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Thyristoren

Date post: 29-Jun-2015
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73 5 Thyristoren Thyristoren sind einschaltbare Bauelemente mit dem Haupteinsatzgebiet für Netzanwen- dungen. Derzeit existieren noch eine Vielzahl von Thyristorvarianten als so genannte schnelle Thyristoren in der Umrichtertechnik mit den Ablegern „asymmetrischer Thyristor (ASCR) und den „Gate-abschaltunterstützten Thyristor“ (GATT). Für Neuanwendungen spielen diese Bauteile keine Rolle mehr. Auch in seinem klassischen Einsatzgebiet der Gleichstrom- antriebstechnik verzeichnet der Thyristor einen stetigen Bedarfsrückgang. Die Gleichstrom- antriebstechnik wird zunehmend durch die Drehstromantriebstechnik abgelöst. Dort kommen aber abschaltbare Leistungsbauelemente zum Einsatz. Für die klassischen Einsatzgebiete mit Anschlussspannungen bis 660 V und den Sperrspannungsbereichen bis 1800 V werden deshalb keine Entwicklungen mehr betrieben. Im Gegensatz dazu wird die Entwicklung im Höchstleistungsbereich weiter vorangetrieben. Neben lichtzündbaren Thyristoren mit inte- grierter BOD-Notzündung ist die Entwicklung von Höchstleistungsthyristoren mit Sperrspan- nungen bis 10 kV absehbar. Typische Anwendungen hierfür sind HGÜ-Anlagen, Netz- kupplungen, Ersatz für mechanische Mittelspannungsschalter und Sanftanlaufschaltungen für Drehstrommotoren sowie Stromrichtermotoren für höchste Leistungen. 5.1 Aufbau und Wirkungsweise Beim Anlegen einer positiven Ventilspannung u AK an das Transistormodell nach Abb. 5-1 fließt bei offenem Basisanschluss in beiden Transistoren ein geringer Kollektorstrom. Auf- grund der Verschaltung beider Transistoren stellt sich dadurch in den Transistoren ein Basisstrom I B ein. Dieser Basisstrom hat durch die Stromverstärkung B einen Anstieg des Kollektorstromes zur Folge (Mitkopplungseffekt). Die Stromverstärkung B der Transistoren ändert sich mit dem Kollektorstrom. Solange die Gesamt-Stromverstärkung dieser Schaltung, Abbildung 5-1 Transistormodell eines Thyristor, Struktur und Symbol Anode A Kathode K i G p p p p p n n n n n A K G A K G A K G u AK i A i E Gate G Thyristor Symbol
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Page 1: Thyristoren

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5 Thyristoren

Thyristoren sind einschaltbare Bauelemente mit dem Haupteinsatzgebiet für Netzanwen-dungen. Derzeit existieren noch eine Vielzahl von Thyristorvarianten als so genannte schnelleThyristoren in der Umrichtertechnik mit den Ablegern „asymmetrischer Thyristor (ASCR) undden „Gate-abschaltunterstützten Thyristor“ (GATT). Für Neuanwendungen spielen dieseBauteile keine Rolle mehr. Auch in seinem klassischen Einsatzgebiet der Gleichstrom-antriebstechnik verzeichnet der Thyristor einen stetigen Bedarfsrückgang. Die Gleichstrom-antriebstechnik wird zunehmend durch die Drehstromantriebstechnik abgelöst. Dort kommenaber abschaltbare Leistungsbauelemente zum Einsatz. Für die klassischen Einsatzgebiete mitAnschlussspannungen bis 660 V und den Sperrspannungsbereichen bis 1800 V werdendeshalb keine Entwicklungen mehr betrieben. Im Gegensatz dazu wird die Entwicklung imHöchstleistungsbereich weiter vorangetrieben. Neben lichtzündbaren Thyristoren mit inte-grierter BOD-Notzündung ist die Entwicklung von Höchstleistungsthyristoren mit Sperrspan-nungen bis 10 kV absehbar. Typische Anwendungen hierfür sind HGÜ-Anlagen, Netz-kupplungen, Ersatz für mechanische Mittelspannungsschalter und Sanftanlaufschaltungen fürDrehstrommotoren sowie Stromrichtermotoren für höchste Leistungen.

5.1 Aufbau und Wirkungsweise

Beim Anlegen einer positiven Ventilspannung uAK an das Transistormodell nach Abb. 5-1fließt bei offenem Basisanschluss in beiden Transistoren ein geringer Kollektorstrom. Auf-grund der Verschaltung beider Transistoren stellt sich dadurch in den Transistoren einBasisstrom IB ein. Dieser Basisstrom hat durch die Stromverstärkung B einen Anstieg desKollektorstromes zur Folge (Mitkopplungseffekt). Die Stromverstärkung B der Transistorenändert sich mit dem Kollektorstrom. Solange die Gesamt-Stromverstärkung dieser Schaltung,

Abbildung 5-1 Transistormodell eines Thyristor, Struktur und Symbol

Anode A

Kathode K

iG

p

p p

p

p

n n

n

n

n

A

K

G

A

K

G

A

K

GuAK

iA

iE

GateG

ThyristorSymbol

Page 2: Thyristoren

74 5 Thyristoren

die durch das Produkt der Stromverstärkungen B1·B2 gegeben ist (s. Darlington-Transistor),unter 1 liegen, führt dieser Effekt nur zu einem erhöhtem Kollektorstrom. Wenn die Gesamt-Stromverstärkung durch den Anstieg des Kollektorstromes aber größer als 1 wird, steigt derKollektorstrom auch ohne äußere Spannungserhöhung weiter an und der Thyristor kippt in denLeitzustand. Die Spannung, bei der dieses Kippen in den Leitzustand bei offenem Basis-anschluss erfolgt, wird Nullkippspannung UB0 genannt. Betriebsmäßig wird der Thyristor übereinen Gatestromimpuls eingeschaltet. Ein ausreichender Gatestrom kann im Blockierzustandden Mitkopplungseffekt im Thyristor einleiten.Die Entwicklung des Thyristors für große Schaltleistungen in Scheibenbauweise zeigt Abb. 5-2. Zur Entwicklung eines Scheibenthyristors wird die Gateelektrode G zunächst nach obenverlegt (Abb. 5-2b). Die Kathode wird ringförmig um den Gateanschluss gelegt und manerhält die Scheibenbauform nach Abb. 5-2c. Den typischen Aufbau eines Thyristors inScheibenbauweise zeigt Abb. 5-3.

Abbildung 5-2 Entwicklung des ScheibenthyristorsDurch die scheibenförmige Bauweise ist eine doppelseitige Abführung derVerlustleistung gewährleistet. Die Anschlüsse erfolgen über Druckkontakte.

p

n-

p

n+

G K

A

p

n-

p

n+

K

A

G

p

n-

p

n+

K

A

G

n+

a) b) c)

Abbildung 5-3 Thyristor in Scheibenbauweise(eupec) und Draufsicht auf einen Siliziumchip

KathodeGate

Page 3: Thyristoren

5.3 Das Einschaltverhalten 75

5.2 KennlinieDas elektrische Verhalten eines Thyristors in Durchlass- und Sperrrichtung wird durch Kenn-linien nach Abb. 5-4 dargestellt. Die Durchlassrichtung wird durch die Blockier- bzw.Durchlasskennlinie beschrieben. Ist die Nullkippspannung UB0 gleich der Sperrspannung UBR,so wird der Thyristor symmetrisch genannt, ist UB0 größer als UBR, so handelt es sich umeinen asymmetrischen Thyristor.

5.3 Das EinschaltverhaltenDas Einschalten eines Thyristors ist nur aus dem Blockierzustand (uAK > 0) heraus möglich.Der Einschaltvorgang kann durch unterschiedliche Mechanismen ausgelöst werden.

5.3.1 Überschreiten der zulässigen Blockierspannung

Die Ausbreitung der Raumladungszone des mittleren pn-Überganges (Abb. 5-5) führt beizunehmender Blockierspannung zu einem Anstieg der Stromverstärkung (Early-Effekt). Über-schreitet die Stromverstärkung den Wert eins, so zündet der Thyristor selbsttätig. Dieser Ein-schaltvorgang ist verboten, da durch mögliche hohe Stromdichten das Bauteil gefährdet wird.

Abbildung 5-4 Kennlinie eines symmetrischen Thyristor für iG = 0

uR

iD

Durchlasskennlinie(uT-iT, on-state)

Blockierkennlinie (uD-iD, off-state)

uD

Sperrkennlinie(uR-iR)

UB0

iT

uT

50

100

1

10

100A

mA

2 4

UBR

50mA

iR

V

Einraststrom (latching current)Haltestrom (holding current)

(reverse breakdown)(reverse breakdown)

(forward breakover voltage)

Page 4: Thyristoren

76 5 Thyristoren

5.3.2 Überschreiten der zulässigen Spannungssteilheit Ein blockierender Thyristor zeigt ein kapazitives Verhalten. Wird er mit steilflankigen Span-nungen belastet, so fließt ein Verschiebungsstrom im Thyristor wie bei einem Kondensator CS.Der Verschiebungsstrom wirkt in Blockierrichtung wie ein Gatestrom und kann zu einemungewollten Einschalten des Thyristors in Abb. 5-5 führen.

Grenzwerte: max. Spannungssteilheit bei offenem Gatekreis: 500 V/μs, bei RC-Gateabschlussdarf die Spannungssteilheit bis zu 1000 V/μs betragen.

5.3.3 Gatestromzündung

Zunächst muss in Abb. 5-6 der Gatestrom iG Ladungs-träger in das Gebiet des kathodenseitigen pn-Über-ganges transportieren und dieser muss auf den mittlerenpn-Übergang, welcher in Sperrrichtung beanspruchtwird, zurückwirken. Die hierfür benötigte Zeit wirdZündverzugszeit tgd (1 – 2 μs) genannt. Die Zünd-verzugszeit wird, wie in Abb. 5-7 angegeben, aus demAbfall der Ventilspannung auf 90 % ermittelt. DerDurchschaltvorgang setzt nach Ablauf der Zündver-zugszeit tgd in einem räumlich engen Bereich nahe derGate-Elektrode ein. Er ist gekennzeichnet durch einZusammenbrechen der Ventilspannung von 90 % auf10 %. Diese Zeitspanne ist definiert als Durchschaltzeit tgr (1 – 2 μs). Die Kristallfläche istnach Ablauf der Durchschaltzeit nur in unmittelbarer Umgebung der Gateelektroden leitend,weiter entfernte Gebiete der Kristallfläche blockieren noch (Abb. 5-8). Die Leitfähigkeitbreitet sich mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von ca. 0,1 mm/μs im Kristall aus. DieseZeitspanne wird Zündausbreitungszeit tgs ( 100 μs) genannt. Damit während der Zündaus-breitungszeit die maximal zulässige Stromdichte nicht überschritten wird, muss die Stromsteil-heit beim Einschaltvorgang begrenzt sein. Hat iAK den Einraststrom IE erreicht (IE ca. 2 A),dann bleibt der Thyristor auch ohne Steuerstrom leitend und der Gatestrom kann abgeschaltetwerden. Wegen der starken Temperaturabhängigkeit des Gatestromes iG muss sich dieGatestromversorgung dem erhöhten Strombedarf bei niedrigen Temperaturen angepasst sein.

Abbildung 5-5 Kapazitiver Strom im blockierten Thyristor (CS sei konstant)

Abbildung 5-6 Gatestromzündung

t

t

iAK

uAK

uAK

iAK CS

d uAKd tp

p

n

n

A

K

G uAK

CS

iAKuAKiAK

p

p

n

n

A

K

G

uDM

iAK R

iG

uGK

uD

Page 5: Thyristoren

5.3 Das Einschaltverhalten 77

Um die Steilheit des Ventilstromes beim Durchschaltvorgang zu begrenzen, wird eine sättig-bare Drossel, die als Stufen- bzw. Schaltdrossel bezeichnet wird, eingesetzt. Diese Schalt-drossel wird durch einen oder mehrere Ferritkerne realisiert, die über die Thyristorzuleitunggeschoben werden. Aufgrund der Ummagnetisierungsverluste erzeugen diese Kerne eineVerlustleistung die zusätzlich abgeführt werden muss.Der Haltestrom IH ist der Durchlassstrom, der mindestens fließen muss um die innere Mitkopplung des Thyristors aufrecht zu erhalten (typisch: IH < 400 mA).

Gatestromimpuls und Eingangskennlinienfeld:Das p-leitende Gebiet mit dem Gateanschluss und das n-leitende Gebiet der Kathode bildeneinen pn-Übergang. Die Durchlasskennlinie des pn-Überganges bildet die Gate-Eingangs-kennlinie nach Abb. 5-9. Diese Durchlasskennlinie streut verhältnismäßig stark und isttemperaturabhängig. Innerhalb eines Streubandes der Eingangskennlinien von Thyristoren gibtes nach DIN 41787 drei zu unterscheidende Bereiche:

Abbildung 5-7 Einschaltvorgang, Strom- und Spannungsverhältnisse

Abbildung 5-8 Silizium-Tablette unmittelbar nach der Durchschaltezeit tgr (Draufsicht)

Gate(noch) blockierendes Gebiet

Bereits leitendes Gebiet

Ausbreitung des Leitzu-

standes mit ca. 0,1 mm / μs

Kathode

100%

iG

t

uD

100 %

10 % idealisiert

real

Impulsbeginn

tgt

iT90%

t

tgd tgr tgs

10%

uDuDM

Page 6: Thyristoren

78 5 Thyristoren

Zum sicheren Einschalten des Thyristors sind bestimmte Mindestwerte für die SteuergrößenGatespannung uG und Gatestrom iG erforderlich. Nach oben hin sind die Werte für uG undiG durch die max. zulässige Gate-Steuerleistung PG,max begrenzt (Verlust-Hyperbel). Für einsicheres und schnelles Einschalten wird ein hoher Stromimpuls von max. 10 A verwendet.Eine hohe Steuerstromamplitude beschleunigt den Zündvorgang durch geringere Zündver-zugszeit tgd. Eine große Stromsteilheit diG/dt zu Beginn des Steuerstromes (Anfangssteilheit >1A/μs) verringert die Einschaltverluste. In Verbindung mit der Zündimpulsdauer, die so großsein muss, dass der Thyristor seinen Einraststrom IE erreicht, folgen daraus spezielleAnforderungen an die Zündelektronik. Die grundsätzliche Ansteuerungsart eines Thyristorszeigt Abb. 5-10. Der Schalter S wird im Allgemeinen als Bipolar-Transistor ausgeführt. DieBetriebsspannung U0 beträgt z. B. 15 V. In L ist die Induktivität des Thyristor-Strompfadeszusammengefasst.

Abbildung 5-9 Eingangskennlinie und Gate-Zündimpuls

tr 1μsiG 10A 2...5 Atpk 5 ... 20 μs

Abbildung 5-10 Ansteuerschaltung für einen Thyristor

ttpk

Anfangssteilheit diG / dt

10 %

90 %

tpl

Bereich sicherer Zündung

unsichere Zündung

uG

iG

keine Zündung

iG

îGmax.min.

PG,max

uGKT

S

iGK

RGDG

CG

RB

DF

U0ZD

CB

L

Freilaufkreis mit Entmagnetisierungs

Zenerdiode

du/dt-Beschaltung TSE-Beschaltung

Impulsübertrager

Gate-Schutzdiode

Induktivität des Stromkreises

Impulsformung

R

C

Page 7: Thyristoren

5.4 Ausschalten 79

5.4 AusschaltenZum Ausschalten muss der Thyristorstrom kurzzeitig den Haltestrom iH unterschreiten, damitder Mitkopplungseffekt aussetzt. Bei einer Wechselstromanwendung nach Abb. 5-11 wird IHautomatisch mit jeder Halbschwingung unterschritten (Netzführung), bei einer Gleichstroman-wendung nach Abb. 5-12 ist wegen der fehlenden Stromnulldurchgänge eine Löscheinrichtungerforderlich (Zwangslöschung).

5.4.1 Netzgeführter BetriebIm Abstand vom natürlichen Nulldurchgang der Netzspannung uN wird ein Gatestromimpulsvom Steuergenerator ausgelöst. Der Thyristor schaltet ein. Bis zum natürlichen Spannungs-nulldurchgang leitet der Thyristor weiter. Wird der Haltestrom unterschritten, so schaltet derThyristor ab. Weil in der Schaltung nach Abb. 5-11 die Netzspannung den Abschaltvorgangauslöst, wird die Schaltung als netzgeführt bezeichnet.

5.4.2 Selbstgeführter BetriebZum Zeitpunkt t1 wird in Abb. 5-12 der Thyristor über einen Gatestromimpuls eingeschaltet.Der Thyristor leitet solange, bis zum Zeitpunkt t2 durch kurzzeitiges Schließen des Schalters Sder Thyristorstrom durch die Hilfsspannung UH den Haltestrom unterschreitet und ausschaltet.

Abbildung 5-11 Thyristoranwendung bei Wechselstrom (netzgeführte Schaltung)

USt

„natürlicher“Strom-nulldurchgang

tUN

iN

R

uNiN

Abbildung 5-12 Thyristoranwendung bei Gleichstrom (selbstgeführte Schaltung)

„erzwungener“ Strom-Nulldurchgang

S

U0

U0

UH

iR

R

t2

t1

t2t1 t

iR

Page 8: Thyristoren

80 5 Thyristoren

UH muss so gepolt sein, dass sich im Thyristor ein Kurzschlussstrom in Sperrrichtungaufbauen will. Der Schalter S muss solange geschlossen bleiben, bis der Thyristor seineBlockierfähigkeit wiedererlangt hat. Um den Ausschaltvorgang genauer zu beschreiben wirdeine Ersatzschaltung nach Abb. 5-13 gewählt. Der Thyristor führt zunächst einen konstantenStrom Id.

Zum Zeitpunkt t0 wird der Schalter S geschlossen. Die Hilfsspannung UK baut den Strom iLauf, wodurch der Thyristorstrom iT abnimmt, d. h. die Stromsteilheit diT/dt ist in diesem Ab-schnitt kleiner Null. Nach dem Stromnulldurchgang bei t1 bleibt der Thyristor solange weiterleitend bis alle Ladungsträger aus dem Kristall abgeflossen bzw. rekombiniert sind. Es fließtdaher auch ein Strom in Rückwärtsrichtung iR (2) wodurch der mittlere pn-Übergang inDurchlassrichtung betrieben wird. (Dieser Übergang ist die Ursache der Freiwerdezeit.) InRückwärtsrichtung hat der Thyristor zunächst zwei pn-Übergänge in Sperrrichtung strom-führend. Der erste pn-Übergang hat zum Zeitpunkt t2 seine Sperrfähigkeit wiedererlangt undkann eine Sperrspannung (ca. 20 V) aufnehmen. Hierdurch reduziert sich die treibende Span-nung und die Stromsteilheit di/dt ist deutlich geringer (3). Zum Zeitpunkt t3 sperrt in Abb. 5-14 auch der zweite pn-Übergang. Der Thyristorstrom iT hat zu diesem Zeitpunkt seinenMaximalwert iRM. erreicht (4). Anschließend reißt der Thyristorstrom schnell ab.Die Angaben in Klammern beziehen sich auch auf Abb. 5-15.

Abbildung 5-13 Abschaltvorgang eines Thyristors, t t0

iTId

t

d iTd t

0

t0

t2t1

t3

uL L d iL d t

Id

UK

uT uL UK 0

L

iL

K S

iT p

np

n

t > t1, iT < 0

G

K

A

uT

iT

iT I 0 iL

Abbildung 5-14 Abschaltvorgang eines Thyristors, Stromabriss

p

n

p

n

t > t3, iT < 0

G

K

A iT

tIRM

StromabrissiT 0

d iT d t

0

t3

uL Ld iL d t

iT 0

I0

UK

uT uL U K

L

iL

uT

iT

J

Page 9: Thyristoren

5.5 Ausführungsformen 81

Der Stromabriss bedeutet eine sehr große Stromsteilheit mit umgekehrtem Vorzeichen, dieSpannung uL addiert sich jetzt zu der Betriebsspannung UK. Es kommt zu einer Überhöhungder Sperrspannung, wodurch der Thyristor gefährdet ist. Der dritte – mittlere – pn-Übergang(J) wurde vom Rückwärtsstrom iR in Durchlassrichtung gepolt und ist noch mitLadungsträgern überschwemmt. Der Thyristor hat aber erst dann seine Blockierfähigkeiterreicht, wenn die Ladungsträger in J rekombiniert sind. Deshalb muss nachStromnulldurchgang (t1) eine Mindestzeitspanne, die Freiwerdezeit tq abgewartet werden (jenach Typ: tq = 10 μs ... 700 μs) bevor wieder eine positive Spannung am Thyristor anliegendarf. Aus Sicherheitsgründen verlängert man die Freiwerdezeit tq z. B. 1,5-fach und bezeichnetdiese neue Zeitspanne als Schonzeit tS. Zur Bedämpfung der Abschaltüberspannung wird derThyristor analog zur Diode mit einem RC-Glied beschaltet (TSE-Beschaltung).Für den periodischen Betrieb eines selbstgeführten Thyristors wurden Löschschaltungenentwickelt, bei denen die Polarität des Löschkondensators sich beim Einschaltvorgang übereine Umschwingschaltung immer wieder hergestellt hat. Derartige Schaltungen kommen heutenicht mehr zum Einsatz weshalb an dieser Stelle das Thema der Thyristorlöschung nicht weitervertieft wird. Beispiele für früher ausgeführte Schaltungen mit Kondensatorlöschung sind der1-phasige Wechselrichter bzw. der Phasenfolgewechselrichter. Diese Schaltungen werden inKapitel 12 vorgestellt.

Als selbstgeführte Schalter werden heute der abschaltbare Thyristor als GTO bzw. IGCTsowie der IGBT bzw. MOSFET eingesetzt.

5.5 Ausführungsformen

Der bisher betrachtete Thyristor heißt „kathodenseitig steuerbare, rückwärtssperrende Thy-ristortriode“ mit der Kurzbezeichnung SCR für Silicon Controlled Rectifier. Darüber hinausgibt es zahlreiche Thyristorvarianten, von denen nachfolgend einige vorgestellt werden.

Abbildung 5-15AusschaltvorgangVentilstrom und -spannungs-verlauf beim Ausschalt-vorgang der Schaltung nachAbb. 5-13.

trr: reverse recovery time(Sperrverzugszeit)

UK: Hilfsspannung

1

2

3 4

iTuT

UK

uT

trr Id

t2 t3 t4t0

iRM 0,1 iRM

tt1

iRuR

d iTd t

U KL

Page 10: Thyristoren

82 5 Thyristoren

5.5.1 Amplifying Gate StrukturDer Thyristor ist ein stromgesteuertes Bauelement. Damit bei leistungsstarken Thyristoren einintensiver Steuerstrom in das Gate eingebracht werden kann, wird der Thyristor über einengateseitigen Hilfsthyristor gezündet. Von außen wird nur der Hilfsthyristor angesteuert. Da-durch lassen sich großflächige Gatestrukturen nach Abb. 5-16 mit einer kurzen Schaltzeitrealisieren, und damit im Vergleich zum Netzthyristor auch höhere Schaltfrequenzen.

5.5.2 Zweirichtungs-ThyristorenMan unterscheidet bei Zweirichtungs-Thyristoren zwischen einer Thyristordiode (Diac, Vier-schichtdiode) und einer Thyristortriode (Triac, Triode alternating current switch). Ein Triacverhält sich so wie eine aus zwei Thyristoren bestehende Gegenparallelschaltung. Den grund-sätzlichen Aufbau und das verwendete Schaltzeichen zeigt folgende Abbildung 5-17:

Die Triac-Struktur besteht aus zwei antiparallelgeschalteten pnpn-Schichtfolgen. Die Hauptan-schlüsse (Main Terminal, MT) werden mit MT1 und MT2 bezeichnet. Zur Zündung wirdzwischen dem Gateanschluss (G) und MT1 eine Steuerspannung beliebiger Polarität gelegt,wodurch das Element in beiden Richtungen durchgeschaltet wird. Für den praktischen Einsatzist von Bedeutung, dass die direkt nach dem Stromnulldurchgang am Triac auftretendeSpannung nur mit sehr begrenzter Steilheit ansteigen darf. Sonst zündet der Triac ungewolltwieder durch. Durch eine geringe Steilheit beim Stromnulldurchgang erhalten Löcher undElektronen mehr Zeit für eine Rekombination wodurch die du/dt-Festigkeit vergrößert werdenkann. Die kritische Spannungssteilheit nach der Kommutierung (du/dt-Festigkeit) ist deutlichniedriger als bei einem Thyristor. Wegen der geringen Spannungs- und Stromsteilheiten eignetsich ein Triac nur für kleine bis mittlere Leistungen. Für höhere Leistungen werdenantiparallelgeschaltete Thyristoren (bidirectional control thyristors) verwendet.

5.5.3 Der asymmetrisch sperrende ThyristorFür Schaltungen, in denen Thyristoren eine geringe Spannungsfestigkeit in Rückwärtsrichtungaufweisen müssen, wurden Thyristoren mit einer asymmetrischen Kennlinie entwickelt. DieseThyristoren werden als asymmetrisch sperrende Thyristoren (ASCR, Asymmetric SiliconControlled Rectifier) bezeichnet. Der asymmetrisch sperrende Thyristor hat gegenüber dem

Abbildung 5-16 Aufbau eines Thyristors mit Hilfsthyristor (amplifying gate structure)

p

n-

p

n+

K

A

G

n+K´ G´

Hilfsthyristor Hauptthyristor

A

KG

Abbildung 5-17

Arten von Zwei-richtungs-VentilenG

MT1

MT2

MT1

MT2

T r i a cD i a cG1

MT2

MT1

G2

bidirectionalcontrol thyristors

Page 11: Thyristoren

5.6 Abschaltbarer Thyristor (GTO) 83

symmetrisch sperrenden Thyristor eine 2- bis 3-mal kleinere Freiwerdezeit und geringereEinschalt- und Durchlassverluste. Durch Integration einer antiparallelen Diode in denThyristor erhält man den rückwärtsleitenden Thyristor (RCT, Reverse Conducting Thyristor).

Asymmetrischer Thyristor Rückwärtsleitender Thyristor

5.5.4 Der lichtzündbare Thyristor

Speziell in der HGÜ-Technik werden lichtzündbare Thyristoren eingesetzt. Bei 8 kV Span-nungsfestigkeit erfolgt die Ansteuerung potenzialfrei über Lichtleiter. Die Zündung kanndirekt über die Lichtenergie erfolgen (optische Zündung, 40 mW-Laser mit Lichtwellenleiter)oder indirekt über eine optische Signalübertragung mit Zündverstärker.

5.6 Abschaltbarer Thyristor (GTO)Der gateseitig abschaltbare Thyristor (Gate-Turn-Off Thyristor, GTO) ist eine Weiterent-wicklung des einschaltbaren Thyristors.

5.6.1 Der asymmetrische sperrende GTODer asymmetrisch sperrende GTO besitzt in positiver Richtung volle Sperrfähigkeit, in nega-tiver Richtung jedoch nur eine geringe Sperrfähigkeit. Die asymmetrische Kennlinie wird inAbb. 5-19 durch Anodenkurzschlüsse (Shorting) erreicht.

Abbildung 5-19

Aufbau eines GTO-Thyristors mit Anoden-Kurzschlussstruktur(schematisch)nnnnp p np p p n p pnp

np

n+ n+ n+ n+

Anode

GateKathode

Abbildung 5-18 Aufbau eines GTO-Thyristors

A KG

A KG

Gate

Kathodenfinger

Draufsicht

p+n

pn+ n+

Anode

Gate

Kathode

ringförmiger Druckkontakt im Gehäuse

n+ n+

Page 12: Thyristoren

84 5 Thyristoren

Der rückwärtsleitende GTO Der symmetrisch sperrende GTOEin rückwärtsleitender GTO hat eine in-tegrierte Freilaufdiode.

besitzt volle Sperrfähigkeit in beiden Richtungenund eignet sich daher für Schaltungen mitwechselnder Polarität der treibenden Spannung.

5.6.2 Ansteuerung

5.6.2.1 EinschaltenDas Einschalten erfolgt wie beim konventionellen Thyristor entsprechend Abb. 5-9 mit einemsteilen Gatestromimpuls diGM/dt. Der Scheitelwert IGM muss mindestens dem 6fachen Wertdes Dauerimpulsstromes IG entsprechen. Anforderungen an den Steuergenerator sind tempera-turabhängig, so beträgt der Einschaltstrom für einen GTO mit 3 A IGT (bei 20 °C) IGM 20 A(bei -25 °C) bzw. 60 A (bei -40 °C).

5.6.2.2 AusschaltenDer GTO schaltet aus, wenn ein ausreichend hoher negativer Gatestrom auftritt. DieAmplitude des Gatestromes muss 20 % bis 30 % des abzuschaltenden GTO-Stromes betragen.Der Abschaltvorgang wird vereinfachend mit Abb. 5-20 erläutert. Zum Ausschalten wird derSchalter S geschlossen und es setzt ein rückwärtsgerichteter Gatestrom iRG ein. iRG steigtzunächst mit einer Steilheit an, die durch die treibende Spannung U0 und die gateseitigeInduktivität LG bestimmt ist (LG < 300 nH).Die Stromsteilheit des Gatestromes beträgt bei einer GTO-Ansteuerschaltung bis zu 50 A/μs.

Durch die einsetzende Sperrung der Kathoden-Gate-Strecke erreicht iRG in Abb. 5-21 seinenHöchstwert iRGM und fällt anschließend wieder auf Null ab. Das Verhältnis des abzuschal-tenden Stromes iT zum Maximalwert des Steuerstromes iRGM wird als Abschaltverstärkung vQbezeichnet. vQ liegt bei einem GTO zwischen 3 und 5, so dass zum Abschalten eines Gleich-stromes von z. B. 3000 A ein iRGM von 1000 A erforderlich ist.

Abbildung 5-20

Ersatzschaltbild zum Abschalt-vorgang eines GTO-Thyristors

LG: Induktivität derGatezuleitung

K

A

G G

K

A

T1

T2

A

G

K

LG

iG

iT

iB2

iB1 = iC2

iC1S

URL

U0

RL

Page 13: Thyristoren

5.6 Abschaltbarer Thyristor (GTO) 85

Der Steuerstrom iRG bewirkt, dass der Durchlassstrom iT nach der Abschaltverzugszeit tdqabnimmt. iT sinkt dann während der Abschaltfallzeit tfq relativ schnell auf den Anfangswertdes Schweif- bzw. Tailstromes (Itq), der vereinfachend in Abb. 5-21 mit dem 10 %-Punkt voniT zusammenfällt. Dieser Tailstrom geht innerhalb der Schweifzeit ttq relativ langsam auf Nullzurück. Diese Stromabnahme erfolgt nur durch die Rekombination von Ladungsträgern im pn-Übergang der Thyristorstruktur und kann über die Steuerelektrode nicht beeinflusst werden.Die Schweifzeit ist entscheidend für die Ausschaltverlustleistung. Zwar lässt sich prinzipielljeder Thyristor durch einen negativen Gatestromimpuls abschalten, jedoch wäre bei einemkonventionellen Thyristor der abschaltbare Strom nur sehr klein. Erst durch den Aufbau desThyristors nach Abb. 5-18 mit fingerförmig verzahnten Gate- und Kathodenelektroden sowieeiner verminderte Stromverstärkung des Transistors T1 in Abb. 5-20 entsteht ein leistungs-starker GTO-Thyristor. Die zukünftige Bedeutung des GTO ist durch weitere Entwicklungen(IGBT, IGCT) jedoch vermindert.

5.6.3 Betriebsbedingungen für einen GTO

Im Vergleich mit einem Thyristor besitzt der GTO einen sehr hohen Haltestrom. Da derThyristorstrom im Betrieb im Allgemeinen eine hohe Welligkeit aufweist, besteht die Gefahr,dass ein GTO in einen undefinierten Leitzustand gerät. Beim Wiederanstieg des Stromes kannes durch hohe Stromdichten zum Ausfall des Bauelementes kommen. Zur Sicherstellung einesdefinierten Leitzustandes wird daher ein Dauergatestrom bzw. Impulskamm vorgesehen, dermindestens 20 % größer ist als der Dauerimpulsstrom IGT. Besteht die Gefahr, dass durch eineStromrichtungsumkehr der Strom selbsttätig auf die Freilaufdiode kommutiert, so ist einDauergatestrom von mindestens 10 A (-40 °C) für den anschließenden Wiedereinschalt-vorgang bei positivem Stromanstieg vorzusehen. Die Schaltfrequenzen werden mit Rücksichtauf die Schaltverluste kleiner als 500 Hz gewählt. Typische Steilheiten des Gatestromes liegendann bei ca. 50 A/μs. Für den Betrieb ist eine GTO-Beschaltung nach Abb. 5-22 erforderlich.

CITQM

d ud t kritisch

und Rtmin4C (5.1)

Abbildung 5-21

GTO-Ausschaltvorgang

Zeitlicher Verlauf des Steuer-stromes und des Durchlassstromesbeim Ausschalten eines GTO-Thyristors.

iRG

iRGM0,1 iRGM

iT0,9 iT

tdq tfq ttq

Tailstrom

ta

0,1 iT

0,9 iRGM

t

t

iTq

Page 14: Thyristoren

86 5 Thyristoren

Die Kapazität des Kondensators C wird durch den GTO-Abschaltstrom (ITQM) und demkritischen du/dt-Wert definiert. Voraussetzung ist, dass der Kondensator zu Beginn des Ab-schaltvorganges entladen ist, weshalb eine Mindesteinschaltzeit tmin des Thyristors eingehaltenwerden muss, in der sich C über den Widerstand R entlädt. Für R und C gilt Gl. (5.1).

5.6.4 IGCT

Der „Integratet Gate-Commutated Thyristor“ (IGCT) stellt hinsichtlich der Schaltleistung und-Geschwindigkeit eine Weiterentwicklung des GTO dar. Er wird hauptsächlich für Mittelspan-nungsumrichter eingesetzt. Leistungshalbleiter und Ansteuereinheit sind induktivitätsarm zueiner baulichen Einheit zusammengefasst, wodurch der Gatestrom (die Abschaltverstärkungbeträgt 1) mit einer höheren Steilheit als beim GTO bereitgestellt werden kann. Die Folge isteine Reduktion der Speicherzeit, die zusätzlich eine Optimierung der Siliziumdicke ermög-lichte. Durch diese baulichen Änderungen hat der IGCT deutlich verminderte Durchlass- undSchaltverluste. Beim IGCT konnte so das Schaltverhalten eines Transistors mit dem Durch-lassverhalten eines Thyristors kombiniert werden. In dieser Hinsicht – und auch der Robustheit– hat der IGCT heute noch Vorteile gegenüber dem IGBT (Vergleichsdaten siehe Kapitel 5.7).Die Schaltfrequenz des IGCT liegt bei max. 1000 Hz, Kommutierungen verlaufen mit Strom-steilheiten bis über 1200 A/μs.

5.7 Auswahl von LeistungsbauelementenDie aufgeführten Grenzdaten gelten für aktuell verfügbare Bauelemente und zeigen teilweiseeine Typen-Spezialisierung für Hoch- Niederspannungsanwendungen. Die in Tab. 5.1 auf-geführten Daten sind zudem anwendungsspezifisch und daher als Anhaltswerte zu verstehen.

Tabelle 5.1 Auswahl an Bauelement-Grenzwerten (stand: 2007)

Typ U/V IDC/A toff /μs Typ U/V ITQM/A IAV/A toff /μs

MOSFET800 25 0,15

100 300 0,7

GTO

IGCT

4500 4000 1000 100

4500 4000 2100 11

IGBT 6500 600 1 - 4 Thyristor 8500 - 2400 -

BT1200 300 15 - 25

550 480 5 - 10

Diode

SiC-Diode

5000

1200--

3800

20

-

-

IAV: Mittelwert (AV), ITQM: maximal abschaltbarer Strom, IDC: Gleichstrom (continous)

Abbildung 5-22

Beschaltungsmaßnahmenfür einen GTO

Die Stromsteilheit wird mit Rücksichtauf die antiparallele Diode begrenzt.

RCD-Beschaltung gegen Überspannung

Begrenzung der Stromsteilheit mit Freilaufzweig

antiparallele DiodeR GTO

C

D

RL

DL

L