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Untitled-1 [] · Das Haus Sobek wird auf 6 x 4 vollkommen identische, frei verfügbare Flächen...

Date post: 19-Oct-2020
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Das Glashaus ist eine 50 Jahre alte Erfindung der Moderne. Das berühmteste, das Farnsworth-Haus unweit von Chicago, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe 1946 als einen lichtdurchfluteter Kasten, kunstvoll proportioniert und ebenso feinfühlig in die umgebende Auenlandschaft integriert. Drei Jahre später errich- tete Philip Johnson mit seinem gläsernen Wohnhaus in New Canaan einen wei- teren Bau für das Wohnen im modernen Amerika als eine Hommage an Mies van der Rohe. Die Häuser waren im Sommer überhitzt, und im Winter überzogen sich die Fenster mit Eisblumen. Die damals neuen Werkstoffe wie großflächige Glastafeln, Stahlprofile und anodiertes Aluminium hielten nicht, was sie verspra- chen. Das Programm des Funktionalismus war eine Vision, keine Realität und so musste die Prophezeiung erst nach und nach durch eine unter Zugzwang geratene Bauindustrie erfüllt werden die danach drängte bessere Materialien zu entwickeln. Das viergeschossige Gebäude befindet sich auf einem steilen Grundstück am Rande des Stuttgarter Talkessels in Stuttgart Degerloch. Es wurde als voll- kommen rezyklierbares, im Betrieb, emissionsfreies und energetisch aut- arkes Gebäude entworfen. Das Haus ist vollkommen verglast und besitzt keine inneren Trennwände. Es ist modular aufgebaut und aufgrund des Zu- sammenbaus durch Steck- und Schraubverbindungen nicht nur leicht auf- und abbaubar, sondern auch vollkommen rezyklierbar. Das Gebäude kommt ganz ohne Schalter, Türgriffe, Armaturen etc. aus, da sämtliche Bewegungs- und Steue- rungsvorgänge durch berührungslose Radarsensoren , Mikrowellensensoren bzw. voice control gesteuert werden. Beispielsweise ermöglicht das System vom unteren Geschoss aus die Fenster im obersten zu schließen. Schranktüren, Wasserhähne und Toilettenspülung lassen sich ebenso berührungslos wie hygienisch per Handbewegung dirigieren. Der im Haus benötigte elektrische Strom wird durch Photovoltaik erzeugt. Um das Haus als emissionsfreies Nullenergiehaus bauen zu können, wur- de ein neuartiges computergesteuertes Energiekonzept entwickelt; die- ses kann bei Bedarf von jedem Ort der Erde per Telefon und Compu- ter kontrolliert werden. Einstellungen am Computer ermöglichen einen automatischen Luftaustausch, sodass ein optimiertes Raumklima beibehalten wird. Das Tragwerk des Gebäudes wird aus einem durch Diagonalen ausgesteiften Stahlskelett gebildet, dass auf einer Stahlbeton - Bodenplatte steht. Die Decken bestehen aus Elementen in Dickholzbauweise. Alle tragenden und nichttragen- den Elemente sowie die Fassade sind modular aufgebaut und werden durch leicht lösbare Verbindungen zusammengehalten. Es gibt keinerlei Putz oder Estrich, so dass auch keine schwierig oder gar nicht zu entsorgenden Werkstoffverbunde entstehen. Entsprechend konsequent gibt es keine Unterputzleitungen. Alle Ver- bzw. Entsorgungssysteme sowie Kommunikationsstraßen liegen in Blechkanälen, die entlang der Fassaden angeordnet und in die Deckenkonstruktion integriert sind. Das Haus wurde komplett aus vorgefertigten Teilen hergestellt. Die Bauzeit ist re- kordverdächtig: In nur vier Tagen stand das Stahlgerüst und nicht mehr als zehn Wochen waren nötig um das Haus komplett zu installieren. Mit einer Präzision wurde hier geplant und gebaut, die Toleranzen von nur fünf Millimetern über die vier Ge- schosse ergeben hat , Werte, die eher im Maschinen- als beim Rohbau üblich sind. Das vollkommen verglaste Gebäude besitzt eine hochwertige Dreifachverglasung mit Edelgasfüllung sowie eine Konvektionsbarriere nach dem Heat- Mirror- Prinzip die gleichzeitig Überhitzung oder Wärmeverluste verhindert. Der U -Wert von beträgt 0,4. Die durch die Fassade in das Gebäude eingestrahlte Sonnenenergie wird über wasserdurchflossene Deckenelemente absorbiert und anschließend eiern Wärmespeicher zugeführt, aus dem das Gebäude im Winter durch Umkeh- rung des Wärmeaustauschprozesses beheizt wird. Die Deckenelemente wir- ken dann als Wärmestrahler, eine zusätzliche Heizung ist nicht erforderlich. Rechts von Oben: - Grundgerüst aus verschraubten Vierkantstahlrohren und Doppel T -Trägern. - Stahlskelett mit Versteifungskreuzen - Stahlskelett mit den Gitterrosttreppen - Gesammtkonstruktion mit Verbundholzböden Unten von links: - Küche und Essbereich mit Hauszugang über den Hochsteg - Wohnbereich mit Sanitäreinheit - Schlaf und Sanitärebene mit Kleiderschränken etc. - Arbeitsebene (ehemals Kinderzimmer) mit Technikraum 1 Fachakademie für Holzgestaltung des Beziks Oberbayern Entwerfen von Räumen Dozent: Dipl.Ing. Roger Mandl Hausanalyse: Haus R128 Architekt: Werner Sobek Frank Tietgen Garmisch-Partenkirchen Oktober 2003 R 128 by Sobek
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Page 1: Untitled-1 [] · Das Haus Sobek wird auf 6 x 4 vollkommen identische, frei verfügbare Flächen reduziert. Alle sind offen zum Hausinnern. Sichtbarer Sonnenschutz existiert, nicht

Das Glashaus ist eine 50 Jahre alte Erfi ndung der Moderne. Das berühmteste, das Farnsworth-Haus unweit von Chicago, entworfen von Ludwig Mies van der Rohe 1946 als einen lichtdurchfl uteter Kasten, kunstvoll proportioniert und ebenso feinfühlig in die umgebende Auenlandschaft integriert. Drei Jahre später errich-tete Philip Johnson mit seinem gläsernen Wohnhaus in New Canaan einen wei-teren Bau für das Wohnen im modernen Amerika als eine Hommage an Mies van der Rohe. Die Häuser waren im Sommer überhitzt, und im Winter überzogen sich die Fenster mit Eisblumen. Die damals neuen Werkstoffe wie großfl ächige Glastafeln, Stahlprofi le und anodiertes Aluminium hielten nicht, was sie verspra-chen. Das Programm des Funktionalismus war eine Vision, keine Realität und somusste die Prophezeiung erst nach und nach durch eine unter Zugzwang geratene Bauindustrie erfüllt werden die danach drängte bessere Materialien zu entwickeln.

Das viergeschossige Gebäude befi ndet sich auf einem steilen Grundstück am Rande des Stuttgarter Talkessels in Stuttgart Degerloch. Es wurde als voll-kommen rezyklierbares, im Betrieb, emissionsfreies und energetisch aut-arkes Gebäude entworfen. Das Haus ist vollkommen verglast und besitzt keine inneren Trennwände. Es ist modular aufgebaut und aufgrund des Zu-sammenbaus durch Steck- und Schraubverbindungen nicht nur leicht auf-und abbaubar, sondern auch vollkommen rezyklierbar. Das Gebäude kommt ganz ohne Schalter, Türgriffe, Armaturen etc. aus, da sämtliche Bewegungs- und Steue-rungsvorgänge durch berührungslose Radarsensoren , Mikrowellensensoren bzw. voice control gesteuert werden. Beispielsweise ermöglicht das System vom unteren Geschoss aus die Fenster im obersten zu schließen. Schranktüren, Wasserhähne und Toilettenspülung lassen sich ebenso berührungslos wie hygienisch per Handbewegung dirigieren. Der im Haus benötigte elektrische Strom wird durch Photovoltaik erzeugt.

Um das Haus als emissionsfreies Nullenergiehaus bauen zu können, wur-de ein neuartiges computergesteuertes Energiekonzept entwickelt; die-ses kann bei Bedarf von jedem Ort der Erde per Telefon und Compu-ter kontrolliert werden. Einstellungen am Computer ermöglichen einen automatischen Luftaustausch, sodass ein optimiertes Raumklima beibehalten wird.

Das Tragwerk des Gebäudes wird aus einem durch Diagonalen ausgesteiften Stahlskelett gebildet, dass auf einer Stahlbeton - Bodenplatte steht. Die Decken bestehen aus Elementen in Dickholzbauweise. Alle tragenden und nichttragen-den Elemente sowie die Fassade sind modular aufgebaut und werden durch leicht lösbare Verbindungen zusammengehalten. Es gibt keinerlei Putz oder Estrich, so dass auch keine schwierig oder gar nicht zu entsorgenden Werkstoffverbunde entstehen. Entsprechend konsequent gibt es keine Unterputzleitungen. Alle Ver- bzw. Entsorgungssysteme sowie Kommunikationsstraßen liegen in Blechkanälen, die entlang der Fassaden angeordnet und in die Deckenkonstruktion integriert sind.

Das Haus wurde komplett aus vorgefertigten Teilen hergestellt. Die Bauzeit ist re-kordverdächtig: In nur vier Tagen stand das Stahlgerüst und nicht mehr als zehn Wochen waren nötig um das Haus komplett zu installieren. Mit einer Präzision wurde hier geplant und gebaut, die Toleranzen von nur fünf Millimetern über die vier Ge-schosse ergeben hat , Werte, die eher im Maschinen- als beim Rohbau üblich sind. Das vollkommen verglaste Gebäude besitzt eine hochwertige Dreifachverglasung mit Edelgasfüllung sowie eine Konvektionsbarriere nach dem Heat- Mirror- Prinzip die gleichzeitig Überhitzung oder Wärmeverluste verhindert. Der U -Wert von beträgt 0,4.

Die durch die Fassade in das Gebäude eingestrahlte Sonnenenergie wird über wasserdurchfl ossene Deckenelemente absorbiert und anschließend eiern Wärmespeicher zugeführt, aus dem das Gebäude im Winter durch Umkeh-rung des Wärmeaustauschprozesses beheizt wird. Die Deckenelemente wir-ken dann als Wärmestrahler, eine zusätzliche Heizung ist nicht erforderlich.

Rechts von Oben: - Grundgerüst aus verschraubten Vierkantstahlrohren und Doppel T -Trägern. - Stahlskelett mit Versteifungskreuzen - Stahlskelett mit den Gitterrosttreppen - Gesammtkonstruktion mit Verbundholzböden

Unten von links: - Küche und Essbereich mit Hauszugang über den Hochsteg - Wohnbereich mit Sanitäreinheit - Schlaf und Sanitärebene mit Kleiderschränken etc. - Arbeitsebene (ehemals Kinderzimmer) mit Technikraum

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Fachakademie für Holzgestaltung des Beziks Oberbayern

Entwerfen von Räumen

Dozent: Dipl.Ing. Roger Mandl

Hausanalyse: Haus R128Architekt: Werner Sobek

Frank Tietgen

Garmisch-Partenkirchen Oktober 2003

R 128

by Sobek

Page 2: Untitled-1 [] · Das Haus Sobek wird auf 6 x 4 vollkommen identische, frei verfügbare Flächen reduziert. Alle sind offen zum Hausinnern. Sichtbarer Sonnenschutz existiert, nicht

R 128

by Sobek

Der Zugang zum Gebäude erfolgt über eine Brücke, die zur obersten Ebene führt. In dieser Ebene befi n-den sich Küche und Essbereich. Nach unten schließen sich dann die Wohnebene, die Schlafebene und das Kinderzimmer mit Technikbereich an. Die vier Nut-zungsebenen werden jeweils durch wenige Möbelstü-cke defi niert. Damit wird das Konzept der maximalen Transparenz auch im Inneren des Bauwerks umgesetzt.

Less is best?

Das Haus Sobek wird auf 6 x 4 vollkommen identische, frei verfügbare Flächen reduziert. Alle sind offen zum Hausinnern. Sichtbarer Sonnenschutz existiert, nicht mehr und wird verbessert durch die Reduktion auf eine Folie und die Gasfüllung zwischen den Glasscheiben. Damit ändert das Äußere des Hauses gewaltig Dies war jedoch keine architektonische Entscheidung, son-dern angewandte Forschung aus dem Institut für Leich-te Flächentragwerke mit »Smart Materials«. Währenddie früheren Bauten Fassadengliederungen aus Stüt-zen und Glasfl ächen hatten, reduziert der Stuttgarter Bau von Sobek die Fassaden auf eine kontinuierliche Glashülle mit innen liegenden Stützen. Türdrücker und ähnliches werden auf unsichtbare Tasten reduziert. Haustür und Lüftungsfenster sind eine von 104 iden-tischen Fassadenscheiben, nur eben beweglich. Die Zugänge, der Steg, die Terrasse und auch die Innen-treppe sind alle auf ein Material, verzinkte Stahlträger-roste reduziert. Die Unterkonstruktio-nen lösen das Haus aus seiner Umgebung.Das Ergebnis ist ein makelloser Bau. So-viel Präzision fi ndet man sonst nur beimMaschinenbau. Der Bauherr selbst wohnt derzeit in diesem Haus, jedoch der dreizehnjährige Sohn ist be-reits aus Mangel an Intimsphäre in das angrenzende Gästehaus ausgezogen. Es sollte also fraglich sein, wie viele Menschen wohl nur in einer solch „technisch-konstruktiv perfekten und von zukunftsorientierten“Haustechnik mit Außenhülle leben können?

Professor Dr. Werner Sobek

19 30 geboren in Aalen, Württemberg 1974-80 Bauingenieur - und Architekturstudium an der Universität Stuttgart 1980-86 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Stuttgart1987 Promotion zum Doktor- Ingenieur an der Universität Stuttgart1987-91 Mitarbeiter bei Schlaich, Bergermann & Partner, Stuttgart 1991 Gründung eines eigenen Ingenieurbüros, Professor an der Universität Hannover1995 Professor an der Universität Stuttgart Direktor des Instituts für Leichte Flächentragwerke (IL) und des Zentrallabors des Konstruktiven Ingeni eurbaus1998 Mitglied des Vorstands der Ingenieur kammer Baden-Württemberg Ernennung zum Prüfi ngenieur für Baustatik für alle Fachrichtungen2000 Übernahme eines zweiten Lehrstuhls als Nachfolger von Prof. Dr. Jörg Schlaich; Gründung des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK)2000/2001 Gastprofessor an der Universität Graz2001 Structural Engineering License für den Bundesstaat Illinois/USA

Wichtigste Projekte: Ecole Nationale d‘Art Décoratif, Limoges; Interbank Limo; Centercourt Überdachung des Rothenbaum - Stadiums, Hamburg; Bangkok In-ternational Airport; Sony-Center Berlin; Messestände für Audi AG, Daimler Chrysler AG, BMW AG, Deutsche Post AG 2

Fachakademie für Holzgestaltung des Beziks Oberbayern

Entwerfen von Räumen

Dozent: Dipl.Ing. Roger Mandl

Hausanalyse: Haus R128Architekt: Werner Sobek

Frank Tietgen

Garmisch-Partenkirchen Oktober 2003


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