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tfrd Prlr - Jokers · ln n dr rpp ht h vn h nht törn ln, d hättn zölf hl Jf tnndr nht hhnrht, nd...

Date post: 16-Jun-2019
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»Der Weg von Bethlehem nach Agypten muß da-mals, in jenen heiligen Zeiten, durchs KönigreichBöhmen geführt haben ... « Gesichtet jedenfallswurden Josef und seine Familie dort. Dafür gibt esZeugen, unter ihnen die beiden Großmütter desChronisten. Und es fehlt nicht an Amtspersonen,die dienstlich mit dem Fall befaßt gewesen sind ...

Nicht nur Himmel und Hölle spielen kräftig in dieGeschichte hinein: Auch die versunkene böhmischeFolklore und die Welt der k. u. k. Monarchie werdenwieder lebendig.

Otfried Preußler wurde am 20. Oktober 1923 inReichenberg (Nordböhmen) geboren. Er ist einerder prominentesten Autoren deutscher Sprache.Nicht nur seine Kinderbücher, auch sein Roman>Krabat< (1971) erhielt nationale und internationaleAuszeichnungen.

Die Flucht nach ÄgyptenKöniglich böhmischer Teil

Das ist:Wahrhaftige und genaue Beschreibung

sämtlicher Vorfälle, Zufälle und Ereignissewie auch mehrerer Wunder,

welche sich damalsbei Durchzug der bethlehemitischen Wandersleute

im Königreich Böhmen begeben haben,teils Amts-, teils Zivilpersonen betreffend

sowie auch Tiere —geschätztem Leser zu erbaulicher Unterhaltung

vorgelegt durch Herrn

Otfried Preußler

aus Reichenberg in Böhmen

Deutscher Taschenbuch Verlag

Von Otfried Preußlersind im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:

Krabat (25087)

Die Zenzi mit dem Wackelzahn (75039)

Im Text ungekürzte AusgabeOktober 1996

6. Auflage Oktober 2005

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,München

www.dtv.defür die Taschenbuchausgabe beim Deutschen Taschenbuch

Verlag GmbH & Co. KG, München, für alle weiteren Ausgabenbei edition weitbrecht, Stuttgart

Erstveröffentlichung: München 1978

Umschlagkonzept: Balk & BrumshagenUmschlagbild: Herbert Holzing

Gesetzt aus der Stempel Garamond 12/14 (Linotron 202)

Satz: IBV Satz- und Datentechnik, BerlinDruck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany • ISBN 3-423-25116-6

Kapitel Numero eins

Welches mit einer kurzen, jedoch für unerläßlichgehaltenen Vorbemerkung den Anfang und hieraufim Stall von Bethlehem seinen weiteren Fortgangnimmt

Der. Weg von Bethlehem nach Ägypten muß da-mals, in jenen heiligen Zeiten, durchs KönigreichBöhmen geführt haben, quer durch den nördlichenTeil des Landes, bei Schluckenau etwa herein in dasböhmische Niederland, dann nicht ganz bis zumJeschken hinum, dann weiter im Vorland des Iser-und Riesengebirges, durch vorwiegend ärmliche,meist von Glasmachern, Leinewebern und kleinenHäuselleuten bevölkerte Gegenden bis in die Nähevon Trautenau — und zuletzt auf der Alten Zoll-straße über Schatzlar hinaus ins Schlesische, wo esdann nach Ägypten hinüber nicht allzu weit mehrgewesen ist.

Das wird zwar geschätzter Leser schwerlich sichvorstellen können, wenn man die heutigen Land-karten sich vor Augen hält: nur — die heutigenLandkarten sind eben damals noch nicht im Ge-brauch gewesen, das ist das eine; auch möchte esimmerhin ja der Fall sein können, daß sich die Stra-ßen und Reisewege zwischen den biblischen Ört-

lichkeiten seither verschoben haben, das ist das an-dere; drittens jedoch und hauptsächlich wird mansich aber fragen müssen, wie denn der heilige Josefseinerzeit, auf der Flucht vor dem König Herodes,überhaupt mit dem lieben Jesulein und der Mutter-gottes hätte im Königreich Böhmen durchkommenkönnen, wenn vormals der Weg von Bethlehemnach Ägypten nicht in der oben beschriebenenWeise verlaufen wäre. Und durchgekommen imKönigreich Böhmen, das sind sie ganz ohne Zwei-fel, nämlich es fehlt nicht an Zeugen, die das bekun-det haben, darunter auch meine beiden Großmüt-ter, und es fehlt nicht an Amtspersonen, welche mitder zeitweiligen Anwesenheit der Heiligen Familieauf königlich böhmischem Territorium sogardienstlicherweise befaßt gewesen sind, wie zumBeispiel der Herr k.k. Gendarmeriepostenkom-mandant Leopold Hawlitschek aus der GemeindeHühnerwasser, von dem noch die Rede sein wird.Zunächst aber, mit Erlaubnis geschätzten Lesers,wollen wir die Geschichte dort anfangen lassen, wosie begonnen hat: nämlich im Stall von Bethlehem,und zwar in der Nacht, die dem Tag gefolgt ist, anwelchem die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland bei der Krippe sich eingestellt und dem lie-

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ben Jesulein ihre Gaben dargebracht haben, einerGold, einer Weihrauch und einer Myrrhen.

Der Tag also ist vorbei, und im Stall von Beth-lehem ist es wieder still gewesen nach all dem Tru-

bei, man hat in der Finsternis nur den Atem vonOchs und Esel gehört und das Schnarchen vom hei-ligen Josef. Von Zeit zu Zeit muß die Muttergottesihn mit dem Ellbogen anstoßen, weil sie befürchtet,daß er womöglich noch mit der Schnarcherei ihrdas liebe Jesulein aufwecken möchte: Aber das Je-sulein in der Krippe hat sich von ihm nicht störenlassen, das hätten zwölf heilige Josefe miteinandernicht wachgeschnarcht, und so ist auch die Mutter-gottes dann endlich eingeschlafen, und weder sienoch das liebe Jesulein haben gemerkt, wie um Mit-ternacht jemand zum heiligen Josef kommt, ihmdie Hand auf die Schulter legt und ihn dreimal beiseinem Namen ruft.

Zuerst hat der heilige Josef gedacht, er wird haltder Muttergottes wieder einmal zu laut geschnarchthaben; wie er nun aber aufblickt, steht da an seinemLager der Erzengel Gabriel, groß und leuchtend:Da ist er nicht schlecht erschrocken, der guteMann, rasch ist er aufgesprungen vom Stroh undhat einen Zipfel von seinem Mantel erwischt, denhält er sich vor die Augen, damit ihn das Licht nichtblendet, das himmlische, das von dem Engel aus-geht.

Der Ochs und der Esel sind auch erschrocken ge-wesen, ganz steif sind sie dagestanden und habenden Erzengel Gabriel angeglotzt, bis er ihnen einZeichen gegeben hat: Da ist alle Furcht von denbeiden abgefallen. Der Ochs hat den Kopf gesenkt

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und sich langsam abgewendet, wie wenn er schonjetzt gewußt hätte, daß man ihn bei den Dingen, diesich in Hinkunft begeben werden, nicht brauchenkann; er ist in den hinteren Teil des Stalls getrottet,dort hat er sich in den Schatten gelegt mit dem Blickzur Wand, und sogleich ist er wieder eingeschlafen.Der Esel indessen ist ohne Scheu vor den Erzengelhingetreten, voll Neugier beschnuppert er ihm denSaum des Gewandes — und jener läßt es sich f reund-lich gefallen, er streichelt ihm mit der Linken dieKruppe und klopft ihm den grauen Hals.

Die Rechte hingegen hält er zum Himmel em-porgereckt, was die Vorschrift in solchen Fällenihm abverlangt, wenn er mit einer Botschaft hernie-derkommt zu den Menschen, wie er in dieser Nachtauch dem heiligen Josef eine zu übermitteln hat.Nämlich es hat sich (vom ^-ff Teufel ist ihm das ein-geblasen!) der König Herodes in seiner pech-schwarzen Rabenseele dazu entschlossen, daß mandas liebe Jesulein umbringen lassen muß: DerMordbefehl ist ergangen, die Büchsen sind schongeladen, die Säbel gewetzt, es sollen aus Galiläa be-reits zwei Schwadronen Dragoner sich auf dem Rittbefinden nach Bethlehem, und aus Jericho sind dieberüchtigten Sechser-Schützen im Anmarsch, einBataillon stark, so daß unter gar keinen Umständenihnen das liebe Jesulein in die Hände geraten darf,sondern man muß es vor ihnen und dem Herodes inSicherheit bringen, und zwar ins Ausland. Mit an-

deren Worten: Der heilige Josef soll rasch ein paarSachen zusammenpacken für die Familie, nicht zu-viel, bloß das Allernötigste, eine Decke für jeden,Windeln und Wäsche und etwas Wegzehrung aufdie nächsten Tage, nicht zu vergessen natürlich dieReisepässe! Dann soll er den Esel satteln und sollmit dem lieben Jesulein und der Muttergottes dieFlucht nach Ägypten antreten, wie es geschriebensteht.

Der heilige Josef hat vor Entsetzen die Hände überdem Kopf zusammengeschlagen bei dieser Nach-richt, und selbstverständlich muß man das liebe Je-sulein vor dem König Herodes und den Soldatenretten, sagt er; zugleich aber kommen ihm Zweifel,ob er den Weg nach Ägypten denn überhaupt fin-den wird, und wenn ja, so erhebt sich die Frage, wieman sich dort mit den Leuten verständigen soll, wodoch weder die Muttergottes noch er eine SilbeÄgyptisch können; auch ist ja das liebe Jesulein inden Reisepässen noch gar nicht eingetragen, dakönnte es möglicherweise an den diversen Grenzenzu Komplikationen kommen, befürchtet er. Nichtetwa, daß er sich dem Geheiß des Erzengels wider-setzen möchte, der heilige Josef, das tät er sich niegetrauen; aber es ist eben eine ungemein schwierigeSache, mit der man ihn da betraut hat: Man darfnicht vergessen, er ist bloß ein schlichter Zimmer-mann, und natürlich wird er's am guten Willen

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nicht fehlen lassen, aber wer weiß denn, ob das indiesem besonderen Falle ausreicht.

Gewiß, hat der Erzengel Gabriel ihm geantwor-tet, einfach ist diese Aufgabe für den heiligen Josefbestimmt nicht: das hat er sich gleich gedacht, wieman ihn ausgesandt hat mit dem Befehl an ihn; undso hat er sich extra danach erkundigt, ob es viel-leicht ihm gestattet sein möchte, daß er, der Erz-engel Gabriel, auf der Flucht nach Ägypten sicht-bar vor ihnen hergeht, damit sie den Weg nicht ver-fehlen und er sie notfalls vor Dieben, Räubern undsonstiger Unbill der Reise beschützen kann. Er hataber, leider Gottes, beim höchsten Thron kein Ge-hör gefunden mit seinem Vorschlag, sondern es istihm bedeutet worden, ein solches Geleit sei imgöttlichen Ratschluß nicht vorgesehen, wie übri-gens in der Bibel auch nicht, weshalb es gefälligst zuunterbleiben habe; das einzige, was man nach lan-gem Bitten und Flehen ihm schließlich zugestandenhat, ist die Erlaubnis zu einem — no, sagen wir, einerkleinen Begünstigung, von welcher indessen, außerdem heiligen Josef, kein Mensch etwas wissen darf,selbst die Muttergottes nicht. Nämlich die Sache istnunmehr die, daß sie der Erzengel, wenn schonnicht offen vor ihnen hergehend, wenigstens insge-heim nach Ägypten geleiten wird: in der Gestalt ih-res Esels, den sie ja ohnehin mitnehmen auf dieFlucht, und so wird das nicht weiter auffallen.

Ja so? hat der heilige Josef gestaunt, dann wird

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sich der Erzengel Gabriel ihnen zuliebe also in ei-nen Esel verwandeln?

Nein, hat ihm jener darauf erwidert, verwandelnwird er sich nicht, sonst hätten sie plötzlich ja einenzweiten Esel im Stalle, das möchte Verdacht erwek-ken; vielmehr wird er in den hier vorhandenen Eseleingehen für die Zeit der Reise: nämlich der Eselund er, der Erzengel, werden nun miteinander einswerden, bis auf weiteres, und es soll sich der heiligeJosef nur immer getrost nach dem Esel richten,dann folgt er zugleich dem Geheiß des Engels nach.

Der heilige Josef ist ganz gerührt gewesen vondiesen Worten und sehr erleichtert, und weil er sichdenken kann, daß es den Erzengel sicherlich Über-windung kostet, wenn er vorübergehend zum Eselwird, so verspricht er ihm wenigstens, daß er in al-len Stücken ihn gut behandeln wird unterwegs.

Der Erzengel hat ihm für diesen Vorsatz gedankt,und er ist überzeugt davon, hat er hinzugefügt, daßer's als Esel bei ihm schon wird aushalten können;aber das andere hat er ihm lieber nicht gesagt, dennwas möchte es ihnen beiden genützt haben, wenn erden heiligen Josef damit beschwert hätte: nämlichman hat es an höchster Stelle dem Erzengel Gabrielzur Bedingung gemacht, daß wenn man ihn in denEsel eingehen läßt, so muß er darin verbleiben bisan das Ziel der Reise; und falls er, aus welchen Grün-den auch immer, ihn vorher verlassen sollte, wirdman es unter gar keinen Umständen ihm gestatten,

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daß er noch einmal sich wieder hineinbegibt, son-dern es wird eben dann die weitere Flucht nachÄgypten ohne ihn stattfinden müssen — und damitbasta!

Dies also, wohlbemerkt, hat der himmlischeBote zum heiligen Josef nicht gesagt, weil er ihmkeine Unruhe hat verursachen wollen; auch habensie ohnehin schon zu lang miteinander geredet,meint er, und wenn sie nicht schleunigst machen,daß sie aus Bethlehem wegkommen, möchte essein, daß der König Herodes mit den Soldaten ih-nen den Weg nach Ägypten abschneidet — und wasdann?

Hiermit hat sich der Erzengel Gabriel aufgerich-tet, in seiner ganzen Größe und Majestät: Da ist esdem heiligen Josef, wie wenn er mit bloßen Augendie Sonne anschaut, und wieder greift er zu einemZipfel von seinem Mantel, und wieder bedeckt ersich das Gesicht damit; so verharrt er für ein paarAugenblicke — und dann, wie er probeweise hinterdem Tuch hervorblinzelt, zeigt es sich, daß der En-gel des Herrn verschwunden ist; und im Stall ist eswieder dunkel gewesen, wenn auch nicht ganz sofinster wie sonst bei der Nacht, weil von dem Felldes Esels, besonders an seiner Stirn, ein gewisserSchimmer ausgeht, als möchte vom Licht des En-gels ein wenig hindurchscheinen durch die Esels-haut. Dem heiligen Josef bleibt aber nicht viel Zeitzum Staunen, nämlich der Esel läßt das nicht zu, in-

dem er zum Aufbruch drängt und ihn unentwegtmit der Nase anschubst.

Schon gut, meint der heilige Josef, schon gut,wobei er die Streichhölzer aus der Hosentaschehervorkramt. Er nimmt die Laterne vom Haken,die an dem Pfosten neben der Türe hängt, knipstbei der Kerze das obere Ende vom Docht weg undzündet sie an; dann macht er sich ans Zusammen-packen von ihren Sachen, das dauert nicht lang,denn es ist ja nicht viel vorhanden zum Mitnehmen;lediglich die Geschenke, welche die Könige ausdem Morgenlande im Stall ihnen hinterlassen ha-ben, mit denen weiß er zu Anfang sich keinen Rat.Es handelt sich schließlich um wertvolle Gegen-stände, wie man sie einesteils gerne mitführenmöchte, weil man sie notfalls im Ausland zu Geldmachen kann, wenn man welches braucht — aberwenn man sich andernteils vorstellt, daß sie ja meh-rere Grenzen werden passieren müssen, und wennso ein Zollbeamter dann eine Königskrone aus demGepäck herausfischt, ein goldenes Weihrauchfaßund die silberne, über und über mit Perlen undEdelsteinen besetzte Myrrhenbüchse: Da wirdman sie schön in die Zwicke nehmen dafür, insLoch stecken wird man sie wegen Verdachts aufKirchenraub, oder zumindest auf Hehlerei; undwer wird ihnen dann schon glauben, das Kindleinda in den Windeln habe die Kostbarkeiten alle ge-schenkt bekommen, nämlich es seien drei Könige

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aus dem Morgenland extra zu diesem Zwecke her-beigereist.

Nein, muß der heilige Josef denken und hörtschon im Geiste die Zöllner sich über sie lustig ma-chen, und wie man sie im Gefängnis dann anbrüllenwird, beim Verhör, und wenn es beim Anbrüllenbliebe, so möchte das ja noch hingehen, aber esbleibt nicht dabei, und wer weiß, was man alles mitihnen noch anstellen könnte, es sind die Behördenja diesbezüglich nicht arm an Einfällen: Nein!denkt der heilige Josef, das dürfen sie nicht riskie-ren, daß sie die teuren Geschenke mitnehmen aufdie Reise — aber wohin damit?

Wie er noch überlegt, was er tun soll, sieht er imSchein der Laterne den Esel, welcher in einer Eckedes Stalles den Boden aufscharrt, wobei er zu ihm,dem heiligen Josef, herüberblickt — und der heiligeJosef versteht sogleich, was gemeint ist: Er holt eineHacke und einen Spaten und gräbt in der Ecke desStalles ein Loch ins Erdreich, vielleicht einen hal-ben Meter tief; dann nimmt er die Krone, dasWeihrauchfaß und die Myrrhenbüchse und legt siein einen hölzernen Kübel, den stopft er mit Strohvoll, dann stellt er ihn in die Grube und scharrt ihnein.

Es bleiben ihm von der ausgehobenen Erde zweiSchaufeln übrig, die schafft er hinaus und schüttetsie auf den Misthaufen hinterm Stall; dann stampfter den Boden über der Grube fest und bestreut ihn

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mit Spreu, damit man nicht merken soll, daß da et-was vergraben ist, denn er hofft ja, sie werden nacheiniger Zeit aus Ägypten zurückkehren können:Da will er dann alles wiederum aus dem Versteckherausholen — aber ob es tatsächlich dazu gekom-men ist, weiß man nicht, denn die Bibel schweigtsich dariiber aus.

Doch gleichviel, was nun wirklich geschehen istmit den königlich morgenländischen Kostbarkei-ten : Wir haben, geschätzter Leser, uns lang genugdabei aufgehalten. Jetzt aber sollten wir auf der Hutsein, damit uns die eigentliche Geschichte, wäh-rend wir Spekulationen über die Zukunft von voll-kommen nebensächlichen Dingen anstellen, nichtdavonläuft.

Schon hat inzwischen der heilige Josef das Bündelfertig gepackt und dem Esel aufgeladen, schon hater die Muttergottes vom Schlaf erweckt, schon ihrgesagt, daß sie eilends aus Bethlehem wegmüssen,weil es der Erzengel Gabriel ihm befohlen hat: Sound so ist das mit dem König Herodes und den Sol-daten, die auf dem Marsch sich befinden, aber siesoll keine Angst haben wegen dem lieben Jesulein,sondern mit Gottes Hilfe und dem getreuen Esel alsWeggefährten (wenigstens diese winzige Andeu-tung hat er sich nicht versagen mögen) werden siealler Gefahr entgehen und wohlbehalten am Zielder befohlenen Reise ankommen.

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»Großer Gott!« ruft die Muttergottes erschrok-ken aus und bekreuzigt sich; dann aber, ohne mitweiteren Fragen sich aufzuhalten, hebt sie das liebeJesulein aus der Krippe heraus, und nachdem sieihm rasch noch einmal die Windeln gewechselt hat,schlägt sie es in ein doppelt zusammengelegtesWolltuch ein, wie sie es bei der heiligen MutterAnna gelernt hat, und läßt sich vom heiligen Josefdas Wickelband reichen: Eins-zwei ist das liebe Je-sulein eingepackt und verschnürt bis zum Kinnhinauf — die Flucht kann beginnen.

Der Ochs hat die ganze Zeit über ruhig in seinemWinkel gelegen und sich um nichts gekümmert, wiewenn ihn der nächtliche Aufbruch im Stall nichtsangehen möchte; jetzt aber, wo es ernst wird, stehter auf einmal da, vor der Muttergottes und ihremKindlein, welches auch er ja mit seinem lebendigenAtem gewärmt hat die Tage und Nächte her. Unddie Muttergottes, sie wäre die Muttergottes nicht,wenn sie nicht spüren möchte, wie schwer ihm derAbschied von ihnen fällt, und sie legt ihm die Handauf den weißen Stirnfleck zwischen den Hörnernund dankt ihm für alle Hilfe und segnet ihn; dannbesteigt sie, das Jesuskindlein im Arm, den Rückendes Esels. Und wie nun der heilige Josef, nachdemer dem Ochsen rasch noch ein Bündel Heu in dieRaufe gestopft hat, den Grauen beim Zügel nimmtund das Tier mit der heiligen Last aus dem Stall hin-ausführt, läßt sich der Ochs auf die Knie fallen, und

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es ist ihm dabei zumute, als müßte er jeden Augen-blick bitterlich losweinen. Aber Ochsen, das weißman ja, weinen nicht, weil ihnen keine Tränen ge-geben sind von Natur aus. So hat er bloß demütigihnen nachgeglotzt und ist einerseits glücklich gewesen über den Segen der Muttergottes, anderer-

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seits aber hat es ihm in der Seele leid getan, daß ernun einmal ein Ochs und kein Esel gewesen ist.Denn wie gern er das liebe Jesulein auf dem Rückengetragen hätte, ob nach Ägypten, ob sonstwohinauf dem weiten Erdenrund: das wird man ihmnachfühlen können, auch wenn man sich selber fürkeinen Ochsen hält.

Kapitel Numero zwei

Worin wir aus Gründen der Rücksichtnahme dar-auf verzichten, den bethlehemitischen Kindermordein weiteres Mal sich ereignen zu lassen; um so mehrwird vom König Herodes darin die Rede sein undvon Kaiser Franz Joseph I. in Wien

Am anderen Morgen sind dann die Sechser-Schüt-zen aus Jericho unter den Klängen des Regiments-marsches durch die Straßen von Bethlehem einpa-radiert, und gleichzeitig haben vom Süden her, mitTrompetenschall und gezückten Säbeln, die Gali-läa-Dragoner in einer Staubwolke sich den Torender Stadt genähert; aber zu diesem Zeitpunkt, dahaben die Muttergottes, das liebe Jesulein und derheilige Josef mitsamt dem Esel sich glücklicher-weise schon in der Lausitz befunden, und wenn ih-nen nichts dazwischenkommt, was wir alle hoffen,so werden sie gegen Abend bereits in der Nähe vonBischofswerda sein, wo es dann nicht mehr weit bishinüber zur böhmischen Grenze ist.

Es haben in Bethlehem aber an diesem Morgenentsetzliche Dinge sich abgespielt, wie man weiß,und so möge geschätzter Leser es uns nicht nach-tragen, wenn wir in diesbezüglichen Einzelheitenuns nicht ergehen werden. Nämlich das viele Blut

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in den Straßen von Bethlehem, welches damals ge-flossen ist: Soll man noch einmal es fließen lassen?Soll man noch einmal die damals hingeschlachtetenKnäblein zum Leben erwecken in ihrer Unschuld:nur daß die Kriegsknechte, die Herodischen, aber-mals sie herauszerren aus den Häusern und auf derGasse mit Säbeln und Bajonetten sie totstechen,wie es die Herren Vorgesetzten ihnen befohlen ha-ben ? Und darf man, um Gottes Barmherzigkeitwillen, den Müttern, Vätern, Geschwistern undsonstigen Anverwandten nebst Ammen und Haus-gesinde ein weiteres Mal es zumuten., daß der Kin-dermord seinen Lauf nimmt vor ihren Augen? —und nichts gibt es, abermals nichts, womit sie ihnaufhalten könnten: Da hilft kein Geschrei und keinWehklagen, keine geballte Faust und kein noch soverzweifeltes Sich-Dazwischenwerfen; nur höch-stens, daß wiederum dieser und jener dabei zuSchaden kommt, weil die Soldaten (nachdem mitder heutigen Morgenverpflegung man vorsorglicheine doppelte Schnapsration ihnen auch diesmalwieder verabfolgt hat) keinen Pardon geben, fallsman sie in der Ausübung des Gemetzels behindernwird; nämlich wer fragt danach, wenn sie ein paarZivilpersonen, welche dem Kindesalter bereits ent-wachsen sind, auch noch mit totschlagen?

Nein, dieses alles wollen wir nicht ein weiteresMal sich ereignen lassen! Es reicht schon, wennman es andeutungsweise sich ins Gedächtnis ruft,

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zugleich mit der Feststellung, daß das HerodischeMilitär mit gewohnter Gründlichkeit seine Arbeitverrichtet hat; selbst den Ochsen im Stall von Beth-lehem haben sie abgestochen, die Sechser-Schüt-zen, weil er sie an die leere Krippe nicht hat heran-lassen wollen, nämlich es hätte ja sein können, daßsich darin ein Versteck befindet; jedenfalls habensie hinterher ihn ins Biwak geschleppt, an den Spießgesteckt, überm Lagerfeuer gebraten und schließ-lich gemeinsam ihn aufgefressen. Aber das mittler-weile bereits im Ausland befindliche liebe Jesuleinhaben sie eben doch nicht erwischen können — unddas ist die Hauptsache.

Der König Herodes, wie er die Meldung erhaltenhat, daß ihm der neugeborene König der Juden ent-ronnen ist, hat einen seiner gefürchteten Anfällevon besonderer Wut bekommen, wobei er in unbe-schreiblicher Weise sich aufgeführt hat in seinemPalast: Er hat einen Aschenbecher aus Bleikristallin den Spiegel geschmissen, zwei Sessel hat er zer-droschen, den Schreibtisch umgestürzt, mehrereZimmerpalmen entwurzelt, mit Schaum vor demMund, und man könnte sich vorstellen, daß er ausZorn sogar in den Teppich möchte gebissen haben,was aber unter den Mächtigen dieser Welt erst spä-ter in Mode gekommen ist, wie man hört, und sohat er sich lediglich auf dem Fußboden hin und hergewälzt und mit allen vieren um sich geschlagen

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