+ All Categories
Home > Documents > Tit Mueller Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 1 ... · »Jaja«,sagt Jasmin nun auch bloß...

Tit Mueller Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 1 ... · »Jaja«,sagt Jasmin nun auch bloß...

Date post: 09-Aug-2019
Category:
Upload: truongkhanh
View: 212 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
22
Dagmar H. Mueller Der Hüter der DRACHENSTEINE
Transcript

Dagmar H. Mueller Der Hüter der DRACHENSTEINE

Tit_Mueller_Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 1

DIE AUTORIN

Dagmar H. Mueller arbeitete nach demStudium unter anderem als Skilehrerin,Musiklehrerin und Texterin im PR-Bereich. All das konnte sie aber nicht vonihrer Passion seit Kindertagen, demSchreiben von Büchern, abhalten.Inzwischen ist Dagmar H. Mueller hauptberuflich Autorin und veröffentlichtihre Kinder- und Jugendbücher in mehreren großen deutschsprachigenVerlagen.

Foto

:© p

rivat

Tit_Mueller_Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 2

Dagmar H. Mueller

Der Hüter derDRACHENSTEINENach einer Idee von Sean Aaron Mueller

Tit_Mueller_Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 3

OMNIBUS ist der Taschenbuchverlag für Kinderin der Verlagsgruppe Random House

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendeteFSC-zertifizierte Papier Munken Printliefert Arctic Paper Munkendals AB, Schweden

1. Auflage Erstmals als OMNIBUS Taschenbuch Oktober 2007Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform© 2005 by Thienemann Verlag (Thienemann Verlag GmbH), Stuttgart/WienAlle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten durchOMNIBUS, MünchenUmschlagabbildung und Innenillustrationen: Iris HardtUmschlaggestaltung: Basic-Book-Design,Karl Müller-Bussdorfhe · Herstellung: CZSatz: KCS GmbH, Buchholz/HamburgDruck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN: 978-3-570-21893-8Printed in Germany

www.omnibus-verlag.de

SGS-COC-1940

Tit_Mueller_Drachensteine 19.07.2007 14:38 Uhr Seite 4

Für George und Thomas in Dorset, England,und für ihre Mum

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 5

Inhalt

Was vorher geschieht 7

Drachensteine 11Ist der Verkäufer ein Zauberer? 24Ein Nachmittagsausflug 38Blitz und Donner und viel zu viel Wasser 47Die Flut kommt! 62Tief im dunklen Berg 72Ein wunderschönes Tal 80Was ist ein Was-immer-es-auch-ist? 93Auf ins Dorf! 103Wilde Wikinger 112Gefangen! 123Rettung in letzter Minute 136Der Hüter der Magie 153Wo ist der Weg zurück? 167

Was danach noch geschieht 185

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 6

7

Was vorher geschieht

Es ist früh am Morgen, als der groß gewachsene Mannaus seinem Auto steigt. Die Sonne klettert gerade erstverschlafen hinter den hohen Bergen hervor und diemeisten Urlauber sitzen noch gemütlich am Frühstücks-tisch. Doch viele der Verkaufsstände auf dem kleinenMarktplatz sind schon aufgebaut.

Ruhig und gelassen geht der Mann nach hinten zumgeräumigen Kofferraum seines Kombis, öffnet ihn undholt den zusammengeklappten Tisch, ein paar Taschenund eine große weiße Decke heraus. Mit geübten Griffenschultert er alles und stapft dann gut gelaunt hinüber zuden anderen Ständen. Zwischen einem Kerzenmacherund einem Tisch mit einheimischen Strickpullovern bauter seine Waren auf.

»Hallo! Sie sind spät dran!«, ruft ihm die Strickpulli-verkäuferin freundlich zu.

Der Mann nickt zu ihr rüber und lächelt kaum merk-lich.

Spät? So ein Unsinn! Er ist niemals spät. Die drei wer-den noch lange nicht hier sein. Nicht vor Mittag. Er

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 7

schaut zur Sonne hoch. Nicht mal neun Uhr. Er hat reich-lich Zeit. Viel mehr als er eigentlich bräuchte.

Sorgfältig verteilt er seine Steine auf der Decke, die erauf dem Tisch ausgebreitet hat. Auf dem hellen Unter-grund strahlen die bunten Farben besonders klar.

»Man sieht Sie selten hier! Verkaufen Sie sonst woan-ders?« Die Pullifrau lässt nicht locker. »Möchten Sieeinen Tee? Ich habe eine ganze Kanne voll gekocht.«

»Nein danke«, antwortet der Mann höflich. »Ich trinkekeinen Tee.«

Die Verkäuferin schüttelt ihre blonden Locken undversucht ein verführerisches Lächeln. »Na, dann spätervielleicht?«

Der Mann kneift die Augen leicht zusammen und siehtsie scharf an. »Danke, ich denke nicht.«

Die Pullifrau seufzt, wendet sich aber wieder ihrenStricksachen zu. Ab und zu schielt sie aus den Augenwin-keln zu ihm rüber. Er ist wirklich eine ungewöhnliche Er-scheinung. Noch ziemlich jung, sportlich, groß, kräftig,und dazu diese langen weißblonden Haare. Es gibt nochzwei oder drei andere Verkäufer auf dem Markt, die auchlange Haare haben.Aber so helle hat keiner. Obwohl vieleNorweger ja sehr hellblond sind.

Ausgesprochen selten!, denkt die Verkäuferin undschielt möglichst unauffällig zu dem gut aussehendenMann rüber.

Als könne er ihre Gedanken lesen, kramt der Mannjetzt in seiner Jeanstasche und holt ein Haarband heraus.

8

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 8

Mit festem Griff fasst er die wild im Wind flatterndeMähne im Nacken zu einem Zopf zusammen.

Da schaut die Frau ihn plötzlich erstaunt an. Fast er-schrocken. Aber sie braucht gar nichts zu sagen. DerMann kapiert sofort. Schnell zupft er ein paar seiner vor-deren Haare aus dem festen Band heraus, sodass die Stirn,die einen Moment frei gewesen war, wieder bedeckt ist.So ist es besser.

Die Frau guckt verwirrt. Hat sie sich nur geirrt? Oderist da was gewesen?

Doch der Langhaarige scheint jetzt mit seiner Ware be-schäftigt zu sein. Da will sie lieber nicht noch mal stören.

Der Mann sortiert die bunten Steine sorgfältig. Dannlehnt er sich gegen das Holzgeländer hinter ihm undschließt die Augen für ein kurzes Nickerchen. Jetztbraucht er nur noch zu warten. Sie werden kommen. Ge-nau heute. Ganz sicher. Und dann wird er ihnen geben,was sie brauchen. Das ist schließlich seine Aufgabe. Sowar es schon immer, und so wird es immer sein.

9

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 9

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 10

Drachensteine

Der Touristenmarkt in dem kleinen norwegischen Städt-chen ist, wie jeden Tag, gut besucht. Dicht drängeln sichdie Leute zwischen den Auslagen entlang.

»Uiii, guck mal, Mama!«, quietscht Jasmin und zupftMama heftig am Ärmel. »Sind die aber schööön!«

»Jaja, sehr schön«, murmelt Mama, ohne allzu genauhinzusehen.

»Guck doch mal richtig!« Jasmin zieht vorwurfsvoll dieStirn in Falten.

»Hab ich doch«, behauptet Mama. »Sehr schöne Steine,jaja.« Aber während sie das sagt, ist sie schon einen Standweiter gegangen und steht jetzt vor einer langen Reiheselbst gemachter Kerzen.

»Hast du die hier gesehen?«, fragt sie Jasmin und fängtbereits an, mit der Verkäuferin über den Preis einer gro-ßen gelben zu verhandeln.

»Jaja«, sagt Jasmin nun auch bloß und seufzt. Nie gucktMama wirklich hin! Und nie hört Mama wirklich zu! UndKerzen haben sie bestimmt schon hunderttausend ver-schiedene auf hunderttausend verschiedenen Märkten

11

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 11

angeguckt. Davon scheint es in Norwegen nur so zu wim-meln! Sowohl von Kerzen als auch von Marktplätzen.

Jasmin dreht sich wieder zurück zu dem Stand, vor demsie selber steht. Bunt schimmernde Steine in allen Farbenliegen auf einem weißen Tuch ausgebreitet. Der Mannhinter dem Verkaufstisch hat lange weiße Haare. Hintenim Nacken hat er sie mit einem Lederband zusammenge-bunden. Er lächelt, als wüsste er etwas, was Jasmin nichtweiß.

»Das sind Drachensteine«, sagt er. Ohne dass Jasminetwas gefragt hätte.

Sie reißt erstaunt die Augen auf.»Du weißt nicht, was Drachensteine sind?«, fragt der

Mann da.Jasmin schüttelt verwirrt den Kopf. »Nein.«Drachensteine? Ist das auch so was Typisches für Nor-

wegen?Seit zwei Wochen, seit sie hier mit der ganzen Familie

Urlaub machen, reden Mama und Papa von nichts ande-rem als von lauter langweiligen Dingen, die anscheinendtypisch für dieses nordische Land sind. Außer den ewigenKerzen gibt es da noch diese komischen Kirchen aus Holz,die man Stabkirchen nennt. Und endlose Märkte mit lau-ter Kerzen und gestrickten Pullis und Mützen und un-zähligen Trollen und Wichteln aus Holz. Auf Trolle undauf selbst gestrickte Sachen scheinen die Norweger ganzwild zu sein!

Und viele uralt aussehende Hütten, auf denen Gras

12

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 12

wächst, die gibt es auch überall in der Gegend. Die sollenso aussehen wie die Hütten, in denen die Leute hier vortausend Jahren oder so tatsächlich lebten. Obwohl alldiese Hütten, die Jasmin und ihre Brüder sich in den letz-ten Tagen angucken mussten, natürlich erst vor wenigenJahren gebaut worden sind. Freilichtmuseum nennt manso was, hat Papa erklärt. Weil die Sachen, die man sich an-sieht, ja im Freien stehen.

Es gibt in Norwegen aber auch genug Museen drinnen.In ganz normalen Häusern. Wo man endlos anguckenkann, wie die Leute früher gelebt und wie sie gearbeitethaben. Und auch, was sie gearbeitet haben. Und man kannall die Dinge sehen, die sie früher besessen haben. IhreMöbel oder die Töpfe, in denen sie gekocht haben, oderauch ihre Kleidung und Schuhe. Diese Museen haben siean Regentagen besichtigt. Regen gibt es hier nämlichauch reichlich.

Aber wer interessiert sich schon für so Museen oderTrolle oder Strickpullis? Also jedenfalls nicht jeden Tag.Und deswegen sind das bis jetzt ganz sicher die langwei-ligsten Ferien, die Jasmin je erlebt hat! Da sind Drachen-steine doch mal eine nette Abwechslung!

Auch Jasmins Brüder Tom und Georg stecken neugie-rig ihre Köpfe durch die Marktbesucher, um einen Blickauf die bunten Steine zu werfen. Georg hat die letztenWorte des Verkäufers gehört. »Drachensteine?«, wieder-holt er und sieht den Mann halb spöttisch, halb fragendan.

13

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 13

»Ganz genau, Drachensteine«, nickt der Mann, streichtsich über seine langen Haare und sieht dabei ganz ernst-haft aus.

In dem Moment drängelt sich eine dicke Frau unsanftmit ihrem Ellenbogen durch die Leute.

»Au«, macht Jasmin, als die Frau sie zur Seite schubst.Doch die scheint Jasmin überhaupt nicht bemerkt zu ha-ben. Ungerührt wühlt sie sofort zwischen den Steinenherum. »Hübsche Stücke«, meint sie anerkennend. »Wohaben Sie die her?«

»Och«, macht der Mann unbestimmt.»Ich nehme zwei Stück«, sagt die Frau. »Daraus kann

man bestimmt prima Ohrringe machen!«Der Mann schaut mit leicht missfallendem Blick auf

die Frau.Und auch Tom versucht sich unwillkürlich vorzustel-

len, wie die zwei dicken Steine an den dicken Ohren derFrau baumeln.

»Na, was kosten die?« Die Frau hält dem Verkäufer diebeiden Stücke unter die Nase.

»Fünftausend Kronen«, antwortet der Weißhaarige.Fünftausend norwegische Kronen? Schnell rechnet

Georg im Kopf aus, wie viel das wohl in Euro sind. Erzieht die Luft ein. Uff! Das sind über sechshundert Euro!Das ist ja fast so viel, wie ihre Ferienwohnung im Hotelfür eine ganze Woche kostet!

»Wie bitte?«, fragt die Frau und sieht ebenfalls etwasverwirrt aus.

14

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 14

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 15

»Fünftausend Kronen«, wiederholt der Mann, ohneeine Miene zu verziehen. »Pro Stück selbstverständlich.«

Die Frau bläst ihre Backen noch dicker auf, als sie ehschon sind, und sieht nun aus, als ob sie gleich platzt. »Dasist Wucher! Das ist ja unerhört! Stecken Sie sich IhreSteine doch an den Hut!« Und damit knallt sie die beidenroten Steine zurück auf den Verkaufstisch und geht em-pört weiter. Der Mann grinst und scheint kein bisschenenttäuscht zu sein, nichts verkauft zu haben.

»Die kosten aber wirklich viel«, staunt Georg und trautsich gar nicht mehr, die teuren Steine überhaupt nur an-zufassen. Nachher geht noch einer kaputt!

»Aber ehrlich«, meint auch Tom. »Haben Sie heuteüberhaupt schon welche verkauft?«

Da lacht der Verkäufer. »Vielleicht habe ich gar keineLust, jedem meine Sachen zu verkaufen, junger Mann!«

Dann wird er ernst, nur seine Augen lächeln noch. Ersieht Tom direkt an. »Ich suche mir die Leute gerne aus,die diese Steine bekommen, verstehst du?«

Darauf weiß Tom nichts zu sagen. Wollen Verkäufernormalerweise nicht immer möglichst viel verkaufen?Egal an wen? Und wenn dieser Verkäufer hier gar nichtso wild darauf ist, etwas zu verkaufen, warum steht erdann hier?

»Darf ich die mal anfassen?«, fragt die kleine Jasminjetzt schüchtern. »Auch wenn sie so teuer sind?«

»Aber natürlich, meine Dame!« Der weißhaarige Ver-käufer macht eine einladende Handbewegung. Und als

16

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 16

Jasmin sich trotzdem noch nicht traut, legt er einen be-sonders schönen Stein in dunklem Rot in ihre Hand.

»Der sieht richtig echt aus«, staunt Jasmin. »So wie dieSteine in den schicken Schmuckläden. Die, die immer festin Glasschränken verschlossen sind, damit sie keinerklauen kann.«

Der Mann lächelt. »Der Stein sieht nicht nur echt aus,der ist echt.« Er macht eine kleine Pause. »Ein Drachen-stein ist echter als alles, was es gibt auf der Welt. Den fin-dest du in keinem Geschäft.«

»Und was ist ein Drachenstein?«, mischt sich nun Ge-org ein.

Georg ist der Älteste. Und er ist stolz darauf. Schließ-lich weiß er auch am meisten von den drei Geschwistern.Von Drachensteinen hat allerdings auch Georg noch nieetwas gehört. Aber ein bisschen Abwechslung könnte erin diesen trüben Ferien ebenfalls dringend gebrauchen!Sehr, sehr dringend! Die Langeweile macht ihn allmäh-lich richtig dusselig im Kopf und schlechtlaunig imBauch. Das ist ja schließlich auch kein Wunder!

Der Mann schüttelt jetzt den Kopf. Fast traurig. »Also,dass ihr nicht wisst, was das für Steine sind, das wundertmich! Da sollte man doch meinen, dass jedes Kind miteinem ordentlichen Drachenstein in seiner Hand auf-wächst! Und ihr habt noch nie etwas davon gehört?«

Georg, Tom und Jasmin schütteln verlegen die Köpfe.»Wir kommen aus Deutschland«, versucht Georg sichund seine Geschwister zu verteidigen. Denn vielleicht

17

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 17

sind Drachensteine unter Norwegern ja wirklich totalnormal und jedes vernünftige Kind hat einen davon inder Tasche. »Wir machen hier nur Urlaub, wissen Sie.«

Der Mann grinst. »Soso, aus Deutschland. Na, das istaber keine Entschuldigung!«

Erst jetzt fällt den Kindern auf, dass der Mann schondie ganze Zeit deutsch mit ihnen gesprochen hat. Aller-dings tun das die meisten hier.Deutsch scheinen viele Nor-weger zu sprechen. Sogar ziemlich gut. Und das ist einwahres Glück.Denn Georg,Tom und Jasmin sprechen keinWort Norwegisch.Na ja,außer ein paar wenigen Wörtern,die sie mit Mama aus dem Reiseführer gelernt haben.

Der geheimnisvolle Verkäufer hier scheint allerdingseine echte Sprachbegabung zu sein. Denn er spricht völ-lig akzentfrei. »Drachensteine sind Edelsteine«, fängt ernun an zu erklären, »echte Edelsteine, oh ja! Keine nach-gemachten. Der rote hier zum Beispiel . . . « Er deutet aufden Stein in Jasmins Hand. »Das ist ein Rubin.«

»Meine Mama hat auch eine Kette mit echten Rubi-nen«, erzählt Jasmin. »Die dürfen wir aber nur ganz sel-ten anfassen. Die ist nämlich unheimlich wertvoll.«

Der Mann streicht sich über seine hinten zusam-mengebundenen Haare und lächelt wieder. »Ja, das glaubeich. Und was glaubst du, wie wertvoll erst dieser Dra-chenstein hier ist!«

Erschrocken legt Jasmin den Stein gleich wieder zurückauf das weiße Tuch.

»Nein, nein«, sagt der Mann sofort, »so habe ich das

18

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 18

nicht gemeint. Drachensteine sind extrem wertvoll, aberanfassen darf man sie trotzdem. Man muss sie sogar an-fassen. Sonst haben sie ja gar keinen Sinn.«

Nun sind die Kinder aber richtig neugierig geworden.»Was für einen Sinn haben Drachensteine denn?«,

fragt Tom.Doch da werden sie von einem neuen Kunden unter-

brochen. »Oh, was für ein hübscher roter Stein!«, ruft einälterer Herr und greift gleich nach dem Rubin. »Denbringe ich meiner Frau mit. Was für ein schönes Souve-nir! Was kostet der?«

Die Kinder halten die Luft an.»Achttausend Kronen«, sagt der weißhaarige Verkäu-

fer.Georg hat im Kopf wieder blitzschnell gerechnet.Acht-

tausend Kronen, das sind ungefähr tausend Euro! Undauch Tom muss direkt kichern. Der ältere Herr sieht aberauch zu komisch aus, wie er da mit offenem Mund denVerkäufer anstarrt und ganz offensichtlich nicht weiß,was er zu dem Preis sagen soll.

»Ist das ein Scherz?«, fragt er schließlich.»Aber ganz und gar nicht«, antwortet der Verkäufer

ernst.Der ältere Herr räuspert sich. »Na ja«, meint er dann,

»vielleicht gucke ich auch erst mal nach was anderem.Der Markt hier ist ja groß.«

»Tun Sie das!« Der Weißhaarige nickt ihm freundlichzu.

19

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 19

Als der ältere Herr weg ist, lächelt Jasmin den Mannhinter dem Verkaufstisch an. »Sie wollten den Stein wie-der nicht verkaufen, stimmt’s?«

Der Mann lächelt zurück. »Ganz genau. Denn diesenStein, den hattest du dir doch ausgesucht, oder etwanicht?«

Jasmin starrt ihn an. »Ja, aber ich habe keine achttau-send Kronen!«

»Die brauchst du auch nicht«, behauptet der merkwür-dige Verkäufer, »für Kinder sind Drachensteine umsonst.Ich muss schon sagen, dass ihr das nicht wisst, das wun-dert mich wirklich!«

»Sind . . . sind Drachensteine für alle Kinder um-sonst?«, fragt Tom sofort und guckt sehnsüchtig einenwunderbar glänzenden weißen Stein an.

»Selbstverständlich«, antwortet der Mann und folgtdem Blick von Tom.

Er nimmt genau den richtigen weißen Stein hoch undreicht ihn dem Jungen. »Dieses hier«, erklärt er dabei, »istein Diamant. Ein besonders großer.«

Tom umfasst den schönen Stein mit allen Fingern.Richtig toll fühlt er sich an! Genau richtig! Groß genug,um sich beinahe daran festhalten zu können. Nicht wie soein kleiner, fieseliger Kieselstein, den man gar nicht rich-tig spürt in der Hand. Und trotzdem klein genug, um ihnin einer Faust verschwinden zu lassen.

»Ist ein echt gutes Gefühl, den in der Hand zu halten«,meint Tom und strahlt.

20

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 20

»Das will ich meinen!«, sagt der Mann. »Ein Drachen-stein sollte perfekt in der Hand liegen! In einer einzigenHand. In der richtigen Hand. In der, in die er gehört. Undwenn ein Stein die richtige Hand gefunden hat, dann istes gut.« Er macht eine kleine Pause und guckt Tom sehrernst an. Dann lächelt er kaum spürbar. »Es sieht so aus,als ob das dein Drachenstein ist, was meinst du?«, fügt erfreundlich hinzu.

Tom kann nur stumm nicken.»Und der Rubin hier, der gehört natürlich deiner

Schwester«, fährt der Weißhaarige fort. Er wendet sichGeorg zu. »Bleibst nur noch du, junger Mann! Denkst dunicht, dass du auch einen Drachenstein brauchst?«

Georg schluckt wortlos und weiß nicht, was er sagensoll. Denken kann er nicht viel. Passiert das hier geradewirklich? Schenkt ihnen ein wildfremder Marktverkäu-fer gerade wertvolle Edelsteine?

»Wie wär’s mit diesem grünen?«, fragt der Mann nunund schaut Georg prüfend an. Er hält einen wunderschö-nen, geheimnisvoll gesprenkelten Stein in die Luft.»Meinst du, der passt zu dir?«

Georg seufzt. »Tja, äh . . . also ich . . . ich weiß nicht.«Er guckt sich unsicher nach Mama und Papa um. Wo

sind die denn bloß? Warum sind die nie da, wenn man siebraucht? Dürfen er und Tom und Jasmin überhaupt vonFremden etwas annehmen? Oder werden Mama undPapa vielleicht sogar böse werden, wenn sie mit so wert-vollen Steinen zum Hotel zurückkommen?

21

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 21

Georg muss doch über so was nachdenken. Er ist jaschließlich der Älteste.

»Also, wie ist es?«, fragt der Mann noch mal. »Meinstdu, dies hier ist der richtige Stein für dich? Es ist ein Sma-ragd. In einer besonders seltenen Farbe.«

Der tut ja gerade so, als ob es für jedes Kind auf derWelt einen passenden Stein geben würde!, denkt Georg.So was!

Doch dann nimmt er den dunklen Stein in die Hand.Probieren kann er ja mal! Er wiegt ihn vorsichtig hin undher. Meine Güte! Tom hat Recht! Der grüne Stein liegt inGeorgs Hand, als ob . . . als ob da nichts anderes liegensollte als eben genau dieser Stein.

»Fühlt sich richtig gut an«, staunt auch Georg. »Fühltsich . . . fühlt sich so an, als ob . . . «

»Als ob es dein Stein ist. Ist es so?«, vollendet derWeißhaarige Georgs Satz.

Georg kann nun auch nur stumm nicken. Stumm undstaunend.

»Wieso . . . wieso ist das so?«, fragt er schließlich.»Wieso fühlt sich das so an?«

Der Verkäufer lächelt. Still und tief.»Das«, sagt er nach einer Weile mit geheimnisvoller

Stimme, »das ist Magie.« Fast stolz klingt er dabei komi-scherweise.

Die Kinder gucken ihn verblüfft an. Was soll das nunwieder heißen?

Doch der Mann reagiert gar nicht auf ihre fragenden

22

Müller_Drachensteine 30.05.2007 11:18 Uhr Seite 22


Recommended