Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
2003
Der Rosenkranz als Kulturgut
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
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2003200320032003 Der Rosenkranz als KulturgutDer Rosenkranz als KulturgutDer Rosenkranz als KulturgutDer Rosenkranz als Kulturgut Denise Battaglia Terra Plana Heft 1/2006 Seite 53-56
Faszination und Kraft der WiederholungFaszination und Kraft der WiederholungFaszination und Kraft der WiederholungFaszination und Kraft der Wiederholung
Der Rosenkranz: Christliche Glaubensgeschichte und VolkskulturgutDer Rosenkranz: Christliche Glaubensgeschichte und VolkskulturgutDer Rosenkranz: Christliche Glaubensgeschichte und VolkskulturgutDer Rosenkranz: Christliche Glaubensgeschichte und Volkskulturgut
Denise Battaglia, Basel
Die Hausfrau hängt ihn an die Wäscheleine, damit es nicht in ihre Wäsche regnet. Die
Liebende schenkt ihn ihrem Geliebten, auf dass ihre Verbindung unzertrennlich sei. Die
Mutter legt ihn dem Neugeborenen in die Wiege, um den Tod fern zu halten. Der
Taxifahrer hängt ihn an den Rückspiegel, damit er ihn vor Un- und Überfallen schützt.
Seit Jahrhunderten tragen die Menschen in fast allen Ländern und Religionen
Rosenkränze als Glücksbringer und zum Schutz gegen das Übel bei sich.
Eigentlich aber ist der Rosenkranz eine Gebetsschnur, eine aus «Perlen» oder Knoten
bestehende Zählhilfe, mit der die Gläubigen Gott huldigen. Der Rosenkranz ist ein
Wiederholungsgebet. Der Betende repetiert unablässig heilige Namen und Verse. «Das
ist eine Meditationstechnik, die es in praktisch allen Religionen gibt. Die Perlen des
Rosenkranzes sind für den Gläubigen so etwas wie ein Leitfaden fürs Leben», erklärt
Urs-Beat Frei, Mitautor des Buches «Der Rosenkranz - Kunst der Andacht».
Einst ein LaiengebetEinst ein LaiengebetEinst ein LaiengebetEinst ein Laiengebet
Der Rosenkranz ist ursprünglich ein Laiengebet, wurde er im Mittelalter doch vor allem
von Analphabeten gebraucht. Nur gelehrte Mönche waren fähig, den Psalter zu beten.
Im 14. Jahrhundert wurde den Mönchen, die nicht lesen konnten, empfohlen, statt der
150 Psalmen ebenso viele «Vaterunser» oder «Gegrüsst seist du, Maria» (Ave Maria) zu
beten.
Im 15. Jahrhundert legte der Kartäuser Heinrich von Kalkar dem Gebet das einprägsame
Dezimalsystem zu Grunde und erfand damit ein Zehnfingersystem fürs Beten. Er schlug
vor, die Gebete aufzugliedern in 15 mal 10 «Ave Maria» mit je einem «Vaterunser»
dazwischen. Der Kölner Kartäuser Dominikus von Preussen hat den Mariengrüssen
später je einen Satz aus der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu angehängt, die so
genannten Geheimnisse, auch «Gesätze» genannt.
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Rosenkranzmadonna. Öl auf
Leinwand,
144x 115,5 cm. Zentralschweiz
(Eva ab Yberg?), 1606,
ehemals Kapuzinerkloster Arth.
Hinter den gekrönten Häuptern links,
die wohl die frühen Förderer des
Rosenkranzes repräsentieren,
ist auch Niklaus von Flüe dargestellt.
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Oben: Im Dovotionalienladen Rechts: Gebetskette, geschlossen, Schweiz, 1. Hälfte 20. Jh., Holz, Silber, 1 x 10, 36 cm. Einhänger: Relief aus Silber, Lamm Gottes, in ringförmigen Rahmen. Abschluss: Kreuz aus Silber mit Christusmonogramm.
Weniger lang im FegefeuerWeniger lang im FegefeuerWeniger lang im FegefeuerWeniger lang im Fegefeuer
In dieser Form verbreitete sich das Wiederholungsgebet in den Klöstern Europas. Die
Kirche merkte schnell, dass der Rosenkranz ein für jedermann zugängliches Gebet ist,
und förderte es kräftig: Rosenkranzbruderschaften brachten die Gebetsschnur unter das
Volk, die Päpste gewährten dafür Ablässe. «Durch das Rosenkranzgebet liess sich der
Aufenthalt im Fegefeuer verkürzen», führt Frei aus. Kein Wunder, wurde es bereits
Ende des 15. Jahrhunderts ein häufig praktiziertes Volksgebet, ja es entwickelte sich
eine regelrechte Heilsarithmetik. Den Rekord soll die deutsche Mystikerin Christine
Ebner halten: Durch ihre Gebetsleistung habe sie 23 710 200 Seelen aus dem Fegefeuer
erlöst.
Das leistungsorientierte, mechanische Beten haben die Reformatoren des 16.
Jahrhunderts klar kritisiert. «Da klappern die Steinn... und das Maul plappert», machte
sich Martin Luther über die Frömmigkeitsübung lustig. Die Reformatoren lehnten den
mit dem Gebet verbundenen Ablass vehement ab. Nicht die Zahl der Gebete mache den
Menschen gut; worauf es ankomme, seien die rechte Gesinnung sowie die sittlich gute
Tat.
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Die Versuchung des hl. Antonius, oberrheinisch. Tafelbild um 1520.
Wallraf-Richartz-Museum Köln. Der Eremit Antonius (251-356) gilt als Vater des christlichen Mönchtums. Den teuflischen Versuchungen widersteht er hier mit einer
geschlossenen Gebetskette in der Hand.
In gewissen protestantischen Gebieten wurde das offene Tragen von Gebetsschnüren
per Dekret verboten. «Im zwinglianischen Zürich hat man sogar Leute ins Gefängnis
geworfen, die sich nicht daran hielten», weiss Urs Beat Frei.
Das Bedürfnis, die Gebetsleistung in Zahlen auszudrücken, besteht schon seit
Jahrhunderten. Erste Berichte über das Wiederholungsgebet stammen aus dem 4.
Jahrhundert. Der Eremit Paulus, der in der nordafrikanischen Wüste lebte, soll jeden
Tag 300-mal das «Vaterunser» gesprochen haben. Die Gebete habe er mit
eingesammelten Steinchen abgezählt, so die Legende.
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Lobpreisschnur, Islam, Bernstein (?), Gebetskette, Zehner, Süddeutschland, 18. Jh., Seidenfaden, 62 cm. Schlangenwirbel, Silber, Golddraht, 44 cm.
Rosenkranz Süddeutschland, 18. Jh., Koralle, Silber, Silberfiligran, 6 Gesätze, 42 cm. Einhänger: Rundmedaillons mit Verkündigung, Geburt Jesu, Kreuz tragender Jesus, Kreuzigung, Krönung Mariens. Abschluss: Ovales SilbermedaiIlon: Mariahilf
Rosenkranz, Süddeutschland, frühes 18. Jh., 6 Gesätze, 60 cm. Anhänger: Medaillons, Maria/Jesus, Elisabeth. Abschluss: Messingkreuz, graviert (Arma Christi), mit Reliquien.
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Rosenkranz Süddeutschland, 1. Hälfte 18. Jh., Holz, Silber, Seide, Granaten,
6 Gesätze, 81 cm. Anhänger: Medaillons, Reliquienkapsel (19. Jh.),
3 Kruzifixe. Abschluss: Jerusalemkreuz mit Corpus und Silberfassung.
In allen grossen Religionen beliebtIn allen grossen Religionen beliebtIn allen grossen Religionen beliebtIn allen grossen Religionen beliebt
Doch der Rosenkranz ist keine Erfindung der katholischen Kirche. In allen grossen
Religionen ausser im Judentum beten und meditieren die Gläubigen mit einer Kette. Im
Islam wird sie «Misbah», «Subha» oder «Tasbih» genannt. Die Kette hat 99 Perlen, die
für die 99 Namen Allahs stehen. Meist wissen nur Gelehrte und eifrige Gläubige die
Namensreihe auswendig. Für alle anderen gibt es eine Kurzvariante.
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Im Hinduismus wird die Kette «Mala» genannt. Sie besteht aus 84 oder 108 Kugeln.
Die Hindus ehren damit einen Gott oder eine Göttin, indem sie den Namen mit jeder
Perle wiederholen. Die Kette dient auch dem Schutz gegen Unheil. Auch bei den
Buddhisten heisst die Rezitationsschnur «Mala». Sie hat ebenfalls 108 Perlen, mit denen
Verse, Verehrungsformeln und Mantren aufgesagt werden, die den Gläubigen zur
Einsicht und Erleuchtung bringen sollen. Für seine Gebete wird der Buddhist entlöhnt.
Er kann beispielsweise auf eine bessere Wiedergeburt für sich oder verstorbene
Angehörige hoffen.
Das Rosenkranzgebet der Katholiken besteht heute aus fünf mal zehn «Ave Maria» mit
jeweils einem «Vaterunser» dazwischen. Auch die orthodoxe Kirche kennt die
geknotete Gebetsschnur.
Rosenkranz Schweiz, um 1700, Holz, Textilien, Pergament, Messing, 5 Gesätze, 46 cm. Abschluss: Herzförmiger Anhänger mit Salvator mundi (Spickelbild)/ IHS (Schnittbild).
Rosenkranz. Gold, schwarzes Email, Länge 40,5 cm, englisch, um 1500
(Langdale Rosary). Victoria and Albert Museum London.
Meditationsform eigener ArtMeditationsform eigener ArtMeditationsform eigener ArtMeditationsform eigener Art
Der Rosenkranz ist eine Form der Meditation. Perle um Perle betet sich der Gläubige in
Ruhe weiter. «Die Gebetsschnur ist so etwas wie eine Verbindung zum Himmel. An ihr
kann man sich festhalten», erklärt sich Urs-Beat Frei das Bedürfnis fast aller
Religionen, mittels einer Kette zu beten. Der Rosenkranz war stets nicht nur ein
Gebetszählgerät, sondern auch ein Anker in der Not: Nach dem Zweiten Weltkrieg fand
man im Konzentrationslager Dachau eine kleine, einfache Gebetsschnur, die ein KZ-
Häftling aus den Fäden seines Kleides und aus vom Mund abgesparten Brotkrumen
gefertigt hatte.
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Albrecht Dürer, Das Rosenkranzfest. Öl auf Holz, 162 x 194,5 cm, Venedig, 1506.
Nationalgalerie Prag. Auftraggeber für dieses wohl berühmteste Rosenkranzbild war die Rosenkranzbruderschaft der Deutschen in Venedig.
Bis zum 20. Jahrhundert trugen die Katholiken in Europa den Rosenkranz das ganze
Leben lang mit sich, und er wurde ihnen sogar ins Grab gelegt. Die Reichen liessen sich
Rosenkränze aus Gold, Bernstein, Elfenbein oder Bergkristall anfertigen und machten
aus ihm ein Schmuckstück, das man zur Schau trug.
Abwehr und SchutzAbwehr und SchutzAbwehr und SchutzAbwehr und Schutz
Vor allem aber mutierte die Gebetskette bald zum Amulett, das das Übel fern hält und
das Glück begünstigt. Das «Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens»hält fest,
welche Kräfte dem Rosenkranz zugeschrieben wurden: So sollen Spukgestalten
zurückweichen, wenn man mit einem geweihten Rosenkranz nach ihnen wirft.
Schwangere, die einen Rosenkranz bei sich tragen, würden davor geschützt, verhext zu
werden. Ein Rosenkranz, der aus einem Grab stamme, helfe gegen Kopfschmerzen.
Auch das Material, aus dem die Kette bestand, wurde nach der gewünschten Kraft
gewählt: Wassernüsse, so genannte Schrecksteine oder Schlangenwirbel halten böse
Geister und Totenköpfe den Tod fern, Bergkristall hilft bei Übelkeit und Schwindel,
rote Koralle wirkt generell gegen Krankheit und bösen Zauber.
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Selbst Riechkapseln mit Duftstoffen gegen die Pest hat man an den Rosenkranz
gehängt.
Die Winterthurer Privatsammlung Fredy Bühler umfasst eine unglaubliche Vielfalt von
Gebetsketten von bestechender Schönheit und geschaffen aus den edelsten Materialien.
Die schönsten Stücke der Sammlung waren im Sommer 2003 im Museum Bruder Klaus
in Sachseln OW in einer viel beachteten Ausstellung zu sehen.
Die RosenkranzbruderschaftenDie RosenkranzbruderschaftenDie RosenkranzbruderschaftenDie Rosenkranzbruderschaften
In allen Kirchgemeinden des Sarganserlandes gab es eine Rosenkranzbruderschaft. Die
Mitglieder dieser kirchlich anerkannten Laienvereinigung pflegten besonders das
Rosenkranzgebet. Sie lebten nach vorgegebenen Satzungen, die Sinn und Zweck der
Bruderschaft darlegten. Für die Rosenkranzbruderschaft in Mels galten folgende
Satzungen:
«1. Die Rosenkranzbruderschaft wurde gestiftet vom heiligen Dominikus, + 1221, welchem Maria, die allerseligste Jungfrau und Mutter Gottes, den ersten heiligen Rosenkranz übergab, mit der Weisung, denselben fleissig zu beten und auf dem ganzen Erdenrund einzuführen.
2. Sie bezweckt durch fleissiges, andächtiges und betrachtendes Abbeten des Rosenkranzes oder Psalters (d. i. der 15 Geheimnisse) die Ehre Gottes und der allerseligsten Jungfrau Maria und das Heil der lebenden und verstorbenen Mitglieder. Deshalb ist diese Bruderschaft von vielen Päpsten bestätigt und mit reichlichen Ablässen (siehe unten) beschenkt worden.
3. Um Mitglied zu werden, muss man sich in das Verzeichnis des Ortes einer nach den kirchlichen Vorschriften errichteten Rosenkranzbruderschaft eintragen und von einem dazu speziell bevollmächtigten Priester aufnehmen lassen.
4. Jedes Mitglied soll wöchentlich wenigstens einmal den ganzen Psalter der 15 Geheimnisse beten und dabei einen von einem speziell hiezu bevollmächtigten Priester geweihten Rosenkranz in der Hand halten; beim gemeinschaftlichen Gebetgenügt es, wenn eine Person (Vorbeter) einen geweihten Rosenkranz hält.
5. Alle Mitglieder sollen sich befleissen, der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter nachzufolgen in Unschuld, Tugend und Frömmigkeit - um sich ihres mächtigen Schutzes und ihrer Fürbitte im leben und besonders in der Todesstunde teilhaft zu machen.»
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Rosenkranz und TechnomusikRosenkranz und TechnomusikRosenkranz und TechnomusikRosenkranz und Technomusik
Und heute? «In Westeuropa hat der Rosenkranz seine einstige Bedeutung weitgehend
verloren», sagt Urs-Beat Frei. Zumindest als Gebet. Der Rosenkranz wird von den
Jungen heute als Schmuck oder Amulett getragen. Zwar betet der konfessionslose,
moderne Mensch heute den Rosenkranz nicht mehr, trotzdem glaubt Frei, dass das
Bedürfnis nach Ruhe und Versenkung unverändert ist. So sieht er Parallelen zwischen
dem rhythmischen, monotonen Rosenkranzgebet und der rhythmischen, monotonen
Technomusik. «Auch hier wird eine Art Trance gesucht.»
In den meisten Religionen wird die Gebetsschnur immer noch fürs Gebet benutzt.
Wie man einen Rosenkranz betetWie man einen Rosenkranz betetWie man einen Rosenkranz betetWie man einen Rosenkranz betet
Das katholische Rosenkranzgebet besteht aus drei Rosenkranzgebeten: dem
«freudenreichen», dem «schmerzhaften» und dem «glorreichen». Im Oktober 2002
führte Papst Johannes Paul II. zusätzlich den «Lichtreichen Rosenkranz» ein. Der
Rosenkranz besteht in der Regel aus sieben grösseren und 53 kleineren Perlen sowie
einem angehängten Kreuz.
Das Gebet beginnt beim KreuzDas Gebet beginnt beim KreuzDas Gebet beginnt beim KreuzDas Gebet beginnt beim Kreuz
mit dem Glaubensbekenntnis. Es folgen
drei Perlen, an denen der Gläubige je ein
«Gegrüsst seist du, Maria» betet mit der
Bitte um Glaube, Hoffnung und Liebe.
Danach beginnt der eigentliche
Rosenkranz, der aus 50 kleineren und
fünf grösseren Perlen besteht, mit einem
«Vaterunser». Die 50 Perlen sind in
10er-Gruppen gegliedert und stehen für
ein «Gegrüsst seist du, Maria». Nach den zehn Perlen folgt ein «Vaterunser». In jedes
«Ave Maria» ist ein Gesätz eingeflochten, das die Ereignisse aus dem Leben Jesu
erzählt. Jedes Gesätz besteht aus fünf Einzelsätzen. Ein Gebet dauert rund 30 Minuten.
Ein ähnlicher Artikel von der gleichen Verfasserin erschien auch in der selben Zeit in der Zeitschrift "Schweizer Familie". Wir danken der Verfasserin und dem Verlag "Terra Plana" bestens für die freundliche Wiedergabebewilligung. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 02/2007
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