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Über den Stammbaum zur Wurzel von Krebs gelangen

Date post: 07-Feb-2017
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Interview mit Prof. Dr. Anthony Ho Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V des Universitätsklinikums Heidelberg (Schwerpunkte Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie) Über den Stammbaum zur Wurzel von Krebs gelangen Die Stammzelltransplantation hat in den letzten Jahren große Fort- schritte gemacht und ist in der Hä- matologie mittlerweile als Therapie weltweit fest etabliert. Dennoch gibt es, abgesehen von den Kon- troversen um embryonale Stamm- zellen, auf dem Gebiet der Stammzellforschung nach wie vor viele Fragen zu klären. Best practi- ce sprach mit dem Stammzellfor- scher Prof. Dr. Anthony Ho, Ordinarius und Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V des Uni- versitätsklinikums Heidelberg. best practice: Die Stammzelltherapie hat mittlerweile einen festen Stellenwert in der modernen Medizin erreicht. Worauf kommt es bei Stammzellen im Wesentlichen an? Man muss hier vor allem zwischen den embryonalen und den adulten oder so- matischen Stammzellen unterscheiden. Embryonale Stammzellen entstammen dem Vier- oder Achtzellstadium des Em- bryos und können sich prinzipiell noch in sämtliche Gewebearten differenzieren. Im Laufe der Entwicklung kommt es dann zu einer Differenzierung in spezifi- schere Stammzellen, also somatische oder adulte Stammzellen, die nur noch bestimmte Gewebetypen ausbilden kön- nen. Somatische Stammzellen verbleiben im Gegensatz zu den embryonalen auch noch im erwachsenen Organismus, je nach Organ in unterschiedlicher Menge. Im Gehirn beispielsweise gibt es nur ganz wenige solcher Zellen an einer bestimm- ten Stelle im Bereich des Hirnstamms. Hämatopoetische Stammzellen wie- derum gibt es in größerer Menge, und sie sorgen dafür, dass die verbrauchten Blut- zellen wieder ersetzt werden. best practice: Welche Krankheitsbilder lassen sich derzeit mit einer Stammzell- transplantation behandeln? In der Praxis führen wir momentan ledig- lich Transplantationen von Blutstammzel- len durch. Dieses erapieverfahren hat sich in der Vergangenheit bewährt und ist inzwischen fest in der Hämatologie etab- liert. Außerdem ist es möglich, durch die Kultivierung von Hautstammzellen Haut- transplantate zu züchten, die beispielswei- se bei schweren Verbrennungen für die EUREKA! Hier befinden sich die Leukämie-Stammzellen INTERVIEW 34 best practice onkologie 4 • 2013
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Interview mit Prof. Dr. Anthony HoÄrztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V des Universitätsklinikums Heidelberg (Schwerpunkte Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie)

Über den Stammbaum zur Wurzel von Krebs gelangenDie Stammzelltransplantation hat in den letzten Jahren große Fort-schritte gemacht und ist in der Hä-matologie mittlerweile als Therapie weltweit fest etabliert. Dennoch gibt es, abgesehen von den Kon-tro versen um embryonale Stamm-zellen, auf dem Gebiet der Stamm zellforschung nach wie vor viele Fragen zu klären. Best practi-ce sprach mit dem Stammzellfor-scher Prof. Dr. Anthony Ho, Ordinarius und Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V des Uni-versitätsklinikums Heidelberg.

best practice: Die Stammzelltherapie hat mittlerweile einen festen Stellenwert in der

modernen Medizin erreicht. Worauf kommt es bei Stammzellen im Wesentlichen an?Man muss hier vor allem zwischen den embryonalen und den adulten oder so-matischen Stammzellen unterscheiden. Embryonale Stammzellen entstammen dem Vier- oder Achtzellstadium des Em-bryos und können sich prinzipiell noch in sämtliche Gewebearten di�erenzieren. Im Laufe der Entwicklung kommt es dann zu einer Di�erenzierung in spezi�-schere Stammzellen, also somatische oder adulte Stammzellen, die nur noch bestimmte Gewebetypen ausbilden kön-nen. Somatische Stammzellen verbleiben im Gegensatz zu den embryonalen auch noch im erwachsenen Organismus, je nach Organ in unterschiedlicher Menge. Im Gehirn beispielsweise gibt es nur ganz

wenige solcher Zellen an einer bestimm-ten Stelle im Bereich des Hirnstamms. Hämatopoetische Stammzellen wie-derum gibt es in größerer Menge, und sie sorgen dafür, dass die verbrauchten Blut-zellen wieder ersetzt werden.

best practice: Welche Krankheitsbilder lassen sich derzeit mit einer Stammzell-transplantation behandeln?In der Praxis führen wir momentan ledig-lich Transplantationen von Blutstammzel-len durch. Dieses �erapieverfahren hat sich in der Vergangenheit bewährt und ist inzwischen fest in der Hämatologie etab-liert. Außerdem ist es möglich, durch die Kultivierung von Hautstammzellen Haut-transplantate zu züchten, die beispielswei-se bei schweren Verbrennungen für die

EUREKA! Hier befinden sich die Leukämie-Stammzellen

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Defektdeckung zum Einsatz kommen. Auch dieses Verfahren hat sich bewährt und ist neben der Transplantation häma-tologischer Stamm zellen weltweit aner-kannt.

best practice: Welche weiteren Verwen-dungsmöglichkeiten im therapeutischen Bereich halten Sie in absehbarer Zeit für realistisch?Hämatologische Erkrankungen wie Leu-kämien und Lymphome oder Knochen-markserkrankungen wie das Multiple Myelom sind ja heutzutage schon durch eine Knochenmark- oder Blutstammzell-transplantation mit guten Erfolgschan-cen behandelbar. Was derzeit ebenfalls machbar ist, ist die Behandlung einiger angeborener Immundefekte und erbli-cher Sto�wechselerkrankungen, etwa mancher Speicherkrankheiten mit zu-grundeliegendem Enzymdefekt, die sich bereits heute mit einer Stammzelltrans-plantation dauerha� heilen lassen. Man muss allerdings einschränkend dazu sa-gen, dass diese Erkrankungen extrem sel-ten sind und diese �erapien daher nur an wenigen spezialisierten Zentren durchgeführt werden. In den USA gibt es mehrere solcher Zentren, in Deutschland dagegen nur eines in Ulm und eines in

Tübingen, die sich intensiver mit diesen Problemen befassen. Das zugrundelie-gende Prinzip ist, dass durch einen Aus-tausch des Knochenmarks das fehlende Enzym wieder in ausreichender Menge produziert werden kann, so dass der De-fekt letztlich ausgeglichen ist. Auch hier �ndet zuvor eine myeloablative �erapie statt, die allerdings nicht in supraletaler, sondern in reduzierter Dosis gegeben wird. Denn es geht hierbei ja nicht um die Eliminierung maligner Zellen, sondern darum, ein Wachstum neuer Immunzel-len zu ermöglichen, ohne dass diese vom Empfänger abgestoßen werden. Aber wie gesagt: dies sind sehr seltene Erkrankun-gen und die Behandlung sollte daher an einem Zentrum durchgeführt werden, das sich darauf spezialisiert hat.

best practice: Spielt die Hochdosis-Che-motherapie mit anschließender Stamm-zelltransplantation auch bei soliden Tu-moren heutzutage noch eine Rolle?Oh ja, durchaus. Hier in Heidelberg bei-spielsweise haben wir ein sehr interessan-tes Projekt in Kooperation mit der Chir-urgischen Klinik, wo es um die Behand-lung des Pankreaskarzinoms geht. Uns interessiert hierbei vor allem der Stellen-wert der Allogenen Stammzelltransplan-tation bei Patienten mit einem Frühsta-dium dieses Tumors. Der Hintergrund ist, dass selbst bei operablen Tumoren in einem frühen Stadium die 5-Jahres Über-lebensraten äußerst gering sind. Anschei-nend setzt also das Pankreaskarzinom bereits sehr früh Metastasen aus dem Pri-märtumor in die Blut- und Lymphbahn. Aus der Beobachtung, dass zwei schwe-dische Patienten mit einem solchen Tu-mor, die sich einer Allogenen Transplan-tation unterzogen hatten, sehr lange Überlebensraten in kompletter Remissi-on aufwiesen, haben wir nach langer Vor-bereitung zusammen mit den Chirurgen eine klinische Studie begonnen. Das Konzept sieht vor, bei operablen jungen Patienten mit Pankreaskarzinom, bei de-nen mit etwa 85 prozentiger Wahrschein-lichkeit bereits eine Metastasierung statt-gefunden hat, eine Allogene Stammzell-transplantation durchzuführen. Wir wol-len hier den experimentellen Beweis führen, dass durch dieses Vorgehen die Mikrometastasen erfasst werden können und das neue Immunsystem eines gesun-den Spenders imstande ist, diese Mikro-metastasen zu erkennen und zu eliminie-ren, so dass eine dauerha�e Heilung möglich ist.

best practice: Stehen auch andere solide Tumoren derzeit im Interesse der For-schung?Wir fokussieren uns derzeit primär auf das Pankreaskarzinom, was nicht zuletzt auch mit unserer Expertise auf diesem Gebiet zu tun hat, auch seitens der chir-urgischen Kollegen. In der Vergangenheit haben sich zwei Gruppen in den USA mit Nierenzellkarzinomen befasst und hier auch gute Ergebnisse berichtet. Das war vor etwa sieben Jahren, doch inzwischen hört man darüber nicht mehr sehr viel. Auch wenn es hier und da erste Erfolge zu verbuchen gibt, muss man sich doch im Klaren darüber sein, dass alle diese Ansätze derzeit noch in einem experi-

mentellen Stadium sind. Vor etwa 15 Jah-ren hatten wir weltweit eine Phase, in der wir glaubten, beispielsweise das Mamma-karzinom mittels Hochdosis-Chemothe-rapie und Stammzelltransplantation hei-len zu können. Doch in randomisierten Studien hatte sich gezeigt, dass sich auf diese Weise gegenüber einer konventio-nellen Chemotherapie kein echter Vorteil erzielen ließ. In dieser Phase liefen auch einige Studien, die den Stellenwert der autologen Stammzelltransplantation beim Ovarialkarzinom untersuchten, doch auch hier waren die Ergebnisse nicht sehr überzeugend. Allerdings hatte man hier nicht die Option der Allogenen

„Leukämien und Lymphome sind heutzutage durch eine Stammzelltransplantation mit guten Erfolgschancen behandelbar“

„Beim Pankreaskarzinom sehe ich die Stammzell-transplantation als sehr in-teressantes Konzept an“

Zur Person:Prof. Dr. Anthony D. Ho studierte Medizin an den Universitäten Innsbruck und Heidelberg. Nach einer Weiterbildung zum Hämato-Onkologen wurde er 1990 als Professor an die University of Ottawa, Kanada, und 1992 an die University of California in San Diego, USA, berufen, dort als Leiter der Abteilung für Hämatologie und Transplantation. Seit 1998 ist Prof. Ho Ordinarius für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie an der Universität Heidelberg. Er ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und ordentliches Mitglied der Zentralen Ethik- Kommission für Stammzellforschung des Robert-Koch-Instituts in Berlin. Ho ist Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen sowie zweier Lehrbücher zu Stammzellen und Stammzelltransplantation.

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Transplantation überprü�. Da die Ergebnisse nicht überragend waren, hat bisher kaum jemand mehr einen Versuch unternommen, dies noch einmal zu un-tersuchen. In den letzten Jahren hat sich aber die Technologie deutlich verbessert, so dass auf diesem Gebiet durchaus neue Möglichkeiten bestehen. Dass dies fürs Mamma- oder Ovarialkarzinom zutref-fen wird, glaube ich zwar nicht, aber im Falle des Pankreaskarzinoms sehe ich dies als sehr interessantes Konzept an. Es geht uns hierbei aber nicht nur um die Transplantation als solche, sondern auch um die Frage, welche Veränderungen im Immunsystem nach einer solchen Allo-genen Transplantation vor sich gehen. Also die Frage, welche speziellen Zellen wichtig für die Bekämpfung von Mikro-metastasen sind. Ich glaube, dass solche Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Konzepte sehr wichtig sind. Die prakti-sche Frage dahinter lautet also: Wie kön-nen wir das Immunsystem so manipulie-ren, dass wir dieses �erapieprinzip nut-zen können, ohne unangenehme Neben-wirkungen wie zum Beispiel Infektionen oder Abstoßungsreaktionen in Kauf neh-men zu müssen.

best practice: Abstoßungsreaktionen sind ja eine der großen Schwierigkeiten in der Stammzelltransplantation, an deren Lö-sung intensiv gearbeitet wird. Welche wei-teren Herausforderungen gibt es derzeit?Man muss das di�erenziert betrachten, denn die Herausforderungen sind bei em-bryonalen und adulten Stammzellen völ-lig unterschiedlich. Die embryonale Stammzellforschung hat nach wie vor ei-nen enormen Stellenwert, da wir hier sehr viel über grundlegende Steuerungsme-chanismen von Stammzellen lernen kön-nen, unter anderem warum und wie sich die Stammzellen ewig jung halten kön-nen. Solche Mechanismen sind von enor-mer Bedeutung und haben einen gewal-tigen Anstoß für die gesamte Wissen-scha� gegeben. Allerdings haben embryo nale Stammzellen in der klini-schen Verwendung überhaupt keine Be-deutung, auch wenn hier die Laienmei-nung teilweise völlig falschen Vorstellun-gen aufsitzt. Der Gedanke, dass man mit embryonalen Stammzellen quasi Organe beliebig herstellen und so ein „menschli-ches Ersatzteillager“ scha�en könnte, entspricht in keinster Weise der Realität. Ein Meilenstein jedoch, für den die Er-

kenntnisse aus der embryonalen Stamm-zellforschung maßgeblich waren, ist die induzierte pluripotente Stammzelle, die man durch Einführung von vier geneti-schen Faktoren in eine einfache Körper-zelle, beispielsweise aus der Haut, erhal-ten kann. So kann man diese Zelle in eine embryonalstammzellähnliche Zelle um-wandeln. Man ho�, dass man dadurch neue grundlegende Erkenntnisse über Krankheiten und Krankheitsentstehung gewinnen kann. All dies beruht letztlich auf den Ergebnissen der embryonalen Stammzellforschung. Hier gab es ja an-fangs viel Kon�iktpotenzial, aber das wurde meiner Meinung nach von der Po-litik zwischenzeitlich recht zufriedenstel-lend gelöst.

best practice: Und wie sieht es bei den adulten Stammzellen aus?Da die Transplantation von Blutstamm-zellen mittlerweile so erfolgreich ist, sind die Ho�nungen an die adulten Stamm-zellen häu�g recht überzogen. Ich denke da vor allem an die regenerative Medizin. Wir sollten uns aber vergegenwärtigen, dass vom Labortisch bis zum Kranken-bett eine kleine Ewigkeit vergeht. Die ers-ten Knochenmarktransplantationen wurden ja bereits in den 1960er Jahren durchgeführt. Es hat dann aber 20 Jahre gedauert, bis diese Methode weltweite Anerkennung erhielt, worau�in in den 1980er Jahren Transplantationszentren entstanden. Dann hat es noch einmal 10 Jahre gedauert, bis die Krankenkassen dieses Verfahren anerkannt haben. Man sieht also, dass man für einen nachhalti-gen Fortschritt viel Zeit benötigt. Die an-fängliche Euphorie mancher Forscher, dass wir in wenigen Jahren Alzheimer oder Parkinson heilen oder korrigieren könnten, hat sich als unangemessen her-ausgestellt. Wir brauchen noch sehr viel Grundlagenforschung, bis wir in diese Sphären gelangen.

best practice: Wie sehen Sie die Kontro-verse um embryonale und adulte Stamm-zellen?Adulte Stammzellen, seien es nun Blut-stammzellen oder mesenchymale Stammzellen, sind bereits in der Klinik eingesetzt und können bestimmte Er-krankungen heilen. Embryonale Stamm-zellen dagegen dienen uns als Modell, um normale und pathologische Entwick-lungsstufen zu untersuchen, etwa bei Diabetes mellitus oder neurodegenera-

Eine Vielzahl von Anträgen und Formalia begleiten den Forschungsalltag

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tiven Erkrankungen. So lassen sich die Mechanismen hinter solchen Erkrankun-gen erforschen. Die Forschung mit em-bryonalen Stammzellen ist nötig, um Si-gnalkaskaden und grundlegende Mecha-nismen der Pathogenese zu verstehen. Auch die Möglichkeit der induzierten pluripotenten Stammzellen aus normalen Körperzellen wurde ja erst durch Ergeb-nisse aus der embryonalen Stammzellfor-schung möglich.

best practice: An welchen Projekten for-schen Sie derzeit in Heidelberg?Ein Schwerpunkt im Bereich der klini-schen Forschung ist bei uns die Optimie-rung der Allogenen Stammzelltransplan-tation, und hier insbesondere der Gra�-versus-host Reaktion, die ja lebensbe-drohliche Folgen haben kann. Es gibt Hinweise, dass bestimmte T-Lymphozy-ten für diese Reaktion verantwortlich sind und andere für die Erkennung von Tumorzellen. Ziel der Forschung ist es daher, die für die Abstoßungsreaktion verantwortlichen T-Zellen vom Trans-plantat abzutrennen, ohne dabei die an-dere T-Zell-Population zu schädigen. In der Grundlagenforschung konzentrieren wir uns unter anderem auf die Identi�-

zierung von Leukämiestammzellen als Wurzel dieser Erkrankung. Denn die er-folgreiche Behandlung einer Leukämie scheitert häu�g daran, dass manche Pati-enten auch noch nach Jahrzehnten ein Rezidiv erleiden. Wir wissen heutzutage, dass es eine bestimmte Zellpopulation gibt, eben die Leukämiestammzellen, die sich als eine Art Schläfer verhalten. Sie le-ben versteckt in Nischen des Knochen-marks ohne sich zu teilen, doch irgend-wann einmal erwachen diese Zellen und verursachen das Rezidiv. Wir versuchen nun, diese Zellen aus ihrer Nische her-auszutreiben, sie zu identi�zieren und Wege zu �nden, wie wir sie eliminieren können. Natürlich sind wir auch an den Mechanismen interessiert, die dazu füh-ren, dass diese Zellen wieder aus ihrem „Winterschlaf“ erwachen. In den letzten zehn Jahren konnten wir unter anderem verschiedene Adhäsionsmoleküle identi-�zieren, die diesen Zellen den Verbleib im Knochenmark ermöglichen.

best practice: Was erwarten Sie in Zu-kun� im Bereich der Stammzellforschung?In den letzten Jahren konnten wir die Transplantationsindikation auf Patienten ausweiten, die man früher nicht trans-

plantiert hätte. Das liegt zum einen an Fortschritten in der Typisierung, zum an-deren aber auch an der Entwicklung von weniger toxischen Vorbereitungsbehand-lungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt und die Indikationen in den nächsten Jahren noch weiter ausgedehnt werden können. Auch im Bereich der regenerativen Medi-zin werden sicher einige Fortschritte zu verzeichnen sein, wenngleich bis zu einer breiten Anwendung sicherlich noch sehr viel Zeit vergehen wird. Ein wichtiger Punkt wird es sein, die Rolle der Adhäsions moleküle zu klären, die dazu beitragen, die Stammzellen im Prinzip ewig jung zu halten. Und auch die Mobi-lisierung von Leukämiestammzellen wird großen Raum einnehmen, denn so könnte es endlich gelingen, die Erkran-kung an ihrer Wurzel zu packen.

Interview: Dr. Johannes Weiß

Bilder: © Mathias Ernert, Medizinische Klinik Heidel-

berg, Universitätsklinikum Heidelberg

Erkenntnisse aus der Stammzellforschung finden ihre Anwendung in der klinischen Praxis.

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