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Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Februar 1961 betreffend die Nichtanwendbarkeit der...

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Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Februar 1961 betreffend die Nichtanwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention auf algerische Flüchtlinge Source: Archiv des Völkerrechts, 10. Bd., 2. H. (November 1962), pp. 240-243 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40796678 . Accessed: 17/06/2014 12:48 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.77.40 on Tue, 17 Jun 2014 12:48:03 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Februar 1961 betreffend dieNichtanwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention auf algerische FlüchtlingeSource: Archiv des Völkerrechts, 10. Bd., 2. H. (November 1962), pp. 240-243Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40796678 .

Accessed: 17/06/2014 12:48

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24ο Entscheidungen

Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Februar 1961

betreffend die Nichtanwendbarkeit der Genfer Flüditlingskonvention auf algerische Flüchtlinge*)

Im Rahmen der Geschichte des Kolonialismus sowie der Bestrebungen der Kolo- nialvölker nach Unabhängigkeit und Freiheit kann der zweite Weltkrieg für den französischen Machtbereich nicht gesondert als Ereignis vor dem 1. Januar 195 1 angesehen werden, auf das der in Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 niedergelegte Begriff anzuwenden wäre. Da die offenen Feind- seligkeiten zwischen Frankreich und den Algeriern erst nach dem 1. Januar 19 51 ausbrachen, entfällt die Anwendbarkeit der Genfer Konvention auf die Flücht-

linge aus Algerien.

Tatbestand und Entscheidungsgründe: I.

Der am 28. 10. 1930 in Algerien geborene A. ließ durch Rechtsanwalt Dr. B. am 21. 1. 1959 um das politische Asyl nachsuchen. Der Kläger sei bereits mit 15 Jahren in seiner Heimat wegen Teilnahme an einer für die nationale Freiheit der Algerier abgehaltenen Demonstration verhaftet und über ein Jahr lang eingesperrt worden. 1954 sei er wegen seiner Sympathie für die algerische nationale Bewegung verhaftet und nach Frankreich deportiert worden, wo er bis 28. 10. 1956 in verschiedenen Sammellagern festgehalten worden sei. Da er anschließend wiederholt grundlos neuerdings verhaftet worden sei und auch nicht in seine Heimat habe zurückkehren dürfen, sei er am 24. 1. 1958 in die Bundesrepublik geflohen.

Die Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge teilte Rechtsanwalt Dr. B. am 12. 1. 1950 mit, daß das Bundesinnenministerium für die Be- handlung der Algerier besondere Bestimmungen erlassen habe. Diesem Personenkreis könne gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Schutz gewährt werden. Das Verfahren bei der Bundesdienststelle nach der Genfer Konvention (GK) könne nicht durchgeführt werden.

Rechtsanwalt Dr. B. erhob mit Schreiben vom 4. 2. i960 - eingelaufen 9. 2. i960 -

dagegen Beschwerde. Am 8. 3. i960 erließ der Anerkennungsausschuß, ohne den An- tragsteller oder seinen Bevollmächtigten dazu geladen zu haben, einen ablehnenden Beschluß: Algerier würden vom Genfer Abkommen nicht erfaßt werden, da die Sonderregelung des Bundesinnenministeriums gemäß Art. 16 GG Platz greife. Im übrigen seien die Behauptungen des Klägers nicht erwiesen.

Der Beschluß wurde Rechtsanwalt Dr. B. am 21.3. i960 zugestellt. Mit einem am 23. 3. i960 eingelaufenen Schreiben erhob Rechtsanwalt Dr. B. Beschwerde und ver- zichtete auf eine mündliche Verhandlung.

Der Widerspruchsausschuß lehnte die als Widerspruch zu behandelnde Beschwerde mit Beschluß vom 15. 6. i960 ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen der GK erfülle. Jedenfalls habe der Kläger Frankreich nicht in- folge von Ereignissen verlassen, bzw. sei er nicht von Algier nach Frankreich ge- bracht worden zu einem Zeitpunkt vor dem 1. 1. 195 1. Nur wenn dieses Erfordernis gegeben gewesen wäre, hätte der Anspruch anerkannt werden können. Die Ver-

*) Abdruck nach: Ausfertigung des Verwaltungsgerichts Ansbach (Nr. 5621-III/60). Der Kläger hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt und im Berufungsrechtszug die Klage zurückgenommen. Daraufhin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluß vom 21. Juni 1961 {66 VIII 61) das Verfahren eingestellt.

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Entscheidungen 241

suche eines Teils der Algerier, sich vom Mutterland Frankreich zu lösen, seien erst neueren Datums. Die vor dem 1. 1. 195 1 unternommenen Versuche gingen von Ein- zelpersonen oder von unwichtigen kleineren Gruppen aus, was nicht als ein Ge- schehnis von grundsätzlicher Bedeutung zu werten sei. Außerdem sei die GK nur subsidiar anzuwenden. Frankreich sei selbst Mitglied der GK und habe dadurch sein Bekenntnis zu den Menschenrechtsgrundsätzen kundgegeben. Jedem Staat müsse es aber zugestanden werden, sich gegen die Untergrabung seines Verfassungs- und Staatssystems zu wehren. Den Staatsbürgern sei es unverwehrt, ihre politische Mei- nung zu äußern, jedoch müßten sie dies im Rahmen der Verfassung und der Gesetze tun. Ein Vorstoß gegen solche Gesetze werde nicht von der GK geschützt.

Gegen den am 23. 6. i960 zugestellten Beschluß erhob Rechtsanwalt Dr. B. namens und mit Vollmacht des Klägers mit Schreiben vom 30. 6. i960 - eingegangen am 7. 7. i960 - Klage mit dem Antrag: 1. Der Beschluß vom 8. 3. i960 und der Wider- spruchsbeschluß vom 15. 6. i960 der Bundesdienststelle für die Anerkennung auslän- discher Flüchtlinge in Nürnberg (Az.: Alger 13) werden aufgehoben. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich die dem Kläger durch Zuziehung eines Bevollmächtigten entstanden sind, zu tragen.

Zur Begründung wurde vorgetragen: Das Algerien-Problem habe seine Wurzeln in der politischen Lage Algeriens, wie sie sich während und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg ergeben habe. Man müsse in der Entwicklung in Algerien sehr wohl ein Ereignis vor dem 1.1.1951 sehen. Auch die Volksrepublik Jugoslawien sei dem Genfer Abkommen beigetreten. Trotzdem erkenne man Bürger dieses Staates als ausländische Flüchtlinge an. Es werde nicht bestritten, daß Frankreich ein Rechts- staat sei; man dürfe aber das Bestreben der Algerier nach nationaler Selbständig- keit nicht als Untergrabung des französischen Verfassungs- und Staatssystems dar- stellen, wenn man schon den Kannibalen-Stämmen ihre Unabhängigkeit gewähre. Wenn sich Teile einer Nation auf die nationale Selbstbestimmung beriefen, könne man dies nicht unbeachtet lassen. Insbesondere müsse man auch die Möglichkeit be- rücksichtigen, daß Algerien relative oder absolute Unabhängigkeit erhalte.

Die Bundesdienststelle beantragte die kostenpflichtige Klageabweisung und bezog sich auf die Begründung in den beiden angefochtenen Bescheiden.

Auf Anfrage des Gerichts teilte das Französische Generalkonsulat unter Über- lassung der entsprechenden gesetzlichen Unterlagen mit, daß Algerien Bestandteil des französischen Mutterlandes sei.

II. Das Gericht kann schriftlich entscheiden, § 10 1 II VwGO. 1. Die nach Durchführung des Vorverfahrens (§15 AsylV, §§ 48, 38 VGG,

Art. 6 a VO 85, §68, §77 VwGO) frist- und formgerecht (§§ 74, 81, 82 VwGO) bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach (§§ 40, 45, $2 Nr. 2 VwGO) er- hobene Klage ist zulässig, denn der Kläger macht geltend, durch die den Gegen- stand der Klage bildenden Verwaltungsakte der Bundesdienststelle für die Aner- kennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg, mit denen die beantragte Anerken- nung als ausländischer Flüchtling versagt worden ist, in seinen Rechten verletzt zu sein (§§ 42, 79 VwGO).

2. Als ausländische Flüchtlinge werden nach § 5 der Asylverordnung - AsylV - vom 6. 1. 1953 (BGBl. I S. 3) diejenigen Personen anerkannt, die Flüchtlinge i. S. des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. 7. 195 1 (BGBl. II S. 559) - Genfer Konvention = GK - sind, d.h. die ihre Heimat infolge von Ereignissen, die vor dem 1.1.1951 eingetreten sind, aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Über- zeugung oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ver-

16 ArdiVR 10/2

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242 Entscheidungen

lassen haben oder aus diesen Gründen den Schutz ihres Heimatlandes nicht in An- spruch nehmen können oder wollen.

Begründet ist die Furcht vor Verfolgung, wenn der Asylsuchende entweder in seinem Heimatland bereits aus den in der GK genannten Gründen verfolgt worden ist oder »gute Gründe" dafür anführen kann, warum er dort solche Verfolgung be- fürchtet (vgl. Robinson, Kommentar zur GK, New York 1953, S.48).

Der Kläger ist Nichtdeutscher. Er bezieht sich auf den Beginn des zweiten Welt- krieges, weil er in ihm das Ereignis vor dem 1.1.1951 sieht, das die Bestrebungen weiter Kreise der Bewohner Algeriens nach einem selbständigen Staat ausgelöst habe.

Das Gericht muß diese eine Voraussetzung für die Anwendung der GK vorab prüfen:

Das heutige Algerien wurde vor etwa 130 Jahren von Frankreich besetzt. Im Laufe der Entwicklung wurde Algerien ein Bestandteil des französischen Mutter- landes (La France d'outre-mer; vgl. Code de la nationalité française ν. 19· ίο. 1 945)· Nach der Verfassung (in der englischen Ausgabe von Peaslee, Constitutions of Na- tions) vom 28.9.1946 (Art. 80, 81) haben die Bewohner den gleichen Status wie die des europäischen Frankreichs, der ihnen die in der Präambel der Verfassung auf- gezählten Rechte gewährt; hier wird auch die Deklaration der Menschen- und Bür- gerrechte vom 26. 8. 1789 neu bestätigt. Staatsrechtlich bedeutet dies, daß Algerien nicht als Kolonie anzusehen ist. Wenn trotzdem weite Kreise der algerischen Bevöl- kerung sich als unselbständiger Bevölkerungsteil, gleichsam als „Kolonialvolk", be- trachten, so ist diese Auffassung staatsrechtlich nicht haltbar, jedoch kann sie vom Standpunkt dieser Kreise aus politisch vertreten werden. Das Streben dieser Men- schen, auch staatsrechtlich aus dem Verband der französischen Union auszuscheiden und einen eigenen selbständigen Staat zu bilden, ist ein politisches Faktum, das im Verhältnis zum französischen Staat für den einzelnen einen der in der GK nor- mierten Tatbestände verwirklichen kann. Die GK verlangt aber, daß solche Tat- bestände auf ein Ereignis vor dem 1. 1. 1951 zurückgehen oder wenigstens als „after effect" zu werten sind. Bei der Abfassung der GK war in erster Linie an die Unter- werfung vieler Staaten durch den Kommunismus gedacht. Jedoch hat sich der objek- tivierte Wille der Vertragsparteien davon gelöst, so daß auch andere Ereignisse als die kommunistischen Unterjochungen im Sinne der GK verstanden werden müssen.

Der Kläger sieht dieses Ereignis in dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, der den Bestrebungen der bisherigen Kolonialvölker nach Unabhängigkeit einen ent- scheidenden Auftrieb gegeben habe. Dazu ist festzustellen, daß der zweite Welt- krieg von Hitler erst vom Zaun gebrochen wurde, als er sich zuvor mit dem deutsch- russischen Vertrag 1939 gegen einen Zweifrontenkrieg gesichert hatte, so daß zu fragen wäre, ob nicht schon dieser Vertrag als das Ereignis im Sinne der GK zu werten wäre. Jedenfalls kann aber der Ausbruch des zweiten Weltkrieges als ein „after effect" dieses Vertrages angesehen werden.

Die Bestrebungen der Kolonialvölker nach Unabhängigkeit und Freiheit sind so alt wie der Kolonialismus selbst. Denn zu allen Zeiten sind in den Kolonialgebieten Kräfte am Werk gewesen, die die Kolonialherrschaft wieder abschütteln wollten. Wenn auch diese Kräfte zunächst im Hinblick auf das erstrebte Ziel völlig unbe- deutsam waren, so nahmen sie im Laufe der Zeit an Bewußtsein, Intensität und organisatorischer Formung zu. Die englische Kolonialpolitik war von Anfang an darauf gerichtet, die „Kolonialvölker" zur Freiheit und Selbstregierung zu erziehen; die anderen Kolonialnationen konnten sich dieser praktizierten Tendenz ebenso- wenig verschließen - und sei es auch zunächst nur aus dem Bestreben heraus, Zeit zu gewinnen -. Bereits nach dem ersten Weltkrieg war der Gedanke an Kolonien in der internationalen Völkergemeinschaft so abgebaut gewesen, daß man es nicht mehr gewagt hatte, die ehemals deutschen Kolonien wieder in den kolonialen Status zurückzuversetzen. Man schuf die Völkerbundsmandate, die deutlich zeigten, daß

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diese Gebiete und Völker nicht mehr unter die politische Oberhoheit eines einzelnen Staates kommen sollten, sondern daß die unmittelbaren Hoheitsträger ihre Macht über das Gebiet im Auftrag des Völkerbundes ausübten, demgegenüber sie verant- wortlich waren. Die Staaten mit kolonialem Besitz fanden seitdem immer neue Zwi- schenformen, um die Kolonien aus dem ursprünglichen Status herauszuführen. Po- litische Bestrebungen oder politisch bedeutsam gewordene Gruppen in den ehemali- gen Kolonien und staatsrechtliche Formen übten aufeinander eine Wechselwirkung aus. Auch der zweite Weltkrieg änderte an dieser langen Entwicklung im Prinzip nichts, mag er sie auch beschleunigt haben. Niemals läßt sich in der Geschichte des Kolonialismus ein als Zäsur zu betrachtendes Ereignis feststellen, auf das der in der GK niedergelegte Begriff anzuwenden wäre.

Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß die französischen Regierungen der letzten Epoche ständig ehemalige Kolonien aus ihrer Botmäßigkeit entlassen haben und daß auch für Algerien die Konzeption des Generals de Gaulle - ein algerisches Algerien - die Billigung der Mehrheit der Wähler im europäischen Frankreich und in Algerien gefunden hat. Auch für den französischen Machtbereich sind die allge- meinen Entwicklungsphasen von der kolonialen Beherrschung bis zur Gewährung der Unabhängigkeit zu erkennen. Der zweite Weltkrieg kann daher auch für den französischen Machtbereich nicht gesondert als Ereignis vor dem 1.1.1951 angese- hen werden.

Die offenen Feindseligkeiten zwischen Frankreich und den Algeriern, die nun- mehr eine eigene Exilregierung bildeten, brachen erst nach dem 1.1.1951 aus, so daß auch der Beginn der Kämpfe in Algerien nicht als ein Ereignis im Sinne der GK angesehen werden kann.

Damit entfällt die Anwendbarkeit der GK auf die Flüchtlinge aus Algerien. 3. Dieser Rechtslage hat auch die Bundesregierung im Vollzug des Art. 16 Abs. II

Satz 2 GG bezüglich der Algerier Rechnung getragen, als die Innenminister der Länder durch den Bundesinnenminister bereits 1957 und wiederholt 1958 darauf hingewiesen worden waren, daß für die algerischen Flüchtlinge das politische Asyl gemäß Art. 16 Abs. II Satz 2 GG von den allgemeinen Ausländerpolizeibehörden zu prüfen sei. Die Bundesdienststelle ist aber nur zum Vollzug der GK eingerichtet, so daß diese Behörde über die Gewährung des Asyls nach Art. 16 Abs. II Satz 2 GG nicht entscheiden kann. Die algerischen Flüchtlinge sind in Deutschland nicht schutz- los, sie können sich gegenüber jeder deutschen Dienststelle und jedem deutschen Ge- richt auf Art. 16 Abs. II Satz 2 GG berufen.

4. Die Bundesdienststelle hat den Asylantrag des Klägers zu Recht abgewiesen. Die Klage mußte erfolglos bleiben. Als unterlegen hat der Kläger auch die Kosten des Verfahrens zu tragen, §§ 154, 161 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 II VwGO und § 709 Ziffer 4 ZPO.

Die Frage, ob der zweite Weltkrieg als Ereignis vor dem 1.1.1951 für die An- wendung der GK auf die algerischen Flüchtlinge zu werten sei, war für das Urteil entscheidend, ihr kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Es war daher gemäß § 132 VwGO in Verbindung mit dem Gesetz vom 21. 1. 1960 (BGBl. I S. 23) die Berufung zuzulassen.

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