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Unternehmen+ licher - Markenlexikon.com · 2005-07-11 · Herzogenauracher, und er hat...

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Page 1: Unternehmen+ licher - Markenlexikon.com · 2005-07-11 · Herzogenauracher, und er hat Sportartikler schi-cken Detektive in Fälscherfabriken. viel zu tun. Denn 2004 wurden weltweit
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60 WirtschaftsWoche I 30.6.2005 I Nr. 27

Unternehmen+Management

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Von Philips bis Coca-Cola

Markenhitparade der beschlagnahmten Fälschungen(nach tausend Stück in Deutschland 2004)*

Quelle: Zentralstelle Gewerblicher Rechtschutz

Philips (Datenträger)Konami (Spielkarten)Strix (Wasserkocher)Nokia (Mobiltelefone und Teile)Lucasfilm (Merchandising, Star Wars)Sisvel (MP3-Player)DaimlerChrysler (Autoteile)Adidas (Sportkleidung)Nike (Sportkleidung)Puma (Sportkleidung)Coca-Cola (Limonade, Merchandising)

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62 WirtschaftsWoche I 30.6.2005 I Nr. 27 63Nr. 27 I 30.6.2005 I WirtschaftsWoche

Unternehmen+Management I Fälschungen

Ein Pfiff hallt durch die Gassenvon Neapel. Der Afrikaner, dergerade noch mit der deutschenTouristin wortreich über denPreis einer Louis-Vuitton-Tasche

verhandelte („Very good price, only 30 Eu-ros“), hat es plötzlich äußerst eilig. Er reißtderFrau dieWare aus derHand, rafft daswei-ße Laken vom Boden, auf dem Prada-, Guc-ci- und Chanel-Kopien ausgebreitet sind.Dann rennt er los. Mit ihm stürmen plötzlichganz viele bepackte Gestalten davon.Eine halbe Stunde später ist die Gasse

wie zuvordicht bevölkertvonTouristen undfliegenden Händlern. FalscherAlarm – diebefürchtete Razzia der Finanzpolizei istausgeblieben. Die zwei Streifenpolizistenwollten nur einen Espresso in der Bar ander Ecke trinken.

Gut 6000 Kilometerwestlich, am Broad-way in NewYork: Karim hat eine Rolle ausblauem Pappkarton wie eine Säule auf-gestellt und darauf seinen abgewetztenPlastikkoffer gelegt. Die Armbanduhrenfunkeln im Futteral. „Rolex, Rolex, goodprice“, zischt er den Passanten zu. Karim istguter Laune, hier in der Nähe des ehemali-genWorld Trade Centerwimmelt es nur sovonTouristen. Für den 26-Jährigen aus demSenegal, der überHamburg nach NewYorkkam, ist dies aber auch ein gefährlicherPlatz. Die NewYorker Polizisten mögen dieStraßenhändler hier nicht. Lächerliche 50Dollar verlangt Karim für eine Submarinermit Stahlarmband: „Very good quality, no-body can tell it’s a fake.“Good price, very good price, dazu ein

aufforderndes Lächeln – der malerischeEindruck bunt gewandeter Händler, die

wortreich Passanten auf Bürgersteigen undBordsteinen umgarnen, ist nurdie sichtbareSpitze eines milliardenschweren internatio-nalen Geschäfts: der Fake-Branche.

Fälscher am Werk. Krämer und Touris-ten sind das letzte Glied einer inzwischenprofessionell organisierten Kette des Ideen-klaus, Abkupferns, Schmuggelns undSchwarzverkaufs.

Nichts ist in der internationalen Fäl-scherszene demZufall überlassen. Die Ban-den sind global organisiert, arbeiteninzwischen ähnlich wie in Handel undIndustrie nach dem Pull-System,wie Logis-tiker sagen: Die Fakes, wie die Plagiate aufEnglisch heißen, werden in den Hochbur-gen der Fälscherproduktion wie China,Tai-wan oderThailand erst dann erzeugt, wennaus den Verkaufsplätzen wie New York,Neapel oder Dubi in Tschechiendie Bestellung kommt. „Das läuft heutenicht mehr anders als bei Aldi oder der

Metro“, sagt Michele Birmelin, Autor desStandardwerkes „Gefälschte Armband-uhren“. Birmelin: „Dahinter stehen über20 Jahre gewachsene Geschäftsbeziehun-gen.“Zehn Prozent des Welthandels, schätzt

die Internationale Handelskammer, sindPlagiate. Die damit verbundenen Umsätzetaxiert Interpol auf umgerechnet 500 Milli-arden Euro jährlich. Allein die Steuerver-luste durch Fälschungen betragen fast 70Milliarden Euro. Keine Industrie der Weltverfügt über Wachstumsraten wie die Fäl-scherindustrie. Der globale Umsatz ist inden vergangenen zehn Jahren um das etwa17-Fache gewachsen. Das Weltbruttosozial-produkt stieg in der gleichen Zeit nur umrund ein Drittel.

Die Rechnung speziell für Deutschlandhat die Vereinigung zur Bekämpfung vonProduktpiraterie (VBP) in München auf-gemacht. Danach kostet Produktpirateriejährlich bis zu 70000 Arbeitsplätze. DerSchaden für die deutscheWirtschaft beträgtnach Studien der UnternehmensberatungA.T. Kearney jährlich 20 bis 25 MilliardenEuro. „Da sind entfallene Steuern und Sozi-alabgaben nicht eingerechnet“, sagt Wolf-gang Haag, bei A.T. Kearney Experte fürProduktpiraterie.Für Furore sorgt in Deutschland zurzeit

der Handel mit Schmuck des HamburgerLuxusherstellers Joop. Türkische Fälscherhatten über die Internet-AuktionsplattformE-Bay die gefälschten Schmuckstücke an-geboten und damit rund 2,3 Millionen Eu-ro eingenommen.Keine Branche ist vor den Fälschern ge-

schützt: Arzneien, Autoteile, Nahrung,

Als Fälscher macht Harry Limeglänzende Geschäfte. Er pro-duziert Penizillin aus fragwür-digen Substanzen. Die Neben-wirkungen sind fatal. Kindervegetieren dahin, werdenschwachsinnig. Immerhin:Zum Schluss endet Harry Limeim Wiener Abwasserkanal. Da-von erzählt der Film „Der drit-

Pseudo-Arzneienbringen Patientenin Lebensgefahr.

te Mann“ mit Orson Welles,der in Wien kurz nach demZweiten Weltkrieg spielt.Das Thema ist aktueller dennje: Weltweit sind etwa siebenProzent aller Arzneimittel ge-fälscht, schätzt der internatio-nale Verband der Arzneimittel-hersteller (IFPMA). In einigenEntwicklungsländern sollen, sodie Weltgesundheitsorganisati-on WHO, zwei Drittel aller Me-dikamente Fälschungen sein.Inzwischen sind auch die In-dustrieländer betroffen. So

wurden in den USA 1,5 Millio-nen Anti-Baby-Pillen beschlag-nahmt, die zu wenig Wirkstoffenthielten. Vor zweieinhalbJahren stießen Schweizer Zoll-

beamte auf eine Lieferung von22 000 gefälschten Viagra-Tab-letten. In Deutschland sind seit1996 insgesamt rund zweiDutzend Fälle unechter Arznei-

Musik-CDs und Software-Pakete. Die Sil-berscheiben lassen sich für Centbeträgebeliebig oft kopieren. Weltweit ist inzwi-schen jede dritte Musik-CD gefälscht – seit2000 ist das eineVerdoppelung. In Europaging das Geschäft mit Musikträgern des-halb im vergangenen Jahr um sieben Pro-zent zurück. Noch düsterer sieht die Situa-tion bei Computerprogrammen aus. InOsteuropa sind mehr als 90 Prozent der »

mittel bekannt geworden.„Die Margen sind wie beimDrogenhandel“, sagt JürgenTheis, dessen Unternehmen,die Artur Theis GmbH ausWuppertal, fälschungssichereSchachteln für Medikamenteproduziert. Häufig geraten diePseudopillen mit falschen oderüberhaupt keinen Wirkstoffenzur tödlichen Dosis: Nach An-gaben der chinesischen Zei-tung „Shenzhen EveningNews“ sollen in einem Jahr100 000 Chinesen an gefälsch-ten Medikamenten gestorbensein.

[email protected]

Markus Kirschneck, Pilot undSprecher der deutschen Pilo-tengewerkschaft VereinigungCockpit. So soll vor wenigenJahren gar an Bord der Boeing747 des amerikanischen Prä-sidenten ein nicht zugelasse-nes Ersatzteil entdeckt wor-den sein. Die Fälscher machensich meist nicht die Mühe, an-spruchsvolle Komponenten

wie Triebwerksschaufeln nach-zubauen. Sie handeln vielmehrmit unbrauchbaren gebrauch-ten Teilen. Den mit gefälschtenHerkunftspapieren versehenenSchrott erkennen nur sehr er-fahrene Mechaniker. „Geradefür Teile älterer Flugzeugereicht oft ein Farbkopierer, umdie Dokumente zu fälschen“,sagt Pilot Kirschneck.

[email protected]

Zwar gab es in Deutschlandoffiziell bisher nur einen Zwi-schenfall, der auf gefälschteErsatzteile zurückzuführen ist– eine Privatmaschine Mitteder Neunzigerjahre in Nürn-berg. Doch die Dunkelziffer isthoch. „Wie groß das Problemgenau ist, weiß keiner“, sagt

GefährlicheGebrauchteGefälschte Ersatz-teile sind ein Risikofür Passagiere.

aller Flugzeugteile sollenFälschungen sein ]

Nebenwirkung Tod

[ ]7Prozent aller Medikamente weltweit sind Fälschungen

Schuhcreme, Computerchips – für dieNachahmer ist jede Marke, jedes Produktinteressant. Allein das Geschäft mit ge-fälschtenAutoteilen bringt etwa zwölf Milli-arden Dollar weltweit.Die Fälscher schrecken vor nichts zu-

rück: In Nigeria starben sieben Kinder ineinem Bus, weil die Bremsbeläge aus Säge-mehl bestanden. Rund zwei Prozent allerFlugzeugteile, so schätzt die staatliche Luft-

fahrtverwaltung in den USA, sind gefähr-liche Fälschungen.Luxusprodukte machen – entgegen

dem Anschein – zwar nur ein Prozent derFake-Umsätze aus. Doch allein die ver-gleichsweise kleine Schweizer Uhrenindus-trie verliert Jahr fürJahrmehr als 500Millio-nen Euro durch Fälschungen.Besonders beliebt bei den modernen

Raubrittern sind digitale Produkte wie

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169982NOKIA-Fakes wurden im vergangenen

Jahr in Deutschland konfisziert

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Ergiebige Razzien

Wert der von deutschen Zollbehörden beschlagnahmten Fälschungen

(in Millionen Euro)

Fälscher-Dorado China

Herkunft der europaweit beschlagnahmten Fälschungen

(in Prozent)*200

China

Hongkong

Malaysia

TaiwanBenin

VereinigteArabische

Emirate

Sonstige

1996 97 98 99 00 01 02 03 04

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* nach Stückzahlen, 2003;Quelle: Taxud, EU-KommissionQuelle: Zollkriminalamt

64 WirtschaftsWoche I 30.6.2005 I Nr. 27

Unternehmen+Management I Fälschungen

Wettbewerber leiden unterden Fälschern. Adidas gehtweltweit nach eigenen Anga-ben jährlich 100 Millionen EuroUmsatz verloren. 2004 wurdeneuropaweit fünf Millionen ge-fälschte Drei-Streifen-Produktebeschlagnahmt. Adidas gehtdavon aus, dass auf jedes be-schlagnahmte Produkt siebenbis zehn Fakes kommen, dieunentdeckt bleiben. Konkur-rent Nike fühlte sich im ver-gangenen Jahr genötigt, sechsDetekteien in China anzuheu-ern, um den Fälschern auf dieSchliche zu kommen.

[email protected]

Zigarettenfälscherschätzen den Stand-ort Deutschland.

Was für ein Fund: Rund 216Millionen nachgemachterZigaretten mit einem Wertvon 30 Millionen Euro ent-deckte der Hamburger Zollim Mai 2005. Die Ladung warals Textilien deklariert. Es war

der bisher größte Fang beiTabakwaren in Deutschland.Herkunft der falschen Glimm-stängel: China.Aber auch in Tschechien, Po-len und in Deutschland kön-nen sich Händler mit gefälsch-ten Zigaretten eindecken: Zoll-beamte stürmten illegale Fab-riken in Oberhausen, Köln undKoblenz – die, teils mit eige-nem Stromgenerator und An-lagen mit geruchstoppendenLuftfiltern ausgestattet waren.In Köln und Koblenz hatten dieFälscher 400 Millionen Ziga-

retten meist der Marke Marl-boro produziert. Der Marke-tingchef des Hamburger Her-stellers BAT Deutschland, An-drew Schwager, schätzt dieZahl der gefälschten Zigaret-ten weltweit auf 150 Milliar-den Stück pro Jahr – das ist soviel wie Deutschland im Jahrverraucht.

[email protected]

Nein, selbst hat sich JochenLederhilger noch keine Fäl-schung andrehen lassen: „Je-denfalls nicht, dass ich wüss-te.“ Lederhilger ist beim fränki-schen SportartikelkonzernPuma Leiter der Abteilung fürgewerbliche Schutzrechte unddamit so etwas wie der obers-te Fälschungskommissar derHerzogenauracher, und er hat

Sportartikler schi-cken Detektive inFälscherfabriken.

viel zu tun. Denn 2004 wurdenweltweit mehr als 1,2 Millio-nen gefälschte Puma-Produkteentdeckt. 2005, so Lederhilger,werden es wohl noch mehrsein: „Es ist zu vermuten, dasswir lediglich die Spitze des Eis-berges wahrnehmen.“Hergestellt werden die meis-ten der gefälschten Sportkla-motten in China. Die Fakesstammen teils aus Fabrikenmit Puma-Lizenz, größtenteilsaus Produktionsstätten ohne.„Auf den weitläufigen Indus-

triearealen in China gibt esviele Fabriken, die offiziell denBehörden gar nicht bekanntsind“, sagt Lederhilger. Pumalässt im Reich der Mitte in Ei-genregie Fälscherbanden aus-spähen: „Unser Partner vor Ort

arbeitet mit Detekteien zu-sammen, die auch Mitarbeiterin Fabriken einschleusen.“Mehr als 100 Razzien pro Jahrmachten die Fälscherjäger2004 Jahr in China, in Fabrikenwie auf Märkten. Auch Pumas

Programme illegal kopiert, in China fast100 Prozent.Ärger mit Verletzungen von Patent-

oderMarkenschutzrechten hat es schon im-mer gegeben. Der britische SchriftstellerCharles Dickens („OliverTwist“) klagte be-reits Mitte des 19. Jahrhunderts über dieDreistigkeit der US-Verleger, die immerwieder seine Bücher druckten, ohne Tantie-men zu bezahlen. Anders als heute, wo dieAmerikaner viel zu verlieren haben, wennes um geistiges Eigentum geht, waren dieUS-Unternehmen im 19. Jahrhundert we-nig zimperlich.Auch die Deutschen nahmen es nach

1850 mit dem geistigen Eigentum nichtso genau. Und Japaner sowie Koreaner gal-ten noch in den Achtzigerjahren des ver-gangenen Jahrhunderts als freche Kopie-rer, denen das Wohl ihrer Unternehmennäher lag als der Schutz von Marken undPatenten.

Doch nie in der Wirtschaftsgeschichtespielte die Produktpiraterie eine so großeRolle wie heute. Dass die Fake-Industrie seit15 Jahren geradezu explosionsartig wächst,ist Folge desAufstiegs Chinas und – in gerin-gerem Maße – der Öffnung Ost- und Mittel-europas. China gilt heute als Hochburg derFälscherszene. Aus der Volksrepublik stam-men rund 60 Prozent aller Nachahmungen.Der japanische Motorradhersteller Yamahaschätzt, dass mehr als 80 Prozent derMaschi-nen, die in China unterdemNamenYamahalaufen, Plagiate sind. Gut 30 Prozent allerAu-toteile in der Volksrepublik sind Fakes. BeiMarkenprodukten, ganz gleich ob Aufzüge,Bier oder Erdnussbutter, machen die Fäl-schungen in China nach Schätzungen aus-ländischer Markenproduzenten etwa einDrittel aus.Für Jackie Chan sind Fakes vor allem

eins: Hackholz. Als der Kung-Fu-Star EndeMai in Hongkong eine Kampagne zum

Schutz geistigen Eigentums in China vor-stellte, trat er auf einer Bühne einen Haufengefälschter Produkte kurz und klein. Einelustige Show. Die Wahrheit über denSchutz von Eigentumsrechten in Chinasieht allerdings anders aus.Sie hat sechs Stockwerke, Klimaanlage,

hunderte kleiner Läden und täglich tausen-de Kunden. Der Pekinger Seidenmarkt istder Showroom der chinesischen Fake-Branche und bietet alles, was die westlicheModewelt zu bieten hat. Manche Kopienwirken so plump, dass sie sofort auffallen;andere sind so gut, dass man sie für echthalten könnte. Jahrelang lag das berüchtig-te Copyright-Sodom direkt neben der ame-rikanischen Botschaft. Inzwischen wurdendie Marktstände in ein wenige Meter ent-fernt gebautes Kaufhaus umquartiert.Die chinesischen Behörden hatten ver-

sprochen, mit dem Umzug dem Treibender Fälscher ein Ende zu setzen – und sichin den chinesischen Medien wiederholt da-für auf die Schulter geklopft. Erst kürzlichdruckte die englischsprachigeTageszeitung„China Daily“ eine lange Reportage übereine amerikanische Touristin, die vollerEnttäuschung feststellte, dass es auf demSeidenmarkt keine Produktfälschungenmehr zu kaufen gebe. Doch das ist glatt ge-logen. Die Geschäfte laufen weiter.

China spielt im Umgang mit geistigen Ei-gentumsrechten ein doppeltes Spiel. Ge-genüber dem Ausland zeigen sich die Be-hörden bemüht, den vertraglich zugesicher-ten Copyright-Schutz durchzusetzen. InWirklichkeit lassen sie sich mit der Umset-zung ihrer Versprechungen Zeit. Europäi-sche und amerikanische Politiker appellie-

ren immer wieder an die Chinesen, demTreiben Einhalt zu gebieten. Noch AnfangJuni forderte US-Wirtschaftsminister Car-los Gutierrez Chinas Handelsminister BoXilai bei einem Peking-Besuch auf, Fakesmit der gleichen Härte zu verfolgen wieFalschgeld oder Drogen.Immerhin: Die Chancen ausländischer

Unternehmen, bei den Behörden auf offeneOhren zu stoßen, haben sich seit ChinasWTO-Beitritt verbessert. „Verstöße gegendie Rechte an geistigem Eigentum sind einhistorischer Trend in jeder sich entwickeln-den Volkswirtschaft“, sagtWang Jingchuan,Kommissar des Pekinger State IntellectualProperty Office. „Unsere Regierung setztdiese Rechte immer stärker durch, auchwenn wir die Probleme nicht von heute aufmorgen lösen können.“400000 Angestellte sind damit befasst,

intellektuelles Eigentum zu schützen, be-hauptet Wang. Die Aufgabe ist schwierig.Zwar leiden zunehmend auch chinesischeUnternehmen unter der grassierenden Pro-duktpiraterie, doch in abgelegenen Provin-zen können die Behörden nicht durchgrei-fen, weil ganze Landstriche von den Fakesleben. „Chinesische Richter sind nicht un-abhängig und können sich meist nicht ge-gen regionale Wirtschaftsinteressen durch-setzen“, sagt A.T.-Kearney-Berater Haag.

Das Problem mit den Plagiaten gehttiefer: Die internationale Fälscherindustrie,für die Ostasien als Produktionsbasis dient,gilt auch als Geldquelle für den internationa-lenTerrorismus. Magnus Ranstorp,Chef desTerrorism and Political Violence Institute ander schottischen University of St. Andrews,sagt: „Die Profite der Produktpiraterie sind »

[ ]Anzahl der gefälschtenZigaretten weltweit:

150Milliarden Stück

Hunderte Razzien

[ ]2004 hat der Zoll gefälschte Textilien mit einem Gesamtwert

von24 Millionen Euro beschlagnahmt

ModerneFabriken

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305erfolgreiche Razzien führten EU-Zöll-

ner 2003 gegen ROLEX-Fälscher durch

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66 WirtschaftsWoche I 30.6.2005 I Nr. 27

Unternehmen+Management I Fälschungen

Für Computerfans ist die SaiYeung Choi Street im Hong-konger Stadtteil Mongkok soetwas wie das Vorzimmer zumTechnikparadies. Die Händlerunterbieten sich hier mitTiefstpreisen. Doch mancherPreisknaller ist nicht mehr alseine billige Kopie. Wie jeneSoftware, die ein Chinese zumSonderpreis offeriert. „Only fi-

Sehr gut, sehr billigWie Softwareher-steller Raubkopie-rer enttarnen.

ve Dollar“, preist er die CD mitMicrosofts Windows-XP-Be-triebssystem an. „Very good,very cheap“, sagt er. Ob essich um Originalsoftware han-delt? „Don’t know“, sagt derMann – und lächelt. Microsoft-Chef Steve Ballmer hingegenzürnt: „95 bis 98 Prozent derin Ländern wie China oderMalaysia genutzten Microsoft-Programme sind Raubkopien.“Längst imitieren Softwarepira-ten die Originale mit der Akri-bie von Geldfälschern – bis hin

zum angeblichen Echtheitszer-tifikat auf der Box. Um ihnenauf die Spur zu kommen, bie-tet Microsoft seinen Kundenan, deren Software auf Echt-heit zu prüfen. Nennt der Kun-de den Händler, tauscht Micro-

soft die Fälschungen gegenOriginale.„2004 waren 29 Prozent allerSoftware in Deutschland Raub-kopien“, sagt Georg Herrn-leben, Repräsentant des Soft-wareverbandes BSA, und be-ziffert den Schaden auf 1,8 Mil-liarden Euro. Weltweit summie-re sich der Umsatzausfall garauf rund 27 Milliarden Euro.

[email protected]

eine der drei wichtigsten Einkommensquel-len für den Terrorismus.“ So soll nach FBI-Quellen der erste Versuch 1993, das WorldTrade Center zu sprengen, durch den Ver-kauf gefälschter Textilien in einem Shop amBroadway mitfinanziert worden sein.Auch Drogenbosse und Menschen-

händler reden im Fake-Business mit. „ImGeschäft mit Raubkopien, Fälschungenund Nachbauten haben sich inzwischenmafiöse Strukturen aufgebaut – hier mi-schen zunehmend Leute mit, die uns ausdem Rauschgift- oderZigarettenschmuggelbekannt sind“, sagt Wolfgang Schmitz,Sprecher des Zollkriminalamtes in Köln.Kein Wunder: Mit der Produktpiraterielässt sich oft mehr Geld verdienen als mitdem Kokainhandel. Margen von 900 Pro-zent oder mehr sind üblich.

Der Kostenanteil der Produktion beiMarkentextilien legaler Unternehmen be-trägt beispielsweise oft nur fünf Prozent. Beider Herstellung von Computerprogram-men, Musik-CDs, aber auch von Medika-menten, sind die Anteile oft noch geringer.Der Löwenanteil der Kosten entfällt aufEntwicklung, Marketing, Vertrieb und Ge-währleistung. Diese Spanne können dieFälscherbanden fast gänzlich selbst ein-heimsen, da siewederKosten fürMarketingnoch für Entwicklung haben.Experten des Global Intellectual Pro-

perty Strategy Center in Washington be-fürchten, die Ausbreitung der Produktpira-terie könnte das gesamte Geschäftsmodellder postindustriellen Gesellschaft kippen.Dessen Logik bestand darin, dass jede ver-kaufte Uhr, jederTrainingsanzug oder jedesAutoteil ein Stück derKosten für Entwick- »

][ 29Prozentder Software in Deutschland

sind Raubkopien.Schaden: 1,8 Milliarden Euro

27351gefälschte MUSTANG-Jeans beschlag-

nahmten deutsche Beamte 2004

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➔„Alles wird nachgebaut – Teile,Design, ganze Maschinen.“Wenn Heiko Beplat, in derRechtsabteilung des Verban-des deutscher Maschinen-und Anlagenbau (VDMA)zuständig für gewerblichenRechtsschutz, über Fälschun-gen und Nachbauten spricht,kann er seinen Ärger kaum

Chinas Ingenieurelieben deutscheMaschinen.

verhehlen. Jeder zweite Ma-schinenbauer in Deutschlandist von dem Problem betrof-fen. Mehr als die Hälfte derNachbauten kommt aus derVolksrepublik China. Zusam-men mit Taiwan und Südkoreaproduziert das Land etwazwei Drittel aller nachgebau-ten Maschinen oder Maschi-nenteile. Oft schlachten dieAsiaten als aktuelle oder ehe-malige Partner die Baupläneaus, an die sie über die Zu-sammenarbeit in einem JointVenture gelangten. Imschlimmsten Fall führt das zurPleite des deutschen Partners.

So musste Geis, ein Spezialistfür Maschinen zur Herstellungvon Kugellagern in Schwein-furt, im April Zahlungsunfähig-keit anmelden, nachdem

chinesische Plagiate das Kern-geschäft ausgehöhlt hatten.„Die Nachbauten deutscherMaschinen sind bis zu 50 Pro-zent billiger“, sagt Dieter Japs,Vorstandsmitglied von Wenig,einem Hersteller von Holzver-arbeitungsmaschinen. „Siesind auch deutlich schlechter,aber oft brauchen die Abneh-mer keine Spitzenqualität.“

[email protected]

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Unternehmen+Management I Fälschungen

lung oder Marketing zurückbrachte. BeimWettbewerb mit den immer präziseren Fäl-schungen könnten legal operierende Mar-kenherstellerdeshalb denKürzeren ziehen.Hinzu kommt die massenweise Verlet-

zung sozialer Standards. Die eigentlichenVerlierer sind die Akteure an den Endender Kette, die Produktionsarbeiter und dieStraßenhändler, für die nur die Brosamender Fälschungsökonomie abfallen.

Kleinhändler wie Karim am WorldTrade Center trifft es besonders hart, wennsie auffliegen. Meist ohne Aufenthalts-genehmigung, müssen sie stets damit rech-nen, geschnappt und ausgewiesen zu wer-den – auchwenn derWert derkonfiszierten

Ware gering ist. Bürgermeister MichaelBloomberg kündigte schon vor Jahren einehärtere Gangart gegen Fälscher an: „DieTage, in denen ihrNewYork ausgeplünderthabt, sind vorüber.“ Doch passiert ist we-nig. Rund 37000 Polizisten hat NewYork.Die Spezialabteilung zur Bekämpfung derFälscherbanden – NYPD Trademark Inf-ringement – besteht nur aus einem Lieute-nant, einem Sergeant und sechs Detectives.Während die Stadt im Kampf gegen

fast alle anderen Verbrechensarten großeErfolge verzeichnet, führt die Acht-Mann-Truppe bisher einen Krieg, in dem sie al-lenfalls Achtungserfolge erzielen kann: EinDistriktrichter verurteilte zu Beginn desJahres 29 Großhändler aus Chinatown,

564 Millionen Dollar an den französi-schen Luxuskonzern LVMH zu zahlen.Nach einem anderen Urteil mussten dreiHändler je zehn Millionen Dollar an denSchweizer Uhrenhersteller Rolex überwei-sen. Theoretisch.Denn die Beschuldigten tauchten bei

ihren Landsleuten ab. Darüber lacht ganzChinatown. Ladeninhaber sind oft über-haupt nicht identifizierbar, Festgenom-mene stellen sich dumm und sprechenplötzlich keinWort Englisch mehr.Immerhin haben die obersten US-

Richter jetzt dem Handel mit Musikkopienüber Internet im Prozess derMGM Studiosgegen den Musikaustauschbörse Grokstereinen Riegel vorgeschoben. Wer eine »

In die Pleite

[ ]Etwa50 Prozent derdeutschen Maschinenbauer

klagen über Imitate

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4000nachgemachte Autoteile zerstörte DAIMLER-

CHRYSLER allein in einer Aktion in China

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tenfehlern und Computer-abstürzen führen. AMD hatschnell auf die neue Gefahrreagiert: Kurz nach dem Auf-tauchen der ersten Fälschun-gen im Januar stattete derHalbleiterproduzent die Ver-packungen von Prozessoren,die einzeln verkauft werden,mit Hologrammen aus. Dasdürfte nicht reichen – auch Ho-logramme werden gefälscht.

[email protected]

dunkle Kanäle an Chips, dieder Hersteller als defekt einge-stuft und zur Zerstörung vor-gesehen hat. Diese Prozesso-ren laufen auf den ersten Blickmeist störungsfrei, könnenaber im Dauerbetrieb zu Da-

Ähnlich wie bei Handtaschen,Uhren oder Kleidung gilt auchbei Computerbauteilen die De-vise: Wer gefälscht wird, hat esgeschafft. Diesen zweifelhaf-ten Ruhm kann seit Anfang desJahres auch der US-KonzernAMD, die ewige Nummer zweiim Markt, für sich reklamieren.Jahrelang war nur der Markt-führer Intel von Fälschungen

Alt und getuntGefälschte Prozes-soren: Außenhui, innen pfui.

betroffen. Im Januar flog in Tai-wan erstmals eine Werkstattauf, in der im großen Stil AMD-Prozessoren nachgemachtwurden. Die taiwanische Poli-zei beschlagnahmte bei ihrerRazzia 60 000 Chips.Prozessorfälscher verwendenmeist langsamere und damitgünstigere Chips. Diese wer-den durch Tuning schneller ge-macht und neu beschriftet,um danach teurer weiterver-kauft zu werden. Zweite Vari-ante: Fälscher gelangen über

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Unternehmen+Management

Technik mit dem Ziel anbietet, den Bruchdes Kopierrechtes zu ermöglichen, kannjetzt verurteilt werden.

Deutschlands Shopper müssen nichterst in die USA reisen, wenn sie Fakes kau-fen wollen. In Dubi, einem verwittertentschechischen Grenzstädtchen, reiht sichBordell an Bordell, Märkte für gefälschteMarkenware, Zigaretten und Gartenzwer-ge säumen die Durchgangsstraße E 55 inRichtung Dresden. Zwei hagere Prostitu-ierte stöckeln auf hohenAbsätzen zu einemVerkaufsstand aus Wellblech, um Nylon-strümpfe zu erstehen. Nicht das Ambiente,in dem Jean-Paul Girardin, Chef desschweizerischen Uhrenherstellers Breit-ling, seine elitäre Marke sehen will. Dochunter einer zerkratzten Glasplatte, zwi-schen großschneidigen Klappmessern,glänzen fabrikneue Chronografen mit demgeflügelten B auf demZifferblatt.Die Kunden in Dubi: Durchreisende

deutsche Mittelklassewagenfahrer in kur-zen Hosen, Socken und Sandalen, Ein-kaufspendler aus dem Erzgebirge, Lkw-Fahrer. Die Preise: 50 Euro für eine ge-fälschte Breitling, 45 Euro für eine RolexOyster Perpetual aus Thailand.Wer im Pa-ket kauft, bekommt zwei Rolex und eineBreitling zum Rabattpreis von 120 Euro.Nicht viel anders geht es in Polen zu.

Wie eine verfallende Filmkulisse ragen dieBetongerippe des Odercenter Berlin inSichtweite des deutschen Dorfs Hohenwut-zen aus der Uferwiese. In der ehemaligenZellstofffabrik Johannismühle in OsinówDolny, dem früheren Niederwutzen, blühtdas Geschäft.Wo bis 1945 Spezialwolle fürdie Sprengstoffproduktion gefertigt wurde,

bedienen rund 700 Händler, Friseure undGastronomen ihre deutsche Klientel.Etwa ein Drittel der Händler handelt

mit Markenfälschungen. Die Kundenkommen zu tausenden, vor allem an denWochenenden, aus Berlin und Branden-burg, aber auch von weiter her: Das schles-wig-holsteinische BusreiseunternehmenNorbert Bischoff bietet die Tagestour zumgrößten der Polenmärkte für 34,50 Europro Person an, Frühstück imBus inklusive.

Das Einkaufszentrum, etwa 60 Kilome-ter entfernt von Berlin, ist ein Paradies fürFilm- und Popmusikfreunde. Raubkopienvon StarWars Episode III, II und I, in an-nehmbarer Bildqualität auf eine einzigeScheibe gebrannt, kosten hier zehn Euro.Nicht weniger aktuell ausgestattet sind dieCD-Händler: Kaum hatte die Griechin He-lena Paparizou den Eurovision Song Con-test für sich entschieden, avancierte ihrStück My Number One im OderzentrumzumVerkaufsrenner.An der Popularität der Fakes sind die

legalen Unternehmen nicht ganz unschul-dig.Mit Kampagnen à la „Geiz ist geil“ und„Ich bin doch nicht blöd“ haben die Wer-beleute aus anspruchsvollenVerbrauchernSchnäppchenjäger gemacht, die nur nochdas Eine wollen: billig einkaufen. Außer-dem hat sich herumgesprochen, dass vielenamenlose Discountprodukte von Mar-kenherstellern stammen. „Die Verbindungzur Marke ist kaputtgegangen“, sagt diefranzösische Konsumpsychologin DanielleRapoport. Den Schaden hat die Volks-wirtschaft. ■

[email protected], christian schaudwet | Prag,

andreas henry | New York, frank sieren | Peking

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