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Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. März 1963 betreffend die Heranziehung von Ausländern zu...

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Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. März 1963 betreffend die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten Source: Archiv des Völkerrechts, 11. Bd., 2. H. (November 1963), pp. 246-251 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40796868 . Accessed: 14/06/2014 20:38 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.216 on Sat, 14 Jun 2014 20:38:58 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. März 1963 betreffend die Heranziehung von Ausländernzu KriegsfolgelastenSource: Archiv des Völkerrechts, 11. Bd., 2. H. (November 1963), pp. 246-251Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40796868 .

Accessed: 14/06/2014 20:38

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246 Entscheidungen

Londoner Schuldenabkommen in innerdeutsches Recht transformiert und durch des- sen Art. 5 Abs. 2 die Verjährung gemäß § 202 Bürgerliches Gesetzbuch gehemmt (BGHZ 18, 22, 41). Diese Hemmung ist durch § 8 des Gesetzes über die Verjäh- rung von deutschen Auslandsschulden vom 19. Dezember 1956 (BGBl 1956 Teil I S. 915) bestätigt worden.

7. Nach den vorstehenden Ausführungen kann weder die Revision einen Erfolg haben, die eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung und hilfsweise eine ge- richtliche Feststellung der Klageforderung erstrebt, noch die Anschlußrevision, die das Ziel einer endgültigen Abweisung der Klageansprüche als unbegründet ver- folgt. Demgemäß waren die Revision und die Anschlußrevision zurückzuweisen. Jedoch war gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Tenor der an- gefochtenen Entscheidung dahin zu ändern, daß die Klage als zur Zeit unbegrün- det abgewiesen wird.

Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. März 1963

betreffend die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten *)

Eine juristische Person schweizerischen Rechts kann zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen werden. Das deutsch-schweizerische Lastenausgleichsabkommen von 1952 schließt für den dort begünstigten Personenkreis eine Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe aus. Der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besat- zung entstandener Fragen von 1952/ 1954 befreit die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht von der Hypothekengewinnabgabe, so daß eine juristische Person schweizerischen Rechts sich über den Weg der Meistbegünstigung nicht auf eine solche Befreiung berufen kann. Es besteht auch kein völkerrechtlicher Satz, nach dem die Heranziehung von Ausländern zu Kriegs folgelasten ausgeschlossen wäre.

Aus den Gründen: Die Beschwerdeführerin ist als Eigentümerin eines in Hamburg gelegenen Grund-

stückes wegen einer am 20. Juni 1948 noch valutierten und im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellten, auf diesem Grundstück lastenden Hypothek unter Berücksichti- gung eines Kriegsschadens am Grundstück zur Hypothekengewinnabgabe (HGA) herangezogen worden.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde bestreitet die Beschwerdeführerin unter teilweiser Wiederholung ihres Vorbringens in den Vorinstanzen, daß sie zur HGA herangezogen werden könne. Zur Begründung macht sie folgendes geltend:

1. ...

2. ...

3. Als juristische Person schweizerischen Rechts stünden ihr nach dem deutsch- schweizerischen Lastenausgleichsabkommen vom 26. August 1952 (Bundesgesetz- blatt [BGBl] 1953 Teil II S. 24) die Rechte der Angehörigen meistbegünstigter Na- tionen zu. Demgemäß gelte für sie Art. 6 des Zehnten Teiles des Vertrages zur Re- gelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Uberleitungsvertrag), der von der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Französischen

*) Abdruck nach: Ausfertigung des Bundesfinanzhofes (III 323/59 U).

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Entscheidungen 247

Republik im Rahmen der sogenannten Pariser und Bonner Verträge (BGBl 1955 Teil II S. 405) geschlossen wurde. Aus Abs. 1 des genannten Art. 6 ergebe sich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland eine Befreiung der Ange- hörigen der Vereinten Nationen von der HGA.

4. Das Lastenausgleichsgesetz (LAG), insbesondere sein § 91, verletze das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu entnehmende Diskriminierungsverbot. Sowohl das Gesetz selbst wie die dieses ergänzenden Rechtsverordnungen enthielten zahl- reiche Befreiungsvorschriften, ohne aber die Angehörigen der Vereinten Nationen zu berücksichtigen.

5. In der Heranziehung von Angehörigen eines ausländischen Staates zur HGA liege eine nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechtes unzulässige Enteignung. Insbesondere würden durch das Aufkommen aus der HGA Kriegsfolgelasten ge- deckt. Solche Vermögensabgaben seien nach den allgemeinen Regeln des Völker- rechts unzulässig. Zur Begründung hierfür hat sich die Beschwerdeführerin auf ein in einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegtes Gutachten eines Univer- sitätsprofessors bezogen.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, daß gemäß Art. 100 Abs. 1 wie ge- mäß Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden müsse.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

I.

II.

III. Daß der Beschwerdeführerin auf dem Wege über die Meistbegünstigung die

Rechte der Angehörigen der Vereinten Nationen zustehen, ist nicht zweifelhaft. Wie aber der Senat bereits in seiner Entscheidung III 265/55 U vom 11. Dezember 1959 (Bundessteuerblatt [BStBl] i960 III S. 107 = Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofes Bd. 70 S. 287) ausgeführt hat, sind die An- gehörigen der Vereinten Nationen auf Grund des Art. 6 des Zehnten Teiles des Oberleitungsvertrages nicht von der HGA befreit.

Wenn die Beschwerdeführerin meint, aus Art. 6 Abs. 1 des Zehnten Teiles des Überleitungsvertrages ergebe sich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages eine vorläufige Heranziehungssperre hinsichtlich aller Lastenausgleichsabgaben und so- mit auch der HGA, während Abs. 2 des Art. 6 eine endgültige Befreiung für einen bestimmten sachlichen und zeitlichen Bereich vorsehe, so kann dem nicht ge- folgt werden.

Wie der Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil III 25/61 U vom 25. Januar 1963 bereits festgestellt hat, ist die HGA eine Abgabe im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 aaO, die nur zum Teil zu dem besonderen Zwecke erhoben wird, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege ergeben. Weiter wird in jenem Ur- teil dargelegt, daß die vertragschließenden Mächte für die »besonderen Fälle« der Abgaben des Lastenausgleichs in Gestalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 im Kompromiß- wege eine besondere Vereinbarung getroffen haben, bei der sie sich nicht nur im Rahmen der Subsumtion unter den Begriff des Satzes 1 bewegt, sondern auch an- deren Erwägungen Raum gegeben haben. Ergebnis dieses Kompromisses ist die Re- gelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2, der zu entnehmen ist, daß zwar eine zeitlich bemessene, also teilweise Befreiung von der Vermögensabgabe, aber keine Befreiung von der HGA gewährt wird. Auf das genannte Urteil wird verwiesen. Hierbei handelt es sich um eine ausdrückliche und abschließende Regelung durch die Vertragsstaaten,

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248 Entscheidungen

die es nicht gestattet, auf den Abs. 1 des Art. 6 aaO zurückzugreifen. Eine Bestä- tigung dieser Auslegung ist in Abs. 7 des Art. 6 zu erblicken, da hier geregelt ist, wie bei anderen Lastenausgleichsabgaben, also der HGA und der Kreditgewinnab- gabe, im Hinblick aiuf die zeitweise Befreiung von der Vermögensabgabe zu ver- fahren ist. Die Vertragsstaaten sind also grundsätzlich von der Heranziehung zur HGA ausgegangen.

Bei ihrer Auffassung, daß Abs. 1 des Art. 6 eine vorläufige Heranziehungs- sperre bis zum Abschluß eines Friedensvertrages anordne, Abs. 2 aber eine sofort wirksame endgültige Befreiung für einen bestimmten sachlichen und zeitlichen Be- reich vorsehe, übersieht die Beschwerdeführerin, daß die HGA nicht eine Abgabe ist, die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 vollständig zu dem fraglichen Zwecke auferlegt, sondern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 nur teilweise zu dem in Abs. 1 be- zeichneten Zwecke erhoben wird. Es könnte also, wenn Art. 6 Abs. 2 Satz 2 keine abschließende Regelung des Umfanges der Befreiung von den Abgaben des Lasten- ausgleichs enthielte, allenfalls nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 eine vorläufige teilweise Heranziehungssperre in Betracht kommen. Dagegen spricht aber entscheidend, daß dann der Umfang einer solchen teilweisen Befreiung für den vorläufigen Zeitraum bis zum Abschluß des Friedensvertrages nicht gere- gelt wäre. Das gleiche würde dann für die übrigen Abgaben des Lastenausgleichs gelten, die, wie die Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutsch- land in ihren rechtskräftigen Urteilen vom 2. Juni 1959 - AC/i/J (59) 11 - (BStBl 1963 I S. 140) und vom 23. März 1962 - AC/2/J (62) 1 - (BStBl 1963 I S. 127) mit Recht festgestellt hat, ebenso wie die HGA gemischten Zwecken die- nen, also nur teilweise zur Deckung von Lasten erhoben werden, die aus dem Kriege herrühren. Wäre aber für die Soforthilfeabgabe und die Vermögensabgabe die Frage offen geblieben, in welcher Höhe bis zum Abschluß des Friedensvertrages eine vorläufige Heranziehungssperre eintreten sollte, dann wäre die auf abschlie- ßende Regelung des Umfangs der Befreiung hindeutende, eingehende und kompli- zierte Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit den folgenden Ab- sätzen 3 bis 8 nicht verständlich. Dies entspricht auch der Auffassung der Schieds- kommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland in den beiden genann- ten Urteilen.

Da die Nichtbefreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen von der HGA, wie dargelegt, auf einer völkerrechtlichen Vereinbarung der vertragschließenden Mächte beruht, entbehrt auch der Vorwurf einer Diskriminierung der Angehörigen der Vereinten Nationen, der darin bestehen soll, daß das LAG und seine Durch- führungsverordnungen in die Zahl der sonstigen persönlichen Befreiungen die An- gehörigen der Vereinten Nationen nicht aufgenommen haben, jeder Grundlage.

IV. Die Heranziehung zur HGA enthält - entgegen der Annahme des Finanzge-

richts - keine Enteignung. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 24. April 1953 - 1 BvR 102/51 - (Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts [BVerfGE] Bd. 2 S. 237 [258-260]) festgestellt hat, enthielt die Belastung von Grundstücken mit Umstellungsgrundschulden auf Grund des Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 10. August 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 232) um deswillen keine Enteignung, weil der mit der Umstellungsgrundschuld belastete Teil des Grundstückes durch die Währungsumstellung in Höhe des Ab- wertungsbetrages im Hinblick auf § 16 Abs. 3 Umstellungsgesetz nur mit der Maß- gabe frei von der dinglichen Last geworden war, daß der Abwertungsbetrag als Schuldnergewinn zum Lastenausgleich herangezogen werden sollte.

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Entscheidungen 249

Was hiernach für die Umstellungsgrundschuld gilt, die nur der Sicherung der noch zu schaffenden Forderung aus dem Lastenausgleich diente, muß entsprechend auch für die endgültige Auferlegung der der Erfassung des Abwertungsbetrages (Schuld- nergewinnes) dienenden HGA als öffentlichen Last gelten. Auch schützt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954 (BVerfGE Bd. 4 S. 6 [17]) Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen die Auferlegung von Geldleistungspflich- ten, so daß die Frage einer Entziehung des Eigentums insoweit schon begriffsmäßig nicht in Betracht kommt.

Liegt aber in der Auferlegung der HGA durch das LAG keine Enteignung und ist damit auch Art. 14 Abs. 3 GG nicht verletzt, so entbehren auch die an die an- gebliche Enteignung unter Berufung auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes (Art. 25 GG) geknüpften Einwendungen der Grundlage. Daß sich die Beschwerde- führerin als ausländische juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ohnehin nicht auf Art. 14 Abs. 3 GG berufen könnte, kann hierbei außer Betracht gelassen wer- den.

Das Gutachten, auf das die Beschwerdeführerin Bezug nimmt, bezieht sich auf die Vermögensabgabe. Die HGA hat im Hinblick auf die von vornherein bei der Um- stellungsgesetzgebung in Aussicht genommene Erfassung der Schuldnergewinne einen anderen Rechtscharakter. Die Ausführungen des Gutachtens, soweit sie sich allge- mein mit der Frage der Enteignung in bezug auf die Vermögensabgabe befassen, enthalten deshalb auch nichts, was den oben angeführten, gegen den Enteignungs- charakter sprechenden Gründen entgegensteht. Mit der Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts vom 21. März 1957 - 1 BvR 65/54 - (BVerfGE Bd. 6 S. 290 [300]) ist davon auszugehen, daß keine allgemeinen Regeln des Vökerrechts erkenn- bar sind, die weiter reichen als der Eigentumsschutz des GG.

Auch eine ausdrücklich die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten ausschließende völkerrechtliche Regel ist nicht festzustellen.

Die im Gutachten als Beweis für einen solchen völkerrechtlichen Rechtssatz an- geführten - nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossenen - Friedensverträge der Vereinten Nationen mit Italien, Finnland, Rumänien, Bulgarien und Ungarn be- freien die Angehörigen der Vereinten Nationen bis zum Abschluß der jeweiligen Friedensverträge von Vermögensabgaben zur Deckung von Kriegsfolgelasten. Den Ausführungen im Gutachten, diese Bestimmungen seien deklaratorischer Natur und spiegelten nur eine allgemeine Rechtsüberzeugung im Hinblick auf eine völkerrecht- liche Regel wider, kann nur Behauptungscharakter beigemessen werden. Diese Ver- einbarungen stellen sich vielmehr als konsumtive Regelungen im Einzelfalle dar, bei der sich die Machtstellung des Siegers gegenüber dem Besiegten durchgesetzt hat. Der im Gutachten angeführte Schiedsspruch von Gustav A dor vom 15. Juni 1922 zum französisch-spanischen Niederlassungsvertrage vom 7. Januar 1862 *), der die in Frankreich ansässigen Spanier von der Kriegsgewinnsteuer befreite, beruhte, wie das Gutachten selbst ausführt, auf einer Auslegung des französischen Steuergeset- zes. Diesem wurde entnommen, daß nur französische Staatsangehörige herangezo- gen werden sollten. Hierbei stützte man sich auf die Materialien des Gesetzes, aus denen man folgerte, daß die Heranziehung zur Kriegsgewinnsteuer mit der vater- ländischen Verpflichtung begründet wurde, Opfer zum Ausgleich derjenigen Lei- den und Verluste zu übernehmen, die französische Bürger während des Krieges auf Grund ihrer vaterländischen Pflicht hätten hinnehmen müssen. Demgegenüber ver- sage hier das sonst geltende Territorialitätsprinzip. Völkerrechtliche Regeln wurden nicht zur Auslegung herangezogen.

1) Abdruck der Entscheidung: Ri vista éi diritto internazionale Bd. 15 (1923) S. 322 ff.

17 ArchVR 11/2

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Auch der Hinweis im Gutachten auf den im Anschluß an den Friedensvertrag von Lausanne vom 24. Mai 1923 von den Alliierten mit der Türkei geschlossenen Niederlassungsvertrag besagt nichts für das Bestehen einer völkerrechtlichen Regel in dem behaupteten Sinne. Dort wurden die Staatsangehörigen der Vertragspart- ner der Türkei, die sich in dieser niedergelassen haben, von außerordentlichen Ver- mögensabgaben selbst im Falle eines Krieges befreit. Eingangs heißt es in jenem Vertrage, daß die Niederlassungsbedingungen in der Türkei für die Staatsangehö- rigen der anderen Vertragspartner »in Übereinstimmung mit dem modernen Völ- kerrecht« geregelt werden sollen. Diese Bezugnahme auf das moderne Völkerrecht hängt aber offenbar mit dem Ersatz des veralteten Kapitulationssystems durch ein modernes Niederlassungssystem zusammen, enthält also ζ. Β. eine Anspielung auf den Fortfall der Konsulargerichtsbarkeit.

Die im Gutachten erwähnte Freistellung ausländischen Vermögens von den finni- schen Vermögensabgaben durch die Gesetze vom 15. November 1940 und vom 5. Mai 1945 beruhte - wie das Gutachten selbst einräumt - auf einem Vertrag mit Schweden und den Konsequenzen aus Meistbegünstigungsverträgen, kann also nicht als Beweis für einen entsprechenden allgemeinen Völkerrechtssatz dienen.

Schließlich greift die Berufung der Beschwerdeführerin auf allgemeine Regeln des Völkerrechtes schon deswegen nicht durch, weil völkerrechtliches Vertragsrecht den Vorrang vor solchen allgemeinen Regeln hat. Nach Art. 1 des Abkommens zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952 (aaO) genießen die schweize- rischen Staatsangehörigen, die am Währungsstichtag das Schweizer Bürgerrecht be- sessen haben, und entsprechend die nach deutschem Recht abgabepflichtigen Körper- schaften, die nach Schweizer Recht errichtet worden sind, beim Lastenausgleich »die gleiche Behandlung«, wie sie Angehörigen der meistbegünstigten Nation auf die- sem Gebiet zusteht. Angehörige der meistbegünstigten Nation sind die Angehörigen der Vereinten Nationen. Deren Behandlung auf dem Gebiet des Lastenausgleichs ist durch Art. 6 des Zehnten Teiles des Uberleitungsvertrages in der Weise geregelt, daß nach Abs. 2 Satz 2 aaO keine Befreiung von der HGA gewährt wird. Ebenso wie sich die Angehörigen der Vereinten Nationen im Hinblick hierauf nicht etwa auf eine dem entgegenstehende allgemeine völkerrechtliche Regelung berufen könn- ten, steht auch den durch das völkerrechtliche Abkommen vom 26. August 1952 begünstigten schweizerischen natürlichen und juristischen Personen eine Berufung hierauf nicht zu. Die Behandlung auf dem Gebiete des Lastenausgleichs ist vielmehr durch das Abkommen abschließend geregelt worden. Dies geht - von anderem ab- gesehen - daraus hervor, daß das Abkommen nach seinem Vorspruch in Berück- sichtigung der zwischen den beiden Staaten geschlossenen weiteren drei Abkommen, nämlich über die deutschen Vermögen in der Schweiz, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und über die Regelung der Forderungen der Schweizeri- schen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich geschlossen worden ist, also einen umfassenden Austausch gegenseitiger Verpflichtungen zum Gegenstand gehabt hat.

Das im Abkommen verwendete Wort »genießen« läßt hiernach nicht offen, daß weitergehende Vergünstigungen nach etwa bestehenden allgemeinen Regeln des Völ- kerrechtes unberührt bleiben, sondern deutet eher darauf hin, daß auch nach der Rechtsauffassung der Vertragsstaaten solche Regeln nicht bestehen.

V. Eine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG

besteht, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist. Die bezeichneten Zweifel muß das vorlegende

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Gericht selbst haben. Nach den Ausführungen zu IV. hat der erkennende Senat diese Zweifel nicht; er ist vielmehr der Auffassung, daß eine allgemeine Regel des Völkerrechtes in dem von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sinne überhaupt nicht besteht. Der Auffassung von Lechner, Gesetz über das Bundesverfassungsge- richt, Bemerkung 4 zu § 13 Ziff. 12, und Geiger, Kommentar zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, Bemerkung 3 zu § 83, daß der Zweifel eines Prozeßbe- teiligten genüge, um die Vorlagepflicht zur Entstehung zu bringen, kann nicht bei- gepflichtet werden. Sie wird von beiden Autoren nicht begründet. Gegen sie spricht die objektive Fassung des Halbsatzes »Ist in einem Rechtsstreit zweifelhaft«, die auf die subjektive Auffassung der Prozeßbeteiligten allein nicht Bezug haben kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13 Ziff. 12 des Gesetzes über das Bun- desverfassungsgericht, der mit den Worten beginnt »bei Zweifeln«, da diese Vor- schrift auf Art. 100 Abs. 2 GG Bezug nimmt. Ferner spricht der Zusammenhang mit Art. 100 Abs. 1 GG, der auf die Auffassung des Gerichts abstellt, gegen diese Auslegung. Vor allem würde die Irrelevanz der Auffassung des Gerichtes den Ver- lauf des Verfahrens vollständig in die Hände der Prozeßbeteiligten legen und jeder Prozeßökonomie zuwiderlaufen. Damit würde den Gerichten die ihnen nach her- kömmlichem Grundsatz obliegende Prüfung des Rechts entzogen und das Bundes- verfassungsgericht überhäuften Vorlagen von Rechtsstreitigkeiten mit Parteibe- hauptungen ausgesetzt werden, die entweder näherer Prüfung nicht standhalten oder gar völlig unbegründet sind. Daß dies nicht der Sinn der Vorschrift sein kann, liegt auf der Hand. Auch das Bundesverfassungsgericht hält offensichtlich die Auffas- sung des Vorlagegerichts für maßgebend, wie sich aus dem Beschluß vom 30. No- vember 1953 - 1 BvO 2/52 - (BVerfGE Bd. 4 S. 358 [369]) ergibt.

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