+ All Categories
Home > Documents > thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max...

thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max...

Date post: 06-Aug-2019
Category:
Upload: tranhanh
View: 215 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
13
thema Der BLLV auf Spurensuche dienstrecht Diskussionen um Pensionen spuren Margit Heidecker Heft 03 / 2016
Transcript
Page 1: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

thema Der BLLV auf Spurensuche

dienstrecht Diskussionen um Pensionen

spuren Margit Heidecker

Heft 03 / 2016

Page 2: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

editorial 3

Attacken gegen die Alterssicherung der Beamten

Margit Heidecker feierte 90. Geburtstag

thema

dienstrecht

spuren

Kurse im Oktober und Novembertermine

Toni [email protected]

Warum der BLLV seine Verbandsgeschichte aufarbeitet

Liebe Leserinnen und Leser,

wie geht der BLLV mit seiner Geschichte um? NachAnsicht von Prof. Max Liedtke habe der BLLV einegroßartige Geschichte. Aber was die Geschichtedes BLLV in der Nazizeit betreffe, bestehe keinZwei fel, dass sich der Verein viel zu bereitwillig demNationalsozialismus angepasst habe. Liedtke hatsich aber auch auf die Suche nach den „Gerechten“im BLLV gemacht. Und er hat einige wenige gefun-den, die den Titel „Gerechte“ verdienen.

Im Rahmen des Projekts „Erinnern“ recherchier-te Katharina Steinegger über den jüdischen Volks-schullehrer Ferdinand Kissinger. Lesen Sie eine Zu -sammenfassung der Lebensgeschichte Kissin gers,der von den Nazis enteignet, inhaftiert und ermor detwurde.

Margit Heidecker feierte in diesem Jahr ihren 90.Geburtstag. 1948 trat sie in den Verband ein. Von1984 bis 1990 war sie Vizepräsidentin und eineVorkämpferin für Frauen im BLLV. „Mitmachen undpersönlichen Einsatz zeigen“, zeichnete das LebenHeideckers aus. Im Gespräch mit Claudia Roth -ham mer lässt Margit Heidecker das Schulleben derNach kriegszeit lebendig werden.

Ich wünsche Ihnen eine nachdenkliche Lektüre!

4

16

18

22

Ratgeber für Seniorennachrichten23

Wie geht der BLLV mit seiner Geschichte um?

Page 3: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

viele Jahre jüdische Volksschullehrer ganz selbst-verständlich Mitglied. Der BLV hat seineÜberkonfessionalität, wegen der er massiv ange-griffen wur de, konsequent gelebt. Dies hat sich mitder Übernahme des Vorstandes des BLV durchnationalsozialistisch gesinnte Lehrer unter derFührung von Josef Bauer im April 1933 grundle-gend geändert. Josef Bauer war fanatischerAntisemit und Natio nal sozialist. Auch wenn keinformaler Aus schluss jüdischer Lehrerinnen undLehrer aus dem BLLV dokumentiert ist, müssen wirdavon ausgehen, dass die jüdischenVolksschullehrer im BLLV nicht mehr willkommenwaren ebenso wie Lehrer, die politisch andersdachten.“

Viel zur Aufarbeitung der Verbandsgeschichte zwi-schen 1933 und 1945 leistete Dr. Fritz Schäffer,Lei ter der BLLV-Abteilung Schul- und Bildungspo -litik. Seine Untersuchung „Josef Bauer – ein ,auf-rechter’ Nationalsozialist? Politische Biographie desMünchner Stadtschulrats und Vorsitzender desBayerischen Lehrervereins im Dritten Reich“ ist imKlinkhardt-Verlag, Bad Heilbrunn/Obb. 1995, er -schie nen. Und Bauer war nicht irgendjemand: DreiMonate nach der Machtübernahme der NSDAPfand am 24. und 25. April 1933 in München eineaußerordentliche Mitgliederversammlung des Bay -erischen Lehrervereins statt. Bei dieser Versamm -lung trat der Vorstand des BLV unter Leitung desVorsitzenden Daniel Winkle zurück und machtesomit den Weg frei für die Besetzung der BLV-Führung mit Personen, die der nationalsozialisti-schen Bewegung nahestanden. Als neuer Vorsi t -zen der wurde der 52-jährige Josef Bauer gewählt.

Der Niederbayer Josef Bauer unterrichtete seit1903 als Volksschullehrer in München. In seiner Ju -gend stand er dem politischen Liberalismus nahe.Zum Nationalsozialismus konvertierte Bauer imJahr 1922 beim Besuch einer Versammlung AdolfHitlers im Münchner Zirkus Krone. „Adolf Hit lersehen, ihn hören und ich war National sozialist“,kommentierte er dieses für ihn einschneidendeErlebnis 1936 im Völkischen Beobachter. Im No -

vember 1922 trat Bauer der NSDAP bei. Er er hieltdie Parteinummer 34. Bauer war mit Adolf Hitler gutbekannt und organisierte zahlreiche Parteiveran -stal tungen für ihn in München. 1923 nahm er alsSA-Mitglied am Putsch in München aktiv teil. 1932wurde er in den Bayerischen Landtag gewählt undbekleidete das Amt des Geschäftsführers derNSDAP-Fraktion. Innerhalb der Partei hatte er dasAmt des Hauptstellenleiters im NSDAP-Hauptamtfür Kommunalpolitik inne. Außerdem war er Briga -deführer der SS.

In seiner Amtszeit als Vorsitzender des BLV wider-setzte Bauer sich lange Zeit einer Eingliederungdes BLV in den Nationalsozialistischen Lehrerbund(NSLB), dessen Bezirk München-Oberbayern er

5thema

Die BLLV-Landesdelegiertenversammlung 2015in Augsburg liegt zwar viele Monate hinter uns,aber die Delegierten aus Schwaben über Nie der - bayern bis hinauf nach Unterfranken habenEntscheidungen getroffen, die bis heute aus-strahlen. Dazu zählen insbesondere auch die„Anträge zur Zukunft des BLLV“, wobei dieNummer „I 11“ vielmehr den Blick zurück in dieVergangenheit statt in die Zukunft wagt – ineine Vergangenheit, die viele gerne ruhen las-sen möchten: Die NS-Zeit. Gerade Pensionisten,die diese Zeit selbst erlebt haben oder aus ihrerKindheit in der Nachkriegszeit einiges aufge-schnappt haben, könnten wichtige Quellen sein.Auch passionierte Heimatforscher und Histo -riker könnten einen wertvollen Beitrag leisten.

Überschrieben ist der LDV-Antrag I 11 mit den Wor -ten „Aufarbeitung der historischen Schuld desBLLV“. Doch muss das wirklich sein – 71 Jahrenach Ende des Zweiten Weltkriegs? BLLV-Ehren -präsident Klaus Wenzel, der den Antrag in die LDVeinbrachte, findet: Ja. „Der BLLV hat zweifelloswährend der NS-Zeit schwere Schuld auf sich gela-den. Zahlreiche wegen ihrer politischen, weltan-schaulichen oder religiösen Gesinnung verfolgteLehrerinnen und Lehrer waren im BLV Mitglied. DerBLV (…) hat diese Kolleginnen und Kollegen in derVerfolgung nicht unterstützt.“

Auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann unter-stützt die Aufarbeitung der historischen Schuld desBLLV: „Im Bayerischen Lehrerverein waren über

Dem Vergessen entreißenDer BLLV arbeitet seine Geschichte auf

Zwei Tage nach der außerordentlichenMitgliederversammlung erschien am 27. April 1933die BLZ mit Hitler, Schemm und Bauer auf derTitelseite (BLZ 1933 S. 249)

Die Bayerische Lehrerzeitung war nationalsozialistisches Sprachrohr (BLZ 1937 S. 581)

Page 4: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

Geschichte schauen.“ BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ist vor allemwichtig: „Es steht uns nicht an, im Rückblick die per-sönlichen Beweggründe und Verhaltensweisenunserer Kollegen in den dreißiger Jahren pauschalzu bewerten oder zu verurteilen. Als große Organi -sation müssen wir aber festhalten, dass der Bay eri -sche Lehrerverein in der Zeit des Nationalsozia lis -mus Schuld auf sich geladen hat, indem er zur Ver -folgung und Ermordung vieler Kollegen ge schwie -gen hat. Vor diesem Hintergrund ist das Pro jektErinnern, das Ehrenpräsident Dr. Albin Dann häuserinitiiert und Ehrenpräsident Klaus Wenzel fortgeführthat, zu verstehen. Der heutige BLLV will sich seinerVer gangenheit stellen und dazu beitragen, dass dieverfolgten und ermordeten Lehre rinnen und Lehrerder Vergessenheit entrissen werden.“

Der Vergessenheit entreißen – ein schöner Ge dan -ke, aber dem Vergessen entreißen bedeutet auchakribische Arbeit, ist doch genau das, was man ver-meiden will, bereits unzählige Male passiert. VieleGymnasiasten in Bayern tragen zum Glück aufInitiative des BLLV seit Jahren dazu bei, die Bio -grafien verfolgter und ermordeter jüdischer Leh -rerin nen und Lehrer für die Zukunft zu konservie-ren, damit ihr Leben, ihr Schicksal und ihr sinnloserTod nicht vergessen wird. Eine Arbeit, stellvertre-tend für viele andere, stellen wir Ihnen auf den fol-genden Seiten vor.

Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Ersucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau erdamit meint, erklärt er so: „Wenn der BLLV sich inbeschämender Weise dem Nationalsozialismus an -ge passt hatte, gab es – nach dem biblischen Vor -bild von Sodom – überhaupt keine „Gerechten“ imBLLV? Ich bin bei der Darstellung der Geschichtedes Bezirksverbandes Mittelfranken auf diese Fragegekommen. Ich habe in BLLV-Zeitschriften nachmöglichen „Gerechten“ gefragt. Nicht ein einzigerBLLVler wurde genannt, der verfolgt war, der nichtder NSDAP oder nachgeordneten Partei glie derun -gen angehörte oder sich mit den Nazis angelegthätte usw. Gab es wirklich keine? Waren sie nur

vergessen? Oder waren sie verschwiegen, weil sieGegenbeispiele für ängstliches und opportunisti-sches Mittun waren, es jedenfalls schwerer mach -ten, die eigenen Einlassungen in das Nazi-Systemzu exkulpieren? Durch eigene Recherchen habe ichdann wenigstens vier Mitglieder des BLLV ausfindiggemacht: Fritz Thumshirn, Hans Merz, Adolf Salf f -ner und Oswald Merz, die nach meiner Meinungden Titel „Gerechte“ verdienen.“

Inzwischen hat Prof. Max Liedtke zwei weitere ge -funden: Eugen Tanhauser und Helene Käferlein.„Ich bin sicher, es gibt mehr davon.“ Doch seine Zeitsei begrenzt, räumt er ein. Er würde sich wünschen,auch andere BLLV-Mitglieder würden sich derSuche nach den „Gerechten“ annehmen. Nicht umseinetwillen, sondern für den BLLV: „Wenn man sowill, ist die Suche nach diesen Kolleginnen undKollegen eine Ehrenrettung für den BLLV und einStück Ehrung und Wiedergutmachung für die Ver -gessenen.“

Dr. Dieter Reithmeier, Claudia Rothhammer

selbst als Gauleiter von 1931 bis 1933 vorstand.Die teilweise scharfe Auseinandersetzung mit sei-nem Parteigenossen, dem bayerischen Kultus mi -nis ter und Vorsitzenden des NSLB Hans Schemmin der Frage der Auflösung des BLV hatte keinenweltanschaulichen Hintergrund, vielmehr versuchteBauer, die Vermögenswerte und die Selbsthilfeein -richtun gen dem Zugriff der NSLB zu entziehen.Auch stellte der BLV für Bauer offensichtlich einwichtiges organisatorisches und politisches Faust -pfand in der Auseinandersetzung mit Schemm dar.Der Streit um den BLV, der nach 1935 eskalierte,fand mit der offiziellen Auf lösung am 31. Dezember1937 ein Ende. Der Verein wurde beim Register ge -richt liquidiert, die Vermögenswerte und Selbsthilfe -ein richtungen wurden aufgelöst oder dem NSLBunterstellt. Bauer widmete sich danach in ersterLinie seiner Aufgabe als Stadtschulrat in München,ein Amt das er seit 1933 innehatte. Schwerpunktwar hierbei der Kampf um die Auflösung derBekenntnisschule. Im NSLB übernahm Bauer keineherausragende Funktion. Im Zuge der Entnazifizie -rung wurde Bauer 1948 von der Spruchkammer inMünchen in die Gruppe der Minderbelasteten ein-gestuft. In einem zweiten Spruchkammerverfahrenim Jahr 1950 wurde das Urteil revidiert. Man klas-sifizierte ihn als Belasteten und verurteilte ihn zu

30 Monaten Arbeitslager, zum Verbot der Wahrneh -mung öffentlicher Ämter, zur Streichung der Pen -sio nsansprüche und zu einem fünfjährigen Berufs -verbot. Das Urteil wurde 1953 von der Berufungs -kammer aufgehoben.

Doch wie geht man mit dieser Geschichte um? FürProf. Max Liedtke, steht fest: „Der BLLV hat einegroßartige Ge schichte. Aber dazu zählt auch, dasser eingesteht, wenn er Fehler gemacht hat. Zu sei-nen großen, nicht wiedergutzumachenden Lastenzählen sein jubelndes Mittun bei der Vorbereitungund Durchführung des Ersten Weltkrieges und sei -ne keineswegs nur angstgesteuerten oder opportu-nistischen, sondern vielfach auch sehr bereitwilli-gen Einlassungen in den Natio nalsozialismus.Damit ist kein Urteil über die mögliche Schuld deseinzelnen BLLV-Mitgliedes ge sprochen. Aber wasdie Ge schichte des BLLV in der Nazizeit betrifft,kann auch nach meinen Re cher chen kein Zweifelbestehen, dass der Verein sich viel zu bereitwilligdem Natio nalsozialismus angepasst hat. Belastendist zudem, dass die Vereins historiker nach dem 2. Weltkrieg die Einbin dungen des Vereins in denNationalsozia lismus vielfach verschwiegen oderkleingeredet haben. Insoweit kann der Verein nur inScham und Trauer auf diesen Ab schnitt seiner

7thema

Am 10. Mai 1933 trafen sich die Mitglieder der erweiterten Geschäftsleitung des BLV das letzte Mal (1. R. 2. v. l. Daniel Winkle, 2. R. l. Friedrich Nüchter,3. R. 5. v. l. Carl Weiß)

Josef Bauer gehörte zu den engen Mitarbeitern Adolf Hitlers in München. Hier am Rande desNSDAP-Gautags von Oberbayern am 3.7.1932. Links von Hitler Josef Bauer, rechts Ernst Röhmund Heinrich Himmler. Quelle: Stadtarchiv München

Page 5: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

98 thema _tanhauser thema _tanhauser

Professor Dr. Max Liedtke ist einer der großenund renommierten Kenner der bayerischen Bil -dungs- und Schulgeschichte. Hierbei ist er auchein profunder Kenner der Geschichte des baye-rischen Lehrervereins, insbesondere seinerGründungsgeschichte, der Vorläuferorganisa -tionen, die bis ins Jahr 1823 zurückreichen, undver schiedener Selbsthilfeeinrichtungen des BLVwie der Witwen- und Waisenstiftung, der süd-deutschen Lehrerbücherei, des Lehrer Gesangs -vereins oder des Nürnberger Lehrervereins.

Im Zusammenhang mit der Beschäftigung MaxLied tkes mit dem BLV im Nationalsozialismushat ihn be sonders die „Suche nach Gerechten“im BLV bewegt. Sein Ansinnen ist es, der Lehr -erinnen und Lehrer zu gedenken und ihre Bio -grafien zu recherchieren, die aufgrund ihrer poli-tischen Ausrichtung in der Zeit des Natio nal -sozialismus verfolgt wurden. In diesem Rah menhat Liedtke eine ausführliche Darstel lung derBiografie des mittelfränkischen Lehrers Eu genTanhauser erstellt.

„Sau geht zur Sau!“In Erinnerung an Eugen Tanhauser

Eugen Tanhauser (1895-1970) ist trotz erfolgreicherpolitischer Karriere nahezu vergessen. Er ist am27. April 1945 durch die amerikanische Militärregie -rung als kommissarischer Landrat des LandkreisesSchwabach/Mfr. eingesetzt worden. Dieses Amthatte er dann nach Wahlen (1946 ff.) bis 1964 inne.So hat er nach dem 2. Weltkrieg die wirtschaftlicheund die politische Entwicklung des Landkreises na -he zu 20 Jahre in führender Position beeinflusst.Für seine Verdienste ist er 1964 mit dem GroßenBundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Aberwarum sollte sich der BLLV um Eugen Tanhauserkümmern? In den zentralen Schriften zur Ge schich -te des BLLV taucht sein Name nicht auf. Ich binpersönlich auch nur durch einen zufälligen Hinweisaus Schwabach auf Tanhauser aufmerksam ge -macht worden. Nachdem ich mich dann etwas in -for miert hatte, bin ich erschrocken, dass auch ichnichts von ihm wusste, noch mehrerneut darüber, wie schnell „Ver -gessen“ geht.

Das Drama des Lebens vonEugen Tanhauser hat te sich vor1945 abgespielt. Er war Lehrer,seit 1919 Mitglied des BLV (1951umbenannt zum BLLV), und ist am 13.10.1933 als„Halbjude“ aus dem Schuldienst in Schwabach ent-fernt worden. Nach mehrjähriger Arbeitslosigkeithat er sich 1937 um eine Tätigkeit bei der „Israel.Kultus-Gemeinde Fürth i. B.“ beworben. Ein zentra-ler archivalischer Fund: Die Israelitische Kultusge -meinde Fürth hat pflichtmäßig die StadtkämmereiSchwabach über die erfolgreiche Bewerbung am30.6.1937 unterrichtet. Vermutlich ein Schwabacher„Sachbear beiter“ hat auf dem Schreiben derKultusgemeinde handschriftlich kommentiert: „Saugeht zur Sau!"

Tanhauser war nach Abstammung und Einstellungin den Würgegriff des Nationalsozialismus geratenund musste erleben, wie ihm in beständiger Ab fol -ge von Jahr zu Jahr durch immer neue Schikanenmehr und mehr die Atemluft genommen wurde, wienahe Verwandte vertrieben, verschleppt und ermor-

det wurden und wie er mit Frau und Kind schließ-lich nur durch Schläue und Glück überlebt hat. Wowar der BLLV, als sein Mitglied Eugen Tanhauser1933 in Bedrängnis geraten war?

Herkunft und Ausbildung

Eugen Tanhauser ist am 6.10.1895 als Sohn der„unverehelichten (…) Anna Christine Keß, evange-lischer Religion" in Fürth geboren worden. Am20.11.1895 bekannte sich „der ledige großjährigeMagistratskanzlist Max Tanhauser von Fürth, israe-litischer Religion, zum Vater des (…) Kindes". Am28.3.1897 heiratete Max Tanhauser die Mutter seines Sohnes. Eugen hatte über seinen Vater unddessen jüdischer Herkunftsfamilie ohne Zweifel

intensivere Kontakte zur jüdi-schen Kultur (zum Beispiel auchHebräisch-Kennt nis se). Eugenwurde aber gleichwohl in „evan-gelisch-lutherischer" Tradi tion er -zogen und gab dies auch stetsals seine Reli gions zuge hö rigkeitan. Von 1902 bis 1910 be suchteer die Volksschule in Fürth und,

weil er Lehrer wer den wollte, von 1910 bis 1913 diePräparanden schule Rothen burg o.d.T. Danachwechselte er auf die Lehrer bildungsanstaltSchwabach (1913 bis 1916). Von Mai bisNovember 1916 war er als Schulprakti kant undAushilfslehrer in Gräfenstein berg, Jobst greuth undFürth eingesetzt.

Wie bei nahezu allen Männern der Weltkriegsgene -ra tion folgte dann eine Unterbrechung durch denMilitärdienst, in seinem Fall von November 1916bis Dezember 1918. Nach seiner Entlassung alsSoldat setzte er bis August 1919 erneut als Schul -praktikant und Aushilfslehrer die unterbrocheneLehr er ausbildung fort (u. a. in Almoshof bei Nürn -berg). Am 1.9.1919 kam er als Hilfslehrer an dieVolksschule Fürth, bereits am 1.10.1919 wurde eraber ebenso als Hilfslehrer an die Lehrerbildungs -anstalt Schwabach berufen. Am 1.1.1922 erfolgte

Eugen Tanhauser war als Landrat des Landkreises Schwabach hoch angesehen. Das war nichtimmer so, wie ein Schriftstück im Stadtarchiv Schwabach von 1937 belegt.

Ein „Halbjude“ wie Tanhauser hatim Schuldienstnichts zu suchen

Page 6: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

Zusammenkunft. (…) Meine Tätigkeit beschränktesich im Wesentlichen auf die Herstellung und Ver breitung nazifeindlicher Flugblätter.“ Mitgliederdes Widerstandskreises waren „z. B. die Schulräte[Fried rich (Fritz): A.d.V.] Schuhmann in Dinkelsbühlund [Michael: A.d.V.] Weiß in Windsheim, der Pia -nist Nemeskei und der Professor Hofmann (Han -delsschule) in Nürnberg.“

Nachdem alle seine schulischen Tätigkeiten vonder NS beendet worden waren, trat Tanhauser am16.10.1941 auf Anordnung des Arbeitsamtes Nürn -berg seinen Einsatz als „techn. Hilfsarbeiter“ in derFirma „N.S.F. Nürnberger Schraubenfabrik und Elek - tro werk G.m.b.H“ an, genauer gesagt im Ent wick -lungslaboratorium für Hochfrequenztechnik. Er wur -de damals als „kriegswichtig“ eingestuft. Als eineEinweisung ins KZ drohte, täuschte Tanhauser eineErkrankung vor und tauchte im November 1944 bisApril 1945 unter: „Als im November 1944 die Haft -befehle ausgefertigt wurden, verschwand ich end-gültig aus der Gegend und fand Zuflucht bei einerReihe von Freunden, Bekannten und Ver wand ten.“Sechs Monate später war Eugen Tan hauser Land -rat von Schwabach. Diese Funktion hatte er bis1964 inne. Dann zog er nach München um. 1969führte ihn sein Weg nach Wan gen/Allg., wo er 1970verstarb und auf dem dortigen St. Wolf gangs -friedhof beigesetzt wurde (Feld XXIV, R. 3, Grab-Nr. 2065). Das Grab ist inzwischen aufgelöst.

Professor Max Liedtke

11thema _tanhauser

auf seinen Wunsch die Versetzung nach Fürth mitgleichzeitiger Ernennung zum Volksschullehrer.Dort heiratete er am 4.8.1922 die SchwabacherinCornelie Walter (ev.-luth.), Tochter des Gold -schmieds und Juweliers Johann Walter. Am14.8.1923 wurde das einzige Kind der Familie,Lothar Tanhauser, geboren. Weil in Fürth Woh -nungs not herrschte – seine Frau wohnte anfangsweiterhin in Schwabach, er in Fürth – bewarb ersich nach Uttenreuth bei Erlangen, wohin er zum1.10.1924 versetzt wurde.

Von 1927 bis 1929 war er zur Ausbildung als Ge -wer belehrer an das Gewerbelehrer-Institut undzum Studium an der Universität in München beur-laubt. Danach kehrte er wieder auf seine Volks -schullehr er stelle nach Uttenreuthzurück. Noch am 6.11.1929bewarb er sich in ein em achtseiti-gen, außerordentlich de tail reichenSchreiben „um die Stel le einesLeiters der städt. Be rufsfortbil -dungs schule in Schwa bach“. Zum1.1.1930 konnte er die neueStelle als „Direktor“ der Schwabacher Berufs schuleantreten. Bis zu diesem Zeitpunkt handelt es sichum einen fast normalen Lebenslauf eines wachenjungen Mannes aus einem aufstrebenden und bil-dungsbewussten bürgerlichen Haus in den erstenJahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Auffal lend sind allenfalls das Spektrum der Bega -bungen Tan hau sers und sein bewundernswerterFleiß. In allen seinen Abschlussprüfungen erreichteer die Note I und war jeweils der Prüfungsbeste. Ersprach fließend Englisch und Französisch. In wei-teren Sprachen (Latein, Altgriechisch, Hebräisch,Italienisch, Spa nisch) hatte er „gute wissenschaftli-che Kenntnisse“. Aus seinen späteren Tätigkeitenist zu erschließen, dass er musikalisch (Orga nist)und technisch (Entwicklungslaboratorium für Hoch -fre quenztech nik) begabt war. Dr. Dagmar So lo mon,die in den 1930/40er-Jahren häufiger mit ihremVater, Lehrer Hans Engel, bei E. Tanhauser zu Be -such war, spricht noch 2016 be wundernd vom

Char me und dem hohen Bildungs grad Tanhausers.Eine düstere Zeit brach für Tanhauser in den1930er-Jahren an: Bereits am 6.10.1932 wurde erdurch die Bannführung der Hitlerjugend Nürnbergbei der Reichsleitung der NSDAP als politischerGegner gemeldet. Am 13.10.1933 wurde er wegenjüdischer Abstammung aus dem Schuldienst ent-lassen. Für Tanhauser und seine Familie bracheine harte Zeit an. Nicht nur die Arbeitslosigkeit beisehr knappem „Ruhegehalt“ machte ihm zu schaf-fen, sondern auch die vielen Schikanen, denen erin der Stadt ausgesetzt war. 1934 bemühte sichTan hauser um eine Ausreise nach England:Vergeblich. Sein Pass wurde ihm wegen politischerUnzuverlässigkeit verweigert. 1938 versucht er esein zweites Mal, ebenfalls ohne Erfolg: Wunschziel

war dieses Mal Holland. In derZwischenzeit arbeitete er für dieIsraelitische Kultus gemeindeFürth, war Organist derHauptsynagoge, bis diese in derReichspogromnacht in Flam menaufging.

Auch sein Sohn Lothar bekam die NS-Ideologie zuspüren: 1938 wurde Lothar zum Beispiel der Zutrittzum Schwimmbad mit den Worten „Juden ist derZutritt verboten!“ verwehrt. Vater Eugen Tanhauserschrieb daraufhin an den Bürgermeister der Stadt:„Nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 sindweder mein Sohn noch ich Juden, sondern Misch -linge.“ 1940 wurde Sohn Lothar nicht zum Studiumzugelassen. Von 1938 bis September 1941 arbeite-te Tanhauser für die Israel. Kultusgemeinde Nürn -berg als Lehrer an der jüdischen Berufsschule.1941 war Schluss damit aufgrund eines Verbotsdurch den Reichsführer der SS. Auch für die Israel.Kultusgemeinde Fürth unterrichtete Tanhauser.

Auf die Frage, ob er in der NS-Zeit auch Wider -stand praktiziert habe, antwortete Tanhauser spä-ter: „Ich hatte eine Art privaten Widerstandskreisum mich gebildet. Die einzelnen Mitglieder trafensich mal da, mal dort in den Wohnungen der Ge -treuen. Bei mir selbst war fast allwöchentlich eine

10 thema _tanhauser

Mehr Informationen zu den Projekten, dieder BLLV ins Leben gerufen hat, um auchdie dunklen Kapitel der Verbandsgeschichteaufzuarbeiten, finden Sie auf unserer Home -page: www.erinnern.bllv.de

Interessenten an einer Mitarbeit wendensich bitte an den Geschäftsführer des BLLVDr. Dieter Reithmeier, [email protected],Tel. 089 721001-23

1944 drohteTanhauser die

Einweisung ins Kon-zentrationslager

Wegen seiner Abstammung geriet Tanhausermehr und mehr in den Fokus der National-so zialisten, wie auch dieses Schreiben desOberbürgermeisters belegt.

1933 wurde Tanhauser aus dem Schuldienstentlassen und in den „Ruhestand versetzt“.

Page 7: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

12 thema_kissinger

2009 initiierte der BLLV das Projekt Erinnern.Grundlage war die vom BLLV in bayerischenArchiven durchgeführte Recherche nach denNamen jüdischer Lehrerinnen und Lehrer, die inBayern bis 1942 unterrichtet haben. 2012 wurdedas Projekt erweitert auf politisch verfolgteLehr kräfte. Inzwischen umfasst die Datenbanküber 700 Namen. Im Rahmen eines W-Seminarsim Fach Geschichte können junge Gymnasias -ten über einen dieser Lehrer eine Biografie erar-beiten. Die Recherche und das Verfassen derBiografie wird begleitet von Sabine Gerhardus,einer Mitarbeiterin des Dachau Forums/Gedächt -nisbuch Dachau. Inzwischen sind über 30 sol-cher Biografien entstanden (siehe auch unter

www.erinnern.bllv.de). Eine davon verfassteKatharina Steinegger. Sie ist Schülerin am Gym -na sium Grafing und recherchierte intensiv überden Volksschullehrer Ferdinand Kissinger, deran verschiedenen Orten in Bayern unterrichtete,zuletzt an der jüdischen Volksschule in Mün -chen. Katharina konnte im Rahmen ihrer Semi -nar arbeit auch die Stadt Kaunas in Litauen be -suchen, wo Ferdinand Kissinger am 25. Novem -ber 1941, wenige Tage nach dem Eintreffen desDeportationszuges aus München, mit vielen sei-ner Schüler erschossen wurde. Die Be schäf -tigung mit seiner Biografie beeinflusste sie sehr.Auf den folgenden Seiten lesen Sie eine Zusam -menfassung seiner Lebensgeschichte.

Ferdinand Kissinger

Der ehemalige US-amerikanische AußenministerHen ry Kissinger kann 1938 mit seiner Familie vonDeutschland aus in die USA fliehen. Doch nichtjedem, der eine Flucht versucht, gelingt sie auch.Zahlreiche Mitglieder der jüdischen Familie Kis sin -ger bleiben zurück. Eines dieser Familienmitgliederist Ferdinand Kissinger, Henry Kissingers Onkelzweiten Grades. Ferdinand wird in München mit dervollen Wucht des Antisemitismus konfrontiert. Erwird von den Nazis enteignet, inhaftiert, ermordet.

In den Lehrerberuf hineingeboren

Ferdinand Kissinger wird am 13. Oktober 1891 inUrspringen, einem kleinen Ort in der Nähe vonWürz burg, geboren. Er ist das vierte von acht Kin -dern des Ehepaares Simon und Babette Kissinger.Von seinem siebten bis zu seinem 15. Lebensjahrbesucht Ferdinand die jüdische Schule in seinemGeburtsort – eine kleine Elementarschule, an derFerdinands Vater als einziger Lehrer unterrichtet.Von der Familientradition sicherlich nicht ganzunbeeinflusst beginnt Ferdinand dann als jungerMann seine eigene Ausbildung zum Lehrer. 1910schließt er sein Studium an der Israelitischen Leh -r er bildungsanstalt in Würzburg ab und tritt somitnicht nur in die Fußstapfen seines Vaters, sondernauch in die zahlreicher anderer Verwandter.

Nach Abschluss seines Studiums arbeitet Ferdi -nand zunächst in Willmars, einem Ort, der an derbayerischen Grenze zu Thüringen liegt. Als 1914jedoch der Erste Weltkrieg ausbricht, muss auchFerdinand Kissinger Dienst für sein Vaterland tun.Er kämpft mehrere Jahre in Frankreich, wird 1918zum Unteroffizier befördert und mit dem EisernenKreuz zweiter Klasse ausgezeichnet. Als der Kriegzu Ende ist, kehrt Ferdinand jedoch nicht nachWillmars zurück, sondern tritt im Mai 1919 eineneue Stelle im schwäbischen Hainsfarth an.

Gut ein Jahr später heiratet Ferdinand am 28. De -zember 1920 in Aschaffenburg Sofie Leber mann,eine junge Jüdin aus Darmstadt. In einem Gut -

achten, das ein Arzt mehr als zehn Jahre späterverfassen wird, wird Sofie als eine zart gebaute,intelligente Frau mit geistigen Interessen beschrie-ben. Leider währt das Eheglück nicht sehr lange.1929 zeigt Sofie erste Anzeichen von Schizo phre -nie. Ein Symptom dieser Krankheit ist, dass Sofiedas Vertrauen in ihren Ehemann verliert und sogarglaubt, er möchte ihr körperlichen Schaden zufü-gen. Die Probleme, die dadurch für die Beziehungentstehen, führen 1930 zu einer räumlichen Tren -nung des Paares. Sofie zieht zu ihren Eltern nachDarmstadt. Da es dem Paar nicht gelingt, seineEhe zu retten, werden Ferdinand und Sofie 1933nach einem langen Scheidungsverfahren geschie-den. 1941 gibt Ferdinand an, Sofie sei im Auslandverstorben. Falls sie sich noch 1940 in einer Anstaltbefunden hat, ist davon auszugehen, dass Sofie imRahmen der ,,Aktion T4" ermordet worden ist.

13

Ein jüdischer Lehrer im Nazideutschland

Sabine Gerhardus (l.) unterstützte KatharinaSteinegger (r.) bei den Recherchen.

Page 8: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

am 12. Dezember 1938 entlassen und kann nachMünchen zurück kehren. Bis 1941 unterrichtet Fer -di nand weiter an der jüdischen Volksschule, 1940wird er sogar Schulleiter.

„Umsiedelung“ in den Tod

1941 leben noch 3.410 Juden in München. Im No- ve mber desselben Jahres werden 1000 von ihnenermordet werden, darunter auch Ferdinand Kissin -ger. Er lebt mit seinem Bruder Julius, dessen FrauJenny und seinen zwei kleinen Neffen in der Bürk -leinstraße, als er Mitte November enteignet wird unddadurch sein Eigentum wie etwa Möbel verliert.Dann wird er in ein Sammellager in Mil berts hofenge bracht. Seine vier Mitbewohner aus der Bürklein -straße trifft das gleiche Schicksal, ebenso zahlrei-che Schüler Ferdinands. Offiziell wird den Betrof -fenen mitgeteilt, dass es sich lediglich um eine Um -siedelung handle. Am Morgen des 20. Nov ember1941 müssen ca. 1.000 Menschen in Mil berts hofen

einen Zug besteigen, der sie in das Rig aer Ghettobringen soll. Trotz der mangelhaften Was ser versor -gung während der Reise glauben viele der Depor -tierten, dass sie im Osten ein Leben ohne ständigeAngst und Bedrohung erwartet und sie nach Endedes Krieges in ihre Heimat zurückkehren können.Da das Rigaer Ghetto jedoch überfüllt ist, fährt derZug stattdessen nach Kaunas im heutigen Litauen.Dort befindet sich das Neunte Fort, eine ehemaligeMilitäranlage aus der Zaren zeit, die unter der Be -sat zung der Nazis zu einem Gefängnis und einerErschießungsstätte wird. Der Zug, in dem auch dieKissingers sitzen, erreicht Kau nas am 23. Nov em -ber. Die 1.000 Münchner Ju den werden im Neun -ten Fort in enge, kalte Zellen gesperrt. Nach zweiTa gen, am 25. November 1941, werden die Häftlingenach draußen geführt und er schossen. FerdinandKissinger ist einer von ca. 50.000 Juden, die bis1944 in Kaunas ermordet werden.

Claudia Rothhammer

15thema_kissinger

17 Jahre in München

Als 1923 die jüdische Schule in Hainsfarth, dieschließlich nur noch von drei Schülern besuchtwor den ist, geschlossen wird, verliert Ferdinandseine dortige Arbeit als Lehrer. Daher verbringen erund seine Frau Sofie zunächst ein Jahr in Ha chen -burg bei Ferdinands Schwester Jenny und derenFamilie. 1924 wird in der Herzog-Rudolf-Straße inMünchen durch den jüdisch-orthodoxen Verein„Ohel Jakob“ eine neue jüdische Volksschule ge -gründet. Hier findet Ferdinand wieder eine Anstel -lung und zieht zusammen mit Sofie nach München.Bei seinen Schülern ist Ferdinand sehr beliebt,auch wenn sie ihn den ,,dicken Kissinger“ nennen,im Kontrast zu seinem Bruder Julius, der ebenfallsan der Schule unterrichtet.

In einer Stadt, in der der Antisemitismus zu dieserZeit immer größere Wellen schlägt, ist das Lebenfür einen jüdischen Lehrer wie Ferdinand Kissingersicherlich nicht einfach, zudem für Ferdinand dieScheidung von Sofie eine zusätzliche Belastungdarstellt. Finanziell scheint es Ferdinand jedoch gutzu gehen – er lebt einige Jahre in einer Wohnungin einem großen, repräsentativen Mietshaus in der

Thierschstraße, während nur wenige Meter weiterAdolf Hitler zur selben Zeit noch zur Untermiete lebt.

Trotz oder vielleicht auch gerade wegen seinesWohl standes ist Ferdinand einer der 26.000 „Ak -tions juden, die nach der Reichspogromnacht imNovember 1938 in Konzentrationslagern inhaftiertwerden. Ferdinand Kissinger muss zwei Monate inDachau verbringen. Eine Vorstellung, wie es Fer -dinand dort ergeht, erhalten wir durch den Berichtdes ehemaligen Schülers Simon Maoz (früherWalter Marx). Durch ihn erfahren wir, wie sein Vaterdie Misshandlung von Ferdinand Kissinger inDachau miterlebt hat: „Eines Morgens werden dieHäftlinge aus den Ba racken gerufen zum Appell.[...] Die Häftlinge stehen in der Reihe, der SS-Mannschreitet sie ab, sieht die Reihe von der Seite anund sieht den Bauch des dicken Kissinger hervor-stehen. [...] Kissinger muß raustreten, wird auf denBoden ge worfen. Die SS-Männer treten und sprin-gen ihm mit ihren Stiefeln auf den Bauch, damit dieReihe gerade werde.“

Friedrich Marx glaubt, Ferdinand Kissinger sei anden Misshandlungen im Konzentrationslager Da -chau gestorben. Tatsächlich wird Ferdinand jedoch

14

Lehrer Ferdinand Kissinger mit einer Klasse der Judischen Volksschule Munchen, 1937

Katharina Steinegger vor dem Denkmal in Kaunas, das an ca. 50.000 ermordete Juden erinnert.

Page 9: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

17dienstrecht

Ja, es geht wieder los mit den Attacken gegen die Pensionen derBeamtinnen und Beamten. Im nächsten Jahr wird Bun des -tagswahl sein und es steht zu erwarten, dass einige Kapitel ausder Sozialpolitik auf der politischen Agenda stehen werden.Schon heute laufen sich einige Journalisten für die anstehendenDiskussionen warm, damit an den Stammtischen und in denTalk runden genügend kontroverses Material bereit liegt.

Argumente prüfen!

Gewerkschaftspolitisch lässt sich auch der IG-Metall-Chef hö -ren: Um das Absinken des Rentenniveaus zu verhindern, sollenkünftig die Beamten in die Rentenkasse einzahlen! Das ist ganzschön frech: Wir Beamte sollen in eine Versicherung einzahlen,von der wir von vorneherein nie einen Nutzen haben werden.Manche Argumente kann man nur mit sarkastischem Humor zurKenntnis nehmen. So erregt es eine Journalistin, dass diePensionistinnen und Pensionisten auch deshalb so viel Geldkosten, weil sie durchschnittlich zwei Jahre länger leben, als die

Rentnerinnen und Rentner. Ja, was sollen wir tun, um diesesPrivileg endlich zu kappen? Mehr rauchen? Mehr Alkohol trin-ken? Viel fettes, rotes Fleisch essen? Uns kaum noch bewe-gen? Zugegeben, Suizide im Sinne der „seidenen Schnur“ oderdes „Schierlingsbechers“ werden noch nicht verlangt ...

Das Lachen vergeht uns allerdings, wenn mit eklatanten Fehl -informationen über das Durchschnittseinkommen der Pensio -nisten Stimmung gemacht wird: „Selbst nach Abzug aller Steu -ern und Krankenversicherungsbeiträgen bleiben allein leben-den Ex-Beamten 3.404 Euro netto und Paaren 2.936 Euro proKopf.“ Wer solchen Unsinn in einer seriösen Zeitschrift nieder-legt, dokumentiert zwar seine Unfähigkeit, aber er/sie trägt dazubei, die Neiddebatte gegen uns anzuheizen.

Sachlich diskutieren!

Nur Gleiches darf mit Gleichem verglichen werden! Beginntman damit Ungleiches mit Ungleichem zu vergleichen kommt

man blitzartig in den argumentativen Urwald. So passiert esgrundsätzlich all denjenigen, die versuchen das Rentensystemdem System des Beamtenversorgungsrechts gegenüberzustel-len und daraus irgendwelche sachdienliche Erkenntnisse füreine Sicherstellung der Rentenfinanzierung zu gewinnen.

Die historischen Wurzeln beider Systeme sind nur in einem Zielvereint: Ausgediente, alte und arbeitsunfähige Menschen müs-sen irgendwie weiter versorgt werden. Und um dieses „irgend-wie“ wird gestritten.

Aber wir sollten uns schon bewusst machen, • dass diese Angriffe auf die Alterssicherung der Beamtinnen

und Beamten so zuverlässig wiederkehren werden wieSchlechtwetterperioden,

• dass das Interesse aller Nicht-Beamten an diesem Themafür sämtliche Medien ein gutes Geschäft ist, weil mit einervermeintlichen Privilegiendebatte an jedem Stammtisch dieniedrigen Instinkte geweckt werden können.

Die Medien müssen sich in irgendeiner fernen Zukunft darüberbewusst werden,• dass die polemischen Attacken der Journalisten zwar dem

Ansehen der Beamten schaden, • den Arbeitnehmern, also den künftigen Rentnern aber über-

haupt nichts nützen.

Schlimmstenfalls hetzt man lediglich Beschäftige, die unter-schiedlichen Alterssicherungssystemen angehören gegenein-ander auf, bis wir alle vor einem sozialpolitischen Scherbenhau - fen stehen. Rentner gegen die „pensionierten Paradiesvö gel“?Bei dieser Auseinandersetzung verlieren alle – und das kannkeiner wollen!

Optimistisch bleiben!

Es ist nicht zu leugnen: Nur wer die Macht und die Zustän -digkeit hat, kann in einer Demokratie etwas verändern. Wederdie Medien noch die IG-Metall haben in Bayern etwas zu be -stim men. Ihnen bleibt allein die Stimmungsmache.

Die Macht in Bayern hat seit weit über 50 Jahren die CSU. Siestellt die Regierung und vor allem die Mehrheit im Parlament.Sicherlich haben und hatten wir als BLLV, aber auch alsLehrerinnen und Lehrer vor Ort, also als pädagogische Profis,in der Auseinandersetzung mit diesen Mehrheiten unterschied-liche Auffassungen, ja, es gab einige massive Konflikte. Aber,

ganz pragmatisch gesprochen, dürfen wir uns derzeit weder alsaktive bayerische Beamte, noch als Pensionisten beklagen!Die Landesregierung – und nur sie – hat seit 2008 die Zustän -digkeit für das gesamte Beamten-, Besoldungs- und Versor -gungs recht und davon macht sie auch Gebrauch. Beispiele:

• Seit vier Jahren finden die sogenannten linearen Besol -dungs- bzw. Pensionserhöhungen zum gleichen Zeitpunktstatt, wie die Verbesserungen im Tarifbereich. Und vor allemwird auch die prozentuale Höhe übernommen! Das ent-spricht zwar grundsätzlich dem Wortlaut des Besoldungs -gesetzes, aber die Po li tik hat sich daran viele Jahre lang nichtgehalten. Finanz mi nister Dr. Söder sagte beim Delegierten -tag des Bayeri schen Beamtenbundes (BBB) im April 2016:„Ich will keine Zwei-Klas sen-Gesell schaft im öffentlichenDienst. Ordent liche Arbeit muss auch ordentlich bezahlt wer-den, egal in welchem Be schäf tigtenverhältnis!“

• Deshalb und auch wegen des sogenannten „Weihnachts -geldes“ das bei uns zum größten Teil weitergezahlt wird, inanderen Bun desländern ganz gestrichen wurde, liegen zwi-schen den Jah reseinkommen eines verbeamteten Lehr ers/einer Leh rerin in Berlin und in Bayern jetzt einige TausendEuro! Logi scherweise gilt das entsprechend auch für dieRuheständler.

• Die sogenannte „Mütterrente“ wurde im Prinzip voll in dasVer sor gungsrecht integriert. Aber nur in Bayern!

• In Bayern gibt es schon eine weitgehende Flexibilisierungdes Eintritts in den Ruhestand. Dr. Söder hat angekündigt,den flexiblen Ruhestandseintritt noch mehr ins Augenmerkzu rücken.

• In anderen Bundesländern – ob schwarz oder andersfarbigregiert – wird weiter verschleppt und gekürzt. In den Beihilfe -regularien wird gespart, was das Zeug hält.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dieser Umgang mituns bayerischen Beamten und Versorgungsempfängern in dernächsten Zeit ändern wird:

„Wenn man mit der Altersversorgung spielt,verliert man an Seriosität!“,

so der Finanzminister wörtlich heuer beim BBB. Und wenn ichihn richtig einschätze, dann ist er in diesen Tagen stets bemühtweiterhin an Seriosität zu gewinnen. Also die Ruhe bewahren,liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie sich das für Ruhe stän d -ler gehört!

Klaus Neumann

Haben wir einen „Schutzpatron“?

Page 10: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

19spuren

Motor der Gleichberechtigung Margit Heidecker feierte 90. Geburtstag

Beine und Arme von Margit Heidecker mögenzwar nicht mehr so wie in jungen Jahren allesmitmachen, aber die Nürnbergerin hat nochgenauso viel Witz und Charme wie früher. Dieehemalige BLLV-Vizepräsidentin feierte amPfingstsamstag ihren 90. Geburtstag. Auch das„60 … und mehr!“-Team gratulierte zu diesembesonderen Wie gen fest und blickte mit der ehe-maligen Volksschul lehrerin auf 60 und mehrJahre Verbandsge schichte zurück.

Das Wetter an Margit Heideckers Ehrentag hättenicht schöner sein können, als sie mit ihrer Familieden 90. feierte. Sie mag Junggesellin sein, darf abereine große Familie ihr Eigen nennen. Ihre Familie,das sind elf Neffen und Nichten mit vielen Kindern,einige Schwägerinnen sowie fünf Geschwister, vondenen aber bereits drei verstorben sind. Und allesind so musikalisch wie die Jubilarin. So durfte einGeburtstagsgeschenk nicht fehlen: ein kleinesKon zert von und mit der Familie. „War das schön“,

schwärmt Margit Heid ecker und hebt gleichzeitigihre Hände hoch. „Die wollen ja leider nicht mehrso“, bedauert sie und blickt auf ihren Flügel. VieleStücke hat sie darauf schon er klin gen lassen, hatStress und Kummer einfach weggespielt und Tonfür Ton wieder Kraft für den Alltag gesammelt.„Jetzt bleibt mir nur noch Zu hören übrig, aber auchdie Publikumsrolle muss ja jemand übernehmen.“

Ihrer Klavierlehrerin hat sie es übrigens auch zuverdanken, dass sie Lehrerin geworden ist. „Als siegehört hat, dass ich mich für die Ausbildung inter-essiere, hat sie mir einen Platz an der Lehrer bil -dungsanstalt in Eichstätt besorgt. Ich konnteFebruar anfangen.“ 1947 war das. Der Kurs liefzwar schon seit September, aber Margit Heideckerdurfte trotzdem noch einsteigen.„Bis Ostern war ich dann auch nurdamit beschäftigt, den Stoff seitSeptember nachzuarbeiten unddie Notizen der anderen abzu-schreiben. Da wir keine Bücherhatten, wurde uns viel diktiert. Ent -sprechend viel hatte ich nachzutra-gen.“ Die Ausbildungszeit warallerdings aus einem anderen Grund noch sehrernüchternd für sie. „Meine Schulzeit war ja lang.So lang wie das 1000-jährige Reich: 1933 einge-schult, 1945 Abitur zeugnis abgeholt. Meine Nürn -berger Schule, an der ich Abitur gemacht habe, warder NS-Ideo logie gegenüber sehr zu rück haltend.Beispielsweise mein Deutsch- und Ge schichts leh -rer: Eigentlich hätte er die NS-Geschich te mit unsdurchgehen müssen, aber er hat mit uns lieber denUnterschied zwischen deutscher und italienischerRenaissance durchgenommen. Auch mit unserenanderen Lehrern konnten wir richtig diskutieren.Und dann komm ich nach Eichstätt, an die Lehrer -bildungs an stalt für katholische Männer wohlge-merkt. Ich kam mir vor wie in der Feuerzangen -bowle.“ Besonders den Schulleiter werde sie nichtvergessen. „Ich steh also so im Büro des Ober -studiendirektors, der meine Bewer bungsunterlagensichtet. Dann blickt er auf und sagt: Sie sind ja einedoppelte Gast schü l erin! Sie sind erstens evange-

lisch und zweitens ein Mädchen und ich weiß nicht,was das Schlimmere ist.“

So altbacken wie der Oberstudiendirektor war auchder Lehrplan, nach dem die Ausbildung zur Lehr erinerfolgt ist. „Der war von 1926, da bin ich ja gebo-ren.“ Das einzig Gute daran sei gewesen, dassMusik darin noch eine große Rolle gespielt habe.Aber lange kam sie nicht in den Genuss der LAB-Ausbildung. Am 20. Dezember 1947 war der Kursauch schon beendet. „Ein Freund meines Vaters,ein Lehrer, hat sich immer kaputt gelacht, was wirda so gelernt haben. Mädchen, glaub das nichtalles, hat er immer gesagt. Dass das keine großeAusbildung war, können Sie sich denken“, sagtMargit Heidecker. Erst durch Versuch und Irrtum

habe sie Unterrichten gelernt.

Aus ihr ist trotzdem eine guteLeh rerin geworden. Da es da malsin Nürnberg keine Realschulengab, haben Nürnberger Volks -schu llehrer Aufbauzüge ins Le -ben gerufen. Be gab te Schülerin -nen und Schüler der siebten

Volks schul klasse bekamen jeden Mittwochnach -mittag und Samstagvormittag zusätzlichen Mathe-,Phy sik- und Englischunterricht auf Realschul -niveau. Nach der achten Klasse konnten die zu -sätzlich geförderten Schüler freiwillig zwei weitereSchul jahre dran hängen. „Wir hatten in zwei Schul -häu sern zehn Parallelklassen der 9. und 10. Klas -sen á 40 Schüler. Nach der 10. Klasse haben un -se re Schüler dieselbe Prüfung wie die Realschülerge schrieben. Wir waren so erfolgreich, dass Nürn -ber ger Firmen erst dann einen Realschüler einge-stellt haben, wenn kein Aufbauzügler mehr zu ha -ben war. Das war so ein tolles Arbeiten. Ich hattedie Klas senführung in einer Mädchenklasse undübernahm in der parallelen Bubenklasse Deutsch,Ge schichte, Erdkunde und Musik. Dafür erteilte derKollege der Bubenklasse bei meinen MädchenKauf männisches Rechnen und Buchführung. „Fürmich sind das böhmische Dörfer“, erzählt MargitHeidecker. Das einzige Manko an der Sache: „Ich

„Ich kam mir vor wie in derFeuerzangen-

bowle“

Page 11: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

hatte im Monat immer 80 Aufsätze zu korrigieren.Das ist echt eine Herausforderung, vor allem, weiles damals noch diese langen Aufsätze waren undich finde, dass man davon nur fünf am Stück korri-gieren kann. Beim sechsten wird man einfachungerecht, weil man sich ärgert,dieselben Fehler schon wieder zusehen.“ Ihre Lösung: „Jeden Mor -gen habe ich mir um 4.30 Uhrden Wecker gestellt, habe fünfAufsätze korrigiert, wohlgemerkt,keinen sechsten, und bin dann indie Schule. Da schafft man danndie 80 Auf sätze auch im Monat und das Pensumwird überschaubarer. Zum Glück bin ich Frühauf -steher. Bin ich übrigens immer noch.“

So viel Spaß ihr der Unterricht in den Aufbauzügenauch gemacht hat, das Kultusministerium machte

den Nürnbergern bald einen Strich durch dieRechnung. „Sie haben uns einen Brief geschrie-ben. Darin stand: Der Schulversuch Aufbauzügewar erfolgreich. Er wird am 31. Juli eingestellt.“ Damuss Margit Heidecker selbst jetzt noch lachen.

„Die waren schon immer lustig“,sagt sie mit einem ironischenUnter ton. „Wir waren wahrschein-lich zu erfolgreich und den Real -schullehrern ein Dorn im Auge.“Die Stadt Nürnberg gründete zweiRealschulen, damit die Aufbau -zug-Schüler weiter machen konn-

ten. „Es hieß auch, wir Lehrer können alle über-nommen werden. Der Witz war nur: Wir sollten alledie Realschullehrerprüfung ablegen.“ Was MargitHeidecker davon hielt, verschweigt sie nicht. „Dasist doch lächerlich: Wir haben die Arbeit seit Jahrengemacht und haben bewiesen, dass wir es können.

21spuren

Und dann noch eine Prüfung?“ Vieles erinnert andie Gymnasial- und Realschullehrer, die seit Jahrenan Mittelschulen unterrichten, aber für eine Fest -anstellung erst ein weiteres Lehramtsstudium samtVorbereitungs dienst ablegen sollten. Argwöh n i scheBlicke der Real schulen auf kreative Mittel schulen,die Ein führung des M-Zweiges oder des mittlerenSchul ab schlusses – seit Jahrzehnten doch immerdasselbe, findet die 90-Jährige.

Auch im BLLV hat Margit Heidecker neue Wegeeingeschlagen. Vor über 60 Jahren, genau genom-men 1948, trat sie in den Verband ein. Drei Jahrespäter erst bekam der alte BLV sein zweites „L“, alssichtbares Zeichen, dass er mit dem Lehrerin nen -verein fusioniert hatte. Dabei war Margit Heideckerschon bei der Wiedergründung 1946 in Nürnberglive dabei. Ihr Chorleiter war überzeugter BLVlerund umrahmte die Wieder grün dungsfeier mit sei-nem Chor und somit auch mit Margit Heideckermusikalisch. „Ich hab zwar den BLV seitdem ge -kannt, aber eintreten wollte ich eigentlich nicht“,erzählt die Jubilarin offen. Ihr Schulleiter habe sieletztlich überzeugt. Sie traf viele bekannte Ge -sichter wie ihre ehemalige Lehrerin in FachErziehungslehre im Verband, Michaela Gerstner.Beeindruckt war Margit Heidecker auch von LotteGlück. „Beide haben ihre Kolleginnen des altenLehrerinnenvereins aufgefordert, in den BLV einzu-treten. So haben sie den Grundstein gelegt für einegleichberechtigte Zusammenarbeit im BLV.“ EineFrauenvertretung im BLLV gab es bis 1972. „DieAuflösung war für Lotte Glück der größte Erfolg,ihre Losung war immer gewesen: Wir müssen unsüberflüssig machen.“

Wie behaupten sich Frauen in einer Männerdo -mäne? Wie schafft man das? „Hmh“, überlegtMargit Heidecker. „Da gibt es keine Tipps oderTricks. Das ist eigentlich ganz einfach: Mitmachenund persönlichen Einsatz zeigen, sodass die ande-ren merken, es geht gar nicht anders. Das wareigentlich alles“, winkt sie bescheiden ab. So ein-fach dürfte es dann doch nicht gewesen sein. Einegroße Vorkämpferin für die Frauen im Verband ist

sie so oder so. Von 1978 bis 1990 prägte sie dieArbeit im BLLV-Landesvorstand mit, zuerst alsSchriftführerin, dann von 1984 bis 1990 schließlichals Vizepräsidentin. Eine Emanze im negativenSinne war sie nie. Ganz im Gegenteil. Ihr ging esimmer um Gleichberechtigung und Begegnung aufAugenhöhe. Weshalb man ihr diese Sorge genausoabnimmt: „Der Verband besteht zwar zum Großteilaus Frauen, aber wir müssen aufpassen, dass sichdie Männer gleichberechtigt fühlen.“

Claudia Rothhammer

Eine großeVorkämpferin für

die Frauenim BLLV

Margit Heidecker strickt für ihr Leben gerne in ihrem gemütlichen Wohnzimmer.

Margit Heidecker in ihrer Wohnung.

Page 12: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

2322

impressumHerausgeber: Gemeinschaft der Senioren im Bayerischen Lehrer- und Lehrerin -nenverband (BLLV), Bavariaring 37, 80336 München, www.bllv.de

Chefredakteur/Redaktion:Toni Gschrei, [email protected], Tel. 08671 13226Claudia Rothhammer (cro), [email protected]. Dieter Reithmeier, [email protected]

Anzeigen:A.V.I. Allgemeine Verlags- und Informationsgesellschaft mbHTel. 0511 779538-0, [email protected]

Art Direction und Layout:Sonia Hauptmann, [email protected], Tel. 089 721001-820

Bildredaktion und Fotos:Dominik Gierke (Fotostudio Roeder), [email protected] außer: S. 4 + 5 + 7 BLLV Archiv, S. 6 +14 Stadtarchiv München,S. 8 + 11 Stadtarchiv Schwabach, S. 12 Bayerisches StaatsarchivMünchen, S.13 + 15 Julian Monatzeder, S.16 Achim Sass

Druck:OrtmannTeam Ainring/MitterfeldenTel. 08654 4889-0, Fax 08654 4889-15 www.OrtmannTeam.de

Kleinanzeigen, Kontakte, Verkäufe, Ferienwoh nungen, Infos,

Sammler – was immer Sie mitteilen wollen. Hier ist Platz für Ihre

kostenlose Kleinanzeige. Melden Sie sich bei [email protected]

termine

Tageskurs KalligraphieSamstag, 15. Oktober 2016

Gestalten von GlückwunschkartenIndividuelle Post von Hand geschrieben, im Briefumschlag ver-schickt, das ist ein Geschenk, das sicher nicht gleich wiederentsorgt wird – wie gekaufte Karten oder schnelle Grüße per E-Mail. Schmuckbuchstaben, kombiniert mit der eigenen ver-edelten Handschrift, mit Farben, Gold oder Silber verfeinerterlauben vielerlei Gestaltungs mög lich keiten für einen ganzbesonderen Gruß an ganz besondere Menschen.

Referentin: Hildegard Rösch Kosten: 40 € Verpflegung 20 €

Ort: Bildungszentrum im Kardinal-Döpfner-Haus, Domberg 27, 85354 FreisingBeginn: Samstag, 15. Oktober, 9.30 Uhr bis 17.00 UhrInfos und Anmeldung: Kardinal-Döpfner-Haus, Tel.: 08161 181-0; www.bildungszentrum-freising.de

Seniorenbildungswoche im Herbst24. bis 28. Oktober 2016

„Dass unsere Sinne wir noch brauchen können ...

… und Händ und Füße, Zung und Lippen regen, das haben wirzu danken seinem Segen!“ Dieses sinnenfrohe geistliche Liedaus dem 17. Jahrhundert begleitet uns durch die Woche. Esgeht buchstäblich ums sinn-volle Leben. Wenn das Älterwerdenschon unvermeidlich ist, wollen wir – so lang und so gut es geht– sehen, hören riechen, schmecken, fühlen. Die Sinne schärfen, bei Sinnen bleiben – dazu bietet dieBildungswoche vielerlei Anregungen und Übungen. Und wennder „Sinn verloren“ geht (Demenz)? Auch dazu gibt es Hilf -reiches zur Vorbeugung – und zum Umgang mit Betroffenen.

Referent: Konrad Haberger, Kosten: 220 €Ort: Landvolkshochschule NiederalteichBeginn: Montag, 24. Oktober, 14.30 Uhr Ende: Freitag, 28. Oktober, 13.00 UhrInfos und Anmeldung: Landvolkshochschule, Hengersberger Str. 10, 94557 Niederalteich, Tel.: 09901 93520; www.lvhs-niederalteich.de

nachrichten

PC-Ratgeber für SeniorenUnter dem Titel „Wegweiser durch die digitale Welt für ältereBürgerinnen und Bürger“ hat die Bundesarbeitsgemeinschaftder Seniorenorganisation (BAGSO) eine interessante Bro -schüre veröffentlicht, die der Generation 60+ hilfreiche Tippsgibt, wie man sich im World-Wide-Web gut zurecht findet. Unteranderem wurden folgende Themen behandelt: Internet, Viren -schutz, E-Mail, Soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Medizini -sche Portale, Kauf im Internet, Online-Banking und vieles mehr.

Bestellen können Sie diesen Ratgeber kostenlos beim Publi -kationsversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132Rostock. Oder Sie bestellen sie per E-Mail unter [email protected]

Max Schindlbeck

Sicherheitsbroschüre für Senioren Die polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundesin Stuttgart hat einen neuen Ratgeber über Schutzmaßnahmenvor Kriminalität im Alltag älterer Menschen herausgebracht. Siehat den Titel: „Sicher leben – Ratgeber für Ältere und Jung ge -bliebene“. Schwerpunktmäßig werden hier folgende Themenbehandelt: Betrug, Computer-/Internetkriminalität, Diebstahl,Opferschutz, Raub/Erpressung, Zivilcourage, Enkeltrick, Ge -winn versprechen, Haustürgeschäfte, Taschendiebstahl, Trick -diebstahl, Sonstiger Betrug“.

Diese Broschüre kann man im Internet herunterladen unterwww.polizei-beratung.de. Sie können Sie aber auch bestellenbei: Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bun -des, zentrale Geschäftsstelle, Tauberheimstr. 85, 70372 Stutt -gart,E-Mail: [email protected]

Max Schindlbeck

Höchststand bei Pensionierungen von Lehrkräften

Rund 27.900 verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer wurden imJahr 2014 in den Ruhestand versetzt. Dies ist nach Angabendes Statistischen Bundesamtes (Destatis) der höchste Wert seitBeginn der statistischen Erfassung im Jahr 1993. In den fünf

Jahren von 2009 bis 2013 gingen jährlich durchschnittlich22.000 verbeamtete Lehrkräfte in den Ruhestand. ZumVergleich: Vor 1999 gab es pro Jahr nie mehr als 11.000Pensionierungen. Ursache für das hohe Niveau der letztenJahre sind die zahlreichen Einstellungen von Lehrpersonal inden 1970er Jahren. Gleichzeitig wurden 2014 noch nie so weni-ge Lehrkräfte aufgrund von Dienstunfähigkeit in den Ruhestandversetzt. Rund 3.200 (11 %) der 2014 pensionierten Lehre -rinnen und Lehrer waren dienstunfähig. Dagegen stieg die Zahlderer, die nach Erreichen einer Altersgrenze in den Ruhestandgingen, auf 24.700 im Jahr 2014 (2013: 23.100). Im Zeitraum1993 bis 2001 wurde jedes Jahr über die Hälfte der Lehrkräfteauf grund von Dienstunfähigkeit pensioniert. Nach der Einfüh -rung von Versorgungsabschlägen bei vorzeitiger Pensionierungfolgte bis 2014 eine kontinuierliche Abnahme der Dienst un fä -hig keit als Grund für den Ruhestandseintritt.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Kreativität4. bis 6. November 2016

Schmuck schmiedenGestalten Sie handgefertigte Ringe, Anhänger oder Broschenaus Silber, Gold und Edelsteinen. Ihrer Kreativität sind keineGrenzen gesetzt!

Referentin: Daniela KoronowskiKosten: 160 € (plus Materialkosten)Ort: Landvolkshochschule NiederalteichBeginn: Freitag, 4. November, 18.00 Uhr Ende: Sonntag, 6. November, 13.00 UhrInfos und Anmeldung: Landvolkshochschule, Hengersberger Str. 10, 94557 Niederalteich, Tel.: 09901 93520; www.lvhs-niederalteich.de

Kreativität18. bis 20. November 2016

Sterben, Schaffen und Auferstehen– Aspekte der Lebenskunst

Der Verlust eines geliebten Menschen löst tiefen Schmerz, Wutund Ohnmacht aus. Der Trauerprozess ist ein Wandlungspro -zess, in dem wir ein neues Verhältnis zwischen Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft finden und uns neu orientieren müssen. Trauern ist ein natürlicher Vorgang im Umgang mit lebensbe-deutsamen Verlusten, der neben großer Belastung auch positi-ve Erfahrungen zulässt. Um unsere innere Beziehung zumVerstorbenen, die äußere Realität und unser weiteres Lebenneu zu gestalten, brauchen wir schöpferische Kräfte. Im künst-lerischen Schaffen wird Kreativität und Schöpferkraft auf natür-liche Art und Weise aktiviert und trainiert und hilft uns so, auchals „Lebenskünstler“ ein sinnerfülltes Leben zu gestalten.

Leitung: Andrea LöschKursgebühr: 100 € zzgl. Übernachtung u. VerpflegungOrt: Haus St. Gregor, Plankstetten, 92334 BerchingBeginn: Freitag, 18. November, 18.10 UhrEnde: Sonntag, 20. November, 13.30 UhrInfos und Anmeldung: Haus St. Gregor Plankstetten, Tel.: 08462 206-201; www.kursprogramm-im-kloster.de

Page 13: thema dienstrecht spuren Margit Heidecker - bllv.de · Dabei ist auch eine Arbeit von Prof. Max Liedtke. Er sucht nach den „Gerechten“ im BLV. Was genau er damit meint, erklärt

Der BLLV Reisedienst empfiehlt:

Herbstferien, 31.10. – 04.11.2016Wien – Metropole zwischen Ost und West

Herbstferien, 29.10. – 05.11.2016Santorin – Farbsinfonie in der Ägäis

Es ist eine verspielte Leichtigkeit, die Salzburg, eine Weltstadtim Kleinformat, so unverkennbar macht: Die Silhouette von Fes -tung, Dom und Kirchtürmen der bezaubernden Barockstadt amNordrand der Alpen. Bei einem Bummel durch die SalzburgerAltstadt verspürt man den Hauch längst vergangener Zeiten: dieEpochen haben in Kirchen, Türmen, Fassaden, Balustraden undEmporen ihre Spuren hinterlassen.

Santorin, die Insel der Träumer und Romantiker, bezaubertseine Gäste mit einer schier unerschöpflichen Farbpalette.Zwischen schneeweißen Häusern mit blauen Dächern und lava-schwarzen Felsen bieten sich Ihnen stets herrliche Ausblicke aufdas azurblaue Meer, und die Sonnenuntergänge sind nirgendwoso spektakulär wie auf Santorin. Erleben Sie den Zauber derInsel auf einfachen und geruhsamen Wanderungen, bei denendas Genießen und Erleben im Vordergrund steht.

Freitag – Sonntag, 25.11. – 27.11.2016Salzburg im Advent

KreuzfahrtenEntspannt die Welt entdecken!

Schiffsreisen erfreuen sich einer immer größer werdendenBeliebtheit. Die unglaubliche Vielfalt an Schiffen und Rou -ten hält für jeden Gast die perfekte Wunschreise bereit. IhrBLLV Reisedienst ist ab sofort an Ihrer Seite und unterstütztSie bei der Auswahl des idealen Schiffes und der schöns -ten Route. Denn – Schiffsreisen sind einfach wunderbar!

50,- € Erstbucher-Rabatt für jede neueKreuzfahrtbuchung pro erwachsenem Vollzahler!!

Gerne können Sie sich auch auf unserer Internetseitewww.bllv-rd.de informieren.Wir freuen uns auf Sie!

BLLV Reisedienst GmbHKurfurstenplatz 5 • 80796 MunchenTel. 089 – 28 67 62 80 • Fax 089 – 28 67 62 88E-Mail: [email protected]

Sie haben sich einen schönen Urlaub verdient!

Als Metropole des K.u.K. Habsburgerreiches war Wien währendlanger Jahrhunderte nicht nur ein Zentrum Europas, sondernzugleich auch Drehscheibe zwischen Ost und West. Nicht allzuweit entfernt im deutschsprachigen Raum gelegen, bietet Wienein ideales Ziel für eine spätherbstliche Kurzreise; und nach dengemeinsamen Besichtigungen ist beim individuellen Bummelnund auf abendlichen Streifzügen dann Gelegenheit, die ausge-prägt genießerischen Seiten dieser Stadt zu entdecken.


Recommended