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Vietnam-Fotografien aus einem Land voller Gegensätze

Date post: 28-Mar-2016
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Fotografien und kleine Geschichten aus Vietnam und die Arbeit von Deviemed
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DEVIEMEDDeutsch-Vietnamesische Gesellschaftzur Förderung der Medizin in Vietnam e.V.

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begleitet und präsentiert von wiese foto + filmw w w. w f o t o - f i l m . d e

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Vorwort

Joachim Kess

Vorwort

Wie alles begann

Gemeinsam mit dem Redakteur Joachim Kess sind wir mit einem Filmteam im Hospital C in Da Nang, Vietnam. Wir drehen eine Dokumentation für SternTV zum Thema Lippen- Kiefer- Gaumen-spalten. Diese Defekte treten in Vietnam weit häufiger auf als in anderen Regionen dieser Erde. Das muss Gründe haben. Vermutet wird, dass es Spätfolgen des Vietnam-Krieges sind, hervorgerufen durch das berüchtigte Agent Orange, ein Entlaubungsmittel, das die Amerikaner in diesem Krieg exzessiv eingesetzt haben.

Wir sind auf der Spur dieses Giftes. Dafür begleiten wir die OP-Teams von DEVIEMED, die seit vielen Jahren vor allem Kinder und Jugendliche mit diesen Defekten an verschiedenen Standorten in Vietnam operieren.

2005 im Frühjahr habe ich über eine gute Mindener Freundin Joachim Kess kennen gelernt, der dieses Thema für das Fernsehen aufbereiten will. Wir waren beide noch nicht in Vietnam und schon deshalb war es für uns interessant eine Zusammenarbeit zu beginnen. Der Chefarzt der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie in Minden, Dr. Werner Engelke, fliegt seit Jahren mit anderen Operateuren und medizinischem Personal aus Deutschland nach Vietnam. Ihn und seine Assistentin Dr. Vanilla Nguyen wollen wir bei ihrer Arbeit begleiten und mehr über die Arbeit von DEVIEMED und die Ursachen der Defekte erfahren.

Dr. Nguyen ist im Team überwiegend für die Organisation und die Kontakte vor Ort zuständig. Sie ist mit der Cap Anamur nach Deutschland gekommen und fühlt sich natürlich immer noch verbunden mit ihrer Heimat.

Während unseres Aufenthaltes sprechen wir mit Betroffenen, mit Augenzeugen, mit Ärzten und dem Experten für die Ausbreitung dieser Defekte, Herrn Dr. Nguyen Viet Nanh, Medizinisches Kolleg in Hue. Wir gehen in die Dörfer und lernen viel über Land und Leute. Wir verlieben uns in dieses Land und seine Menschen, die uns so offen und freundlich entgegenkommen.

Die ersten vierzehn Tage in Vietnam reichen aus um den Beitrag für Stern TV zu drehen, nicht aber um das Land intensiver kennen zu lernen. Also vereinbaren wir schon jetzt mit Joachim Kess, noch mindestens einmal wiederzukommen um dann noch mehr von Vietnam zu sehen und zu dokumentieren.

Das soll allerdings so nicht mehr gelingen. Wir treffen uns noch einige Male zur Vorbereitung der nächsten Reise. Aber ein knappes Jahr später stirbt Joachim Kess. Er hatte bereits während unseres Aufenthaltes Krebs. Trotz der Kürze unserer Bekanntschaft habe ich ein sehr respektvolles und freundschaftliches Verhältnis zu ihm entwickeln können. Die Bilder und Filme, die im Zusammenhang mit dieser Ausstellung erscheinen, hätten wir ohne ihn so nicht machen können.

Danke Joachim.

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Vorwort

Das Land...

„Mein Vietnam“

Nach einer langen Anreise sah ich mich plötzlich mit meinen Vorstellungen über Vietnam und der Realität konfrontiert.

Mich beeindruckte dieses Land und dessen Menschen von Anfang an. Wo sieht man sonst vermummte Volksmengen auf ihren Motorrädern, Leute in Winterkleidung trotz 30 Grad, laufende „Schlafanzüge“ und immer lachende Kinder?

Als ich zum ersten mal einen kleinen Cyclo-Fahrer, vielleicht 50Kg schwer, schwitzend und ächzend seine schwere Last von einem Flussufer zum anderen transportieren sah, verstand ich, warum diese kleinen Menschen mit ihrem Lebenswillen und Fleiß alle Kriege gewonnen haben.Immer wieder suchte ich nach Spuren der Kriege, ich habe aber erfreulicher Weise kaum noch welche finden können.

Vietnam katapultiert sich von einem Entwicklungsland zu einer Wirtschaftsmacht in Asien.Durch unsere Aktivitäten der DEVIEMED e.V. in Vietnam, vergleicht man natürlich unsere Kliniken und die Krankenhäuser in Vietnam.

Abgesehen von der Personalsituation (Arbeitskräfte sind preiswert, d.h. es gibt reichlich Personal), dem meist bescheideneren Interieur, der Ausrüstung so wie deren Arbeitsmethoden, haben mich vor allem die Disziplin und der Mut vieler Patienten beeindruckt.

Sprachlos machte mich auch, dass Kinder oft völlig regungslos und diszipliniert all das erforderliche OP-Procedere über sich ergehen ließen ohne zu weinen.

Sieht man wie sich die Angehörigen von Patienten sorgen und welche Beschwerlichkeiten sie auf sich nehmen, dann sehe ich dieses mit Respekt.

Das Zusammenleben von drei Generationen ist in Vietnam noch Alltag, hoffentlich können sie sich das bewahren.

Denke ich an Vietnam, so denke ich auch an die wunderbare vietnamesische Küche, hier vor allem an die beliebte Suppe (Pho) und allerlei „Röllchen“.

Vietnam ist schön, arm, reich, fleißig, laut, leise, ehrgeizig und voller Lebenswille!

Komme ich nach Vietnam, so komme ich nach Hause.

Uwe Henisch

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Das Land

Salzgewinnung bei Phan Thiet

Im Dschungel an der Grenze zu Laos 5

Das Land

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Das Land

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Das Land

Lang Co

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Das Land

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Das Land

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Das Land

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Das Land

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Das Land

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Das Land

Cham Towers

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Die Menschen

„Einen Mann finden“

Vor drei Jahren stellte sich uns in Hue eine etwa 30-jährige Frau mit einer großen, entstellenden Lippenspalte vor. Sie kam aus einem Dorf in den Bergen der laotischen Grenzregion und war mehrere Tage lang zu Fuß gelaufen um die Klinik zu erreichen.

Normalerweise wird eine solche Operation im Kindesalter vorgenommen. Unsere Operateure entschlossen sich jedoch die Operation durchzuführen. Auch von der Anästhesieseite sprach nichts dagegen. Die Operation verlief gut. Als die Patientin aus der Narkose erwachte, wollte sie uns sofort etwas mitteilen.

Es wurde ein Dolmetscher geholt, der uns dann übermittelte, dass die Frau uns sehr dankbar sei und sie jetzt hoffe, einen Mann zu finden und endlich eine Familie zu gründen. Der Patientin und mir standen die (Freuden-)Tränen in den Augen.

Anke Lötte

Die Menschen...

„Anekdote“

In dem ersten Jahr unseres Hörgeräteprojektes hatten wir die Akquise der schwerhörigen Kinder unter Mithilfe von Ben Wilson von der Organisation „Children of Vietnam“ betrieben. Die Kinder wurden zu dem kleinen Provinz-Krankenhaus Hoavang transportiert und dort von uns untersucht und mit Hörgeräten versorgt. In der Mittagszeit tauchten für uns überraschend plötzlich buddhistische Nonnen auf, die die Kinder mit Essen versorgten. Wer dies so schön organisiert hatte war auch für Hop nicht zu ergründen. Die würden immer mal helfen hieß es lapidar. Die Nonnen waren entgegen ihrer durch Kutte, Schleier und Sonnenbrille etwas martialisch wirkenden Erscheinung überaus freundlich und luden Hop und mich in ihre Pagode zum Essen ein. In den kleinen, von einem Gärtchen umgebenen Pagoden, fühlten wir uns um Jahrhunderte zurückversetzt. Auf dem steinernen Boden kauerte eine kleine Nonne, die über einem Holzfeuer, aus dem aromatischer Rauch aufstieg, offensichtlich etwas Leckeres für uns herstellte. Wir wurden an einen kleinen Tisch gebeten und von einer sehr freundlich lächelnden jungen Nonne bedient, die mittlerweile ganz unbefangen ihren Schleier abgelegt hatte und den kahl rasierten Kopf zeigte. Als Ehrengast (oder weil man der unbeholfenen Langnase den Umgang mit Stäbchen nicht zutraute) wurde mir der offensichtlich einzige Blechlöffel gereicht. Aus einer großen Eisenpfanne wurde dann für mich undefinierbares Kleines, Gekrüseltes, chitinartig krustig Gebrutzeltes gereicht. Auf meinen fragenden Blick („was das wohl sein mag?“) beschied mir Hop: „Kannstu ruhig essen – ich sag dir später“.

Ich hab dann auch brav alles aufgegessen und fand es trotz meiner Befürchtung mit meinem Einsatz, einen wesentlichen Beitrag zur Schädlingsbekämpfung/Vertilgung in vietnamesischen Pagoden geleistet zu haben, sehr schmackhaft. Meine abschließend dann doch formulierte bange Frage, was ich denn hier wohl verzehrt habe, erwiderte Hop mit einem Lachen: „Mensch war doch alles vegetarisch – Buddhisten essen doch kein Fleisch, kein Fisch und schon gar nicht Insekten“. Zu meiner Beschämung muss ich einräumen, dass ich mein Essen viel mehr hätte genießen kön-nen, hätte ich mich frühzeitig etwas mehr um eine ausgewogene Allgemeinbildung gekümmert.

Christoph Isselstein

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Die Menschen

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Die Menschen

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Die Menschen

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Die Menschen

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Die Menschen

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Die Menschen

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Die Menschen

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Das Leben

Das Leben...Der Alte Mann vom Strand

Sein Name ist Lê Huynh. Kennen gelernt haben wir ihn am China Beach in Da Nang. Gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Frau hat er ein kleines Strandrestaurant an diesem legendären Beach betrieben, an dem sich schon während des Vietnam-Krieges die GIs vom Krieg erholten.

Das Restaurant war mehr eine Palmen-Bretterbude und der alte Mann hatte noch eine Guxe, eine Bewachung für die Mopeds, mit denen man in Vietnam unterwegs ist. Für 2000 Dong, ungefähr 10 Cent, konnte man sein Motorbike bei ihm unterstellen, „womöglich auch reparieren lassen“ und dann gemütlich die Seele am Strand baumeln lassen oder sich im Restaurant von seiner Familie die besten Muscheln der Welt auf einem simplen „Eimer-Grill“ zubereiten lassen. Wegen der ursprünglichen Gemütlichkeit des Restaurants, der besonderen Fröhlichkeit des alten Mannes und wegen der tollen Atmosphäre am abendlichen China Beach, sind wir über Jahrehinweg immer wieder hierher gekommen.

Aber es war schon 2007 zu ahnen, dass es diese Idylle bald nicht mehr geben würde.Die Baustellen der großen Resorts an diesem Beach rückten immer näher. Und der alte Mann erzählte uns in englischen Fragmenten, dass er befürchtete bald vertrieben zu werden. Ob ihm denn das Restaurant nicht gehören würde? Doch, sie betrieben es schon seit vielen Jahren und es gehörte seiner Schwester und ihm. Aber das wäre eben nirgendwo richtig festgeschrieben. Es gibt kein Grundbuch und bezahlt hat er wohl nie für den Grund und Boden. Es war mehr ein Gewohnheitsrecht. Der Beach gehört wahrscheinlich der Kommune. Und die hat in Da Nang große Pläne. Dort soll in Zukunft das ganz große Rad gedreht werden. Vor allem im Tourismus.

Es ist ja auch herrlich hier. Das südchinesische Meer, der endlose weiße Strand, Palmen, das Klima. Alles ist perfekt. Für die Touristen aus den USA, aus Europa und dem vermögenden Asien. Und die wollen abgeschlossene Resorts in denen sie unter sich sind. Nur nicht so viel Kontakt zu den Vietnamesen. Wen interessieren da schon die Interessen eines alten Mannes und seine Rechte?

So kam es wie es kommen musste. Als wir ihn im Frühjahr 2009 suchten, konnten wir mit unseren Motorbikes schon nicht mehr an den Strand. Alles war abgesperrt und bewacht. Es entstehen riesige Resorts. Man fragt sich, wer diese Luxus-Touristen-Monster buchen soll. Der alte Mann war nicht mehr da. Als wir ihn und seine Frau dann doch noch an der Strandstraße in einem winzigen Holzverschlag mit kleinem Bistro fanden, war er so freundlich wie immer. Er freute sich sichtlich, dass wir ausgerechnet nach ihm gesucht hatten und er erzählte uns von den Geschehnissen der letzten Zeit und seinem Leben heute:„Ja, es stimmt, es ist nichts mehr so wie es war.“ Seine Schwester hat eine kleine Entschädigung bekommen, von der betreibt sie unweit einen Souvenirladen. Er hat nichts bekommen und ist jetzt neben dem Haus eines Freundes untergekommen, mit einem Bistro-Wagen. Hier arbeitet und schläft er unter einer Zeltplane. Seine geringen Einkünfte sind um weit mehr als 80% geschrumpft. Er hofft auf bessere Zeiten. Aber es sieht wohl so aus, dass er demnächst auch hier wieder verschwinden muss. Das kleine Grundstück soll wohl auch verkauft werden und dann ist für ihn kein Platz mehr.

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Das Leben

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Das Leben

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Das Leben

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Das Leben

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Das Leben

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Das Leben

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Das Leben

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Der Verkehr

Der Verkehr...„Krankentransport“ auf vietnamesisch oder „Zusammen ist man weniger allein“

Wenn ich an Vietnam denke, dann fallen mir zuerst immer die Menschen ein, die dort leben. Und wie sie miteinander leben.

Eines Abends, nach getaner Stationsarbeit, wartete ich vor dem Krankenhaus auf meine Kollegen und konnte eine herrliche Begebenheit beobachten:

Ein junger Mann, schätzungsweise um die 20, saß wartend auf seinem Moped. Sein Freund, Cousin oder Bruder gleichen Alters trug eine alte, gehbehinderte Frau aus dem Krankenhaus und hob sie behutsam auf das Moped. Anschließend setzte er sich zum Schutz hinter sie. Der Fahrer nahm vorsichtig die Beine der alten Dame, schlang sie seitlich um seinen Rücken, um sie dann sanft auf seinen Oberschenkeln abzulegen. Offensichtlich mussten die Beine der Frau gestreckt bleiben. Die beiden jungen Herren setzten sich dann ihre Helme auf, das Moped wurde gestartet. Bevor ich umständlich meine Kamera aus der Tasche gekramt hatte, war der Augenblick schon vorüber und das Dreiergespann brauste davon: Oma natürlich ohne Helm, mit wehendem Haar und einem lächelnden, glücklichen Gesicht, das mir heute noch lebendig vor Augen steht.

„Bei uns undenkbar“ schmunzelte mein Kollege, der der Szene ebenfalls beigewohnt hatte. Etwas neidisch und wehmütig schauten wir den Dreien nach….

Dieses scheinbar so selbstverständliche Miteinander habe ich nicht nur auf den Straßen von Danang, sondern täglich im Krankenhaus immer wieder staunend miterlebt:

10 Bett-Zimmer teilen sich Patienten und Angehörige gleichermaßen. Gesunde und kranke, alte und junge, arme und reiche Menschen. Da sind schnell 30-40 Personen in einem Raum. Wenn es dort zu eng wird, weicht man eben auf die Flure aus.

Dort wo man gerade ist, ist der Lebensraum - ohne wenn und aber, vollständig im Hier und Jetzt. Wo gerade Platz ist, hocken sich die Menschen hin, rollen ihre Matten aus (oder auch nicht, wenn man keine hat), halten ein Nickerchen oder ein Pläuschchen, essen, trinken oder spielen mit den Kleinen. Die eigene Wäsche wird gewaschen und überall zum Trocknen aufgehängt. Keinen scheint irgendetwas zu stören oder zu fehlen. Die Atmosphäre ist geprägt von Geduld, Ruhe, Frieden und Freundlichkeit.

Na ja und ich frage mich jetzt, ob ich wirklich die Zusatzversicherung meiner Krankenkasse für ein Einzelzimmer 1. Klasse abschließen soll….

Claudia Sandkötter

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Der Verkehr

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Der Verkehr

Tuan

Schon bei unserem ersten Aufenthalt in Vietnam, als wir mit Joachim Kess für Stern TV gedreht haben, hatten wir hin und wieder mit Tuan einen Fahrer, der so ganz anders war, als seine Kollegen.

Es gibt noch nicht so viele Autos in Vietnam. Und die Fahrer haben so ihre Eigenarten. Vor allem wird pausenlos gehupt, ob es Sinn macht oder nicht. Aber von dem Verkehrschaos erzählen wir an anderer Stelle. Jetzt soll es um Tuan gehen. Eine Perle von Mensch und tüchtig obendrein.

In den folgenden Jahren haben wir uns immer wieder bemüht mit Tuan zu fahren und 2009 haben wir ihn für unsere längeren Reisen durch das Land dann komplett gebucht. Tuan oder keinen haben wir gesagt. Und das war gut so.

Mit Tuan durch Vietnam zu fahren ist deshalb so besonders, weil er sich interessiert, weil er fast alles weiß oder herausfindet und weil er auch dann noch eine Möglichkeit sieht, wenn es eigentlich keine mehr gibt. Und weil er inzwischen hervorragend Englisch spricht, viel besser als wir selbst. So konnte er uns sogar als Dolmetscher und Inter-viewer dienen. Und Tuan ist ehrgeizig. Er lernt seit Jahren intensiv Englisch. Dafür hat er sogar einen persönlichen Trainer, einen amerikanischen Freund. Wenn wir mal einen bestimmten Ausdruck suchen, ruft er ihn an und schon wissen wir Bescheid.

Tuan lebt mit seiner Familie in Da Nang und istinzwischen als Fahrer überwiegend für eine amerikanische Gesellschaft tätig. Wir konnten ihn nur buchen, weil er just zu der Zeit, als wir mit ihm fahren wollten, eine Weile von seinem Chef nicht gebraucht wurde.

Tuan hat für uns die Gespräche mit vietnamesischen Lehrerinnen im Dschungel in Vietnam geführt, er hat ein Interview mit einem Brückenwärter gemacht und vor allem hat er uns im Dschungel-Dorf von Frau Thu geholfen. Dort wird vielfach noch eine Minderheiten-Sprache gesprochen.

Dass er außerdem noch der einzige Fahrer in Vietnam ist, der nur hupt wenn es unerlässlich ist, ist allein schon ein Segen. Dass er obendrein auch noch richtig gut Auto fährt, ist sehr beruhigend. Wenn es sein muss und wir zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein wollen, der Verkehr aber wieder mal komplett chaotisch ist, dann fährt er fast wie ein Rallye Fahrer.

Außerdem ist es wunderbar, mit ihm in der freien Zeit zu plaudern. Er weiß so viel über Land und Leute. Kurz, ohne ihn wären wir oft aufgeschmissen gewesen. Es war ja nicht so viel Zeit in Vietnam. Aber man kann schon sagen, Tuan ist inzwischen ein guter Freund.

Danke für die Hilfe, Tuan.33

Der Verkehr

Tuan

Hupen erlaubt

Für jeden Europäer ist es der erste Kulturschock in Vietnam. Der Verkehr.

Hunderte, Tausende von Motorbikes, vielfach ziemlich klapprige Mopeds, hupen und knattern um die Wette, fahren kreuz und quer und kom-men doch (fast) immer unbeschadet und auf dem kürzesten Weg von A nach B. Dazwischen ein paar wenige Autos und Fußgänger, die auf den ersten Blick unmöglich heil über die Straße kom-men können. Wie das gehen kann erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Aber man kann sicher sein, es funktioniert auf - vietnamesische Art.

Regeln? Scheint es nicht zu geben. Einfach im-mer stetig vorwärts bewegen, ob als MoBike-Fah-rer oder als Fußgänger. Wer sich kontinuierlich vorwärts bewegt und sich damit zuerst an einer bestimmten Stelle befindet, der hat Vorfahrt. Man hat versucht Verkehrsregeln einzuführen. Einige haben sich auch durchgesetzt. Inzwischen trägt man sogar Helm. Und wo es Ampeln gibt, da werden sie in der Regel auch beachtet. Aber insgesamt ist es doch diese eine Regel die für alle gilt. Die Regel der Lemminge. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Europäer sieht man kaum auf Motorbikes, sie trauen sich meist nicht. Und es ist sicher auch nicht ungefährlich. Denn es ist nicht so, dass keine Unfälle passieren. Die meisten DEVIEMED-ler trauen sich inzwischen. Sie sind ja auch schon recht oft vor Ort gewesen. Und es hat eine un-glaubliche Faszination, sich mit so einem Motor-bike in das Gewimmel zu stürzen.

Neben der Faszination des Fahrens inmitten einer scheinbar wild durcheinander fließenden Masse, die zum Beispiel an den Kreuzungen eben nur dem Prinzip „first in, first out“ gehorcht, ist es auch noch dieses herrlich warme Klima. Wenn die warme Luft an einem vorbei streicht, wenn man die Strandstraße in Da Nang entlangfährt und das südchinesische Meer riecht, das ist einfachherrlich.

Weniger angenehm kann es da in Hanoi sein. Der Verkehr ist noch um ein vielfaches chaotischer und die Luft ist übel riechend und verpestet. Alles ist grau und scheint ungesund. Aber das Fahren an sich macht hier fast noch mehr Spaß. Wenn man sich daran gewöhnt hat ist es sogar komplett stressfrei. Denn der Vietnamese als Verkehrsteil-nehmer ist, so verrückt es klingt, sehr rücksichts-voll. Er hupt zwar und das permanent, aber er ist auch sehr aufmerksam. Wenn ein anderer vor ihm einen Punkt erreicht hat, hat dieser eben Vorfahrt. Aber man kann es nicht beschreiben, man muss es sehen oder selber erfahren.Also auf nach Vietnam und traut euch!

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Der Verkehr

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Der Verkehr

Auf dem Markt...

Märkte in Vietnam sind bunt, vielfältig, überfüllt, laut und natürlich exotisch. Hier gibt es alles, was ein Vietnamese benötigt und oft auch vieles, was er nicht oder nur selten braucht. Und auch was die Gerüche betrifft, ist es überwältigend. Auge und Nase haben viel zu tun. Kurz, es ist eine einmalige Atmosphäre. Und was man hier alles bekommt: Fisch von der kleinsten Garnele bis zum größten Rochen, Gewürze die ein Europäer gar nicht kennt und natürlich Gemüse und Früchte so exotisch, bunt und groß, dass es ein Genuss ist. Meist sind sie genauestens eingeteilt. Es gibt die Bezirke für Fisch und Fleisch, für Gemüse, für das kulinarische, für Kleidung, für Eisenwaren, für Gewürze und so weiter. Besonders die kulinarischen Genüsse auf den Märkten in Vietnam sind manchmal gewöhnungsbedürftig. Frittierte Zikaden oderproteinhaltige Maden und Larven, gebratene Skorpione, Seidenraupen oder glitschige Krabben, die lebend verspeist werden. Oder Wasserkäfer, die aussehen wie Kakerlaken, man kann hier alles essen, was krabbelt, kriecht oder sich schlängelt, oder man lässt es eben.

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Auf dem Markt

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Auf dem Markt

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Auf dem Markt

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Auf dem Markt

Auf dem Feld...

Vietnam ist ein sehr fruchtbares Land mit erheblichem Wasserreichtum. Vor allem Regionen mit weiten, grünen Reisfeldern begegnen uns immer wieder. Und überall die Wasserbüffel. Ganze Herden gibt es. Ohne sie würde das Leben der Reisbauern und der Reisanbau in Vietnam nicht funktionieren. Die Wasserbüffel sind die Traktoren Vietnams, sie pflügen die Felder und düngen sie obendrein, sie geben jede Menge Milch und ihr Fleisch ist manchmal auch nicht zu verachten. Außerdem ist ihre extrem dicke Haut gut als Leder zu verarbeiten und der getrocknete Dung kann als Brennstoff dienen, ein Universaltier eben.

Neben dem Reisanbau gibt es natürlich in Vietnam auch noch jede andere Art von Gemüseanbau, vor allem der Wasserspinat oder die Wasserkresse ist unverzichtbar, zum Beispiel als Zugabe für die Pho Suppe, eine Nudelsuppe, die oft bereits zum Frühstück angeboten wird. Und dann die vielen exotischen Früchte. Ananas, Bananen, Mangos, Grapefruits, Guaven, Longans und Papayas, alles gibt es hier im Überfluss. Und dann natürlich Durian, die Stinkefrucht. Hier scheiden sich die Geister. Diese Frucht stinkt so erbärmlich nach Fußschweiß, ranziger Butter und vergammeltem Fleisch, dass man kaum glauben kann, dass sie köstlich schmecken soll.

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Auf dem Feld

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Auf dem Feld

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Auf dem Feld

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Auf dem Feld

Bei den Fischern...

Von Hoi An sind wir mit dem Fischer Nam Giang unterwegs auf dem Song Thu Bon. Wir wollen einmal sehen, wie er so lebt. Der Fluss ist die Lebensader für alle Menschen dieser Region. Manchmal fließt er gemächlich dahin, in der Regenzeit kommt es aber oft, wie gerade geschehen, zu unfassbaren Überschwemmungen. Dann sind sogar die Häuser der Altstadt von Hoi An bis in den zweiten Stock unter Wasser.

Auf dem Fluss wird alles transportiert, Menschen, Fahrräder, Ersatzteile, das Gemüse für den Markt und so weiter. Vorbei an den Resorts in der Umgebung von Hoi An verändert sich die Landschaft rasch und Haus reiht sich an Haus. Davor die Fischerboote und überall kleine Fischzubereitungen. Hier wird der Fisch auf einer Art Tablett für den Transport in die umliegenden Dörfer vorbereitet.Das Haus von Herrn Nam überrascht uns sehr. Es ist, gemessen an vielen anderen Wohnhäusern, die wir in den Dörfern auf dem Lande kennen gelernt haben, geradezu luxuriös. Fliesen, eine Treppe ins Obergeschoss, der offene Wohnraum, alles wirkt sehr einladend. Wir werden der gesamten Familie vorgestellt und überaus freundlich zu dem obligatorischen Tee eingeladen.

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Bei den Fischern

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Bei den Fischern

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Bei den Fischern

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Bei den Fischern

Eine Brücke über den Fluss Binh Ba...

Es gibt in Vietnam Brücken, auf die in Europa kein Mensch auch nur einen Fuß setzen würde. Und genehmigt würden sie vom TÜV schon gar nicht.

Bei unserer Fahrt durch die Provinz Phu Yen im Tuy An District im Süden von Vietnam, sehen wir in der Ferne eine merkwürdig anmutende Stangenbrücke, die sich offenbar über den breiten Flussarm des Binh Ba River spannt. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Ding als gefährlich schaukelndes und bebendes Etwas, über das die Einheimischen zu einer Flussinsel gelangen,die früher nur per Boot zu erreichen war. Es handelt sich um die Ben Do Mien Ong Cop,die Brücke am Tiger Altar.

Und das Erstaunlichste ist, dass am Anfang der Brücke ein Mann in einem Häuschen sitzt, das sich als Mautstation entpuppt.

Während jede Menge Fußgänger, Motorbike- und Fahrradfahrer und sogar ein Mönch ihren Obulus bezahlen, erzählt uns Herr Minh Cuong, der Brückenwächter die Geschichte der Brücke.

Gebaut hat sie ein Bekannter, der daraus eine Geschäftsidee gemacht hat. Es ist eine reine Privatbrücke. Früher dauerte es sehr lange, per Boot den manchmal reißenden Fluss zu überqueren. Zeitweise war es, nach heftigen Regenfällen, gar nicht möglich. Heute ist hier die Brücke und es ist immer möglich auf die andere Seite zu kommen. Und dafür muss man natürlich zahlen. 1000 Dong, umgerechnet ungefähr 5 Cent pro Querung. Bei 500 Personen sind das etwa € 25,00 pro Tag. Das scheint uns nicht gerade viel, aber offenbar kann man davon leben, einen Brückenwärter und einen Reparaturdienst bezahlen und auf Dauer bereits die nächste Brücke bauen. Das tut sein Bekannter nämlich und ist damit ein typischer vietnamesischer Kleinunternehmer mit einer ungewöhnlichen Idee.

Ein Mann ist ständig damit beschäftigt, schadhafte Teile auszutauschen. Deshalb wagen wir uns dann auch über das schaukelnde Holzgestell, das auch noch extrem bebt und klappert, wenn ein Motorbike vorbei kommt. Aber das Ding hält wohl mehr aus, als man beim ersten Augenschein glaubt.

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Eine Brücke

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Eine Brücke

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DEVIEMED

Die Arbeit vonDEVIEMED...DEVIEMED ist eine gemeinnützig anerkannte Vereinigung von deutschen und vietnamesischen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Anästhesisten, Hals-Nasen-Ohrenärzten, Kinderärzten, Kiefer-orthopäden, Logopäden, Schwestern, Pflegern und fördernden Mitgliedern. Die Zielsetzung der Gesellschaft besteht darin, bei vietnamesischen Patienten mit angeborenen Fehlbildungen des Gesichtes, wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und erworbenen Gesichtsdefekten, humanitäre und medizinische Hilfe zu leisten.

Daneben soll die Qualität der Versorgung durch logistische, apparative und technische Hilfe verbessert und die Ausbildung vietnamesischer Ärzte durch Gastaufenthalte in Deutschland ge-fördert werden. Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, im Volksmund häufig diskriminierend als „Hasen-scharte“ oder „Wolfsrachen“ bezeichnet, stellen in Deutschland mit einer Rate von einer auf 500 Geburten die zweithäufigste Fehlbildung dar. Nach vorsichtiger Schätzung beträgt diese Quote in Vietnam, wie auch in anderen Ländern Südostasiens, etwa das Dreifache. Über die Gründe gibt es bis heute keine gesicherten Untersuchungen, mehrere Ursachen kommen in Frage und werden diskutiert. Neben den Folgen des Krieges spielen Unter- und Fehlernährung und die allgegen-wärtige wirtschaftliche Not sicherlich eine entscheidende Rolle. Die Möglichkeiten zur operativen Versorgung von Spaltfehlbildungen sind stark eingeschränkt und auf wenige Zentren in Nord- und Südvietnam begrenzt. Wer als Kind nicht operiert wird, trägt oft noch als Erwachsener die Folgen mit allen resultierenden schweren funktionellen, ästhetischen und seelischen Störungen. Seit der Gründung des Vereines, auf Initiative des in Deutschland lebenden vietnamesischen Arztes für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Khue Do-Quang im Jahr 1995, konnten bis 2005 an den verschie-denen Einsatzorten Hanoi, Dong Hoi, Hue und Da Nang mehr als 1500 Kinder junge Erwachsene operiert werden. HNO-ärztlich werden in jedem Jahr mehr als 200 Kinder in Schwerhörigen Schu-len in Hanoi und Da Nang mit Hörgeräten versorgt. DEVIEMED hat darüber hinaus Patenschaften für schwerhörigen-Schulen übernommen, um den betroffenen Kindern eine angemessene Aus-bildung und einen guten Berufseinstieg zu ermöglichen. Operativ unterstützen die HNO-Ärzte die Kieferchirurgen insbesondere bei der Versorgung von Spaltpatienten; sie verfolgen aber auch ein eigenes operatives Programm in Hanoi und Da Nang. Ziel eines weiteren Projektes ist der Einsatz einer mobilen audiometrischen Untersuchungseinheit zur Diagnostik schwerhöriger Kinder und Erwachsener auf dem Lande. Daneben fördert und finanziert DEVIEMED die Rehabilitation derje-nigen Patienten in Deutschland, die aus technischen Gründen und in Ermangelung entsprechen-der operativer Voraussetzungen in Vietnam derzeit noch nicht oder nur unzureichend versorgt werden können. Ermöglicht wird dies unter anderem durch das unentgeltliche Engagement zahl-reicher niedergelassener und klinisch tätiger Fachärzte mit langjähriger Berufserfahrung, die sich in der Gesellschaft zusammengefunden haben. Die bisherigen Aktivitäten von DEVIEMED wurden durch Mitgliederbeiträge, freiwillige Spenden, durch Unterstützung der Industrie und durch mate-rielle und finanzielle Hilfe der Bundesregierung getragen. Die Teilnahme bei den Einsätzen erfolgt ehrenamtlich und unentgeltlich. Zur Weiterführung des Hilfsprogrammes ist DEVIEMED auf Gelder und Fördermittel angewiesen. Durch Ihre Spende oder durch Ihren Beitritt zur Deutsch-Vietna-mesischen Gesellschaft zur Förderung der Medizin in Vietnam e. V. helfen Sie uns, die humanitäre und medizinische Hilfe in einem Land fortzuführen, welches auch heute noch zu den ärmsten in der Welt gezählt werden muss.

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Vom A und O sagen…

Unser Präsident, Prof. Dr. Dr. med. Reuther, möge mir verzeihen, aber seine lakonische Frage „Na, gehst Du nun wieder zum A und O sagen?!“, inspirierte mich zur Überschrift dieses bereits 3. lo-gopädischen Einsatzberichtes aus Danang/Vietnam. Das A und das O, Alpha und Omega, Anfang und Ende… Was den Aufbau der logopädischen Abteilung im C-Hospital in Danang angeht, ist ein erfreulicher Anfang gemacht. In diesem Jahr hatte Frau Dr. Binh, die Leiterin der Rehabilitations-abteilung im C-Hospital in Danang, gute Vorarbeit geleistet. Erstmals waren genügend Patienten mit Spaltfehlbildungen zur Nachsorge vorhanden. Mit Chat und Quyen, die ich beide schon aus dem letzten Jahr kenne, hatte ich zwei engagierte und interessierte Mitarbeiter an meiner Seite. Besonders Quyens gute Englischkenntnisse waren hilfreich bei der Verständigung. Zusätzlich hat die Leitung des Krankenhauses zwei kleine, zusammenhängende Räume für die Sprachtherapie eingerichtet. Mein Arbeitstag sah folgendermaßen aus: Morgens um 8 Uhr ging ich zunächst mit zur Visite und war bei der Dokumentation behilflich. Im Anschluss hospitierte ich bei den Thera-pien in meiner Abteilung. Durchschnittlich behandelten wir vier Patienten à 45 Minuten bis zur Mittagspause. Der Nachmittag war ausgefüllt mit Schulungen, Nachbesprechung und Planung der Behandlungen. Außerdem kamen meist noch zwei bis drei weitere Patienten zur Therapie. Fast alle Patienten waren 4 - 5 wöchentlich in unserer Abteilung. Einige Patienten wurden nur einmalig vorgestellt zu Beratungszwecken. Aus logistischen Gründen war es den Eltern nicht immer mög-lich regelmäßig zur Therapie zu erscheinen. Das Alter, der mir vorgestellten sechs Spaltpatienten, lag zwischen 3 und 6 Jahren. Außerdem behandelten wir zwei 12 und 15 jährige männliche Pa-tienten mit Sprach- und Sprechprobleme bei allgemeiner Entwicklungsverzögerung, sowie zwei Patientinnen im Alter von 4 Jahren mit allgemeiner Entwicklungsverzögerung bzw. autistischen Zügen.

Schwerpunktmäßig ging es mir um die Vermittlung von Basiswissen. Die Themen entwickelten sich aus den Stunden mit den Patienten. Chat und Quyen hatten viele Fragen. Beide sind un-erfahren in der Förderung von Kindern mit Spaltfehlbildungen. Hinzu kommen erhebliche Unsi-cherheiten in der allgemeinen Behandlung unterschiedlicher Entwicklungsbereiche. Was ist noch altersgerecht entwickelt, was ist behandlungsbedürftig? Und wie? Da wir Patienten unterschied-lichen Alters mit individuell verschiedenen Förderbereichen hatten, erklärte ich das meiste bei-spielhaft an dem jeweiligen Kind. Chat und Quyen konnten auf diese Weise Theorie und Praxis sinnvoll verbinden.

Während meines 14 tägigen Einsatzes lernte ich Virginia Lockett, eine amerikanische Physiothe-rapeutin, kennen, die sich seit einigen Jahren ehrenamtlich in Danang engagiert (http://www.steadyfootsteps.org/), um die Physiotherapie in Vietnam weiter auszubauen. Sie kommt regelmä-ßig zu Schulungszwecken ins C-Hospital. An einer Weiterbildung mit ihr nahm ich ebenfalls teil. Wieder konnte ich beobachten, dass die Vietnamesen wissbegierig Informationen aufnehmen, sich aktiv mit interessierten Fragen und Erfahrungen einbringen und motiviert mitarbeiten. Diese Grundhaltung beflügelt mich in meiner Arbeit genauso, wie das Vertrauen, dass mir die Eltern und Kinder vorbehaltlos entgegenbringen. Die logopädische Nachsorge bei Kindern mit Spaltfehlbil-dungen hat im C-Hospital in Danang begonnen. Die Fortsetzung der logopädischen Unterstützung von Seiten Deviemeds macht Sinn, wenn sich langfristig mindestens ein konstanter Ansprech-partner in Vietnam fortlaufend schulen lässt. Herr Alexander Gross von der Deutschen Cleft Kin-derhilfe (http://www.cleft-kinder-hilfe.de) danke ich für seine hilfreichen Gedankenimpulse zur Nachhaltigkeit meiner Arbeit. Allen Menschen, die mich in jedem Jahr beim A und O sagen unter-stützen: mental, emotional, zeitlich, finanziell….Ein herzliches DANKESCHÖN!

Claudia Sandkötter, Logopädin

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DEVIEMED

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Frau Thu

Frau Thu...

Was hat Frau Thu mit Herrn Choi zu tun?

Y Thu – Frau Thu ist Vietnamesin und lebt in einem Dschungel-Dorf an der Grenze zu Laos. Herr Choi ist Koreaner, er lebt und arbeitet in Leverkusen und doch haben beide in den letzten Jahren ganz viel miteinander zu tun gehabt.

Y Thu wurde vor vielen Jahren auf einem Feld im Dschungel von Vietnam von einem Bären angefallen. Durch einen Bärenbiss fehlte ihr das halbe Gesicht. Dass sie gerettet wurde, grenzt an ein Wunder. Mehrfach wurde sie im Hospital C in Da Nang von DEVIEMED-Ärzten operiert. Trotzdem blieb sie entstellt und fühlte sich in der Öffentlichkeit nicht wohl. Inzwischen hat sie zwei Kinder. Y Thu ist eine kleine, aber sehr starke Frau.

Eines Tages hatte Dr. Helmut Sieber von DEVIEMED eine Idee, wie er Frau Thu wieder zu einem normalen Leben verhelfen könnte. Er arbeitet in Deutschland mit Herrn Choi, einem Epithetiker, zusammen. Epithetiker stellen künstliche Gesichtsteile, Nasen, Ohren, Augen oder sogar ganze Gesichtshälften aus einer Art Silikon-Masse wieder her. Und zwar so täuschend echt, dass es dem Gegenüber oft gar nicht auf-fällt. Also hat er Herrn Choi gefragt, ob der bei einem Einsatz in Vietnam mitkommen könnte, um sich Frau Thu einmal anzusehen und ihr eventuell eine neue Gesichtshälfte anzupassen.

Bei seinem Aufenthalt in Vietnam stellte Herr Choi fest, dass es unter bestimmten Umständen möglich sein müsste, Frau Thu zu helfen. 2007 passte er Y Thu eine provisorische Epithese an, die mittels einer Brille gehalten wurde. Es war klar, dass es sich erst einmal nur um ein Provisorium handelte. Die Bedingungen in Vietnam sind einfach nicht geeignet, eine Epithese höchsten Standards zu fertigen. Zumal Frau Thu noch einmal operiert werden musste, um ihr entsprechende Befestigungsimplantate einzusetzen. Im nächsten Jahr sollte versucht werden, Frau Thu nach Deutschland zu holen, damit eine Epithese unter optimalen Bedingungen in der Praxis in Leverkusen angepasst werden konnte. Das scheiterte aber erst einmal an bürokratischen Hemmnissen.

2009 war es dann soweit. Nach erheblichen Verzögerungen, hervorgerufen durch die deutsch-vietname-sische Bürokratie, bekam Frau Thu in Deutschland eine Epithese, die mittels Magneten an Implantaten befestigt wird und die absolut perfekt sitzt.

Man kann sich die Skepsis und die Ängste einer Frau vorstellen, die zum ersten Mal aus dem Dschungel-dorf Lao Du in eine, für sie völlig neue und fremde Welt, nach Deutschland fliegt. Dort lernt sie den Überfluss und das komplett andere Leben in einem Industrieland kennen.

Im Film zeigen wir detailiert diese ganze Odyssee von Frau Thu, ihren Kulturschock in Deutschland, die ungläubigen Reaktionen der Dorfbewohner und auch die ihrer Kinder, vor allem ihrer Tochter Linh.

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Hoang Anh Cao - das wechselhafte Leben eines vietnamesischen Kriegskindes

Als ich von Dr. Ta Van Hop angesprochen wurde, ob ich dem Verein DEVIEMED bei der Arbeit in Viet-nam helfen könnte, habe ich sofort zugesagt. Mir wurde im Laufe der Jahre in Vietnam und besonders in Deutschland von verschiedenen Menschen geholfen. Dafür möchte ich mich bedanken und den Menschen in meiner alten Heimat etwas davon zurückgeben. Mein Leben ist bis heute sehr wechselhaft verlaufen.

Ich bin in der Zeit des Vietnamkrieges (1946-1975) im hart umkämpften Zentralvietnam geboren. Bereits mit fünf Jahren erlebte ich den Vietnamkrieg hautnah. Unser Haus wurde im Krieg zerstört. Ab dem siebten Lebensjahr wuchs ich bei einer Stiefmutter auf. Seit dieser Zeit war ich Flüchtling im eigenen Land. Mein Vater baute ein zweites Haus, das nach nur sieben Jahren wieder in Schutt und Aschegebombt wurde. Wir wurden in diverse Flüchtlingslager in Zentral- und Südvietnam evakuiert. Der Vietnamkrieg hat unsere Familie arm gemacht.

1975 verstarb mein Vater durch eine schwere Krankheit. Mit 16 Jahren, allein auf mich gestellt, baute ich eine einfache Strohhütte, ging morgens zur Schule und nachmittags auf‘s Reisfeld. Als mein Reisfeld durch die Entprivatisierungsmaßnahmen kollektiviert wurde, konnte ich den Schulbesuch nicht fortsetzen. Zuerst arbeitete ich als Straßenbauer und wurde dann in die vietnamesische Armee eingezogen. Kurzent-schlossen flüchtete ich nach Vung-Tau, einem Erholungsort in Südvietnam. Jobs, z.B. als Zeitungsver-käufer, Holzköhler, Tagelöhner, Fahrradrikscha-Fahrer oder Lastträger auf dem Markt und am Fischhafen, dienten dem reinen Überleben.

Mit viel Glück wurde ich 1980 von Freunden in einem Fluchtboot als „black Boatpeople“ mitgenommen. In diesem winzigen Boot, 2,5m breit, 10m lang, waren wir mit 63 Menschen dem Tod näher als dem Leben. Die Wasserpumpe war kaputt, viel Meerwasser drang ein. Wir mussten es mit den Händen ausschöpfen. Nach langer Irrfahrt wurden wir von der „Cap Anamur“ entdeckt und gerade noch, kurz vor dem nächsten Sturm, gerettet. Wir waren überglücklich und dankbar.

Von Singapur ging es nach Indonesien auf eine kleine Insel. 6 Monate später kam endlich eine Einreisege-nehmigung nach Deutschland. Nach einem sechsmonatigen Sprachkurs in Oberhausen habe ich mich für die Aufnahme in eine Integrationsmaßnahme für ausländische Jugendliche beworben. Mit 19 Jahren ging ich wieder zur Schule, in die 9. Klasse. Mein Ziel war, seit der Flucht aus Vietnam, das Abitur. Es folgten 11 harte Jahre mit Ausbildung, Fachabitur und Studium sowie eine Laufbahnausbildung für den geho-benen Technischen Dienst. Heute bin ich Bundesbeamter.

Mit meiner ersten Frau, die uns leider nach 13 glücklichen Jahren wegen einer unheilbaren Krankheit ver-lassen musste, habe ich drei Kinder – Nam, Viet und Hung (damals 13,7,4 Jahre alt). Wir haben es lange allein geschafft. Heute bin ich wieder verheiratet.

Bei meinem ersten Einsatz als Dolmetscher und Organisator in Hue konnte ich mich leicht in die Lage der Hilfesuchenden hineinversetzen. Mütter die vor Glück geweint haben, weil ihren Kindern von uns durch die kostenlosen Operationen geholfen wurde, erinnerten mich an meine eigenen Lebensumstände. Es gibt sicherlich noch sehr viel Armut in Vietnam. Wir können diese Armut nicht direkt beseitigen, aber wir kön-nen den armen Kindern und Menschen ein Stück mehr Lebensqualität geben.

Ich möchte mich bei allen Beteiligten, insbesondere bei Dr. Ta Van Hop und Dr. Anke Lötte, bedanken, dass sie mir das Vertrauen geschenkt und mir diese humanitäre Mitwirkung ermöglicht haben.

Hoang Anh Cao

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Hop

Hop

Ein humanitär tätiger Verein, wie DEVIEMED, funktioniert nur in der Gemeinschaft. Viele Men-schen müssen helfen, damit ein gutes Ergebnis für die Menschen dabei herauskommt. Es gibt aber auch immer einige, die, aus welchen Gründen auch immer, unverzichtbar sind. Einer davon ist Hop, Dr. Van Hop Ta

Er ist Kinderarzt in Oberhausen, am evangelischen Krankenhaus. Hop ist seit geraumer Zeit die gute Seele vieler Einsätze, der Hans Dampf in allen Gassen, der gute Geist der Organisation, der Mann für alle Fälle.

Ohne ihn wären viele Film- und Fotoszenen, die wir in Vietnam aufnehmen konnten, nicht entstanden. Wir hätten sie einfach gar nicht entdeckt. Und ohne ihn würde zumindest ein Teil der Arbeit von DEVIEMED in Vietnam nicht funktionieren.

Dr. Ta ist 1979, nach langer Flucht und Odyssee über das südchinesische Meer, über Singapur und Indonesien auf einer kleinen Insel gelandet und später mit der Cap Anamur nach Deutschland gekommen

Hop erzählt uns ein wenig über seine Arbeit in Vietnam für Deviemed und über die spezielle vietnamesische Mentalität (Auszug aus einem Interview, das auf der DVD komplett enthalten ist):

Die Arbeit für Deviemed ist sicher anstrengend, manchmal muss man vier Köpfe haben um alles zu organisieren, aber sie macht viel Spaß. Wichtig ist einfach, dass über die Arbeit positive Ergebnisse entstehen und dass durch die Fortschritte auch die Deviemed-Gruppe in ihrer Arbeit ermutigt wird.

Manchmal, wenn ich Zeit habe, fahre ich mit dem Moped in die Dörfer um mit den Menschen zu sprechen und etwas über ihr Leben zu erfahren. Insgesamt geht es den Menschen heute gut, viel besser als ich erwartet habe und viel besser als noch vor einigen Jahren. Trotzdem ist das Leben, gerade in den Dörfern, oft noch sehr hart und die Menschen leben nahe am Existenzminimum.In Mittelvietnam ist der Einfluss des Westens relativ stark. Die Vietnamesen sind ein optimisti-sches Volk. Aber man muss sehr genau wissen, wie man mit ihnen umgeht. Sie lachen sehr viel, aber manchmal bedeutet das erste “Ja“ eigentlich „Nein“. Man muss oft dreimal fragen, bis man die tatsächliche Antwort herausbekommt. Umgekehrt wird ein „Nein“ oft auch erst beim dritten Mal akzeptiert. Die Form des Umgangs spielt eine wesentliche Rolle. Das ist sehr komplex. Man darf nicht zu direkt sein, nicht sofort die Wahrheit ins Gesicht sagen. Aber das lernt man im Laufe der Zeit im Umgang mit den Menschen.

Vietnam – ein Land voller Gegensätze

Die Ausstellung und das Buch sollen über die Arbeit von DEVIEMED und das Land Vietnam informieren. Der Reinerlös aus dem Verkauf wird der Arbeit von DEVIEMED zugute kommen. Wir bedanken uns bereits jetzt bei allen, die diese Aktion unterstützt haben und noch unterstützen werden.

Wir bedanken uns bei den Fotografen von DEVIEMED Uwe HenischChristian LinzArndt MöllersSusanne SchaperAngelika Stellzig Antje StockmannUlrike Thurner

bei den Fotografen von Wiese Foto+FilmMoritz BeckKatharina BusseRubin ItermannTanja Wittkugel

für die Geschichten und Texte beiHoang Anh CaoDr. Christoph IsselsteinUwe HenischDr. Anke LötteClaudia SandkötterHarald Wiese

beim Johannes Wesling Klinikum Minden, dem Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. Matthias Bracht, der Geschäftsführung, Herrn Michael Ackermann und der Öffentlichkeitsarbeit, Herrn Georg Stamelos

bei PD Dr. Werner Engelke, Klinik für Mund- Kiefer- Gesichtschirurgie und Dr. Vanilla Nguyen

beim Druckcenter Bad Oeynhausen

bei unserem Fahrer und Dolmetscher in Vietnam, Tuan und allen Menschen in Vietnam, die uns an ihren Lebensgeschichten teilhaben ließen und uns so großzügig unterstützt haben

bei vielen DEVIEMEDlern für jegliche Unterstützung

und auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Wiese Foto+Film, die sortiert, bearbeitet, aufge-zogen und layoutet haben und ohne die Ausstellung und Buch niemals fertig geworden wären.

Prof. Dr. Dr. Jürgen Reuther, Präsident von DEVIEMED Harald Wiese / Wiese Foto+Film GmbH & Co.KG

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Danke

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