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Unterschiedliche Bilanzierungsregeln in den USA und Europa ... · Skandal des US-Energieriesen...

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55. Jahrgang – ifo Schnelldienst 14/2002 Globale Rechnungslegungs- regeln sind erforderlich Öffentliche Kritik an den US-GAAP Die Diskussion um die Qualität von Rech- nungslegungsstandards ist durch den Skandal des US-Energieriesen Enron in das öffentliche Interesse gerückt. Die Bil- anzierungsweise von Enron, durch die teil- weise innerhalb der Grenzen der US-Bil- anzierungsregeln (US-GAAP) Verbind- lichkeiten aus der Bilanz ausgelagert wur- den, zeigte auf, dass die Regeln erhebli- che Schwächen aufweisen. Diese wurden in der öffentlichen Diskussion umso stär- ker kritisiert, da US-GAAP zuvor als die weltweit striktesten Regeln angesehen wurden. Im Folgenden soll der Fragen nachgegangen werden, welche Gesamt- heit von Bilanzierungsstandards grund- sätzlich zur besseren Darstellung führen könnten. Die Diskussion dieser Frage führt vor dem Hintergrund der aktuellen Ereig- nisse zu einem Vergleich der US-GAAP mit den International Financial Reporting Standards (IFRS, bisher IAS). Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass ei- ne ausschließliche Betrachtung der Rech- nungslegungsregeln nicht das ganze Bild erfasst. Zu berücksichtigen ist, dass in den USA und in Europa unterschiedliche Systeme von Prüfung und Überwachung bestehen. Dieser Aspekt wird jedoch aus der folgenden Diskussion weitgehend ausgeklammert. Europäische Rechnungslegung – IFRS auf dem Vormarsch Der Ministerrat der Europäischen Union hat im Juni beschlossen, dass ab dem Geschäftsjahr 2005 alle kapitalmarkt- orientierten Unternehmen in Europa ihre Konzernabschlüsse unter Anwendung der IFRS aufstellen müssen. Sie hat nur für diejenigen Unternehmen, die für ein Lis- ting im Ausland zwingend andere Rech- nungslegungsregeln verwenden, eine Ver- längerung der Frist bis ins Jahr 2007 zu- gelassen. Die Ausnahmeregel betrifft im Wesentlichen Unternehmen, die heute an der New York Stock Exchange gelistet sind und volle US-GAAP Abschlüsse auf- stellen. Das International Accounting Standards Board (IASB), das die IFRS entwickelt, hat die Aufgabe, Rechnungslegungsregeln zu schaffen, die global anwendbar sind. Ei- ne Gleichsetzung von IFRS mit europäi- schen Regeln ist daher zu kurz gegriffen. Die weltweite Verbreitung der IFRS zeigt, dass sie in allen Regionen der Welt, mit der Ausnahme des nordamerikanischen Raums, zu Hause sind. Viele nationale Re- chungslegungsstandards sind entweder auf der Basis von IFRS überhaupt erst ent- wickelt worden oder sind an diese wei- testgehend angepasst worden. Auch vie- le Staaten in Europa haben, soweit dies im Rahmen der 4. und 7. EU-Richtlinien möglich war, ihre nationalen Standards an die IFRS angepasst. Investorinformation als Messlatte Das Ziel der Erstellung von Abschlüssen ist eine Darstellung der Vermögens-, Fi- nanz- und Ertragslage eines Unterneh- mens, die dem Adressaten als Grundla- ge für ökonomische Entscheidungen die- nen soll. Bilanzierungsregeln müssen da- zu geeignet sein, in eindeutiger Weise die vielfältige Realität in eine solche Darstel- lung zu transformieren. Dies ist ohne Stan- 3 Europa: Welches ist die bessere Methode? Unterschiedliche Bilanzierungsregeln in den USA und Angesichts der aktuellen US-amerikanischen Bilanzskandale erscheint die Bilanzierung nach US-GAAP den eigenen Regeln unterlegen. Zudem erschweren unterschiedliche Bilanzie- rungsstandards in den USA und in Europa die Vergleichbarkeit von Unternehmensergebnis- sen. Welche Gesamtheit von Bilanzierungsstandards könnte grundsätzlich zur besseren Dar- stellung der Unternehmensergebnisse führen? Joachim Schindler* Anne Schurbohm** * WP/StB/CA Dr. Joachim Schindler, Partner, Lei- ter des Department of Professional Practice (DPP) Assurance der KPMG Deutschland. ** WP/StB Dr. Anne Schurbohm, verantwortlicher Partner für den Bereich Rechnungslegung (IAS, HGB) im DPP Assurance der KPMG Deutschland.
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55. Jahrgang – i fo Schne l ld ienst 14/2002

Globale Rechnungslegungs-regeln sind erforderlich

Öffentliche Kritik an den US-GAAP

Die Diskussion um die Qualität von Rech-nungslegungsstandards ist durch denSkandal des US-Energieriesen Enron indas öffentliche Interesse gerückt. Die Bil-anzierungsweise von Enron, durch die teil-weise innerhalb der Grenzen der US-Bil-anzierungsregeln (US-GAAP) Verbind-lichkeiten aus der Bilanz ausgelagert wur-den, zeigte auf, dass die Regeln erhebli-che Schwächen aufweisen. Diese wurdenin der öffentlichen Diskussion umso stär-ker kritisiert, da US-GAAP zuvor als dieweltweit striktesten Regeln angesehenwurden. Im Folgenden soll der Fragennachgegangen werden, welche Gesamt-heit von Bilanzierungsstandards grund-sätzlich zur besseren Darstellung führenkönnten. Die Diskussion dieser Frage führtvor dem Hintergrund der aktuellen Ereig-nisse zu einem Vergleich der US-GAAPmit den International Financial ReportingStandards (IFRS, bisher IAS). Dabei darfjedoch nicht vergessen werden, dass ei-ne ausschließliche Betrachtung der Rech-nungslegungsregeln nicht das ganze Bilderfasst. Zu berücksichtigen ist, dass inden USA und in Europa unterschiedlicheSysteme von Prüfung und Überwachungbestehen. Dieser Aspekt wird jedoch ausder folgenden Diskussion weitgehendausgeklammert.

Europäische Rechnungslegung –IFRS auf dem Vormarsch

Der Ministerrat der Europäischen Unionhat im Juni beschlossen, dass ab demGeschäftsjahr 2005 alle kapitalmarkt-orientierten Unternehmen in Europa ihreKonzernabschlüsse unter Anwendung derIFRS aufstellen müssen. Sie hat nur für

diejenigen Unternehmen, die für ein Lis-ting im Ausland zwingend andere Rech-nungslegungsregeln verwenden, eine Ver-längerung der Frist bis ins Jahr 2007 zu-gelassen. Die Ausnahmeregel betrifft imWesentlichen Unternehmen, die heute ander New York Stock Exchange gelistetsind und volle US-GAAP Abschlüsse auf-stellen.

Das International Accounting StandardsBoard (IASB), das die IFRS entwickelt, hatdie Aufgabe, Rechnungslegungsregeln zuschaffen, die global anwendbar sind. Ei-ne Gleichsetzung von IFRS mit europäi-schen Regeln ist daher zu kurz gegriffen.Die weltweite Verbreitung der IFRS zeigt,dass sie in allen Regionen der Welt, mitder Ausnahme des nordamerikanischenRaums, zu Hause sind. Viele nationale Re-chungslegungsstandards sind entwederauf der Basis von IFRS überhaupt erst ent-wickelt worden oder sind an diese wei-testgehend angepasst worden. Auch vie-le Staaten in Europa haben, soweit diesim Rahmen der 4. und 7. EU-Richtlinienmöglich war, ihre nationalen Standards andie IFRS angepasst.

Investorinformation als Messlatte

Das Ziel der Erstellung von Abschlüssenist eine Darstellung der Vermögens-, Fi-nanz- und Ertragslage eines Unterneh-mens, die dem Adressaten als Grundla-ge für ökonomische Entscheidungen die-nen soll. Bilanzierungsregeln müssen da-zu geeignet sein, in eindeutiger Weise dievielfältige Realität in eine solche Darstel-lung zu transformieren. Dies ist ohne Stan-

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Europa: Welches ist die bessere Methode?Unterschiedliche Bilanzierungsregeln in den USA und

Angesichts der aktuellen US-amerikanischen Bilanzskandale erscheint die Bilanzierung nach

US-GAAP den eigenen Regeln unterlegen. Zudem erschweren unterschiedliche Bilanzie-

rungsstandards in den USA und in Europa die Vergleichbarkeit von Unternehmensergebnis-

sen. Welche Gesamtheit von Bilanzierungsstandards könnte grundsätzlich zur besseren Dar-

stellung der Unternehmensergebnisse führen?

Joachim Schindler*

Anne Schurbohm**

* WP/StB/CA Dr. Joachim Schindler, Partner, Lei-ter des Department of Professional Practice (DPP)Assurance der KPMG Deutschland.

** WP/StB Dr. Anne Schurbohm, verantwortlicherPartner für den Bereich Rechnungslegung (IAS,HGB) im DPP Assurance der KPMG Deutschland.

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Zur Diskussion gestellt

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dardisierung und somit – in gewisser Weise – Vereinfachungnicht möglich. Neben der Komplexität der Realität, die ab-gebildet werden muss, ist die Geschwindigkeit, mit der neueSachverhalte entstehen, eine Herausforderung an Bilanzie-rungsstandards. Sie müssen entweder so formuliert sein,dass sich neue Sachverhalte subsumieren lassen, oder siemüssen immer wieder angepasst und erweitert werden.

Methodenunterschiede US-GAAP – IFRS

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die US-GAAP unddie IFRS diesen Herausforderungen unterschiedlich be-gegnen. Die US-GAAP sind dadurch geprägt, dass sie imWesentlichen aus einer Addition von Standards, Interpreta-tionen und Anwendungshilfen bestehen, die Gruppen vonSachverhalten oder einzelne Sachverhalte regeln (einzelre-gelungsorientiert). Die so genannten Concept Statements,die die Rahmengrundsätze enthalten, spielen dagegen kei-ne bedeutende Rolle. Die Standards werden vom FASB (Fi-nancial Accounting Standards Board) erlassen. Die Befug-nis dazu wurde dem FASB von der SEC (Securities and Ex-change Commission) abgetreten. Aktuelle Problemfelderund deren Lösung im Wege der Interpretation der Standardssoll die EITF (Emerging Issues Task Force) bearbeiten. Sieerlässt verbindliche Interpretation spezieller Sachverhalte.

Die IFRS sind geprägt davon, dass sie vom Rahmenkonzept,das die Grundsätze, z.B. die Definitionen von Vermögens-werten und Schulden, Aufwendungen und Erträgen, sowiegrundsätzliche Bewertungsregeln enthält, ausgehen (grund-satzorientiert). Auf dieser Basis werden in den einzelnen Stan-dards Prinzipien für die Anwendung des Rahmenkonzeptsauf Sachverhaltsgruppen/ Bilanzposten, z.B. Leasing, im-materielle Vermögenswerte, Vorräte, Sachanlagen, Rück-stellungen usw., festgelegt. Es gibt nur sehr wenige Detail-regelungen. Einzige Ausnahme ist der IAS 39, der die Bilan-zierung und Bewertung von Finanzinstrumenten regelt. Ne-ben den Standards werden vom IFRIC (International Finan-cial Reporting Interpretations Committee) Interpretationen zuden Standards entwickelt. Die Interpretationen helfen da-bei, die Grundsätze auf Sachverhalte anzuwenden, bei de-nen über die Bilanzierung weitgehende Unsicherheit oderMeinungsverschiedenheit herrscht. Auch das IFRIC formu-liert seine Interpretationen eher auf Grundsätze bezogen. Da-durch wird nicht nur ein sehr spezifischer Einzelfall behan-delt, sondern es wird das Verständnis der in den Standardsfestgelegen Bilanzierungsgrundsätze weiterentwickelt.

Die Einzelregelungen der US-GAAP ermöglichen es dem An-wender und Prüfer, den jeweiligen Fall eindeutig zu ent-scheiden. Das System lädt jedoch dazu ein, Sachverhalteso zu gestalten, dass die für die gewünschte bilanzielle Ab-bildung vorgegebenen Regeln gerade eingehalten werden.Ein Beispiel wäre die Bestimmung des wirtschaftlichen Eig-

entümers eines Vermögensgegenstandes in einem Lea-singverhältnis. Finanzierungsleasing liegt nach US-GAAPu.a. vor, wenn die unkündbare Mietzeit bei einem Leasing-vertrag mindestens 75% der wirtschaftlichen Nutzungsdauerdes Leasinggegenstandes beträgt. Dies lädt dazu ein, Le-asingverträge so zu gestalten, dass ein Verhältnis von 74,9%erreicht wird. Die 75%-Grenze ist willkürlich, da wirtschaft-lich nicht zu begründen ist, dass bei 75% der Leasingge-genstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist und bei74,9% dem Leasinggeber. Bei Leasingverträgen, die so ge-staltet sind, dass alle Grenzwerte und Regeln gerade ein-gehalten werden, ist zwar den Regeln nach das wirtschaft-liche Eigentum dem Leasinggeber zuzurechnen, wirt-schaftlich trifft dies jedoch nicht unbedingt zu. Die Darstel-lung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse wirddurch diesen »form over substance« – Ansatz verhindert.

Nach den IFRS entscheidet sich die Bilanzierung von Lea-singverhältnissen danach, bei wem die mit dem Eigentuman einem Leasinggegenstand verbundenen Risiken undChancen liegen. Neben diesem Grundsatz enthält der ent-sprechende Standard einige Beispiele und Indikatoren, diedie Entscheidung, wem die Risiken und Chancen zuzu-rechnen sind, vereinfachen sollen. Das oben genannte Kri-terium ist in den IFRS als Beispiel enthalten, allerdings oh-ne die 75%-Grenze aufzugreifen. Finanzierungsleasing liegtnach IFRS vor, wenn die unkündbare Mietzeit den überwie-genden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Lea-singgegenstandes umfasst. Dass kein eindeutiger Grenz-wert festgelegt ist, erschwert die Entscheidung im Einzel-fall. Eine Bilanzierung, die die wirtschaftlichen Verhältnissenicht zutreffend abbildet, wird jedoch verhindert, da nachdem Gesamtbild zu entscheiden ist, wer die Risken undChancen trägt.

Herausforderung des IASB: globale Rechnungs-legungsregeln

In Anbetracht der Globalisierung der Kapitalmärkte stehtes außer Frage, dass globale Rechnungslegungsregelngrundsätzlich sinnvoll sind. Die Frage, welche der unter-schiedlichen Methoden der Formulierung von Bilanzie-rungsregeln – grundsatzorientiert oder einzelregelorientiert– besser geeignet ist, soll daher vor dem Hintergrund be-trachtet werden, wie das Ziel globaler Rechnungslegungs-regeln am besten erreicht werden kann. Das IASB arbeitetan Rechnungslegungsregeln, die die Vielfalt der in der Re-alität vorkommenden Transaktionen sachgerecht abbildensollen. Die Regeln müssen in allen sozio-ökonomischen,rechtlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Um-feldern anwendbar sein. Sie müssen geeignet sein, mit denEntwicklungen weltweit mitzuhalten. Sie müssen verständ-lich für alle Adressaten sein. Außerdem sollen sie so gestaltetsein, dass ihre einheitliche Anwendung weltweit gewähr-

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leistet und überprüft werden kann. Schließlich müssen so-wohl Gestaltungs- als auch Ermessensspielräume so geringwie möglich gehalten werden. Diese Aufgaben können nichtallein durch Rechnungslegungsstandards gewährleistet wer-den. Es müssen auch geeignete Wege gefunden werden,die einheitliche Anwendung sicherzustellen. Die Diskussiondarum, wie dies in Europa, geschweige denn weltweit, si-chergestellt werden soll, ist noch am Anfang.

Qualitativ hochwertige Bilanzierungsstandards

Als ein Ziel im Rahmen des Gesamtziels, globale Rech-nungslegungsstandards zu entwickeln, nennt das IASB dieEntwicklung qualitativ hochwertiger Bilanzierungsstandards.Es scheint klar, dass das IASB von der jetzigen Methode,nämlich Grundsätze zu formulieren, nicht abrücken kann.Für die scheinbar unendliche Vielfalt von Sachverhalten,die weltweit auftreten können, lässt sich kein System vonEinzelfallregeln schaffen. Zur grundsatzorientierten Metho-de hat sich das IASB bekannt und wird auf dieser Grundla-ge weiterarbeiten.

Konvergenz

Des Weiteren hat sich das IASB zum Ziel gesetzt, die Kon-vergenz der weltweit unterschiedlichen Rechnungslegungs-standards zu erreichen. Im Hinblick auf die Anerkennungder IFRS auch für den amerikanischen Kapitalmarkt ist prak-tisch die wichtigste Frage in diesem Bereich, ob eine An-gleichung der IFRS und der US-GAAP erreicht wird. Nachdem Enron-Fall ist auch in den USA eine Diskussion dar-über begonnen worden, dass die US-GAAP zu viele Einzel-regeln enthalten, die der Anwender kaum noch überblickenkann, und dass sie nicht ausreichend auf Grundsätze zu-rückgreifen. Die Chancen für eine Angleichung sind auf derBasis dieser Diskussion gestiegen, da nunmehr wohl einegrößere Einigkeit über die Methode herrscht. Mit dem Zielder Konvergenz verdeutlicht das IASB außerdem, dass esnicht den Anspruch hat, allein – »im stillen Kämmerlein« – sei-ne Standards zu entwickeln. Es hat vielmehr ein System ge-schaffen, das auf der Zusammenarbeit mit einer Anzahl vonbedeutenden nationalen Gremien, die Rechnungslegungs-standards entwickeln, beruht. Aus den vorhandenenRessourcen und Ideen für die bestmögliche Rechnungsle-gung sollen die Standards entwickelt werden, die global ambesten geeignet erscheinen. Das IASB versteht sich in die-sem Prozess als Initiator und Betreiber von Projekten. Eskoordiniert das Arbeitsprogramm und entscheidet, nach ei-nem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, über denRechnungslegungsstandard. Der Meinungsbildungsprozessist mit dem Ziel gestaltet worden, vollständige Transparenzund Einbeziehung vielfältiger Meinungen in den Standardi-sierungsprozess zu ermöglichen. Es liegt nun in der Hand al-

ler an der Rechnungslegung interessierten, sich an diesemProzess zu beteiligen. Zu hoffen bleibt, dass das IASB wegender globalen Meinungsvielfalt weniger als nationale Gremiendem Lobbying durch Interessengruppen ausgesetzt ist.

Konsequente Anwendung der IFRS

Noch offen ist, wie das IASB sein Ziel der Förderung desEinsatzes und insbesondere der konsequenten Anwendungder Standards erreichen kann. In diesem Bereich wird es aufdie Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, z.B. denBörsenaufsichtsbehörden, angewiesen sein. Wichtig in die-sem Zusammenhang ist die Funktionsfähigkeit von IFRIC.Zu vermeiden ist in jedem Fall, dass in jedem Land eigeneInterpretationen der IFRS entstehen. Diese Gefahr bestehtauch bei der Anwendung der IFRS in Europa. Sorge berei-tet der Prozess der Umsetzung der IFRS in europäischesRecht. Die EU hat sich vorbehalten, für jeden IFRS zu ent-scheiden, ob dieser für Unternehmen in der EuropäischenUnion anwendbar ist. Es wird also keine automatische Über-nahme aller IFRS in europäisches Recht geben. Hier bleibtzu hoffen, dass die europäischen Gremien ihre Bedenkengegen Vorschläge des IASB in den öffentlichen Meinungs-bildungsprozess einbringen. Falls sie mit ihrer Meinung nichtdurchdringen, sollten sie anerkennen, dass ein weltweiterKonsens auch für europäische Unternehmen zu akzepta-blen Bilanzierungsregeln führt.

Grundsatzorientierte globale Rechnungslegungs-standards

IFRS sind grundsatzorientierte Rechnungslegungsstandards.Das IASB wird bei der Weiterentwicklung der IFRS diese Me-thode beibehalten. Einzelregelungsorientierte Bilanzie-rungsstandards – wie es die US-GAAP weitgehend sind –eignen sich nicht für die weltweite Anwendung. Durch einweltweites Netzwerk der Zusammenarbeit mit nationalenRechnungslegungsgremien wird das IASB seine grund-satzorientierten Standards anhand der Erfahrungen mit na-tionalen Rechnungslegungsregeln verbessern und unterBündelung der weltweit vorhandenen Ressourcen die Ent-wicklung neuer Bilanzierungsregeln vorantreiben. Die engeZusammenarbeit des IASB mit dem FASB wird zu einer An-gleichung der IFRS und der US-GAAP führen. Dabei wer-den voraussichtliche mehr Detailregeln in die IFRS aufge-nommen werden. Es besteht gute Aussicht, dass künftigWege beschritten werden, die alle nationalen Gremien da-zu veranlassen, althergebrachte Pfade zu verlassen, weil einweltweiter Konsens über die beste Methode hergestellt wird.

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HGB-Rechnungslegung: Noch immer einAuslaufmodell

Bereits nach dem mit dem Zusammenbruch von Enron ver-bundenen Skandal schienen die Rechnungslegungsstan-dards für börsengehandelte US-Unternehmen, die US-GAAP, nicht mehr das Maß aller Dinge zu sein. Das Jahr2002 brachte weitere schwere Fälle von »Enronitis«: DasTelekommunikationsunternehmen Global Crossing meldetnach dem Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten in sei-nen Bilanzen Konkurs an (Januar). Der ChipherstellerNvidia soll Aufwendungen zwischen Quartalen verschobenhaben (Februar). Das Biotechnologieunternehmen ImClo-ne verstößt massiv gegen die Regeln des Insider-Handels(März). Der Kopiererhersteller Xerox korrigiert nach einemhohen Bußgeld der SEC, der Börsenaufsicht, seine Bilan-zen der letzten vier Jahre, und die SEC leitet Ermittlungengegen das Telekommunikationsunternehmen Qwest ein(beide April). Der Kabelbetreiber Adelphia verstößt gegendie Publizitätsregeln zu nahe stehenden Parteien und mel-det Konkurs an (Mai). Der Finanzvorstand des Energie-konzerns Dynergy tritt wegen Bilanzmanipulationen zurück(Juni). Solche Nachrichten blieben nicht ohne Konse-quenzen:

Die Kurse der betroffenen Unternehmen verfielen teilweisebis zur völligen Wertlosigkeit.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die angesichts derProbleme in den USA für ein Festhalten an den angeblichbewährten HGB-Rechnungslegungsstandards plädieren.Ein solcher Vorschlag will nach einer Fehldiagnose die fal-sche Therapie verordnen. Denn bei den internationalen Bil-anzierungsvorschriften sucht man an der falschen Stelle nachden Ursachen der Krise. Die internationalen Regeln sind in

vielen Bereichen immer noch ein Vorbild und den traditio-nellen deutschen Regeln weit überlegen. Die HGB-Rech-nungslegung bleibt ein Auslaufmodell, das es möglichst baldzu ersetzen gilt.

Zur Notwendigkeit mehrfacher Berichtswerke

Unternehmen benötigen Daten des Rechnungswesens fürdrei Zwecke: zur Festlegung der Bemessungsgrundlagefür die Besteuerung, zur Selbstinformation und zur Infor-mation Dritter. Aus diesen drei Zwecken sollten drei Be-richtswerke als Instrumente resultieren, ein steuerliches,ein internes und ein externes. Weniger als drei sind nur dannmöglich, wenn Zwecke identisch sind. Ein einheitliches Be-richtswesen ist und bleibt Illusion.

Das steuerliche Berichtswerk soll die Leistungsfähigkeit desSteuersubjekts erfassen. Leistungsfähigkeit bedeutet ins-besondere, Geld zum Zweck von Steuerzahlungen erwirt-schaftet zu haben. Ein konsequent an Leistungsfähigkeitorientiertes steuerliches Berichtswerk erfasst Zahlungsströ-me, Cash flows, und nicht Buchgewinne. Denn die Be-steuerung von Buchgewinnen hat für den Steuerzahler wei-tere Kosten, nämlich die der Kapitalbeschaffung, zur Folge.

Das interne Rechnungswesen als weiteres Berichtswerkdient dem Management zur Planung und Kontrolle, alsozur Selbstinformation. Seine Ausgestaltung folgt keinen ex-tern vorgegebenen Regeln, sondern dem Gebot der Zweck-mäßigkeit. In den angelsächsischen Ländern ist das inter-ne Rechnungswesen in sehr starkem Maß an die Regeln desexternen Rechnungswesens, des dritten Berichtswerks, an-gelehnt. Eine solche Verknüpfung erscheint aus konzeptio-neller Sicht durchaus sinnvoll: Denn wenn das Managementals Agent der Eigentümer (Prinzipale) handelt und wenn ei-ne Übereinstimmung zwischen den Zielsystemen besteht,dann sollten Agenten und Prinzipale auf die gleichen Pla-nungs- und Kontrollinstrumente zurückgreifen.

In Deutschland aber hat das externe Rechnungswesen his-torisch eine andere Entwicklung genommen. Da in der tra-ditionellen Mittelstandsstruktur die Personen von Managerund Eigner sehr oft vereinigt waren, entfiel die Notwendig-keit eines differenzierten externen Berichtswesens. Durchdie aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips de facto verord-nete Einheitsbilanz, also durch die Identität der Berichts-werke an den Fiskus und die Anteilseigner, bestand derHauptzweck der externen Rechnungslegung in der Ver-meidung von Steuerzahlungen, nicht in der Bereitstellungvon Informationen. Dies hatte für die »Deutschland-AG« ei-nen äußerst positiven Nebeneffekt. Die Vermeidung von Steu-erzahlungen führt zu vorsichtiger Bewertung, zu niedrig aus-gewiesenem Vermögen und hohen Schulden, kurz: einer

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Jochen Zimmermann*

* Prof. Dr. Jochen Zimmermann ist Inhaber des Lehrstuhls für ABWL, Un-ternehmensrechnung und Controlling an der Universität Bremen.

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hohen Haftungssubstanz, die zur Besicherung des von denKreditinstituten gegebenen Fremdkapitals führte.

Dieses für Deutschland spezifische labile Gleichgewichtkollabiert derzeit aus verschiedenen Gründen. Publikums-gesellschaften wollen sich nicht länger den Regeln unter-werfen, die auch für den klassischen Mittelstand gelten:Sie pochen auf eine wirklichkeitsnähere Darstellung derUnternehmensperformance, die bisher mit Blick auf diesteuerlichen Konsequenzen meist auch im externen Ab-schluss zu bescheiden dargestellt wird. Mit der Entflech-tung der »Deutschland-AG« und dem Dahinscheiden desHausbanken-Prinzips bedürfen auch die Kreditinstitute bes-serer Informationen und nicht nur als ohnehin wohl infor-mierte Hausbank der allgemeinen Sicherung einer Haf-tungsmasse. Der (steuerliche) Gesetzgeber lockert nachund nach die Verknüpfungen der Steuer- zur Handelsbi-lanz, teilweise aus fiskalischen, teilweise auch aus Har-monisierungsmotiven.

Mit einer solchen Entwicklung benötigen die Beteiligten einqualitativ hochwertiges nach außen gerichtetes Informa-tionssystem. Die »alten« deutschen Rechnungslegungs-normen bilden kein solches System, was eine Analyse derKern-Qualitätsstandards externer Berichtssysteme zeigt.

Qualitätsstandards für die externe Rechnungs-legung

Setzt man das externe Berichtswesen als Ausgangspunkt,ergeben sich drei hauptsächliche Qualitätsstandards einesRechnungslegungssystems: Prognosefähigkeit, konzep-tionelle Bewertungseignung und Anschlussfähigkeit an dasinterne Berichtswesen bzw. »Controlling-Fähigkeit«. UnterPrognosefähigkeit versteht man die Eignung der veröf-fentlichten Daten, als Grundlage der Informationsgewin-nung zu dienen. Zwei Komponenten erhöhen die Progno-sefähigkeit: zum einen Freiheit von Bilanzpolitik, zum an-deren Freiheit von außerordentlichen Einflüssen. Der An-teil außerordentlicher Einflüsse am Ergebnis wird durch dieGeschäftspolitik eines Unternehmens bestimmt: Akquisi-tionen oder Veräußerungen, das Abschreiben von Fehlin-vestitionen oder das Erfassen großer Einmalereignisse be-stimmen das »echte« außerordentliche Ergebnis. Hieraufkönnen Rechnungslegungsregeln keinen Einfluss nehmen.Doch Rechnungslegungsregeln bestimmen auch das mög-liche Ausmaß von Bilanzpolitik. Bilanzpolitik glättet Ergeb-nisse oder versucht, durch Vorziehen von Erträgen oderdas Hinausschieben von Aufwendungen den Jahresüber-schuss positiv zu beeinflussen. Je stärker ein Ergebnisdurch Bilanzpolitik verändert wird, umso weniger zeigt esdie tatsächliche Unternehmensperformance und umso ge-ringer ist die Prognosefähigkeit des externen Rechnungs-wesens.

Investoren, gegenwärtige wie zukünftige, benötigen nichtnur Informationen über eine fortschreibbare periodenbezo-gene Performance, sondern auch Daten, um den Wert desUnternehmens zu bestimmen. Damit wird die Eignung desBerichtswesens, das hierfür notwendige Material bereit zustellen, zu einem weiteren Qualitätskriterium. Nicht jeder Jah-resüberschuss eignet sich gleichermaßen zur Bewertungvon Unternehmen. Je mehr Erfolgskomponenten direkt inder Bilanz verrechnet werden, je geringer der über die Ge-winn- und Verlustrechnung geführte Anteil, desto geringerdie konzeptionelle Bewertungseignung.

Die Anschlussfähigkeit an das Controlling erlaubt die Kons-truktion eines integrierten Berichtswesens. In diesem Zu-sammenhang spielt der so genannte conservatism bias,also die durch ein Vorsichtsprinzip verursachte Ergebnis-verzerrung, eine Rolle. Je weiter der Buchwert eines Ver-mögensgegenstandes von seinem Marktwert entfernt ist,je höher also ein solcher conservatism bias ausfällt, um-so weniger aussagekräftig sind die klassischen Kennzif-fern der Unternehmensperformance und umso geringer istdie Anschlussfähigkeit an das Controlling. Dabei wirkt die-se Verzerrung in beide Richtungen: Wachsende Unter-nehmen werden zu schlecht, schrumpfende Unternehmenzu gut beurteilt. Die Erklärung liegt nahe: Still aufgebauteReserven werden ebenso still wieder abgebaut, Ergeb-nisverzerrungen nach unten mit solchen nach oben kom-pensiert.

US-GAAP und HGB-Regeln im Spiegel der Qualitätskriterien

Zum Kriterium der Prognosefähigkeit der Rechnungslegungexistieren eine Reihe von Untersuchungen, die bilanzpoliti-sche Spielräume und ihre Ausübung sowohl für US-GAAPals auch die Bilanzierungsregeln nach HGB nachweisen.Allerdings zeigen sich im Hinblick auf Häufigkeit und Um-fang der Wahlrechtsausübung erhebliche Unterschiede. Ei-ne gute Vergleichsgröße bilden deutsche Unternehmen,die zwischen der Bilanzierung nach US-amerikanischen unddeutschen Standards wählen können. Hier zeigen Unter-suchungen unseres Lehrstuhls, dass besonders diejenigendeutschen Unternehmen bilanzpolitische Spielräume aus-nutzen, die ihren Konzernabschluss nach deutschen Stan-dards vorlegen. Eine solche Beobachtung korrespondiertauch mit einem rein möglichkeitsbezogenen Vergleich bei-der Systeme; denn das HGB-Regelsystem kennt einen we-sentlich größeren Umfang an bilanzpolitischen Instrumen-ten. Das deutsche System der Rechnungslegung steht hierklar auf der Verliererseite.

Noch schlechter schneiden die deutschen Rechnungsle-gungsnormen ab, wenn man sie auf ihre konzeptionelle Eig-nung zur Unternehmensbewertung untersucht. Auch eine

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solche Untersuchung haben wir jüngst durchgeführt. Im Ver-gleich zu US-amerikanischen Unternehmen tendieren deut-sche Unternehmen in viel stärkerem Ausmaß dazu, Vermö-gensänderungen direkt mit dem Eigenkapital zu verrechnen,anstatt sie durch die Gewinn- und Verlustrechnung zu füh-ren. Allerdings zeigt sich mit dem zunehmenden Einflussinternational anerkannter Bilanzierungsnormen ein Trend beiden großen börsennotierten Unternehmen, solche Formender Bilanzierung immer stärker zurück zu drängen.

Um die Controlling-Fähigkeit der deutschen HGB-Regeln istes ebenso schlecht bestellt. Nicht umsonst kennt man ge-rade in Deutschland aufwändige Umrechnungen des Unter-nehmensergebnisses in ein Betriebsergebnis; denn nur sokann man Daten gewinnen, die die Berechnung einigerma-ßen aussagefähiger Kennzahlen ermöglicht. Gerade im Ver-gleich mit den US-amerikanischen Vorschriften, die im Ein-zel- wie auch im Konzernabschluss mehr Vermögens-gegenstände (wie zum Beispiel immaterielle) ausweisen unddiese gerade im Umlaufvermögen zeit- und marktnäher be-werten, erscheint der conservatism bias der HGB-Regelnbesonders ausgeprägt. Wegen ihrer klareren Marktwert-orientierung gebührt den internationalen Rechnungsle-gungsregeln auch hier der Vorzug.

Ein Blick in die Zukunft der Rechnungslegung

US-amerikanische Normen liegen also im Vergleich zu dendeutschen Regeln vorne, und zwar mit deutlichem Abstand.Daher verwundert es nicht, dass sich die deutschen Regelnauf immer schnellerem Rückzug befinden. Ab dem Jahr 2005werden für kapitalmarktorientierte Konzerne in der EU die sogenannten International Financial Reporting Standards (IFRS,vormals IAS) gelten. Die EU-Kommission bereitet derzeit eineRichtlinie vor, die die Bilanzierung nach IFRS auch in den na-tionalen Gesetzeswerken verankert und damit die Möglichkeitschafft, auch für Einzelabschlüsse und nicht kapitalmarkt-orientierte Konzerne Bilanzen nach IAS/IFRS vorzulegen.

Obwohl sich Deutschland von einer Reihe lieb gewordenerTraditionen wird verabschieden müssen, gibt es einige po-sitive Details der deutschen Regelungen. Diese gilt es auchin einem neuen Normenwerk zu erhalten: Keine Spaltungder Rechnungslegungsstandards wie in den USA am Krite-rium der Börsennotierung – dies erfordert auch ein Auslau-fen der systemfremden »Öffnungsklausel« des § 292a HGB –,sondern Teil-Erleichterungen für kleinere Unternehmen; kei-ne Orientierung an den Bedürfnissen einer Börsenaufsichtund damit keine rules based-Systeme, sondern Orientierungam Prinzip des Informationsgehalts und damit Anknüpfungam deutschen concept based-System, das auch (noch) fürdie IAS/IFRS gilt. Für den Kernbestand der HGB-Regelngilt dies jedoch nicht; sie müssen durch die internationalenNormen abgelöst werden.

Auslöser für Fehlverhalten – Die Schuldfrage beider »Enronitis«

Eine Frage liegt auf der Hand: Wenn doch das internationa-le und insbesondere das US-amerikanische System so gutist, warum ist es in der jüngsten Zeit zu einer solchen Häu-fung von Fehlverhalten gekommen? Die Antwort auf dieseFrage liegt nicht in der Qualität des Regelsystems, sondernin der Qualität der anderen Ordnungssysteme, die in diesesSystem eingreifen. Zunächst hat das Predigen eines share-holder value, der erst bei einer Überrendite erwirtschaftet wird,den Blick aller Marktteilnehmer, der Analysten, der Anlegerund des Managements für Realitäten getrübt: Nicht jeder kannlaufend Überrenditen erwirtschaften. Des Weiteren haben dieUSA wie kein zweites Land den Vorschlägen der Finanzöko-nomen Beachtung geschenkt, Leistungsanreize in Form vonFinanzmarktinstrumenten zu entwickeln und zu verwenden.In einem naiven Glauben auf die Informationseffizienz derAktienmärkte hat man übersehen, welche Anreize ein bilan-zierendes Management hat, Fehlinformationen zu streuen,und man hat übersehen (wollen), wie wenig Möglichkeiten einAktienmarkt hat, jenseits der Rechnungslegung spezifischeUnternehmensinformationen zu verarbeiten.

Genau so wenig hat man in den Vereinigten Staaten dieGefahren erkannt, die sich aus dem Preisverfall der Ab-schlussprüfung und dem damit einher gehenden Angebotvon Beratungsleistungen durch die Abschlussprüfer erge-ben. Im Wunsch, sich lukrative Beratungskunden zu erhal-ten, hat man bei der Beurteilung fragwürdiger Bilanzie-rungspraktiken zu laxe Maßstäbe angesetzt. Die grund-sätzliche Qualität der internationalen Rechnungslegungs-regeln bleibt also trotz »Enronitis« weiter hoch und eignetsich, flankiert von geeigneten ordnungspolitischen Maß-nahmen, als Vorbild für Deutschland.

Handlungsempfehlungen für Deutschland

Mit dem Strukturwandel der deutschen Unternehmens-landschaft haben sich die traditionellen deutschen Ansätzezur Rechnungslegung überlebt: Das System der HGB-Rech-nungslegung ist und bleibt trotz spektakulärer Probleme inden USA ein Auslaufmodell. Statt Handlungsspielräume ein-zuschränken und die Rechnungslegung, also die Bilanzie-rung zu Informationszwecken, für steuerliche Regelungenzu missbrauchen, sollten internationale Standards in denBerichtswerken so schnell und so weit wie möglich umge-setzt werden, für deutsche Konzerne wie auch für den deut-schen Mittelstand, der nur so in der Rechnungslegung »fitfür die Zukunft« gemacht werden kann. Erleichterungen sindbei kleineren Einheiten vorzusehen.

Es sage keiner, das deutsche Vorsichtsprinzip habe sich be-währt: Aufsehen erregende Unternehmenszusammenbrü-

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che gibt es auch unter den Regeln des HGB, und auch dievorsichtige Bewertung hat Substanzauszehrung nicht ver-hindert, wie die mageren Konkursquoten der jüngsten Zeitbelegen. Dass kleinere Fremdkapitalgeber durch die Be-wertungsregeln des HGB geschützt werden und nur großeBanken und Aktionäre vom Prinzip des Informationsab-schlusses nach internationalen Standards profitieren, kannmit Fug und Recht ins Reich der empirisch nicht erhärtba-ren Fabel verwiesen werden.

Auch aus der steuerlichen Gesetzgebung können Impulsefür die Rechnungslegung erwachsen: Eine Reform der Unter-nehmensbesteuerung, die ihren Namen verdient, setzt nichtnur an den Steuersätzen an. Sie trägt auch etwas zur Weiter-entwicklung der Informationsbilanz bei, indem sie sich derForm der steuerlichen Gewinnermittlung annimmt. Ein gro-ßer Schritt nach vorne wäre die endgültige Befreiung derhandelsbilanziellen Rechnungslegung aus der steuerlichenUmklammerung und die Schaffung eines eigenständigensteuerlichen Berichtswesens. Dies würde nicht nur den po-litischen Handlungsspielraum erhöhen, sondern auch in denUnternehmen Synergien durch die Zusammenführung vonControlling und externem Rechnungswesen frei setzen. Eswäre auch eine richtige Maßnahme, die Beurteilungskrite-rien von Managern und Eigentümern in Übereinstimmungzu bringen.

Die Rolle des Wirtschaftsprüfers muss in diesem Prozessgestärkt werden, weil alle Regeln ohne ihre Befolgung nurauf dem Papier gut erscheinen. Beibehaltung der hohen Aus-bildungs- und Berufsstandards, strengere Qualitätskontrol-len, aber auch regelmäßiges Rotieren bei der Abschluss-prüfung werden notwendige Schritte sein. Prüfer und Prü-ferteams dürfen nicht von einzelnen Mandaten allein ab-hängig werden; hier müssen Konzentrationsbeschränkun-gen gelten. Beratung und Prüfung sind streng zu trennen.Einige Unternehmen praktizieren dies heute schon, wennauch auf freiwilliger Basis.

Auch darf man einen großen Fehler der letzten Bilanzie-rungsreform nicht wiederholen. Die deutschen Publizitäts-vorschriften sind derzeit mit so geringen Sanktionen be-legt, dass sie von den wenigsten Unternehmen befolgt wer-den. Das ist gefährlich; denn der Schritt in eine bessereKultur der Rechenschaft steht nicht zuletzt deswegen an,weil der alte Typ des Eigentümer-Unternehmers auch imMittelstand abtritt und sich eine erheblich größere Anzahlvon Unternehmen der Evaluation durch Anleger stellen muss.Es besteht Handlungsbedarf.

Nicht entweder – oder, sondern sowohlals auch!

Die aktuellen US-amerikanischen Bilanzskandale müssenvielen als Himmelsgeschenk erscheinen, belegen sie dochnach verbreiteter Ansicht endlich überdeutlich, was bislangzwar vermutet wurde, aber nur schwer zu beweisen war,dass nämlich die gerade bei uns von manchem so vielge-priesene US-amerikanische Bilanzierung nach US-GAAPder eigenen nach den HGB-Regeln keineswegs über-, son-dern unterlegen ist. In einem derart verstandenen Wett-bewerb der Bilanzierungssysteme kann jeder »Bilanz-skandal« der anderen Seite – wie immer dieser Begriff zudefinieren sein mag – als Pluspunkt für das eigene Sys-tem verbucht werden. Steht es also 1 zu 1, weil auch wirunsere Bilanzbetrugsfälle haben, erinnert sei nur an Flow-tex, Metabox, Comroad, Phenomedia und EM.TV, odersteht es vielleicht sogar 2 zu 1, weil in Amerika solche Fäl-le und die dadurch verursachten Schäden immer gleichzwei Nummern größer ausfallen? Denn in der Sache lässtsich nicht ernsthaft bezweifeln, dass es »... auch bei unsviele Enrons gibt, dass nur noch nichts passiert ist«, wiees Hans Havemann kürzlich formuliert hat. Nur um einBeispiel zu nennen: Eine nähere Analyse der geltendenKonsolidierungskriterien zeigt, dass nach HGB-Grundsät-zen wie auch nach US-GAAP eine so genannte SpecialPurpose Entity nicht in den Konsolidierungskreis und da-mit in den Konzernabschluss des Initiators einbezogen wer-den muss, obwohl der Initiator mehrheitlich die Chancenund Risiken trägt, weil formal ein gesellschaftsrechtlich ver-mitteltes Kontrollverhältnis zwischen Initiator und SpecialPurpose Entity nicht besteht. Damit sind bei uns Manipu-lationsmöglichkeiten eröffnet, wie sie jetzt in den USA of-fenkundig geworden sind.

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Hanno Merkt*

* Prof. Dr. Hanno Merkt ist Inhaber des Lehrstuhls für deutsches, ausländi-sches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht an der Bucerius LawSchool – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg.

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Unterschiedlicher Bilanzierungszweck

Aber die Frage nach »den« besseren Bilanzierungsregelngreift zu kurz, weil sie den grundlegenden Zusammenhangzwischen Bilanzierung und Unternehmensfinanzierung ver-kennt. Man kann es noch pointierter formulieren: Die unter-schiedlichen Bilanzierungssysteme sind historisch vor demHintergrund bestimmter Formen der Unternehmensfinan-zierung gewachsen. Deutlich erkennbar werden diese Unter-schiede beim Blick auf die Bilanzierungszwecke: Beim Ab-schluss nach HGB ist der vorrangige Zweck die Bemes-sung des verteilbaren Gewinns unter Berücksichtigung desGläubigerschutzes und der Kapitalerhaltung sowie, ver-mittelt über den Maßgeblichkeitsgrundsatz, die Ermittlungdes steuerlichen Gewinns. Nur daneben dient der HGB-Jahresabschluss auch der Information, der Rechenschaftund der Dokumentation. Dieses Primat des Gläubiger-schutzes hat im deutschen Bilanzrecht eine lange Tradition.Es reicht im Kern zurück auf die dominierende Rolle derBanken im 19. Jahrhundert als Fremdkapitalgeber bei derFinanzierung der industriellen Revolution in Deutschland undwurde über lange Jahrzehnte gefördert durch die latenteUnterversorgung mit Eigenkapital und die damit begrün-dete Notwendigkeit sowohl zur Finanzierung durch Fremd-kapital als auch zur Binnenfinanzierung durch den Gewinn.Insgesamt geht es bei diesem Gläubigerschutz aus han-dels- und gesellschaftsrechtlicher Perspektive darum, ei-nen Gewinn auszuweisen, der auch unbedenklich, d.h. oh-ne Schädigung der Gläubigerinteressen ausgeschüttet wer-den kann.

Bei den US-GAAP steht demgegenüber die geeignete In-formation der Eigen- bzw. Risikokapitalgeber im Vorder-grund. Die Bilanz soll solche Informationen über die finan-zielle Lage des Unternehmens bieten, die für die wirt-schaftlichen Entscheidungen nützlich sind (Stichwort: deci-sion usefulness). Insbesondere soll die Bilanz den Eigenka-pitalgebern jene Informationen vermitteln, die sie für die An-lageentscheidung brauchen. Dabei wird der Gläubigerschutzinsofern einbezogen, als die Abschlussinformationen auchdazu beitragen sollen, Liquidität und Solvenz des Unter-nehmens zu beurteilen. Man kann hier von informationel-lem Gläubigerschutz sprechen. Eine zwingende Bindung andie nominelle Kapitalerhaltung im Interesse des Gläubiger-schutzes ist den US-GAAP hingegen fremd. Ebenso wenigkennen die US-GAAP den Grundsatz der vorsichtigen Bil-anzierung und Bewertung im Hinblick auf die Bemessungdes Anspruchs auf Gewinnausschüttung. Bilanzzweck istweder die Ermittlung eines ausschüttbaren Gewinns nochdie Schaffung einer Grundlage für die Ermittlung des steu-erlichen Gewinns.

Ganz konkret schlägt sich die unterschiedliche Zielsetzungvon US-GAAP und HGB-Bilanzierungsvorschriften in denAnsatz- und Bewertungsregeln nieder. Hier kann es zu er-

heblichen Abweichungen im Eigenkapital- und Gewinn-ausweis kommen. Soweit Gläubigerschutzbestimmungenim deutschen Recht auf den Bilanzgewinn oder das aus-gewiesene Eigenkapital Bezug nehmen, hat die Anwendungder US-GAAP für die Einzelbilanz unmittelbar Auswirkun-gen auf den Gläubigerschutz. Hier geht es zum einen umdie Ansatzvorschriften und zum anderen um die Bewer-tungsvorschriften. Bei Anwendung der US-GAAP kann dasEigenkapital um bis zu 30% höher sein kann als bei An-wendung der HGB-Regeln. Das Beispiel der Daimler-BenzAG, die bekanntlich für die Zulassung zur Notierung am NewYork Stock Exchange eine Überleitungsrechnung des Ei-genkapitals und des Jahresüberschusses von HGB nachUS-GAAP vorgenommen hat, zeigt einerseits in den Jah-ren 1992 bis 1994 ein um etwa 40% höheres Eigenkapitalnach US-GAAP, andererseits einen stark schwankendenJahresüberschuss nach US-GAAP gegenüber dem HGB-Jahresüberschuss.

Gläubigerschutz und Steuerbemessung

Was folgt aber nun aus diesen Unterschieden für die Dis-kussion um US-GAAP versus HGB? Zunächst einmal, dasssich Bilanzierungssysteme und Bilanzphilosophien nichtohne weiteres austauschen lassen. Gläubigerschutz undSteuerbemessung als Bilanzzwecke sind integraler Be-standteil unserer geltenden Wirtschaftsordnung und festverwurzelt im geltenden Unternehmensrecht. Nun liegt derGedanken nahe, dass zur vielbeschworenen Verbesserungder Eigenkapitalversorgung deutscher Unternehmen oderzur Befriedigung der Informationsbedürfnisse internatio-naler Investoren eine grundlegende Umstellung der deut-schen Bilanzierung von den hergebrachten HGB-Grund-sätzen auf anglo-amerikanische Prinzipien dringend an-gezeigt erscheint. Aber hierbei ist zu bedenken: Wer dieHGB-Grundsätze ganz oder in Teilen durch US-GAAP oderIAS-Grundsätze ersetzen will, und diese Option impliziertdie Frage nach der besseren Bilanzierungsmethode, greiftradikal in die Wirtschaftsordnung und das Unterneh-mensrecht ein. Ein Gesetzgeber, der diesen Schritt erwä-gen würde, müsste das Prinzip der Unantastbarkeit desGrundkapitals zwangsläufig aufgeben und den Gläubi-gerschutz mehr oder minder ausschließlich über eine aus-reichende Information des Kapitalmarktes gewährleisten.Damit würde auf gesellschaftsrechtliche Kapitalschutz-mechanismen im Bilanzrecht und umgekehrt auf bilanzin-duzierten Kapitalschutz im Gesellschaftsrecht gänzlich ver-zichtet. Danach wäre der Weg frei für die Übernahme inter-nationaler Rechnungslegungsgrundsätze in Deutschland.Der Gläubigerschutz in der Bilanz wäre allein auf die recht-zeitige und möglichst umfassende Information über den fi-nanziellen Zustand des Unternehmens beschränkt. ImÜbrigen hätte die Bilanz keine Funktion für die Ausschüt-tungsbemessung und für die Erhaltung des Kapitals so-

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wie für die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns. DerGläubiger würde insoweit auf eine Absicherung in ande-rer Form, etwa durch Informations-, Kontroll- und Mit-spracherechte auf der Grundlage so genannte financial co-venants, auf Garantien, Versicherungen, klassische Kre-ditsicherung durch dingliche Sicherheiten und ähnlichesmehr verwiesen. Dies ist im Prinzip die US-amerikanischeLösung. Unterstützung dafür kommt vor allem von grö-ßeren Unternehmen, die auf den Wettbewerb an den Fi-nanzmärkten und die Dominanz der US-amerikanischenBilanzpraxis verweisen.

Die zweite Option für den Gesetzgeber ist eine vermitteln-de Lösung: Es ließe sich darüber nachdenken, den Ein-zelabschluss nicht ausschließlich, sondern lediglich stär-ker an der Informationsfunktion auszurichten. Dann müss-te allerdings die Kapitalschutzfunktion zumindest im We-ge von bilanziellen Ausschüttungssperren gewährleistetwerden, wobei sich die Höhe dieser Sperren etwa am Bi-lanzansatz selbstgeschaffener immaterieller Wirtschafts-güter und anderer unsicherer Positionen zu orientieren hät-te. Diesen Weg visiert der deutsche Gesetzgeber an: Einhandelsbilanzrechtlicher Gewinn, der auf der Grundlageder IAS ermittelt ist, so lautet die Prämisse, wird wegen dererforderlichen Kapitalerhaltung nicht vollständig für Aus-schüttungen zur Verfügung stehen können. Vielmehr wirddas Ergebnis um nach unserem Verständnis nicht reali-sierte Gewinne zu bereinigen sein, indem etwa ausschüt-tungsgesperrte Rücklagen vorgesehen werden. Hier wirdindessen zu bedenken gegeben, dass es außerordentlichschwierig sein wird, derartige Ausschüttungssperren flä-chendeckend und überperiodisch aufrechtzuerhalten undnach zu verfolgen. Hinzu kommt, dass zum Schutz vor»Über-Ausschüttung« eine Ausschüttungssperre in Formder Bildung von Rücklagen nur unter der Voraussetzunggeeignet erscheint, dass für die Ermittlung des »Überge-winns« eine eigene, gesonderte Überleitung auf den tat-sächlich realisierten Gewinn erfolgt. Eine bloße Schätzungetwa in Prozent des nach US-GAAP oder IAS ermitteltenGewinns, würde hingegen zu unzutreffenden Ergebnissenführen. Eine andere Lösung könnte darin bestehen, beiÜbernahme der IAS für den Einzelabschluss den gesell-schaftsrechtlichen Anspruch auf Vollausschüttung des aus-gewiesenen Bilanzgewinns abzuschaffen. Der Ausschüt-tungsbetrag wäre – wiederum nach US-amerikanischemVorbild – von der Verwaltung der Gesellschaft nach ihremErmessen festzusetzen. Bei dieser Festsetzung wären be-stimmte ermessensleitende Kriterien zu beachten, etwa dievon der Gesellschaft weiterhin zu erfüllenden Verbindlich-keiten bzw. das Verhältnis zwischen verbleibendem Ver-mögen und Verbindlichkeiten oder die Finanzierbarkeit. Die-se Lösung wäre natürlich mit einem Eingriff in Inhalt undUmfang des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs ver-bunden. Zudem würde die Rechtsprechung wegen der vol-len Justiziabilität des Geschäftsführungsermessens vor

Kontrollaufgaben gestellt, deren Komplexität aus den USAbekannt und dort berüchtigt ist. Ob eine Beschneidung desMitgliedschaftsrechts verfassungsrechtlich überhaupt zu-lässig wäre, muss hier dahinstehen. Auch für die Kapital-erhaltung stellt sich die Frage nach Anpassungen. Zunächstkönnte man daran denken, die geltenden Kapitalerhal-tungsvorschriften unverändert fortgelten zu lassen. Die Bil-anzierung nach IAS würde dann wegen des Rechts derNeubewertung des Vermögens ohne Umsatzakt sehr wahr-scheinlich zu einem höheren Eigenkapitalausweis führen.Damit verschieben sich – verglichen mit dem gegenwärti-gen Stand – die für die Kapitalerhaltungsvorschriften maß-geblichen Eingriffsschranken. Für die GmbH bedeutet dies,dass weniger Gesellschaftsvermögen durch die gesetzli-che Ausschüttungssperre geschützt ist. Das erscheint des-wegen akzeptabel, weil sich diese Verschiebung nur durchden realitätsbezogenen Ansatz »wahrer« Vermögenswer-te in der Bilanz ergibt. Die Verminderung der Kapitalerhal-tung ist also nur eine relative. Eine Beeinträchtigung desKapitalschutzes sollte daraus nicht folgen.

Will man hingegen die Kapitalerhaltung nach geltendemRecht fortführen, dann ist eine Anhebung oder Änderungder bisherigen gesetzlichen Kapitalerhaltungsschranken un-umgänglich. Für das Aktienrecht kommt eine Erhöhung derzu bildenden gesetzlichen Rücklagen in Betracht, währendfür das GmbH-Recht als Novität die Bildung gesetzlicherRücklagen vorzuschreiben wäre. Hier ist allerdings zu be-denken, dass die Auswirkungen der IAS auf die Bilanzierungim Einzelabschluss vielfältig und im Voraus schwer über-schaubar sind. Sie hängen insbesondere individuell vomjeweiligen Unternehmen, seiner Organisation und seinen Ge-schäftsaktivitäten ab. Eine abstrakte Bestimmung der Hö-he von Rücklagen zur ergänzenden Eigenkapitalsicherungund -erhaltung pro futuro dürfte sich als überaus schwierig,wenn nicht unpraktikabel erweisen.

Dies führt zur dritten Option des Gesetzgebers. Ein mög-licher, wenn auch buchungstechnisch aufwendiger Weg derEinführung einer Einzelbilanzierung nach US-GAAP oderIAS ohne Beeinträchtigung des geltenden Gläubigerschut-zes könnte in der Aufspaltung der Rechnungslegung in zweigesonderte Rechenwerke liegen, nämlich eine Informa-tionsbilanz besonders für den Kapitalmarkt und eine Aus-schüttungsrechnung für die Zwecke der Ausschüttungs-bemessung. Diese Lösung wird vor allem dadurch interes-sant, dass sie sogar eine Beibehaltung der Maßgeblichkeitgestatten würde, weil die Ausschüttungsrechung an den-selben vorsichtigen Ansatz- und Bewertungsgrundsätzenorientiert sein könnte wie die Steuerrechnung. Schließlichsuchen Gesellschafter und Fiskus in identischer Begehr-lichkeit Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen zum Nach-teil des Schuldendeckungspotentials. Der Charme dieserLösung liegt darin, dass die zahlreichen Spannungen ge-löst werden, die nach geltendem Recht in der Handelsbi-

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lanz angelegt sind, weil sie gleichzeitig zwei völlig unter-schiedlichen Zwecken dienen soll. Ein weiterer nicht zuunterschätzender Vorzug besteht darin, dass auch im Be-reich des Bilanzrechts eine typologische UnterscheidungEinzug hält, die für das Kapitalgesellschaftsrecht immer be-deutsamer wird, nämlich die Differenzierung zwischen Ge-sellschaften, die den organisierten Kapitalmarkt beanspru-chen und sonstigen »nicht kapitalmarktorientierten« Ge-sellschaften. Dem Mittelstand bleibt eine kostspielige Um-stellung erspart, und es wird zumindest partiell Wiedergut-machung geleistet für einen Fehler, an dem unser deutschesund europäisches Bilanzrecht bislang krankt, nämlich derKonzipierung des Bilanzrechts von oben nach unten, vonder großen Publikumskapitalgesellschaft zur kleinen GmbH.Die Überlegenheit dieser Lösung liegt letztlich darin, dasszwei augenscheinlich unvereinbare Bilanzierungsziele, näm-lich Ausschüttungsbemessung und Kapitalmarktinforma-tion, miteinander in Einklang gebracht werden. Zur Bedeutung der internationalen und

handelsrechtlichen Rechnungslegung

Relevanz der internationalen Rechnungslegung

Internationale Rechnungslegungsvorschriften werden zu-nehmend auch für deutsche Unternehmen relevant. DieStandards der internationalen Rechnungslegung fordern inerster Linie global agierende Großkonzerne heraus.Zwischenzeitlich werden aber auch mittelgroße und kleineUnternehmen mit dieser neuen Anforderung konfrontiert.Übersicht 1 informiert über die Bedeutung der internatio-nalen Rechnungslegung, sie beschreibt die Gründe, die deut-sche Unternehmen veranlassen sollten, sich für die im inter-nationalen Raum entwickelten Rechnungslegungs-Stan-dards zu interessieren.

Im § 292a HGB wurde für börsennotierte Muttergesell-schaften die Möglichkeit der Aufstellung eines befreien-den Konzernabschlusses nach international anerkann-ten Rechnungslegungsgrundsätzen verankert. Danachsind neben den US-amerikanischen Generally AcceptedAccounting Principles (US-GAAP) auch die InternationalAccounting Standards (IAS), die künftig International Fi-nancial Reporting Standards (IFRS) heißen werden, zu-gelassen. Zwischenzeitlich sieht die als endgültige Fas-sung veröffentlichte Verordnung der EU-Kommission vom12. März 2002 eine verbindliche Einführung der IAS fürden Konzernabschluss börsennotierter Unternehmen mitSitz in der EU ab 2005 vor (EU-Kommission 2002, S. 12).Für deutsche Unternehmen gilt diesbezüglich eine Über-gangsfrist bis 2007. Die Verordnung der EU-Kommissionräumt den EU-Mitgliedstaaten über ein einschlägigesWahlrecht die Möglichkeit ein, auch für die Aufstellung von

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Wolfgang Männel*

* Prof. Dr. Wolfgang Männel ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling, an der Uni-versität Erlangen-Nürnberg.

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Einzelabschlüssen nicht börsennotierter Unternehmen dieAnwendung der IAS vorzuschreiben oder zu gestatten.Seit dem 1. Januar 2002 müssen sich die Unternehmendes SMAX (Smallcaps Aktienindex) zu einer Bilanzierungnach internationalen Rechnungslegungs-Standards ver-pflichten, wenn sie in dieses Qualitätssegment der Deut-schen Börse aufgenommen werden wollen (Deutsche Bör-se AG 2001). Die nicht von dieser SMAX-Regelung be-troffenen mittelständischen Kapitalgesellschaften und diezahlreichen anderen Betriebe werden allerdings wegender weitreichenden Konsequenzen der Verordnung derEU-Kommission in den nächsten Jahren ebenfalls direktoder indirekt mit den vom International Accounting Stan-dards Board (IASB) erarbeiteten Rechnungslegungs-Stan-dards konfrontiert werden, da die auf internationale Ka-pitalmärkte angewiesene Bundesrepublik Deutschlanddiese mittlerweile weltweit anerkannten Regelungen nichtignorieren kann.

Deutsche Unternehmen müssen sich also primär mit denIAS auseinandersetzen. Gleichwohl darf man nicht über-sehen, dass auch die US-GAAP für international ausge-richtete Unternehmen von großer Bedeutung sind und seinwerden. Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen. Ers-tens ermöglicht die bis zum Ende des Jahres 2004 befris-tete Regelung über den befreienden Konzernabschlussnach international anerkannten Rechnungslegungsgrund-

sätzen alternativ zur Rechnungslegung nachIAS auch eine Bilanzierung gemäß US-GAAP.Des Weiteren beziehen sich die Aufnahmevor-aussetzungen des SMAX und auch des All-Sha-re Kurs-Index des Neuen Marktes (NEMAX)nicht nur auf die IAS, sondern auch auf die US-GAAP. Diese Listingerfordernisse sind zudemprinzipiell zeitlich unbefristet. Schließlich bleibtbezüglich der Relevanz der US-GAAP das ge-wichtige Argument, dass die US-amerikanischeBörsenaufsichtsbehörde (Securities and Ex-change Commission, SEC) bislang keine Ab-schlüsse nach IAS anerkennt. Die Inanspruch-nahme des attraktiven US-amerikanischen Ka-pitalmarktes setzt also zwingend eine US-GAAP-Bilanzierung voraus.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich aufdie Rechnungslegung nach IAS und HGB, Di-vergenzen zwischen IAS und US-GAAP werdeninsofern hier ausgeblendet. Grundlegend kannman jedoch feststellen, dass die IAS der inves-tororientierten Ausrichtung der US-GAAP folgen.Insofern stellt auch die Gegenüberstellung vonIAS und HGB eine Konfrontation des deutschenhandelsrechtlichen mit dem anglo-amerikani-schen Bilanzierungsverständnis dar.

Unterschiede zwischen der Bilanzierung nachHGB und IAS

Die Harmonisierung des Rechnungswesens hat auf die Inter-national Accounting Standards zu achten, weil es dem Er-gebniscontrolling um eine konzeptionell geschlossene Ge-samtlösung gehen muss, die nicht nur auf die Erfordernissedes innerbetrieblichen Rechnungswesens, sondern aus-drücklich auch auf die Belange der externen Rechnungsle-gung ausgerichtet ist (Männel 1999). Übersicht 2 zeigt, inwelcher Hinsicht die IAS von den traditionellen Bestimmun-gen des Handelsrechts abweichen.

Die Standards der internationalen Rechnungslegung be-günstigen die Konvergenz von internem und externem Rech-nungswesen. Da sie Investoren mit entscheidungsrelevan-ten Informationen versorgen sollen (Decision Usefulness),folgen sie primär dem Grundsatz der periodengerechten Er-folgsermittlung. Dadurch rückt das handelsrechtliche Vor-sichtsprinzip in den Hintergrund. Die strengeren IAS-Rege-lungen schränken die Bildung stiller Reserven erheblich ein.

Da die Erfolgskonzeption der IAS auf den Ausweis möglichstaussagefähiger Periodengewinne abzielt, gelten umfassen-de Aktivierungsvorschriften. In diesem Sinne sind nicht nurdie selbständig verkehrsfähigen und separat bewertbaren

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Übersicht 1

Relevanz der internationalen Rechnungslegung

Quelle: www.maennel-gab.de

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Vermögensgegenstände, sondern sämtliche Nutzenpoten-tiale (Assets) zu aktivieren und abzuschreiben. In dieser Aus-richtung sehen die IAS auch für Gründungsaufwendungenund für selbsterstellte immaterielle Gegenstände des Anla-gevermögens, desgleichen auch für derivative Geschäfts-oder Firmenwerte Ansatzpflichten vor. Ansonsten sind, wenndie hierfür vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen, auchklar abgrenzbare Entwicklungskosten zu aktivieren. Da zuden passivierungsfähigen Schulden (Liabilities) nur Außen-verpflichtungen zählen, kennen die IAS keine Rückstellun-gen für Innenverpflichtungen, so dass Rückstellungen füraufgeschobene (unterlassene) Instandhaltungsmaßnahmenund Aufwandsrückstellungen, für die nach § 249 HGB einWahlrecht besteht, keine Rolle spielen.

Ansonsten ist sehr bedeutsam, dass die IAS auch die Er-tragsrealisation anders regeln. Das tangiert auch die Be-wertung der Bestände an unfertigen und fertigen Erzeug-nissen. Die internationalen Rechnungslegungs-Standardsdistanzieren sich von dem Wahlrecht des § 255 HGB, sieverpflichten die bilanzierenden Unternehmen, Halbfertigwa-ren und Fertigwaren generell zu vollen Herstellungskosten

anzusetzen. Das offenere Realisationsprinzip derIAS sieht vor, dass Erträge schon dann erfolgs-wirksam erfasst werden, wenn sie realisierbarsind. Erträge aus dem Verkauf von Produktenoder der Erbringung einperiodischer Dienstleis-tungen gelten zwar nach IAS auch erst bei Über-gang der wesentlichen Risiken und Verwer-tungschancen auf den Käufer als realisiert. Unter-nehmen mit langfristiger Auftragsfertigung odermehrperiodischen Dienstleistungen dürfen je-doch nach IAS nach der Stage of Completion-Methode für unfertige Projekte proportional zumFertigstellungsgrad anteilige Erlöse in ihre Ge-winn- und Verlustrechnung einstellen. Für Wert-papiere des Umlaufvermögens eröffnen die IASein Bewertungswahlrecht, das eine Bewertungzu Börsenpreisen und demzufolge ebenfalls ei-nen Ausweis von noch nicht realisierten Gewin-nen zulässt.

Zusätzliche Pflichtbestandteile vonIAS-Jahresabschlüssen

Die International Accounting Standards erwei-tern den Jahresabschluss um zusätzlichePflichtbestandteile. Sie fordern sogar für dieunterjährige Zwischenberichterstattung, dassauch Kapitalflussrechnungen und Eigenkapital-veränderungsrechnungen sowie eine geeigne-te Segmentberichterstattung publiziert werden.Im Zuge der Weiterentwicklung der Konzern-rechnungslegung hat der deutsche Gesetzge-

ber auf diese Anforderungen schon 1998 reagiert, indem erüber das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unter-nehmensbereich (KonTraG) den § 297 Abs. 1 HGB einführte,der börsennotierten Mutterunternehmen abverlangt, inner-halb des Anhangs auch eine Kapitalflussrechnung und ei-ne Segmentberichterstattung zu präsentieren. Am 6. Fe-bruar 2002 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Ge-setzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts,zu Transparenz und Publizität (TransPub-Gesetzesvorschlagdes Bundesministeriums für Justiz) gebilligt, der darauf ab-zielt, Kapitalflussrechnung und Segmentberichterstattungaufzuwerten und das deutsche Handelsrecht um einen Ei-genkapitalspiegel zu erweitern. Nach diesem Gesetzes-vorschlag, der sich auf den Inhalt des Konzernabschlus-ses gemäß § 297 HGB bezieht, sollen Kapitalflussrechnungund Segmentberichterstattung nicht mehr nur als Be-standteile des Anhangs, sondern nunmehr als neue eigen-ständige Einzelbestandteile des Konzernabschlusses prä-sentiert werden. Tabelle 1 informiert exemplarisch über dienach IAS vorgesehene Kapitalflussrechnung.

Mit Hilfe der Kapitalflussrechnung sollen die Bilanzadres-saten in die Lage versetzt werden, die Innenfinanzierungs-

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Übersicht 2

Divergenzen zwischen der Bilanzierung nach HGB und IAS

Quelle: www.maennel-gab.de

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kraft des Unternehmens und den Beziehungszusammen-hang zwischen Finanzmittelherkunft und Finanzmittelver-wendung zu beurteilen. Dazu differenziert die Kapitalfluss-rechnung gemäß IAS 7 nach den drei Bereichen laufendeGeschäftstätigkeit (Cash Flows from operating activities),

Investitionstätigkeit (Cash Flows from inves-ting activities) und Finanzierungstätigkeit(Cash Flows from financing activities). In die-ser Logik führt der Kalkül zum Ausweis dergesamten Veränderung des Finanzmittelbe-standes (Total Cash Flow) am Geschäfts-jahresende hin. Der Bestand an flüssigenMitteln wird innerhalb eines spezifischenFonds erfasst. In enger Auslegung beziehtman hier lediglich die Positionen Bank undKasse ein. Umfassendere Fondsabgren-zungen erfassen darüber hinaus noch geld-nahe Positionen wie etwa Forderungen undVorräte.

Das in Tabelle 2 dargestellte Beispiel einerSegmentberichterstattung nach IAS 14 lie-fert weitere entscheidungsnützliche Infor-mationen. Diese Angaben gehen wesentlichüber die handelsrechtlich geforderte Diffe-renzierung der Umsatzerlöse nach Tätig-keitsbereichen und geographisch bestimm-ten Märkten im Anhang nach § 285 HGB,Ziffer 4 hinaus. Für die Segmente des be-trieblichen Leistungsspektrums sind außerdem Umsatz noch das operative Ergebnissowie das Segmentvermögen und die nichtzahlungswirksamen Aufwendungen auszu-weisen. Auf dieser Basis lassen sich alsoauch Cash Flow-Kalküle und mithin Kon-zepte des rentabilitäts- und wertorientier-ten Controllings segmentbezogen imple-

mentieren. Die Angaben im Rahmen der Segmentbericht-erstattung zeigen dementsprechend die geschäftsbe-reichsbezogene Profitabilität und Rentabilität diversifizierterUnternehmen auf.

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Tab. 1Kapitalflussrechnung (Statement of Cash Flows) nach IAS 7(Berichtsjahres- und Vorjahresbeträge in GE)

Positionen Berichtsjahr Vorjahr

Jahresüberschuss 202 170 194 600Abschreibungen 248 230 252 140Veränderung der Rückstellungen – 39 410 – 12 750Ergebnis aus Anlagenabgängen – 59 450 0Veränderung der sonstigen Aktiva(Vorräte, Forderungen) 29 520 34 160Veränderung der sonstigen Passiva(Verbindlichkeiten) – 63 360 – 66 890Cash Flow aus Geschäftstätigkeit(Cash Flows from operating activities) 317 700 401 260

Investitionen in Anlage- und Umlauf-vermögen – 262 640 – 260 890Einzahlungen aus Anlagenabgängen(Verkauf von Sach- und Finanzanlagen) 118 350 0Cash Flow aus Investitionstätigkeit(Cash Flows from investing activities) – 144 290 – 260 890

Einzahlungen aus Kapitlerhöhungen 85 000 0Dividendenausschüttungen – 73 300 – 33 300Tilgung von Finanzverbindlichkeiten – 91 830 – 105 940Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit(Cash Flows from financing activities) – 80 130 – 139 240

Veränderungen der flüssigen Mittel aus Währungsdifferenzen – 8 680 – 9 250

Total Cash Flow 84 600 – 8 120

Bestand an flüssigen Mitteln am Geschäftsjahresanfang 127 560 135 680

Bestand an flüssigen Mitteln am Geschäftsjahresende 212 160 127 560

Tab. 2Segmentberichterstattung (Segment Reporting) nach IAS 14(Berichtsjahres- und Vorjahresbeträge in GE)

Vertriebsregionen Norddeutschland Süddeutschland Westdeutschland OstdeutschlandBerichtsjahr Vorjahr Berichtsjahr Vorjahr Berichtsjahr Vorjahr Berichtsjahr Vorjahr

Umsatz 12 048 6 648 21 085 11 634 9 036 4 986 18 073 9 972Operatives Ergebnis 1 910 752 2 291 902 764 301 2 673 1 053Umsatzrendite in % 16 11 11 8 8 6 15 11Operativer Cash Flow 2 048 1 130 2 952 1 629 452 249 2 169 1 197Vermögen 14 458 7 977 20 030 11 052 6 594 3 640 11 747 6 482Sachanlagen und immaterielle VermögensgegenständeAbschreibungen 725 591 1 237 1 006 882 719 1 088 887Investitionen 943 769 1 299 1 059 1 279 1 043 1 197 976

Fremdfinanzierungsquote in % 74 78 81 89 65 68 42 53FuE-Aufwendungen 482 399 1 476 391 542 249 778 299in % vom Umsatz 4 6 7 8 6 5 4 3

Quelle: www.maennel-gap.de

Quelle: www.maennel-gap.de

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i fo Schne l ld ienst 14/2002 – 55. Jahrgang

Ausblick

In den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie der deutscheGesetzgeber auf die Verordnung der EU-Kommission vom12. März 2002 reagiert. Unabhängig davon, wie die Bilan-zierungsvorschriften für deutsche Einzelabschlüsse künftiggeregelt werden, steht schon jetzt fest, dass von den inter-nationalen Rechnungslegungs-Standards sicher ein sehrstarker Einfluss ausgehen wird. Die Harmonisierung desRechnungswesens muss diese Entwicklung unbedingt be-rücksichtigen, weil ein durchgängiges Ergebniscontrollingeine einheitliche Datenbasis erforderlich macht. Bei derenKonkretisierung ist zu bedenken, dass die hiervon ausge-hende Darstellung der Ertragslage eines Unternehmens auchden zwischenzeitlich sehr bedeutsamen externen und bank-internen Ratings gerecht werden muss, die aus dem der-zeit relevanten Konsultationspapier der Basel II-Empfeh-lungen abzuleiten sind ([Basler Ausschuss für Bankenauf-sicht 2001).

Literatur

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2001), Konsultationspapier: Die NeueBasler Eigenkapitalvereinbarung, Übersetzung der Deutschen Bundesbank,Januar, Online im Internet. URL: http://www.bundesbank.de/de/banken/auf-sicht/international/pdf/rules_translation.pdf (Stand 9.4.2002).Deutsche Börse AG (2001), SMAX Teilnahmebedingungen vom 1.7.2001,Online im Internet. URL: http://www.deutsche-boerse.com/smax (Stand9.4.2002).EU-Kommission (2002), Verordnung der EU-Kommission – Verordnung desEuropäischen Parlaments und Rates betreffend die Anwendung Internatio-naler Rechnungslegungsgrundsätze, Brüssel.Männel, W. (1999), »Harmonisierung des Rechnungswesens für ein integrier-tes Ergebniscontrolling«, Kostenrechnungspraxis 43, Sonderheft 3, 13–29.

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