu machen und darber hinaus die Kreativittdes menschlichen Willens anzuregen. Von daher gesehen ist das Buch nichtallein eine Beschreibung der Menschwerdung Christi. Der Mensch selbst istgemeint. Er ist noch nicht fertig. Die Menschwerdung des Menschen ist imGang. Sie gilt es auf dem Weg einer inneren Entwicklung voranzubringen.

    So stellt sich der vorliegende Band in die Reihe der ausgewhlten Schriftenhinein, die mit Aurora und Christosophia erffnet worden ist (vgl. dieLiteraturhinweise am Schlu). Es versteht sich, da die bisher angewandten

    editorischen Gesichtspunkte vollstndiger, auf der Basis zuverlssiger Vorlagen d.h. der Gesamtausgabe von 1730 gebotenen und kommentierten Texteauch hier in Anwendung kommen.

    Das Buch gehrt in die Hand derer, die mit Jakob Bhme wissen: es tutskein Lernen, sondern Geborenwerden. (1-4,19).

    Schwarzenbruck bei Nrnberg, Ostern 1991, Gerhard Wehr

    * * *

    = 3 =

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    Kommentar

    Erster Teil - WIE DAS EWIGE WORT SEI MENSCH WORDEN

    1. Kapitel - Da die Person Christi ohne gttliche Erleuchtung nicht

    knne erkannt werden

    Die Menschwerdung Jesu Christi und die Menschwerdung des Menschen dasist das groe Thema, das Jakob Bohme mit dem ersten Kapitel dieserdreiteiligen Schrift anschlagt, ein Thema in Variationen. Damit ist wie so oft

    bei Bhme der Blick auf das gerichtet, das werden soll. Der Grlitzer Meister

    will nicht in sich ruhende, auf sich beruhende oder gar abgeschlosseneTatbestande beschreiben. Er meint die Dynamik der Vernderung, die in und amMenschen zu geschehen hat.

    Gleich eingangs (1,1-3) stellt er ein wichtiges Erkenntnisprinzip heraus. Dieweltwitzige Vernunft, das heit, die unverwandelte Weise des menschlichenErkennens, ist nicht in der Lage, in die Bezirke des Mysteriums einzudringenDas Endliche erfat nicht das Ewige. Bei ihr mu die Wandlung beginnen.Wahre Theosophie und Anthroposophie, eben Weisheit von Gott und vomMenschen, werden nicht durch Fleisch und Blut begriffen oder begrndet

    (1,2). Es bedarf der Erleuchtung durch das gttliche Licht. Bhme teilt damiteine Einsicht des Apostels Paulus (1.Kor.2,14): Der natrliche Menschvernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nichterkennen. Durch willkrliche Berufung auf die Schrift der biblischenberlieferung (1,3) lt sich diese innere Erleuchtung nicht ersetzen. An dieserStelle lt der Autor seine Kritik an denen durch blicken, die als protestantischeTheologen wohl die Bibel im Munde fhren, die Bibel als alleinige Quelle derOffenbarung rhmen, jedoch ohne Gottes Geist, ohne spirituelle Eigenerfahrungund daher erkenntnislos von gttlichen Geheimnissen reden.

    Das dem Alltagsbewutsein fremd und entfernt Scheinende wird indessen demnach und nach vertraut, der sich tglich und stndlich (1,4) ins Wesen derMenschwerdung vertieft. Fr Bhme ist diese Menschwerdung offensichtlicheine die Erkenntnis vertiefende, das Leben erneuernde Gegenwart. Aus ihrheraus haben wir sein Zeugnis anzunehmen. Es ist das hohe Geheimnis, dasder Autor zum Gegenstand seines Buches von den ersten Abschnitten an zumachen gedenkt.

    Es ist der Geisteslehrer und der Seelenfhrer, der darin zu Wort kommt. Alssolcher hat er nicht nur die Resultate seines eigenen Schauens mitzuteilen,sondern gleichzeitig den Suchenden, Fragenden, um die geistliche Reifung

    bemhten Menschen Fhrung und Geleit zu bieten, wie er es vornehmlich in den

    = 4 =

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    Schriften seiner Christosophia und in seinen Theosophischen Sendbriefenunternommen hat. Und so, wie er sich einst seinen Erstling Aurora oderMorgenrte im Aufgangselbst zum Memorial schrieb, so legte er nun seineminzwischen grer gewordenen Leserkreis dieses Buch als ein hnliches

    Memorial etwa Meditationsbuch vor.Um nun seinem Thema gerecht zu werden, mu der Verfasser die Ursachenerwgen (1,5), die zur Menschwerdung Gottes gefhrt haben. Er begreift jasein Schreiben als eine bung des Glaubens (1,4). Der Exerzitiencharakter istdamit von vornherein sichtbar gemacht. Danach wird sich der Leser einst wieheute zu richten haben.

    Nun stt Bhme auf eine unerhrte Paradoxie: Er, der unvernderliche Gottist doch worden, was er nicht war. Was nun folgt (1,6ff.), ist eine Variation destheosophisch-kosmosophischen Bildes, das wir bereits von derAurora her

    kennen und das er dann in seinem zweiten WerkVon den drei Prinzipien weiterentfaltet hat. Es ist der Aufweis der ungeheuren Dynamik, die in Gestalt der dreiPrinzipien in der Gotteswelt regiert. Es sind dies die Prinzipien des grimmigenFeuers, des snftigenden Lichts und des dritten Prinzips. Dieses entspricht demGeist, der von Ewigkeit in der ewigen Natur des Vaters Eigenschaft verborgengestanden (1,10) ist, der zur Offenbarung drngt und der sich schlielich imSpiegel der gttlichen Weisheit Bhme spricht immer wieder von derJungfrau der Weisheit manifestiert. In diesem Weisheitsspiegel schaut sichdie Gottheit selbst.

    2. Kapitel - Offenbarung der Gottheit

    Das zweite Kapitel hebt damit an, da es Einblick in den Werdeproze derSchpfung zu geben sucht. Das Feuer als Inbegriff des ersten, das Licht alsManifestation des zweiten Prinzips werden zu Gebrerinnen (2,4). Ihnen liegtein Modell (Urbild) zugrunde, wodurch bersinnlich-Unanschaulichesanschaubar wird. Kapitel 2,2 macht deutlich, welcher Art diese prgende Form

    Bhme mag bei Model an die von der Backstube her bekannte Form

    gedacht haben ist, wenn gesagt wird, da die Ewigkeit in einerimmerwhrenden Magia stehet. Gemeint ist ein Geheimniszustand; gemeint istder Bereich der Urbilder, die ber der Stoffeswelt (Sulphur, Mercurius) stehenund in diese herabwirken.

    Und wenn Bhme von dem Lstern (Gelsten) und von dem Begehren derLiebe spricht, so ist auf den energetisch dynamischen Aspekt abgehoben. Einewesentliche Erkenntnis spricht aus 2,3, wonach das Bild von Mensch und Engeldadurch ist, da es in Gottes Weisheit erschaut wurde. Wie Gottes Weisheitsie sieht, so sind sie gestaltet. Menschliches Sein ist aufgehoben im Schauen

    Gottes, in dem, wie Gott auf den Menschen blickt. Eine solche Wendung ldtdazu ein, bedacht und erwogen zu werden. Entsprechendes gilt von der dunklenSeite der Wirklichkeit.

    = 5 =

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    Vom Grund und Ungrund her spricht das gttliche Schpferwort VerbumFiat sein Es werde! Damit tut sich der Wille des Vatergottes in Taten kund(2,5). Es ist der von Bhme an vielen Stellen hervorgehobene begehrendeWille zur Kreatur und zur Offenbarung der Gottheit, hinter den keine

    menschliche Spekulation zurckzugreifen vermag.Um so mehr haben wir Macht, von der Schpfung zu reden. Das ist der demMenschen anvertraute Bereich. Hier wirken sich die schpferischen Qualittenund die sieben Naturgeister (2,6) aus. Wichtig ist fr Bhme, da sie etwaanalog zu der unteren Siebenheit im kabbalistischen Sefirot Baum nicht ausirdischer Materie gewoben sind, sondern aus Gottes Essenz, als Emanationenoder Ausflsse der Gottheit selbst. Hier sei vermerkt, wie dieser Aspekt in derchristlichen Kabbala, namentlich bei dem groen schwbischen Bhme-Schlerdes 18. Jahrhunderts, Friedrich Christoph Oetinger* eine wichtige Rolle spielt.

    *) Gerhard Wehr: Die deutsche Mystik, O. W. Barth Verlag, Mnchen 1988, S. 287 ff.

    Weitere Erwgungen sind dem tragischen Fall gewidmet, der gem Bhmesberzeugung vor dem menschlichen Sndenfall auf der bersinnlichen Ebenestattfand, als sich der Lichtengel Knig Luzifer dem Licht der Majesttwidersetzte und damit eine feindliche Anzndung (2,8) erzeugte, derenFolgen in den Kreaturreichen abzulesen sind. Die Antwort Gottes auf das soeingetretene Unheil, das Bhme in seinen Schriften mehrfach beklagt, ist eineBewegung des Herzens Gottes: Christus wird Mensch. Dieser Akt der gttlichenZuwendung bedeutet einerseits die Heimholung des gefallenen Menschenbildes

    in seinen ursprnglichen Zustand. Andererseits grndet darin eine Erneuerungseines Erkenntnislebens und -vermgens (2,11f.). Verborgenes wird offenbar,das Geheimnis erschliet sich.

    Bhme spricht von der Einernte. Es steht wohl vor ihm das Bild, wie er esvom buerlichen Elternhaus in Altseidenberg her aus unmittelbarer Anschauungkennt: Was unter Sonne und Regen gereift ist, das wird endlich heimgeholt. DerBauer sammelt den Ertrag seines Mhens, aber auch das Geschenk seinesSchpfers mit der Ernte ein. Und eben dieses Bild ist fr den Grlitzer Meistereschatologisch-endzeitlich gefllt. Ihm wird der groe Ernst der Stunde bewut.Die Tenne soll gefegt werden, eine biblische Metapher, besagt, da derProze in ein zweites Stadium tritt, wenn nmlich beim Dreschen dieSpreu vom Weizen gesondert wird. Prophetisches Bewutsein artikuliert sich:Der Tag bricht an! (2,12). Es ist der Tag, dessen Morgenrte emporsteigt!

    Und angesichts dieses Tages berblickt Bhme (2,13f.) den Schicksalsgang desMenschen, seinen Weg vom Urstand im Licht zur Aufspaltung in die Zweiheitder Geschlechter. Freilich, und daran hlt Bhme konsequent fest: die edleSeele ist dem Menschen trotz Trennung und Sndenfall geblieben. Um dieserTatsache willen war die Menschwerdung Christi gerechtfertigt. Der Mensch istmehr, als er erscheint. Darber lt Bhme keinen Zweifel aufkommen.

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    3. Kapitel - Die Pforte der Schpfung des Menschen

    Sich mit Gott zu ergtzen (zu erfreuen), das ist ein bewegendes Motiv frBhmes Schreiben und Publizieren (3,1). Aus diesem Bewegtwerden heraussetzt er zu einer Darstellung des Prozesses der Selbstoffenbarung und der

    Schpfung an:

    Der in allen drei Prinzipien erschaffene Mensch nimmt seinen Ausgang ausdiesem Vorgang der Selbstoffenbarung Gottes. Was nun die gttliche Welthervorgebracht hat und was bis in die finstere Qual(itt) herabgestiegen ist,das bedurfte jener endlichen Heimholung (Kap. 2), dank der MenschwerdungChristi.

    Stehen am Anfang der Bettigung des begehrenden Willens nur die beideneinander polar entgegengesetzten Prinzipien von Feuer und Wasser, so ist es

    Luzifer (3,11), dessen Aktivitt den Verfestigungs- und Materialisationsprozeder Schpfung mitbewirkt. Damit tritt das dritte Prinzip in Erscheinung, nmlichin der Entfaltung der irdischen Welt als einer Leiblichkeit. Dahin tendiert derSelbstoffenbarungswille Gottes. Oetinger bringt diese Einsicht in seinem 1776verffentlichen Sptwerk Biblisches und Emblematisches Wrterbuch auf denklassischen Nenner: Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes. Derschwbische Theosoph bezieht sich dabei nicht allein auf Bhme, sondern, wieer ausdrcklich vermerkt, auf das 20. Kapitel der Johannes-Offenbarung, wovon der Stadt des himmlischen Jerusalem die Rede ist.

    Eine wesentliche Aussage ist zweifellos die (3,12), da der Mensch die StelleLuzifers eingenommen habe, Grund genug, den Angriffen des Widergttlichenausgesetzt zu sein. Das Widergttliche enthllt sich darin als einWidermenschliches. Der Mensch selbst Bhme leitet das Wort von Meschund von mischen ab (3,13) wird zu einem Mischwesen, zu einem Brgerzweier Welten, der inneren und der ueren Welt. Von daher also leitet er dasWerden des Menschenwesens ab (3,14 f), wobei er daran festhlt, da auch diemenschliche Leiblichkeit paradiesischer Abkunft sei und nicht etwa dasMngelprodukt eines bsen Weltschpfers. Durch Vermittlung der drei

    Prinzipien ist der Mensch sowohl mit dem trinitarischen Gott als auch mit derdreigliedrigen Schpfung verwoben.

    Eine Sonderstellung nimmt die Seele ein. Ihretwegen wurde Gott Mensch, weilsie ein Feuerauge oder ein Feuerspiegel (3,21) Gottes ist. Deshalb kann unddarf sie nicht verlorengehen.

    Schlielich ist der Mensch als Trger des Geistes dieser Welt (3,23) dazuersehen, die Schpfung erkennend und handelnd, verwandelnd zu ergreifen. Anvielen Stellen, so auch hier, spielt Bhme auf die androgyne, mnnlich-weibliche Urgestalt an. Sie ist Ausdruck seiner ursprnglichen Ganzheit und

    Majestt. Innere und uere, die spirituelle und die materielle Wesensseitegehren aufs innigste zusammen. Bhme ist damit weit entfernt von einerdualistischen Aufspaltung der anthropologischen Wirklichkeit. Und das ist auch

    = 7 =

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    der Grund, weshalb ihm soviel daran liegt, dieses zerstrte Urbildwiederhergestellt zu sehen.

    4. Kapitel - Von dem paradeisischen WesenWie ist es denn mglich, den Zugang zum verlorenen Paradeis aufs neue zuerffnen? Mit dieser Frage, die Bhme in der Solidaritt mit den armen Evas-Kindern stellt, setzt er im 4. Kapitel seine Betrachtungen fort. Dabei ist ihmvon vornherein klar, da es nicht um einen Akt der Selbstbefreiung desMenschen gehen kann, sondern um den des rechten Trhters, der denSchlssel hat, aufzuschlieen (4,2).

    Das bedeutet freilich nicht Verzicht auf das eigene Tun. Es ist vielmehr dieVoraussetzung des Menschen, seine alte Seinsweise und Bewutseinsart

    aufzugeben. Sie ist ihrerseits Voraussetzung der Wiedergeburt. Im gleichenZusammenhang ist es Bhme darum zu tun, eine Menschenkunde zu begrnden,die dem Geistursprung und der Bestimmung des Menschen gerecht wird (4,6).

    Und weil Bhme eine innere Beziehung zwischen Mensch und Materie,namentlich mit der metallischen Tinktur, das heit der Wesenheit desMetallischen, sieht, deshalb ist sein knapper Hinweis auf die Voraussetzung derneuen Wiedergeburt in Christo auch fr das alchymistische Laborieren vongroer Bedeutung. Wiedergeburt und Naturerkennen korrespondieren demnachmiteinander (4,10 f). Es ist nicht gleichgltig, in welcher Gesinnung, vor allem

    in welcher geistig-seelischen Verfassung und Reife, der Mensch an die Naturherantritt in deutlichem Unterschied zur voraussetzungslosen

    Naturwissenschaft. Alchymie erschpft sich demnach nicht im Hantieren mitStoffen und Apparaturen. Stoffesumwandlung und Selbstverwandlung gehrenzusammen.

    Entsprechendes gilt von dem Wesen der Nahrung (4,12 f), die einerseits einennatrlichen, andererseits einen bernatrlichen Aspekt an sich hat, zumal Gottund Welt, Zeit und Ewigkeit in sich wie verschlungen scheinen (4,14). Hiertaucht der Begriff des himmlischen Kraftleibes (4,15) als einer Substantialittauf, die als Wesensausdruck der berzeitlichen Abkunft des Menschen zu geltenhat. Diese Substantialitt hngt aufs engste mit einer Moralitt zusammen, dieAbkehr vom Alten Adam und neues Geborenwerden in sich schliet.

    5. Kapitel - Vom Fall des Menschen

    Wer sich in die Bhme-Lektre vertieft, der findet bald heraus, da es derEigenart seines Denkens und Darstellens entspricht, nicht etwa einengeradlinigen Gedankenfortschritt anzustreben. Sein Denken vollzieht sich inKreisen und in der Art von Spiralen. Er kehrt daher zu bereits Gesagtem zurck,

    = 8 =

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    umkreist das Gemeinte, formuliert neu und regt dadurch den Leser zu einemtieferen Erfassen an.

    Das 5. Kapitel, in dem der Autor die Grnde der Menschwerdung nochmalsaufzudecken sucht, folgt dieser Zirkelstruktur. Bereits Bekanntes wird neu in

    Worte und Gleichnisse gekleidet. Eine innere Notwendigkeit besteht darin, dader zu schildernde Werdeproze selbst einem Zirkel folgt, wie es in dem groenAbschnitt 5,4 auf die treffende Formel gebracht ist: Wenn der Anfang das Endeerreichet, da das Letzte das Erste tritt, so ist alles vollbracht und ganz. DerKreis schliet sich dies ist eine kosmologische, eine anthropologische undselbst eine literarisch-kompositionelle Tatsache. Inhalt und Aussageform bildeneine Einheit. Auf diese Kreisbewegung hat sich der Leser einzustellen.

    Bhme arbeitet vielfach mit Entsprechungen. Ein Beispiel dafr ist derAbschnitt 56, in dem die innere Korrespondenz zwischen Altem und Neuem

    Testament hervorgehoben ist, manchmal z.B. bei der Versuchung Adams sogar in der Weise, da der Autor vom neutestamentlichen Bericht ins AlteTestament zurckprojiziert. In unserem Zusammenhang geht es darum, zuzeigen, wie das Schicksal des menschlichen Falles mit der Beziehung desMenschen zu sich selbst, zur Welt und zu Gott zu tun hat (5,7 ff). Das Essen unddas Zeugen des Menschen sind in gleicher Weise davon betroffen. Der Abstieg

    besteht darin, da der Mensch den Bereich des gttlichen Geistes verlt und inden eintritt, der durch den Sternen- und Elementen-Geist (5,9) beherrschtwird.

    Dann nimmt das Geschehen seinen Lauf, das Menschengeschick (Zweiheit derGeschlechter) und Heilsgeschehen (Christus als der Schlangentreter)aufeinander bezieht.

    Bhme hat hin und wieder das Bedrfnis, auf den Einspruch der Vernunft gemeint ist jedoch der irdisch-rationale Verstand! zu antworten sei es,weil er den Widerspruch seiner Kritiker nicht wortlos hinnehmen will, sei es,weil er eigener Skepsis zu begegnen sucht (5,11 ff). So lt er den Leser an demSpruch und Widerspruch teilhaben, der in ihm laut wird. Dieses Ringen zieltdarauf hin, die tote Vernunft zu beleben, ihr die angeborene Blindheit zunehmen, damit sie recht mit magischen Augen (5,13) zu sehen vermge,nmlich als ein liebes suchendes Gemte, das den Lichtspuren Gottesnachdenkt (5,15) und das dabei der Dynamik des Feuer-Prinzips gewahr wird,das allem Sein zugrundeliegt. Und in diesem seinem eigenen Suchen sieht sichder Schauende mit dem Magisch-Ungrndlichen In begriff desbegehrenden Willens konfrontiert (5,17). Dieser Wille ist es, der allesSeiende ins Werden und Wesen ruft.

    Das grte Ereignis, zugleich das grte Geheimnis der Taten Gottes, ist der

    Mensch, insofern Urstand, Fall und Wiederbringung (durch denWiedergebrer Christus) die wichtigsten Stadien seines Weges darstellen(5,23). Und was in seinem Buch Von der Gnadenwahl* mit groer

    = 9 =

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    Eindringlichkeit gesagt ist, gilt auch hier: Gott will, da allen Menschen zuewigem Heil geholfen werde; der Mensch ist seinerseits frei, dieses Heil zuergreifen; bist du doch dein selbst eigener Macher (5,25). Daraus resultiertder Appell zu einer ziel- und zuchtvollen Lebensfhrung: Es ist ein jeder

    Mensch sein eigener Gott und auch sein eigener Teufel . . . (5,26).*) Jakob Bhme: Von der Gnadenwahl. Kommentierte Neuausgabe. Insel Verlag, Frankfurt1995 (it 1738).

    6. Kapitel - Von Adams Schlafe

    Die von Bhme immer wieder mit Erschtterung und Trauer festgestellteTatsache ist die des tragischen Falles, den der biblische Mythos als denSndenfall des Menschen so eindrcklich ins Bild gesetzt hat. Der Mensch

    kommt eigentlich erst dadurch auf dem irdischen Plan an, auf der Ebene desdritten Prinzips, und damit im Bereich der vier Elemente. Mit ihnen ist er jedoch nicht identisch (6,2). Sein wahres Wesen ist verborgen. Eine wichtigeanthropologisch-christosophische Aussage ist zweifellos die, da der teure

    Name Jesu Wesensbestandteil Adams war, herausgeboren aus der Jungfrauder Weisheit Gottes (6,2).

    Wieder begegnen wir einer typologischen Entsprechung, die bereits vompaulinischen Rmerbrief her bekannt ist: Christus ist der zweite Adam. Daherentspricht fr Bhme dem Schlaf Adams der dreitgige Todesschlaf Christi, wo

    durch die innere Korrespondenz erneut unterstrichen werden soll. Auf dieseTatsache mag sich der sttzen, der sich mit der Lebensmacht Christi verbindet(6,3).

    Diese Lebensmacht Christi ist dem Menschen eingebildet, das heit mit demWesenskern des Menschen verschmolzen. (Bhme sagt Jesus, wenn er dengegenwrtigen Christusgeist meint.) Sie verbrgt die Wiederherstellung derverlorenen Ganzheit. Damit ist im besonderen jene Ganzheit gemeint, dieverloren ging, die im Schlafe Adams zur Ausgestaltung Evas und damit zurAufspaltung des einen Menschen in die Zweiheit der Geschlechter gefhrt hat

    (6,6 f.). Damit ist das fr Bhme wichtige Thema des Androgyn-Problemsaufgeworfen. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, wie eben dieseWiederherstellung der mnnlich-weiblichen Ganzheit (Androgynie) dieMenschwerdung Jesu Christi zur Voraussetzung hat. Anthropologie undChristologie sind somit aufs engste miteinander verwoben.*

    *) Gerhard Wehr: Der Urmensch und der Mensch der Zukunft. Das Androgynproblem imLichte der Anthroposophie Rudolf Steiners. Verlag Die Kommenden, Freiburg. 2. erg. Aufl.i979, ders.: Heilige Hochzeit. Ksel Verlag Mnchen 1986.

    Das Hervorgehen der Eva aus der Seite des schlafenden Adam und die

    Seitenwunde des gekreuzigten Jesus entsprechen einander; Adam wurdedadurch wieder heil (6,8). Damit ist das Mysterium der menschlichenGeschlechtlichkeit berhrt. Bhme ist sich der die Einzelperson

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    transzendierenden Triebkraft wohl bewut. Gleichzeitig wei er auch um dasUnvermgen der Sexualitt, den Geschlechterzwiespalt auf Dauer zuberbrcken (6,10 f.). Dennoch ist die Tinktur (des Geschlechtlichen) ein ewigWesen (6,12). Und eben darin grndet der qualitative Unterschied

    menschlicher und tierischer Sexualitt.Ein anderer, bei Bhme immer wieder behandelter Aspekt ist schlielich der derJungfrulichkeit (6,14 ff). Dabei ist sein Blick primr auf das Mysterium derJungfrulichkeit gerichtet, die durch die Jungfrau Sophia, die Weisheit Gottes,reprsentiert wird. Jungfrulich ist derjenige, der an dieser Gottesweisheit teilhatoder der sie durch die Christuseinwohnung wieder erlangt. Sie ist diekostbare Perle, von der das Evangelium im Gleichnis spricht.

    7. Kapitel - Vom verheienen Weibessamen und SchlangentreterBhme setzt in den folgenden Kapiteln seine typologische Deutung fort, indemer das alttestamentliche Bild vom Verlust der ursprnglichenGottebenbildlichkeit des Menschen durch das des Heiles, das Christus gebrachthat, ergnzt (7,1 ff). Nochmals greift Bhme das Thema der Geschlechtlichkeitauf, wenn er (7,5ff.) der verlorenen inneren Weiblichkeit die uere der bsenwiderwrtigen irdischen Frau gegenberstellt. Dabei kommt es ihm, wie wir im6. Kapitel gesehen haben, weniger darauf an, die menschlicheGeschlechtlichkeit als solche zu diffamieren, als die Tragweite des Verlustes

    sichtbar zu machen. Bhme will im deutlichen Gegensatz zu manchen seinerEpigonen die Freude der geschlechtlichen Erfllung offensichtlich nicht inFrage stellen, da doch ja etwas vom Paradeis (darin) ist (7,6).

    Und so wie Mose als Reprsentant des alttestamentlichen Opferwesens auftrat,so erfllte Christus diese Verheiung durch die Hinopferung seines eigenenLebens Bhme mag dabei an die Kultustheologie gedacht haben, die derneutestamentliche Hebrerbrief entfaltet hat.

    Was im 6. Kapitel zur Geschlechter-Metaphysik gesagt ist, findet 7,13 ff. seineErgnzung. Man wird das zum Verhltnis von Mann und Frau Gesagte nicht alsAusflu eines verengt-patriarchalischen Denkens ansehen sollen, da Bhme dasUrbild der mnnlich-weiblichen Ganzheit im Blick behlt: Das Weib gehret inden Mann, und nur der Mensch als mnnliche Jungfrau, also nicht als Mannoder als Frau, erlangt das Reich Gottes. Das Gebot, der Mann mge sein Weiblieben als seinen Rosengarten, mag ber manches Zeitbedingte in derEinschtzung der Frau bei Bhme hinwegsehen lassen

    8. und 9. Kapitel - Von der Jungfrauen Maria

    Auf den ersten Blick mag es verwundern, da der Protestant auch und gerade dieJungfrau Maria zum Gegenstand seiner Betrachtung macht. Andererseits liegt

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    Bhmes Bedeutung darin, da er eben solchen traditionellen Vorbehalten zumTrotz die Bedeutung Mariens und des Weiblichen im Heilsgeschehen vielstrker zur Geltung bringt, als es aus dem Protestantismus heraus zu erwartenist. Dabei ist Maria nicht etwa mit der Jungfrau Sophia identisch.

    Maria ist eher das menschliche Instrument, durch das Jesus als Trger beiderTinkturen der Menschheit zum Heil geschenkt werden kann, und zwar mit derWirkung, da er vollkommen wie Adam sei (8,3 ff). So gesehen wird dererste Mensch (Adam) wieder lebendig. Dieser Vermittlerttigkeit wegen stuftBhme Maria hoch ein (8,5), jedoch ohne sie zur Gttin zu machen odereinem hypertrophen Marienkultus das Wort zu reden.

    Vor einem derartigen Miverstndnis ist Bhme geschtzt, weil er die allesumgreifende Bewegung des Wortes, die aus den Tiefen der Gottheit kommt,im Blick behlt. In dieser Bewegung wendet sich Gott der erlsungsbedrftigen

    Menschheit zu: Die Gottheit hat gelstert, Fleisch und Blut zu werden. Auchdieses sich Herabneigen die Theologie spricht von der Kondeszendenz Gottes

    bedarf einer Absicherung. Fr Bhme ist klar, da der sich manifestierendeGott, obwohl er sich ganz und nicht etwa nur partiell gibt, Geist bleibt (8,8).Bhme ist demnach nicht bereit, einem nivellierenden Pantheismus (deus sivenatura) zu folgen.

    Fr Bhme ist alles Fragen nach Gott immer auch mit dem Mysterium desMenschen verknpft. Seine Theosophie mndet ein in Anthroposophie(Weisheit vom Menschen) gem 9,1. Das Zeitliche, Leibliche hngt amEwigen, Geistigen (9,7). Dahin, zur vlligen Integration mit seinem Urstand,soll der Mensch gelangen. Anthropologisch-spirituell gesehen ist es dieWiederherstellung der Jungfrauschaft (9,9) Nun kommt es immer auchentscheidend, mitentscheidend, darauf an, da der Seelengeist, bisweilen auchWillengeist genannt, bereit ist, sich in das neue Sein hineinzubegeben(9,12). Da der Mensch auf Christus hin angelegt sei, ehe der Welt Grundgelegt ward (9,13), wird mehrfach hervorgehoben. Daher ist die Freude fr denberschwenglich gro, der in, mit und durch Christus das verlorene Wesensbildals seine innere Weiblichkeit empfngt und sich mit ihr zu neuer

    Vollmenschlichkeit vermhlt (9,25). Bhme zgert nicht, seine Freude darbermitschwingen zu lassen.

    10. Kapitel - Von der Geburt Jesu Christi

    Was Adam auf dem Wege einer magischen Selbstschwngerung und -zeugunghervorbringen sollte, jedoch nicht vermochte (10,1-5), das wurde der JungfrauMaria aufgetragen und von ihr erfllt. Dabei war es die himmlische, gttlicheWesenheit Christi, die zur Arznei der irdischen, halbertteten Wesenheit des

    Menschen wurde.

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    Das unausdeutbare Mysterium aber liegt darin, da einerseits einvollkommener Mensch Gestalt annahm, andererseits Christi Gottheit davonunangetastet blieb (10,9). Und dieser Christus gem Luthers KleinemKatechismus wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch

    wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren ging den Weg dertotalen Menschwerdung, um den Menschen auf eben diese Weise einernatrlichen Abkunft und Geburt aus dem Bereich des Irdisch-Vergnglichenherauszufhren.

    Man sieht, wie sehr Bhme in zentralen, christologischen Aussagen an denInhalten des kirchlichen Dogmas festhlt. Besondere Beachtung verdientzweifellos jene Deutung, in der er (10,12) die irdisch-kosmische Tatsache derChristuserscheinung zu verdeutlichen sucht: Also hat die Erde Christi Blutempfangen eine Kommunion planetarischen Ausmaes, ein alchymistisch-

    sakramentaler Akt, der einer spirituellen Kraftmitteilung gleichkommt! DesTodes Tod wird Ereignis, Ereignis wird der Lebensimpuls des kosmischenChristus. Es war im besonderen Rudolf Steiner, der im Rahmen seineresoterischen Lehrmitteilungen diesen Aspekt des Christusimpulses zu Geltunggebracht hat.*

    *) Vgl. hierzu Gerhard Wehr:Rudolf Steiner. 2. erw. Auflage 1987. Ksel Verlag Mnchen.

    11. Kapitel - Von der Nutzbarkeit

    Das ist das unauslschbare Siegel menschlicher Existenz: in Adam erstorben,dem Tode verfallen zu sein (11,1). Doch es ist nur der eine Anfang einerTatsachenkette. Der andere beginnt mit der Menschwerdung Jesu Christi.

    Zwei Elemente bestimmen auch die menschliche Seele: einmal als Ausgeburtaus der ewigen Essenz des Geistes Gottes und als Trger des Lebens (11,3),zum andern als Objekt des sie infizierenden Teufels (11,4). Sie ist dasSchlachtfeld, auf dem die zwei Reiche miteinander im Streit liegen (11,6). Sieist aber auch die Sttte, an der sich Gott und Mensch vereinigen. Wenn Bhmein diesem Zusammenhang (11,8) darauf hinweist, Glaube sei nicht historisch,

    so will er damit hervorheben, da es beim christlichen Glauben nicht etwa umeine belanglose Historie, um das Fr-wahr-Halten einer alten Geschichte gehe,sondern vielmehr um eine geist-konkrete Teilhabe des Menschen an dem WesenGottes:

    Die schne Blume und Bildnis (unseres Urstandes) soll aus dem verderbtenAcker wachsen ... (11,9).

    12. Kapitel - Von der reinen Jungfrauschaft

    Immer wieder umkreist Jakob Bhme das Ideenbild des Jung frulichen. Es istfr ihn Urbild, Sehnsucht und Zielbild auf dem Wege der menschlich-

    = 13 =

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    menschheitl:ichen Ganzwerdung. Dabei stellt sich der ueren Vernunft dieFrage nach dem Wie dieses Integrationsvorgangs. Und hier ist von Belang, daBhme nicht etwa einer rigorosen, geschlechtlichen Enthaltsamkeit das Wortredet, wie wir es bei seinen geistigen Nachfahren Gichtel, Wirz und anderen

    antreffen. Eher geht es ihm darum, die Fixierung auf die nur sexuell gefrbteLiebe um der Ganzwerdung in dem einigen Bilde (12,3) willen zuberwinden.

    Bhme rechnet mit der Wiederherstellung der reinen Liebe aus dem Hl. Geist,die durch die Entzndung Luzifers an die irdische, verderbte Sucht gekettetwurde, eingeschlossen in die verderbte Irdigkeit (12,7). Dieser Tatbestand istfr Bhme Anla genug, ein weiteres Mal die Notwendigkeit der Reaktivierungder im Tod eingeschlossenen Jungfrauschaft zu erlutern (12,10 ff.),ausgehend von der Bewegung der Gottheit bis hin zur Einfhrung des neuen

    Bildnisses, damit Gott und Mensch ewig eine Person seien (12,13). Allesliegt nun daran, da diese Menschwerdung Christi nicht allein in Maria, sondernin jedem einzelnen geschehe (12,14 ff). In seinem berhmten CherubinischenWandersmann hat Bhmes schlesischer Landsmann, der Angelus SilesiusJohann Scheffler dieser Einsicht und Forderung Ausdruck verliehen, als er dort(I,61 f.) die klassischen Zweizeiler formte:

    Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geborenUnd nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.Das Kreuz von Golgatha kann dich nicht von dem Bsen,

    Wo es nicht auch in dir wird aufgericht, erlsen.**) Angelus Silesius: Der Himmel ist in dir. (Klassiker der Meditation). Ausgewhlt undeingeleitet von Gerhard Wehr. Benziger Verlag Zrich 1982 (Neuauflage).

    Glaube und Wiedergeburt hat Bhme an vielen Stellen durch Vergleiche undMetaphern veranschaulicht, die dem Bereich des Wachstmlichen entnommensind: Da ist die Rede vom Ausgrnen, Aufblhen, Emporwachsen: ... sowchset die schne Lilie aus, nicht allein ein Geist, sondern das jungfrulicheBild wird aus dem Tode ins Leben geboren (12,20). Dieses Bild von der Lilien,die ber Berg und Tal in allen Landen blht, wird schlielich zum Symbol

    erhoben, stellt doch Bhme der gleichzeitigen rosenkreuzerischenGeneralreformation im Zeichen von Kreuz und Rose diese seine herbeigesehnteReformation im Zeichen der Lilie gegenber: Das neue Leben sollte aus demTode grnen das ist Meditationsbild und Programm in einem. Von dahergewinnt Bhme ein neues Existenzverstndnis, denn in Christi Geist werdenwir wiedergeboren (12,21). Bemerkenswert, da der alte Adam nicht so ganzund gar weggeworfen werden msse (12,22). Auch darin waltenGesetzmigkeiten des organischen Werdens, die freilich ber sichhinausweisen und eben dadurch symbolischen Rang erreichen.

    Ins Zentrum der Christusmystik lenken schlielich die Abschnitte (12,22 ff) ein,wo das Werk und der Weg Christi als ein Wirken und als ein Gehen mit Christusund in Christus gedeutet wird.

    = 14 =

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    13. Kapitel - Vom zweifachen Menschen

    Bhme lt keinen Zweifel darber aufkommen, da das Christusereignis Christus als der andere, der neue Adam die Basis einer neuen Erkenntnis undeiner neuen Wertordnung darstellt. Es macht daher auf den seiner Sendung

    durchaus bewuten Grlitzer Meister derjenige keinerlei Eindruck, der zwarber Kunst und Forschen verfgt, das theologisch-wissenschaftliche Rstzeug

    beherrscht, ohne jedoch selbst von der Lebenstatsache des Christus ergriffen undverndert zu sein (13,1 ff.). Deshalb Bhmes leidenschaftliches Pldoyer fr dieGeistestrger und wider die beamteten Geistbinder. Der Steinhaufekirchlicher Institution vermag den Tempel, der allein der Christus ist, nicht zuersetzen (13,3).

    Aus eigener leidvoller Erfahrung spricht der Autor dort (13,7 und 13,11), wo ervon dem Streit berichtet, der in dem Augenblick beginnt, in dem der Prozedes Ausgrnens anfngt. Ungeachtet dessen, ja gerade mitten im Streit undunter Strmen (13,11), wchst der edle Lilienzweig des inneren Menschen(13,8), vor ihm ist der Tag der Wiederbringung, das heit derWiederherstellung des gestrzten Menschenbildes. Menschwerdung (13,9) istfr Bhme demnach nicht allein ein christologischer Tatbestand, sondern einspirituell-anthropologischer, ein auf den Menschen selbst bezogener. DerChristusproze ist sein Proze.

    Hat sich das Bild vom Menschen als eines Brgers zweier Welten eingeprgt, soweist der trinitarische Denker Bhme daraufhin, da der Mensch im Grunde einBrger dreier Welten sei, insofern er teilhat an den Wirkfeldern der dreigttlichen Prinzipien (13,12). Noch wichtiger ist fr unseren Autor die Fhigkeitdes Menschen, sich frei zu entscheiden, fr das Zorn-Feuer oder fr das Liebe-Licht (13,13). Diese vor allem in dem Buch Von der GnadenwahlvertreteneAnsicht mu Bhme mit solcher Entschiedenheit verfechten, weil er denMenschen auf die Pilgrimsstrae eines spirituellen Weges gestellt sieht. Dasind Entscheidungen ntig, die keinem abgenommen werden knnen. Schon dasBetreten dieser Strae bedeutet eine derartige Entscheidung, ganz zu schweigenvon der bewuten bernahme der Prfungen, die die Christusnachfolge mit sich

    bringt (13,14).

    14. Kapitel - Von der neuen Wiedergeburt

    Im Grunde gipfelt der Weg des Menschen darin. Dieses Ziel, die Sehnsucht nachdem rechten Vaterland, stellt somit die unablssige Antriebskraft fr denPilgrim dar (14,1). Und als einer, der die Bahn selbst durchlaufen hat, kenntBhme die Zweifel und Unsicherheiten, zumal das erhoffte Ergebnis diesesMhens ungewi bleibt.

    Ein eindrucksvolles Bild: Wir gebren also mit groem Sehnen in ngsten(14,2 f). Deshalb sieht Bhme die Notwendigkeit, sich und seinen spirituellen

    = 15 =

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    Schlern immer wieder einzuprgen, da das erstrebte Gold im groben Steinverborgen und da der eine des andern Behlter sei (14,4), so unhnlich die

    beiden einander auch sein mgen. Wenn an dieser Stelle gesagt wird, das imGewand alchymistischer Vorstellungen Angedeutete sei in anderen Schriften

    genug erklret worden, so drfte Bhme nicht nur an seine eigenen denken,sondern vor allem an alchymistisches Schrifttum seiner Zeit. Namentlich denwichtigen Wasserstein der Weisen empfiehlt Bhme in seinen TheosophischenSendbriefen (vom 6. Juli 1622).*

    *) Eine Faksimile-Ausgabe des Druckes von 1661 legte der Aurum Verlag Freiburg 1977 vor.

    Wie gut Bhme mit alchymistischen Vorstellungen vertraut ist, zeigt schlielichdie Art, wie er deren Symbolik auf den Werdeproze des Menschen anwendet.Und weil echte Symbolik die Verbindung eines Geistigen mit einem Irdisch-Konkreten darstellt, deshalb bemht sich Bhme darum, die Leiblichkeit des

    neuen Menschen eigens hervorzuheben (14,6). Letztlich geht es ihm darum, denRealittscharakter des durch die Wiedergeburt zu erlangenden neuen Seins zuerweisen. Und dieses neue Sein steht bereits im Licht einer Weltenwende.Deshalb der prophetisch eschatologische Ton, mit dem der Autor den ersten Teilseines Buches schliet, nmlich da die Zeit nahe ist und der Tag anbreche.Das ist die Stimme eines prophetischen Mahners, der als Schriftsteller und alsSeelenfhrer die Botschaft vom Anbruch der Morgenrte zu verknden hat.

    ZWEITER UND DRITTER TEILWerfen wir noch einen Blick auf einige Abschnitte aus den beiden krzerenTeilen 2 und 3 des Buches Von der Mensch werdung Jesu Christi, dann drfenan erster Stelle jene genannt werden, wo 2-1,8 ff. nochmals ein Ideenbild vomgttlichen Ungrund (vor aller Schpfung), von dem in allen Wesen sichmanifestierenden Willen und von der gttlichen Sophia (Weisheit) gesprochenwird, die als Spiegel aller Wesen diese Wesen zur Offenbarung und zumBewutsein bringt.

    Nicht immer erreicht Bhme in seinen Darstellungen einen solchen Grad an

    Klarheit wie hier. Dabei mu sich der Leser vor Augen halten, da hier derTheosoph redet, das heit jener Jakob Bhme, dessen schauendes Auge in dieTiefen der Gotteswelt eindringt, whrend noch nicht von Schpfung undMenschheit gesprochen werden kann. Es ist, als ob allein das wahrnehmendeAuge des Schauenden da sei, in dem sich das Geschaute spiegelt. Und wieunangemessen jegliches Subjekt-Objekt-Denken ist, deutet der Autor dadurchan, da er dem Willen vor dem Sehen (2-1,10) eine allem bergeordnete Rollezuweist. Von diesem begehrenden Willen in Gott nimmt der gesamtetheogonische Proze des aus dem Ungrund heraustretenden Gottes seinen

    Anfang (2-2,1).Bhme mu immer wieder, so auch hier, das Wagnis eingehen, dasUnvergleichliche, das vor aller Schpfung und Geschichte sich Abspielende

    = 16 =

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    durch geschpfliche Bilder und Vergleiche zu veranschaulichen. Damit stellt erden betrachtenden Leser vor groe Probleme, die am ehesten durch einemeditative Bewutseinseinstellung gelst werden knnen. Es ist ja Gottselber, der begehrt, sich zu offenbaren, sich zu ergrnden (2-3,3). Wie und

    unter welchen dramatischen Begleitumstnden diese Offenbarung geschieht, dasdarzustellen ist Bhmes Bemhen, wenn er die Erscheinungsweise des Willensals die Manifestation eines Blitzes, eines Schracks schildert, um das jhestoartige Auftreffen des Willens auf den Bereich der Erscheinungswelt alsschlge man Stahl und Stein aneinander sinnlich wahrnehmbar abzubilden(2-4,13). Eine ungeheure, jeglichen Vergleich bersteigende Dialektik wirdEreignis. Offenbar liegt ihm daran, da der nach Grund, Wesen und Ziel derMenschwerdung Fragende auch diese theogonischen Vorgnge im Bewutseinhabe, um aus einer grtmglichen Totalitt heraus das Heilsgeschehen vonMenschheit und Einzelmensch zu begreifen und was noch wichtiger ist zuergreifen. Und gerade durch dieses Bemhen erweist sich Jakob Bhme als einuniversalistischer Denker.

    Aber wird er auch rezipiert, werden die Gleichnisbilder mit ihren Tiefen undUntiefen auch aufgenommen und verarbeitet? Sehen wir einmal von dertatschlich erfolgten Bhme Rezeption ab, so schtzt der seiner Sendungdurchaus Bewute seine Chancen nchtern und realistisch ein: Meine Schriftenwird nicht ein jeder nach meinem Sinn verstehen, ja auch wohl nicht einer. Aberein jeder empfhet nach seiner Gabe zu seiner Besserung, einer mehr als der

    andere, nach dem der Geist seine Eigenschaft in ihm hat (2-7,5).Praktisch heit das doch: Nicht darauf kommt es an, da Bhme in allenPunkten verstanden und die Ergebnisse seiner Erfahrung bernommen werden.Darin unterscheidet sich ja gerade ein Seelenfhrer von einem Agitator, der freine bestimmte Weltanschauung oder berzeugung wirbt. Bhme will nicht zusich und zu seinem Denken bekehren; er will bessern, frdern, einenspirituellen Proze in Gang bringen, und zwar je nach der individuellen Prgung

    jedes einzelnen. Diese Menschen hat Bhme auf der Pilgrim-Strae aus demTode ins Leben zu fhren (2-8,1). Deshalb zielt Bhmes Schreiben und Lehren

    allein dahin, wie wir uns mssen selber suchen, machen und endlich finden,wie wir mssen gebren, da wir ein Geist mit Gott sind, da Gott in uns sei undwir in Gott . . . (2-10,7).

    Ohne einen energischen, opfervollen Streit um das edle Ritterkrnzlein desBildnisses Gottes zu fechten (3-7,1) geht es nicht ab. Darauf weisen nichtzuletzt die christosophischen Schriften hin, in denen Bhme den zudurchlaufenden Proze der Wiedergeburt nher zu beschreiben sucht.*

    *) Vgl. Jakob Bhme: Christosophia. Ein christlicher Einweihungsweg. Insel Verlag,Frankfurt 1991 (it 1412).

    Aber auch dort, wo der Grlitzer Meister die Stationen des Innenwegs bezeichnet, versumt er nicht, Mal um Mal den Auftrag an die Erde inErinnerung zu rufen. Das spirituelle Exerzitium, zu dem er rt, darf niemals den

    = 17 =

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    Menschen seinem Erdenauftrag entfremden, denn es ist nicht so, da dieseWelt vor Gott nichts taugte oder ntze wre: sie ist das groe Mysterium (3-6,6). Und dieses Mysterium Magnum so lautet der Titel von Bhmesumfangreichstem Werk zum Buche Genesis gilt es mehr und mehr zu

    entdecken und erkennend, gestaltend zu durchdringen. Denn: Der Mensch istzu dem Ende darein erschaffen worden, da er dasselbe Mysterium offenbareund die Wunder ans Licht und in Formen nach der ewigen Weisheit bringe (3-7,4).

    Der Mensch wird damit zu einem Mitarbeiter seines Gottes. Ja selbst ChristiVollendungsweg wird, so betrachtet, zum Weg des Menschen (3-8,1). DieMenschwerdung Jesu Christi ist die wahre Menschwerdung des Menschen. Undeben darum geht es in diesem Buch Jakob Bhmes.

    ________ * ________

    DE INCARNATIONE VERBI

    oderVON DER MENSCHWERDUNG JESU CHRISTI

    in drei Teilen

    1. Wie das ewige Wort sei worden.

    2. Wie wir mssen in Christi Leiden, Sterben und Tod eingehen und aus seinemTode mit ihm und durch ihn auferstehen und seinem Bilde hnlich werden undewig in ihm leben.

    3. Der Baum des christlichen Glaubens. Ein rechter Unterricht, wie der Mensch

    knne ein Geist mit Gott sein und was er tun msse, da er Gottes Werk wirke.

    * * *

    = 18 =

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    Erster Teil - Wie das ewige Wort sei Mensch

    worden

    1. Kapitel - Da die Person Christi wie auch seine Menschwerdung

    aus natrlicher Klugheit oder dem Buchstaben der Hl. Schrift ohne

    gttliche Erleuchtung nicht knne erkannt werden. Item: Vom

    Urstande des ewigen gttlichen Wesens.

    1-1,1 Als Christus seine Jnger fragte: Wer sagen die Leute, da des

    Menschensohn sei? antworteten sie ihm: Etliche sagen, du seiest Elias,etliche du seiest Johannes der Tufer oder der Propheten einer. Er fragte sieund sprach: Wer saget denn ihr, da ich sei? Da antwortete Petrus ihm: Du

    bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Und er antwortete ihm und sprach:Wahrlich, Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbaret, sondern mein Vater imHimmel, und verkndigte ihnen auf dieses sein Leiden, Sterben, Tod undAuferstehen (Matth 16,21), anzuzeigen, da die eigene Vernunft in dieser Welt-Witze und Weisheit die Person, welche Gott und Mensch war, nicht knnte inihrer Vernunft erkennen noch begreifen, sondern er wrde meistenteils nur vondenen recht erkannt werden, welche sich wrden ihm ganzlich einergeben undum seines Namens willen Kreuz, Trbsal und Verfolgung leiden, welche ihmmit Ernst anhangen wrden. Als denn solches auch geschehen ist, da er auch,weil er noch sichtlich bei uns in dieser Welt wandelte, von denVernunftwitzigen wenigstenteils erkannt ward. Und obgleich er in gttlichenWundern einherging, so war doch die uerliche Vernunft also blind undunverstndig, da solche groen gttlichen Wunder von den Klgsten derVernunftkunst dem Teufel zugeschrieben worden. Und wie er zu der Zeit, als erin dieser Welt sichtbarlich wandelte, ist von eigner Vernunft und Witz unerkannt

    blieben, also ist und bleibet er nochmals der u ern Vernunft unbekannt und

    unerkannt.

    1-1,2 Aus diesem ist so viel Zank und Streit um seine Person worden, da jedie uerliche Vernunft vermeinte zu ergrnden, was Gott und Mensch sei, wieGott und Mensch knnen eine Person sein, welcher Streit den Erdkreis erfllethat, da die eigene Vernunft je gemeinet, sie habe das Perllein (das Wesentliche)ergriffen, und nicht dabei bedacht, da Gottes Reich nicht von dieser Welt seiund da es Fleisch und Blut nicht knne erkennen oder begreifen, viel wenigerergrnden.

    1-1,3 So stehet nun einem jeden zu, der von gttlichen Geheimnissen willreden oder lehren, da er auch Gottes Geist habe, und sein Ding, das er fr wahrwill ausgeben, in gttlichem Licht erkenne und nicht aus eigner Vernunft sauge;

    = 19 =

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    sich ohne gttliche Erkenntnis also auf den bloen Buchstaben in seinerMeinung steure und die Schrift bei den Haaren herzuziehe Bibel willkrlichzitieren), wie von der Vernunft geschieht, aus welchem also trefflich viel Irrtumentstanden ist, da man die gttliche Erkenntnis in eigenem Witz und Kunst

    gesuchet hat, und ist also von der Wahrheit Gottes in eigene Vernunft geraten,und hat die Menschwerdung Christi fr ein fremdes und fernes Ding gehalten.Da wir doch alle mssen in derselben Menschwerdung wieder aus Gott geborenwerden, wollen wir aber dem Grimm der ewigen Natur entweichen.

    1-1,4 Weil es denn den Kindern Gottes ein nahes und vertrautes Werk ist,damit sie tglich und stndlich sollen umgehen und immer in dieMenschwerdung Christi eingehen, aus der irdischen Vernunft ausgehen und alsoin diesem Jammerleben in der Geburt und Menschwerdung Christi mssengeboren werden, wollen sie anders Gottes Kinder in Christo sein, so habe ich

    mir frgenommen, dieses hohe Geheimnis nach meiner Erkenntnis und Gabenzu einem Mernorial zu schreiben, auf da ich also Ursache habe, mich auchherzlich mit meinem Immanuel (Christus) zu ergtzen und zu erquicken, weilich auch neben anderen Kindern Christi in dieser Geburt stehe, auf da ich einDenkmal und Aufrichtung htte, so mich ja das finstere und irdische Fleisch undBlut mit des Teufels Gift wollte berziehen und mir mein Bildnis verdunkeln.So habe ich mirs fr eine bung des Glaubens frgenommen, damit sich meineSeele mge also als ein stlein an ihrem Baume Jesu Christo seines Saftes undKraftes erquicken, und solches nicht mit klugen und hohen Reden der Kunst

    oder aus der Vernunft dieser Welt, sondern nach der Erkenntnis, so ich vonmeinem Baume Christo habe, auf da mein Zweiglein auch neben andern imBaume und Leben Gottes grne und wachse. Und ob ich zwar hoch und tiefgrnde und es ganz helle werde darstellen, so soll doch dem Leser diesesgesaget sein, da es ihm ohne Gottes Geist wird ein Mysterium und unergriffensein. Darum sehe ein jeder zu, was er richte, da er nicht in Gottes Gericht falleund von seiner eigenen Turba (Verwirrung) gefangen werde und ihn seineeigene Vernunft strze, sage ich wohlmeinend und gebe es dem Leser zuerwgen.

    1-1,5 Wenn wir wollen von der Menschwerdung und Geburt Jesu Christi, desSohns Gottes, schreiben und davon recht reden, so mssen wir die Ursachenerwgen, was Gott bewogen habe, da er sei Mensch worden. Zumal er solcheszu seinem Wesen nicht ist bedrfend gewesen, und knnen auch mit nichtensagen, da sich sein eigen Wesen habe in der Menschwerdung verndert, dennGott ist unvernderlich, und ist doch worden, was er nicht war. Aber seineEigenschaft ist dabei unvernderlich geblieben. Es war nur um des gefallenenMenschen Heil zu tun, da er den wieder ins Paradeis brchte, und ist uns allhieder erste Mensch zu betrachten, wie der vor seinem Falle sei gewesen, um

    welches willen sich die Gottheit beweget hat, welches uns Menschen hoch zubetrachten ist.

    = 20 =

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    1-1,6 Wir wissen, was Moses saget, da Gott habe den Menschen nachseinem Gleichnis in ein Bildnis nach ihm geschaffen (Gen. 1,27). Verstehe also,da sich Gott, der ein Geist ist, in einem Bildnis she als in einem Gleichnis.

    Nicht weniger hat er auch diese Welt geschaffen, da er also die ewige Natur in

    Wesenheit offenbare, auch in lebendigen Kreaturen und Figuren, da diesesalles sei ein Gleichnis und Ausgeburt aus der ewigen Natur des ersten Principii,welches Gleichnis vor den Zeiten der Welt ist in Gottes Weisheit als eineverborgene Magia (Urbild) gestanden und vom Geiste Gottes in der Weisheit istersehen worden, der in Zeit des Anfangs dieser Welt die ewige Natur bewegetund der verborgenen gttlichen Welt Gleichnis hervorgebracht und erffnet hat.Denn die feurige Welt ist im Licht Gottes gleich als verschlungen und verborgengestanden, indem alleine das Licht der Majestt in sich selber regieret hat. Undist und doch nicht zu denken, da die feurige Welt nicht gewesen sei. Sie istgewesen, aber sie hat sich in ihr eigen Principium geschieden und ist im Lichteder Majestt Gottes nicht offenbar gewesen, als uns solches am Feuer und Lichtzu ersinnen ist, da das Feuer zwar eine Ursache des Lichts ist und wohnet dochdas Licht im Feuer, dem Feuer unergriffen, und fhret eine andere Qual(Qualitt) als das Feuer. Denn das Feuer ist Grimmigkeit und verzehrend, unddas Licht ist Sanftmut, und aus seiner Kraft wird Wesenheit als Wasser oderSulphur (Stoff) eines Dinges, welches das Feuer in sich zieht und zu seinerStrke und Leben braucht, und ist also ein ewig Band.

    1-1,7 Dieses Feuer und gttliche Licht ist zwar von Ewigkeit in sich selber

    stillegestanden, da ein jedes in seiner Ordnung in seinem Principio ist gestanden,und hat weder Grund noch Anfang, denn das Feuer hat in sich seine eigeneGestalt zu seiner Qual als das Begehren, aus welchem und in welchem alleGestalten der Natur erboren werden, da je eine Ursache der andern ist, wie inden andern Schriften ausfhrlich gemeldet worden. Und finden wir im Lichteder Natur, wie das Feuer in seiner eigenen Essenz sei, gleichwie im herben

    begehrenden Qual in sich selber eine Finsternis gewesen, welches in derSanftmut Gottes gleich als verschlungen gestanden, da es nicht qualittisch,sondern essentialisch in sich selber gewesen, nicht anzndlich. Und ob es gleichgebrannt hat, so ist es doch als ein eigen Principium in sich selber nurempfindlich gewesen; denn es sind von Ewigkeit nur zwei Principia gewesen,als eines in sich selber die feuernde Welt und das ander auch in sich selber dieLicht-flammende Welt, da sie doch auch nicht getrennt waren, als das Feuer undLicht nicht getrennt sind und das Licht im Feuer wohnet, dem Feuer unergriffen.

    1-1,8 Und ist uns also zweierlei Geist ineinander zu verstehen, ein feurigernach der Essenz der herben und strengen Natur, aus dem hitzigen und auchkalten, strengen, essentialischen Feuer, welcher fr Gottes Zorn-Geist und Qualerkannt wird, und gehret zu des Vaters Eigenschaft, nach welchem er sich

    einen zornigen eiferigen Gott und ein verzehrend Feuer nennet, in welchem daserste Principium verstanden wird. Und dann ein sanfter Licht-flammender Geist,welcher von Ewigkeit im Centro des Lichts seine Verwandelung empfhet, denn

    = 21 =

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    er ist im ersten Principio in des Vaters Eigenschaft ein feuernder Geist und imandern Principio im Licht ein Lichtflammender Geist, welcher von Ewigkeitsich so gebieret, und ist nur der eine und nicht zwei, wird aber in zweierlei Qualverstanden als in Feuer und Licht nach jeder Qual Eigenschaft, wie uns solches

    an jedem uerlichen Feuer ge nug zu verstehen ist, da des Feuers Qual einengrimmigen Geist gibt, der verzehrend ist, und des Lichtes Qual einen sanftenlieblichen Luft-Geist, und ist urstndlich doch nur ein Geist.

    1-1,9 Also imgleichen ist uns nachzusinnen dem Wesen der Ewigkeit als derHl. Dreifaltigkeit, welche wir im Lichte der Majestt fr die Gottheit erkennenund im Feuer fr die ewige Natur, wie solches in den andern Schriften genugerklret worden. Denn der allmchtige Geist Gottes mit beiden Prinzipien istvon Ewigkeit selber alles gewesen. Es ist nichts von ihm. Er ist selber der Grundund Ungrund, und wird doch das hl. gttliche Wesen vornehmlich als ein einiges

    Wesen in sich selber erkannt, und wohnet auer der feuernden Natur undEigenschaft in des Lichtes Eigenschaft und wird Gott genannt. Nicht von desFeuers Eigenschaft, sondern von des Lichts Eigenschaft, wiewohl die beidenEigenschaften ungetrennt sind. Als wir solches an dieser Welt verstehen, da einverborgen Feuer in der Tiefe der Natur und in allem Wesen verborgen lieget,sonst mchte kein uerlich Feuer hervorgebracht werden, und sehen, wie dieSanftmut des Wassers dasselbe verborgene Feuer in sich gefangen hlt, da essich nicht knne erffnen, denn es ist gleichwie verschlungen im Wasser, und istdoch, aber nicht substantialisch, sondern essentialisch, und wird im Erwecken

    erkannt und qualifizierend gemacht; und wre alles Nichts und Ungrund ohneFeuer.

    1-1,10 Also verstehen wir auch, da das dritte Principium als die Qual und derGeist dieser Welt sei von Ewigkeit in der ewigen Natur des Vaters Eigenschaftverborgen gestanden und vom Licht Geist in der heiligen Magia als in GottesWeisheit in der gttlichen Tinktur erkannt worden; um welches willen sich dieGottheit nach der Natur der Gebrerin beweget und das groe Mysteriumerboren, darinnen dann alles gelegen, was die ewige Natur vermag. Und ist nurein Mysterium gewesen und hat keinem Geschpf gleich gesehen, sondern ist

    als ein Gestbe untereinander gewesen, da die grimmige Natur hat ein finsterGestbe (Sturm, Wirbel) geboren und die Licht-flammende Natur in seinerEigenschaft Flammen in der Majestt und Sanftmut, welches der Wasserquellund Ursache der gttlichen Wesenheit ist von Ewigkeit gewesen. Und ist nurKraft und Geist, welches keinem gleich gewesen ist, und ist auch darinnennichts gespret worden als der Geist Gottes in zweierlei Qual und Gestalt, alshitzige und kalte strenge Feuersqual und dann der snftliche Liebesqual nach derArt des Feuers und Lichtes.

    1-1,11 Dieses ist als ein Mysterium ineinandergegangen und hat doch eines

    das andere nicht ergriffen, sondern ist gleich wohl in zwei Prinzipien gestanden,da dann die Herbigkeit als der Vater der Natur immer die Wesenheit imMysterio ergrif fen, da sich es denn gleich als in einem Bildnis hat formieret,

    = 22 =

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    und ist doch kein Bildnis gewesen, sondern gleich einem Schatten eines Bildes.Solches als im Mysterio hat zwar wohl also einen ewigen Anfang immer gehabt,da man nicht sagen kann, es sei etwas worden, das nicht seine Figur als einenSchatten in der groen ewigen Magia gehabt htte. Aber es ist kein Wesen

    gewesen, sondern ein geistlich Spiel ineinander, und ist die Magia der groenWunder Gottes, da immer worden ist, da nichts war als nur ein Ungrund. Das istin des Feuers und Lichtes Natur in Grund kommen, und ist doch aus nichts alsaus dem Geiste der Qual, welcher auch kein Wesen ist, sondern eine Qual,welches sich in sich selber in zweien Eigenschaften gebieret, auch selber in zweiPrincipia scheidet.

    Sie hat keinen Scheider noch Macher, auch keine Ursache zu seinemSelbstmachen, sondern ist selbst die Ursach, als solches ausfhrlich in andernSchriften gemeldet worden, wie der Ungrund sich selber in Grund fhre und

    gebre.1-1,12 Also ist uns nun erkenntlich die Schpfung dieser Welt, sowohl dieSchpfung der Engel und auch des Menschen und aller Kreaturen. Es ist allesaus dem groen Mysterio geschaffen worden, denn das dritte Principium ist vorGott als eine Magia gestanden und ist nicht ganz offenbar gewesen. So hat Gottauch kein Gleichnis gehabt, da er htte mgen sein eigen Wesen erblicken alsnur die Weisheit. Das ist seine Lust gewesen und ist in seinem Willen mitseinem Geiste als ein gro Wunder in der Licht-flammenden gttlichen Magiavom Geiste Gottes dagestanden. Denn es ist des Geistes Gottes Wohnhaus

    gewesen und sie ist keine Gebrerin gewesen, sondern die Offenbarung Gottes,eine Jungfrau und eine Ursache der gttlichen Wesenheit, denn in ihr ist dieLicht-flammende gttliche Tinktur zum Herzen Gottes gestanden als zum Wortedes Lebens der Gottheit, und ist die Offenbarung der hl. Dreifaltigkeit gewesen.

    Nicht da sie aus ihrem Vermgen und Gebren Gott offenbarete, sondern dasgttliche Centrum als Gottes Herz oder Wesen offenbaret sich in ihr. Sie ist alsein Spiegel der Gottheit, denn ein jeder hlt stille, und gebieret kein Bildnis,sondern er empfngt das Bildnis. Also ist diese Jungfrau der Weisheit einSpiegel der Gottheit, darin der Geist Gottes sich selber siehet, sowohl alle

    Wunder der Magiae, welche mit der Schpfung des dritten Principii sind insWesen kommen und ist alles aus dem groen Mysterio geschaffen worden. Unddiese Jungfrau der Weisheit Gottes ist im Mysterio gestanden und in ihr hat derGeist Gottes die Formungen der Kreaturen erblicket. Denn sie ist dasAusgesprochene, was Gott der Vater aus seinem Centro der Licht-flammendengttlichen Eigenschaft aus seines Herzens Centro, aus dem Worte der Gottheit,mit dem Hl. Geiste ausspricht. Sie stehet vor der Gottheit als ein Glanz oderSpiegel der Gottheit, da sich die Gottheit inne siehet, und in ihr stehen diegttlichen Freudenreiche des gttlichen Willens als die groen Wunder der

    Ewigkeit, welche weder Anfang noch Ende noch Zahl haben. Sondern es istalles ein ewiger Anfang und ein ewiges Ende, und gleichet zusammen einem

    = 23 =

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    Auge, das da siehet, da doch im Sehen nichts ist und das Sehen doch aus desFeuers und Lichts Essenz urstndet.

    1-1,13 Also versteht in des Feuers Essenz des Vaters Eigenschaft und daserste Principium und in des Lichts Qual und Eigenschaft des Sohns Natur als das

    ander Principium, und den fhrenden Geist aus beiden Eigenschaften verstehetfr den Geist Gottes, welcher im ersten Principium grimmig, streng, herbe,

    bitter, kalt und feurig ist, und ist der treibende Geist im Zorne. Und darumsuchet er nicht im Zorne und im Grimme, sondern ist ausgehend und dasessentialische Feuer aufblasend, indem er sich in die Essenz des Feuers wiedereineignet. Denn die grimmigen Essentien ziehen ihn wieder in sich, denn er istihre Qual und Leben und gehet aber im angezndeten Feuer im Lichte vomVater und Sohne aus, und erffnet die feurigen Essentien in des Lichtes Qual, dadenn die feurigen Essentien in groer Begierde der Liebe brennen und die ernste

    strenge Qual in des Lichts Qual nicht erkannt wird, sondern die Feuers-Strengheit ist nur also eine Ursache der Licht-flammenden Majestt und derbegehrenden Liebe.

    1-1,14 Und also ist uns zu verstehen das Wesen der Gottheit und dann derewigen Natur, und verstehen allewege das gttliche Wesen im Lichte derMajestt. Denn das sanfte Licht machet des Vaters strenge Natur sanft, lieblichund barmherzig, und wird ein Vater der Barmherzigkeit nach seinem Herzenoder Sohne genannt. Denn des Vaters Eigenschaft steht im Feuer und im Lichteund ist selber das Wesen aller Wesen. Er ist der Ungrund und Grund und teilet

    sich in der ewigen Geburt in drei Eigenschaften als in drei Personen, auch indrei Principia, da ihr doch in der Ewigkeit nur zwei im Wesen sind und dasdritte als ein Spiegel der ersten beiden ist, aus welchem diese Welt als eingreiflich Wesen in Anfang und Ende geschaffen ist.

    2. Kapitel - Offenbarung der Gottheit durch die Schpfung der

    Engel und Menschen aus gttlicher Essenz

    1-2,1 So denn also ein Mysterium ist von Ewigkeit gewesen, so ist uns jetztseine Offenbarung zu betrachten; denn wir knnen von der Ewigkeit andersnicht reden als von einem Geist, denn es ist alles nur Geist gewesen und hat sichdoch von Ewigkeit im Wesen geboren, und solches durch Begehren und Lust;und knnen durchaus nicht sagen, da in der Ewigkeit nicht sei Wesen gewesen,denn kein Feuer bestehet ohne Wesen. So ist keine Sanftmut ohne Gebren desWesens, denn die Snfte gebieret Wasser, und das Feuer schlinget das in sichund machts in sich seinesteils zum Himmel und Firmament und das andere Teilzu Sulphur2 (hier: feuertragende Substanz), in welchem der Feuergeist mit

    seinem essentialischen Rade einen Mercurium machet und fort den Vulkanumerwecket das ist: das Feuer aufschlget da der dritte Spiritus als Luftgeboren wird, da dann die edle Tinktur im Gleichgewicht stehet als ein Glanz

    = 24 =

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    mit den Farben, und urstndet von der Weisheit Gottes, denn die Farbenurstnden von der Qual. Eine jede Farbe stehet mit ihrer Wesenheit in derSanftmut des Wasserquelles, ausgenommen die Schwarze nicht; die hat ihrenUrstand aus der herben Grimmigkeit. Sie empfahen alle ihre Farben von der

    Qual.1-2,2 So lstert (tendiert) nun je eine Gestalt nach der andern. Und von der

    begehrenden Lust wird eine Gestalt von der andern schwanger und bringet einedie andere zum Wesen, da also die Ewigkeit in einer immerwhrenden Magiastehet, da die Natur im Wachsen und Ringen stehet, und das Feuer verzehret dasund gibts auch. Und ist also ein ewig Band, allein das Licht der Majestt undDreiheit Gottes ist unwandelbar, denn das Feuer mag das nicht ergreifen, undwohnet frei in sich.

    1-2,3 Und ist uns doch erkenntlich und findlich, da das Licht der Liebe

    begehrend sei, als nmlich der Wunder und Figuren in der Weisheit, in welchemBegehren diese Welt als sein Model (Form) ist von Ewigkeit in der Weisheit inder tiefen verborgenen Magia (Geheimniszustand) Gottes erkannt worden, denndas Begehren der Liebe forscht im Grund und Ungrund. Allda hat sich auch vonEwigkeit mit eingemischet das Begehren des Grimmes und herben strengenQuals in des Vaters Natur und Eigenschaft, und ist also das Bildnis der Engelund Menschen von Ewigkeit in der gttlichen Eigenschaft in Gottes Weisheiterblicket worden, sowohl auch in des Grimmes Eigenschaft die Teufel abernicht in der heiligen lichtflammenden Eigenschaft aber in keinem Bilde noch

    Wesen, sondern nach Art, als sich im tiefen Sinn ein Gedanke entspinnet undvor seinen eigenen Spiegel des Gemts fhret, da in das Gemt oft ein Dingscheinet, das nicht im Wesen ist.

    1-2,4 Also haben die zwei Gebrerinnen als des Grimmes im Feuer und danndie Liebe im Licht ihr Model in die Weisheit gestellet, da dann das Herze Gottesin der Liebe gelstet, dieses Model in ein engelisches Bildnis zu schaffen ausgttlicher Wesenheit, da sie wren ein Gleichnis und Bild der Gottheit undwohneten in der Weisheit Gottes, zu erfllen die Lust der Gottheit und zurewigen Freude der gttlichen Freudenreich.

    1-2,5 Und ist uns jetzt also zu vernehmen und zu entsinnen das Verbum Fiat(das Wort "Es werde") das sie gefasset und eine Substanz und krperlich Wesengebracht hat, denn der Wille zu diesem Bildnis ist aus dem Vater, aus des VatersEigenschaft im Worte oder Herzen Gottes von Ewigkeit entstanden als ein

    begehrender Wille zur Kreatur und zur Offenbarung der Gottheit. Weil er sichaber von Ewigkeit nicht beweget hat bis auf die Schpfung der Engel, so istauch keine Schpfung geschehen bis zur Engel-Schpfung; dazu wir dann denGrund und Ursachen nicht sollen wissen und es Gott seiner Macht vorbehaltenhat, wie es gewesen sei, da sich Gott einst beweget hat, zumal er doch ein

    unwandelbarer Gott ist, sollen auch allhier weiter nicht grnden, denn diesverwirrt uns.

    = 25 =

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    1-2,6 Allein von der Schpfung haben wir Macht zu reden, denn sie ist einWerk im Wesen Gottes, und verstehen, da des Worts oder Herzens GottesWille habe das herbe Fiat im Centro des Vaters Natur mit seinen sieben Geisternund Gestalten der ewigen Natur ergriffen und solches in des Thrones Gestalt; da

    denn das herbe Fiat nicht als ein Macher, sondern als ein Schaffer in jederEssentien Eigenschaft gestanden als in den groen Wundern der Weisheit. Wiedie Figuren waren von Ewigkeit in der Weisheit erblicket worden, also wurdensie auch jetzt mit dem Fiat im Willen-Geiste Gottes ergriffen, nicht aus fremderMateria, sondern aus Gottes Essenz, aus des Vaters Natur. Und wurden mitGottes Willen-Geist ins Licht der Majestt Gottes eingefhret, da sie dennKinder Gottes und nicht fremde Gste waren, erboren und erschaffen aus derVaters Natur und Eigenschaft. Und ihr Willen-Geist ward gerichtet in desSohnes Natur und Eigenschaft. Sie sollten und konnten essen von Gottes Liebe-Wesenheit im Lichte der Majestt, da dann ihre grimme Eigenschaft aus desVaters Natur in Liebe und Freude verwandelt war. Welches sie auch alle taten,

    bis auf einen Thron und Knigreich, das wandte sich vom Lichte der Liebe undwollte in der strengen Feuers-Natur ber Gottes Sanftmut und Liebe herrschen;und ward darum aus des Vaters Eigenschaft aus seinem kreatrlichen eigenenLoco (Ort) getrieben in die ewige Finsternis, in den Abgrund des strengen Fiat.Da mu es in seiner Ewigkeit stehen, und ist also der Grimm der ewigen Naturauch allhier erfllet worden.

    1-2,7 Ist uns aber nicht also zu gedenken, da Knig Luzifer nicht htte

    knnen bestehen, er htte das Licht der Majestt sowohl vor sich als die anderenThronengel. So er htte darein imaginieret,* wre er ein Engel blieben, aber erzog sich selber aus Gottes Liebe in Zorn. Also ist er nun ein Feind der LiebeGottes und aller heiligen Engel.

    *) Wenn er sich darauf konzentriert htte

    1-2,8 Weiter ist uns allhier zu betrachten die feindliche Anzndung derverstoenen Geister, als sie noch in des Vaters Eigenschaft waren, wie sie inihrer Imagination (Bestreben) haben die Natur der Wesenheit entzndet, da ausder himmlischen Wesenheit sind Erde und Steine worden und des Wassers

    sanfter Geist im Feuers-Qual zum brennenden Firmament, darauf dann dieSchpfung dieser Welt als des dritten Principii ist erfolget. Und ward dem Locodieser Welt ein ander Licht erwecket, nmlich die Sonne, da also dem Teufelseine Pracht entzogen ward. Und er ward als ein Gefangener zwischen Gottesund dieser Welt Reich in die Finsternis eingeschlossen, da er dann in dieser Weltnicht weiter zu herrschen hat, als nur in der Turba, im Grimm und Zorn Gottes,wo er erwecket wird. Da ist er Scharfrichter und ist ein steter Lgner,Verleumder und Betrger der Kreaturen. Er wendet alles Gute in Bses, soweitihm nur Raum gelassen wird. Was schrecklich und prchtig ist, da erzeiget er

    seine Macht und will stets ber Gott sein. Aber der Himmel, der aus dem Mitteldes Wassers ist erschaffen als ein sanftes Firmament, leget ihm die Pracht, daer nicht Grofrst in dieser Welt ist, sondern Zornfrst.

    = 26 =

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    1-2,9 Weil dann der Teufel aus seinem Loco ausgestoen ward, so stunddieser Locus oder Thron ohne sein Engelsheer in groem Begehren nach seinemFrsten, aber er war ausgestoen. Jetzt schuf ihm Gott einen andern Frsten, denAdam und ersten Menschen, welcher auch ein Thronfrst vor Gott war, und ist

    uns allhier seine Schpfung recht zu betrachten, sowohl auch sein Fall, umwelches willen sich das Herze Gottes (Christus) bewegte und Mensch ward.

    1-2,10 Es ist nicht also ein schlecht Ding oder Wesen mit der Schpfung desMenschen, um welches Falls willen Gott Mensch ward, da er ihm wieder hlfe.So ist sein Fall auch nicht ein bloer Apfelbi. Auch ist seine Schpfung nichtdermaen getan, wie die uere Vernunft meinet, da sie den ersten Adam inseiner Schpfung nur fr einen bloen Erdenklo verstehet. Nein, mein liebesGemte, Gott ist nicht um eines Erdenkloes willen Mensch worden. Auch sowar es nicht blo um einen Ungehorsam zu tun, darber Gott also zrne, da

    sein Zorn nicht htte mgen vershnet werden, er rchte sich denn an GottesSohne und mordete den.

    1-2,11 Uns Menschen nach Verlierung unserer paradeisischen Bildnis istdieses zwar ein Mysterium und verborgen blieben, ausgenommen etlichen,welche das himmlische Mysterium wieder erreichet haben, denen ist etwa nachdem innern Menschen davon erffnet worden. Denn wir sind dem Paradeis inAdam abgestorben und mssen durch den Tod und Verwesung des Leibes imParadeis als in einer andern Welt, im Leben Gottes in der himmlischenWesenheit und Leiblichkeit wieder ausgrnen (erneuert werden). Und ob es

    gleich etlichen ist, da sie haben Gottes Wesenheit als Christi Leib wieder an dieSeele bekommen, so hat doch der verderbte irdische Adam das hei lige und reineMysterium verdecket, da also die groe Heimlichkeit ist der Vernunftverborgen blieben. Denn Gott wohnet nicht in dieser Welt im uern Principio,sondern im innern. Wohl wohnet er im Loco dieser Welt, aber diese Weltergreifet ihn nicht. Wie wollte denn der irdische Mensch Gottes Geheimnisseergreifen? Und ob es ein Mensch ergriffe, so ergreift ers nach dem innernMenschen, welcher wieder aus Gott geboren ist.

    1-2,12 Weil aber das gttliche Mysterium sich auch nunmehr will also gar

    entblen und dem Menschen also ganz begreiflich gegeben wird, da er dieVerborgenheit ganz helle begreift, so ist dem wohl nachzusinnen, was das

    bedeute, anders nichts als die Einernte dieser Welt. Denn der Anfang hat dasEnde funden und das Mittel wird in die Scheidung gestellet. Lassets euchgesaget sein, ihr Kinder, die ihr wollet Gottes Reich erben. Es ist eine Zeitgroes Ernsts vorhanden. Die Tenne soll gefeget werden. Bs und Gut sollvoneinander geschieden werden; der Tag bricht an, es wird hoch erkannt!

    1-2,13 Wenn wir wollen vom Menschen reden und den recht verstehen,woraus er gemacht ist worden, so mssen wir ja die Gottheit mit dem Wesen

    aller Wesen betrachten, denn der Mensch ward nach Gottes Gleichnis aus allendrei Prinzipien erschaffen, ein ganzes Bild und Gleichnis nach allem Wesen.

    Nicht sollte er allein ein Bildnis dieser Welt sein, denn dieser Welt Bildnis ist= 27 =

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    tierisch, und um keiner tierischen Bildnis willen ist Gott Mensch. Denn Gottschuf auch den Menschen nicht also in tierischer Eigenschaft zu leben als wir

    jetzt nach dem Fall leben, sondern ins Paradeis, ins ewige Leben. Der Menschhatte kein solch tierisch Fleisch, sondern himmlisch Fleisch. Aber im Fall ward

    es irdisch und tierisch, und auch nicht in der Meinung zu verstehen, da ernichts von dieser Welt htte an sich gehabt. Er hat dieser Welt Reich undRegiment an sich gehabt, aber in ihm regierten nicht die vier Elementa, sonderndie vier Elementa waren in einem, und lag das irdische Regiment in ihmverborgen. Er sollte in himmlischer Qual leben. Und ob gleich alles rege in ihmwar, sollte er doch mit der himmlischen Qual des andern Principii ber dieirdische herrschen und das Reich und die Qual der Sternen und Elementen sollteunter der paradeisischen Qual sein. Keine Hitze noch Frost, keine Krankheitnoch Unfall, auch keine Furcht sollte ihn rhren noch schrecken. Sein Leibkonnte durch Erden und Steine gehen, ohne eines zu zerbrechen; denn das wrekein ewiger Mensch, den die Irdigkeit knnte bndigen, der zerbrechlich wre.

    1-2,14 Darum sollen wir den Menschen recht betrachten; es heiet nichtsophistizieren oder whnen, sondern im Geiste Gottes erkennen und wissen. Esheiet: Ihr msset wieder neugeboren werden, wollt ihr wieder das Reich Gottesschauen, daraus ihr gegangen seid. Nicht tuts Kunst, sondern Gottes Geist, derdem Menschenbilde die Himmelstr aufschliet, da er mit dreien Augen sehe.Denn der Mensch stehet in einem dreifachen Leben, ist er doch Gottes Kind; wonicht, so stehet er nur in einem zweifachen. Und ist uns genug erkenntlich, da

    Adam ist mit dem rechten hl. Bildnis, welches das Gleichnis nach der Hl.Dreifaltigkeit war, aus dem gttlichen Wesen ausgegangen und in die Irdigkeitimaginieret und das irdische Reich in das gttliche Bildnis eingefhret, dieverderbet und finster gemacht hat. Darum wir denn auch unser paradeisischesSehen verloren. Auch hat uns Gott das Paradeis entzogen, da wir dann matt,schwach und ohnmchtig worden und uns gleichzeitig die vier Elementa mitdem Gestirne in uns mchtig worden, also da wir denselben sind mit Adamheimgefallen. Welches auch die Ursache des Weibs ist, da Gott den Adamzerteilte, als er nicht bestehen konnte und in zwei Tinkturen (Prinzipien,Geschlechter) stellte, als nach dem Feuer und Wasser, wie hernach soll gemeldetwerden, da eine gibt Seele und die andere Geist. Und ist nach dem Fall eintierisch Wesen mit dem Menschen worden, der sich nach tierischer Eigenschaftfortpflanzen mu, da ihm der Himmel und Paradeis wohl die Gottheit einMysterium ward, und da doch das Ewige im Menschen blieb als die edle Seele,aber mit einem irdischen Kleide verdecket, verfinstert und mit irdischer Qualinfizieret, durch falsche Imagination vergiftet, da sie nicht mehr fr GottesKind erkannt ward, um welcher willen Gott Mensch ward, da er sie von derfinstern Irdigkeit wieder erlsete und wieder in himmlische Wesenheit in ChristiFleisch und Blut, welches den Himmel erfllet, einfhrete.

    = 28 =

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    3. Kapitel - Die Pforte der Schpfung des Menschen

    1-3,1 Wiewohl wir dieses in den andern Bchern fast genug erklret, so hatsie doch nicht ein jeder in der Hand. So tut not eine kurze, runde Beschreibung

    von der Schpfung des Menschen, damit die Menschwerdung Christi hernachmchte besser verstanden werden, auch um der Person willen, die demMenschen in seinem Suchen noch immer mehr zufallen, gegeben und erffnetwerden, welches mir denn eine besondere Freude gibt, mich also mit Gott zuergtzen.

    1-3,2 Die Schpfung des Menchen ist in allen dreien Prinzipien geschehenals in des Vaters ewiger Natur und Eigenschaft und in des Sohnes ewiger Naturund Eigenschaft und in dieser Welt Natur und Eigenschaft. Und ist demMenschen, welchen das Verbum Fiat schuf, der dreifache Geist zu seinem

    Leben aus dreien Prinzipien und Quellen eingeblasen worden als von einemdreifachen Fiat ist er geschaffen, versteht: die Leiblichkeit und Wesenheit. Undder Wille des Herzens Gottes hat ihm den Geist nach allen dreien Prinzipieneingefhret. Das verstehet also:

    1-3,3 Der Mensch war ganz zu Gottes Gleichnis geschaffen. Gott offenbartesich in der Menschheit in einem Bilde, das sollte sein wie er selber. Denn Gottist alles und von ihm ist alles herkommen, und wird darum nicht alles Gottgenannt, wegen des, da nicht alles gut ist. Denn was die pure Gottheit antrifft,so ist Gott ein Licht-flammender Geist und wohnet in nichts als nur in sich

    selber; sein ist nichts gleich. Was aber antrifft des Feuers Eigenschaft, darausdas Licht erboren wird, erkennen wir des Feuers Eigenschaft fr Natur, welcheeine Ursache des Lebens, Bewegens und Geistes ist, sonst wre kein Geist, keinLicht, auch kein Wesen, sondern eine ewige Stille, weder Farben noch Tugend,sondern wre ein Ungrund ohne Wesen.

    1-3,4 Und wiewohl das Licht der Majestt im Ungrunde wohnet und von derfeuernden Natur und Eigenschaft nicht ergriffen ist, denn es ist uns mit demFeuer und Lichte also zu ersinnen: Das Feuer hat und machet erschreckliche undverzehrende Qual. Nun ist in der Qual ein Ersinken gleich einem Sterben und

    sich Frei-Ergeben, und dasselbe Frei-Ergeben fllet in die Freiheit auer derQual als in Tod, und ist doch kein Tod, sondern es gehet also einen Grad tieferin sich hinein und wird von der Qual des Feuers angstfrei, und hat doch dieSchrfe des Feuers, aber nicht in der Angst, sondern in der Freiheit.

    1-3,5 Jetzt ist die Freiheit und der Ungrund ein Leben, und wird in sich einLicht, denn sie kriegt den Blitz der Angstqual und wird begehrend, nmlich derWesenheit. Und das Begehren schwngert sich selber mit Wesenheit aus derFreiheit und Sanftmut. Denn was der Angstqual ersinket oder entwird, das freuetsich, da es von der Angst frei ist, und zeucht die Freude in sich und gehet mitseinem Willen aus sich, welches der Freuden Geist und Leben ist, dazu wirallhie eine engelische Zunge bedrften, aber dem Gott-liebenden Leser hier mit

    = 29 =

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    eine kurze Andeutung nachzusinnen geben wollen, die himmlische Wesenheitzu verstehen.

    1-3,6 Denn in Gott ist alles Kraft, Geist und Leben. Was aber Wesen ist, dasist nicht Geist, sondern was vom Feuer ersinket als in Ohnmacht, das ist Wesen.

    Denn der Geist urstndet im Feuer, und scheidet sich aber in zwo Qualen,nmlich eine im Ersinken in die Freiheit, im Lichte. Diese heit Gott, denn sieist sanft und lieblich und hat in sich die Freudenreich, und wird die engelischeWelt in der ersunkenen Freiheit der Wesenheit verstanden.

    1-3,7 Darum, da wir waren aus der Freiheit der englischen Welt ausgegangenin die finstere Qual, welcher Abgrund das Feuer war, so war uns kein Rat, eswrde denn des Lichts Kraft und Wort als ein Wort des gttlichen Lebens einMensch und fhrete uns aus der Finsternis durch des Feuers Qual durch den Todim Feuer in die Freiheit des gttlichen Lebens in die gttliche Wesenheit wieder

    ein. Darum mute Christus sterben und mit dem Seelen-Geiste durchs Feuer derewigen Natur als durch die Hlle und Grimm der ewigen Natur in die gttlicheWesenheit eingehen und unserer Seelen eine Bahn durch den Tod und Zorn

    brechen, darauf wir mit und in ihm knnten durch den Tod ins ewige gttlicheLeben eingehen.

    1-3,8 Aber von der gttlichen Wesenheit als von der gttlichen Leiblichkeitist uns also zu verstehen: Das Licht gibt Sanftmut als eine Liebe. Nun begehretdes Feuers Angst Sanftmut, da es seinen groen Durst mge stillen, denn dasFeuer ist begehrend und die Sanftmut ist gebend, denn sie gibt sich selber. Alsowird im Begehren der Sanftmut Wesen als eine substantialische Wesenheit,welche dem Grimm entsunken (entflohen) ist, die ihr eigen Leben freigibt; dasist Leiblichkeit. Denn sie wird aus der Kraft in der Sanftmut substantialisch undwird von der Herbigkeit als vom ewigen Fiat angezogen und gehalten; und wirddarum Wesenheit oder Leiblichkeit genannt, da es dem Feuer-Qual und Geisteersunken ist, und ist gegen den Geist als stumm, tot und ohnmchtig, da sie dochein essentialisch Leben ist.

    1-3,9 Also sollet ihr uns recht verstehen: Als Gott die Engel schuf, waren nurzwei Principia offenbar und im Wesen, als das im Feuer und Licht als mitgrimmiger Wesenheit im strengen, herben Fiat mit den Gestalten der Feuers-

    Natur und dann mit himmlischer Wesenheit aus heiliger Kraft mit dem Wasser-Quall der Sanftmut des Freudenlebens, in welchem gttlicher Sulphur (gttlicheWesenhaftigkeit) als in der Liebe und Sanftmut erboren war. Sein Fiat warGottes begehrender Wille.

    1-3,10 Aus dieser gttlichen Wesenheit als aus Gottes Natur wurden die Engelals Kreaturen erschaffen; und ihr Geist oder Lebens-Qual urstndet im Feuer,denn ohne Feuer bestehet kein Geist. Er ging aber aus dem Feuer ins Licht.

    Allda kriegte er der Liebe Qual und war das Feuer nur eine Ursache seinesLebens, aber des Feuers Grimm ward mit der Liebe im Lichte gelschet.

    = 30 =

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    1-3,11 Dieses verachtete Luzifer und blieb ein Feuergeist. Also erhub er sichauch und zndete in seinem Loco (Ort) die Wesenheit an, daraus ist Erde undSteine worden, und ward ausgestoen, und ging also jetzt die dritte Leiblichkeitund das dritte Principium an mit dem Reiche dieser Welt.

    1-3,12 So dann der Teufel daraus in die Finsternis gestoen ward, so schufGott ein ander Bild nach seinem Gleichnis in diesen Locum. Sollte es aberGottes Gleichnis nach allen dreien Prinzipien sein, so mute es auch aus allendreien genommen sein. Und aus allem Wesen dieses Orts oder dieser Tiefe, alsoweit sich das Fiat mit Luzifers Frstenthron hatte in den ther zur Schpfungeingegeben. Denn der Mensch kam an Luzifers Stelle, und daher urstndet auchder groe Neid der Teufel, da sie dem Menschen nicht die Ehre gnnen,sondern fhren ihn immer den bsen verderbten Weg, damit sie nur ihr Reichmehren, und tun solches der Sanftmut als Gottes Liebe zum Trotze, vermeinen

    noch, whrend sie im Grimm der starken Macht leben, sie sind hher als GottesGeist in der Liebe und Sanftmut.

    1-3,13 Also, verstehet, hat Gottes Willen-Geist als der Hl. Geist das zweifacheFiat gefasset in zweien Principiis als in der engelischen Welt das Innere unddann in dieser uern Welt das uere und den Mesch oder Menschengeschaffen als eine vermischete Person, denn er sollte sein ein Bild nach derinnern und uern Welt, sollte aber mit der innern Qual ber die uereherrschen, also wre er Gottes Gleichnis gewesen. Denn die uere Wesenheithing an der innern und grnete das Paradeis durch die Erde und war der Mensch

    in dieser Welt auf dem Erdboden im Paradeis. Denn es wuchs ihm auchparadeisische Frucht bis auf den Fall, da der Herr die Erde verfluchete, so tratdas Paradeis ins Mysterium und ward dem Menschen ein Mysterium oderGeheimnis, da er zwar, so er aus Gott wiedergeboren wird nach dem innernMenschen, im Paradeis wohnet, aber nach dem uern in dieser Welt.

    1-3,14 Also ist uns ferner zu betrachten des Menschen Ankunft und Urstand:Gott hat seinen Leib geschaffen aus der Erden Matrice (Mutterscho), daraus dieErde geschaffen ward. Es war alles untereinander und teilete sich doch in dreiPrincipia dreierlei Wesenheit, und ward doch die im Grimme nicht erkannt.

    Wre nur Adam in der Unschuld blieben, er htte die ganze Zeit dieser Welt inzweien Prinzipien nur gelebet und htte mit einem geherrschet ber alles, undwre das grimme Reich an ihm nie erkannt noch offenbar worden, ob er dasgleich an sich hatte.

    1-3,15 Und ist uns weiter zu verstehen, da Adams Leib ist aus dem InnernElement, da das innere Firmament und Himmel mit den himmlischen Essentieninne lieget, auf einem Teil mit dem innern Fiat geschaffen worden. Denn in derErden Matrice stund das untereinander. Das Paradeis war darinnen und der Leibwar auch ins Paradeis geschaffen. Verstehets recht, er hatte gttliche und auch

    irdische Wesenheit an sich. Aber die irdische war in der gttlichen gleich alsverschlungen oder ohnmchtig. Das Wesen oder Materia, daraus der Leibgemachet oder geschaffen ward, war eine Massa, ein Wasser und Feuer mit der

    = 31 =

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    Essenz beider Prinzipien, wiewohl das erste auch darinnen lag, aber nicht rege(nicht aktiv). Es sollte ein jedes Principium in seinem Sitze bleiben, und solltensich nicht mischen, als in Gott geschiehet, so wre der Mensch ein ganzesGleichnis nach Gottes Wesen gewest.

    Vom Einblasen der Seelen und des Geistes

    1-3,16 Der Leib ist ein Gleichnis nach Gottes Wesenheit, und die Seele undGeist ein Gleichnis nach der Hl. Dreifaltigkeit. Gott gab dem Krper seineWesenheit aus dreien Prinzipien und den Geist mit der Seelen aus demQuellbrunn des dreifachen Geists der allwesenden Gottheit. Und ist uns auchalso zu verstehen, da die Seele mit ihrem Bildnis und mit ihrem uern Geisteaus dreien Prinzipien ist herkommen und dem Leibe eingeblasen und

    eingefhret worden, wie solches auch Moses bezeuget: Gott blies demMenschen ein den lebendigen Odem in seine Nasen; da ward der Mensch einelebendige Seele, Gen. 2,7.

    1-3,17 Nun ist aber der Odem und Geist Gottes dreierlei Qual: Im erstenPrincipio ist er ein Feuerodem oder Geist, welcher die rechte Ursach des Lebensist und stehet in des Vaters Qual als im Centro der grimmigen Natur. Im andernPrincipio ist Gottes Odem oder Geist der Licht-flammende Liebe-Geist als derrechte Geist der wahren Gottheit, der Gott Hl. Geist heiet. Und im drittenPrincipio als im Gleichnis Gottes ist Gottes Odem der Luft-Geist, auf welchem

    der Hl. Geist fhret, wie David saget: Der Herr fhret auf den Fittigen desWindes (Psalm 104,3). Und Moses saget: Der Geist Gottes schwebet auf demWasser, auf der Capsula (Behlter), da die Luft urstndet, Gen. 1,2.

    1-3,18 Nun diesen dreifachen Geist hat der ganze Gott aus allen dreienPrinzipien in das geschaffene Bildnis eingeblasen und eingefhret, als erstlichden Feuer-Geist. Den hat er ihm von innen eingefhret und nicht zur Nase,sondern ins Herze, in die zweifache Tinktur des innern und uern Bluts,wiewohl das uere nicht erkannt war, sondern war Mysterium. Aber das innerewar rege und hatte zwei Tinkturen, die erste aus dem Feuer, die ander aus dem

    Lichte. Dieser Feuer-Geist ist die rechte essentialische Seele, denn sie hatCentrum naturae mit seinen vier Gestalten zur Feuersmacht. Sie schlget ihrselber das Feuer auf und machet selbst das Rad der Essentien, wie im andernund dritten Buche nach der Lnge gemeldet worden.*

    *) Jakob Bhme: De tribus principiis (1619); Vom dreifachen Leben des Menschen (1620).

    1-3,19 Und sollt wissen, da das essentialische Seelenfeuer nicht das rechteBildnis nach der Gottheit ist. Es ist kein Bildnis, sondern ein magischewigwhrend Feuer. Es hat nie einen Anfang gehabt, wird auch kein Endehaben. Und verstehet, da Gott das ewige unanfngliche Feuer, welches vonEwigkeit in sich selber in der ewigen Magia als in Gottes Willen im Begehren

    = 32 =

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    der ewigen Natur als ein ewig Centrum der Gebrerin ist gewesen, eingefhrethat. Denn dies Bildnis sollte ein Gleichnis nach ihm sein.

    1-3,20 Zum andern hat ihm zugleich mit dem essentialischen Seelenfeuer derHl. Geist den Licht-flammenden Liebe-Geist aus sich selber eingefhret, auch

    eben nur im andern Principio, darinnen die Gottheit verstanden wird, nicht zurNase ein, sondern wie Feuer und Licht aneinanderhanget und eines ist, aber inzwei Quellen, also ward ihm der gute Liebe-Geist mit dem essentialischenFeuer-Geiste eingefhret in sein Herz, und brachte jede Qual seine eigeneTinktur mit als ein eigen Leben; und wird in der Liebe-Tinktur der rechte Geistverstanden, der das Bildnis Gottes ist, der ein Gleichnis ist nach der klaren,wahren Gottheit und dem ganzen Menschen hnlich siehet, auch den ganzenMenschen erfllet, aber in seinem Principio.

    1-3,21 Die Seele, was sie pur alleine antrifft, ist ein Feuerauge oder ein

    Feuerspiegel, darin sich die Gottheit hat geoffenbaret nach dem ersten Principioals nach der Natur. Denn sie ist eine Kreatur, doch in kein Bildnis geschaffen.Aber ihr Bildnis, welches sie aus ihrem Feuerauge im Licht erbieret, das ist dierechte Kreatur, um welcher willen Gott Mensch ward und sie wieder aus demGrimm der ewigen Natur in Ternarium Sanctum* einfhrete.

    *) Hl. Dreifaltigkeit, bzw. dessen Spiegelbild

    1-3,22 Und ist uns ferner also zu verstehen mit der Seelen und ihrem Bildnis:Es ist wohl ein Geist zusammen, aber die Seele ist ein hungerig Feuer und mu

    Wesenheit haben, sonst wird sie ein hungerig finster Tal, als die Teufel solcheworden sind. So machet die Seele Feuer und Leben, und die Sanftmut desBildnisses machet Liebe und himmlische Wesenheit. Also wird das Seelen-Feuer gesnftiget und mit Liebe erfllet, denn das Bildnis hat Wasser aus GottesBrunn, der da quillet ins ewige Leben. Dasselbe ist Liebe und Sanftmut undnimmt es aus Gottes Majestt, als dies im angezndeten Feuer zu sehen, wie dasFeuer in sich einen grimmigen Quall hat und das Licht einen sanften lieblichenQuall, und wie in dieser Tiefe dieser Welt aus Licht und Luft Wasser wird, alsoist dies imgleichen auch.

    1-3,23 Zum dritten hat Gott den Geist dieser Welt mit der Sternen- undElementen-Qual als die Luft und auch zugleich auf einmal dem Menschen inseine Nase eingeblasen. Der sollte ein Regierer im ueren Reiche sein und dieWunder der uern Welt erffnen, zu welchem Ende Gott den Menschen auchins uere Leben schuf. Aber der uere Geist sollte nicht in das Bildnis Gottesgreifen. Auch sollte das Bildnis Gottes nicht den uern Geist in sich zurHerberge einfhren und ber sich herrschen lassen, denn ihre Speise war vonGottes Wort und Kraft. Und der uere Leib hatte paradeisische Speise, nicht imMadensack (vergnglicher physischer Leib) denn er hatte den nicht. Auch hatteer weder mnnliche noch weibliche Gestalt oder Form, denn er war beide undhatte beide Tinkturen als der Seelen und des Seelen-Geists, des Feuers undLichts, und sollte einen andern Menschen aus sich gebren nach seinem

    = 33 =

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    Gleichnis. Er war eine zchtige Jungfrau in reiner Liebe. Er liebete undschwngerte sich selber mit Imagination. Also war auch seine Fortpflanzung. Erwar ein Herr ber Sternen und Elementen, ein Gleichnis nac


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