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V 175.Jahrgang 1985 CARINTHIA I · der Carinthia, alser die Fresken der Rupertikapelle in einem...

Date post: 16-Aug-2020
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V 175. Jahrgang 1985 CARINTHIA I ---- , Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten geleitet von Wilhelm Neumann Gedruckt mit Unterstützung des Landes Kärnten Verlag des Geschichtsvereines für Kärnten, Klagenfurt
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Page 1: V 175.Jahrgang 1985 CARINTHIA I · der Carinthia, alser die Fresken der Rupertikapelle in einem Exkurs zu dem Aufsatz "Die Datierung der Gurker Westempore" behandelte', Er bringt

V175. Jahrgang 1985

CARINTHIA I----,

Zeitschrift für geschichtliche Landeskundevon Kärnten

geleitet von

Wilhelm Neumann

Gedruckt mit Unterstützung des Landes KärntenVerlag des Geschichtsvereines für Kärnten, Klagenfurt

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Die Fresken der Rupertikapellein Friesach

Von Renate Hay den

Der Freskenausstattung der Rupertikapelle, die sich im 4. Stock desBergfrieds zu Friesach befindet, widerfuhr ein recht wechselvolles Schick-sal: Im 19.Jahrhundert waren die Fresken fast 100 Jahre der Witterung aus-gesetzt, da der zuvor ungedeckte Turm erst 1893wieder ein Dach erhielt'.Kein Wunder, daß von der einst wohl großartigen Freskendekoration heu-te nur mehr Reste erhalten sind. Seit den siebziger Jahren bemüht sich dasBundesdenkmalamt, diesen Restbestand zu sichern und zu konservieren.Die Gemeinde Friesach plant, im Bergfried ein Museum einzurichten, indas auch die Rupertikapelle einbezogen werden soll.

Die Kunstgeschichte hat sich bisher wenig um dieseWandmalereien ge-kümmert. Die ausführlichste Arbeit veröffentlichte Karl Ginhart 1967 inder Carinthia, als er die Fresken der Rupertikapelle in einem Exkurs zudem Aufsatz "Die Datierung der Gurker Westempore" behandelte', Erbringt eine ausführliche Beschreibung des Freskenbestandes, die durch denVergleich mit älteren Aufnahmen bereichert und ergänzt wird. Trotzdemsoll hier das Ausstattungsprogramm kurz in Erinnerung gerufen werden].

Die Westwand der Kapelle wurde in ihrer ganzen Breite (7,4 m) vonder Darstellung Mariens als Thron Salomonis eingenommen, doch sind da-von heute nur mehr der linke Teil des Thrones und drei Arkaden unter-halb des Thrones erhalten. Auf diese Darstellung wird noch im spezielleneingegangen werden müssen.

Die zweijochigen, 12 m langen Seitenwände der Kapelle werden durchdie Bemalung in 3 Streifen gegliedert (Abb. 1):

Zunächst eine etwa 1,8 m hohe Sockelzone, die in den beiden west-lichen Jochen in Form von bunten, dreireihig übereinander angeordnetenMarmorquadern gestaltet ist. Solche Quader findet man häufig, es sei hiernur an die Burgkapelle von Hocheppan' erinnert. In den östlichen Jochenwerden die gemalten Steinintarsien von einem roten Rahmen umfaßt, dermit einem zarten, weißfarbigen Rankenband geschmückt ist.

Über der Sockelzone befindet sich ein Bildstreifen, der jeweils die ge-samte Jochbreite einnimmt und bei einer Höhe von etwa 2Metern bis zum

I Ginhart, K., Die Datierung der Fresken der Gurker Westempore. In: Carinthia I 1967,S. 50 ff. Dort auch eine Darstellung der Baugeschichte des Bergfrieds.

2 Derselbe: Die Datierung der Fresken der G~rker Westempore. Exkurs: Der Thron Sale-monis und die Fresken Im Friesscher Bergfried, ebenda, S. 49-90.

3 Abbildungen dazu, ebenda.4 Swarzenski, G:, J?ie Salzburger Malerei. Von den Anfängen bis z'!_rBlütezeit des romani-schen Stils, Leipzig 19D, Taf. XLVI, Abb. 144, S. 129: .um 1200. .

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Ansatz der Wölbung reicht. An den westlichen Jochen der Kapelle warenSzenen aus der Kindheit Christi dargestellt; so zeigte das westliche Joch derNordwand die Geburt Christi, wovon man im 19. Jahrhundert noch eini-ges erkennen konnte, doch ist der Verfall schon so weit fortgeschritten,daß man gerade noch den Nimbus Mariens erahnen kann. Über die Gestal-tung der westlichen Südwand konnte man auch im 19. Jahrhundert keineAussagen mehr machen, doch vermutet man entweder eine Verkündi-gungsszene oder einen Zug der Königes. An den östlichen Jochen derKapellenlängswände sind Szenen vom Beginn der Passion Christi zu sehen:an der Nordwand der Einzug Christi in Jerusalem, an der Südwand dasLetzte Abendmahl.

Über den Bildstreifen, in den Zwickeln zwischen dem Rand des Schild-bogens und der Fensterlaibung, waren, allem Anschein nach, sitzende Ein-zeigestalten dargestellt: So haben sich an der Südwand über dem Abend-mahl Freskenreste erhalten, die auf eine Evangelistendarstellung hindeu-ten. Sogar in der Fensterlaibung gab es figuralen Schmuck, wie eine Pro-phetengestalt im braunen Gewand mit einer Schriftrolle in Händen be-weist.

An der Ostwand der Rupertikapelle ist zu beiden Seiten der Apsis jeein heiliger Bischof dargestellt, der durch Tracht, Bischofsstab und Nimbuscharakterisiert ist. Der linke Bischof, der das Modell einer Kirche trägt,wird gemeinhin als HI. Virgil bezeichnet, während man den rechten, des-sen Attribut nicht mehr deutlich zu erkennen ist, traditionellerweise alsHI. Rupertus identifiziert".

Von der Freskendekoration der Apsis ist nur mehr ein schmalesAnsatzstück erhalten, der Hauptteil wurde durch den Einbau eines goti-schen Fensters zerstört. Die Sockelzone der Apsis ist mit einem gemalten, .gelben Vorhang ausgekleidet, ein Motiv, wie wir es häufig, z, B. in derJohanniskapelle in Pürgg", finden. Darüber befindet sich ein Streifen, dermit Voluten dekoriert ist. Uber diesem, für die Frage der Datierungäußerst wichtigen Rankenmotiv, kann man die Beinpartie einer Gruppevon Menschen erkennen, die auf das Zentrum der Apsis zuschreiten. Mankann annehmen, daß im Zentrum der Apsis eine Christus verherrlichendeDarstellung, vielleicht ein Pantokrator, war",

Von der Wölbung der Kapelle hat sich nichts erhalten, außer den An-

S Diese Vermutung wurde von Ginhart ausgesprochen und mit .anderen Übereinstimmun·gen" mit der Gurker Westempore, wo ein Zug der Könige dargestellt ist, begründet; wieAnm. 1, S. 86.

6 Der HI. Rupert könnte auch als HI. Vitalis, der Nachfolger Ruperts, bezeichnet werden.Doch scheint die Benennung .HI. Rupert" auf Grund der Bezeichnung .Rupertikapelle-wahrscheinlicher; Ginhart: S. 60. Die Benennung des Bischofs .HI. Rupert" oder .HI.Vitalis" ist reine Konvention und durch das Fehlen des Attributs letztlich nicht nachweis-bar. .

7 Demus, 0., Die romanische Wandmalerei, München 1968. Abb. 233-266, Taf. XCVII.8 Ginhart, S. 73.

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sätzen des Gurtbogens, der die Kapelle in der Mitte des Langhauses über-spannte. Aus Putzvertiefungen für Nimben kann man schließen, daß derGurtbogen mit Brustbildern von Heiligen geschmückt war. Die Ostseitedes südlichen Gurtbogenstückes ziert ein auf roten Grund aufgetrageneskufisches Schriftband".

Zur Frage der Datierung

Überblickt man die bisherigen Veröffentlichungen über die Freskender Rupertikapelle, so wurden für ihre zeitliche Einordnung zwei Möglich-keiten in Betracht gezogen:

Waiter Frodl setzte die Entstehung der Fresken in die Jahre1130-11401°. Diese Datierung wurde 1930 auch von Karl Ginhart vertre-ten", der sie aber in seinem Aufsatz von 1967 widerlegte. Auch jüngerePublikationen, etwa die Siegfried Hartwagners" oder Sebastian Enzin-gers", nennen dieses Datum. Die Frühdatierung basiert auf der Annahme,daß der Bergfried auf dem Friesacher Petersberg 1130 anläßlich einer Burg-erweiterung unter Erzbischof Konrad I. gebaut wurde und daß die Aus-malung dem Bau unmittelbar folgte.

Dagegen wurde schon 1918 durch Bruno Grirnschitz" die Entstehungder Fresken an das Ende des 12. Jahrhunderts gesetzt. Karl Ginhart ver-suchte in dem schon genannten Aufsatz, ein Entstehungsdatum um1200-1210 (max. 1220)zu belegen". Eva Frodl-Kraft datierte sie in die Zeitkurz vor 123516•

Die Frage nach einer Datierung der Fresken läßt sich auf Grund des Er-haltungszustandes durch stilistische Kriterien allein nur schwer beantwor-ten. Doch gibt es andere Gesichtspunkte, besonders die Ornamentik, die

".'. uns sichere Anhaltspunkte bieten. Von besonderer Bedeutung ist dabei dasRankenmotiv, das sich in den Anläufen der Apsisrundung erhalten hat(Abb.2).

Die Ranke besteht aus einzelnen Blättern, die volutenartig eingerolltsind. Die Blätter erscheinen durch Anschwellungen und durch farbigeSchattierungen als organische, plastische Körper. Die ausschwingenden

9 Ginhart, Anm. 1, S. 71, Abb. 34.10 Frodl, W., Die romanische Wandmalerei in Kärnten, Klagenfurt 1942, S. 20f.11 Ginhart, K. (Hg.), Die Kunstdenkmäler Kärntens, Bd. V, Klagenfurt 1930, S. 678f.12 Hartwagner, S., Kärnten. Der politische Bezirk St. Veit/Glan. Klagenfurt 1977, S. 55.IJ Enzinger, S., Restaurierung romanischer Wandmalereien in Friesach. Im Restauratoren-

blätter der Denkmalpflege in Osterreich 1973, S. 94ff.14 Grimschitz, B., Die Entstehungszeit der Freskenfolge in der Gurker Westempore. In: Car.

I 1918, S. 45.15 Ginhart, K., Anm. 1, S. 84.16 Frodl-Kraft, E., Das Margarethenfenster in Ardagger. In: Wiener Jahrbuch für Kunstge-

schichte XVI (XX) 1954, S. 52.

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Teile der Rankenblätter schmiegen sich zum Teil an die Volute an; charak-teristisch aber ist ein ausschlagendes Blatt, das in die Gegenrichtung derVolutendrehung ausschwingt. Auffällig sind auch die trichterförmig ver-breiterten Rankenenden, die sich rot gefärbt von den grauen Blättern abhe-ben. Diese halbpalmettenartigen Rankenenden werden durch eine feineFiederung segmentiert.

Die einzelnen Voluten sind ohne Verbindungsglied dicht aneinander-gereiht als Ornament band gestaltet. Der zwischen den Einzelvoluten ver-bleibende Raum wird durch ein rotes, gefiedertes, linsenförmiges Gebildeausgefüllt, das als Frontalansicht eines Rankenendes verstanden werdenkann.

Auch Karl Ginhart hebt die Bedeutung dieser Ranke für die Datierungder Fresken hervor und stellt ihr vergleichend einige Motive aus einer Rei-he von niederästerreichischen, steirischen und salzburgischen Handschrif-ten gegenüber". Überprüft man aber die Reihe der zum Vergleich angebo-tenen Beispiele, so muß man feststellen, daß der Vergleich in recht allge-meinen Kriterien steckenbleibt. Wir finden zwar immer geschlungene Ran-kenkörper, deren Enden umschlagen und als Halbpalmetten ausgebildetsind, niemals aber solche Blattvoluten, wie wir sie in der Rupertikapellevor uns haben.

So führt Ginhart die Initiale D des Orationales von St. Erentrudis(München, Clm 15902; Ende 12. Jahrhundert) an", ein Vergleich, der sichauf die durch Anschwellung der Ranke gewonnene Organizität be-schränkt. Bei dem ebenfalls von Ginhart genannten Codex 14 der ZwettlerStiftsbibliothek (um 1220)19 und dem Antiphonar aus Heiligenkreuz(1. Viertel13. jahrhundertj" sind die Unterschiede zu unserer Ranke dochrecht groß, so finden hier die Rankenenden einen halbrunden Abschluß,während sie bei unserer Volute gerade enden. Auch bei den Beispielen ausDeutschland, die Ginhart erwähnr", sind die Unterschiede gewichtiger alsdie Ähnlichkeiten.

Diese Kritik an Ginhart wiegt umso schwerer, als ja die Datierung derFresken auf Grund dieser und ähnlicher Vergleiche erstellt wurde.

Halten wir aber in der Buchmalerei Westeuropas Umschau, so findenwir doch reichlich Vergleichsmaterial. Gerade in der frühgotischen franzö-sischen Buchmalerei, namentlich in den Erzeugnissen der Pariser Ateliersder Zeit Ludwigs des Heiligen (1214-1276), die von Robert Branner zu-

17 Ginhart, Anm. 1, S. 73£.18 Swarzenski, G., Die Salzburger Malerei, Taf. cxxxrr. Abb. 442.19 Rössl, J., Kubes, K., Stift Zwettl und seine Kunstschätze, St. Pölten - Wien 1979, Abb.

92; und Winkler, E., Die Buchmalerei in Niederösterreich von 1150-1250. Wien 1923,Abb.44.

20 Ginhart, Anm. 1, Abb. 38 (Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Cod. 20, fol. 75).21 Ginhart, Anm. 1, Abb. 39 (Sigmaringen, Fürst!. Hohenzol!. Hofbibl. Hs. 10, Initiale Q)

und Abb. 40 (München Staatsbib!. Cod. lat. 10).

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sammengestellt und nach Gruppen geordnet wurden", ist das Voluten-motiv häufig. Aus der Fülle seien hier einige wenige Beispiele ausgewählt:

So finden wir im unteren Bereich der Genesis-Initiale einer Bibel derSammlung Wixom (Abb. 3), die von Branner der Leber-Gruppe zuge-schrieben und um 1230 datiert wird", zwei Ranken, die gegensinnig zuVoluten gerollt sind. Vergleichbar sind auch die elastisch ausschwingendenBlätter mit ihren trichterförmig verbreiterten Enden.

Die Genesis-Initiale einer Bibel der ehemaligen Tompson-Sammlung(Abb. 4), die von Branner der Gruppe der unabhängigen Ateliers zugerech-net wird", zeigt als Bekrönung ebenfalls zwei Voluten, die mit dem in derGegenrichtung zur Volutendrehung ausschlagenden Blatt und den an dieVolute angeschmiegten Rankenenden dem Ornament in der Apsis derRupertikapelle sehr nahe verwandt scheinen.

An das Ende der zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts wird ein franzö-sischer Codex datiert, der sich heute in der Universitätsbibliothek in Mos-kau befindet", Neben dem besonders dichten und organisch wirkendenVolutenmotiv interessiert hier besonders eine Frontalansicht des Ranken-endes, wie wir es auch in Friesach kennengelernt haben. Allerdings ist dieForm in der Moskauer Bibel durch den umschlagenden oberen Teil desBlattes gegenüber unserem linsenförmigen Motivetwas verändert.

Doch kann diese Detailform zur Lösung der Datierungsfrage wenighelfen, da sie seit dem Ende des 12.Jahrhunderts sowohl in französischen"als auch in salzburgischen Codices" auftritt.

Die evidente Ähnlichkeit des Volutenmotivs in der Apsis der Ruperti-kapelle zu Beipielen aus der französischen Buchmalerei läßt den Schluß zu,daß ein solcher Codex dem Meister, der die Fresken schuf, bekannt warbzw. als Vorlage diente. Die Entstehungszeit der vergleichbaren Codiceskann für den Anfang des 2. Viertels des 13.Jahrhunderts angesetzt werden.Damit können wir für die Friesacher Fresken schließen, daß sie nicht vor1225 entstanden sein können.

Das bisherige Ergebnis kann man durch ein technisches Kriterium be-stätigt sehen. Erstmalig in Österreich sind hier Stukkaturen als Teil einer

22 Branner, ~., Manuscript Painting in Paris during the reign of St. Louis. A study of styles(California Studies In the history of Art 18) Berkeley, Los Angeles, London 1977.

23 Branner, R., ebenda, S. 61H.24 Branner, R., ebenda, S. 80 und 220.2S Schmidt, G., Materialien zur französischen Hochgotik Il,Bibeln und theologische Hand-

schriften in österreichischen Klosterbibliotheken. In: Wienerjahrbuch für Kunstgeschich-te XXXVII, 1984. S. 141-155, Abb. 13, S. 247.

2& Josephus Flavius, Antiquitates Judaicae de Bello Judaico. Chantilly, Notice 5, Ms. no.1632-1633 (Meurgey, J., Les principaux Manuscrits a peintures du Musee Conde a Chan-

27 ~~~'rl, P., Die illuminierten Handschriften der Steiermark. Wien 1911, Abb. 88, S. 86£.(Wi~khoH! F.lDvorak, M., Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriftenin Österreich].

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Wandmalerei verwendet", Dieses Material kennen wir in dieser Verwen-dung sonst nur in Werken des zackbruchigen Stils (z. B. Westempore vonGurk, Göttweigerhofkapelle in Stein). Die Nimben der Heiligen und Apo-stel, die Stolen-, Dalmatik- und Ärmelborten der Bischöfe und die Wangendes Thrones Mariens sind aus Stuck in das Fresko eingesetzt. Der Stuckdiente als Träger der Vergoldung, was den Fresken eine äußerst kostbareWirkung verliehen haben muß. Die älteste mir bekannte Verwendung vonStuck in Fresken findet man bei den 1166 datierten Wandmalereien derSt. Patrokluskirche in Soesr". In ihrem Umfeld gibt es gerade im 2. Vierteldes 13. Jahrhunderts mehrere Beispiele, so etwa St. Maria zur Höhe inSoesr'? oder die alte Pfarrkirche in Methler",

Zu Fragen einer stilistischen Einordnung

Wie schwierig es auf Grund des Erhaltungszustandes der Fresken ist,sich über stilistische Kriterien ein klares Bild zu verschaffen, möchte icham Beispiel des Gewandes Christi aus der Abendmahlsszene (Abb. 5) zei-gen: Während am Ärmel die vielschichtige und feine Binnenstruktur nochsehr gut erhalten ist und uns den Eindruck eines zarten, transparenten Stof-fes vermittelt, ist sie bei dem roten Ubergewand fast völlig verloren gegan-gen. Man kann die Gestalt der Falten beinahe nur an der Gestaltung desGewandsaumes ablesen. So entsteht ein inhomogener Eindruck, der eineBeurteilung beträchtlich erschwert.

Allgemein gilt, daß die Figuren, die unsere Wandmalereien bevölkern,harmonisch proportioniert sind, wobei die Beine leicht überlängt scheinen.Die Körper sind plastisch, voluminös gestaltet (Abb. 6). Im Bereich derBeine wird sehr genau zwischen den glatt anliegenden und den frei fallen-den Gewandpartien unterschieden, wie es dem jeweiligen Bewegungsablaufentspricht.

Die Gestaltung der Gewänder nimmt also auf den Körper Rücksicht,so wird sehr genau gezeigt, wie ein Kleid um eine Körperpartie herumge-legt ist (vgl. Abb. 5). Die Gewänder kleben nicht am Körper fest, sondernhüllen ihn, sein Volumen vergrößernd, ein. Die Falten fallen ruhig, ohneEigendynamik zu entwickeln. Das Faltenrepertoire reicht von parallelen

28 Dazu auch: Ginhart: Anm. 1, S. 82£.; ebenso Enzinger, S., a. a. 0., 1973, S. 100. - Stuckals Werkstoff war seit der Antike bekannt und wurde zur Ausstattung bedeutender Räu-me verwendet (z. B. Baptisterium der Orthodoxen in Ravenna, 5./6. Jahrhundert). Auchin der karolingischen Kunst war er bekannt, z. B. Malls, um 800. Im 12. Jahrhundertkannte man Stuck auch in Salzburg, so etwa ist am äußeren Bogen der Apsis der Gebharts-kapelle in Friesach also in unmittelbarer Nähe zur Rupertikapelle, ein Fries aus Stuck ge-bildet, wobei aber eine Vergoldung unsicher ist. .

29 Ginhart, Anm. 1, S. 84; Abbildung in: Schmitz, H., Soest, Leipzig 1908, Abb. 50, S. 53.30 Ebenda, Abb. 51, S. 54.31 Diese Beispiele werden auch von Ginhart, Anm. 1, S. 84, genannt.

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Faltensträngen über Röhrenfalten bis zu V-Falten. Auffällig ist auch dieNeigung, die Falte hart um eine Kante, eine Linie umbrechen zu lassen.Dieser Zug zur Geometrisierung kommt besonders an den Gewandsäumenzur Geltung (vgl. Abb. 6).

Daneben sind Stoffe völlig flach gestaltet, etwa die Kaseln der Bischöfe.Dieses Element taucht in der Romanik häufig auf; aus den unzähligen Bei-spielen sei nur an den HI. Romanus der Gebhartkapelle in Friesacherinnert",

Karl Ginhart versuchte auf Grund einzelner Merkmale, etwa der "aus-geprägten Körperhaftigkeit" oder der "Fächer- und Halbfächerfalten" einestilistische Einordnung vorzunehmen", Allerdings wählte er diese Verglei-che so allgemein, daß die Beispiele z. B. zu den Fächer- und Halbfächerfal-ten über das ganze 12. Jahrhundert gestreut sind, ja sogar bis ins 10. Jahr-hundert reichen.

Allgemein fühlt sich Ginhart stark an Byzantinisches, speziell an Wer-ke der makedonischen Renaissance, erinnert. Doch zieht er zum VergleichWerke aus der Mitte des 12. Jahrhunderts heran, etwa Cefalu". Hier ist esdie ruhige Monumentalität, die zum Vergleich anregt, doch weist dieGewandbehandlung nicht die konsequente Linienführung auf und unter-scheidet sich im Detail stark von den Fresken der Rupertikapelle. Auch dievon Ginhart oft zitierten Wandmalereien von St. Panteleimon in Nerezi",1164 datiert, unterscheiden sich stark von den Friesacher Fresken: So sinddort die Figuren stark gelängt, ihre Bewegungen erscheinen abrupt, dieKleider kleben am Körper. Vergleichbar scheint hier wie dort das Bemü-hen, transparente Stoffe zu gestalten (in Nerezi das Lendentuch Christi beider Kreuzabnahme, in der Rupertikapelle der Ärmel Christi des Abend-mahlfreskos); doch geschieht das mit völlig verschiedenen Mitteln. Insge-samt wirken die Fresken von Nerezi unruhiger, unklassischer.

Im Zusammenhang mit unserer Fragestellung scheint mir eine Kon-zentration auf die byzantinische Entwicklung um und nach 1200 zielfüh-rend. Demus" beschreibt die Entwicklung nach 1200 als zweigeteilt. Ein-zelne Gebiete halten am spätkomnenischen Stil fest, der schon ab dem3. Viertel des 12. Jahrhunderts einsetzt", Andere Gebiete schließen sich

32 Feuchtmüller, R., Kunst in Österreich, Bd. 1, Wien 1972, Abb. 6.33 Ginhart, Anm. 1, S. 77f., S. 80.H Ginhart, Anm. 1, S. 51. Abbildung in: König, W., Cefalu, der sizilianische Normannen-

dom, Kassel 1963, Abb. 49.35 Rice, D. T., Byzantinische Malerei, Frankfurt/Main 1968, Abb. 11.36 Demus 0., Romanische Wandmalerei, S. 33.37 Der spätkomnenische Stil ist dadurch charakterisiert, .daß die Gewänder wie vom Sturm-

wind erfaßt mit fliegenden Zipfeln und durcheinanderwirbelnden Falten" dargestellt sind.Der Eindruck von Bewegtheit wird noch dadurch gesteigert, daß die Gelenke in besonde-rer Weise betont und aus den kreisenden Faltenströmen scheiben- oder buckelartig heraus-modelliert werden (z. B. Hocheppan), frei nach Demus, 0., Romanische Wandmalerei,S.33.

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einer klassizistischen Reaktion an, die auf die ruhigeren, einfacheren undmonumentaleren Formen des 10. Jahrhunderts, der sogenannten makedo-nischen Renaissance, zurückgreift". Vergleichen wir die Fresken derRupertikapelle mit Werken, die dieser Renaissancebewegung zugerechnetwerden, so zeigt sich, daß diese Elemente auch in Friesach ihren Nieder-schlag gefunden haben.

Die Fresken der Marienkirche in Studenica (Abb. 7), die 1209 entstan-den sind, zeigen plastische, ja voluminöse Figuren, eine Beruhigung desFaltenwurfs und die Linie als wichtiges gestalterisches Element", Im Un-terschied zu den Fresken der Rupertikapelle sind in Studenica die Köpfe imVerhältnis zum Körper allerdings relativ klein. Ein ähnliches Bild wie dieFresken der Marienkirche in Studenica bieten die Fresken in Zica, die um1219 entstanden sind",

Weiters möchte ich einen um 1200 entstandenen Codex, der sich heutein der Walter's Art Gallery (Cod. 10531) befindet, zum Vergleich heran-ziehen (Abb. 8)41. Die Gestaltung der Figuren, die in sich geschlossen sind,ist ruhig, der Körperbau harmonisch. Im Bereich der Beine fallen die Fal-ten wie eckige Röhren, während man im Bereich des Oberkörpers eineweichere Behandlung des Stoffes findet. Besonders fällt auf, daß die Gestal-tung des Ärmels Christi im Codex fast auf den Strich genau der des ÄrmelsChristi im Abendmahlsbild der Rupertikapelle gleicht.

Die enge Verbindung zu byzantinischen Vorlagen beschränkt sich abernicht nur auf den Stil, sondern findet auch in der Ikonographie ihren Aus-druck:

Das östliche Joch der Kapellennordwand wird in seiner gesamten Brei-te von der Darstellung des Einzuges Christi in Jerusalem eingenommen,die ganz dem byzantinischen Typus folgt: Eine große Volksmenge emp-fängt Christus vor den Toren der Stadt, und der Heiland sitzt seitlich undnicht rittlings auf einem Ese142

• Die Salzburger Tradition, als typisches Bei-spiel sei das Missale aus St. Florian (Stiftsbibliothek Cod. Ms. III)43 ange-führt, pflegt sich auf eine möglichst knappe Form zu beschränken, undChristus sitzt rittlings auf dem Esel",

38 Nach der Ansicht von Demus nimmt diese Bewegung ihren Ausgang in einer Renaissance-phase die in Konstantinopel vor der Zerstörung auflebte.

39 Dem~s, 0., Die Entstehung des Paläologenstils in der Malerei. In: Berichte zum XI. Inter-nationalen Byzantinistenkongreß, München 1958, S. 26.

4() Dernus, 0., Die .Entstehun~ des Paläologenstils, S..27.. .. ..1 Belting, H., ZWischen Gotik und Byzanz. In: Zeitschrift fur Kunstgeschichte 41, 1978,

S.237 .• 2 Schiller G., Lexikon zur christlichen Ikonographie, Bd. 2, Hamburg 1968, S. 28ff.; eben-

so: Wit~leben, E. v., Einzug in Jerusalem. Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte IV,1958, S. 68.

H Missale aus St. Florian, Stiftsbibliothek. Cod. III 208, BI. 154. Siehe: Swarzenski, G., DieSalzburger Malerei, Taf. CIX, Abb. 371.

« In der Gurker Westempore ist der Einzug in Jerusalem ganz ähnlich wie in Friesach darge-stellt, nur ist die Menschenmenge et~as reduziert. Die Darstellung in Gurk dürfte von je-ner der Rupertikapelle abzuleiten sein.

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Besonderes Augenmerk verdient die Darstellung des Abendmahls desöstlichen Jochs der Kapellensüdwand (Abb. 9); auch sie folgt byzantini-schen Vorbildern, die Christus als Gastgeber am rechten Tischende zeigen.Am auffälligsten ist, daß die Jünger so um den Tisch, auf dem Schüsseln,Brote und Bestecke liegen, angeordnet sind, daß drei von ihnen mit demRücken zum Betrachter sitzen. Diese Form der Anordnung von Sitzfigu-ren leitet sich letztlich von spätantiken Versammlungsbildern ab, wie wires bei der Gestaltung des Josephsgastmahls einer Ephraim-Syrakus Hand-schrift (Mc. KeIl. Ms. fo1. 49v) (Abb. 10) aus dem 5./6. Jahrhundertfinden", Aus der zeitgenössischen Kunst ist mir nur eine verwandte Dar-stellung bekannt, und zwar ein sächsisches Evangeliar, das um 1240-50 da-tiert wird und sich heute in der Nationalbibliothek in Wien (Sn. 12760) be-findet (Abb. 11)46.Die Ähnlichkeiten sind so groß, daß man für Friesachund den sächsischen Codex ein gemeinsames byzantinisches Vorbild an-nehmen kann.

Scheint auch die Verbindung zu östlichen Vorbildern sowohl im Stilwie auch in der Ikonographie gesichert, so darf man, um sich ein vollstän-diges Bild zu verschaffen, auch andere Elemente nicht übersehen:

Aus den erhalten gebliebenen Freskenteilen der Rupertikapelle läßtsich ablesen, daß sie stilistisch nicht ganz einheitlich sind. So paßt die Ge-staltung des anliegenden Stoffes am Oberschenkel des blaugekleidetenMannes (Abb. 6) nicht ganz in das Bild, das wir durch bisherige Vergleichekennen. Die anliegende Gewandpartie, eine helle scheibenartige Ovalform,deren Kontur von einer hellen Linie rahmend verstärkt wird, erinnert anFormeln, wie sie im Benhold-Missaledes Klosters Weingarten42 verwendetwerden, die damit einer anderen, eigenständig rezipierenden, etwas älterenStilwelt zugehören.

Die architektonische Rahmung der Abendmahlsszene wieder läßt sichsehr wohl mit Beispielen aus der salzburgischen Buchmalerei vergleichen.Turmartige Versatzstücke am Rande der Szene und ein zinnenbewehrterFries, der auf einer Säule aufliegend die ganze Szene überspannt, gehörenetwa im Luitold-Evangeliar", das in das 2. Viertel des 12. Jahrhunderts da-tiert wird, zum geläufigen Repertoire. Allerdings sind bei den Beispielenaus dem 12. Jahrhundert Zinnen und Häuser rein flächig aufgefaßt, wäh-rend wir in der Rupertikapelle dem Versuch begegnen, dreidimensional zugestalten, was besonders bei den Zinnen deutlich wird: Die Vorderflächen

4S Pächt, 0., Ephraim-Illustration, Haggadah und Wiener Genesis. In: Festschrift Swoboda,Wien 1959, S. 213-223.

46 Koos, R., Drei niedersächsische Bilderhandschriften des 13.Jahrhunderts in Wien, Göttin-gen 1976, S. 11-108.

47 Swarzenski, G., The Bertold-Missal. The Pierpont Morgan Libary Ms. 710 and the Scrip-torium of Wein~arten Abbey, New York 1943, pI. XXXV. fol. 120.

48 Luitold-Evangehar, Wien NB Cod. 1244, fol176v (Abbildung: Swarzenski, G., Die Salz-burger Malerei. Taf. LXXX).

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sind in einem hellen, die Deck- und Seitenflächen in einem dunkleren Blau-ton gestaltet. Abgesehen von dieser farbliehen Differenzierung scheinenaber die räumlichen Vorstellungen recht vage, da die linke Oberkante ein-fach die Vorderkante verlängert und nicht perspektivisch schräg ist.

Einen weiteren Versuch einer farblieh-plastischen Differenzierung fin-det man bei der Rahmung der Marmorintarsien in der Sockelzone der bei-den östlichen Joche, die von Rosa bis Violett abschattiert und von einemweißen Rankenband geschmückt ist. Erstaunlich Ähnliches, sowohl wasdie Farbgebung als auch die plastische Wirkung, das Motiv des Rankenban-des als auch die Funktion betrifft, zeigt uns die Intarsienrahmung des Pil-gerdormitoriums der Johanneskirche in Taufers". Diese Wandmalereienwerden in das 1.Drittel des 13. Jahrhunderts datiert und mit S. Marco inVenedig in Verbindung gebracht, wobei wir hier an die vielbesprocheneBeziehung zwischen Venedig und Salzburg denken'P,

Letztlich weisen aber auch die Buntfarbigkeit. die hellen Lichtungenund die sparsame Verwendung von dunklen Schattierungen und Farben(der Zustand der Fresken scheint diese Aussage noch zu erlauben) auf diesalzburgische Tradition hin, wo wir diese Elemente ab der Mitte des12. Jahrhunderts (Paradies von Nonnberg ... ) kennen. Beachtenswert istauch der Hinweis der Restauratoren, daß die Maltechnik der Fresken anWestlichem orientiert sei".

Ziehen wir aus all diesen Beobachtungen ein Resümee, so zeigt sich,daß der Künstler, der die Fresken der Rupertikapelle schuf, stilistisch wieikonographisch an Byzantinischem, speziell an Makedonischem geschult,bzw. orientiert war. Allerdings weisen stilistische Unterschiede zu denmakedonischen Wandmalereien (etwa die Proportionen der Figuren) unddie Maltechnik darauf hin, daß er Westeuropäer war.

Als er die Kapelle ausstattete, muß er wenigstens einen französischenfrühgotischen Codex gekannt haben, da die Volutenmotive in der Apsiswie Vergrößerungen eines französischen Ornamentvorbildes wirken.Allerdings blieb der Meister in seinem Figurenstil von modernen frühgoti-schen Formen unberührt und auch den sächsisch-thüringischen "zack-brüchigen" Stil übernahm er nicht in seine Formenwelt. Die zuletzt ge-machten Beobachtungen über kleinere Details der Fresken lassen vermu-ten, daß der Künstler aus dem süddeutschen, bzw. salzburgischen Raumstammen könnte.

Unabhängig davon aber zeigt sich, daß die Frühdatierung 1130-1140nicht haltbar ist. Auch eine Entstehung Ende des 12., Anfang des 13. Jahr-hunderts erscheint etwas zu früh; man wird wohl eine Datierung zwischen

49 Myss W. / Posch, B., Die Vorgotischen Fesken Tirols, Wien 1966, S. 108, Abb. 82.50 Dem~s, 0., Salzburg - Venedig - Aquileia. In: Festschrift Swoboda, Wien 1959,

S.75-83.51 Enzinger, S., Restaurierung romanischer Wandmalereien (Anm. 13), S. 97.

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1225 und 1235 annehmen müssen. Weiters haben die Überlegungen zu sti-listischen Fragen gezeigt, daß die Bemerkung Ginharts, es müsse sich umeinen altertümlichen, den Formen von 1170/s0 verpflichteten Meisterhandeln", unberechtigt ist.

Exkurs zu den Fresken derWestwand der Rupertikapelle

Die Westwand der Rupertikapelle wurde einst in ihrer gesamten Breiteund Höhe von der Darstellung des Thrones Salomonis (Abb. 12) einge-nommen, einem Bildtypus, der auf einen gedanklichen Symbolismus zu-rückgeht, der Maria als den Thron Salomonis, wie er in der Bibel beschrie-ben ist (Könige 1,10,18), und Christus als den neuen Salomo sieht", Heutesind davon nur mehr klägliche Reste erhalten, doch helfen historische Auf-nahmen (Abb. 13 ist eine solche), sich ein relativ genaues Bild zu machen.Die Friesacher Darstellung des Thrones Salomonis wird in der kunsthisto-rischen Forschung als ältestes erhaltenes Beispiel dieses ikonographischenTyps bewertet und als Vorläufer des Thrones Salomonis in GurkH ge-sehen.

Der Vergleich der beiden Fresken zeigt aber, daß das Friesacher Werkin seiner Ikonographie reicher und komplexer war als das in Gurk: Als er-ste Besonderheit des Freskos der Rupertikapelle fällt auf, daß einer der Lö-wen in den Schoß Mariens gesprungen ist, sich mit den Vorderpranken aufdie Schultern Christi stützt und den Heiland küßt. Ginhart bezeichnet ihnals den Löwen Juda, als Vertreter des auserwählten Stammes".

Ebenfalls abweichend von Gurk befinden sich in der Rupertikapelleunter dem Suppedaneum des Thrones drei Arkaden. In der mittleren, et-was erhöhten Arkade hat sich der nimbierte Kopf einer männlichen Halb-figur erhalten, in der linken Arkade kann man aus den erhaltenen Frag-menten eine etwas zierlichere, leicht zur mittleren Gestalt geneigte Figurerkennen. Ginhart bezeichnet diese Personen als Propheten", doch scheintuns, daß man aus der Haltung der Figuren, der Zuordnung aufeinanderund der Betonung der Mittelfigur durch die erhöhte Arkade auf eineDeesis-Gruppe schließen kann. An dieser Stelle sei nur an die bekannteDeesis der Hagia Sophia in Konstantinopel erinnert, wo wir eine sehr ähn-liche Gestaltung des Zueinanders der Figuren finden". Die Verbindung

52 Ginhart, K., Anm. 1, S. 90.53 Michna, Ch., Maria als Thron Salomonis. Vorkommen, Blüte Nachwirkung des mittelal-

terlichen Bildtyps, Phil. Diss. Wien 1950, S. 64; ebenso: Ginhan, Anm. 1, S. 91.H Michna, Ch., S. 65; Ginhan, Anm. 1, S. 50; Abbildungen: ebenda, Abb. 12; Demus, 0.,

Anm.7.ss Ginhart, C., 241, Anm. 1, S. 57.Sb Derselbe, S. 58.57 Rice, D. T.: Byzantinische Malerei, Abb. 6.

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Abb. 12: Thron Salomonis, Rupertikapelle, Photo um 1900

Thron Salomonis-Deesis ist meines Wissens unikal und vereint die beidenErscheinungsformen Christi als Gott und Mensch in einem Bild.

Die Komplexität des ikonographischen Programmes, es handelt sich jaum den frühesten Fall eines Thrones Salomonis, läßt die Frage zu, ob dieFresken der Kapellenwestwand nicht doch jüngeren Datums seien als dieübrige Ausstattung. Diese Frage wird auch durch die erhalten gebliebeneSinopia eines bärtigen Männerkopfes in der Mittelarkade (Abb. 13) aufge-worfen, da dieser ausdrucksstarke, mit wenigen markanten, großzügigenStrichen angelegte Kopf in seiner kraftvollen Lebendigkeit an Werke deszackbrüchigen Stils aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts erinnert'".

Man kann auch nicht annehmen, daß das fertiggestellte Fresko desThrones Salomonis in späteren Jahren durch die Deesis-Gruppe bereichertwurde, denn die Sinopia weist keinen Bruch zwischen dem Suppedaneumdes Thrones und den Arkaden der Deesis auf.

58 Zum Beispiel: Antependium aus Soest, in: Schrade, H., Romanische Wandmalerei, Köln1963, S. 212.

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Der Typus des Männerkopfes mit den starken Brauen, den eingefalle-nen Wangen und dem gewellten Haupt-und Barthaar war im Osten schonlange gebräuchlich; es sei aus der Fülle von Beispielen nur an die Mosaikenvon Daphni, um 110059

, erinnert.Nahe verwandt unserem Kopf ist der eines unbekannten Heiligen in

Backovo (Abb. 14), der als ein "typisches Beispiel der aus Griechenland im-portierten Kunst in Bulgarien'?" gilt und in die Mitte des 12. Jahrhundertsdatiert wird. Es lassen sich vor allem die Gesichtsproportionen, der Typusund die Tendenz zurVerlebendigung, wenn.auch in etwas gebändigtererForm, vergleichen. Ahnliches, was Ausdruckskraft, Lebendigkeit, dienichts mehr vom Schematismus der Jahrhundertmitte übrig läßt, betrifft,finden wir im Kopf des Aron einer Kreuzfahrerikone auf Sinai (Abb. 15,linke Figur), die an den Anfang des 13. Jahrhunderts datiert wird",

Wir müssen also nicht zu Beispielen aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhun-derts greifen, um stilistische Parallelen zu dem Kopf in der Rupertikapelle

. zu finden. Doch darf bei all diesen Vergleichen nicht außer acht gelassenwerden, daß wir vollendete Werke mit einer Vorzeichnung verglichen ha-ben. Es ist anzunehmen, daß bei der Ausführung und Fertigstellung derMalschichten, die ja verloren sind, einiges von der Spontaneität des freienPinselstriches geglättet wurde.

Als Hinweis auf eine gleichzeitige Entstehung aller Fresken der Kapellemuß auch gewertet werden, daß im Abendmahlsbild im Bereich desChristus- und des Johanneshauptes (Abb. 5) eine Sinopia zum Vorscheingekommen ist, die ebenfalls etwas von diesem spontanen Charakter be-sitzt. Allerdings sind es nur wenige Linien, und diese weisen nicht ganz dieDunkelheit auf, wie wir sie am Christuskopf der Westwand beobachtethaben.

Weiters kann die erhaltene Beinpartie einer der Tugenden, die.denThron umstanden, erfolgreich mit den byzantinischen Fresken von Mile-shevo (1235 datiert)62 verglichen werden: Hier wie dort ist der Gewand-saum dort, wo er auf die Füße trifft, in der gleichen Weise wulstartig umge-schlagen. Die aus Stuck gebildeten Thronwangen wieder erinnern am ehe-sten an die Gestaltung des Marienthrones im Matutinale des Conrad vonScheyern63, das um 1220 datiert wird.

Mit großer Wahrscheinlichkeit kann daher angenommen werden, daßdie Fresken an der Westwand der Rupertikapelle gleichzeitig mit den übri-

~9 Grabar, A., La peinture byzantine, Genf 1953, Abb. 114.60 Lazarev, V., Storia della pittura byzantina, Turin 1967, S. 222f.61 Sotiriou, G. u. M., Icones du Mont Sinai, Athen 1956, S. 245.62 Rice, D. T., Byzantinische Malerei, Abb. VI-IX; S. 40ff.63 Böckler, A., Zur Conrad von Scheyern-Frage. In: Jahrbuch für Kunstwissenschaft I, 1923,

S.83f.

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gen Fresken der Kapelle entstanden sind. Demnach handelt es sich also umdie älteste erhaltene Darstellung eines Thrones Salomonis.

Dieser Artikel ist die Zusammenfassung einer Seminararbeit, welche die Autorin im SS1984 im Oberseminar von Prof. Schmidt (Univ. Wien) vorgelegt hat. Bei Prof. Schmidt be-danke ich mich herzlich für seine wohlwollende Unterstützung und Förderung.

Abbildungsnachweis

Abb. 1: Von Dr. KollerlBDA Wien zur Verfügung gestellt - Abb. 2: Aufnahme Hayden-Abb. 3 und 4: Branner, R.: Manuscript paintin~ in Paris, Abb. 107 und 202 - Abb. 5, 6 und13: Aufnahmen des BDA Wien 1981, freundlicherweise zur Verfügung gestellt - Abb. 7:Frolow, A. / Millet, G.: La peinture du moyen age en Yougoslavie I, Paris 1954, PI. 35,3 -Abb. 8: Belting, H.: Zwischen Gotik und Byzanz, S. 234 - Abb. 9 und 12: Ginharn Carin-thia 1967,Abb. 25 und Abb. 20 - Abb. 10: Pacht, 0.: Ephraim-IIIustration, Haggadah, Abb.46 - Abb. 11:Koos, R.: Sächsische Bilderhandschriften, Abb. 7 - Abb. 14: Lazarev, V.: Sto-ria della pittura, Abb. 347 - Abb. 15: Sotirou, G. u. M.: Icones du Mont Sinai, Abb. 174.

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