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TECHTEX & AUTOMOTIVE

Date post: 17-Mar-2016
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Faserbasierte Werkstoffe für die Mobilität von morgen Die deutsche Textilindustrie leistet einen signifikanten Beitrag zu den mobilen Zukunftsvisionen. Seit 2006 haben 16 im Forschungskuratorium Textil (FKT) vereinte Forschungsinstitute bundesweit ihre wissenschaftlichen Kapazitäten bei technischen Textilien zum Innovationsnetzwerk „Mobilität“ gebündelt und sich über Branchengrenzen hinweg eng mit der anwendenden Industrie verzahnt.
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TECHTEX & AUTOMOTIVE Faserbasierte Werkstoffe für die Mobilität von morgen
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Page 1: TECHTEX & AUTOMOTIVE

TECHTEX & AUTOMOTIVEFaserbasierte Werkstoffefür die Mobilität von morgen

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FIBRE Faserinstitut Bremen e. V. | Leitung: Prof.Dr.-Ing. Axel S. Hermann; www.faserinstitut.de ||

DTNW Deutsches TextilforschungszentrumNord-West e. V. an der Universität Duisburg-Essen (Krefeld) | Leitung: Prof. Dr. Jochen Gut-mann; www.dtnw.de ||

Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik(FTB) an der Hochschule Niederrhein (Mön-chengladbach) | Leitung: Prof. Dr.-Ing. MaikeRabe; http://www.hs-niederrhein.de/fb07/ ||

HIT Hohenstein Institut für TextilinnovationgGmbH (Bönningheim) | Leitung: Prof. Dr. rer. pol.Stefan Mecheels; www.hohenstein.de ||

ITA Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen | Leitung: Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing.Thomas Gries; www.ita-rwth-aachen.de ||

ITCF Institut für Textilchemie und Chemiefa-sern der Deutschen Institute für Textil- undFaserforschung Denkendorf | Leitung: Prof. Dr. rer. nat. habil. Michael R. Buch-meiser; www.itcf-denkendorf.de ||

ITM Institut für Textilmaschinen und TextileHochleistungswerkstofftechnik der TU Dres-den | Leitung: Prof. Dr.-Ing. habil. Dipl.-Wirt. Ing.Chokri Cheri; tu-dresden.de/mw/itm ||

ITV Institut für Textil- und Verfahrenstechnik derDeutschen Institute für Textil- und FaserforschungDenkendorf | Leitung: Prof. Dr.-Ing. Heinrich Planck;www.itv-denkendorf.de ||

STFI Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V. ander TU Chemnitz | Leitung: Dipl.-Ing.-Ök. AndreasBerthel; www.stfi.de ||

TFI – Institut für Bodensysteme an der RWTHAachen e. V. | Leitung: Dr. rer. nat. Ernst Schröder;www.tfi-online.de ||

TITK Thüringisches Institut für Textil- und Kunst-stoff-Forschung e. V. (Rudolstadt) | Leitung: Dr.-Ing.Ralf Bauer; www.titk.de ||

TITV Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtlande. V. (Greiz) | Leitung: Dr. rer. nat. Uwe Möhring;www.titv-greiz.de ||

Zentrum für Management Research (DITF-MR)der Deutschen Institute für Textil- und FaserforschungDenkendorf | Leitung: Prof. Dr. Meike Tilebein;www.ditf-denkendorf.de/mr/ ||

Textilforschungsinstitute mit Mobilitätsthemen

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1Bilder Umschlag: Hochfest und superleicht – Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) | Von RWTH Aachen-Stu-denten gebauter Rennwagen mit Karosserie und Abgaskrümmer aus CFK | Im Fahrgastraum wird künftig auf licht-leitende Fasern gesetzt | BMW i3 als erstes serienmäßiges E-Mobil mit CFK-Vollkarosse | Stoßfängerträger aus CFK

INHALT2 LICHT AM AUTOHIMMEL

3 MOBILE + TEXTILE ZUKUNFT

4 MOBILITÄTSSPRÜNGEUnterwegs mit Hightech-Fasern

8 BRANCHENBEISPIEL SGL Kümpers: Kurswechsel nach 110 Jahren

10 LEICHTBAUVerbundwerkstoffe gehen in Serie

14 ALTERNATIVSTROMErneuerbare Energien im Fahrzeug

16 GLOBAL PLAYERAUNDE Group gehört zu den Top 100 AutozulieferernSeit 34 Jahren auf Tuchfühlung

19 GURTE & BÄNDERSicherheit im Dutzend

20 SMART TEXTILES AUF VIER RÄDERNLeuchteffekte & Co. im Fahrgastraum

22 AUS SICHT DER FORSCHERNeuer Materialmix aus Aachen

24 AUS SICHT DER BRANCHEWie fahren wir morgen?Marktdruck erfordert Kooperation

26 NEWS VOM AUTOSITZSensoren für Sicherheit und Klima

28 GEDÄMPFTER AUFPRALLTextile Werkstoffe für mobile Sicherheit

29 VIER MAL BESSEROptimierte Faserwerkstoffe

32 VLIESSTOFFE AUF RÄDERNAlleskönner & Superleichtgewichte

34 FKT-LEITLINIEN 2025Was treibt die Textilforschung an?

36 RECYCLINGTechnologien für ein zweites Leben

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LICHT AM AUTOHIMMEL

Wohlfühlautos von morgen wird inner- lich so manches Licht aufgehen. Dafürsorgt die Textilforschung mit selbst-leuchtenden und elektrisch leitendenFasern, integrierten Schaltern und Sen-soren. Aus Chemnitz stammt die Nach-rüstidee zum Tuning des Autohimmels:eine Matte aus 3D-Spezial vlies mit in-tegrierten Kunststoff-Lichtwellenlei-tern. Grundlage dafür ist die mit optischenFasern bestickte OptiKnit®-Struktur(ein patentierter Maschen-Vlieswirk-stoff, der sich auch für die Auskleidungvon Radkästen empfiehlt), deren Lichtleitende und abstrahlende Fasern aneine Lichtquelle angeschlossen werden.Weil Lichtreflexion und -brechung amgesamten Fasermantel erfolgt, wirddie Textilfläche angenehm diffus undflächig beleuchtet. www.stfi.de

2 Bisher „leblose“ Autohimmel könnten beim Ein- und Aussteigen den PKW-Innenraum in diffuses Wohlfühllichttauchen – mehrere Textilforschungsinstitute wie das STFI Chemnitz beschäftigen sich mit solchen Lichtleit-Konzepten

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❭❭ Die Gesellschaft der Zukunft wird in zuneh-mendem Maße von Mobilität geprägt. Seit der

Erfindung des Automobils ist Deutschland einer derleistungsfähigsten Akteure auf den internationalenWachstumsmärkten effizienter und ressourcenscho-nender Fortbewegung von Menschen und Gütern. Die deutsche Textilindustrie leistet einen signifikan-ten Beitrag zu den mobilen Zukunftsvisionen. Seit2006 haben 16 im Forschungskuratorium Textil(FKT) vereinte Forschungsinstitute bundesweit ihrewissenschaftlichen Kapazitäten bei technischen Tex-tilien zum Innovationsnetzwerk „Mobilität“ gebün-delt und sich über Branchengrenzen hinweg eng mitder anwendenden Industrie verzahnt. Als Resultat sorgen beispielsweise Verstärkungentraditioneller Materialien mit Glas- oder Kohlefasernfür Gewichtseinsparungen bei Fahrzeugen – geradeim Hinblick auf Elektromobilität unerlässlich. Posi-tive Effekte für die Umwelt, wie gesenkte Emissio-nen durch verringerte Antriebsenergie, sind eingewünschter Nebeneffekt. Mit innovativer Technologie und Technik erzeugtetextile Werkstoffe erhöhen die Sicherheit für Menschund Umwelt in Produktion und mobilem Alltags le-ben. Investitionen der Textilbranche in Forschungund Entwicklung haben die deutschen Herstellertechnischer Textilien zum internationalen Welt-marktführer gemacht. Sie erzielen heute bereits 25Prozent ihres Gesamtumsatzes mit Produktneuhei-ten, nicht wenige davon mit Mobilitäts bezug. Dassichert Existenz und Wachstum der Unternehmenebenso wie zukunftssichere Arbeitsplätze. Branchenanalysten einer bekannten Großbankhaben unlängst eine noch frühere und engere Zu-sammenarbeit zwischen Textilwirtschaft und in-dustriellen Anwendern im Automotive-Bereichempfohlen. Nur so könnten überlegene textile Ma-

terialien bereits für die Konzipierung neuer Bauteileund Komponenten herangezogen und schnell an-gewandt werden. Das setzt natürlich voraus, dass die Automobil-,Flugzeug- oder Schiffbauer die erstaunlichen Mög-lich keiten technischer Textilien als neue Material-tech nologie kennenlernen. Dazu will unsereBro schüre einen kleinen Beitrag leisten.

Klaus Huneke und Peter Schwartze

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Klaus HunekeVorstandsvorsitzender Forschungs kuratorium Textil e. V.

MOBILE & TEXTILE ZUKUNFT

Peter SchwartzePräsident des Gesamtverbandes der

deutschen Textil- und Modeindustrie e. V.

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4 Welches Design prägt Autos von morgen? Vielleicht sogar aktiv oder passiv leuchtende Faserelemente an derKarosserie. Der „Blackbird“-Entwurf des ungarischen Designers Péter Várdai wagt einen Blick in die Zukunft

MOBILITÄTSSPRÜNGETextilien sichern Fortschritt: Hightech-Fasern ermöglichen neue Werkstoffeund damit Innovationen. Das ist mitBlick auf textilbewehrtes Bauen oderdie Implantologie mit faserbasiertenMaterialien wie Stents, Herniennetzeoder künstliche Blutgefäße nicht an-ders als in der Fahrzeugindustrie, wotextiler Leichtbau rund um die E-Mo-bilität ein großes Forschungs- und Be-darfsfeld ist.

Vor diesem Hintergrund haben sichTextilforschung und Textilwirtschaftlängst auf nationaler Ebene mit demFahrzeugbau vernetzt. Schon heute er-wirtschaften rund 50 mittelständischeTextilunternehmen in der Automobil-Zulieferindustrie mit gut 10.000 Mitar-beitern einen Umsatz von jährlich gutvier Mrd. Euro.

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❭❭ Gerade in dieser Branche werden Bauteile undsogar ganze Karosserien aus technischen Tex-

tilien immer wichtiger: Ohne Gewebe, Vliese undFäden würden Autos von heute erst gar nicht vomBand rollen, wenn man allein nur an Reifencorddenkt – Sitzbezüge, Türverkleidungen, Gurte, Air-bags oder Druckschläuche und Zahnriemen inklu-sive. Die Modelle von morgen und übermorgendagegen kämen gar nicht erst über das Reißbrettbzw. den Simulationsbildschirm hinaus, weil bei-spielsweise superleichte Karossen ohne Kohlefasern

(Carbon) Utopie bleiben müssten. Kohlefaserver-bundwerkstoffe gelten inzwischen als das hoff-nungsvollste Leichtbaumaterial von Gegen wart undZukunft.

ERST FLUGZEUGE, DANN AUTOS

Flugzeugkonstrukteure waren die Ersten, die mitBlick auf Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß ver-gleichsweise schwere Aluminium-Bauteile durchCFK (kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) er-setzten. Mittlerweile ist es üblich, große Teile dernichttragenden Flugzeughülle sowie andere Kon-struktionselemente, etwa Flügeloberschalen, so zu

fertigen. Beim fast serienreifen neuen Airbus A350beispielsweise beträgt der Anteil textiler Verbund-werkstoffe an der Konstruktion rund 50 Prozent.Boeing verwendet bei seinem neuen Langstrecken-flugzeug 787 sogar noch mehr CFK-Composite.Auch die Motor- und Zwei radindustrie favorisierenin den besonders hoch wertigen Segmenten denLeichtbau auf textiler Grundlage: Carbon-Kotflügelim attraktiven High tech-Look, Motorspoiler oderHelme bzw. für die Biker superleichte Laufräder, Ga-beln und Voll-Carbonrahmen.

Jetzt geht die Autoindustrie mit diesem noch teurenWundermaterial zu Kilopreisen von über 20 Euro(Bauteile aus CFK haben oft den vierfachen Kilo-preis) auf die Überholspur. BMW will 2013 das welt-erste Serienfahrzeug mit einer solchen Fahrgastzelleauf den Markt bringen: das MegacityVehicle mitemissionsfreiem Elektroantrieb in den Stadt- bzw.Sportwagen-Varianten i3 und i8. Auch VW und Mer-cedes planen entsprechende Modelle. Die Wolfs-burger haben für ihr Modell „XL1“ eine nur knapp800 kg schwere Vollkarosse aus Carbon im Auge,während Mercedes die E-Klasse um den „MercedesE-Superlight“ als viertürige Limousine mit einem Ka-rosseriegewicht von nur 1.300 kg bereichern will.

Unterwegs mit Hightech-Fasern

5Bilder von links: Neben Sitzbezügen und Airbag das bekannteste Textilprodukt im Auto, seit 1974 in Neu-wagen Pflicht und bei ungezählten Verkehrsunfällen lebensrettend – der Sicherheitsgurt | LEDs lassen sichim Webprozess exakt positionieren – das schafft neue Möglichkeiten für das Design im Pkw-Innenraum

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Eine ganz andere Leichtbaustrategie verfolgen an-dere Automobilhersteller: Sie wollen zunächst ersteinmal nur Bauelemente aus Kohlefasern einsetzen. Das Material mit seinen oft nur fünf Mikrometer fei-nen Fasern (ein menschliches Haar wirkt im Ver-gleich unter dem Elektronenmikroskop wegen desGrößenverhältnisses 1:10 dagegen fast wie einBaumstamm), ist hochfest und um die Hälfte bzw.ein Drittel leichter als Stahl oder Aluminium. DieWeltjahresproduktion ist mit 30.000 Tonnen ge-genüber Stahl mit 1,5 Mrd. Tonnen noch sehr be-scheiden. Mehr als ein Zehntel davon, exakt 4.500Tonnen, werden in Deutschland bei SGL Carbonhergestellt. An dem Unternehmen sind inzwischen

BMW und VW beteiligt – für beide Konzerne einestrategische Entscheidung zur Sicherung ihres künf-tigen Leichtbau-Materialbedarfs. Experten sind sich einig: Fahrzeugserien von jähr-lich bis zu 80.000 Pkw mit Kohlefaser-Konstruk-tionen sind automationstechnisch und auchkos tenmäßig bereits in wenigen Jahren möglich.Für das oben erwähnte VW-Sparmodell mit einemBenzinverbrauch von 0,9 Litern auf 100 km hat VWden Aufwand für die Carbonkarosserie beträcht-lich senken können. Hat der erste Entwurf im Jahr2002 noch 35.000 Euro gekostet, so sei man in-zwischen bei etwa 5.000 Euro, so das Manage-ment. Für CFK-Großserien mit 500.000 und mehrFahrzeugen jedoch ist die Zeit noch nicht reif. Aus

Sicht von Prof. Dr.-Ing. Klaus Drechsler, Lehrstuhl-leiter für Carbon Composites der TU München,werden bis dahin nochmals 10 bis 15 Jahre verge-hen. Denn viele Proble me harren noch der Lösung:Produktionseffektivität, reproduzierbare Qualitätenin der Serien produktion, Carbonfaser-Ersatz und-Recycling – um nur einige zu nennen.

INTELLIGENTE TEXTILIEN

Der automobile Fortschritt wird jedoch auch vonanderen Textilinnovationen in Fasern, Vliesen undGeweben bestimmt. Bereits jetzt enthält jeder Pkwrund 30 kg Textilwerkstoffe – Tendenz rasch zu-nehmend. Zudem wird allen am Fahrzeugbau Be-teiligten immer klarer, dass textile Werkstoffe samtihrer Produktionstechnologien zu den notwendigenSchlüsseltechnologien für die Mobilität von morgengehören. Faserbasierte Werkstoffe werden tenden-ziell immer „schlauer“, ergänzen und ersetzen Holz,Kunststoff, Metall oder Glas. Integriert in HighTex-Gewebe kann die textile Mikrosystemtechnik, auchSmart Textiles genannt, zum Beispiel zahlreicheneue Funktionen übernehmen: Beleuchtung, Sig-nalmanagement und Klimatisierung an erster Stelle. Es wird Autos geben, die erst nach dem Motorstartvollkommen neue Seiten offenbaren: Der Vliesstoffim Autohimmel oder in den Seitenverkleidungenspendet Wohlfühllicht; wo heute noch Schalter sind,übernehmen illuminierende Textilflächen per Touch -screen diese Funktion. Um die Liste neuer Funktio-nen und damit zusammenhängender offener Fragendes automobilen Textileinsatzes kümmert sich u. a.der Arbeitskreis Leichtbau des Forschungs kurato-riums Textil und leitet daraus Themen und Förder-projekte zur Unterstützung mittelständischerUnternehmen ab. In immerhin 13 der 16 im Forschungskuratoriumzusammengefassten deutschen Textilforschungs -institute ist der Einsatz von Hochleistungsfasern,

6 Genutzt von allen deutschen Automobilentwicklern: das Lichtlabor am ITV Denkendorf. Farbintensive textileLeuchtgarne aus Eigenentwicklung sollen demnächst auch in Omnibussen zum Interieur gehören

UNTERWEGS MIT HIGHTECH-FASERN

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Composites & Co. im Automotive-Bereich inzwi-schen eine Hauptforschungsrichtung. Insgesamtwerden fünf Clusterthemen, die für das Automobilder Zukunft relevant sind, bearbeitet: • Material (Simulation des Verhaltens, neue Mate-

rialien und Funktionalisierung, Smart Materials),• Leichtbau (Konstruktion, Design, Verarbeitungs-

technologie, Fügeverfahren, Prüfung, Qualitäts-management),

• Ausstattung, Komfort, • Sicherheit (Vorhersage des Versagensverhalten,

Struk turüberwachung),• Nachhaltigkeit (nachwachsende Rohstoffe,

Produktlebenszyklusanalyse, Recycling).

Das Forschungskuratorium Textil verweist auf an-nähernd 150 aktuelle, vorwettbewerbliche For-schungsvorhaben in den letzten vier Jahren,zumeist gefördert von den Bundesministerien fürWirtschaft und Technologie bzw. Bildung und For-schung sowie von der EU. Allein zum Mainstream-Thema Elektromobilität seien für Projekte in denJahren 2011 bis 2013 rund 40 Mio. Euro Förder-mittel zugesagt, so FKT-Geschäftsführer Dr. KlausJansen. Auf breiter Front vollziehen sich in die Zu-kunft gerichtete Forschungs- und Entwicklungs ak-tivitäten, die vom Aufprallschutz für Fußgänger inder textilen Motor haube, passiven und aktivenLeuchteffekten (Leucht himmel, Schlossmulden,Verkleidungen), textilen Schaltern bis hin zu intelli-

genten, mit Sensoren bestückten Sitzen reichen.Letztere sollen etwa Puls, Temperatur und Ermü-dungszustand des Fahrers messen oder die Sitzbe-legung signalisieren.

Um die Automotive-Aktivitäten nur an einem For-schungsstandort exemplarisch zu benennen: DasInstitut für Textil- und Verfahrenstechnik ITV Den-kendorf beispielsweise arbeitet nicht nur im ein-zigartigen Lichtlabor für die Fahrzeugindustrie.Textil forscher nehmen sich zudem die Natur zumVorbild: Aus bionischer Sicht (Bionik = Kombina-tion aus Biologie und Technik) wird versucht, Wirk-prinzipien aus Flora und Fauna auf Textil zu

übertragen. So stellte das Institut seine Technik zurVerfügung, um erstmalig einen „textilen Pflanzen-halm“ als hoch elastisches und superleichtes Mate-rial für bestimmte Bauteile im Auto einzusetzen.Noch einen Schritt weiter geht das benachbarteITCF Institut für Textilchemie und Chemiefasern.Hier arbeiten die Chemiker an selbstheilenden Ver-bundkomponenten, analog zur Heilung von Kno-chenbrüchen: Nach einem Aufprall „repariert“ dasBauteil einen Riss quasi selbst. Ebenfalls in den Kinderschuhen steckt derzeit nochdie Faserverstärkung von Metallen, wie keramik fa-serverstärktes Aluminium aus Aachen – ein leichterWerkstoff mit hoher Zähigkeit, der sich z. B. fürBauteile im Verbrennungsmotor eignen könnte.

7Bilder von links: Ein Blick in die möglicherweise nicht mehr allzu ferne Zukunft – in Bezugsstoffe integriertetextile Schalter | Das ITM Dresden koordiniert den Leichtbau-Cluster und bietet selbst laufend neue Lösungenan – gewichtsreduziertes Bauteil aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit Metallstabilisierung

UNTERWEGS MIT HIGHTECH-FASERN

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❭❭ Der Urenkel des Firmengründers stellteWeichen in die Zukunft, als die Baumwoll-

spinnerei und Weberei F. A. Kümpers genau110 Jahre bestand. Das war 1995. Seitdem hatFranz-Jürgen Kümpers den ursprünglich ausRheine stammenden Traditionsbetrieb voll-kommen umstrukturiert. Gesponnen und ge-webt wird noch immer – heute allerdingsCarbon statt Baumwolle. Bei SGL Kümpers inLathen/Emsland.

Während Globalisierung und die politische Wendein Osteuropa große Teil der traditionellen Textilin-dustrie in Deutschland zur Aufgabe zwangen, hatteder in Aachen ausgebildete Maschinenbauingenieurzunächst nur ein diffuses Gefühl: „Mit Baumwollewirst du nicht in Rente gehen!“ Nach knapp zehnJahren als einer der Firmenchefs des Familienbe-triebes mit 100 Gesellschaftern beschloss Kümperszunächst, das Textilunternehmen F. A. Kümpersnach Tschechien und die Slowakei zu verlagern. SeinFazit im Rückblick: „Wir hätten allein in Deutschlandnicht überleben können“. Heute arbeiten an denneuen drei Standorten 400 Mitarbeiter. Parallel dazu fand der heute 52-Jährige, der alswissenschaftlicher Berater mehrerer TechnischerUniversitäten sowie des ForschungskuratoriumsTextil mit den Branchentrends bestens vertraut ist,in High-Performance Textiles (HPT) – Faserver-bundwerkstoffe aus 2D- bzw. 3D-Geflechten odermulti achsialen Gelegen – ein zukunftsträchtigesBetätigungsfeld. Aufbauend auf den jahrzehnte-langen Erfahrungen mit Webtechnologie undHochv olumenproduktion im eigenen Unterneh-men, sah Kümpers rund um die Windkraft mitheute schon bis zu 60 Meter langen Rotorblätternaus Glasfaser-Kunststoff (GFK) einen Wachstums-markt heranreifen. Was Mitte der 90er-Jahre mit einem einzigen In-genieur begann, der sich um neue Produkte undTechnologien rund um Carbon-, Glas- und Ara-midfasern kümmerte, lockte zehn Jahre spätersogar BMW an. Der Durchbruch kam mit dem Ein-stieg in die Serienbelieferung bei führenden Wind-energieanlagenherstellern Ende der 90er-Jahre undim Leichtbau mit einem Stoßfängerträger aus Car-bongeflechten, für dessen Umsetzung das Teamum Franz-Jürgen Kümpers von der Idee bis zum Se-

BRANCHENBEISPIELSGL KÜMPERS

8 SGL Kümpers, Teil des weltweit führenden Herstellers von Carbonprodukten SGL Group (Wiesbaden), ist auftextile Hochleistungsfasern spezialisiert

Franz-Jürgen Kümpers

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rienprodukt ledig lich 15 Monate benötigte. Mitdem 2007 gegründeten Joint Venture mit der SGLGroup als dem in Europa führenden Carbonfaser-produzenten entstand die SGL KÜMPERS GmbH &Co. KG. Das neue Unternehmen mit inzwischen 65Mitarbeitern vereint die Technologieführerschaftim räumlichen Flechten und bei flächigen Gelegensowie modernste Verarbeitungstechnologien von

F. A. Kümpers mit langjähriger Produktions- undMaterialkompetenz der SGL Group bei Carbonfa-sern und darauf basierenden Prepregs (vorimpräg-nierte Fasern), Geweben und Composites.Hauptkunden des jährlich stetig wachsenden Un-ternehmens am Standort in Lathen (übrigens in denHallen einer in Konkurs gegangenen traditionellenTextilfirma) sind Hersteller von Windenergietechnik.Deren Rotoren bestehen zur Hälfte ihres Gewichtsaus vielschichtigen Glasfasergelegen, die an den tra-genden Teilen bis zu drei Zentimeter stark sind.Diese Composite-Strukturen müssen mehr als 20Jahre jedem Winddruck standhalten und in dieserZeit 200 Millionen Rotationen schadlos überstehen.Eine enorme Herausforderung für das Leichtbau-material und für die vorgelagerten Herstellungs-und Prüfprozesse.High-Performance Textiles aus Hochleistungsfasernsind heute auch in vielen anderen Industrien unab-dingbar: Neben der Windenergie profitieren die ge-

samte Verkehrstechnik, der Schiffs- und Bootsbausowie die Luft- und Raumfahrt von diesen masse-reduzierten Struktur-Bauteilen, mit denen sich bes-sere mechanische Eigenschaften bei höhererQualität und niedrigeren Kosten erzielen lassen.Unter Nutzung innovativer Textiltechnologien – anerster Stelle das Flechten von Carbonfasern zu so-genannten Preforms (textile Vorformen für Bauteile,

die ihre Steifigkeit dann durch Verstärkung mitKunststoff erhalten) – entwickelt SGL Kümpersfortan maßgeschneiderte neue Produkte und Pro-zesse.Beispiel BMW: Gemeinsam mit dem Automobil-produzenten aus München kam so auf Basis vonKohlefasern ein neuer Stoßfängerträger für denBMW M6 zur Serienreife. Das CFK-Bauteil reduziertdas bei herkömmlichen Materialien anfallende Ge-wicht auf weniger als die Hälfte. Kümpers, der bis2015 eine Umsatzverdopplung anpeilt, lockt Kun-den auch mit dem Versprechen einer vergleichs-weise kostengünstigen Preformherstellung an. DerGrund: SGL Kümpers verfügt über die neueste Tech-nik – zum Teil im eigenen Hause entwickelt bzw.app liziert – und ist nach Worten des Firmenchefs„Weltmeister im Optimieren“ von neuartigen Pro-zessen, um die Industrialisierung von Verstärkungs-fasern wie Carbon und Glas voranzubringen.

www.sglkuempers.de

Kurswechsel nach 110 Jahren

9Bilder von links: Carbongeflecht (Preform) und CFK-Stoßfängerträger für die Automobilindustrie | Glasfaser-Multiaxialgelege kommen auch bei Rotorblättern von Windkraftanlagen zum Einsatz | Die Krönung des Leicht-baus – Multiaxialgelege aus Carbon

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LEICHTBAU

Jahrzehntelang ging es mit dem Fahr-zeuggewicht immer nur in eine Rich-tung: nach oben. Brachte ein VW Golf1974 noch 750 kg auf die Waage, kamein Golf VI 2008 bereits auf 1.217 kg.Geschuldet ist diese Entwicklung im -mer aufwendigerer Sicherheitstechnik,umfassenderem Komfort und kraftvol-leren Motoren. Mit der beginnendenLeichtbauära wird jetzt eine Kehrt-wende eingeleitet.

10 Flechtmaschine zur Herstellung sogenannter Leichtbau-Preforms (Vorformen) aus Carbonfasern, die spätermit Kunstharz zu Bauteilen verfestigt werden

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❭❭ Weltweit hat ein technologisches Rennenum das leichteste Automobil eingesetzt.

Leichtbau ist neben der Effizienzsteigerung derAntriebstechnik (Batterien, Motoren, Hybride,Antriebe) die wichtigste Maßnahme, mit dersich nachhaltige Mobilität realisieren lässt. Er senkt das zu beschleunigende Gewicht des Fahr-zeugs, sorgt für weniger Emissionen (100 kg we-niger Gewicht sparen 8,5 g/km CO2, Quelle: VW)und einen geringeren Energieverbrauch. WenigerKarosseriegewicht bedeutet auch größere Reich-weiten bei den sogenannten Stromern.

Doch superleichte Faserverbundmaterialien bleibenaus Kostengründen Flug zeugen oder teuren Luxus-Sportwagen vorbehalten: Nach wie vor müssen siein mühseliger Handarbeit vorgefertigt werden (mit-telgroße Serien werden erst in ein paar Jahrenmöglich sein).Die deutsche Textilforschung ist seit 2010 mit ver-einten Kräften dabei, diesen Technologie-Anachro-nismus mit einem Leichtbau-Forschungsclusterunter Führung des Instituts für Textilmaschinen undtextile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU-Dresden zu beheben. Partner aus Wissenschaft undIndustrie wollen in elf wissenschaftlichen Teilpro-

jekten Materialien und Technologien zur seriellenHerstellung textilverstärkter Kunststoffbauteile ent-wickeln.

MASSENMARKT FÜR DIE ZUKUNFT IM VISIER

„Die mit Fördergeldern aus der Grundlagen- (DFG)und Anwendungsforschung (BMWi-ProgrammIGF) ausgestattete Allianz nimmt damit weltweiterstmals Kurs auf automatisierte Handlings- undVerarbeitungstechnologien mit durchgängigen Pro-

zessketten in diesem Werkstoffsegment“, erläutertProjektkoordinator Prof. Dr.-Ing. Chokri Cherif. „Dervolkswirtschaftliche Nutzen von Automatisie-rungslösungen mit reproduzierbaren Qualitäten istenorm: Manuelle Arbeit verursacht bei der Ferti-gung von Teilen aus Verbundkunststoffen nochimmer 70 Prozent der Kosten.“ Zudem sei Leicht-bau auch mit Blick auf die Elektromobilität ein Mas-senmarkt der Zukunft, unterstreicht der ITM-Chef.Für künftige Anwendungen im Fahrzeug-, aberauch im Maschinenbau wird deshalb ein System-leichtbau im Multi-Material-Design angestrebt.Neben metallischen Werkstoffen, die in den letzten

Verbundwerkstoffe gehen in Serie

11Bilder von links: Carbonfasern als Wunderwerkstoff – extrem leichtes und hochfestes CFK-Material revolu-tioniert nach dem Flugzeugbau jetzt auch den Automotive-Sektor | Neuentwicklung – Automat zum Legenund Kleben von Carbonfasern

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Jahren durch konsequente Weiterentwicklung anLeichtbaupotenzial gewonnen haben (Aluminium,Magnesium, hochfeste Stähle) sollen zunehmendendlosfaserverstärkte Verbundkunststoffe (FKV)zum Einsatz kommen. Dementsprechend sind imCluster „Leichtbau und Textilien“ insgesamt elfthematisch verknüpfte grundlagen- und anwen-dungs orientierten Forschungsvorhaben unter Ein be-ziehung von Wissenschaftlern aus zehn deut schenForschungseinrichtungen der Bereiche Tex til technik,Textilmaschinenbau, Leichtbau, Kunst stofftechnik,Fügetechnik und Polymerwerkstoffforschung zu-sammengefasst. Auf der Grundlage dieser geballten Verbund-Kom-petenz wurden entlang der kompletten Produk ti-ons kette bereits erstaunliche Pionierleistungenvollbracht.

PRODUKTIONSSTRASSE IM LABORMASSSTAB

Dies beginnt mit der Optimierung drapierfähiger,ein- oder mehrschichtig fixierter Gelege aus Hoch-leistungsfasermaterialien, die einlagig oder als Sta-pel zur weiteren Verarbeitung faltenfrei auf/in dieForm des fertigen Bauteils gelegt werden müssen.Dazu gehören ebenso die im Computer generiertenexakten Zuschnittmuster für die Produktion derHalbzeuge, die textilen Preforms. Verarbeitung undHandhabung der „biegeschlaffen“ Textilien – mög-lichst ohne Garnverschiebung – sind für die Inge-nieure in der Faserverbundtechnik eine besondersgroße Herausforderung. Im Rahmen eines ZIM-Projekts des ITM mit derFirma topcut-bullmer GmbH entstand auch der Pro-totyp einer kompletten, frei programmierbaren Fer-tigungsstraße, bestehend aus einer Legemaschine,einer koordinatengesteuerten Sprühtechnik fürKlebstoffe sowie einer automatischen Zuschneide-anlage. Am Ende dieser Prozesskette kann z. B. inKombination mit einer Spritzgießanlage ein bei kur-

zen Taktzeiten spritzgegossenes, textilverstärktesProduktmuster – mit für den Automobilbau we-sentlichen Eigenschaften wie hohe Biege-/Verwin-dungssteifigkeit sowie definiertem Crashverhalten –entstehen. tu-dresden.de/mw/itm

(LEICHT-)BAUMEISTER NATUR

Sind beim Dresdner Leichtbau-Cluster vor allem dietechnologischen Aspekte bei der automatisiertenSerienfertigung im Fokus der F&E-Aktivitäten, neh-men Wissenschaftler am Institut für Textil- und Ver-fahrenstechnik Denkendorf (ITV) direkt Anleihenbeim (Leicht-)Baumeister Natur – und setzen diesemit eigens dafür entwickelten großserientauglichenVerfahren um. Der Winterschachtelhalm ist eine pflanzliche Leicht-bau-Konstruktion, die aus einer mit zellularen Ste-gen verstärkten Anordnung von Hohlräumenbesteht. Trotz des geringen Materialaufwands be-sitzt dieser natürliche Faserverbund eine enormemechanische Stabilität. Neben sehr guten spezifi-schen Festigkeits- und Steifigkeitswerten verfügenPflanzenhalme über eine hervorragende Schwin-gungsdämpfung und ein „gutmütiges“ Bruchver-halten, bei dem sich das Versagen der Struktur inmehreren Stufen ankündigt.„Faserverbundwerkstoffe sind ein klassisches Bei-spiel für die Nachbildung natürlicher Prinzipien inder Technik“, so Prof. Dr.-Ing. Heinrich Planck, Chefdes Instituts. „Dank einer von uns entwickeltenFlecht-Methode konnten wir diese spezielle Quer-schnittsstruktur nachbauen und sogenannte ‚tech-nische Pflanzenhalme‘ mit den gewünschtenmechanischen Eigenschaften realisieren.“ Mit derinnovativen Technologie lassen sich die bislang ein-zigartigen Faserverbundprofile in Serie kosten-günstig herstellen.Die neuartigen schwingungsdämpfenden „Kunst-halme“ könnten in nahezu allen Bereichen der Fa-serverbundtechnik zum Einsatz kommen, nicht nur

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VERBUNDWERKSTOFFE GEHEN IN SERIE

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als Stütz-/Verbindungsstreben im Fahrzeug- undMaschinenbau sowie in der Luft- und Raumfahrt-technik, sondern auch im Bauwesen und bei Sport-artikel-Herstellern. www.itv-denkendorf.de

WUNDERWERKSTOFFE, DIE SICHSELBST HEILEN

Die Bauweise der Natur beruht auf Merkmalen, diesich für Entwicklungen in der Faserverbundtechnikhervorragend nutzen lassen: Nachhaltigkeit, Mate-rial- und Energieeffizienz, Multifunktionalität undsogar die Fähigkeit zur Selbstheilung. Neuartige„Komposite“ ermöglichen auch diese Eigenschaft.So, wie sich der menschliche Körper nach einer Ver-letzung im Laufe der Zeit selbst heilt, verfügen be-stimmte Werkstoffe über die Fähigkeit, sich nachSchädigungen selbst zu regenerieren und damit ihreursprünglichen Materialeigenschaften wiederher-zustellen. „Heute können durch spezielle Polymer-Technolo-gien bis zu 30 kontinuierliche Reparaturzyklen er-reicht werden“, erklärt Prof. Dr. rer. nat. MichaelBuchmeiser, Direktor des ebenfalls in Denkendorfansässigen Instituts für Textilchemie und Chemiefa-sern (ITCF). Diese erfolgten entweder eigenständigoder würden durch UV-Licht oder Hitze induziert. Andere Arten von selbstheilenden Verbundwerk-

stoffen enthalten hingegen sogenannte Einmal-Reparatur-Elemente, winzige Kapseln, die beieiner Beschädigung aufplatzen und eine „heilende“Chemikalie freisetzen. Sie sind u. a. kompatibel mit

Epoxidharzen, können also auch in kohlefaserver-stärkten Verbundwerkstoffen verwendet werden– ein eingedrückter Radkasten z. B. könnte sich sonach einem Unfall in Grenzen selbst ausbeulen. Einen Innovationsschub erwarten die Forscher auchbei selbstheilenden Farben und Reifen. Für solcheLacke werden bereits erste Markttests durchge-führt, so für Polyrotaxan, eine selbstheilende Be-schichtung des Autoherstellers Nissan. Mit demFormgedächtnis verfügen einige sich selbst repa-rierende Polymere über eine weitere einzigartige Ei-genschaft: Sie „erinnern“ sich an ihre ursprünglicheForm. Materialien dieser Art ermöglichen z. B. in Sit-zen einen optimalen Fahrkomfort, da sie sich denindividuellen Körperkonturen perfekt anpassen.Smart-Material-Design bietet für das Leichtauto derZukunft einen vielversprechenden Ansatz, Repara-turkosten zu minimieren und seine Materialbestän-digkeit zu verlängern. Darüber hinaus machen„intelligente“ selbstheilende Materialien völlig neueSicherheits-Features möglich: Sie können helfen, dieFunktionsfähigkeit von Reifen, Windschutzscheibenoder wichtigen CFK-Verbund-Bauteilen zu erhaltenbzw. wiederherzustellen. www.itcf-denkendorf.de

13Bilder von links: Der Natur in Textil nachempfunden: erster technischer Pflanzenhalm als künftiges Kon-struk tions element für den Leichtbau – vielleicht auch im Mobilitätssektor | „Reparaturflüssigkeit“ zwischenden Fasern: das Geheimnis selbstheilender textiler Leichtbaustrukturen

VERBUNDWERKSTOFFE GEHEN IN SERIE

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❭❭ Bevor die übernächste Generation vonAutos ausschließlich mit Solarantrieb rollt,

haben Wissenschaftler und Ingenieure sicher-lich noch einige Jahrzehnte zu tun. Doch scheintdie Zeit nicht mehr weit für eine solarbetrie-bene Teil(e)versorgung im Fahrzeug. Impulsedafür kommen auch aus der Textilforschung.

SONNENSTROM FÜR REISEMOBI LE

Besitzer von Ferien- und Reisemobilen sind zumeistauf Stellplätze mit guter Infrastruktur samt Steck-dose angewiesen. Denn ohne Strom funktionierenKühlschrank, Lampen, Dusche oder TV nicht. Perspek -tivisch sollen Reisemobile jedoch unabhängig vonsolchen Stromtankstellen werden. Dafür hat jetzt dasin Sachsen angesiedelte Innovationsnetzwerk InoRe-Tex mit Schwerpunkt regenerative Problemlösungenauf textiler Grundlage auch schutz rechtlich die Wei-chen gestellt.Das Bündnis von Unternehmen und Wissenschafts-einrichtungen aus sieben Bundesländern will Dächervon Caravan & Co. mit leistungs- und strapazierfä-higen Photovoltaik-Anlagen zur dezentralen ener-getischen Eigenversorgung bestücken. Dazu mussdas rollende Ferienhaus zunächst in Parkpositiongebracht werden. Dann wird ein System aus meh-reren PV-Modulen über das Dach hinaus ausge-

klappt. Auf diese Weise wächst die Solarfläche von1,8 auf 5,4 Quadratmeter und ermöglicht eineStromausbeute bis 1,2 kWh Tagesleistung.Nach Einschätzung von InoReTex-Netzwerkmana-gerin Steffi Volland sei dieses Energievolumen fürdie drei zentralen Aufgabenstellungen der Neuent-wicklung völlig ausreichend: Die autarke Stromver-

14 Bilder von links: Projekt des BMWi-geförderten Netzwerkes InoReTex: aufklappbare PV-Anlage für Cara-vans | Arbeiten an der Umsetzung: Metallbauer Lutz Ludwig, Cleebronn, und Lutz Kästner, Chef der Alarm-Partner SicherheitsTechnik, Winnenden | Führt alle Fäden zusammen: Netzwerkmanagerin Steffi Volland

ALTERNATIVSTROM

sorgung solle einerseits garantieren, dass dieStartbatterie des Fahrzeugs stets genug Kraft hat.Andererseits solle unter Einbeziehung weiterer Bat-terien als Zwischenspeicher bereits diffuses Licht zurLadung ausreichen, sämtliche elektrischen Anwen-dungen „an Bord“ über einen längeren Zeitraum zugewährleisten. Drittens schließlich sollten an der ge-planten Ladestation auch Akkus von Elektrofahrrä-dern und anderen Fortbewegungsmitteln „betankt“werden können, um den Mobilitätsradius umwelt-freundlich nochmals zu erhöhen. In Zeiten, in denen das Heim auf Rädern ungenutztsteht, kann sein Kleinkraftwerk dann vom Dach ab-genommen und etwa auf dem Carport oder derGarage weiterbetrieben werden. „Unser Hauptproblem war, bei großer Fläche einmöglichst geringes Gewicht und dennoch hohe Be-lastbarkeit zu sichern“, erläutert Lutz Ludwig, Chefdes gleichnamigen Metallbaubetriebs in Cleebronn,Baden-Württemberg. Hier habe die TechTex-Spe-zialisierung des Netzwerks geholfen: „Die PV-Dünn-

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schichtmodule werden auf selbst entwickelte, zumPatent angemeldete textile Leichtbauplatten aus3D-Abstandsgewirken aufgebracht“, fügt der ge-lernte Maschinen- und Anlagenmonteur sowie Me-tallbaumeister hinzu. Erst die Verwendung dieserTrägerplatten ermögliche eine sowohl robuste alsauch leichte und kostengünstige Lösung.Sobald in Kooperation mit der Firma AlarmPartnerSicherheitsTechnik aus Winnenden die letzte Detailsder Steuer- und Anschlusstechnik geklärt sind, sollder erste Prototyp entstehen. Damit wollen die Ca-ravan-Ausstatter auf Fachmessen gehen.

www.innoretex.de

DURCHBRUCH BEI TEXTIL-SOLAR

Es klingt geradezu paradox, doch im Elektroautomuss mit der Energie besonders sparsam umge-gangen werden. Alle (Batterie-)Kraft in den Antriebsamt Scheinwerfer – und möglichst wenig für In-nenbeleuchtung oder Sitzheizung. Da von künftigenAutomodellen im Inneren mehr Licht- und orientie-rende Leuchteffekte erwartet werden können, stelltsich die Frage einer zusätzlichen Stromversorgungfür diese Zwecke. Vor diesem Hintergrund wird diesolare Energiegewinnung interessant – allerdingsjenseits starrer und zerbrechlicher PV-Module.Sollen beispielsweise Hutablage und Instrumen-tentafel (wie möglicherweise auch Jacken, Zelte,LKW-Planen oder Markisen) zu Mikrokraftwerkenumgestaltet werden, muss die Wissenschaft folg-lich Ausschau nach neuen solar-aktiven Materialienmit hoher Flexibilität halten. Ein Erfolg verspre-chender Ansatz kam bereits 2004 aus Krefeld. Dortwurde im Deutschen TextilforschungszentrumNord-West e.V. (DTNW) in Zusammenarbeit mit

dem Institut für Solarenergieforschung in Hamelndie welterste textile Solarzelle auf CIGS-Basis (eineDünnschichttechnologie unter Verwendung vonKupfer, Indium, Gallium und Selen) entwickelt. Nach dieser „Ballvorlage“ wurde 2008 das EU-Vor-haben DEPHOTEX (Entwicklung von Photovoltaik-Textilien auf Grundlage neuartiger Fasern) ins Leben

Erneuerbare Energie im Fahrzeug

15Als Massenware konzipiert – textile Solarzellen hier bei einem Versuchsaufbau

gerufen. Drei Jahre später war das Projekt von ins-gesamt 14 Partnern aus sieben Ländern, bei dem dasDTNW als technischer Projektkoordinator wirkte, mitder Technologie zur Herstellung einer textilbasiertenPV-Zelle aus organischen Materialien und Farbstoffenerfolgreich. Es gelang, sogenannte Dye-sensitizedSolar Cells (DSSC), also farbsensitive Zellen und Mo-dule mit einer Lichtausbeute von zwei Prozent (her-kömmliche Zellen haben leicht das Zehnfache),herzustellen. Die besonderen Kennzeichen dieserFarbstoffsolarzelle: Sie ist flexibel, leicht und dennochmechanisch stabil.DTNW-Projektleiter Dr. Klaus Opwis spricht voneinem „Durchbruch in der textilen DSSC-Technolo-gie“: Die bis zu sechs Quadratzentimeter großenEinzelzellen zeigten über mehrere Monate photo-voltaische Aktivität mit konstanter Effizienz. Sobalddie Lichtausbeute drei bis vier Prozent übersteigeund Langzeitstabilität im Alltagsgebrauch erzieltwerde, könne die Markteinführung erfolgen.

www.dtnw.de

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GLOBAL PLAYER

Deutsche Großunternehmen wie dieAUNDE Group haben ihre Wurzeln oftschon im 19. Jahrhundert. 1899 alsAchter und Ebels in Mönchengladbachmit der Spezialisierung auf Herren- undDamenstoffe gegründet, lieferte dieVolltuchfabrik mit Beginn des Auto-mobilzeitalters um das Jahr 1920herum bereits Polsterstoffe für Auto-mobile. Zu Wirtschaftswunderzeitenorientierte sich der Tuchhersteller mitBlick auf den explodierenden Fahr-zeugmarkt strategisch um. Ende der 70er-Jahre gab es mit demGeschäftsführerwechsel auf Rolf A.Königs eine Zäsur: Er verwandeltedas regionale Unternehmen AUNDEzu einem Global Player und festigtemit der Übernahme des SitzherstellersISRINGHAUSEN und der spanischenESTEBAN (Sitze für Busse und Bahnen)seine Stellung als Systemanbieter.

16 AUNDE ist als namhafter Automobilzulieferer weltweit an 86 Standorten in 25 Ländern auf allen Konti-nenten vertreten. Höchste Qualität, gepaart mit jahrzehntelanger Erfahrung in allen Produktionsstufen, wiehier bei der Textilveredlung (Ausrüstung), sind Kennzeichen der Firmengruppe

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Lemgo ist zugleich deshalb auch das Design-Zen-trum für die Sparten Pkw/Van/Lkw, Bahnen, Busseund Flugzeuge, das mit den regionalen Design- undEntwicklungsstellen international in 14 Ländern mit27 Standorten verknüpft ist. Insgesamt beschäftigtdie Gruppe unter Leitung von Colour & Material De-sign Manager William Franke mehr als 50 Designer. Deren Kreativität gepaart mit dem firmeneigenen

Forschungs- und Entwicklungspotenzial – das na-hezu ständig in Zusammenarbeit auch mit der in-stitutionellen Textilforschung komplettiert wird –führt zu Innovationen mit weltweiter Alleinstellung.AUNDE hat erst in jüngster Zeit verschiedene Ver-fahren zur kreativen Oberflächengestaltung entwi-ckelt, darunter TexTrim zur Erzeugung von3D-Oberflächen mittels Hochfrequenzschweißenauf Sitzbezügen von z. B. „VW Polo“ und „OpelCorsa“. Mit TexTab hingegen werden unterschied-liche Materialien auf die Stoffe aufgebracht, mitdenen kreative bzw. funktionale Effekte erzielt wer-den, derzeit in Produktion für z. B. „Fiat punto“ und„Lancia new ypsilon“. Was lässt sich an Pkw-Sitzen noch verbessern? Aufdiese Frage könnte Entwicklungs-Chef Tobias Lüp-fert mit ganzen Vorträgen antworten. Stattdessenverrät er nur so viel: „Wir haben rund um die Stich-worte Funktionalität, Umweltkompatibilität undverbessertes Sitzgefühl noch viel vor; zum Teil auchin Zusammenarbeit mit der Textilforschung.“

AUNDE Group gehört zu den Top 100 Autozulieferern

17Bilder von links: Was neulich noch Forschungsprojekt war, wird oft schon nach 18 Monaten automatisiertin hohen Stückzahlen hergestellt | Zwei brandneue Verfahren zur kreativen Oberflächenveredlung von Sitz-bezügen, die bereits in der Automobilindustrie angekommen sind: TexFilm und TexTrim

❭❭ Wetten, dass einem Außenstehenden aufAnhieb kaum eine Automarke einfällt, die

AUNDE mit Textil- und Lederbezügen bzw.kompletten Sitzen nicht beliefert? Was Ent-wicklungs-Chef Tobias Lüpfert und sein Teammit Stolz erfüllt, ist zugleich Herausforderungan ein Unternehmen, das weltweit zu denhundert bedeutendsten Automobilzulieferern

zählt: überall gleichzeitig am Ball bzw. im Ge-spräch mit den Kunden sein, deren Wünscheund Impulse aufnehmen und selbst in punctoMaterial, Design und Styling die Trends dieserWelt aufgreifen, applizieren und anbieten. Wer gegenüber BMW, Daimler, VW, Chrysler, Fiat,Hyundai, oder Renault – um nur einige zu nennen –als Zulieferpartner von der Idee bis zum Serienpro-dukt auftreten will, muss wohl auch selbst über eineentsprechende Größe mit Standorten überall in derWelt verfügen – so jedenfalls die Intention von CEORolf Königs, der den Familienbetrieb ab 1982 aufdie Welt ausgerichtet hat. „Wir sind internationalaufgestellt, die großen Autokonzerne ebenfalls –organisationstechnisch und in puncto Kommunika-tion auf Augenhöhe“, sagt Tobias Lüpfert, zu dessenVerantwortungsbereich auch das 150 Mitarbeiterzählende Innovationszentrum in Lemgo gehört.Spezialisiert auf den Fahrzeuginnenraum konzen-triert AUNDE hier die Vorentwicklung für Kom-plettsitze inkl. der Textil- und Ledermaterialien.

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❭❭ Die führenden Automobilhersteller derWelt können sich auf die AUNDE-Gruppe

verlassen. Ihre 14.000 Mitarbeiter entwickelnund produzieren Garne, technische Textilien,Sitzbezüge aus Textil und Leder sowie kom-plette Sitze. Fragen zum Innovationsprozessan Rolf A. Königs, seit 1978 Chef der weltweitagierenden Unternehmensgruppe:Deutschland hat das dichteste Netz an Textil-forschungseinrichtungen, die sich zum größtenTeil auch mit Automotive-Themen beschäfti-gen. Wie nutzt AUNDE dieses Potenzial?Produktentwicklung und Markterfolg sind zwei Sei-ten einer Medaille. Sie können sich sicherlich vor-stellen, dass wir bei Forschung/Entwicklung (F&E)auf der gesamten Klaviatur der Möglichkeiten spie-len: zentral und dezentral, inhouse und in Koopera-tion mit Instituten bzw. den Automobilherstellern.Außerdem kooperieren wir branchenübergreifendmit Marktführern wie BASF oder 3M. Um welche Themen geht es bei den Instituten?Wir haben ständig mehrere Forschungsprojekte lau-fen, zum Beispiel Klimauntersuchungen zur Erhö-hung der thermophysiologischen Eigenschaften vonAutositzen (Hohenstein Institute) oder zwei BMBF-geförderte Vorhaben mit dem ITV Denkendorf bzw.

der Hochschule Niederrhein zu den Stichworten:„Nan-On-Tex“ und „Easy to Clean“. Zudem nutzenwir das Potenzial angehender Textilingenieure, De-signer und Konstrukteure und siedeln Fragestellun-gen für Diplomarbeiten bei uns an. Optik, Haptik, Funktionalität – Textil in Fahr-zeuginnenräumen wird immer anspruchsvoller.Mit welchen Materialtrends ist Ihre Unter neh-mensgruppe weltweit vorn? AUNDE beherrscht die komplette Prozesskette vomGarn bis zum Sitz, nimmt Entwicklungstrends ausaller Welt auf und setzt die regionalspezifischenKundenwünsche der Automobilhersteller just intime um. Funktionserweiterung (antibakteriell, easyclean, anti static), Individualismus (unsere Marken:TexTrim, TexTab, TexFilm) und Nachhaltigkeit (Tex-Blue, TexGreen) sind dabei die Generaltrends. Die Anforderungen an Systemanbieter, nochdazu, wenn sie global agieren, werden immerkomplexer. Wie haben wir uns den F&E-Ge-samtbereich vorzustellen?Wie ein Orchester, das zugleich auf allen Erdteilennach gleichen Vorgaben und einheitlichen Grund-sätzen spielt. Unsere F&E vom Garn bis zum fertigenAutositz ist global aufgestellt, um damit auch auflokaler Ebene proaktiv agieren und vor allem schnellreagieren zu können. Weltweit einheitliche Ent-wicklungssysteme, die wir an unseren Standortenüberall implementiert haben, sorgen für hohe Effi-zienz dieser innovativen Vorlaufprozesse. Sie sind seit 34 Jahren CEO, Präsident des VfLBorussia Mönchengladbach und engagierensich als Präsident im Verband der RheinischenTextilindustrie sowie als Vizepräsident im Ge-samtverband textil+ mode. Ihr Motto für diedrei doch recht unterschiedlichen Bereiche?Keine Erklärungen: Lösungen!

Seit 34 Jahren auf Tuchfühlung

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Rolf A. Königs

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❭❭ Jedes Auto hat sie gleich dutzendfach:Gurte und Bänder, die befestigen, halten,

sichern. Der Traditionshersteller Güth & Wolfaus Gütersloh zeichnet bis auf die allseits be-kannten Sicherheitsgurte für so ziemlich alleder zumeist unsichtbaren Textilstreifen imPKW verantwortlich: Nahtverstärkungs- undSeiten airbagbänder, Schlauch-, Tunnel- undRückhaltebänder, Anti-Knarr- und Teppichein-fassbänder, – Hand- und Sitzentriegelungs-schlaufen nicht zu vergessen. Hermann Güth,Geschäftsführer des 125 Jahre alten Familien-unternehmens in vierter Generation, schildertden Entwicklungsbedarf:„Unsere Bandwebereien begleiten seit Jahr undTag die moderne Industriegesellschaft rund um dieThemen Elektrifizierung, Kommunikation oder Mo-bilität. Egal ob Flugzeuge, Schienen- oder Straßen-fahrzeuge: Textile Gurte und Bänder verbindennicht nur Konstruktionselemente, sie sind ein Si-cherheitsfaktor ersten Ranges. Als Mittelständlersind wir Zulieferer für nahezu 30 Branchen. Die viel-fältigen Kundengruppen und Anwendungsanfor-derungen stellen die 320 Mitarbeiter vor dieAuf gabe, ganz unterschiedliche Materialien einzu-setzen: Naturfasern (Baumwolle, Leinen, Papier),natürliche Polymere (Viskose, Acetat, Polylactide),Synthesefasern (Polyester, Polyamid, Polypropylen,Elasthan) und Hochleistungsfaserstoffe mit hoherFestigkeit. Wenn man Güth & Wolf neben ausgezeichneterQualität auch immer wieder eine hohe Wandlungs-und Anpassungsfähigkeit attestiert, dann sehen wirdarin auch einen Auftrag, ständig zu innovieren. Ge-rade für den Automobilbau, dessen Zulieferungenbei uns 15 Prozent des Produktionsvolumens aus-machen, kommt es auf platzsparende und zugleich

leichte Lösungen an. Oft werden Gurte, Bänder,Schlaufen und Einfassungen als Konstruktionsele-mente benötigt, wenn es um elegante, flexible De-tail lösungen oder um mechanische Funktionenirgendwo im engsten Winkel der Karosserie geht.Mit unseren ausschließlich in Deutschland gefer-tigten Erzeugnissen für die Sitzpolsterung und dieInnenraumausstattung, die immer wieder einQuantum Forschungs- und Entwicklungsarbeit ent-halten, erzielen wir einen hohen Marktanteil. Hierbei gilt es, die Zukunftstrends und Anforderun-gen unserer Kunden zeitnah und im ständigen Aus-tausch mit dem Markt umzusetzen. Das betrifft dieRecyclingfähigkeit ebenso wie die Entwicklung vonProdukten auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Eingroßes Thema, das gerade für unsere Entwicklungs -abteilung Automotive aktuell wird, ist mit Blick aufdie Sicherheitstechnik im Fahrzeugbau der Einsatzvon Faserverbundwerkstoffen. Bei solchen und an-deren F&E-Themen arbeitet Güth & Wolf mit derTextilforschung zusammen. Derzeit sind wir an achtProjekten beteiligt, so auf EU-Ebene an einem För-derprojekt zum Thema regenerative Faserstoffe.Zum STFI in Chemnitz, dem ITA an der RWTH inAachen und dem Greizer TITV haben wir intensiveProjekt- bzw. Auftragsbeziehungen.“

GURTE & BÄNDER Sicherheit im Dutzend

19Bild links: Autos verfügen über Dutzende, oft unsichtbare Funktionselemente: Gurte, Schlaufen und Bänder.Sie werden zum Teil in den Bandwebereien von Güth & Wolf gefertigt

Hermann Güth

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❭❭ Ein Auto ist und bleibt ein Auto – undüberrascht immer wieder mit neuen tech-

nischen und Designdetails. Das gilt auch fürden Fahrgastraum. Inno vative Textilien brin-gen künftig der Kabine mehr warmes Licht undsorgen für andere technische Über raschungen.

„Inzwischen redet nicht mehralle Welt nur von Smart Texti-les, sondern es kommen nachund nach erste Anwendungenauf den Markt. Grundlage fürLeuchttextilien, textile Heizun-gen oder ins Gewebe inte-grierte Schalter sind elektrischleitende Fäden, gestickte Lei-terplatten und textile Sensoren.Das TITV als Institut für Spezi-altextilien und flexible Materia-lien beschäftigt sich seit gut

zehn Jahren mit dieser Thematik – und ist mit sei-nen Lösungen und Patenten zum Beispiel zu Leucht-textilien auf Grundlage der in Greiz entwickelten undproduzierten ELITEX®-Fäden innovativer Partnerder Automobilindustrie. Die Branche sieht in den „mitdenkenden Geweben“,wie man Smart Textiles übersetzen könnte, vier ge-nerelle Anwendungsbereiche: Da immer mehr Zeitauf vier Rädern verbracht wird, spielen neue tech-nische Möglichkeiten zur Unterstützung des Ge-sundheits- oder Wellnessaspekts im Fahrzeug einezunehmende Rolle, ebenso wie tragbare Elektronikzur Kontrolle der Vitalfunktionen oder der persön-lichen Sicherheit. Mit der E-Mobilität muss mit Blickauf Innenraumbeleuchtung und Heizung zudem anenergieeffiziente Komponenten gedacht werden,wie sie mit neuartigen Textilleitern möglich werden.

Last but not least setzen die Hersteller künftig mehrauf unsichtbare Funktionen, die in die Oberflächeder Seitenverkleidung, des Sitzbezugs oder des Au-tohimmels integriert werden.Vier Beispiele, die zeigen, welche Impulse unsereTextilforscher aus der Fahrzeugbranche aufgreifenund mit ihrem Anwendungswissen fortentwickeln: Gewebte Heizflächen: Bezugsstoffe, die heizenund dabei zugluftfrei eine wohlige Flächenwärmeausstahlen. Grundlage sind unsichtbare, nicht spür-bare elektrisch leitende Fäden unmittelbar an derSitzoberfläche. Sensitive Textilpanels: Allein durch die Gestik derHand werden eines Tages die Gänge eingelegt, dasRadio lauter „gedreht“ oder das Licht geregelt. Einesensitive Matrix, in die stromführende Textilfädenals Antenne eingelassen sind, wandelt die Handbe-wegungen in Schaltsignale um. 14 Schaltbewegun-gen sind derzeit möglich. Leuchtende Textilien: Eingewebte LED-Fäden mithoher und blendfreier Leuchtkraft erhellen denPkw-Innenraum punktuell dort, wo Licht eine ori-entierende Funktion wie auf eine textile Schaltflä-che im Sitz oder an der Instrumententafel hat. DasMaterial dafür lässt sich nach einer im TITV entwi-ckelten Technologie zukünftig maschinell und alsMassenware herstellen.Biosignalmonitoring: Fahrzeuge von morgenwerden textiles Know-how auch für die Überwa-chung des Momentanzustands des Fahrers ein-setzen. Textile Sensorik kann bedrohliche Zuständewie Übermüdung oder Stress erfassen und an einfahrzeug-internes Alarmsystem übermitteln. Ohne intelligente Textilmaterialien für Leichtbau undneue, integrierte Funktionen sind Elektroautos undkünftig auch neue Fahrzeugmodelle mit Hybridan-trie ben nicht mehr vorstellbar.“ www.titv-greiz.de

SMART TEXTILES AUF VIER RÄDERN

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Sabine Gimpel

Autorin: Sabine Gimpel, Marketingchefin TITV Greiz

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FUNKTIONSINTEGRATION AUSDEM LICHTLABOR

Licht ist eine der elementaren Einflussgrößen dermenschlichen Umgebung. Am Institut für Textil- undVerfahrenstechnik (ITV) werden die im Wortsinnleuchtenden Seiten der automobilen Zukunft mit-entwickelt. Hier erforscht und präsentiert das Teamvon Christoph Riethmüller die bisher außerhalb derFachöffentlichkeit noch weitestgehend unbekann-ten Eigenschaften der in Denkendorf selbst er-zeugten neuartigen Leuchtgarne und der daraushergestellten textilen Produkte: Elemente, die injeder gewünschten Form und Farbe und noch dazukräftig illuminieren, selbst leuchten oder mit LEDsgroßflächig und ggf. auch mit dreidimensionaler An-mutung hinterleuchtet werden. Die von Riethmüllergeleitete Zukunftswerkstatt ist zugleich auch derOrt, an dem auch lichtaktive Interieurvorstellungender großen Marken mit Methoden der strukturier-ten Ideenfindung erste Gestalt annehmen. AuchBus- und Schienenfahrzeughersteller arbeiten mitden Textilspezialisten zusammen. Eine der Fragestellungen, die in den Lichtlaborsimmer wieder auf der Tagesordnung steht: Wie las-sen sich mithilfe von Hightech-Textilien aus den imVergleich recht teuren Leichtbauelementen zur Ge-wichtsreduzierung der Fahrzeuge letztendlich dochnoch kostenneutrale Konstruktionsbauteile produ-zieren? An dieser Stelle kommt das Wort Techno-logieintegration ins Spiel. Dabei erhalten zumBeispiel Sitzoberflächen oder Innenverkleidungenintelligente Funktionen wie textile Schalter auf Sen-sorbasis bzw. Leuchtflächen oder -leisten. AuchFarbänderungseffekte am Autohimmel oder an an-deren Innenraumkomponenten zur Reduzierungvon Stress und Anspannung des Fahrers sind mach-

bar. „Mit solchen hybridenund zum Teil inter aktivenKonstruktionselementenist unser Ins titut, das sichseit etwa zehn Jahren mitleuchtenden Textilmate-rialien beschäftigt, welt-weit mit tonangebend“,betont der 42-Jährige. Textilvisuelle Effektmög-lichkeiten auf Grundlageaktiver und passiverLeuchtfäden können derMobilität von morgenauch jenseits vom Pkwneue Impulse verleihen.„Wir haben auch für Lkw,Busse und Flugzeugespannende Forschungenlaufen“, sagt Riethmüllermit Verweis auf industrie-finanzierte Projekte. Einlichttechnisches Vorhabenmit Blick auf Reisebusse schildert er dann etwasausführlicher: Es werde unter der Überschrift „emo-tionales Licht“ an einem neuartigen Lichtdesign ge-arbeitet, das mit der Wohlfühltemperatur im Buskoordiniert wird. Auf diese Weise soll die subjektivunterschiedliche Temperaturwahrnehmung der Rei-senden mit der Lichtführung weitestgehend aufeinen Nenner gebracht werden. Die erhoffte Folge:Beschwerden von Fahrgästen, die Innenlüftung seiihnen zu warm bzw. anderen wiederum zu kalt,könnten durch geeignete Lichtszenarien gemildertoder nahezu ausgeräumt werden, so der Denken-dorfer Textilforscher.

www.itv-denkendorf.de

Leuchteffekte & Co. im Fahrgastraum

21Bild unten: Entwickelt im Denkendorfer Lichtlabor – Leuchteffekte auf textiler Grundlage

Christoph Riethmüller

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❭❭ Speziell im Automobilbereich wächst derBedarf an Leichtbauteilen aus Carbonfa-

sern. Für die Massenfertigung ist der Hoch-leistungswerkstoff mit Kilopreisen um 20Euro oft viel zu teuer. Zu alternativen Ent-wicklungs trends äußerten sich Prof. Dr.-Ing.Thomas Gries (TG), Direktor des ITA Institutsfür Textiltechnik der RWTH Aachen, und UweMerklein (UM), Geschäftsführer der ITA-Aus-gründung 3T TextilTechnologieTransfer GmbH.

In Aachen wird u. a. an leistungsoptimiertenWerkstoffen wie faserverstärkter Keramik undAluminium-Kompositen geforscht. Augen-blick lich arbeiten Sie sogar an einem gänzlichneuen Leichtbaukonzept. Warum das?TG: Die Industrie verlangt immer leichtere und den-noch hochfeste Bauteile. Carbon wäre als Materialerste Wahl, ist für viele Anwendungen aber zu hoch-preisig. Gerade die Automobiler rechnen zuneh-mend mit Preisen je Kilogramm Bauteil. Blech liegtderzeit bei acht bis zehn, Alu bei 12 und Carbon –bei 75 Euro. Also brauchen wir Alternativen …

UM: … wie einen ganzheitlichen Ansatz. UnserKonzept deckt nicht nur den Entstehungsprozess derBauteile inklusive Forschung komplett ab, sondernzielt auch auf die Senkung des Energieverbrauchs beioptimierten Fertigungszellen und sensorbasierterBauteilüberwachung mittels Smart Textiles.

Was heißt das im konkreten Fall?TG: Nach diesem Querschnitts-Ansatz wollen wir biszum Frühjahr 2014 gemeinsam mit RWTH-Kollegenund Industriepartnern ein neues Leichtbau-Konzeptfür den Automobilbereich vorlegen, das gegenüberherkömmlichen Metall-Konstruktionen 40 ProzentGewicht einspart und zudem Verbrauch und Emis-sionen der Fahrzeuge entsprechend mindert.

Vierzig Prozent sind ein ehrgeiziges Ziel. Wiesoll das erreicht werden?TG: Drei verschiedene Werkstoffsysteme müssenwir dazu kombinieren: Neuartige wie preiswerteKohlenstoff-Faservliese und ebenfalls kostengünstigerzeugbare, wärmeverformbare Kohlenstoff-Faser-verbundwerkstoffe werden mithilfe einer Metall-

AUS SICHT DER FORSCHER

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Prof. Dr.-Ing. Thomas Gries Uwe Merklein

Page 25: TECHTEX & AUTOMOTIVE

treibenden Automotive-Sektor aber auch in ande-ren Bereichen Freiheitsgrade eröffnet: Schließlich istauch etwa für den Maschinenbau spannend, wieBauteile hochfest bleiben und dennoch drastischabspecken können. Möglicherweise erschließensich damit völlig neue Wege des Konstruierens. Außerdem tragen wir mit solchen konkreten Indus-trie-Kooperationen zu etwa einem Drittel die Fi-nanzierung des ITA mit, sichern also wiederumForschungsvorlauf … TG: … und ertüchtigen obendrein nicht nur Wis-senschaftler-Nachwuchs, sondern auch junge Fach-kräfte für die Industrie. Wenn unsere neuenMaterialien dort Wettbewerbssituation, Arbeits-plätze und Umsatz sichern, gibt es nur Gewinner.So soll es sein.

www.ita.rwth-aachen.dewww.3t-gmbh.de

23Bilder von links: Neue Werkstoffkombination aus Aachen – Aramid-Polyamid-Verbundplatte sichert alsHochleistungsmaterial gute Performance bei niedrigen Produktionskosten | Polyamid-Fasern werden zuvormit Nanopartikeln veredelt

struktur verklebt. Neben dem Gewicht sinken soauch die Kosten der Bauteile deutlich. Die Belast-barkeit bleibt hoch. Wenn alles klappt, können wirzeigen: „Es muss nicht immer Carbon sein. Manch-mal lassen sich die nötigen Parameter auch mit in-telligenten Alternativen sichern.“

Was hat die 3T damit zu tun?UM: Wir setzen das neue Wissen anwendungsbe-zogen um; sind Bindeglied zwischen Institutsfor-schung und Partnern in der Wirtschaft. Wenn derITA-Lösung erfolgreiche Materialkombinationenentspringen, können wir als Unternehmen flexiblerauf aktuelle Marktanforderungen reagieren – auchmit Blick etwa auf bislang noch extrem schwereBatterien von E-Mobilen, deren Gewicht sich mit al-ternativen Materialkombinationen vielleicht redu-zieren lässt. Zugleich werden neben dem zweifellos

Neuer Materialmix aus Aachen

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❭❭ „Die Fragestellung, wie wir morgen unterwegssein wollen und werden, hat heute schon hohe

gesellschaftliche Relevanz. Die vorliegende Bro-schüre widmet sich unserer Mobilität der Zukunftunter einem speziellen Technologie-Blickwinkel.Ergänzend zum möglichen Beitrag eines Material-segments oder Forschungs- und Industriebereichssollten vielleicht einige thematische Grundpositio-nen der Automobilbranche Berücksichtigung fin-den.Tatsächlich ist der Wettbewerb um alternative An-triebe und Perspektiven der Mobilität weltweitentbrannt – auch als Wettbewerb der Nationen.Deutsch land hat neben den USA, China und Japanhohen Stellenwert als Absatzmarkt, unsere Unter-nehmen wollen aber zugleich auch technologischeLeitanbieter werden, müssen dazu u. a. die leis-tungsfähigsten Komponenten liefern können. Be-sondere Bedeutung hat hier die Batteriezelle:Leichter, platzsparender und über die Serienferti-gung noch deutlich günstiger muss sie werden; vorallem aber kurze Ladezeiten und eine hohe Spei-cherfähigkeit für lange Reichweiten vorweisen undviele Aufladezyklen vertragen.

Weil Import- oder Technologieabhängigkeit vonausländischen Zulieferern gewiss nicht zu abgesi-cherter Marktführerschaft führt, brauchen wir dieKernkompetenz für solche Schlüsselbereiche derForschung und Produktion hier in Deutschland. Vo-raussetzung dafür ist neben verstärkten Anstren-gungen in der Hochschulausbildung vor allem dieenge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Uni-versitäten sowie Forschungsinstituten – wie jenender Textilbranche. Hier zeichnen sich bereits zahl-reiche optimistisch stimmende Trends ab.Elektrofahrzeugen wird für 2020 in Deutschland einMarktanteil von drei bis fünf Prozent vorausgesagt.Wie dynamisch die Entwicklung danach verläuft,hängt maßgeblich davon ab, ob Batterien, Antriebeund andere Komponenten so leicht, leistungsfähigund umweltverträglich werden, dass die neuenFahrzeuge den Vergleich mit klassischen Pkw nichtscheuen brauchen.Wir können nicht voraussagen, welche Technolo-gien künftig auf den Straßen dominieren werden.Deshalb treibt die deutsche Automobilindustrie ge-meinsam mit Partnern aus Wissenschaft und ande-ren Industriezweigen Forschung und Entwicklungauf allen relevanten Gebieten – Elektro, Hybrid, Was-serstoff und Verbrennungsmotor-Effizienz – parallelvoran. Angesichts des vorerst überschaubarenMarktanteils von Elektro- und Hybridfahrzeugen(2011: 0,5 Prozent der Neuzulassungen) gehen Her-steller und Zulieferer dabei ganz erheblich in Vor-leistung. Nur so können wir dem Ziel emissionsfreienFahrens immer näher kommen – und zugleich Hun-derttausende hochwertige Arbeitsplätze am Stand-ort Deutschland sichern.“ www.vda.de

Dr. Friedrich PreißerVerband der Automobilindustrie e.V., Geschäftsfüh -rer der Forschungsvereinigung Automobiltechnik

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AUS SICHT DER BRANCHEWie fahren wir morgen?

Dr. Friedrich Preißer

Page 27: TECHTEX & AUTOMOTIVE

❭❭ „Deutschland ist führende Exportnation – ge-rade auch dank seiner Automobilbauer. Welt-

weit nehmen sie am Puls der Märkte wachsendeQualitäts- und Umweltanforderungen auch im Be-reich textiler Innenraum-Komponenten auf.Neue Autos entstehen nicht nur bei der Adam OpelAG nach globalen Plattformkonzepten. Sollen siedoch den gesetzlichen Vorgaben und Gewohnhei-ten in Nordamerika ebenso entsprechen wie in Mit-teleuropa oder Fernost. Daraus resultiert eineVielzahl Anforderungen allein schon an Textilien, diesich in der Fahrzeugkabine finden – etwa als Him-mel, Säulen- oder Türverkleidung, Sonnenblende,Hutablage oder Teppichmaterialien an Koffer- undLaderäumen oder Seitenwänden.Die meist mittelständischen Zulieferbetriebe derBranche sehen sich mit echten Herausforderungenkonfrontiert: Sämtliche Innenraumtextilien sollenbeispielsweise geruchsneutral, emissionsarm und bis115 Grad heißlichtbeständig sowie schrumpfungs-resistent sein. Strass-Steine oder Metall ap plikatio-nen an Polstern können Fadenzieher verursachen,werden dennoch gewünscht und müssen also in-tegriert werden. Opel/GME legt auch großen Wertdarauf, dass man beim Verlassen des Fahrzeugskeine elektrische Entladung spürt – unabhängigvom Material der Sitzbezüge. Da hilft nur spezielleAntistatik-Ausrüstung.US-Kunden sehen im Pkw-Innenraum eine Art„verlängertes“ Wohnzimmer. Deshalb müssen Tex-tilien dort möglichst wenig schmutzanfällig und gutzu reinigen sein – mit handelsüblichen Mittelnebenso wie mit mancherlei Chemikalien, auf dieNutzer vielleicht zurückgreifen. Vergleichbar ag-gressive Wirkung können auch Sonnencremes oderInsektensprays haben: Das müssen Polster undTeppiche jedoch verkraften. Letztere sollen zudem

wenig anschmutzen, leicht zu reinigen und mög-lichst abrieb- und kratzfest auch. Und sie dürfennicht zu sehr schrumpfen. Für Mittelarmlehnen giltals zusätzliche Anforderung, dass sie klettbandbe-ständig sein müssen, weil sich an Oberbekleidunghäufig derartige Verschlüsse finden.Die wenigen Beispiele zeigen bereits: Textil undAuto sind eine erfolgreiche, aber anspruchsvolleKombination. Ziel war und bleibt stets, für defi-nierte Zeiträume oder Kilometerleistungen jedesichtbare Veränderung am Material auszuschließen,und für die jeweils doppelte Spanne den Ausfall desBauteils. Weil das Kundenverhalten sich aber permanent ver-ändert, sind auch die Qualitätsforderungen unsererBranche an den Werkstoff Textil dynamisch undsteigend. Ihnen zu entsprechen, ist, wie auf den Sei-ten zuvor schon herausgearbeitet, nur durch engeKooperation zwischen Herstellern und Zulieferernsowie Industrieforschern und Wissenschaftlern vonUnis, Forschungsinstituten und spezialisierten F&E-Dienstleistern zu sichern.“ www.opel.de

Eveline WeberInterior Material & Supplier Quality

Adam Opel AG

Innenraumtextilien:Marktdruck erfordert Kooperation

25PKW-Innenraum als wichtiger Wettbewerbsfaktor – innovative Textilien beeinflussen das Wohlbefinden

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❭❭ Ob Fahrer-, Beifahrer- oder Rückbanksitze:Obwohl der Wohlfühlkomfort fast mit

jedem neuen Modell besser wird, sind die Mög-lichkeiten von Technik und Material noch längstnicht ausgereizt. Zwei Forschungs- und Ent-wicklungslösungen aus Greiz und Hohenstein:

BELEGUNGSSENSOR „SEATSEN“STEUERT AIRBAGS

Ein Aufprallschaden soll künftig den Geldbeuteletwas weniger belasten. Damit beim Crash nichtalle Airbags auf einmal ausgelöst werden, habenGreizer Textilwissenschaftler intelligente Sensorenzur Erkennung der Sitzbelegung entwickelt. Siegeben im Fall des Falles nur jene Airbags frei, diesich tatsächlich auch für die Fahrgastsicherheit ent-falten müssen. Kern des „SeatSen“-Projekts, dasvom Bundesministerium für Bildung und Forschung(BMBF) gefördert wird, sind gestickte Fühler in der

Sitzpolsterung. Das Sensorsystem basiert auf texti-len Schaltungsträgern, auf deren Oberfläche mikro-elektronische Bauelemente mittels einer eigensdafür entwickelten Aufbau- und Verbindungstech-nik befestigt werden. Sie sorgt dafür, dass die Sen-sor-Fühler exakt positioniert und die elektrisch

leitenden Fäden an das Monitoringsystem im Autoangeschlossen werden. Die textilverarbeitbarenBauteile können auf einer Stickmaschine hergestelltwerden. Dabei werden die Bauelemente zugleichexakt in Position gebracht und auch kontaktiert.Damit ist sichergestellt, dass die Textilelektrik künf-tig auch „von der Rolle“ kostengünstig und in hohenStückzahlen hergestellt werden kann. An dem Forschungsthema, dessen Ergebnisse ggf.auch einen belegungsgesteuerten Betrieb von Sitz-heizungen ermöglichen können, sind die Großun-ternehmen Audi AG und Würth Elektronik ebensobeteiligt wie die aus Plauen stammende Car Trim

NEWS VOM AUTOSITZ

26 Textiler Sensor im Autositz – in Kooperation mit der Autoindustrie entstandene Innovation Greizer Textilforscher, gefördert vom BMBF

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GmbH und andere Mittelständler. Gegenwärtigwird die Zuverlässigkeit der Unterpolster-Sensorenbeim Automobilhersteller in Ingolstadt getestet. DieSerienreife ist in frühestens zwei Jahren abzusehen.Textile Sitzbelegungssysteme mit vereinfachtemMontageaufwand sollen sich künftig auch auf diekonkrete Geometrie jeder Art von Autositzen zu-schneiden lassen. www.titv-greiz.de

HOHENSTEINER MESSMETHODIKFÜR KLIMASITZE

Der Autositz in Modellen der oberen Preisklassensowie in Lkw wird kontinuierlich intelligenter.Jüngste Errungenschaft: aktiv klimatisierte Sitze mitHeizung und Lüftungsventilatoren. Das ist sommerswie winters mit Blick auf Wetterextreme behaglich:Die sich selbst regelnde Klimaanlage unter demPolster verbessert den Sitzkomfort erheblich. Dochreichen die Messmethoden, die seinerzeit für pas-sive Sitzheizungen nach dem Ein-Aus-Prinzip ent-wickelt wurden, aus, um den Herstellern die fürSerienproduktion und Weiterentwicklung dieserNeuheit erforderlichen Werte und Kriterien an dieHand zu geben? Und: Wie müssen die Sitze kon-struiert sein, damit energetisch optimierte Wohl-fühlwärme bzw. sanfte Kühlung beim Fahrer auchverlustfrei ankommt?Solche Fragestellungen interessierten die Industrieund ließen Wissenschaftler des Hohenstein Institutsfür Textilinnovationen (Baden-Württemberg) mitden auf Energieeffizienz und Mikrosystemtechnikspezialisierten Kollegen aus dem Friedrich-Wilhelm-Bessel-Institut (Bremen) in einem BMWi-geförder-ten Projekt zusammenarbeiten. Zunächst kamenverschiedene Aktiv-Klimasitze für Pkw und Lkw auf

den Prüfstand. Sie wurden hinsichtlich der Anzahlvon Arbeitsstufen, installierter Leistung, Baukonzeptund Bezugsmaterial differenziert. Es folgten physio-logische Labormessungen und Sitzversuche mitTestpersonen unter variierten Klimabedingungen(Tem peratur, relative Feuchte und Wärmeeinflüsse,die an verschiedenen Messpunkten zwischen Fah-rer, Sitz und Fahrzeuginnenraum erfasst wurden).Am Ende des Forschungsvorhabens im Jahr 2010wurde ein neues Messverfahren vorgestellt. Es kannden Einfluss von Sitzheizung und -lüftung auf diePhysiologie und das Komfortempfinden des Fahrersdetailliert darstellen. Durch die Forschung konntender Autoindustrie standardisierte Labormessver-fahren und daraus abgeleitete Kennzahlen zum Bei-spiel zur effektivsten Klimatisierung der Kfz-Sitzezur Verfügung gestellt werden. Für ProjektleiterinDr. Bianca-Michaela Wölfling, die zum Thema wei-teren Forschungsbedarf etwa hinsichtlich des Auf-wärmverhaltens ankündigte, haben die mit demProjekt parallel dazu vorgeschlagenen Konstrukti-onsempfehlungen besonderen Wert. Damit ließensich die Produktion hochwertiger Sitze und derdafür benötigten Einzelkomponenten gezielt undkostengünstig verbessern. www.hohenstein.de

Sensoren für Sicherheit und Klima

27Sitzversuche für optimal klimatisierte Autositze – ein Forschungsprojekt des Hohenstein Instituts für Textilinnovationen

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❭❭ Ein übersehenes Ampelrot, ein über dieStraße rollender Ball, der tote Winkel beim

Rechtsabbiegen: Sind Autofahrer, Fußgängeroder Radfahrer unachtsam, kommt es nichtselten zu schwerwiegenden Unfällen. Nachdem im Frühjahr 2012 von der Weltgesund-heitsorganisation vorgestellten Global StatusReport sterben jährlich weltweit 1,27 Mio.Menschen auf den Straßen. Jeder Zweite (inDeutschland jeder Vierte) ist Fußgänger oderRadfahrer und gehört damit zu den im Stra-ßenverkehr am wenigsten geschützten Perso-nengruppen. Die Autoindustrie steuert inzwischen mit tech ni-schen Mitteln dagegen. Ab 2010 wurden Brems-assistenzsysteme eingeführt, um Crashfolgenabzufedern. Ein deutscher Autokonzern hat ersteErfahrungen mit einer Art Katapulttechnik gesam-melt: eine Motorhaube, die sich beim Zusammen-prall blitzartig etwas aufstellt und damit den zurVerfügung stehenden Deformationsraum so ver-größert, dass der sogenannte Kopfverletzungsfak-tor HIC (Head Injury Criterium) möglichst in derNorm bleibt und die schwersten Unfallfolgen ggf.abgemildert werden können. Parallel dazu verfolg-ten Textilforscher aus Sachsen und NRW zusam-

men mit Kraftfahrzeugexperten aus Aachen einganz anderes Konzept.Im Dresdner Institut für Textilmaschinen und TextileHochleistungswerkstofftechnik (ITM) wurde in Ko-operation mit den Aachener Instituten für Textil-technik (ITA) und Kraftfahrzeuge (ika) auf Basis desVW „Golf V“ ein in die Motorhaube integrierter pas-si ver Fußgängeraufprallschutz aus textilen Abstands -materialien entwickelt. Die mechanisch, zugleichauch akustisch und thermisch wirkende Dämpfungs -struktur soll im Fall des Falles die Wucht des Zu-sammenpralls von Mensch und Technik so abfangen,dass die überlebenskritischen HIC-Werte entspre-chend der EU-Vorgaben eingehalten werden.

Im Ergebnis des vom BMWi über das Forschungs-Förderprogramm Industrielle Gemeinschaftsfor-schung kofinanzierten Projekts wurden textileAufpralldämpfer, also Abstandsgestricke und -ge-wirke mit besonders hoher Drucksteifigkeit, konzi-piert. Darüber hinausgehende Steigerungen diesesParameters wurden unter anderem dadurch er-reicht, dass im Abstandsbereich des voluminösenTextilverbundes Schaum infiltriert oder die Deckflä-chen mit Epoxidharz getränkt wurden. So fängt dasMaterial, das als Sandwich-Struktur unter der Mo-torhaube großflächig verbaut wurde, die dynami-sche Aufprall-Last am besten ab.Nachdem die grundsätzliche Machbarkeit von derWerkstoffseite her geklärt ist, wünscht sich Dr.-Ing.Olaf Diestel, der in Dresden das Projekt koordinierte,den baldigen Abschied vom „bloßen Haubenblech“zugunsten einer ganzheitlichen Mehrkomponenten-Motorhaube zur Verbesserung der Verkehrssicher-heit. Noch winkt die Autoindustrie mit Blick aufAufwand und Kosten jedoch ab …

tu-dresden.de/mw/itm

GEDÄMPFTER AUFPRALLTextile Werkstoffe für mobile Sicherheit

28 Premiere für eine fußgängerfreundliche Motorhaube, entwickelt von Dresdner und Aachener Wissen schaft-lern – Projektbearbeiter des ITM Matthias Haupt (rechts) und Mitarbeiter Nils Bolk (ITM Dresden) miteinem textilverstärkten Prototypen für den „Golf V“

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❭❭ Die Automobilindustrie steht auch bei De-sign und Werkstoffen vor einem generel-

len Paradigmenwechsel. In Zusammenarbeitmit Finalproduzenten und Zulieferern von Sys-temkomponenten ersetzt und verbessert dieTextilforschung zunehmend klassische Ein-satzstoffe. Schlaglichter aus Chemnitz, Den-kendorf, Bremen und Rudolstadt.Zu ihnen gehören im Wesentlichen Metall, Kunst-stoff, Leichtmetall und Keramik. Noch besteht einMittelklassewagen nach Angaben der RWTH in Aa-chen aus folgenden Werkstoffgruppen: Stahl (49Prozent), Kunststoffe (13), Eisen (10), Aluminium(9). Elastomere folgen mit 4 und Glas bzw. NE-Me-talle mit 3 Prozent – Textilien rangieren zusammenmit anderen Konstruktionsstoffen unter „Sonstiges“(8 Prozent). Wenn an dieser Stelle auch noch vielesim Fluss ist, scheint heute schon klar zu sein: DasAuto von morgen wird einen anderen Material mixaufweisen. Ein (unvollständiger) Blick auf entspre-chende Werkstoffangebote aus einigen Textilinsti-tuten belegt diese Tendenz: Das Sächsische Textilforschungsinstitut Chemnitz(STFI) unterstützt diesen Trend u. a. mit der Basis-entwicklung eines bereits beim IndustriepartnerTechtex Vliesstoffe GmbH im benachbarten Mitt-

weida zur Anwendung kommenden innovativenVlies-Nähgewirks, eines sogenannten Multiknits.Das unter Einsatz thermoplastischer Fasern herge-stellte Material, von dem jährlich bereits 3,5 Mio.Quadrat meter ausgeliefert werden, kann den nurteilweise recycelbaren PUR-Schaumstoff als Unter-polsterung von Autositzen ersetzen. Die später mitden Sitzbezügen sortenrein wiederaufbereitbarenFasern des gut kaschierbaren Materials sind druck -elastisch, gewährleisten ein besseres Sitzklima undsind frei von den sonst üblichen chemischen Aus-dünstungen (Emissionen). Direkt auf den sichtbaren Teil der Fahrzeuginnen-ausstattung zielt ein ebenfalls auf Multiknit-Grund-lage basierendes Forschungsergebnis ab, das ersteinmal wenig spektakulär klingt: 3D-Vliesstoffver-bünde für hinterspritzte Innenverkleidungen. Nachdieser Spritzgießtechnologie könnten Dekore ausTextil, Kunstleder (PVC) oder Leder mit einer wei-chen Oberfläche entstehen, die sich in Optik undHaptik von den bislang für die Innenraumverklei-dung verwendeten Materialien grundlegend unter-scheiden. Dabei wird der typische Soft-Touch-Effektdurch eine spezielle Mischung von Polyesterfasernmit unterschiedlicher Faserfreiheit, -länge und -kräu-selung erreicht. www.stfi.de

VIER MAL BESSEROptimierte Faserwerkstoffe

29Bilder von links: Vom STFI Chemnitz – Vlies-Nähgewirk für besonders angenehme Oberflächen von Pkw-Innen -verkleidungen | Aus dem vom ITM Dresden koordinierten Leichtbau-Cluster – Mitarbeiter Thomas Weser mitneuartiger Verstärkungsstruktur für 3D-Spritzgussbauteile auf Basis biaxial verstärkter Mehrlagengestricke

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Hochleistungsfasern aus Keramik (oxidische Fasernmit einer Langzeitbeständigkeit von 1.100 Grad Cel-sius), Carbon oder maßgeschneiderten Polymeresind Generalthemen am ITCF Institut für Textilche-mie- und Chemiefasern (Denkendorf). Die Spezial-fasern zeichnen sich durch außergewöhnlicheEigenschaften aus und empfehlen sich so für inno-vative Anwendungen in den Branchen Automotive,Luft- und Raumfahrt sowie in Energiewirtschaft undBauindustrie. Während selbstheilende Strukturen(siehe Seite 13) bereits in Richtung Mobilität „hin -überwachsen“, stehen andere Vorhaben mit volks-

wirtschaftlicher Relevanz noch ganz am Anfang. In diesem Zusammenhang verweist Institutsvize Dr.Bernd Clauß auf ein besonders ambitioniertes Pro-jekt: Forschungen zur Herstellung von Carbonfasernaus nachwachsenden Rohstoffen. Weil bei der Pro-duktion des klassischen Materials auf Basis von Po-lyacrylnitril bereits die Hälfte der Herstellungskostenin den Vorläuferfasern stecke, werde weltweit nachAlternativen gesucht. Das ITCF wolle sich jetzt inKooperation mit Industriepartnern verstärkt aufdiesem Forschungsfeld, auf dem die USA bereitssehr intensiv arbeiten, engagieren. Das ITCF hatdazu neben Erfahrung auch apparatetechnisch her-vorragende Ausgangspositionen.Die Chemiker und Textilingenieure sind bisher inder Lage, den gesamten Herstellungsprozess vonCarbon fasern, angefangen mit der Synthese vonPolyacrylnitril, über die Verspinnung zu Polyacryl-nitrilfasern (PAN-Fasern) bis zur Oxidation und

Carbonisie rung der Fasern, und ihre vollständigeCharakterisierung im Labormaßstab durchzuführen.In diese Prozesskette könnten auch nachwachsendeRohstoffe wie Cellulose oder Lignin integriert wer-den, um am Ende energetisch günstig herzustel-lende Hochleistungsfasern mit besserer CO2-Bilanzzu erzeugen. „Wir haben nicht nur die Hoffnung,dass uns dieses Vorhaben gelingt, sondern dass wirzum Schluss zu einer Technologie kommen, die imVergleich zur klassischen Produktion von Carbonfa-sern wesentlich kostengünstiger ist“, betont Dr.Clauß. www.itcf-denkendorf.de

Das für die Mobilität so wichtige Leichtbauthemawird auch im (TITK) in Rudolstadt durch intensiveMaterialforschungen vor einem vergleichsweiseriesigen Erfahrungsschatz unterstützt. Eine derHauptrichtungen seit inzwischen 15 Jahren sindnachhaltige Naturfaserverbundwerkstoffe. Siekom men für Fahrzeug-Innenraumkomponentenbei Türverkleidungen, der Instrumententafel, beiKofferraumverkleidungen und dem Dachhimmel zurAnwendung. Nach Angaben des Nova-Instituts wer-den von europäischen Automobilherstellern im Jahrbereits ca. 40.000 Tonnen solcher Werkstoffe ein-gesetzt. Dank intensiver Forschungen gelingen beiNaturfaserverbundstoffen immer neue Oberflächen -effekte. Das kommt der Autoindustrie entgegen, diezum Beispiel auf innovative Oberflächenoptik, diedas Licht auf besondere Weise bricht, ebenso setztwie auf haptisch angenehme oder kratzfeste Mate-rialien. Vor diesem Hintergrund gehört das TITK seit

30 Bilder von links: Selbstheilungs-„Mechanismen“ in Textilstrukturen – nur eine der Kompetenzen im ICTFDenkendorf | Parlamentarischer Abend des FKT Anfang 2012 in Berlin mit Textile & Automotive als Schwer-punkt | Naturfaserverbundwerkstoffe im Auto – das Rudolstädter TITK treibt die Forschungen voran

OPTIMIERTE FASERWERKSTOFFE

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1999 zu den Mitveranstaltern des Interna tionalenSymposiums „Werkstoffe aus Nach wachsendenRohstoffen“, das im September 2012 bereits zum8. Mal in Erfurt stattfindet. www.titk.de

An der Küste ist das Faserinstitut Bremen (FIBRE)seit gut zehn Jahren für Airbus textiler Werkstoff-und Kompetenzpartner, wenn es um Landeklappen,Flugzeugspanten bzw. demnächst auch um Fens-terrahmen aus carbonfaserverstärkten Kunststof-fen geht. Die Erkenntnisse und Erfahrungen ausdiesem Geschäftsfeld sind nach Auffassung vonFIBRE-Mitarbeiter Christoph Hoffmeister nicht ein-fach auf den Automobilbau übertragbar. Währendes bei Flugzeugen vor allem auf Hochleistungs-bauteile in übersichtlichen Stückzahlen ankomme,verlangten Fahrzeugproduzenten automatisierteTechnologien für große Serien in robusten Prozes-sen sowie abfallarme Produktionsweisen. Vor diesem Hintergrund werden für Luft- und Stra-ßenfahrzeuge Organobleche interessant – thermo-plastische Faserverbundwerkstoffe in Platinenform.Das Halbzeug mit großem Potenzial für die Serien-fertigung führt allerdings in der Praxis noch einSchattendasein. Der Grund: Bisher ließ sich der sen-sible Thermoumformprozess von Organoblechen nurschwer beherrschen. Bei der Bauteilherstellung wirddas erwärmte Halbzeug umgeformt und gepresst.

Die dabei im Inneren des Materials ab laufendenMechanismen sind komplex: Die aufgeschmol zeneMatrix hat eine stark temperaturabhängige Visko-sität – die Textillagen müssen drapiert werden unddabei aufeinander abgleiten. Diese Vorgänge unddas Erstarren der Matrix finden in Sekundenbruch-teilen statt.Nach zahllosen Experimenten und statistischen Un-tersuchungen im Rahmen eines ZIM-Projekts, andem auch das Institut für Textiltechnik (Aachen) unddas Institut für Werkstofftechnik (Bremen) mitge-wirkt haben, werden die dafür benötigten Prozess-parameter jetzt rechnerisch voraussagt. Dabei giltes, äußere wie innere Einflüsse der Platine zu be-trachten. Die Methoden und Technologien im Rah-men des Förderprojekts ProTOn machen jetzt denWeg frei für das Thermoformen für Bauteilanwen-dungen für die Automobil- und Luftfahrtindustrie.Das Simulationstool für die thermo-mechanischeUmformung kompensiert die werkstoffbedingteFaserabweichung, die die serielle Herstellung vonflächigen Bauteilstrukturen für Türschweller, Sei-tenaufprallelemente in Form von Türversteifern,Sitzschalen oder Frontstrukturen sonst behindernwürde. Weitere Produkte aus dem Projekt sind neueTrennmittel und eine berührungslose Temperatur-messung von Bauteil und Werkzeug für eine ver-besserte Prozessregelung. www.fibre.de

31Bilder von links: Aus dem Faserinstitut Bremen (FIBRE) kommen neue Fertigungstechnologien für groß- serielle Faserverbundbauteile – TFP(Tailored Fiber Placement)-Hybridroving mit anspruchsvoller Ober-flächengeometrie vor und nach der thermischen Bearbeitung

OPTIMIERTE FASERWERKSTOFFE

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VLIESSTOFFE AUF RÄDERN

Vliesmaterialien sind die Allrounder imAutomobilbau. Technische Vliese ver-richten ihren Dienst oft unsichtbar, sindfederleicht, von ständig wechseln derGestalt und dabei multifunktional undallgegenwärtig. Die Textil forschung inDeutschland ist internationaler Vorrei-ter bei Entwicklung und Einsatz diesesMaterials. Die Sandler AG in Schwarzen bach/Saale, Zulieferer u. a. für die Hygiene-,Bau- und Filtra tionsbranche, gehört zuden Top Five unter Europas Vlies-Her-stellern und ist dank modernster Fer-tigungstechnologien und Forschungs- kompetenz auch ein wichtiger Partnerfür die Automobilindustrie.

32 Sandler-Vliesstoffe wie Formteile aus solchen kompakten Materialien werden in Nutzfahrzeugen als Absorber zwischen Motor- und Fahrgastraum eingesetzt

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❭❭ Bis zu 40 kg Textilien werden heute im Pkwverbaut – ein beträchtlicher Teil davon sind

Vliesstoffe. Die unscheinbaren „Nonwovens“, tex-tile Flächengebilde aus zunächst lose abgelegtenFasern oder Filamenten, die mechanisch, durchHitze, Nadeln oder Wasserdruck verfestigt werden,sind überaus effizient und stets optimal „in Form“.Das oberfränkische Familienunternehmen Sandlerist seit vielen Jahren in diesem Segment mit wei-terhin großen Wachstumsaussichten tätig. „Bereitsin den 80er-Jahren wurden erste Projekte mit Auto-

mobilherstellern umgesetzt“, berichtet der Vor-stands vorsitzende Dr. Christian Heinrich Sandler.Weltweit 50 Automodelle, darunter Marken wieAudi, BMW, Ford, Mercedes oder VW, seien derzeitmit Erzeugnissen „made in Schwarzenbach“ unter-wegs. Ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkei-ten für Vliesstoffe trägt gemäß den Vorgaben derAutohersteller dazu bei, Fahrzeuggewicht unddamit den Kraftstoffverbrauch zu senken. Die Sand-ler AG biete etwa im Bereich der Akustik-Dämpfungverschiedenste Produkte für die Schallabsorption,so der Firmenchef in vierter Generation. Zum Ein-satz kommen PET-Vliesstoffe. Sie dämmen im In-nenraum auch bei hoher Geschwindigkeit lästigeMotor- und Fahrgeräusche. Vom Dachhimmel biszur Sitzmulde, von der Armaturentafel bis zur Hut-ablage werden hochwirksame Faserabsorber ein-

gesetzt, die geruchsneutral für wohliges Ambientesorgen. Vliesverkleidungen an Säulen oder auchKofferraumböden schmiegen sich „konturentreu“exakt an das jeweilige Bauteil.Ebenso helfen Motor- oder Getriebekapselungenaus Vlies, Kraftstoff zu sparen. Sie mindern nicht nurdas Geräuschfeld des Motor- und Getriebeblocks,sondern verlangsamen zugleich ihre Abkühlung. Aufdiese Weise werden Kaltstarts weitestgehend ver-mieden und eine effizientere Verbrennung unter-stützt. Unter der Haube trotzen die Nonwovens Öl

ebenso wie Benzin, widerstehen auch extremenTemperaturschwankungen. Und als textile Radlauf-schalen oder Unterfahrschutz fungieren wasser-und ölabweisende „Exterior-Absorber“ – als wirk-same Schilde gegen Witterung und Schmutz.Mit seinen technischen Vliesen will VorstandschefSandler, der auch Präsident des Bayerischen Textil-und Bekleidungsverbandes ist, nun in neue Bereichevorstoßen: „Wir beschäftigen uns selbstverständlichauch mit dem Thema Elektromobilität. Hinsichtlichder Geräuschquellen und der zu dämmenden Stellenbraucht es neue Lösungen. Signifikante Änderungenwird es auch bei der Absorptionsleistung, der Bau-raum-Einteilung oder beim Gewicht geben.“ Solcheneuen Herausforderungen münden in Entwick-lungs projekte, die gemeinsam mit Automobilher-stellern und ihren Partnern initiiert werden.

www.sandler.de

Alleskönner & Superleichtgewichte

33Bilder von links: Eine durchgängig automatisierte Vliesstofffertigung – Sandler gehört zu den größten euro -päischen Herstellern | Die Dipl.-Ing. (FH) Uwe Bernhuber (li) und André Flügel bei Entwick lungsarbeiten | Mo-torabdeckung aus geräuschdämmendem, öl- und wasserabweisendem sowie temperaturbeständigem Vlies

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❭❭ Textile Highlights von heute haben wie fa-serarmierter Beton oder faserbasierte Im-

plantate zum Teil einen Forschungsvorlauf vonzehn und mehr Jahren. Im Umkehrschluss heißtdas: Projekte und Themen, die derzeit in denTextilinstituten zusammen mit der Industrieangeschoben werden, kommen erst in den20er-Jahren auf den Markt. Welche Mega-trends von morgen muss also die Forschungvon heute berücksichtigen? Auf diese Fragewill das vom Forschungskuratorium Textil e. V.gestartete Projekt „Leitlinien 2025“ Antwortenfinden. Noch gelten die „Perspektiven 2015“, die 2006 vonder Textilforschung erarbeitet wurden. FKT-Chef Dr.Klaus Jansen sieht in den unabhängig erstelltenPrognosen von damals, die Ähnlichkeiten mit derHightech-Strategie der Bundesregierung aufwei-sen, einen „hilfreichen Forschungsrahmen“. Diedarin benannten fünf Leitthemen – Gesundheit,Mobilität, Sicherheit, Kommunikation, Emotionali-tät – seien für die 1.200 Textilforscher Orientierung

und Motivation für die nachhaltige und ressourcen-sparende Projektforschung. Eine Zwischenbilanz auf dem Prognosefeld Mobili-tät fällt aus Sicht des FKT durchaus positiv aus, zeigtaber zugleich, dass die Textilintegration und Werk-stoffablösung in Karosserien, Innenräumen undFunktionselementen eine gigantische Aufgabe fürmehrere Jahrzehnte ist. Dafür sind interdisziplinäreSchwerpunktforschungen auf nationaler und euro-päischer Ebene ebenso Voraussetzung wie einstarkes Engagement der Industrie und des mit flan-kierenden Fördermitteln Rahmen setzenden Staates.An der Schwelle zur E-Mobilität, so Jansen, zeige sichderzeit vor allem: „Ohne faserbasierten Leichtbaumit Gewichtsverminderung und Kraftstoffeinspa-rung als Folge würden wichtige Mobilitätsziele derGesellschaft in weite Ferne rücken. Allerdings ste-cken unsere derzeitigen Produktions-, Verwertungs-und Wiederaufbereitungstechnologien dafür noch inden Kinderschuhen, sind also viel zu kostenintensiv,energieaufwendig bzw. mit Blick auf die Umwelt-konformität noch nicht bis in alle Details durch- dacht.“

UMWELT IM FOKUS

Gerade der Ökologieaspekt – also der sparsameUmgang mit Ressourcen und Energien, der Einsatzumweltkonformer Chemikalien für die Produktionsowie die Vermeidung von Transporten bzw. diemühelose Wiederaufbereitung von Textilmaterialien– ist für alle Leitbereiche ein wesentlicher Ansporn.Umweltfortschritte dank neuer textiler Werkstoffehaben in den vergangenen Jahren so mancheSchlagzeile gemacht: Bewässerungsmatten, Hoch-leistungsfilter und nicht zuletzt der „Nebelfänger“aus Denkendorf, mit dem sich in Küstennähe bis zu

FKT-LEITLINIEN 2025

34 Koordiniert die Forschungsförderung und wagt mit Zukunftsforschern einen prognostischen Blick aufbranchenbeeinflussende Megatrends der Gesellschafts- und Technikentwicklung – Dr. Klaus Jansen, Geschäftsführer des Forschungskuratoriums Textil

Dr. Klaus Jansen

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50 Liter Wasser pro Quadratmeter und Nacht ausder Luft gewinnen lassen. Jetzt will das Kuratorium im Disput mit Textilwirt-schaft und -verbänden aus den angeschlossenen In-dustriezweigen sowie aus den Regionen neueHerausforderungen als Meilensteine benennen. Umeinen Blick ins Morgen werfen zu können, bedienensich die Textiler einer Methodik der Zukunftsfor-schung, der Retropolation. Dabei werden Bilder ausder Zukunft, in dem Fall das Jahr 2050, gesammeltund versucht, die Anforderungen dafür schon weitim Vorfeld – also im Jahr 2025 – zu umreißen. Pro-fessionelle Begleitung dafür gibt die MünchnerFENWIS GmbH, spezialisiert u. a. auf sogenannteZukunftslandkarten als Strategiehilfe. Mit der Frage, was in 40 Jahren anders sein wirdoder muss, werden zunächst solche relevanten The-menfelder beleuchtet: Mensch, Ernährung, Ge-sundheit, Mobilität, Konsumverhalten, Energie,Ressourcen, Klimawandel. Bei der Ernährungssitua-tion zum Beispiel, die eng mit den dann 9 bis 10Mrd. Menschen, die zu 70 Prozent in Städten und zu50 Prozent in den sieben Ländern China, Indien,USA, Indonesien, Pakistan, Brasilien und Nigerialeben werden, verbunden ist, treten schon bei derNennung einiger Problemkreise gewaltige textileHerausforderungen auf den Plan. Will man die klimagefährdende Ausbreitung vonAgrarflächen stoppen und damit die Produktion vonNahrungsmittel unmittelbar dort, wo sie ohne vielTransport und Logistik benötigt werden – nämlichin den Mega-Städten –, ansiedeln, müssen neueLandwirtschaftskonzepte gefunden werden: Derüber die Jahrtausende präferierte Acker als horizon-tale Anbaufläche wird nach dem Stand der Dingevertikal – und Bestandteil von Agrarhochhäusern.Experten sprechen heute schon von „vertical far-

ming“ (Vertikalfarmen). Bewässerungsmatten, Be-schattungssysteme und Leichtbausegmente fürdiese neuen Ansprüche werden ebenso aus Textil-materialien sein wie Schläuche, hängende Beete,Lichtleiter … Ähnlichen Forschungs- und Entwicklungsbedarf fürFasern, Gewebe und Vliesstoffe gebe es auch in denanderen Zukunftsbildern, waren sich die mehr als 50Teilnehmer nach drei Regionalveranstaltungen desFKT in Aachen, Denkendorf und Dresden einig. Nochbevor die abschließenden Thesen dazu aufgestelltund für die Institute bisher unberücksichtigt geblie-bene Entwicklungsrichtungen benannt werden, hatdie Diskussion auch für die Forschung selbst zum Teilneue Ansprüche aufgestellt, die über die Notwen-digkeit, künftig inter disziplinärer und effizienter zuarbeiten, weit hinausgeht. Dr. Jansen fasst zusam-men: „Um die gesellschaftlichen Entwicklungen wis-send zu begleiten, müssen wir in zunehmendemMaße Exzellenzforschung betreiben und zugleich beisolchen Themen wie Nano- oder Gentechnik in dergesamten EU für mehr Akzeptanz werben.“ In Bezugauf die Humanressourcen werde es immer wichti-ger, Fachkräfte auszubilden und möglichst lange anden Forschungsstandorten zu halten. Nur so könneder internationale Vorsprung der deutschen Textil-forschung auf zahlreichen Gebieten gehalten undausgebaut werden.

www.textilforschung.de

Was treibt die Textilforschung an?

35Eine der textilen Zukunftsaufgaben: Hochhäuser mit vertikalen Landwirtschafts-„Flächen“ – sie werdenkaum ohne neue Textilmaterialien für die „hängenden“ Gärten inklusive Bewässerung und Beleuchtungauskommen

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❭❭ In Deutschland ist der Anteil von Mobiltextilienam Gesamtmarkt der technischen Textilien mit

rund 22 % das größte Teilsegment – Tendenz stei-gend. Der weltweit anhaltende Leichtbautrend mitCarbon- und Glasfasern sowie Verschnitten undProduktionsabfällen aus diesen Materialien sporntWissenschaft und Industrie an, entsprechende Re-

kommen, oder mit trockenen Abfällen aus Carbon-verschnitt. Bereits in der Mitte des vergangenenJahrzehnts signalisierte das Institut mit dem nun zurVerfügung stehenden Recyclingverfahren seineTechnologieführerschaft auf diesem Zukunftsfeld.Seit mehreren Jahren, so Projektleiterin Dr. RenateLützkendorf, interessiere sich auch die Autoindus-

RECYCLINGTechnologien für ein zweites Leben

36 Bilder von links: Ein zweites Leben für Carbonfasern ermöglicht eine Recyclingtechnologie aus Rudolstadt– das wiedergewonnene Material aus Carbon-Stapelfasern kann auch für gewichtsreduzierte Bauteile beiE-Mobilen eingesetzt werden | Projektleiterin Dr. Renate Lützkendorf mit Bauteil und Ausgangsmaterial

cyclingtechnologien zu entwickeln. Sie müssen spä-testens dann für die verschiedensten Einsatzstoffezur Verfügung stehen, wenn das Ende der Nut-zungszeiten von in Großserie erzeugten Voll- undTeilkarosserien, Rotorblättern und Maschinenver-kleidungen naht – also bereits in wenigen Jahren.Von den Lösungen werden Umweltkonformität undeine hohe Wirtschaftlichkeit erwartet. Besonders Carbon-Stapelfasern, also jene, die nichtaus Endlosmaterial, sondern auch aus der Wieder-aufbereitung stammen, sind im Thüringischen Insti-tut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK)Gegenstand von Förderprojekten. Sie beschäftigtensich seit 2002 etwa mit dem Recyceln von Aramid-fasern, wie sie in Schutzanzügen und -helmen, Po-lizeiwesten oder Fahrzeugpanzerungen zum Einsatz

trie für dieses Verfahren. Der Grund: Aus recycel-tem Verbundmaterial sind jenseits von tragendenStrukturbauteilen zahlreiche Bauteile denkbar. Am Ende des Abfallverwertungsprozesses à la TITKstehen wiederverwertbare Langfasern. Sie lassensich zu unterschiedlichen Verbundstoffen weiter-verarbeiten, so zu gewichtsreduzierten Bauteilenzum Einsatz u. a. in E-Mobilen. Eine weitere Ein-satzstrategie betreffen Faserhalbzeuge in Form vonspritzgießfähigen Granulaten. Sie werden benötigt,um komplexe Bauteile mit Verrippungen und Funk-tionsintegration herstellen zu können und Zyklen-zeiten in der Produktion beträchtlich zu reduzieren.Dabei sind auch Werkstoffkombinationen mit Or-ganoblechen oder Metallteilen möglich.

www.titk.de

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❭❭ Im Fahrzeugbau werden technische Textilien beispielsweise eingesetzt, um die Sicherheitund den Komfort der Fahrgäste zu erhöhen oder um den Energieverbrauch der Fahr-

zeuge zu reduzieren. Bekannte Beispiele für technische Textilien in der Automobilindustriesind der Airbag, Sicherheitsgurte, Sitzbezüge oder Cabrio-Dächer; auch in Autoreifen werdenTextilien verarbeitet. Zudem können leitfähige Textilien (statt Metalldrähten) bei Sitzheizun-gen im Auto verwendet werden; Abstandsgewirke können bei Sitzbezügen zum Einsatz kom-

men und den thermoregulatorischen Komfort erhöhen. Kohlenstofffaserverstärkte Kunst stoffe(CFK) kommen aufgrund des geringen Gewichts bei gleichzeitig hoher Festigkeit und niedri-ger Anfälligkeit für Temperaturschwankungen im Flugzeugbau zum Einsatz.Im Automobilbau gibt es ebenfalls Pläne, Karosserien auf CFK-Basis wegen dieser positivenProdukteigenschaften (vor allem geringeres Gewicht) auch im Volumensegment vermehrteinzusetzen. So reduziert eine Gewichtsreduktion eines Mittelklasseautos um 100 kg dessenKraftstoffverbrauch um bis zu 0,3 Liter pro 100 km Fahrleistung.

Fahrzeugbau

Elektroindustrie

Textil/Bekleidung

Maschinenbau

EDV/IT

Chemie/Pharma

Baustoffe

INNOVATIONEN WICHTIGUmsatzanteile von Branchen* mit Produktneuheiten**Deutschland, %, 2009; Quelle: ZEW

* Branchenbezeichnung in der Grafik weicht teilweise von der Originalquelle ab. | ** Produkte, die jünger als drei Jahre sind

0 25 50

Technische Textilien machen Fahrzeuge leichter, effizienter, sicherer und erhöhen den Komfort.

Innovationen und Internationalisierung als Erfolgs faktoren

TEXTIL-/BEKLEIDUNGSINDUSTRIE

Deutsche Bank Research vom 6. Juli 2011

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Automotiv-Kompetenz x 13 (Auswahl)

NEUE MATERIALIEN carbonfaser- bzw. glasfaserverstärkter Kunststoff (CFK bzw. GFK)

SMART TEXTILES

HYBRIDVERBINDUNGEN

VERARBEITUNGS-TECHNOLOGIE

DTNW, FIBRE,ITA, ITCF, ITM,ITV, STFI, TITK,TITV

FIBRE, ITA,ITM, ITV, STFI,TFI, TITK, TITV

Forschungsschwerpunkt Fokus/Fragestellungen Institute

ProduktlebenszyklusanalyseDesign, Konstruktion

Die zumeist höheren Kosten der neuen Mate-rialien und Bauteile müssen nicht nur in der Pro-duktionskette, sondern über den gesamtenLebenszyklus einschließlich Reparatur, Wartungund Wiederverwertung betrachtet werden. Ebenso wichtig ist das „Design“ dieser neuenBauteile. Was früher durch Formen von Blechentstanden ist, kann heute nicht 1:1 durch Tex-til nachgebildet werden. Die Konstruktionenmüssen völlig neu geplant werden.Eine weitere Frage. Wie lassen sich in neue Ma-terialien und -verbünde zugleich auch Funktio-nen wie Schalter oder Selbstheilungseffekteintegrieren?

Fügen, TrennenHerstellung, Verarbeitung

Leichtbauteile werden zurzeit fast ausschließlichin Handarbeit gefertigt, daher langsam undteuer. Für eine Anwendung in Serie müssen Zu-schnitt, Handhabung, Vorformung, Konsolidie-rung zum Verbundbauteil automatisiert werden.Zum Einsatz kommen Faserverbundbauteile intragenden Komponenten von Fahrzeugen (z. B.Fahrgastzelle), Verblendungsteilen (u. a. Kot-flügel, Cabriodach) oder als Verstärkung be-stehender Konzepte (für Seitenaufprallschutz,Bodengruppenverstärkung, Crashabsorber imFrontbereich).

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Schwerpunkt Fokus/Fragestellungen Institute

MATERIALSICHERHEITDER VERBUNDWERKSTOFFE

WERTSCHÖPFUNGSKETTE

RESSOURCENEFFIZIENZ

FIBRE, ITA,ITM, ITV,TITK

DITF-MR,FIBRE, FTB,HIT, ITA,ITV, STFI,TITK

ITA, ITV,STFI, TFI,TITK, TITV

Simulation, Monitoring, Reparatur,Versagen

In Zukunft werden Bauteil- und Funktions-simulationen am Rechner immer wich tiger;ebenso nicht zerstörende Prüfverfahrenund das möglichst im Bauelement inte-grierte Langzeitmonitoring.

Qualitätssicherung, PrüfungAus-, FortbildungInnovations-, Wissensmanagement

Interdisziplinäres Teamwork von der For-schung bis zur Produktion wird immerwichtiger. Die Textilforschung arbeitet zu-nehmend mit Experten an Schnittstellen zu anderen Branchen zusammen. Entspre-chend müssen auch Aus- und Fortbildungausgerichtet werden. Besonders wichtig wird der Wissenstrans-fer zwischen Personen, Teams und voneiner Unternehmergeneration in die andere.

Nachwachsende RohstoffeRecycling

Suche nach Alternativen zu Kohlefasern, dadiese zwar fest, aber sehr teuer und nurbegrenzt verfügbar sind. Es bieten sich an:Aramide, PEEK, Naturfasern.Entwicklung effizienter und rückstandsloserRecyclingtechnologien für CFK/GFK.

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ImpressumForschungskuratorium Textil e. V. Reinhardtstraße 12–14 10117 Berlin www.textilforschung.deRedaktion: Checkpoint Media®

Grafik: Heike Unger

Fotoquellen

Sven George || AUNDE S. 16, 17 || BMW U1 || DTNW S. 15 || FIBRE S. 31 || Güth & Wolf S. 19 || Hohenstein S. 27 || Detlef Ilgner

S. 19 || ITA U4/1, S. 22, 23 || ITCF U3, S. 13/2, 30/1 || InoReTex S. 14 || ITV U4/2, S, 6, 10, 11/2, 13/1, 21 || Blake Kurasek S. 35 ||

GM Company S. 25 || Sandler AG S. 32, 33 || SGL Kümpers S. 7/2, 8, 9 || STFI S. 2, 29 || textil+mode S. 3 || TITK S. 30/3, 36 || TITV

S. 5/2, 7/1, 20, 26 || Peter Vardai S. 4

Das Forschungskuratorium Textil e. V. ist in enger Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der deutschenTextil- und Modeindustrie e. V. tätig und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen„Otto von Guericke“ e. V. (AiF).


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