Es gibt zahlreiche Studien, dieVerbraucher nach ihrer Mei-nung zu Marken befragen,Ranglisten zeigen deren Be-
liebtheit, ihren Wert in Euro und Centoder ihre Bekanntheit. Die Initiatorender Studie Brands Ahead, der Markt-forscher TNS Infratest, die Werbe-agentur Grey, der Deutsche MarketingVerband und der Markenverband,sind einen anderen Weg gegangen. Siefragten diejenigen, die sich täglich mitdem Thema Marke beschäftigen: Un-ternehmenslenker und Marketing-fachleute, CEOs, CMOs und Vorstän-de. Und sie erkundigten sich nichtnach dem Hier und Jetzt, sondernnach der Zukunft. Was macht die Zu-kunftsfähigkeit der Marke aus? Zu-nächst wurden 22 Markenexperten inmehrstündigen Einzelgesprächen undRoundtable-Diskussionen interviewt,dabei stammten die Verantwortlichenaus allen Branchen, FMCG, Automo-bil, Finanzen und Telekommunika-tion, Hersteller von Produkten für denB2B-Markt, den B2C-Markt undDienstleister. Im Anschluss wurden70 Aussagen zur Zukunft der Markeformuliert und in einer quantitativenBefragung mit 139 Managern abgesi-chert.
Das Ergebnis ist erst auf den zwei-ten Blick spektakulär. „Alles bleibt an-ders“, formuliert daher HartmutScheffler, Geschäftsführer des Markt-forschungsinstitutes TNS Infratest, ei-ner der Studienmacher, die Quintes-senz der Analyse. Die Grundtreiberder Markenführung sind altbekannt.Es sind Kriterien wie Vertrauen, Kun-denorientierung, Relevanz, Leistungs-versprechen, Markenleitbild und Dif-ferenzierung gegenüber dem Wettbe-werb. Über 70 Prozent Zustimmung
erhalten Aussagen, die diese Leitlini-en für die Zukunftsfähigkeit der Mar-ke nennen. Die Detailbetrachtungzeigt aber, dass diese klassischen Mar-kentreiber immer aufs Neue interpre-tiert werden müssen. Sie unterliegeneinem Bedeutungswandel. Vertrauenwurde früher regelmäßig mit Be-kanntheit der Marke oder Präsenz imMarkt in Verbindung gesetzt.
Markentreiber neuinterpretieren
Heute wird immer häufiger auchSinnhaftigkeit eingefordert, die Ver-braucher fordern gesellschaftlichesEngagement, Transparenz und Nach-haltigkeit der Produkte, denen sieVertrauen schenken.
Auch die Bezeichnung Hochwer-tigkeit unterliegt einem Wandel, wiedas Institut Icon Added Value heraus-
worten geben. Andererseits dürfen dieAntworten nicht so unterschiedlichausfallen, dass das Markenbild ver-wässert.
Wenn man die befragten Marken-macher nach Altersgruppen betrach-tet, so wird ein Wertewandel deutlich.
Dialogfähigkeit gewinntan Bedeutung
Die jüngeren Marketer bis 49 Jahrehalten die Dialogfähigkeit der Markefür weitaus wichtiger als die älteren.Obwohl Social Media und digitaleKommunikation in aller Munde sind,rangiert das Kriterium Dialogfähigkeitder Marke dennoch insgesamt eher imMittelfeld. Deutlich wurde bei der Be-fragung vor allem, dass es nicht ummöglichst viele Kontakte auf allenverfügbaren Plattformen geht, son-dern um die Beziehungstiefe, die sich
Die Studie Brands Ahead untersucht die Zukunftsfähigkeit von Marken. Bei der Befragung der Markenmacher erkennt sie, dass dieGrundtreiber der Markenführung zwar altbekannt sind, aber neu interpretiert werden müssen. Verbraucher wollen Marken vertrauen,die in ihr soziales Umfeld passen. | Sabine Hedewig-Mohr
Vertrauen braucht Sinn
fand. In den 1990er-Jahren galt einLebensmittel mit verfeinerten Zutatenals hochwertig, zehn Jahre später soll-ten möglichst viele Dinge nicht in ei-nem Produkt enthalten sein, wennman es als hochwertig bezeichnenwollte. Seit den 2010er-Jahren wirdHochwertigkeit immer stärker mitmöglichst hoher Transparenz nichtnur in Bezug auf Inhaltsstoffe, son-dern auch der Produktionsweise vonden Verbrauchern verstanden.
„Zukunftsfähige Marken schaffenVertrauen, indem sie – basierend aufeinem klaren Markenkern – ein Leis-tungsversprechen abgeben und ihreVerbraucher ernst nehmen.“ DieseAussage erhält von den Marken-Profis94 von 100 Punkten, somit eine sehrhohe Zustimmung. Die Marke stehtvor einem Spagat. Sie muss einerseitsflexibler werden. Soll auf unter-schiedliche Herausforderungen Ant-
Brand Contest
Wettbewerbsstärke durchfaktische Überlegenheitgegenüber WettbewerbernDer Blick von Innen nachAußen: Wichtig ist, was ichkannEtablierte Treiber bleiben,müssen aber neu inter-pretiert werden
Brand Content
Inhalte und Werte schaffen,die zum Engagement oderDialog mit der Marke moti-vierenDer Blick von Außen nachInnen: Was interessiert denKunden?Der Spagat zwischen klardefiniertem Markenkern undmultiplen Instrumenten derMarkenführung
Brand Context
Bedeutung durch nahtloseIntegration in den Lebens-alltag der ZielgruppeDer Blick auf die Situation:Wichtig ist, wie Dinge zu-sammenhängen Persönli-che Bedeutung durch situativeStimmigkeitPassend reagieren statt nurproaktiv agierenSituative Relevanz:Wertefit – Wertegemein-schaften – Beziehungstiefe
Maggi-Community:Zukunftsfähige Markenverlieren auch im In-ternet nicht die Kon-trolle, sie sind auchonline gut geführt.
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S:MAGGI
130 Lebensmittel Zeitung LZ 27 3. Juli 2015J O U R N A L
Happiness-Institut des Getränke-Her-stellers pflegt diese Werte mit Kon-gressen, Studien, Trendforschern undvielem mehr. Mit dem neuesten Spot,der gegen Vorurteile vorgehen will,zeigt der Hersteller wie er diese Wer-tegemeinschaft weiterentwickeln will:In sieben Sekunden, so heißt es dort,bilde man sich ein (Vor-)Urteil von ei-nem Menschen. Wenn man sich nureine Sekunde mehr Zeit nähme,könnte man hinter die Fassade bli-cken, den Menschen etwas besserkennenlernen und sein Urteil revidie-ren. „Let’s take an extra second“, istdaher die Botschaft.
Innovation ist mehr als Technik
Beim Thema Innovationsfähigkeitzeigt sich, dass die Manager diese fürihre eigene Marke deutlich wichtigerbewerten als für Marken insgesamt.„Dahinter verbirgt sich die Schizo-phrenie des eigenen Überlegenheits-gefühls“, schreiben die Macher der
Studie. Wenn alle davon ausgehen, in-novativer als der Wettbewerb zu sein,dann existiert letztlich doch wiedereine Pari-pari-Situation. Oder wennjeder glaubt, er sei besser als der an-dere, müssen mindestens 50 Prozentirren. Ein ähnliches Phänomen giltauch für die Kategorie Qualität, die inder Rangliste auf Platz acht steht. ImRanking der „eigenen Marke“ steigtdas Kriterium auf Platz zwei.
Ob eine Neuerung als Innovationerlebt wird und auf ein Bedürfnisstößt, kann nur der Konsument be-antworten. Innovation wird nichtmehr als reiner Technologie-Vor-sprung gesehen. „Innovation alsSelbstzweck wird – selbst in Techno-logiekategorien – zum Auslaufmodell.Der Konsument wird kritischer gegen-über Neuerungen: Innovationen müs-sen deshalb noch kundenorientierterwerden.“ Dieser Satz bekommt 84von 100 Punkten Zustimmung. Undmit Blick auf die hohe Flop-Rate ins-besondere im Bereich FMCG, erklärt
Rügenwalder fürVegetarier:Marken sind in derdigitalen Welt wichti-ger denn je, weil nursie Orientierung undVertrauensankerschaffen.
Happiness by Coca-Cola:Glück soll den Konsumenten des Erfrischungs-getränkes als Lebensgefühl vermittelt werdenund dabei die Marke auf lange Sicht stärken.
eventuell auch in Kundenaktivierungausdrückt. Dafür muss man nicht un-bedingt in die digitale Welt gehen.Der Dr. Oetker Backclub, der Bertels-mann Buchclub oder das Maggi Koch-studio sind Beispiele für eine Kombi-nation aus Produktversprechen undWertegemeinschaft. Solche Commu-nities gibt es Online mittlerweile zu-hauf. Aber es gilt: „ZukunftsfähigeMarken verlieren auch im Internetnicht die Kontrolle: Sie sind auch on-line gut geführte Marken“. Diese Aus-sage erhält 84 von 100 Punkten. Unddie Markenmanager wissen, dass siedas Zepter nicht aus der Hand gebendürfen. Sie glauben daher: „Marke istkeine Demokratieveranstaltung. KlareMarken-Verantwortung Top-Down.“(Zustimmung 82 Punkte) Demgegen-über steht ein Zustimmungswert von74 zu der Aussage, dass Marken inZukunft partizipatorisch zu denkensind. Also zuerst alle Stakeholder wieMitarbeiter und Kunden einbeziehenund dann eine klare Entscheidung an
der Unternehmensspitze fällen. Somacht man laut der Studie erfolgrei-che Marken für Morgen. „Marken sindin der digitalen Welt noch wichtigerals vorher, weil nur sie Orientierungund Vertrauensanker schaffen“, bringt70 von 100 Punkten Zustimmung.
Bei den Markenverantwortlichenwurde aber nicht nur gefragt, welcheKriterien sie im Allgemeinen für Mar-ken wichtig finden, sondern auchnach ihren persönlichen Top-3-Krite-rien. Dabei ist Relevanz mit 81 Pro-zent eines dieser Top-3-Kriterien, ne-ben Vertrauen und Differenzierung.Wie relevant ein Produkt für den Ver-braucher ist, hängt nicht nur vom ra-tionalen Produktnutzen, sondernauch vom emotionalen und symboli-schen Nutzen ab. Coca-Cola ist es inJahrzehnten gelungen, wechselndeWertegemeinschaften zu entwickeln,aktuell ist es das Lebensgefühl„Glück“. Dieser Inhalt wird an allenBerührungspunkten der Konsumen-ten mit dem Produkt vermittelt. Das LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIK
ÄLTERE VERLANGEN MEHR INNOVATIONKriterien für die Zukunftsfähigkeit von Marken
Beurteilung nach Alter
Total Alterbis
49 Jahre
Alterbis
50 Jahreund älter
Vertrauen, Verlässlichkeit
Kundenorientierung
Relevanz
Leistungsversprechen
Haltung/Leitbild
Differenzierung
Dialogfähigkeit
Innovationsfähigkeit
Basis (N = 100 Prozent)
92
91
81
80
74
71
56
53
139
Die Werte im Überblick
QUELLE: BRANDS AHEAD
Vertrauen, Verlässlichkeit
Kundenorientierung
Relevanz
Leistungsversprechen
Haltung/Leitbild
Differenzierung
Top-Qualität
Emotionalisierung
Faszinationskraft
Dialogfähigkeit
Innovationsfähigkeit
Transparenz
Wertegemeinschaft
Adaptionsfähigkeit
Ubiquität/Verfügbarkeit
Kontinuierliche Veränderung
Herkunft
Markengröße
Unabdingbar Wichtig Nur für einzelne Branchen
90
91
79
80
72
66
62
47
95
98
93
86
80
80
80
43
66
44
92
91
81
80
74
71
66
61
61
56
53
51
46
41
40
33
17
9
LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIKQUELLE: BRANDS AHEAD
Vertrauen, Verlässlichkeit
Kundenorientierung
Relevanz
Leistungsversprechen
Haltung/Leitbild
Differenzierung
Top-Qualität
Emotionalisierung
Faszinationskraft
Dialogfähigkeit
Innovationsfähigkeit
Transparenz
Wertegemeinschaft
Adaptionsfähigkeit
Ubiquität/Verfügbarkeit
Kontinuierliche Veränderung
Herkunft
Markengröße
Vertrauen, Verlässlichkeit
Relevanz
Differenzierung
Leistungsversprechen
Faszinationskraft
Kundenorientierung
Emotionalisierung
Top-Qualität
Innovationsfähigkeit
Haltung/Leitbild
Wertegemeinschaft
Dialogfähigkeit
Kontinuierliche Veränderung
Adaptionsfähigkeit
Transparenz
Ubiquität/Verfügbarkeit
Herkunft
Markengröße
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
10
12
13
14
15
16
17
18
Unabdingbar
92
91
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80
74
71
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61
61
56
53
51
46
41
40
33
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Wichtig Nur für einzelne Branchen
QUALITÄT RANGIERT IM MITTELFELDKriterien für die Zukunftsfähigkeit von Marken
Die Werte im Überblick Top 3 aus persönlicher Sichtder Markenentscheider
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S:COCA-C
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S:RÜGEN
WALD
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132 Lebensmittel Zeitung LZ 27 3. Juli 2015J O U R N A L
Scheffler: „Die Wirkung geht überden reinen Flop der Innovation hi-naus, sie gefährdet die Markenstärkein ihrer Gesamtheit“. Um diese Flop-Rate zu verringern, müssen Produzen-ten den Blick aus Verbraucherperspek-tive einnehmen, relevante Innovatio-nen entwickeln und das Branchenden-ken verlassen. Denn Menschen den-ken und handeln nicht in Branchenka-tegorien. Beispielhaft erkannt undumgesetzt hat dies laut AlessandroPanella, dem Chief Strategy Officerder an der Studie beteiligten Werbe-agentur Grey, der WurstproduzentRügenwalder. Mit der Einführung ei-ner fleischfreien Wurst-Range, ist esdem Unternehmen gelungen zu anti-zipieren, wie ehemals getrennte Kate-gorien zusammenfließen. „Es ist die
Fähigkeit, zu erkennen, welche Ser-vices über das Kerngeschäft hinausaus Kundensicht einen sinnvollenMehrwert ergeben“, die die künftigenBrands Ahead brauchen.
Aus diesen gewonnenen Einsichtenhaben die vier Studienpartner Emp-fehlungen gezogen, die sie griffig mitContest, Content, Context titulieren.Contest bezieht sich auf die faktischeÜberlegenheit der Marke. Die etablier-ten Treiber bleiben, müssen aber neuinterpretiert werden. Content meintdie Inhalte und Werte, die eine Markeschafft und die Kunden zum Dialogmotivieren. Und Context zielt auf denBedeutungsgewinn ab, wenn es einerMarke gelingt, sich nahtlos in den Le-bensalltag einer Zielgruppe zu inte-grieren. lz 27-15
Dr. Oetker-Backclub:Eine Kombination ausProduktversprechen undWertegemeinschaft.
134 Lebensmittel Zeitung LZ 27 3. Juli 2015J O U R N A L
Phase 1: QualitativEinzelgesprächeund Roundtables mitinsgesamt 22 Marketing-Verantwortlichenaus unterschiedlichenBranchen
Ergebnis:Kriterienkatalog mitmöglicher Relevanz fürdie Zukunftsfähigkeitvon Marken
Phase 2: QuantitativOnline-Befragung über 70 Itemsund weitere Fragen nach Top-3-Kriterien und Treibern der Zu-kunftsfähigkeit bei 139 Unter-nehmensführern und Marketing-Leitern/-Vorständen
Kooperationspartner:TNS InfratestGrey GermanyDeutscher Marketing VerbandMarkenverband
ZWEI BEFRAGUNGSPHASEN
Fokus auf Zukunftsfähigkeit
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S:IRIS
FRIEDRICHFO
TOGRAFIE/
LZ-SCREE
NSH
OT
Marken-Heft:In der Juni-Ausgabe von
„Planung & Analyse“ geht esum Marke als Orientierung.