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Vom GEK zur Cobra...Walter Palmers. Es handelte sich um ei-ne „unpolitische“...

Date post: 12-May-2020
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E s ist der „Herbst des Terrors“: 1977 erschüttert eine Anschlagsse- rie der Roten Armee Fraktion (RAF) die Bundesrepublik Deutsch- land. Prominentestes Opfer ist Arbeit- geberpräsident Dr. Hanns Martin Schleyer, der entführt und später ermor- det wird. Das löst auch in Österreich Nervosität aus. Allen voran Bundes- kanzler Dr. Bruno Kreisky befürchtet ein Übergreifen der Gewalt – weil die Republik auf den Ernstfall schlecht vor- bereitet sei. Österreich verfügt noch über keine Spezialeinheit zur Terror- bekämpfung. Nun kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einer grundlegenden Wende in der Sicherheitspolitik. Am 1. April 1978 nahm das Gendarmerieein- satzkommando (GEK), das heutige Ein- satzkommando Cobra (EKO Cobra), offiziell seine Tätigkeit auf. Die Entstehungsgeschichte des EKO Cobra begann Anfang der 1970er-Jah- re. Am 1. Mai 1973 wurde das Gendar- meriekommando Bad Vöslau (GK Bad Vöslau) eingerichtet. Dessen Zweck war der Schutz jüdischer Auswanderer aus der Sowjetunion, für die Österreich damals die Durchgangsstation nach Is- rael war. Vor allem das „Transitlager“ im Schloss Schönau geriet immer wie- der ins Fadenkreuz arabischer Terroris- ten, die diese „demographische Stär- kung“ Israels unterbinden wollten. Zwi- schen 1970 und 1973 wurden sieben Bombendrohungen, verdächtige Akti- vitäten und Warnungen im Zusammen- hang mit dem „Transitlager“ regis triert. Daraufhin fasste man bestehende Wach- und Begleitschutzeinheiten am 1. Mai 1973 zum GK Bad Vöslau zu- sammen. Die Einheit bestand aus Gen- darmen aus dem gesamten Bundesge- biet, die sich freiwillig meldeten und für drei Monate zugeteilt wurden (oder einer Verlängerung zustimmten). Das GK Bad Vöslau übernahm den Objekt- schutz für Schloss Schönau und die Si- cherung der mit der Bahn anreisenden russischen jüdischen Auswanderer so- wie deren Begleitung zum Flughafen Schwechat. „Kobra, übernehmen Sie.“ Die Me- dien wurden auf das GK Bad Vöslau aufmerksam und bedachten die Truppe mit martialischen Spitznamen. Am 6. Juni 1973 titelte der Redakteur der „Kronen Zeitung“, Hans Peter Ha- senöhrl: „Mit Aktion Kobra gegen den Terror.“ Inspiration war die damals po- puläre US-amerikanische Krimiserie ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 9-10/18 6 SONDEREINHEITEN Vom GEK zur Cobra Vor 40 Jahren wurde das „Gendarmerieeinsatzkommando“ gegründet – als Reaktion auf Terror- anschläge in Europa. Aus ihm ging 2002 das heutige Einsatzkommando Cobra hervor. Kräfte des Gendarmerieeinsatzkommandos: Überwachung von Geldtransporten der Nationalbank. Gendarmerieeinsatzkommando: Einholen der Standarte, Einsatzzüge. FOTOS: EKO COBRA, DIETER NAGL/PICTUREDESK.COM
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Page 1: Vom GEK zur Cobra...Walter Palmers. Es handelte sich um ei-ne „unpolitische“ Geldbeschaffungsak-tion, die innerhalb von knapp 100 Stun-den durch die Übergabe von rund 31 Millionen

Es ist der „Herbst des Terrors“:1977 erschüttert eine Anschlagsse-rie der Roten Armee Fraktion

(RAF) die Bundesrepublik Deutsch-land. Prominentestes Opfer ist Arbeit-geberpräsident Dr. Hanns MartinSchleyer, der entführt und später ermor-det wird. Das löst auch in ÖsterreichNervosität aus. Allen voran Bundes-kanzler Dr. Bruno Kreisky befürchtetein Übergreifen der Gewalt – weil dieRepublik auf den Ernstfall schlecht vor-bereitet sei. Österreich verfügt nochüber keine Spezialeinheit zur Terror-bekämpfung. Nun kommt es innerhalbkurzer Zeit zu einer grundlegendenWende in der Sicherheitspolitik. Am 1.April 1978 nahm das Gendarmerieein-satzkommando (GEK), das heutige Ein-satzkommando Cobra (EKO Cobra),offiziell seine Tätigkeit auf.

Die Entstehungsgeschichte des EKOCobra begann Anfang der 1970er-Jah-re. Am 1. Mai 1973 wurde das Gendar-

meriekommando Bad Vöslau (GK BadVöslau) eingerichtet. Dessen Zweckwar der Schutz jüdischer Auswandereraus der Sowjetunion, für die Österreichdamals die Durchgangsstation nach Is-rael war. Vor allem das „Transitlager“im Schloss Schönau geriet immer wie-der ins Fadenkreuz arabischer Terroris -ten, die diese „demographische Stär-kung“ Israels unterbinden wollten. Zwi-schen 1970 und 1973 wurden siebenBombendrohungen, verdächtige Akti-vitäten und Warnungen im Zusammen-

hang mit dem „Transitlager“ regis triert.Daraufhin fasste man bestehendeWach- und Begleitschutzeinheiten am1. Mai 1973 zum GK Bad Vöslau zu-sammen. Die Einheit bestand aus Gen-darmen aus dem gesamten Bundesge-biet, die sich freiwillig meldeten undfür drei Monate zugeteilt wurden (odereiner Verlängerung zustimmten). DasGK Bad Vöslau übernahm den Objekt-schutz für Schloss Schönau und die Si-cherung der mit der Bahn anreisendenrussischen jüdischen Auswanderer so-wie deren Begleitung zum FlughafenSchwechat.

„Kobra, übernehmen Sie.“ Die Me-dien wurden auf das GK Bad Vöslauaufmerksam und bedachten die Truppemit martialischen Spitznamen. Am 6.Juni 1973 titelte der Redakteur der„Kronen Zeitung“, Hans Peter Ha-senöhrl: „Mit Aktion Kobra gegen denTerror.“ Inspiration war die damals po-puläre US-amerikanische Krimiserie

ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 9-10/186

S O N D E R E I N H E I T E N

Vom GEK zur Cobra Vor 40 Jahren wurde das „Gendarmerieeinsatzkommando“ gegründet – als Reaktion auf Terror -

anschläge in Europa. Aus ihm ging 2002 das heutige Einsatzkommando Cobra hervor.

Kräfte des Gendarmerieeinsatzkommandos: Überwachung von Geldtransporten der Nationalbank.

Gendarmerieeinsatzkommando: Einholen der Standarte, Einsatzzüge. FO

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„Kobra, übernehmen Sie“ (Originalti-tel: „Mission: Impossible“). Die Leutevon der „Kobra“, schrieb Hasenöhrlgemünzt auf das GK Bad Vöslau, seien„Tag und Nacht unterwegs“: „AufKnopfdruck sind die Mannschaftendort, wo sie benötigt werden. DasWichtigste: Das Sonderkommando sollabschreckende Wirkung haben, damitein Angriff der Terroristen von vorn-herein unterbleibt.“ Der Name ist derSondereinheit bis heute erhalten geblie-ben. Dabei hätte sie genauso gut als„Skorpion“ bezeichnet werden können.Das war 1973 der Funkrufname des GKBad Vöslau. Er gefiel Hasenöhrl so gut,dass er ursprünglich schreiben wollte:„Skorpion ist im Einsatz“. Auf Bittedes Kommandanten, der den Funkna-men geheim halten wollte, ließ er da-von ab: „Dann schreibe ich Kobra.“

Gendarmeriebegleitkommando Wien.Am 1. September 1974 übersiedelte die32 Mann starke Truppe unter der neuenBezeichnung „Gendarmeriebegleitkom-mando Wien“ in die Burstyn-Kaserne inZwölfaxing. Zwei Jahre später wurdedie Truppe auf 44 Beamte aufgestockt.Man war weiterhin für den Begleit-schutz der jüdischen Auswandererwährend der Bahnanreise zuständig.Aber das Sonderkommando stand zudiesem Zeitpunkt vor einer ungewissenZukunft. Laut dem langjährigen Kom-mandanten Johannes Pechter war maninnerhalb der Gendarmerie „ein vonnicht allen geliebtes Kind geblieben“. Hauptgrund für den unbefriedigen-

den Zustand war, dass es auf politischerEbene lange Zeit kein Interesse an einerweiteren Aufrüstung bei der inneren Si-cherheit gegeben hatte. Noch im Sep-tember 1975 hatte Innenminister OttoRösch zu Forderungen nach einer „An-

ti-Terrorgruppe“ gesagt, „es gibt erfreu-licherweise keinen Terror in Öster-reich“. Doch wenige Monate später, am21. Dezember 1975, machte sich dasFehlen einer solchen Einheit schmerz-lich bemerkbar: An diesem Tag überfielder berüchtigte Terrorist Carlos dasOPEC-Generalsekretariat in Wien. DreiMenschen starben. Die Geiseln zu be-freien, wurde nicht einmal erwogen.Konsequenzen gab es dennoch keine.Das änderte sich im Herbst 1977: Wieaus den persönlichen Aufzeichnungenvon Handels-, Gewerbe- und Industrie-minister Dr. Josef Staribacher hervor-geht, erwartete Kreisky schon kurz nachSchleyers Entführung, am 12. Septem-ber 1977, „dass die Presse mich fragt,wie es jetzt in Österreich mit dem Ter-rorismus weitergehen wird“. Innenmini-ster Erwin Lanc „müsste sich jetzt denKopf zerbrechen, wie wir gegebenen-falls Maßnahmen in Österreich treffen,die sich von den deutschen wesentlichunterscheiden müssen. Vielleicht ist eszweckmäßig, so wie bei der Gendarme-rie auch bei der Polizei eine besondereAbteilung für Terrorbekämpfung zu er-richten.“ Bis es soweit war, wurde dieÖffentlichkeit beruhigt. Am 20. Okto-ber 1977 versicherte Kreisky bei einerKlausur des SPÖ-Parlamentsklubs inVillach: „Auch Österreich ist gegen

Terror gerüstet.“ Es gelte, „alles zu tun,um auf alle Eventualitäten vorbereitetzu sein, jedem klarzumachen, dass ermit allen uns zur Verfügung stehendenMitteln zur Abwehr der Aktion wirdrechnen müssen“. Über entsprechendeKräfte verfüge man bereits. Allerdingsbefänden sich diese noch in Vorberei-tung. „Ich kann mir nur wünschen, dassich niemals in die Lage komme, von ih-nen einen solchen Einsatz zu verlan-gen“, meinte Kreisky. Als wenig später ein „profil“-Journa-

list in einem Interview kritisch anmerk-te, Österreich würde im Gegensatz zurBRD nur über „ein paar schlecht ausge-bildete Gendarmeriebeamte“ verfügen,räumte der Bundeskanzler ein: „DieseTruppe ist erst im Aufbau. Wir werdensie verstärken, am Beispiel ausländi-scher Erfahrungen schulen und für denErnstfall vorbereiten.“ Am 23. Oktober1977 las der stellvertretende Komman-dant, Kurt Werle, im „Kurier“ erstaunt,dass Österreich über eine „Spezialtrup-pe“ verfüge, „die notfalls gegen Terrori-sten eingesetzt werden kann“. Etwasungläubig meinte er zu Pechter: „Diemeinen uns damit. Da müssen wir etwastun und im Ministerium nachfragen,wie das sein soll.“ Der Generaldirektor für die öffentli-

che Sicherheit, Dr. Robert Danzinger,beauftragte sie, ein Konzept für eineSpezialtruppe zu erarbeiten. Den dafürnotwendigen Input holte man sich durcheine Studienreise ins Ausland. Am 7.November 1977 fuhren Pechter und Mi-nisterialrat Armin Hermann von derGruppe C im Bundesministerium für In-neres für zwei Tage in die Bundesrepu-blik Deutschland. „Das war der ersteKontakt zur GSG 9 und zu ihrem Kom-mandanten Ulrich Wegener“, erzähltePechter später. Nur drei Wochen vor

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„Aktenzeichen XY“-Moderatoren Peter Nidetzky und EgonZimmermann bei einem Übungseinsatz der „Cobra“ 1988.

Einsatzü̈bung des Gendarmerieeinsatz-kommandos 1978.

Grundsteinlegung der Cobra-Zentrale 1990: Wolfgang Schüssel, Franz Vranitzky, Franz Löschnak, Johannes Pechter.

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der Visite hatte die GSG 9 eine vonarabischen Terroristen entführte Luft-hansa-Maschine in Mogadischu (So-malia) befreit.

„Palmers-Entführung.“ Am Rück-reisetag der beiden Emissäre, am 9. No-vember 1977, schlug der Linksterroris-mus in Österreich zu. Angehörige derwestdeutschen „Bewegung 2. Juni“, ei-ner der RAF nahestehenden Gruppe,entführten in Wien den UnternehmerWalter Palmers. Es handelte sich um ei-ne „unpolitische“ Geldbeschaffungsak-tion, die innerhalb von knapp 100 Stun-den durch die Übergabe von rund 31Millionen Schilling (ca. 2,4 MillionenEuro) abgewickelt wurde. Die „Palmers-Entführung“ bedeutete

einen Einschnitt: War Terrorismus zu-vor vor allem von ausländischen Akteu-ren auf österreichischem Boden verübtworden, hatten diesmal einheimischeLinksextreme die Entführer logistischund operationell unterstützt. Erneutwurde deutlich, dass sich Österreichnicht länger von internationalen Ent-wicklungen abkoppeln konnte. In An-spielung auf ein Zitat von Papst PaulVI. stellte Kreisky fest: „Es gibt keineInsel der Seligen.“ Für Stirnrunzeln sorgte auch, dass

die Exekutive während der Palmers-Entführung keine gute Figur gemachthatte: Die technische Ausrüstung hattesich als mangelhaft erwiesen (zu wenigTelefone, Dienstautos); Kompetenz-streitigkeiten zwischen der Staatspoli-zei (Innenministerium) und der Krimi-nalpolizei (Sicherheitsbüro) lähmtenden Einsatz, während die Familie Pal-mers den Austausch einfach an denBehörden vorbei durchführte. Generaldirektor Danzinger hatte

schon Anfang 1977 gewarnt, dass manbei Terroranschlägen „nur reagieren,

kaum agieren“ könne. Der Aufbau einerAntiterroreinheit sollte Abhilfe schaf-fen. Das „Gendarmeriebegleitkomman-do Wien“ wurde zum „Gendarmerie-einsatzkommando“ (GEK) ausgebaut.Die Bundesregierung stimmte der Auf-stockung des Gendarmeriebegleitkom-mandos auf 127 Beamte zu. Die Min-destverwendungsdauer beim GEK soll-te nicht unter zwei Jahren liegen. DieAltersgrenze für GEK-Beamte lag zwi-schen 22 und 40 Jahren.

Die Ausbildung sollte in zwei Phasenerfolgen: „Im ersten Ausbildungsab-schnitt, der Grundschulung, sollten dieneu hinzugekommenen Beamten raschmit ihren Aufgaben vertraut gemachtund ihre physische und psychische Be-lastbarkeit festgestellt werden. Im fol-genden Ausbildungsabschnitt wären diekörperlichen und geistigen Fähigkeitenweiter zu verbessern.“ Die Grundschulung war mit 180 Un-

terrichtsstunden bemessen und umfas-ste Waffenhandhabung, Fahr- undSprechfunktechnik, Sport und Fortbil-dung. Konkret sollten im Bereich Ein-satztaktik vermittelt werden: Orientie-rung (Karte und Bussole), Bewegungs-arten, Instellunggehen, Führen nachZeichen, Beobachtungs- und Melde-dienst, Personen- und Kfz-Kontrolle,Durchsuchen von Wohnungen, Gebäu-

den, Personen und Sachen, „gewaltsa-me Inbesitznahme von Objekten, diedurch Gewalttäter besetzt sind“ sowieSicherung von Personen und Objekten.Einen weiteren Gegenstand bildete „derTerrorismus und seine Erscheinungs-formen“. Die Lehraufgabe war die„Vermittlung der Kenntnisse über dasWesen, die Zielsetzung und die Metho-den des Terrorismus“.

Das Gendarmerieinsatzkommandowurde mit 1. Januar 1978 gegründet. Esmusste umfangreiche Aufbauarbeit ge-leistet werden. Was die Unterkunft an-ging, fiel die Wahl auf SchlossSchönau. Das dort untergebrachte„Transitlager“ für die jüdischen Aus-wanderer war Ende 1973 nach Wöllers-dorf verlegt worden, woraufhin dasSchloss kurzfristig schon dem GK BadVöslau als Bleibe gedient hatte. Am 14.Februar 1978 wurde es vom GEK bezo-gen. Das Gebäude wurde mit einemKostenaufwand von mehreren Millio-nen Schilling adaptiert. Unter anderemwurden eine Sanitätsstation sowieKommando-, Unterkunfts- und Frei-zeiträume eingerichtet. Ende 1978 nannte ein Bericht der

„Presse“ das so umfunktionierteSchloss Schönau „eine Heimstätte, de-ren äußeres Idyll durch ein Stachel-drahtdickicht verborgen wird, um dieTag und Nacht schwerbewaffnete Dop-pelposten ziehen. In der jede Sekundedie Alarmsirene losheulen kann (undoft genug auch tut), in der es – auch inder spärlichen Freizeit – keinen Trop-fen Alkohol gibt, eine zweite Heimstät-te, von der nur alle zwölf Tage ein kur-zer Abstecher zur Familie erlaubt ist.“

Freiwilligentruppe. Der anvisiertePersonalstand konnte erst am 1. Sep-tember 1978 erreicht werden. Es wur-

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Einsatzkommando Cobra: Training auf der Hindernisbahn 2018, GEK-Training auf der Hindernisbahn 1978.

Personenschützer des Gendarmerie -einsatzkommandos 1979.

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den ausschließlich Freiwillige aufge-nommen, die sich einem rigiden körper-lichen und psychologischen Auswahl-verfahren unterziehen mussten. Insge-samt wurden in dieser Anfangsphase 70Millionen Schilling investiert. Teile dertechnischen Ausrüstung konnten nurSchritt für Schritt angeschafft werden.Als die GEK-Leute Mitte November1978 vor Journalisten ihre Einsatzfähig-keit unter Beweis stellten, war das Echodurchwegs positiv. Laut „Kronen Zei-tung“ war eine „Kopie des erfolgrei-chen BRD-Grenzschutzkommandos“geschaffen worden – eine „GSG-Ö so-zusagen“.

Ulrich Wegener, Kommandant derGSG 9, besuchte Ende August 1978 dasGEK. Noch in seinen Memoiren (2017)zeigte sich der kürzlich verstorbeneWegener beeindruckt: „Als Komman-deur der GSG 9 sah ich mir damals die-se Einheit an, nachdem Männer vomEinsatzkommando Cobra bei uns trai-niert hatten. Wir hatten einen gutenAustausch, sodass ich ihnen Ideen ge-ben und gleichzeitig Anregungen mit-nehmen konnte. Wir beneideten dieseGruppe, weil sie finanziell viel besser-gestellt war, als wir. So eigenartig dasklingen mag, aber die Regierung wardort in diesem Bereich großzügiger.“

Die „Feuertaufe“ sollte das GEKnicht im Einsatz gegen Terroristen erle-ben: Am 16. Juni 1980 hatte der 35-jährige jugoslawische Gastarbeiter Jo-sef Kis-Lukac, bewaffnet mit einervollautomatischen Schrotflinte, in derOrdination eines Hautarztes in der Gra-

zer Annenstraße 23 Geiseln genommen.Laut Pechter übernahm das GEK vonder Polizei schließlich die Sicherung imStiegenhaus: „Der Herr Innenministerhat mit dem Geiselnehmer persönlichverhandelt und ihm zugesichert, dasskein Einschreiten von Seiten der Exe-kutive erfolgen wird. Dann hat sichnach 20 Stunden ein Schuss gelöst. Daswar für unsere Beamten das Zeichen, indie Ordination einzudringen.“ Der Gei-selnehmer wurde erschossen und dieFestgehaltenen befreit. Eine Arztgehil-fin erlitt einen Streifschuss am Bein.

Weiterentwicklung. In den 1980er-Jahren trieben die Innenminister KarlBlecha und Dr. Franz Löschnak denAusbau des GEK voran. Das Personalwurde weiter aufgestockt: Von 142 Be-amten (1980) auf 160 (1990). 1985stellte man die ersten Weichen für dieErrichtung einer modernen Ausbil-dungs- und Einsatzzentrale in einemFöhrenwald neben dem Wiener Neu-städter Flugplatz. Das 650 MillionenSchilling teure Projekt wurde 1992nach einer Bauzeit von zwei Jahren fer-tiggestellt. Eine große Umwälzung brachte die

2002 durchgeführte Reform derSpezial einheiten: Die bis dahin bestan-denen 23 unterschiedlichen Einheitenwurden neu organisiert – das GEK, dieMobilen Einsatzkommandos der Bun-despolizeidirektionen (MEK) und dieSondereinsatzgruppen der Landesgen-darmeriekommandos (SEG) wurdenunter der nunmehr offiziellen Bezeich-nung Einsatzkommando Cobra (EKOCobra) vereint. 2013 erfolgte eine wei-

tere Organisationsreform: Das EKOCobra wurde Teil der Direktion fürSpezialeinheiten (DSE), die alle bun-desweit arbeitenden Spezialkräfte derPolizei zusammenführte. Damit war derEntstehungsprozess hin zur heutigen„Cobra“ abgeschlossen.

Thomas Riegler

Quellen:Österreichisches Staatsarchiv/Archiv

der Republik, BMI II/C 43.103 II/7/79,Gegenstand: Gendarmerie-Einsatzkom-mando (GEK); Vorschlag des GZK fürdessen zweckentsprechenden Aufbau.Stiftung Bruno Kreisky Archiv, Tage-

buch Josef Staribacher.Hans Peter Hasenöhrl, Mit Aktion

Kobra gegen den Terror, in: KronenZeitung, 6. 6. 1973.Johannes Pechter, 20 Jahre Gendar-

merieeinsatzkommando. Im Dienste derSicherheit Österreichs, Wien 1997.Thomas Riegler, Vom „Gendarme-

riekommando Bad Vöslau“ zur „Cob-ra“: Der Aufbau der österreichischenAntiterrorkräfte, in: Journal for Intelli-gence, Propaganda and Security Stu-dies, Vol. 7, Nr. 1/2013, 116-138.Ulrike Zander, Harald Biermann

(Hg.), Ulrich Wegener. GSG 9 – Stärkerals der Terror, Berlin 2017.

Zum Autor: Dr. Thomas Riegler istHistoriker in Wien. Zuletzt veröffent-licht: „Im Fadenkreuz: Österreich undder Nahostterrorismus 1973–1985“(2010) sowie „Tage des Schreckens:Die OPEC-Geiselnahme 1975 und dieAnfänge des modernen Terrorismus“(2015).

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Das Einsatzkommando Cobra gehört weltweit zu den besten Polizeisondereinheiten.


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