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Urteil des Gerichtshofes für Kriegsverbrechen in Luxemburg vom 28. Juli 1949 in Sachen Hemmerling

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Urteil des Gerichtshofes für Kriegsverbrechen in Luxemburg vom 28. Juli 1949 in Sachen Hemmerling Source: Archiv des Völkerrechts, 2. Bd., 4. H. (August 1950), pp. 494-497 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40795905 . Accessed: 14/06/2014 05:52 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.251 on Sat, 14 Jun 2014 05:52:31 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Urteil des Gerichtshofes für Kriegsverbrechen in Luxemburg vom 28. Juli 1949 in SachenHemmerlingSource: Archiv des Völkerrechts, 2. Bd., 4. H. (August 1950), pp. 494-497Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40795905 .

Accessed: 14/06/2014 05:52

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lassung der Anzeige von bevorstehenden Handlungen regulärer, dem Okkupanten feindlicher Streitkräfte unter Strafe stellt, für völkerrechtswidrig halten. Da jedoch die Frage, ob eine solche Strafandrohung hinsichtlich völkerrechtswidriger Hand- lungen (z. B. Sabotage) seitens irregulärer Verbände in der Literatur nicht einheit- lich beurteilt wird, läßt das Gericht diesen Zweifel den Angeklagten zugute kommen.

Die strenge Objektivität des Urteils ist zu begrüßen. Rothholz

Urteil des Gerichtshofes für Kriegsverbrechen in Luxemburg vom 28. Juli 1949

in Sachen Hemmerling *)

Frage der Anwendbarkeit des Art. n8bis des luxemburgischen Strafgesetzbuches - widerrechtliche Umgestaltung des Staates und Verleitung luxemburgischer Bürger zur Verletzung ihrer Treupflicht - auch auf Angehörige der deutschen Okkupations- macht. Im Gegensatz zum belgischen Kassationshof bejaht das luxemburgische Ge- richt die Frage, spricht den Angeklagten aber aus subjektiven Gründen frei.

Tatbestand: Der Angeklagte ist vom i. Oktober 1940 bis zum 1. September 1944 im Groß-

herzogtum Luxemburg als Oberförster und Kreisjägermeister dienstlich tätig ge- wesen. Die Anklage leitet aus dieser Tätigkeit den Vorwurf her, daß er „freiwillig an der widerrechtlichen Umgestaltung durch den Feind von gesetzlichen Ein- richtungen oder Organisationen teilgenommen, in Kriegszeit die Treue der Bürger gegenüber dem Staatsoberhaupt und dem Staat erschüttert oder freiwillig der Politik und den Zielen des Gegners gedient habe, freiwillig eine Propaganda ge- leitet, auf irgendwelche Weise betrieben, bewirkt, unterstützt oder begünstigt habe, die sich gegen den Widerstand gegen den Feind oder seine Verbündete richtete oder die die Verwirklichung der oben erwähnten Ziele des Feindes be- zweckte", Kriegsverbrechen nach Art. 1 des Gesetzes vom 2. August 1947 in Verbindung mit Art. 118 bis des Strafgesetzbuches.

Aus den Gründen: In Erwägung, daß die Verteidigung geltend macht, Art. 118 bis des luxembur-

gischen Strafgesetzbuches sei nicht auf Ausländer und im besonderen nicht auf Angehörige des Feindstaates anwendbar.

In Erwägung, daß dieserArtikel nachfolgenden Wortlaut hat: „Wird mit lebens- länglicher Zwangsarbeit bestraft 1. jeder der (quiconque) freiwillig an der Umgestaltung von gesetzlichen Einrichtungen oder Organisationen durch den Feind teilgenommen, 2. in Kriegszeit die Treue der Bürger zur Herrscherin und zum Staat erschüttert, 3. und der freiwillig der Politik oder den Zielen des Feindes gedient hat"; „Wird desgleichen mit lebenslänglicher Zwangsarbeit be- straft 4. jeder der freiwillig eine Propaganda geleitet, auf irgendwelche Weise be- trieben, bewirkt, unterstützt oder begünstigt hat, die sich gegen den Widerstand gegen den Feind oder seine Verbündeten richtete oder die die Verwirklichung der oben erwähnten Ziele des Feindes bezweckte";

In Erwägung, daß der, in vorstehender Formulierung, vom Gesetzgeber ge-

*) Urtext deutsch. - Vgl. zu dem Urteil die Anmerkung von Schätzel unten S. 499.

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brauchte Ausdruck „jeder der", im Gegensatz z. B. von Artikel 113, der nur von Luxemburgern spricht, so allgemein und allumfassend ist, daß er, ohne die Nationalität des Täters zu berücksichtigen, die dort angegebenen Tatbestände unter Strafe stellt;

daß dieser Text zudem vollständig im Einklang steht mit Art. 3 des Strafgesetz- buches und Art. 7 der Kriminalprozeßordnung, welch ersterer bestimmt, daß die auf dem Gebiete des Großherzogtums begangenen Straftaten nach dem luxem- burgischen Strafrecht geahndet werden, einerlei ob die Täter Luxemburger oder Ausländer sind; während der letztgenannte Artikel sogar bestimmt, daß die luxem- burgischen Gerichte zuständig sind zur Aburteilung von Ausländern, welche sich im Auslande, als Täter oder Gehülfen, eines Verbrechens gegen die Sicherheit des luxemburgischen Staates schuldig gemacht haben;

In Erwägung, daß demgegenüber die Verteidigung behauptet, der vom Gesetz- geber verfolgte Zweck und Sinn des Art. 118 bis bestehe darin, den Verrat unter Strafe zu stellen;

daß dieser Verrat jedoch bloß von luxemburgischen Staatsangehörigen oder höchstens nur von solchen Ausländern, welche schon vor dem Kriege ein Gast- recht in Luxemburg genossen hatten, begangen werden könnte;

daß sie sich hierbei auf die Erkenntnisse des Brüsseler Militärgerichtshofes vom 21. Januar 1949 sowie des belgischen Kassationshofes vom 10. Juli 1949 be- ruft, indem sie geltend macht, daß Art. 118 bis des belgischen Strafgesetzbuches mit dem Art. 118 bis des luxemburgischen Strafgesetzbuches gleichlautend sei;

daß aus den Vorarbeiten des belgischen Art. 118 bis jedoch klar und deutlich hervorgehe, daß die Idee des Verrates den Sinn und den Zweck dieses Artikels wesentlich bestimme;

In Erwägung, daß bei der Feststellung der Absicht des luxemburgischen Ge- etzgebers zunächst klarzustellen ist, daß Art. 118 bis des luxemburgischen Straf-

gesetzbuches, obschon rein formal und textual gesehen, so eng verwandt mit dem gleichen Artikel des belgischen Strafgesetzbuches, zu einer ganz anderen Zeit und unter gänzlich (anderen) leset: verschiedenen Vorbedingungen entstanden ist;

daß der belgische Text im I.Weltkriege erlassen wurde, wo Deutschland zwar einen großen Teil Belgiens besetzt hielt, ohne doch klar und deutlich Eingliede- rungs- oder Vernichtungsbestrebungen zu proklamieren oder in die Wege zu leiten;

daß außerdem zu jener Zeit die Idee der Bestrafung von Einzelpersonen für Völkerrechts Verletzungen sich noch nicht durchgesetzt hatte;

daß es unter diesen Umständen erklärlich erscheint, daß damals der belgische Gesetzgeber nur den Verrat durch Landesangehörige bestrafen konnte und wollte;

In Erwägung jedoch, daß im Jahre 1943, als die luxemburgische Exilregierung in London den Art. 118 bis promulgierte, gänzlich verschiedene Gegebenheiten, Umstände und Vorbedingungen vorlagen;

daß das dritte Reich schon seit Jahren seinen gewaltsamen Germanisations- und Annexionswillen unter Anwendung von Art. 1 des Parteiprogramms gezeigt hatte;

daß es besonders nach dem durch nichts entschuldbaren, völkerrechtswidrigen Einfall in Luxemburg, unter klarer Mißachtung der Mindestforderungen des Völkerrechts und des Anstandes unter zivilisierten Nationen, die Bewohner des Landes durch Terror von der Treuepflicht gegenüber der Herrscherin und dem Staat abzubringen suchte, seine völkerrechtswidrigen Annexionsbestrebungen deutlich zum Ausdruck brachte und dieselben mit allen ihm zur Verfügung stehen- den Gewalt- und Knechtungsmethoden rücksichtslos betreiben ließ;

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daß die luxemburgische Regierung davon unterrichtet war, daß zu diesem Zwecke ein großer Stab von Verwaltungsbeamten, Angehörigen der Polizei, Ge- stapo und Partei eingesetzt war, unter deren Führung eine Anzahl von verräte- rischen oder willensschwachen Luxemburgern Handlangerdienste leisteten;

daß zu dieser Zeit die luxemburgische Exilregierung schon die Deklaration des St. James-Palastes vom 13. Januar 1942 unterschrieben hatte, in welcher die Be- strafung von Einzelpersonen als Kriegsverbrecher vorgesehen war, unter der speziellen Berücksichtigung, daß die besetzende Macht in Verletzung der Bestim- mungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 „Gewalttaten gegen Zivilisten begangen, die bestehenden Gesetze außer Kraft gesetzt und die eigenstaatlichen Einrichtungen umgestoßen hatte";

In Erwägung, daß zwar keine Vorarbeiten der luxemburgischen Regierung zu Artikel 118 bis vorliegen, daß jedoch deren Absicht aus der Präambel des groß- herzoglichen Beschlusses vom 14. Juli 1943, durch welchen der in Frage stehende Artikel eingeführt wurde, klar zutage tritt, besonders wenn man sie mit der vorher unterschriebenen Deklaration vom 13. Januar 1942 in Verbindung bringt;

daß in dieser Präambel nämlich festgestellt wird, daß die alten Bestimmungen des Kap. II Titel I Buch II des Strafgesetzbuches ungenügend sind, um die äußere Sicherheit des Staates zu gewährleisten, und daß es die Pflicht der Regierung ist, die Existenz des Staates zu beschützen und dessen Fortbestehen zu gewährleisten;

daß somit die Idee des Staatsinteresses, der Unabhängigkeit und der Unver- sehrtheit der luxemburgischen Nation prädominiert;

daß die Bedrohung dieser Interessen weniger von den luxemburgischen Ver- rätern ausging als von den in Luxemburg eingesetzten Angehörigen der feind- lichen Macht;

daß schließlich die in der Deklaration des St. James-Palastes visierten Kriegs- verbrecher, welche sich an der Außerkraftsetzung der bestehenden Gesetze und an dem Umstoßen der eigenstaatlichen Einrichtungen beteiligt hatten, zu großem Teil identisch sind mit jenen Personen, welche durch Art. 118 bis wegen Teil- nahme an der Umgestaltung von gesetzlichen Einrichtungen oder Organisationen durch den Feind getroffen werden sollten;

In Erwägung, daß der Einwand, die an 1., 3. und 4. Stelle in Art. 118 bis an- geführten Verbrechen, welche die Mitarbeit mit dem Feind betreffen, zeigten deutlich, daß zum mindesten Art. 118 bis nicht auf die deutschen Organe des Staates als identisch mit dem Feinde selbst anwendbar sei, nicht stichhaltig ist;

In Erwägung nämlich, daß dieser Einwand sich jedenfalls nicht auf das Ver- brechen sub 2 bezieht, „in Kriegszeiten die Treue der Bürger zur Herrscherin und zum Staat erschüttert zu haben";

daß dieses Verbrechen jedenfalls keine Treupflicht Luxemburg gegenüber in der Person des Täters voraussetzt, sondern die Erschütterung der Luxemburgern obliegenden Treuepflicht ihrem Vaterlande gegenüber durch Dritte;

In Erwägung, daß dies eines der Hauptverbrechen ist, das durch die Organe des Feindes begangen wurde, indem sie durch völkerrechtswidrigen Terror die Luxem- burger nicht allein dazu bringen wollten, durch ihr Bekenntnis zu Deutschland der völkerrechtswidrigen Angliederung Luxemburgs an das Reich einen Schein von Berechtigung zu geben, sondern sie auch zwingen wollten, der Politik des Feindes zu dienen und an der verbotenen Umgestaltung der staatlichen Einrich- tungen teilzunehmen;

daß diese Bestimmung des Art. 118 bis demgemäß so umfassend ist, daß sie

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allein schon die meisten deT durch die Organe des Feindes begangenen Untaten erfaßt;

In Erwägung, daß zu Unrecht behauptet wurde, die Verletzung dieser Bestim- mungen des Art. 118 bis sei völkerrechtlich nicht verboten, da es in Hinsicht auf das1 Ziel jeden Krieges z. B. erlaubt sei, die Angehörigen des Feindes für Spionage zu 'gewinnen oder Soldaten zur Desertion zu bewegen;

In Erwägung nämlich, daß in den angeführten Fällen einerseits keine Zwangs- mittel (durch Art. 44 der HLKO verboten) angewandt wurden, daß andrerseits der erlaubte Kriegszweck vorlag, die Wehrkraft des Feindes zu schwächen, wohin- gegen während der Besetzung unseres Landes Terrormittel zur Erreichung eines durch die HLKO verbotenen Zweckes angewandt wurden, nämlich die Verletzung der Treuepflicht, welche Pflicht gemäß der bekannten Formel „Treue dem Sou- verain, Gehorsam der besetzenden Macht" durch den Feind nicht angetastet werden clarf;

In Erwägung endlich, daß die durch den Ausdruck „ennemi" (Feind) ent- standene Kontroverse bezüglich der Anwendung auf Organe des feindlichen Staates durch Gesetz behoben wurde, wie dies übrigens auch für Art. 115 des Strafgesetzbuches geschehen ist;

In Erwägung nämlich, daß bei den Vorarbeiten zu dem Gesetz vom 2. August 1947 über die Bestrafung der Kriegsverbrecher auf Vorschlag des Staatsrates in Art. 4 nachfolgender Absatz eingefügt wurde: „In keinem Fall kann die Anwend- barkeit der in Art. 1 visierten Gesetze abgelehnt werden unter dem Einwand, daß die Täter, Mittäter oder Gehülfen der dort vorgesehenen Tatbestände, in ihrer Eigenschaft als Beamte, Soldaten oder Agenten im Dienste des Feindes gehandelt hätten";

daß aus der Begründung dieses Absatzes hervorgeht, daß hierdurch die An- wendbarkeit des Art. 118 bis auf Angehörige des Feindstaates eindeutig klar- gestellt werden sollte;

daß, wie der Staatsrat feststellt, diese Personen zwar das Recht und die Pflicht hatten, ihrem Vaterlande zu dienen, aber nur insoweit sie hierdurch nicht das Völkerrecht verletzt haben;

In Erwägung, daß nach den obigen Ausführungen Art. 118 bis auch auf die Angehörigen des Feindstaates, selbst wenn sie Organe desselben sind, anwendbar ist;

Schlußfolgerungen:

In Erwägung einerseits, daß die gegen Hemmerling zurückbehaltenen Tat- sachen zu gering sind, um denselben im Sinne der durch die „United War Crimes Commission" festgesetzten Grundsätze als Kriegsverbrecher gelten zu lassen;

In Erwägung andererseits, daß berechtigte Zweifel darüber bestehen, ob Hem- merling sich bewußt war, durch seine Handlungsweise als deutscher Beamter und Mitglied der SA strafrechtliche Schuld auf sich zu laden;

In Erwägung, daß Hemmerling somit von allen gegen ihn libellierten Straftaten freizusprechen ist.

Aus diesen Gründen:

erklärt der Gerichtshof für Kriegsverbrechen die Klage des delegierten Militär- Auditors in allen Punkten zulässig; spricht Hemmerling jedoch von allen gegen ihn libellierten Klagepunkten frei und entläßt ihn ohne Strafe noch JCosten. Archiv des Völkerrechts 2. H. 4. 32

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