594 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2014
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Stefan M. WeinerKrankenhaus der Barmherzigen Brüder, Abteilung Innere Medizin IINordallee 154292 [email protected]
Originalpublikationen
Matsushita K et al (2010) Lancet 3752073–2081. Levey AS et al (2011) Kidney Int 8017– 8028 Fox CS et al (2012) Lancet 380:1662–1673. Mahmoodi BK et al (2012) Lancet 380:1649–1661.
Niereninsuffizienz und Mortalität in der Allgemeinbevölkerung
Update Rheumatologie · Rheuma und Niere
Die Beiträge stammen aus dem Handbuch Rheumatologie 2014 und entsprechen den Seminarunter-lagen des 9. Rheuma Update 2014 der med update GmbH.
Z Rheumatol 2014 · 73:594–596 DOI 10.1007/ s00393-014-1491-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Originalpublikationen
Lapi F et al (2013) BMJ 346:e8525. Kristensen SL et al (2012) Phar-macoepidemiol Drug Saf 21:428–434.
Verschlechterung der Nierenfunktion unter NSAR?
IneinerMetaanalysevon14Studi-enmitinsgesamt105.872Teilneh-mern(730.577Personen-Jahre)und 7 Studien mit insgesamt1.128.310Teilnehmern(4.732.110Personen-Jahre)wurdedasMor-talitätsrisiko in Abhängigkeitder eGFR und der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin bzw.Proteinurie im Urinstix ermit-telt.DasRisikozuversterbenwarbeiGFR<60ml/minerhöht:beieGFRvon60ml/min/1.73m2lagdieHazardRatio(HR)bei1,18,beieinerGFRvon45ml/minHRbei1,57undeinerGFRvon15ml/min
HRbei3,14.DieAlbumin/Krea-tinin-RatiowarohneSchwellen-wertlinearmitderMortalitätas-soziiert.DieAnalysezeigte,dasseineeGFRunter60ml/min/1,73m2undeineAlbumin/Kreatinin-Ratiovon10mg/gundmehrun-abhängige Prädiktoren für dieMortalitätsind.DieDatenfürdieProteinuriebestimmungimUrin-stixwarenidentischderAlbumin/Kreatinin-Ratio (Matsushita etal).
In einer weiteren AnalysederArbeitsgruppeumLeveyetal.an1.555.332Teilnehmernaus45KohortenwurdendieDatenbestätigtundeinDiagrammzurAbschätzungdesRisikoserstellt.
ZweiweitereMetaanalysenuntersuchtenobdieeGFRundAlbumin/Kreatinin-Ratio mitderMortalitätunabhängigvonDiabetesundHypertonieasso-ziiertsind.DieersteStudieumFox et al. analysierte 43 Ko-hortenmit1.024.977Patienten,davon 128.505 Diabetiker, diezweite Studie (Mahmoodi etal)analysierte45Kohortenmit1.127.656 Teilnehmern, davon364.344mitHypertonie.BeideStudienzeigen,dassdasMorta-litätsrisikounddasRisikoeineterminale Nieren-insuffizienzzuerleidenmitdereGFRundder Albumin/Kreatinin-RatioimUrinkorrelierenunabhän-gigvonDiabetesundBlutdruck.
NiereexprimiertundwirdbeiSalzdepletion und Herzinsuf-fizienzhochreguliert.DieNe-phrotoxizitätvonNSARkanna)imRahmenderBeeinträch-tigungdes renalenBlutflussesentstehenmitkonsekutiverRe-duktionderGFR,b) imRah-meneinerNatrium-undWas-serretention,diemitÖdemnei-gung und Hypertonie einher-geht,c)sichseltendurchInduk-tioneinerPapillennekrosebe-merkbarmachen.
IneinerretrospektivenKo-hortenstudie (Lapi et al) von487.372 Patienten mit anti-hypertensiver Therapie wur-deuntersucht,obdiezusätzli-che Einnahme von NSAR beizugrundeliegenderantihyper-tensiverTherapiemitDiuretikaoderACE/AT-BlockeroderDi-uretika plus ACT/AT-Blocker
einRisikofüreinakutesNieren-versagendarstellt.ImZeitraumvon5.9Jahrentraten2.215FällemitakutemNierenversagenauf.DieGruppederPatientenmitderDreifachkombination(Di-uretika plus ACE/AT-BlockerplusNSAR)wieseineerhöhteRateanANVaufimVergleichzuDiuretikaplusACE/AT-Blo-cker (Rate Ratio 1,31, 95%-CI1,12-1,53),währenddiesbeiderKombination Diuretika plusNSAR versus Diuretika alleinundderKombinationACE/ATBlockerplusNSARversusACE/AT-BlockeralleinnichtderFallwar.DashöchsteRisikoergabsindindenersten30TagenderKombinationstherapie.
Eine dänische Register-Untersuchung(Kristensenetal)von6.663Patientenmitdialy-sepflichtigerNiereninsuffizienz
Kommentar Aus den Studien resultiert,dassdieUrinuntersuchungaufProtein neben der GFR vonhoher Bedeutung ist, um Pa-tienten mit einem erhöhtenMortalitätsrisikozuidentifizie-ren.Ursächlich fürdiegestei-gerteMortalitätbeiNierenin-suffizienzsindunteranderemdie akzelerierte Arterioskle-roseaufgrundderStörungimCalcium-Phosphat-Haushalt,die imRahmenderNierenin-suffizienz auftretende Mikro-inflammation, Anämie undHyperhomozysteinämie. Prä-ventive Maßnahmen sind beiPatientenmitNiereninsuffizi-enzerforderlich.
Nichtsteroidale Antirheuma-tika(NSAR)könneneineVer-schlechterungderNierenfunk-tionauslösenundsolltendes-halb bei eingeschränkter Nie-renfunktion(GFR<60ml/min)nur mit Vorsicht und nur fürkurze Zeit eingesetzt werden.Beidemmedikamentös indu-ziertenNierenversagen,welches18-27%allerANV-FälleindenUSAausmacht,liegenNSARinderHäufigkeitinersterFront.DerrenaleBlutflusswirddurchdieProstaglandinsyntheseauf-rechterhalten.COX-2istinder
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Originalpublikationen
Pusey CD (2003) Kidney Int 64:1535–1550 Cui Z, et al (2011) Medicine 90:303–311
Anti-GBM-Erkrankung
Die Anti-GBM-Erkrankung(Goodpasture) ist sehr seltenmiteinerInzidenzvon1/1Mio.Einwohner. Bei den pulmo-renalenSyndromenmitRPGNistdieAnti-GBM-Erkrankungmit10-20%derFällehäufigeranzutreffen.Nebendenzirku-lierenden Antikörpern gegendieglomeruläreBasalmembranlassensichin30%auchANCAnachweisen. Die Prognose istbei diesen Patienten schlech-teralsdiederANCA-Vaskuli-tis.TypischerweiseverläuftdieAnti-GBM-Erkrankungmono-phasischmitgleichaltenLäsio-nenindenbetroffenenGlome-ruli.
Eine frühzeitige Diagnose-stellungistentscheidend, liegtdas Serumkreatinin über 600umol/L, ist mit einer Erho-lungderNierenfunktionnichtmehrzurechnen.Trotzdemisteine Immunsuppression auf-grund der pulmonalen Betei-ligung meistens indiziert. DieNierenbiopsie ist erforderlichzurDiagnosesicherungundumdierenalePrognoseabzuschät-zen.HistologischzeigtsicheineHalbmond-Nephritismitline-arenAblagerungenvonIgG,sel-tenervonIgAentlangderglo-merulärenBasalmembran.
Therapeutisch wird initi-aleinehochdosiertePredniso-lon-Bolusbehandlungvon250-1.000 mg für 3 Tage, nachfol-gendvon 1,5mg/kgKGemp-fohlenmitanschließendschritt-weiserReduktion.Zeitgleicher-folgteineoraleCyclophospha-midgabevon2-3mg/kgKGjenachLeukozytenzahlundeinePlasmapheresemithohemAus-tauschvolumen (50-60 ml/kgKG)für14Tage.Beipulmona-lerHämorrhagieoderZustandnach Nierenbiopsie sollte derPlasmaaustauschmitFFPerfol-gen(Puseyetal).
WennderAnti-GBM-Anti-körper über 3 Monate nichtmehrnachweisbarist,kanndieImmunsuppressionausgeschli-chenwerden.RezidivesindindiesemFalleselten.
Ineinerchinesischenretro-spektivenAnalyseumCuietal.von221PatientenausdenJah-ren 1998 bis 2008 wurde derOutcomeunterverschiedenenTherapieverfahren ausgewer-tet.EinJahrnachDiagnosestel-lunglagdieÜberlebensratederPatientenbei72,7%.OhneDia-lysewarenes25,0%derPati-enten. Gegenüber einer dua-len Therapie aus Kortikoste-roidenplusCyclophosphamidoder Kortikosteroid-Mono-therapiezeigtedieKombinati-onstherapie ausPlasmaphere-se plus Kortikosteroide plusCyclophosphamideinegeringeMortalität (HR 0,31; p=0,001)und ein geringeres Risiko für
einterminalesNierenversagen(HR0,60;p=0,032).DieMor-talitätkonnteinsbesonderebeidemGoodpastureSyndrommitLungenbeteiligunggesenktwer-den(HR0,29;p=0,004).
Kommentar Die chinesische Datenauswer-tungauseinemZentrumbelegterneut,dassbeiderAnti-GBM-ErkrankungundGoodpasture-SyndromdieKombinationvonPlasmapherese,KortikosteroidenundImmunsuppressivaTherapiederWahlist.InCaseReportswurdebeiAnti-GBM-ErkrankunganstattoralemCyclophosphamid auch MMF,RituximabundCyclosporinein-gesetzt.
Abb. Antiglomeruläre Basalmem-branglomerulonephritis (Frühsta-dium mit Goodpasture-Syndrom). Lineare Ablagerung von IgG entlang der Kapillarwände (Aus : W. Remme-le: Pathologie Bd. 5, Springer, Ber-lin 1997).
zeigte,dassbei36,1%derPa-tienteninnerhalbvon3JahrenvorBeginnderDialyseNSARim Schnitt 40 Tage lang ver-ordnetwurden.DiesePatientenwarenälter(63versus61,4Jahr)undhatteneinehöhereKomor-
bidität(CharlsonScore=2,85versus2,61).
Kommentar GefährdetgegenübereinerNe-phrotoxiziätvonNSARsindins-besondereälterePatienten,Pati-entenmitbestimmtenBegleiter-
krankungen(Diabetesmellitus,pAVK,Hypertonie,Herzinsuf-fizienz),Patientenmitzeitglei-cherEinnahmevonACE-Hem-mer-/AT1-BlockernundDiure-tika,sowiebeiFlüssigkeits-oderSalzdepletion.
▶ Nephrogene systemische Fibrose
Die nephrogene systemische Fibrose (NSF) ist eine fibrosierende Erkran-kung der Haut, Faszien, Muskulatur, Lunge und Herz, die durch Gadoli-niumderivate ausschließlich bei Pa-tienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion oder Dialysepflich-tigkeit auftritt. Die Prävalenz liegt bei 1 - 8 % nach intravenöser Gabe von Gadolinium. Auch ist das Auftreten der NSF von der Stabilität des Gado-liniumhaltigen Kontrastmittels ab-hängig, das höchste Risiko liegt bei dem nichtionischen Chelat Gadodia-mid vor (Rho et al). Unter Verwen-dung von makrozyklischen Gadoli-nium-Präparaten wurde bei 268 Pati-enten mit fortgeschrittener Nieren-insuffizienz kein Auftreten einer NSF beobachtet (Andersen). Gadolinium-haltige Kontrastmittel sollten trotz-dem sicherheitshalber bei Patienten mit GFR < 30 ml/min nicht oder nur nach sorgfältiger Abwägung zum Einsatz kommen. Hierdurch ist die NSF in ihrer Prävalenz deutlich zu-rückgegangen.
Kommentar Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz sollten nur mak-rozyklische Gadolinium-Präparate eingesetzt werden. Da zahlreiche Pa-tienten mit NSF zum Zeitpunkt der Gadoliniumapplikation auch eine metabolische Azidose aufwiesen, sollte diese zuvor ausgeglichen wer-den. Die Häufigkeit der NSF ist durch das Vermeiden der Gadoliniumgabe bei Niereninsuffizienz aktuell stark zurückgegangen.Therapeutisch sollte bei Diagnose einer NSF frühzeitig Lymphdrainage und Bewegungstherapie zur Präven-tion von Kontraktu ren begonnen werden. In Einzelfällen zeigt sich eine Besserung mit extrakorporaler Photopherese, PUVA, Plasmaphere-se, Kortikosteroiden und Rituximab. Vielversprechende Ergebnisse zei-gen sich auch bei Einsatz von Imati-nib (Amet et al).
Rho YH et al (2012) Rheumatology 51:2070–2074
Andersen PE (2012) World J Radiol 4:253–257
Amet S et al (2014) Invest Radiol 49:109–115
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