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Thomas Wedgwood John Frederick William Herschel

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59 Please take notice of: (c)Beneke. Don't quote without permission. Thomas Wedgwood (14.05.1771 Etruria (Stafforshire) - 10.07.1805 Eastbury (Dorset)) und John Frederick William Herschel (07.03.1792 Slough bei Windsor - 11.05.1871 Hawkhurst/Kent) und zur Geschichte der Fotographie, insbesondere der Fixierung der Bilder von 1800 bis 1850 Klaus Beneke Institut für Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universität der Universität D-24098 Kiel [email protected] Aus: Klaus Beneke Biographien und wissenschaftliche Lebensläufe von Kolloidwis- senschaftlern, deren Lebensdaten mit 1996 in Verbindung stehen Beiträge zur Geschichte der Kolloidwissenschaften, VIII Mitteilungen der Kolloid-Gesellschaft, 1999, Seite 60- Verlag Reinhard Knof, Nehmten ISBN 3-934413-01-3 John Herschel Thomas Wedgwood
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Please take notice of: (c)Beneke. Don't quote without permission.

Thomas Wedgwood(14.05.1771 Etruria (Stafforshire) - 10.07.1805 Eastbury (Dorset))

undJohn Frederick William Herschel(07.03.1792 Slough bei Windsor - 11.05.1871 Hawkhurst/Kent)

und zur Geschichte der Fotographie,insbesondere der Fixierung der Bilder von

1800 bis 1850Klaus Beneke

Institut für Anorganische Chemieder Christian-Albrechts-Universität

der UniversitätD-24098 Kiel

[email protected]

Aus:

Klaus Beneke

Biographien und wissenschaftliche Lebensläufe von Kolloidwis-senschaftlern, deren Lebensdaten mit 1996 in Verbindung stehenBeiträge zur Geschichte der Kolloidwissenschaften, VIIIMitteilungen der Kolloid-Gesellschaft, 1999, Seite 60-Verlag Reinhard Knof, NehmtenISBN 3-934413-01-3

John HerschelThomas Wedgwood

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Wedgwood, Thomas [Tom] (14.05.1771 Etruria (Stafforshire) - 10.07.1805Eastbury (Dorset))

Thomas Wedgwood wurde als jüngster Sohn vonsechs Kindern (Susannah 1765 - 1817; John 1766 -1844; Josiah [Jos] 1769 - 1843; Catherine 1774 - 1823und Sarah Elizabeth 1776 - 1856) des berühmten Töp-fers Josiah Wedgwood (1730 - 1795) und dessenFrau, einer entfernten Cousine, Sarah Wedgwood(1745 - 1815), die 1764 geheiratet hatten, geboren.Josiah Wedgwood, dessen Vorfahren Töpfer seit dem16. Jahrhundert waren, baute 1771 nahe seinem Ge-burtsort Burslem für seine Arbeiter eine Stadt, Etruriagenannt, als Ausdruck seiner Bewunderung für dieetruskische Keramik. Hier hatte er 1759 einen eigenenTöpferbetrieb eröffnet. Bereits 1759 stellte er weißesSteinzeug her, das erstmals den Namen Wedgwood

trug. Er experimentierte und erwarb sich Kenntnisseder Chemie, so daß er im Laufe der Jahre verschie-denes Steingut und Porzellane (Queen´s Ware, JasperWare) herstellen konnte. Die Jasper Ware, welche ererstmals 1774 produzierte, war ein hartes, gefärbtesSteingut mit aufgarnierten weißen Reliefs von klassi-schen Figuren. Die Firma Wedgwood produziert nochheute Steingut, welches man in Deutschland über dieFirma Rosenthal in Selb beziehen kann.

Josiah Wedwood, dem am 31. Mai 1768 dasrechte Bein amputiert wurde, gehörte zu einem Kreisliberal gesinnter, fortschrittlicher Persönlichkeiten, diesich zu einer kleinen, erlesenen Gesellschaft der Lu-near Society (Mondgesellschaft) zusammenschlossen.Da man weit auseinanderwohnte, fanden die Zu-sammenkünfte bei Vollmond statt, so daß man nicht imDunkel den Heimweg antreten mußte. Im Volksmundwurde des öfteren aus der Lunear Society auch voneiner Lunatic Society (Club der Verrückten) gespro-chen. Zu ihr gehörten unter anderem der Theologeund Wissenschaftler Joseph Priestley (1733 - 1804),James Watt (1736 - 1819), der die Dampfmaschinevervollkommnete, Matthew Boulton (1728 - 1809),Partner Watts in der Soho-Maschinenfabrik in Birming-

Thomas Wedgwood

Black Jasperware

Josiah Wedgwood

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ham, William Murdoch (1754 - 1839), der Erfinder der Gasbeleuchtung, ferner derArzt, Botaniker und Dichter Erasmus Darwin (1731 -1802), Großvater von Charles Robert Darwin (1809 -1882), der Astronom Sir Friedrich Wilhelm Herschel(1738 - 1822) (siehe → Herschel), der Zoologe und Prä-sident der Royal Society Sir Joseph Banks (1743 - 1820),die Chemiker Joseph Black (1728 - 1799) und John Roe-buck (1718 - 1794). Josiah Wedgwood, der sich für dieAbschaffung des Sklavenhandels einsetzte, entwarf einSklavenmedaillon mit der Aufschrift „Bin ich nicht auchein Mensch und Bruder?“ Er startete sein Geschäft mit 10£, bei seinem Tode 1795 betrug das Vermögen ein halbeMillion £ (Beneke, 1998).

Thomas Wedgwood wurde zu Hause in Etruria unter-richtet. Dort erhielt er Unterricht von einem französischen Lehrer, Monsieur Potet,nach einer Methode, die sein Vater entwickelt hatte. Diese umfaßte auch die Natur-wissenschaften und neue technische Entwicklungen. Von 1786 bis 1788 studierteWedgwood Chemie an der Universtät in Edinburgh. Er beendete das Studium vorzei-tig, da ihn ständige Kopfschmerzen plagten. Danach machte er sich in seines VatersTöpferei nützlich, mußte dies aber wegen seiner schlechten Gesundheit abbrechen.Wedgwood reiste durch England, beschäftigte sich mit Naturwissenschaften und trafsich mit Söhnen der „Neuen Reichen“. Wedgwood litt an Depressionen, doch deuteteiniges darauf hin, daß er auch ein Hypochonder war.

In dieser Zeit verbrachte er einige Monate bei seinem Freund, dem PoetenSamuel Taylor Coleridge (1772 - 1834), der einen Hang zu Opium besaß, welchesWedgwood auch eine zeitlang auf Anordnung seines Arztes Erasmus Darwin (1759 -1799) benutzte. 1798 stellten Thomas Wedgwood und sein Bruder John eine Leib-rente für Coleridge von 150 £ jährlich zur Verfügung. Coleridge brachte 1798 mitWilliam Wordsworth (1770 - 1850) Lyrical Ballads heraus. Er brachte in seiner Dich-tung das Übersinnliche mit klangreicher Wortkunst zu sinnlicher Anschaung wie inseiner Ballade vom Alten Matrosen und in seinem Traumfragment Kubla Khan. Dabeistand er auch unter dem Einfluß der deutschen idealistischen Philosophie (ImmanuelKant 1724 - 1804, Johann Gottlieb Fichte 1762 - 1814) und der deutschen Romantik.

Viel Zeit verbrachte Wedgwood ab 1791 mit Kuren bei verschiedenen klimati-schen Verhältnissen. 1796 war er in Deutschland und 1800 in Westindien. Im Juli1801 ging er auf Reisen, kehrte aber nach wenigen Tagen mit einer tiefen Depres-sion zurück. Seine letzte Reise begann er am 25. April 1803. Über Calais führte seinWeg nach Genf. Am 16. Mai 1803 kehrte er unter Mühen nach England zurück, dennNapoleon (1769 - 1821), der spätere Kaiser von Frankreich (1804 - 1814/15), erklärtean diesem Tag England den Krieg. In diesem Jahr stellte Wedgwood eine Kompanievon 80 Soldaten mit Gewehren zusammen, die sich Wedgwood´s Mountaineers

Joseph Black

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nannten und 800 £ pro Jahr kosteten. Thomas Wedgwood starb mit 34 Jahren, am 1.Juli 1805, in den Armen seines Bruders in Eastbury (Wedgwood, 1980).

Josiah Wedgwood hatte schon früh mit der Camera obscura (Lochkamera) (sie-he → Herschel) experimentiert. Er schrieb am 14. August 1773 an seinen Geschäfts-partner Thomas Bentley: „Ob Sie mir wohl eine gute Camera obscura schicken wür-den, nicht zu unhandlich, damit ich sie auf die hiesigen Landsitze mitnehmenkönnte“. Mit dieser wollte er Bilder anfertigen für ein für Katharina der Großen (1729 -1796; Zarin 1762 - 1796) bestimmtes Prachtservice, das mit Ansichten von engli-schen Schlössern, Abteien, Parks, Brücken usw. dekoriert werden sollte. Er übertrugdie Bilder dann auf Steingut zum Einbrennen. Das Service für Katharina der Großen,mit 1200 Ansichten versehen, kostete 3 000 £ Sterling und wurde 1774 ausgeliefert(Gernsheim, 1983; Beneke, 1998).

Thomas Wedgwood interessierte sich sehr früh fürchemische Versuche, weshalb er einige Zeit Chemie inEdinburgh studierte. Nach dem Studium untersuchte erlängere Zeit die Beziehungen zwischen Wärme undLicht. Eine erste Arbeit darüber publizierte er 1792 unterdem Titel Versuche und Beobachtungen über die Ent-stehung von Licht bei verschiedenen Stoffen durchWärme und Reibung (Wedgwood, 1792). Dabei erfuhrWedgwood große Unterstützung von Priestley. Dieserhatte 1772 in einem Buch über die Camera obscura undüber die Versuche von Johann Heinrich Schulze (1687 -1744) berichtet (Priestley, 1772). Schulze hatte 1727nachgewiesen, daß die Schwärzung von Silbernitratdurch das Licht und nicht durch die Wärme hervorgeru-fen wird. Auch waren Priestley die photochemischenUntersuchungen von Carl Wilhelm Scheele (1742 -1786) bekannt, hatte er doch für die englische Überset-zung von Scheeles Chemischer Abhandlung von derLuft und dem Feuer 1780 ein eigenes Kapitel geschrie-ben (Scheele, 1777). Darin bekräftigte Scheele, daß dieSchwärzung von Silbersalzen nicht durch Wärme, son-dern durch Licht bewirkt wird. Er fragte sich, ob dieseschwarze Farbe vielleicht Silber sei? Er brachte deshalbChlorsilberpulver auf ein weißes Blatt Papier und setzte

es dem Sonnenlicht aus. Nach zwei Wochen hatte sich die Oberfläche des weißenPulvers schwarz gefärbt. Da er von Glauber und anderen Forschern wußte, daßAmmoniak Chlorsilber auflöst, goß er wenig davon über das Chlorsilber und er sahwie erwartet, daß sich Chlorsilber auflöste und das schwarze Pulver zurückblieb.Dieses wiederum war durch Lichteinwirkung reduziertes Silber. Die Beobachtung

Joseph Priestley

Humphry Davy

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Scheeles, daß geschwärztes Chlorsilber d. h. Silber in Ammoniak nicht mehr löslichist, hatten Thomas Wedgwood und Humphry Davy (1778 - 1829) übersehen, sonsthätten sie bereits um 1800 ein partiell brauchbares Fixiermittel gehabt (Gernsheim,1983a).

Albertus Magnus (1193 - 1280) wies darauf hin, daß Silbernitrat „der menschli-schen Haut eine schwarze Farbe verleiht, die sehr schwer zu entfernen ist“. In Geor-gius Agricola´s (1490 - 1555) Werken findet man keinen Hinweis auf Silbersalze.Georgius Fabricius (1516 - 1571) beschrieb erstmalig natürlich vorkommendesChlorsilber (argentum comei) oder Hornsilber, nach der Transparenz von Horn be-nannt. Er teilte außerdem mit, daß es von leberartiger Farbe, weich wie Blei und überoffener Flamme schmelze. Er schrieb aber nichts über die Veränderung der Farbebei Lichteinwirkung. Mehrere Passagen findet man in Johann Rudolph Glaubers(1604 - 1670) Opera chymica (1658), in denen die ebenholzartige Färbung von Holzmit Silbernitratlösung, sowie die schwarze Tönung von Leder und Federn beschrie-ben wurde (Gernsheim, 1983; 1983a).

Nur Angelo Sala (1576 - 1637) und Wilhelm (Guillaume) Homberg (1652 - 1715)haben vor Schulze auf die Verdunkelung von Silbersalzen durch Sonnenlicht hinge-wiesen. Sala schrieb: „Wenn man gepulvertes Silbernitrat [lapus lunearis] der Sonneaussetzt, wird es schwarz wie Tinte“ (Sala, 1614). Homberg führte am 4. September1694 der Académie Royale des Sciences in Paris einen kleinen Kasten aus ge-sprengtem Rinderknochen vor. Dabei hatte er die Knochen erst in eine Silbernitrat-lösung getaucht, durch Aussetzen in der Sonne geschwärzt, und die Sprenkelung er-reicht, in dem er die unter der geschwärzten Oberfläche verborgenen weißen Kno-chen wieder freilegte (Gernsheim, 1983).

Johann Heinrich Schulze, Professor der Anatomiein Altdorf bei Nürnberg, beobachtete 1725 bei einemVersuch zur Herstellung von Phosphor, in dem er Krei-de mit Salpetersäure tränkte, die zufällig ein wenig Sil-ber enthielt, daß der dem Fenster zugewandte Teil desNiederschlags durch das Sonnenlicht violett gefärbtwurde, während der dem Licht abgewandte Teil seineweiße Farbe behielt. Schulze war von dieser Erschei-nung so beeindruckt, daß er das eigentliche Experi-ment aufschob, um das Phänomen der Färbung zu er-gründen. Bei Versuchen mit der offenen Flamme stell-te er fest, daß es nicht an der Wärme lag. Danach teil-te er die Mischung in zwei Hälften. Einen Teil hielt erdunkel, den anderen Teil setzte er der Sonne aus,band aber vorher noch eine dünne Schnur um die Fla-

sche. Schulze stellte nach einigen Stunden erfreut fest, daß die von der Schnur be-deckte Flüssigkeit dieselbe Farbe behalten hatte wie der Teil auf der anderen Seite

Alchemistisches Labor

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der Flasche, an den kein Sonnenlicht gelangt war. Das Ergebnis seiner Versucheteilte er der Kaiserlichen Akademie in Nürnberg unter dem Titel Scotophorus proPhosphoro Inventus mit (Schulze, 1727). Dies ist ein scherzhafter Titel in Anspielungauf den Umstand, daß die Sonne Dunkelheit produzieren vermag, Schulze aberPhosphor, den „Lichtbringer“, suchte und stattdessen den „Dunkelheitsbringer“ (Sco-tophorus) entdeckte. Er maß der von ihm entdeckten Lichtempfindlichkeit des Chlor-silbers erhebliche Bedeutung bei und erwähnte, daß eine auf die Haut, auf Holz oderKnochen aufgetragene und der Sonne ausgesetzte Silbernitratlösung sich schwarzfärbt. Dabei wies er nochmals darauf hin, daß das Sonnenlicht, nicht die Wärme, diechemische Reaktion auslöst (Schulze, 1745). Eine praktische Anwendung hat Schul-ze nicht beschrieben.

Jean Hellot (1685 - 1766), der spätere Generalinspekteur der französischen Fär-bereien, berichtete vor der Académie Royale des Sciences erstmals 1737 über dieBehandlung von Papier mit Silbernitrat. Er hatte ein Stück weißes Papier mit ver-dünnter Silbernitratlösung beschrieben. Solange er dieses im Dunkel hielt, blieb dasPapier weiß. Im Sonnenlicht konnte er binnen einer Stunde das Geschriebene ineiner Art blau-grauen Farbe lesen. Hellot schrieb diese Schwärzung allerdings derUnreinheit der Salpetersäure zu, in der er Schwefel vermutete (Hellot, 1737)

Dr. William Lewis (1708 - 1781) aus Kingston-upon-Thames wiederholte die Ver-suche von Schulze und bestätigte sie in einer Schrift (Lewis, 1763). Nach dem Todvon Lewis gelangten seine Notizhefte mit Beschreibungen eigener Versuche undAuszügen aus Schriften andere Forscher in den Besitz von Josiah Wedgwood.Dieser nahm 1782, Alexander Chisholm, der dreißig Jahre bei Lewis gearbeitet hatte,in seine Dienste, der in Etruria als Sekretär und Assistent arbeitete. Chisholm, einhochgebildeter Altphilologe, wurde die rechte Hand Wedgwoods. Gleichzeitig unter-richtete er den elfjährigen Sohn Thomas in Latein, Griechisch und Chemie (Gerns-heim, 1983a).

Wann Thomas Wedgwood mit seinen photographischen Versuchen begonnenhat ist, nicht ganz genau bekannt. Der Chirug und Professor der Anatomie Sir An-thony Carlisle (1768 - 1840) erklärte 1839, er habe vor ungefähr vierzig Jahren anfotographischen Experimenten seines Freundes Wedgwood teilgenommen. „Wir er-zeugten auf dem Leder kurzfristig eine Abbildung oder Kopie der Figur [Glasbild], dieunter der Wirkung des Lichts jedoch rasch dunkel wurde“. Wie aus anderen Doku-menten zu entnehmen ist, wird es wohl das Jahr 1798 gewesen sein. Sir John Leslie(1766 - 1832), ein mit Wedgwood befreundeter Wissenschaftler, teilte diesem am 18.November 1800 mit:

„Vor einigen Tagen ließ ich in der York Street [Wedgwoods Londoner Keramik-geschäft in der Duke of York Street, an der Nordseite des St. James´s Square] eineLinse und ein paar dünne Zylinder für das Sonnenmikroskop sowie ein halbes Dut-zend farbige Gläser, die Dir hoffentlich zusagen. Ich habe noch mehr davon, sie ste-hen jederzeit zur Deiner Verfügung“. Mit diesen eingefärbten Gläsern experimentierte

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Wedgwood, um die Auswirkungen der verschiedenen Farben des Lichts auf Silber-nitrat zu untersuchen (Gernsheim, 1983).

Wedgwood hatte Humphry Davy (1778 - 1829) bei einem Aufenhalt im Winter1797/98 in Cornwall kennengelernt. Davy arbeitete in seinem Geburtsort Penzancein einer Apotheke. Beide liebten das Jagen und Fischen und unterhielten sichabends über die Naturwissenschaften und Chemie. Im Jahr darauf trafen sie sich öf-ters im „Pneumatischen Institut“ von Dr. Thomas Beddoes in Clifton bei Bristol, woWedgwood Patient und Davy inzwischen Direktor war. Beddoes hoffte durch Inhala-tion von medikatösen Gasen und chemisch modifizierter Luft, Krebs, Magenge-schwüre und Lähmungen heilen zu können. Beddoes, der die Chemische Abhand-lung von der Luft und dem Feuer von Scheele ins Englische übersetzt hatte, hatteeinen Lehrstuhl für Chemie an der Universität Oxford, mußte diesen aber aufgeben,da er für die Französische Revolution eingetreten war. Die Brüder Wedgwoods unter-stützten das Institut durch großzügige finanzielle Zuwendungen. Wedgwood warPatient und mußte verschiedene Gase inhalieren, was aber nicht half, die Krankheitkonnten auch die besten Ärzte nicht feststellen bzw. lindern (Wedgwood, 1980;Gernsheim, 1983).

Im Jahre 1801 machte das Institut bankrott. KurzeZeit später wurde Davy zum Leiter des Chemischen La-boratoriums der Royal Institution berufen und im Jahredarauf zum Professor ernannt. Er führte in London dieExperimente weiter von denen ihm Wedgwood berichtethatte. Wahrscheinlich war Wedgwood teilweise daranbeteiligt, denn er war von März bis Mai 1802 in London.Davy und Thomas Young (1773 - 1829) brachten dasJournal of the Royal Institution heraus. In der Juni-Num-mer 1802 wurden die Forschungsergebnisse Wedg-woods in Englisch unter dem Titel Bericht über eineMethode, Glasbilder zu kopieren und Silhouetten her-zustellen durch Einwirkung von Licht auf Silbernitrat. Er-

funden von T[homas] Wedgwood, mit Beobachtungen von H[umphry] Davy,abgedruckt (Wedgwood, Davy, 1802). Dabei war es Wedgwoods Ziel, die Bilder derCamera obscura zu fixieren. Dies gelang ihm aber nicht. „Die mit der Cameraobscura erzeugten Bilder sind zu schwach, als daß sie, in angemessener Zeit, aufdas Silbernitrat wirken könnten. Diese Bilder zu kopieren war das eigentliche Ziel vonMr. Wedgwoods Untersuchungen, und zu diesem Zweck verwendete er zuerstSilbernitrat, das ihm von einem Freund als ein sehr lichtempfindlicher Stoffempfohlen worden war. Alle seine zahlreichen Versuche waren indessen im Hinblickauf das erstrebte Ziel erfolglos“. Bei dem Freund könnte es sich um Chisholm oderPriestley handeln. Hätte Wedgwood wie Joseph Nicéphore Niépce (1765 - 1833) ein

Thomas Young

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Vierteljahrhundert später acht oder mehr Stunden belichtet, wäre ihm wahrscheinlichein Bild gelungen (siehe → Herschel) (Gernsheim, 1983).

Wedgwood stellte daraufhin einfacher herzustellende Kontaktdrucke her. Dabeisetzte er Objekte und lichtempfindliches Papier oder Leder dem direkten Sonnenlichtaus und verkürzte dadurch die Belichtungszeit auf zwei bis drei Minuten. Er stellteauch fest, daß weißes mit Silbernitrat getränktes Leder durch die im Tannin enthalte-ne Gallussäure schneller reagierte als Papier. Dabei vermutete er, daß dies Methodezu kopieren „empfehlenswert ist, wenn man all jene Gegenstände zeichnen will, diezum Teil undurchsichtig, zum Teil durchsichtig sind. Die Rippen von Blättern und In-sektenflügel lassen sich so sehr exakt darstellen“. Wegdwood entdeckte, wenn manGlasbilder, die damals sehr in Mode waren, auf weißes mit Silbernitrat beschichtetesLeder gebracht wurden, so wirkte das Licht durch die unterschiedlichen Farben desGlases verschieden intensiv auf das Silbernitrat. Bei einem Kontaktabdruck einesKupferstiches, ergab sich keine merkliche Übereinstimmung mit dem Original, ver-mutlich wegen der Umkehrung von Licht und Schatten. „Wirft man den Schatteneiner beliebigen Figur auf die präparierte Fläche, so bleibt der von ihm bedeckte Teilweiß, während die anderen Partien rasch dunkel werden“. Wedgwood erzeugte aufdiese Art Umrisse von Gegenständen und Profile (Silhouetten) (Gernsheim, 1983).

Diese auf Papier oder Leder abgedruckten Bilder waren weder mit Wasser nochmit Seifenlösung abzuwaschen. Jedoch waren „alle Versuche die man bisher unter-nommen hat, um zu verhindern, daß die hellen Partien der Kopien oder des Profilsvom Licht geschwärzt werden, bislang vergeblich geblieben. Ein Überzug mit feinemFirnis hat nichts daran geändert, daß sie lichtempfindlich sind; und selbst nach wie-derholtem waschen haftet den weißen Stellen des Leders oder Papiers immer nochso viel Silbernitratlösung an, daß sie dunkel werden, wenn man sie dem Sonnenlichtaussetzt“. Gleichzeitig erinnert Wedgwood daran, daß die Kopie der Glasbilder oderdes Profils gleich nach der Fertigstellung ins Dunkle gebracht werden muß. „Sie kanndurchaus im Schatten angesehen werden, aber auch in diesem Fall nur wenigeMinuten; im Licht der üblichen Lampen oder Kerzen zeigt sie keine nennenswertenVeränderungen“ (Wedgwood, Davy, 1802; Gernsheim, 1983).

Davy selbst fand das Chlorsilber lichtempfindlicher als das von Wedgwood ver-wendete Silbernitrat, aber auch er schaffte es nicht, mit der Camera obscura Bilderherzustellen. Er fertigte Vergrößerungen von kleinen Objekten mit Hilfe des Sonnen-mikroskops an und sah darin eine nützliche Anwendung der Methode, doch mußtedabei das Papier sehr nahe an die Linse gebracht werden. Davy schloß seine Beob-achtungen: „Man muß nur eine Methode finden, die verhindert, daß die weißgeblie-benen Teile der Zeichnung vom Tageslicht geschwärzt werden, um dieses Verfahrenebenso nutzbar zu machen wie es elegant ist“ (Wedgwood, Davy, 1802; Gernsheim,1983).

Erstaunlich ist es, daß Davy, der ein hervorragender Chemiker war, der in seinerAnmerkung die Ergebnisse Scheeles zitiert, aus dessen Versuchen es nicht abzu-

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leiten vermochte, daß man unbelichtetes Chlorsilber mit Ammoniak auflösen und so-mit das Bild festhalten konnte. Die Vermutung liegt nahe, daß Davy nicht imstandewar, die Tragweite der Experimente Wedgwoods zu erkennen. Er veröffentlichte sievielleicht nur, um seinem Freund einen Gefallen zu tuen. Louis Jacques MandéDaguerre (1787 - 1851) und William Henry Fox Talbot (1800 - 1877), beide keineChemiker, kamen später auf die Idee Kochsalz als Fixiermittel zu verwenden (sie-he → Herschel).

Da das Journal of the Royal Institution nur eine be-grenzte Leserschaft hatte, wurden Wedgwoods Versu-che im November 1802 in dem vielgelesenen Nichol-sons´s Journal of Natural Philosophy, Chemistry and theArts original nachgedruckt, und in der Dezemberaus-gabe des Edinburgh Magazine veröffentlichte DavidBrewster eine Rezension der Experimente.

Thomas Young (1773 - 1829), Verfechter der Wel-lentheorie des Lichtes, übertrug Wedgwoods und DavysErkenntnisse auf ein anderes Experiment. Er referierteim November 1803 über die gerade erst entdecktenultravioletten Strahlen (Friedrich Wilhelm Herschel,1800) (siehe → Herschel) und berichtete, daß es ihmgelungen sei, mittels eines Sonnenmikroskops ein Bild

der Newtonschen Ringe auf einem Papier erzeugt zu haben, das er in eine Silber-nitratlösung getaucht und in einem Abstand von etwa neun Zoll unter dem Mikroskopgebracht habe. Dabei habe er den Nachweis für die Ähnlichkeit zwischen sichtbarenund unsichtbaren Strahlen führen können. Zu Wedgwoods und Davys Beobach-tungen stellte er fest, daß Leder, das mit Silbermuriat (Chlorsilber) getränkt wurde,das Resultat mit mehr Genauigkeit angegeben würde. Da er nur das Verhalten vonLicht erforschte, übertrug er die Experimente nicht auf die Fotographie (Young, 1804;Gernsheim, 1983).

Ab 1801 traten Wedgwoods Depressionen häufiger auf und er wurde schwer-mütiger. Der Londoner Arzt Matthew Baillie schrieb am 3. April 1802 dem Bruder Jos:„Your brother´s complaint seems to me to be hypochondriasis. It is very apt to lastlong and is but very little under the influence of medicine. He should endeavour asmuch as he can to amuse his mind among objects which are new and interesting andby travelling in foreign countries“. Drei Jahre nach der Veröffentlichung seiner Experi-mente starb Thomas Wedgwood am Abend des 10. Juli 1805.

Ob Wedgwood die vorher beschriebenen Versuche nochmals aufgenommen hat,ist nicht bekannt. Die nächsten fotographischen Versuche unternahm der FranzoseJoseph Nicéphore Niépce (1765 - 1833). Auch er scheiterte, weil er seine Papierbil-der nicht fixieren konnte, schlug aber eine andere Richtung ein und diese führten ihnzur Fotographie auf Metall (1826) (siehe → Herschel).

Louis Jaques MandéDaguerre

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Literatur

Beneke K (1998) Wedgwood, Josiah (1730 - 1795). In: Biographien und wissen-schaftliche Lebensläufe von Kolloidwissenschaftlern, deren Lebensdaten mit 1995 inVerbindung stehen. Beiträge zur Geschichte der Kolloidwissenschaften, VII. Mittei-lungen der Kolloid-Gesellschaft. Verlag R. Knof: 9-11Gernsheim H (Hrsg.) (1983) Die erste Vorstellung der Photograsphie. In: Geschichteder Photographie. Die ersten hundert Jahre. Propyläen Verlag: 36-41Gernsheim H (Hrsg.) (1983a) Frühe photochemische Versuche. In: Geschichte derPhotographie. Die ersten hundert Jahre. Propyläen Verlag: 28-33Hellot J (1737) Sur une nouvelle encre sympathique. Histoire de l´Académie Royaledes Sciences, année 1737. Paris, 1766Lewis W (1763) Philosophical commerce of arts. Comercium philosophico-technicum, London, 1763: 350Priestley J (1772) The history and present state of discoveries relating to vision, lightand colours. London, 1772Sala A (1614) Septem planitarum terrestrium spagirica recensio. Amsterdam, 1614.Die Schrift findet man auch in seinen gesammelten Werken Opera medico-chymica,Frankfurt a. M., 1647Scheele CW (1777) Aeris atque ignis examen chemicum. Uppsala und Leipzig, 1777.Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer. Uppsala und Leipzig, 1777;Chemical observations on air and fire. London, 1780; Traité chemique de l´air et dufeu. Paris, 1781Schulze JH (1727) Scotophorus pro phosphoro inventus. Acta physico-medica Aca-demiae Caesariae Bd. 1, Nürnberg, 1727: 528; Observatio: 233Schulze JH. (1745) Strumpff DCC (Hrsg.) Dr. Joh. Heinr. Schulzens Chemische Ver-suche, nach dem eigenhändigen Manuscript des Herrn Verfassers zum Druck beför-dert durch D. Christoph Carl Strumpff. Halle a. d. S. 1745: 119Wedgwood T (1792) Trans Royal Soc: 28Wedgwood T, Davy H (1802) An account of a method of copying paintings uponglass and making profiles by the agency of light upon nitrate of silver, invented by T.Wedgwood, Esq., with observations by H. Davy. J Royal Institution Bd. 1, Nr. 9,London, 22. Juni 1802: 170; auch in Nicholson´s Journal of Natural Philosophy,Chemistry and the Arts Bd. 3, London, November 1802: 167Wedgwood B, Wedgwood H (1980) The Wedgwood Circle 1730 - 1897. Fourgenerations of a family and their friends. Studio Vista, London.Young T (1804) Experiments and calculations relative to physical optics. Phil TransRoyal Soc : 15

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Herschel, John Frederick William Sir (07.03.1792 Slough bei Windsor -11.05.1871 Hawkhurst/Kent)

John Frederick William Herschel wurde in einer Astromomenfamilie (Sir FriedrichWilhelm Herschel und dessen Schwester Lucretia Karoline Herschel) geboren.

Sein Vater, einer der bedeutensten Astronomen sei-ner Zeit, Sir Friedrich Wilhelm Herschel (1738 - 1822),wurde in Hannover der Anna Ilse Herschel geb. Moritzengeboren und wirkte als Oboist in der Militärkapelle seinesVaters Isaak Herschel. Mit diesem reiste er 1757 nachEngland, da dessen König in Personalunion auch dasFürstentum Hannover regierte (König Georg II. (1683 -1760; König von England 1727 - 1760; zugleich Kurfürstvon Hannover). Neben der Musik, er war 1765 Organistin Halifax, 1766 in Bath, interessierte er sich auch fürastronomische Fernrohre und Himmelbeobachtungen.Dieses Interesse wurde durch das Lesen des Buches

Opticks von R. Smith wachgerufen. Herschel baute und schliff ab ca. 1770 paraboli-sche Metallspiegel für große Spiegelteleskope in einer besonderen Bauart (Herschel-Teleskop). Am 13. März 1781 entdeckte F. W. Herschel den vermeintlichen KometenGeorgium sidus (benannt nach König Georg III.), der sich als Planet Uranus heraus-stellte. Dadurch wurde er berühmt und erhielt vom englischen König Georg III. (1738- 1820; König von England 1760 - 1820; zugleich Kurfürst, ab 1814 König von Han-nover) eine finanzielle Unterstützung (jährlich 200 £), wurde Königlicher Hofastro-nom, und widmete sich fortan mit viel Erfolg ganz der Astronomie. 1799 entdeckteder Apotheker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743 - 1817) bei seinen che-mischen Mineralanalysen aus Pecherz ein Element, das er nach dem PlanetenUranus, Uran nannte.

F. W. Herschel wurde 1781 Mitglied der RoyalSociety in London. Er publizierte Werke mit Angaben derPositionen und anderen Details von 848 Doppelsternen;seine Kataloge von lichtschwachen Gebilden, insbeson-ders Nebelflecken, enthielten über 2 500 Gebilde. Durchsorgfältige Sternzählung in über 3 000 ausgewähltenHimmelsfeldern wurde er zum Begründer der Stellar-statistik. Er erkannte u. a. 1783 die Eigenbewegung (Pe-kuliarbewegung) des Sonnensystems in Richtung auf dasSternbild Herkules und 1800 bei Untersuchungen desSonnenspektrums die Infrarotstrahlung. Diese Untersu-chung führte er mit einem Thermometer durch, wobei er

jenseits der sichtbaren roten Strahlen noch Wärmestrahlen fand und diese Infrarot-

Friedrich Wilhelm Herschel

Johann Wilhelm Ritter

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strahlen nannte (Herschel, 1800; Herschel, 1801). Johann Wilhelm Ritter (1776 -1810) tränkte 1801 Papierstreifen mit Silbernitrat und legte diese in verschiedene Ab-schnitte eines Lichtspektrums und stellte fest, daß sie vom roten Ende des Spek-trums zum violetten Spektrums immer dunkler wurden. Später legte er, durch F. W.Herschels Experiment zur Infrarotstrahlung angeregt, Papierstreifen mit Silbernitratgetränkt, hinter das violette Spektrum des Lichts, wo kein Licht mehr festzustellenwar und fand heraus, daß die Streifen dennoch noch schneller dunkler wurden. Esmußte also auch nicht nur jenseits des roten Endes sondern auch jenseits des violet-ten Endes des Spektrums eine unsichtbare Strahlung vorhanden sein. Dabei handel-te es sich um die ultraviolette Strahlung (siehe → Wegdwood).

Friedrich Wilhelm Herschel hatte neun Geschwister,von denen vier sehr jung starben. Die Spiegelteleskope,das größte ein 1789 fertiggestelltes 122 cm Teleskopmit 11.9 m Brennweite, baute er teilweise zusammenmit seinem Bruder Alexander Herschel (1745 - 1821),der ebenfalls Musiker war. Herschels Instrumente warenauch im Ausland sehr begehrt. Da wissenschaftlichePrüfmethoden für die Spiegelteleskope fehlten, suchteer aus jeder Serie anhand ihrer Eigenschaften bei derBeobachtung von Fixsternen die besten aus und ver-

glich diese dann mit den besten aus anderen Serien. Diese Herschel-Teleskope wa-ren bahnbrechend, wurden von anderen Technikern aufgegriffen und weiterent-wickelt. Herschels verkauften bis 1795 etwa vierhundert ihrer Teleskope, was ihnen16 000 £ einbrachte. Dieses Einkommen war bedeutend höher als das Gehalt, das

Herschel vom König bekam. Die Brüder Herschelverkauften u. a. Teleskope an den König von Spa-nien und Österreich, den russischen Hof, an dieAstronomen Johann Elert Bode (1747 - 1821), inBerlin, Johann Hieronymus Schroeter (1745 - 1816)an der Sternwarte in Lilienthal und Giuseppe Piazzi(1746 - 1826) an der Sternwarte Palermo (Herrman,1992; Freudig, 1996).

Eine seiner Schwestern, Karoline Lucretia Her-schel (1750 - 1848), übersiedelte 1772 nach Bath inEngland zu ihrem Bruder Friedrich Wilhelm, wo sieeine erfolgreiche Ausbildung als Sopranistin erhielt.Da sie nur mit ihrem Bruder auftreten wollte, diesersich aber vermehrt der Astronomie widmete, half sieihrem Bruder ab 1775 bei seinen astronomischen

Arbeiten und wurde dabei selbst eine ausgezeichnete Astronomin. Nächtelang bliebsie an der Seite ihres Bruders, um alles zu notieren, was er sah. Danach führte sie

40 Fuß Herschel-Teleskop

Karoline Lucretia Herschel

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die Berechnungen für ihn durch. Wenn ihr Bruder nicht anwesend war, „durch-mustere“ sie selbst den Himmel. Am 1. August 1786 entdeckte sie als erste Fraueinen Kometen. Da sie sich der Bedeutung der Entdeckung sicher war, schickte sieeinen Bericht an den Sekretär der Royal Society, Charles Blagden. Dadurch wurdesie 1787 offizielle Assistentin ihres Bruders, und erhielt jährlich 50 £ Salär. KarolineHerschel entdeckte u. a. acht Kometen. Nach dem Tod ihres Bruders (1822) fühltesie sich als „Mensch, der in dieser Welt nichts mehr verloren hat“ und kehrte über-stürzt nach Hannover zurück, ein Entschluß, den sie bald bereute. Trotzdem widmetesie sich weiter astronomischen Studien. In Hannover wurde sie von dem Mathe-matiker, Physiker und Astronom Carl Friedrich Gauss (1777 - 1855) und dem Natur-

forscher Friedrich Heinrich Alexander von Humboldt(1769 - 1859) besucht. Über alle Maßen verehrte sieihren Bruder, für den sie 50 Jahre gearbeitet hatte. Siesagte: „Alles was ich bin, alles was ich weiß, verdankeich meinem Bruder. Ich bin nur ein Instrument, daß erzu seinem Gebrauch formte“.

Nach ihrem Tod wurde sie auf dem kleinen Fried-hof an der Gartenkirche in Hannover begraben. Dievon ihr selbst verfaßte Inschrift auf der flach liegendenGrabplatte lautet: „Der Blick der Verklärten war hienie-den dem gestirnten Himmel zugewandt, die eigenen

Cometen-Entdeckungen und die Theilnahme an den unsterblichen Arbeiten ihresBruders zeugen davon in die späte Nachwelt...In dem Alter von 97 Jahren, 9 Mona-ten, 24 Tagen entschlief sie mit heiterer Ruhe und bei völliger Geisteskraft...“. Karoli-ne Herschel war Mitglied der Königlichen Irländischen Akademie zu Dublin und der

Königlichen Astronomischen Gesellschaft in London.Im Jahre 1835 wurde sie mit der Mathematikerin undPhysikerin Mary Somerville geb. Fairfax (1780 - 1872)Mitglied der Royal Society in London. Sie waren dieersten Frauen, denen diese Ehre zuteil wurde (Hoskin,1972; Denz, 1994; Freudig, 1996b).

Friedrich Wilhelm Herschel heiratete am 8. Mai1788 im Alter von beinahe 50 Jahren die Witwe MaryPitt aus Upton. Am 7. März 1792 wurde ihr einzigesKind, der Sohn John Frederick Herschel, geboren.Nach kurzer Zeit an der Schule in Eton bekam JohnHerschel mit 8 Jahren Privatunterricht. Mit 17 Jahrenging er ans St. John´s College in Cambridge, wo er dieFächer Mathematik und Physik belegte. Die Examinabestand er mit Auszeichnung. Während des Studiumsgründete er mit seinen Studienkollegen George Pea-

Carl Friedrich Gauss

Mary Somerville

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cock (1791 - 1858) und Charles Babbage (1792 - 1871) die „Analytical Society ofCambridge“. Babbage erfand später die erste programmgesteuerte Rechenma-schine, die durch die Unzulänglichkeiten seiner Zeit zwar scheiterte, gilt aber als derVater der modernen Rechentechnik. Herschel setzte sich für die Anwendung der vonGottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) 1675 eingeführten Infinitesimalrechnung(Calculus genannt) an den englischen Universitäten ein. Für mathematische Ab-handlungen bekam er mehrere Preise und Auszeichnungen. Bereits 1813, mit 21Jahren, wurde er Mitglied der Royal Society of London. Herschel, der auch als Ex-perte der Chemie galt, verfehlte den Ruf auf den Lehrstuhl der Chemie in Cambridgenur mit einer Stimme (Evans, 1972, Friedrich, 1992; Freudig,1996a)

Sein Vater wollte, daß der Sohn Theologie studierte,doch John Herschel begann ein Jurastudium in London,wo er viel Zeit mit dem Mediziner und Naturforscher Wil-liam Hyde Wollaston (1766 - 1828), der 1807 die CameraLucida entwickelt hatte, und dem Astronomen JamesSouth (1785 - 1867) verbrachte. Nach einem Jahr nahmer in Cambridge eine Tudorenstelle für Mathematik anund erwarb 1816 den akademischen Grad Master of Arts.Er verzichtete auf Wunsch des Vaters auf eine akademi-sche Karriere und führte mit den im Garten des elterli-

chen Hauses vorhandenen Instrumenten die von seinem Vater begonnenen Durch-musterungsarbeiten fort. Dabei erarbeitete er mit South einen Doppelsternkatalog,der 380 Objekte enthielt. Er verbesserte die Spiegel und Instrumente. Weitere Kata-loge entstanden 1825-1833 mit Nebelflecken und Sternhaufen, parallel dazu 1826-1836 ein sechteiliger Doppelsternkatalog, der 3 346 Objekte enthielt.

Außer der Astronomie und Mathematik be-schäftigte sich Herschel auch mit der physikali-schen und geometrischen Optik. Dabei studierte erdie Polarisation und Doppelbrechung an Kristallenund untersuchte das Spektrum der Interferenzenvon Licht- und Schallwellen. 1819 beschrieb er ineinem Aufsatz das Natriumthiosulfat und erkanntedessen auflösende Wirkung auf Silbersalze, eineTatsache die ihn später (1839) wieder beschäftigte(Herschel, 1819).

Zwischen 1820 und 1830 machte Herschelverschiedene Reisen zu führenden Wissenschaft-lern in Europa. 1821 begleitete Babbage Herschel,

der diese Reise wegen einer unglücklichen Liebesaffaire unternahm. Sie gingennach Frankreich und trafen dort den Physiker und Astronom Dominique FrançoisJean Arago (1786 - 1853), den Mathematiker und Physiker Pierre Simon Laplace

William Hyde Wollaston

Pierre Simon Laplace

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(1749 - 1827), den Physiker Jean-Baptiste Biot (1774 - 1862) und den NaturforscherAlexander von Humboldt, der seinen Wohnsitz von 1807 bis 1827 von einigen Rei-sen abgesehen, in Paris hatte. Danach gingen sie in die Schweiz und nach Italien,zum Bergsteigen. Bei einer Reise zu seinem Studienfreund, dem Juristen JamesGrahame 1822, ereilte ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters. Bei einer Reisenach Frankreich, Italien und Deutschland besuchte (1824) traf er sich mit demChemiker Joseph Louis Gay-Lussac (1778 - 1850), dem Mathematiker und PhysikerSimon Denis Poisson (1781 - 1840), dem Mathematiker und Physiker Jean-BaptisteJean de Fourier (1768 - 1830), dem Physiker und Botaniker Giovanni Battista Amici(1786 - 1863), dem Astronom Giovanni Piazzi, der von Herschels Vater ein Teleskoperworben hatte, dem Astronom Johann Franz Encke (1791 - 1865) auf der Sternwar-te auf dem Seeberg bei Gotha und dem Astronom Karl Ludwig Harding (1765 - 1834)in Göttingen. Den Abschluß dieser Reise bildete der Besuch bei seiner Tante

Karoline Herschel in Hannover. 1827 führte ihn eine kur-ze Reise zu dem Mathematiker und Physiker WilliamRowan Hamilton (1805 - 1865) nach Irland (Evans,1972).

Auf diesen Reisen machte Herschel viele physikali-sche und meteorologische Experimente sowie geologi-sche und andere Beobachtungen. Er baute ein Gerät,das er Actinometer nannte, welches aus einem großenKolbenthermometer bestand und eine dunkle Flüssigkeitenthielt. Mit diesem verglich er das Aufsteigen der Flüs-sigkeit in der Sonne und im Schatten und konnte viele

Ergebnisse zur Sonnenenergie erhalten. Mit französischen Wissenschaftlern ver-suchte er, die unterschiedlichen Ergebnisse der Messungen des geographischenLängen- und Breitengrades der Observatorien Greenwich (England) und Paris, zuklären.

Herschel war 1820 einer der vierzehn Mitbegründerder Astrological Society (ab 1831 Royal AstrolocicalSociety), deren Präsident er in drei Perioden war. Erschrieb außer astronomischen Werken und Artikel auchauf anderen Gebieten. So für die „Edinburgh Encyclopae-dia“ Isoperimetrical Problems and Mathematics (1830),für die „Encylopaedia Metropolitana“ Light (1827) andSound (1830), für die „Cabinet Cyclopaedia“ A Prelimi-nary Discourse on the Study of Natural Philosophy (1830)und 1833 A Treatise on Astronomy.

Herschel inzwischen bald vierzig Jahre alt, lebte alsJunggeselle. Dieses wollte er auch nicht ändern. Doch

sein Freund James Grahame meinte, es wäre besser für ihn, wenn er heirate und

Joseph Louis Gay-Lussac

John Herschel

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suchte für Herschel eine Frau aus. Dieses war Margaret Brodie Stewart, Tochter vonDr. Alexander Stewart, einem Presbyterianischen Geistlichen und Lehrer der gäli-schen Sprache. Maggie, wie Herschel sie nannte, war achtzehn Jahre jünger, undsie heirateten im Jahre 1829. Ihre Ehe war glücklich, und sie hatten zwölf Kinder.

Herschel konzentrierte seine Kräfte auf eine astronomische Expedition in diesüdliche Hemisphäre. Nach dem Tod der Mutter (1832) wurde die Idee in die Tat um-gesetzt. Er segelte am 13. November 1833 von Porthmouth mit dem Schiff Mount-stuart Elphinstone ab, an Bord seine Frau Maggie, drei Kinder, der Mechaniker JohnStone, und das Kindermädchen. Dazu noch ein Zwanzig-Fuß-Teleskop und ein Sie-ben-Fuß-Reaktor. Am 16. Januar 1834 landeten sie wohlbehalten in Kapstadt, nach-dem alle außer Herschel mit der Seekrankheit gekämpft hatten.

Dort wurden sie von dem Direktor des Kap-Observatoriums Thomas Maclearempfangen. Es sollte eine über vier Jahre erfolgreiche Zusammenarbeit werden. Alserstes wurde der Reaktor aufgebaut. Bis 1838 hatte Herschel 1 707 Nebelfleckenund Sternhaufen, außerdem 2 102 Doppelsterne der südlichen Hemisphäre regi-striert. In dem von seinem Vater Wilhelm angelegten Sternenkatalog konnte er68 948 Sterne in 3 000 verschiedenen Himmelsregionen eintragen. Dazu machte erspezielle Karten von der Orion-Region und den Magellan-Wolken. Er untersuchteauch Encke´s und Halley´s Komet, experimentierte mit dem Actinometer und unter-suchte das Kochen mit Sonnenenergie. Am 15. Mai 1838 kam die inzwischen ver-größerte Familie wohlbehalten in London an, wo John Herschel kurze Zeit späterzum Ritter geschlagen wurde (Evans, 1972, Friedrich, 1992; Freudig,1996a) .

Am Kap machte er mitder Camera Lucida Zeich-nungen von Szenen der Fa-milie und von Blumen, wel-che seine Frau Maggie teil-weise handkolorierte. In derBotanik sowie in der Me-teorologie sind einige Pflan-zen bzw. Sterne nach Her-schel benannt.

Herschel machte einengroßen Schritt der Entwick-

lung der Fotographie mit. Die Camera obscura oder Lochkamera ist die Urform einerKamera. Sie besteht aus einem geschwärzten Kasten mit transparenter Rückwand,auf der eine an der Vorderseite angebrachte Sammellinse, ursprünglich eine einfa-che Lochblende, ein kopfstehendes seitenverkehrtes Bild erzeugt. Die Kamera wurdewohl aus der Beobachtung entwickelt, daß ein kleines Loch im Fensterladen in dasverdunkelte Zimmer, ein umgekehrtes Abbild der Landschaft oder Gegenstände vordem Fenster warf.

Zeichnerische Wiedergabe von Teilen eines mensch-lichen Skeletts mit der Camera obscura

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Es wird vermutet, daß schon Aristoteles (384 -322 v. Chr.) das Prinzip der Camera obscurakannte. Die ersten Zeichnungen der Camera ob-sura fand man in Leonaro da Vincis (1452 - 1519)Schriften. Geronimo (Girolomo) Cardano [Hierony-mus Cardanus] (1501 - 1576), ein italienischerMediziner und Mathematiker, nach ihm ist dasKardangelenk benannt, baute um 1550 bikonvexeLinsen in seine Kamera ein und erzielte größereHelligkeit und Schärfe. Daniele Barbaro konntedies durch den Einbau von Blenden 1568 nochsteigern. Im 17. Jahrhundert konstruierte man ver-schiedene Formen tragbarer Kameras (Cameraobscura portabilis). Diese Kamera wurde bis ins19. Jahrhundert als Hilfsmittel der Malerei benutzt.

Eine andere Art zu zeichnen, beruhte auf der 1807 von Wollaston entwickeltenCamera Lucida. Dabei wurde der Gegenstand über eine Spiegel-(Prismen)-Kombi-nation in die Zeichenebene abgebildet, so daß die Konturen des Gegenstandes leichtnachgezogen werden konnten. Das Prinzip der Camera Lucida wurde später beimikroskopischen Zeichenapparaten angewandt (Gernsheim, 1983).

Die Entwicklung der zum Fotographieren benutztenChemikalien setzte 1614 ein, als Angelo Sala (1576 -1637) herausfand, daß Silbernitrat sich in der Sonneschwärzt. Erst Johann Heinrich Schulze (1687 - 1744)wies 1727 nach, daß die Schwärzung durch das Lichtund nicht durch die Wärme hervorgerufen wurde. Tho-mas Wedgwood (1771 - 1805) verband um 1800 die op-tischen und chemischen Kenntnisse zu fotographischenVersuchen (siehe → Wedgwood).

Joseph Nicéphore Niépce (1765 - 1833), Sohneines Königlichen Rats in Chalon-sur-Saône, französi-scher Offizier, dessen Vermögen durch die Revolutiondezimiert wurde, war noch immer so wohlhabend, daß

er sich mit seinem Bruder Claude Niépce (1763 - 1828) nach dem Ausscheiden ausdem Militärdienst naturwissenschaftlichen Studien widmen konnte. Beide entwickel-ten einen Schiffsantrieb Pyreolophore und ließen diesen 1807 patentieren. Dieserfand tatsächlich auf der Saône und der Seine Verwendung, war seiner Zeit aber weitvoraus. Über zwanzig Jahre wurde versucht, die Erfindung zu vervollkommenen undzu einem kommerziellen Erfolg daraus zu machen.

Aristoteles

Johann Heinrich Schulze

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Joseph Nicéphore Niépces Sohn Isidore Niépce(1805 - 1868) fertigte auf Steinplatten Zeichnungen;der Vater kümmerte sich um die Chemikalien, umLithographien herzustellen. Als kein geeigneterKalkstein zur Verfügung stand, nahmen sie dafürZinnplatten. Als der Sohn zur Armee ging, Niépceaber nicht gut zeichnen konnte, experimentierte ermit transparent gemachten Kupferstichen auf Plat-ten, die mit verschiedenen, von ihm selbst herge-stellten lichtempfindlichen Materialien beschichtetwaren, und setzte sie dem Sonnenlicht aus. DerErfolg ließ sehr zu wünschen übrig.

Joseph Nicéphore Niépce begann im April 1816 mit einer Kamera foto-graphische Versuche. Diese Versuche führte er selbständig durch, holte aber immerwieder de Rat des Bruders ein. Bei den Aufnahmen auf mit Silberchloridsensibilisierten Papier festgehalten standen Licht und Schatten im umgekehrtenVerhältnis und die Negative konnten nicht fixiert werden. Da dies nicht gelang,fixierte er die mit einer selbsthergestellten Camera obscura gewonnenen Bilder aufdünne lichtempfindliche Bitumenschichten und löste die unbelichteten Teile inTerpentinöl auf (Niepcotypie). Mit diesem Verfahren gelang ihm 1822 auf Glas eineheliographische Reproduktion eines Stiches von Papst Pius VII. (bürgerlicher Name:Barnaba Gregorio Chiaramoti (1740 - 1823; Papst 1800 - 1823) im Kontaktverfahrenherzustellen. Dazu löste er Asphalt in Lavendelöl auf und trug dieses sehr dünn aufeine Glasplatte auf. Auf diese legte Niépce dann den in Öl transparent gemachtenStich. Bei der Belichtung von zwei bis drei Stunden wurde der Asphalt unter denweißen Partien des Stichs hart, blieb unter den dunklen Strichen aber löslich. Dieseließen sich mit einer Lösung von Lavendelöl und hellem Petroleum (Terpentin)abwaschen, und es entstand ein lichtbeständiges Bild.

Weitere heliographische Versuche machte Niépceauf lithographischen Stein und auf Metallplatten (Zinn,Zink, versilberte Kupferplatten). Er benötigte Metall-platten, die sich ätzen ließen um einen Papierabzugherzustellen. 1826 gelang ihn die erste Kameraauf-nahme, der Hof seines Landhauses, auf Zinn, wobeidie Belichtung zehn Stunden dauerte. Im gleichen Jahrkonnte er im Kopierverfahren eine Heliographie (Son-nenzeichnung) vom Kupferstecher Augustin FrançoisLemaitre (1790 - 1870) erzeugen, die er ätzen ließ, umzwei Drucke herzustellen. Niépce wurde somit 1826Erfinder der Fotographie und des ersten fotomechani-schen Reproduktionsverfahrens. Während eines Auf-

Joseph Nicépore Niépce

Louis Jaques Daguerre

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enthaltes in England lernte Niépce das Mitglied der Royal Society, den Zeicher desBotanischen Gartens, Francis Bauer (1758 - 1840) in Kew lernen. Als dieser vonNiépces Erfindung erfuhr, wollte er eine Mitteilung in der Royal Society bringen.Niépce gab ihm einen Artikel betitelt Notice sur l´héliographie. und einige eiligst ausFrankreich geschickte Heliographien. Dieser Artikel wurde aber weder veröffentlicht,ja noch nicht einmal akzeptiert, da der vorsichtige Niépce nur sehr allgemein von sei-ner Erfindung sprach und das Geheimnis seines Verfahrens nicht preisgab. Da ihmkönigliche Protektion versagt war, konnte Niépce König George IV seine Erfindungnicht vortragen. Auch die Society of Arts zeigte kein Interesse. Enttäuscht kehrteNiépce im Januar 1828 nach Frankreich zurück, machte Station in Paris und traf sichmehrere Male mit dem Bühnenmaler Louis Jaques Mandé Daguerre (1787 - 1851)(Gernsheim, 1983a).

Was wäre passiert, wenn der Artikel nicht abgelehnt worden wäre? Präsident derRoyal Society war zu dieser Zeit Sir Humphrey Davy (1778 - 1829). Dieser hätte sichdurch die Veröffentlichung von Niépce an seine früheren eigenen Versuche und dievon Thomas Wedgwood (1771 - 1805) (siehe → Wedgwood) sicher erinnert. JohnHerschel hätte von deren Versuchen und den von Niépce gehört und hätte Davy dasbenötigte Fixiermittel, das Natriumthiosulfat, liefern können, hatte er dessen Eigen-schaft, Silbersalze zu lösen, doch schon 1819 beschrieben. Das Verfahren der Foto-graphie auf Papier wäre damit zwölf Jahre früher entwickelt worden. Diese Speku-lation ist jedoch müßig, denn es war niemand an der Erfindung interessiert.

Im Dezember 1829 kam es zu einem Partnerschaftsvertrag von Niépce und Da-guerre, um die Heliographie zu beschleunigen und praktisch verwendbar zu machen.Auf Niépces letzten Versuch vor seinem Tod aufbauend, mit versilberten Kupferplat-ten, die Joddämpfen ausgesetzt wurden, entdeckte Daguerre 1835 zufällig die Ent-stehung eines latenden Bildes, das sich mit Quecksilberdämpfen entwickeln ließ. Da-durch wurden die Belichtungszeiten auf ein Zehntel gesenkt. 1837 konnte Daguerreein Jodsilberbild in einer Kochsalzlösung beständig machen und nannte das abgeän-derte Niépcesche Jodsilberverfahren trotz des Vertrages, mit Niépces Sohn Isidore,Daguerrotypie. Der Vater Joseph Nicéphore Niépce war am 5. Juli 1833 rechtverarmt gestorben. Am 7. Januar 1839 verlieh der französische Physiker undAbgeordnete Dominique François Jean Arago (1786 - 1853) der Erfindung eine Artoffiziellen Status, indem er sie in einer kurzen Mitteilung in der Académie desSciences vorstellte. Er gab am 19. August 1839 bekannt, daß die französischeRegierung das Verfahren angekauft hatte. Das Verfahren wurde folgendermaßenkurz beschrieben:

„Eine gründlich gereinigte und polierte versilberte Kupferplatte wurde in einemJodierkasten durch Bedampfen mit Jod lichtempfindlich gemacht. Dabei bildete sichauf der Oberfläche eine dünne Jodsilberschicht. Nach der Belichtung wurde das la-tente Bild mit Hilfe von Quecksilberdämpfen, die über eine Spirituslampe erhitzt wur-den, entwickelt. Dabei setzte sich das Quecksilber an den belichteten Teilen des

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Jodsilbers fest. Das Bild wurde dann mit Natriumthiosulfat [Herschel] fixiert (vor März1839 war es noch Kochsalz), mit destilliertem Wasser abgewaschen und über eineFlamme vorsichtig getrocknet, da auf der Oberfläche befindliche Wassertropfen Spu-ren hinterlassen hätten. Um ein Abreiben des empfindlichen Quecksilberpräzipats zuverhindern, mußte man die Daguerreotypie unter Glas bringen; die Ränder wurdensorgfältig verschlossen, um eine Oxidation des Silbers zu vermeiden“ (Stenger,1949; Gernsheim, 1983b).

Bei der Daguerrerotypie waren infolge derlangen Belichtungszeiten von 30 bis 60 MinutenPorträts zunächst noch ausgeschlossen, dochwurde das Verfahren binnen 12 Monaten auchdurch den Bau kleinerer Kameras mit lichtstar-ken Objektiven und durch die Verwendung vonChlor- und Bromdämpfen verbessert. Bereits imMai 1840 wurde in New York das erstePorträtstudio eröffnet.

Mit der Daguerreotypie konnten keine Ko-pien gemacht werden. William Henry Fox Talbot(1800 - 1877), der schon 1834 mit Silber-chloridschichten und später mit Silberbromid-schichten auf Papier experimentiert hatte, gabam 31. Januar 1839 vor der Royal Society seinals Photogenic drawing (Photogenisches Zeich-nen) bezeichnetes Papierverfahren mit Koch-

salz als Fixiermittel, bekannt. Aber auch hier wurden noch längere Belichtungszeitenbenötigt.

Francis Bauer, der ein guter Freund von J. N. Niépce blieb, zeigte am 14. März1839 Heliographien von diesem, auf dem ersten Empfang des neuen Präsidentender Royal Society, dem Marquis von Northampton. Gleichzeitig wurden auch photo-genische Zeichnungen und Fotographien von Sir John Herschel gezeigt. Bauer konn-te damit beweisen, daß Niépce, dessen Name in Aragos Bericht nicht vorkam, diePriorität zukam.

Bisher war J. Herschel als Wissenschaftler mehr an der Theorie der Fotographieals an der Praxis interessiert. Als Herschel am 22. Februar 1839 vom späteren Admi-ral Francis Beaufort die bloße Nachricht von Daguerres Entdeckung erhielt, konnte ersich sofort eine ganze Reihe von Verfahren vorstellen. Die Tatsache, daß Natrium-thiosulfat Silbersalze löst, von Herschel 1819 beschrieben, war anderen Experimen-tatoren bisher verborgen geblieben (Herschel, 1919). Bereits eine Woche nachBeauforts Nachricht gelang ihm die Herstellung seiner ersten Fotographie. Am 29.Januar 1839 trug er in sein Notizbuch ein:

Photogenische Zeichnung(Farn, Jasmin)

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„Daguerres Verfahren: versuche es nachzuahmen. Benötige 1. Sehr empfindli-ches Papier, 2. Eine sehr gute Kamera, 3. Mittel zum Aufhalten weiterer Schwär-zung. Habe versucht, mit Natriumhyposulfit [Natriumthiosulfat] die Einwirkung desLichtes aufzuhalten...mit sehr gutem Erfolg“. Am nächsten Tag notierte er: „Habe mitder aplanatischen Linse ein Bild des Fernrohres hergestellt...und Papier mit kohlen-saurem Silber in den Brennpunkt gebracht. Es entstand ein Bild, weiß auf sepiafarbe-nem Grund,...das einem Natriumhyposulfitbad standhielt und sich im Licht dann nichtweiter veränderte. Daguerres Problem ist also gelöst...“(Gernsheim, 1983c).

Herschel hatte völlig unabhängig erreicht, wozuandere Jahre benötigten, ihm war damals aber nichtbekannt, daß sein Aufnahmeverfahren sich vonDaguerres und Talbots unterschied. Am 1. Februar1839 besuchte Talbot Herschel. Dieser zeigte ihmseine Aufnahme des Fernrohres. In einem Briefvom 12. Februar 1839 teilte Herschel ihm, ohne Ge-genleistung, sein Verfahren zur Herstellung vonFotographien mit. Am 14. März 1839 verlas Her-schel der Royal Society seinen Bericht Note on theart of Photography, or The application of thechemical rays of light to the purpose of pictorial

representation (Über die Kunst der Fotographie oder Die Anwendung der chemi-schen Lichtstrahlen zum Zwecke der Abbildung). Dabei wies er darauf hin, daß zumFixieren von Fotographien das Natriumthiosulfat sehr viel besser geeignet sei als allebisher beschriebenen Substanzen (Herschel, 1839).

Herschel wird immer wieder als Wortschöpfer von „Fotographie“ (photo, griech.:phõs, phõtós = Licht; graphie, graph griech.: grapho = schreiben) in Verbindung ge-bracht. Er hatte das Zeitwort „fotographieren“ und das Eigenschaftswort „fotogra-phisch“ mehrmals Anfang Februar 1839 in seinen Versuchsheften verwendet. SirCharles Wheatstone (1802 - 1875) verwendete den Begriff „Fotographie“ in einemBrief an Talbot vom 2. Februar 1839. Herschel selbst schlug Talbot in einem Briefvom 28. Februar 1839 vor das von Talbot bevorzugte Wort „photogenisch“ durch„fotographisch“ zu ersetzen. Der deutsche Astronom J. H. von Mädler (1794 - 1874)hatte das Wort „Fotographie“ am 25. Februar 1839 in einem Artikel der VossischenZeitung verwendet. Der französischer Forscher Paul Desmarets hatte im Februar1839 bei der Académie des Sciences ein durch Aragos Unterschrift beglaubigtes,versiegeltes Kuvert mit der Aufschrift Descripton d´un procédé photographique hin-terlegt. Der Begriff „Fotographie“ taucht hier zum erstenmal in französischer Spracheauf. Allen zuvorgekommen aber war Antoine Hercules Florence (1804 - 1879), der inNizza geboren seit 1830 im brasilianischen Campinas in der Provinz São Paulo leb-te. Dieser führte zwischen 1833 und 1837 photographische Experimente durch, wieman erst 1977 erfuhr. Der Botaniker und Apotheker Joaquim Correra de Mello in

Foto vom Herschel-Fernrohr(Januar 1839)

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Campias bezeichnete sie im Jahre 1833 als „photographica“. Florence verwendeteals Franzose das Verb „photographier“ und das Substantiv „photograhie“ erstmals inseinen Manuskripten vom 21. Januar und 19. Februar 1834 (Kossoy, 1977; Gerns-heim, 1983c).

Talbot, der sehr geschäftstüchtig und durch Herschels Erfindungen beeindrucktwar, befürchtete, dieser würde ihm die Prioritätsansprüche absprechen. HerschelsArtikel an die Royal Society vom 20. Februar 1840 Über die chemische Einwirkungder Strahlen des Sonnenspektrums auf Silber und andere, sowohl metallische alsauch nichtmetallische Substanzen sowie über gewisse photographische Verfahren(Herschel, 1840) begann mit dem Satz, „Ich habe selbstverständlich nicht die Ab-sicht, Mr. Talbots rechtmäßige und vorrangige Prioritätsanprüche anzufechten“. Indiesem Artikel standen eine Fülle von wichtigen Angaben und Beobachtungen, diefür die weitere Fotographie von großer Bedeutung waren. Die wichtigsten dabei wa-ren:

„1. Herschel betonte die Notwendigkeit absolut achromatischer Linsen, zu derenunerläßlichen Eigenschaften Bildfeldebnung und Bildschärfe zählten.

2. Er brachte die Begriffe „Negativ“ und „Positiv“ in die photographische Fach-sprache ein (im ersten Bericht sprach er noch von „Erstübertragung“ beziehungs-weise „Zweitübertragung“. Raoul Rochette hatte am 2. November 1839 in seinemBericht über Bayards [Hippolyte Bayard (1801 - 1887)] Direktpositiv-Photographienvon „effet positif“ geschrieben).

3. Herschel beschrieb ein Verfahren zur Erzeugung von Direktpositiv-Photogra-phien auf Papier (vor der Bekanntgabe von Bayards Verfahren).

4. Im Zuge seiner Experimente mit der Photographie auf Glas stellte er fest, daßNegative wie Positive wirken, wenn man sie auf einen schwarzen Grund legte oderihre Rückseite schwärzte - eine viele Jahre später in der Ambrotypie angewendeteMethode. Von seinen Glasnegativen stellte er auch Positivabzüge her. [Unter Ambro-typie, verstand man eine von Frederick Scott Archer (1813 - 1857) und PeterWickens Fry († 1860) entwickelte Variante des Kollodiumverfahrens, ein Kolloidium-positiv auf Glas, das von 1852 bis ca. 1863 angewandt wurde].

5. Herschel erkannte, daß Bromsilber sehr viel lichtempfindlicher war als alleanderen Silbersalze. (Das von J. F. Goddard [John Frederick Goddard (1795 - 1866)]vorgeschlagene Verfahren zur Erhöhung der Lichtempfindlichkeit der Daguerreotypiegeht vermutlich auf diese Beobachtung zurück.).

6. Er glaubte, später einmal Farbphotographien herstellen zu können, nachdemer im Juli 1839 eine gelungene Aufnahme des Farbspektrums erhalten hatte, ohnedie Farben jedoch fixieren zu können“.

Auf die Verwendung von Glas kam Herschel, um die im Papier enthaltenen or-ganischen Substanzen, die bei allen Papierverfahren Schwierigkeiten bereiteten,auszuschalten, sowie die Transparenz zu erhöhen. Niépce hatte schon vor Herschelmit der Fotographie auf Glas experimentiert, aber die Aufnahme des berühmten

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zwölf Meter langen Fernrohres seines Vaters Friedrich Wilhelm Herschel, die er am9. September 1839 in Slough machte, ist die älteste auf Glas erhaltene Fotographie.Dieses Original wird in einen Lederkästchen aufbewahrt, über das John Herschelspäter schrieb:

„Sehr wertvoll; das letzte verbleibende Dokument eines alten Faktums, photo-graphisch aufgezeichnet in der frühesten Kindheit der Photographie, aufgenommenirgendwann im September 1839 - zwischen dem 9. und Monatsende“ (Gernsheim,1983c).

Die Herstellung des Bildes geschah folgendermaßen:„Herschel überzog eine Glasplatte mit einer dünnen Schicht Chlor-, Jod-, oder Brom-silber, die er unmittelbar vor der Belichtung mit einer Silbernitratlösung bestrich unddann in feuchtem Zustand belichtete. Das Bild erschien bei Verwendung von Brom-silber, der empfindlichsten Substanz, innerhalb weniger Sekunden. Von solchen Ne-gativen konnte man Positivabzüge herstellen, man konnte ihnen aber auch durchSchwärzung der Rückseite oder Auflegen auf schwarzem Grund die Wirkung vonPositiven geben, wie das bei der Photographie des Fernrohres geschah. AlexanderHerschel gibt an, sein Vater habe mehrere Aufnahmen auf schwarzem Karton auf-gezogen und unter Glas gebracht. Er berichtet ferner, daß sein Vater in jener Zeit, daer Photographien auf Glas herstellte, den Besuch Talbots erhielt und seinem Gasteine Probe zeigte als ein Dokument des Fortschritts in der Photographie. Nach ein-gehender Untersuchung habe Talbot sie als einen „Riesenfortschritt“ bezeichnet. Erhatte eben erst von Herschel einen Brief (10. September) mit einem Bericht über seinGlasverfahren erhalten“ (Gernsheim, 1983c).

Herschels Beiträge zur Fotographie war damit noch nicht beendet. In einemMemorandum vom Juni 1842 vor der Royal Society gab er die Cyanotypie (Blau-druck, Blueprint) bekannt. Dieses war das einzige Papierverfahren, das praktischeAnwendung fand. Dabei spielte das „Cyanogen“ (gelbes Blutlaugensalz;K4Fe(CN)6 · 3 H2O) eine entscheidende Rolle bei der Herstellung der lichtempfindli-chen Schicht. Wegen seiner geringen Lichtempfindlichkeit war es nur für Kontakt-drucke geeignet. Gleichzeitig war es das einfachste und billigste Kopierverfahren mitder größten Lichtbeständigkeit, sieht man von der Platinotypie ab. Das Papier mußtenach der Belichtung nur in kaltem Wasser gebadet werden. Diese Blaudrucktechnikbenutzte Herschel immer dann, wenn er Abschriften von komplizierten Berechnun-gen oder anderen Schriftstücken brauchte, diese aber wegen möglicher Fehler beimKopieren nicht aus der Hand gab. Damit wurde erstmals dokumentiert, daß die Foto-graphie die Arbeit des Kopisten übernahm. Andere Kopierverfahren waren die 1844von Herschel entwickelten Goldsalzverfahren (Chrysotypie) und das Eisensalzverfah-ren (Amphitypie).

Auf Herschel geht auch die Anthotypie (Ableitung von griech.: Blume) (1842) zu-rück. Dabei wurde das Papier nicht mit Hilfe von Salzen, sondern mit farbstoffhal-tigen Säften verschiedener Blüten, in purer Form oder mit Alkohol verdünnt, bestri-

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chen. Andere Verfahren waren die von Thomas Woods 1844 vorgestellte Catalyso-typie. Hier wurde das Papier mit einer schwachen Lösung von Eiseniodid und Iod-tinktur präpariert. Nach der Belichtung in der Kamera war noch kein Bild zu erken-nen, aber es entwickelte sich im Dunkeln. Die Katalyse gab den Verfahren seinenNamen. Die Chromotypie bezog sich auf mehrere Varianten eines Verfahrens(1843), bei denen Chromsalze verwendet wurden. Bei der Energiatypie, später Fer-rotypie (1844) von Robert Hunt erfunden, wurde das Papier mit einer Lösung vonBernsteinsäure und Gummi arabicum bestrichen, getrocknet, anschließend in einerLösung von Silbernitrat gebadet. Das behandelte, getrocknete Papier konnte lichtge-schützt aubewahrt werden. Nach der Belichtung in einer Kamera wurde das Negativmit einer Lösung von Eisensulfat und Gummi arabicum entwickelt. Hunt stellte eben-falls 1844 die Fluorotypie vor. Dabei wurde das Papier mit Natriumfluorid präpariertund das Negativ mit Eisensulfat entwickelt (Gernsheim, 1983c; Müller, 1989).

Herschel, der sich 1853 für einen Vergröße-rungsapparat von J. J. Heilmann aus Pau aus-sprach, gab gleichzeitig seiner Hoffnung Aus-druck, sein alter Traum möge sich erfüllen, indemöffentliche Dokumente, Nachschlagewerke, Kar-tenmaterial, Manuskripte und ähnliches mit Hilfevon sehr kleinen Fotoapparaten auf mikrosko-pisch winzigen Negativen aufgenommen werdenkönne. Diese Mikroaufnahmen könnten dann vonjedermann mit einem Vergrößerungsapparat auflesbares Format gebracht werden. Diese Ideeder Mikrofilmdokumentation wurde 1938 erstmalsin größerem Umfange verwirklicht. HerschelsWunsch einer kleinen handlichen Kamera, mitder man „Schnappschüsse“, ein von ihm man ge-prägter Begriff, machen konnte, wurde noch zu

seinen Lebzeiten erfüllt (Gernsheim, 1983e).Die Entwicklung der Fotographie wurde durch Patente von Fox Talbot, (vier Pa-

tente zwischen 1841 und 1851), erschwert. Die Entwicklungen, die zu den Patent-rechten führten, waren größtenteils von anderen Forschern gemacht worden, wie z.B. im Patent vom 1. Juni 1843, in dem Talbot Natriumthiosulfat zum Fixieren des Bil-des patentierte, obwohl Herschel dies schon 1839 öffentlich angeregt hatte. Trotz-dem konnte auch er die Entwicklung der Fotographie nicht aufhalten, makiert das To-desjahr von Daguerre (1851) doch den Beginn einer neuen Epoche in der Geschich-te der Fotographie, in dem die bereits bestehenden Verfahren wie die Daguerreo-typie, Kalotypie und das Albuminverfahren auf Glas durch Fredrick Scott Archersnassem Kollodiumverfahren verdrängt wurden. Aber auch bei letzteren Verfahrenmeinte Talbot Anspruch zu haben. Dabei wurde mit Kollodium (Schießbaumwolle in

William Henry Fox Talbot

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Äther aufgelöst) auf einem Glas ein dünner Film hergestellt (Gernsheim, 1983d).Herschel dehnte seine Forschungen auf den Ultraviolett- und Infrarotanteil des

Lichtes aus. Dabei entdeckte er den nach ihm benannten Herschel-Effekt: Wird einenicht-rotempfindliche Emulsion normal belichtet und anschließend mit Rotlicht belich-tet, so verringert sich die Schwärzung des Bildes. Herschel bearbeitete weiterhinFluoreszenzerscheinungen und beschäftigte sich mit der Farbenblindheit. 1849 er-schien sein Standartwerk Outlines of Astronomy.

Herschel bekeidete das Amt des Direktors der Königlichen Münze von 1850 bisAnfang 1856 und wurde dadurch finanziell unabhängig. Dabei scheiterten seineReformversuche zur Einführung des Dezimalsystems der Münzen in England. Durchdieses Amt war er gezwungen, oft von zu Hause weg zu sein. Er litt an Gicht, De-pressionen und brach körperlich infolge Überlastung zusammen. Nach dem Rücktrittvom Münzamt erholte er sich wieder und bearbeitete einen Katalog mit 5 079 Nebel-flecken und Sternhaufen, der 1864 erschien. Ein weiterer Katalog mit 10 300 Doppel-sternen erschien nach seinem Tod. Trotzdem fand dieser Universalgelehrte nochZeit, einige Werke von Friedrich von Schiller (1759 - 1805), Dante Alighieris (1265 -1321) Inferno und am Ende seines Lebens den Ilias von Homer (lebte Ende des 8.Jh. v. Chr.) ins Englische zu übersetzen (Evans, 1972; Müller, 1989; Friedrich, 1992).

Ein Sohn von John Herschel, Sir William John Herschel, der ein Richteramt inBengalen bekleidete, führte dort 1858 die Daktyloskopie, das Verfahren zur Identifi-zierung eines Menschen durch Fingerabdrücke in seinem Jurisdiktionsbereich, ein.W. J. Herschel hatte in jahrelangen Untersuchungen bestätigt gefunden, daß sich imMuster der Hautleisten an der Fingerinnenseite keine Veränderungen ergeben. Spä-ter übernahm dies die Regierung von Bengalen, und kurz danach wurde die Dak-tyloskopie in Indien eingeführt. Sir Edward Henry hatte inzwischen in England eineMethode zur Klassifizierung von Fingerabdrücken entwickelt und in einem Buchvorgestellt. Als Polizeipräsident von London (1901), führte er bei Scotland Yard denFingerabdruck ein (Gernsheim, 1983f).

Literatur

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Weitere Publikationen und Werke von Sir John Frederick William Herschel

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Henrici. Vendenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1836, 368 Seiten. Einheitssachtitel: Apreliminary Discourse on the study of natural philosophyHerschel J F W (1837) Astronomy. New ed. Longman, London, 1837, 422 Seiten. Serie: TheCabinet of natural philosophyHerschel J F W (1847) Results of Astronomical Observations mae during the years 1834-38at the Cape of Good Hope; being the completion of a telescopic survey of the whole surfaceof the visible heavens, commenced in 1825. London, 1847Henderson T, Baily F, Herschel JFW (1847) A Catalogue of 9766 stars in the southernhemisphere for the beginning of the year 1750, from the observations of the Abbé de Lacaille... made at the Cape of good Hope in the years 1751 and 1752 / Red. ... under the ...superintendence of the late .Prof. Henderson, and printed under the direction of the lateFrancis Baily, with a preface by J. F. W. Herschel. Taylor, London, 1847Herschel J F W (1847) A brief Notice of the life, researches and discoveries of Fr. Wilh.Bessel. London, 1847Herschel J F W (1849) Review of John F. W. Herschel's Outlines of Astronomy. Cambridge,1849Herschel, J F W (1849) A manual of scientific enquiry / Prep. for the use of Her Majesty'sNavy: and adapted for the travellers in general. Murray, London, 1849, 488 SeitenHerschel J F W (1850) Ueber den Bau des Himmels. Arnold, Leipzig, 1850. Einheitssachtitel:On the Construction of the heavensHerschel J F W (1861) Meteorology. Edinburgh, 1861Herschel J F W (1871) A manual of scientific enquiry, prepared for the use of officers in HerMajesty's navy and travellers in general. 4th edition, superintended by Robert Main. London,1871 [1. Edit. 1849]Herschel J F W (1883) Outlines of Astronomy. New ed. London, 1883 [1 Aufl. 1849]Herschel J F W (1886) A manual of scientific enquiry, prepared for the use of officers in HerMajesty's navy and travellers in general. (Hrsg.) Robert Stawell Ball. 5th edition. London,1886 [1. Edit. 1849]


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