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TAGESSPIEGELBERLINER 2018 Februar Nr - iqm.de · 8 I mRaucherraumdesAutobahnrasthofsAvus...

Date post: 05-Aug-2019
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„Ich bin ein lebensfindendes Etwas“ Die Schauspielerin Lea van Acken war ein Teeniestar. Jetzt will sie ein Superstar werden Nr. 5 Februar 2018 TAG E SSPI E G E L B ER LI N ER
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Page 1: TAGESSPIEGELBERLINER 2018 Februar Nr - iqm.de · 8 I mRaucherraumdesAutobahnrasthofsAvus istimmerMittwoch.DerTag,andemdas Wochenendenochsoweitentferntist,dass WartendieeinzigeMöglichkeitist.Warten,bises

„Ich binein lebensfindendes

Etwas“

Die Schauspielerin Lea van Acken war ein Teeniestar.Jetzt will sie ein Superstar werden

Nr. 5Februar2018TAGESSPIEGEL BERLINER

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Großes Kino köDer neue Audi A7 –

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nnen wir auch.Partner der Berlinale.

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Brandstores: Düsseldorf - Mittelstrasse 15, Hamburg - Neuer Wall 17, Köln - Ehrenstrasse 39, Nürnberg - Ludwigsplatz 7Buy online: www.florisvanbommel.de

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der vorleser inhalt

6 FuturalismusPop-Art-Collage von Tony Futura

8 MenschenmuseumDirk Gieselmann und der ewige Mittwoch

10 SchönstpersönlichOktopus und Sonnenbrillen:Lebensverbesserungen von Frederik Frede

12 Das Nächste

14 Die VerwandlungDie Schauspielerin Lea van Acken willein Superstar werden – nach dem Abitur.Welche Rolle passt zu ihr?

26 „Berlin ist über-dreht“Der „4 Blocks“-Szenenbildner Claus RudolfAmler über die Bilder einer Stadt

32 Wirmüssen redenEineTalkshowüberTalkshows.MitAnneWill, Friedrich Küppersbusch, WolfgangBosbach, Sascha Lobo und Hans Hütt

42 Doktor Körnersgesammeltes SchweigenJonathan Meese schlachtet Farbeimer

44 Punk vom FeinstenOdély Teboul war die größte Mode-hoffnung Berlins – wird sie es wieder?

50 Top-Trend „Zooming!“Stephan Porombka über ein Handyspiel,das die vernetzte Gegenwart erklärt

52 Einer hält die StellungAllein unter Start-ups: Herr Wolle istder letzte Bewohner seines Hausesim hipsten Teil von Berlin-Mitte.Bilder von einem, der bleibt

60 Melting PotMexikanisch-japanische Fischplatte

61 Dr. OmKleine Meditationen über die großenFragen des Lebens

61 Impressum

62 Sicherheit /FreiheitLea Rosh entflieht einem Heiratsantrag

Titel Die Verwandlung der Lea van Acken:Unser Porträt und eine Modestrecke als

Rollenspiel beginnen auf Seite 14

Worum geht es in diesem Magazineigentlich? Oft hilft der Blick von außen.Diesmal: Manuel Möglich

Titel:Jens

Schm

idt

I m postfaktischen Zeitalter, sagt man,ist die Wahrheit relativ. Also gilt es, soauthentisch wie möglich zu sein. Streng

dich an dabei, sei aktiv echt! Natürlich istdas widersprüchlich, so wie das Leben.Manchmal kommt trotzdemwas Sinnvollesdabei raus. Wie das Heft in Ihren Händen.Ein Original hat die Fotografin Julia LukaLila Nitzschke über zweieinhalb Jahre langbegleitet. „Herr Wolle hält die Stellung“ istdie Anti-Inszenierung zum gefakten Lebenauf Instagram. Ich mag die Aufnahmen vonDinos, Plüschbären und einer Armee Gar-tenzwerge. Inmitten seiner vollgestopftenBude steht ein Typ, der sonst höchstens ineinem Ulrich-Seidel-Film auftaucht – aberdoch niemals in Berlin-Mitte lebt! Trotz desvermeintlichen Chaos, in dem Herr Wollezu Hause ist, lässt ihm die Fotografin dasWichtigste: seine Würde.Ähnlich unmittelbar wirkt Dirk Giesel-manns Beschreibung der Zwischenwelt

vor Berlin – des Punktes, wo die A115auf die A100 trifft. Ein Ort, der in derGegenwart nie Ziel ist, dennoch kenntjeder den Turm mit dem Mercedes-Stern auf seinem Dach. Es geht umden Avus-Rasthof, kaum einer machtda halt. Aus Gründen bin ich kürzlichselbst mal an dieser traurigen Rasterechts rausgefahren. Und habe mitErstaunen festgestellt: Verglichen mitder Stadt, die je nach Perspektive davoroder dahinter liegt, sind dieMenschen

dort herrlich real.Manchmal ist es besser, die Klappe zuhalten. Für ein Interview ohne Worte hatTorsten Körner den Künstler JonathanMee-se getroffen. Und fast hätte er es geschafft!Beinahe wäre ihm der einzige Text überMeese geglückt, der ohne die Namen Hit-ler oder Wagner auskommt. Doch am Endekonnte er es dann doch nicht ganz lassen,Hitler undWagner zu schreiben, auch ohnemit Meese über Hitler undWagner gespro-chen zu haben. Geht Meese also nie ohneHitler undWagner?Am Ende will ich aufrichtig bleiben: Daskomplette Heft habe ich nicht gelesen, poli-tische Talkshows langweilen mich seit Län-gerem – darum kann ichmir nicht vorstellen,dass ein Artikel zum Thema spannen-der ist. Aber ich bin überzeugt, dass diesefünfte Ausgabe des Tagesspiegel BERLINERdie bis dato ehrlichste von allen gewordensein muss. Fakt!

Manuel Möglich, geboren 1979 in Weilburg, ist Autor und Journalist. Am 27. März erscheintsein Buch „Alles auf Anfang“ bei Rowohlt, am 24. April liest er im Heimathafen Neukölln.

Foto Ériver Hijano

[email protected]/tspBRLNRwww.instagram.com/tsp_BRLNR

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Tony Futura, 1986 in Frankfurt/Oder geboren, ist mit seinen minimalistischen Pop-Art-Collageneine Instagram-Größe. Außerdem ist er Senior Art Director der Kreuzberger Agentur DOJO.

Double TroubleDouble Trouble

futuralismus

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Der Einfluss der Architekturund des Designs des bau-hauses lebt weltweit fort.Anlässlich des Gründungs-jubiläums der berühmtenKunstschule der WeimarerRepublik führen stilwerk undminimum die Leserinnen undLeser des Berliner Tages-spiegels durch das Herz desbauhauses. Gemeint sinddamit die Lehrwerkstätten,in denen die Studierendendie Produzierbarkeit ihrerEntwürfe prüften, indem siesie herstellten.

Tischleuchte Kaiser Idellvon Christian Dell

Aus dem faszinierenden bau-haus-Repertoire, das damalsentstand, wurden 100 Dingeausgewählt, die noch immererhältlich sind und heute alsStilikonen gelten. Seit Oktober2017 wird über einen Zeitraumvon 100 Wochen jeden Sonntageiner dieser Gegenstände imKulturteil des Tagesspiegelsvorgestellt. Die Serie wird be-reits gesammelt. Im Herbst2019 werden die Gegenständein einer Ausstellung zusam-mengeführt, die von minimumkuratiert, im Foyer des Berlinerstilwerk zu sehen sein wird.

Welches der 100 Dingeam besten zur Berlinalepasst? Ganz klar dieTischleuchte Kaiser Idellvon Christian Dell, auch„Kommissarleuchte“ ge-nannt. Durch Auftritte inzahlreichen Krimis hat siees zum weltweit populärenFilmstar gebracht.

Das stilwerk mit seinendrei Standorten in Berlin,Hamburg und Düsseldorfetablierte sich 1999 als ersteumfassende Anlaufstelle fürDesign in Berlin. Zu seinemKosmos exklusiver Markengehört auch der Einrichterminimum, heute eine der ge-fragtesten Adressen, wennes um anspruchsvolle Interieur-Konzepte im Wohn- und Pro-jektbereich geht. Insbesonderemit der kuratierten Design-Collage hat sich minimumeinen Namen gemacht.

100 Jahrebauhaus2019

Der Einfl uss der Architekturund des Designs des bau-hauses lebt weltweit fort. Anlässlich des Gründungs-

Tischleuchte Kaiser Idell von Christian Dell

Aus dem faszinierenden bau-haus-Repertoire, das damals entstand, wurden 100 Dinge ausgewählt, die noch immer erhältlich sind und heute als

Das stilwerk mit seinen drei Standorten in Berlin, Hamburg und Düsseldorfetablierte sich 1999 als erste

100 Jahrebauhaus2019

Deutschland

feiert bauhaus

und die Berlinale

Während die Berlinale-Retrospektive

die Weimarer Republik in den Fokus

rückt, bereiten sich Architektur und

Design mit dem bauhaus-Gründungs-

datum auf ein spektakuläres Jubiläum

dieser bewegten Zeit vor. 1919 in

Weimar eröffnet, sind Produkte des

bauhauses gerade heute beispielhaft

für einen Minimalismus, der sich an

menschlichen Bedürfnissen orientiert.

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I mRaucherraum des Autobahnrasthofs Avusist immer Mittwoch. Der Tag, an dem dasWochenende noch so weit entfernt ist, dass

Warten die einzige Möglichkeit ist. Warten, bis esvorbei ist. Warten, bis es zu spät ist für alles.Ein großes Pils trinken, ein kleines zahlen, so stehtes in der Karte. Das ist eine gute Idee, die beste wohl fürheute, ein Versprechen immerhin, das niemand brechenkann. Die Heizung ist auf Stufe fünf gestellt, dieWachstischdecken kleben, auch nach dem Wi-schen. Es ist Dienstag, der 30. Januar, einMittwochalso, wie immer hier.Der Autobahnrasthof Avus steht da, wo A115und A100 aufeinanderstoßen, mitten im Gewirrder Trassen und Zubringer, wie ein geschlagenerTurm neben einem Schachbrett. Es ist unklar, wa-rum jemand hier anhalten sollte, amRande Berlins,es lohnt sich noch nicht oder nicht mehr. Die Reise hat geradebegonnen oder endet, es besteht kein Grund, rechts rauszufahren.Die Rennstrecke, deren Teil der Turm einmal war, ist seit zwanzigJahren außer Betrieb. Die Tribünen sehen auswie die Ruinen eineruntergegangenen Zivilisation.Viele denken, sagt die Frau hintermTresen, wir hätten geschlos-sen, und dann fahren sie einfach weiter. Sie sagt es, als wollte siesich selbst Trost spenden, einen Trost, der an sich schon traurig ist.Vielleicht denken auch die, die drinsitzen, dass die Raststättelängst geschlossen ist. Und deshalb bleiben sie hier. Der Turman der Avus ist ein Asyl für die, die vergessen haben, worauf siewarten, und jetzt warten sie, bis es ihnenwieder einfällt. Das kleinerote Rechteck, mit dem auf dem Kalender der Tag markiert wird,ist für immer stehen geblieben auf einemMittwoch.In einer Ecke des Zimmers ringt eine Zimmerpalmemit demTod,in der anderen raucht ein Mann eine Zigarette, oder die Zigaretteraucht den Mann. Er wird zu Asche, grau wie der Tag, verfestigtsichwieder und zündet sich die nächste an. Er berührt sein Telefon,als pulte er in einer altenWunde. Dankmoderner Technik ruft ihnjetzt, auch wenn er unterwegs ist, niemand an.

menschenmuseum

Dirk Gieselmann, 1978 in Diepholz geboren, schaut mit einer Mischung aus Faszination und Fluchtreflex auf die Welt. Hier erzählt er davon.

Schildkröten beobachtenin der Zwischenwelt:Dirk Gieselmann fährtam Avus-Rasthof raus

Ein paar leere Tischeweiter,im blauen Nebel, isst ein an-derer Mann ein Schnitzel wiebittere Medizin. Den Salatschiebt er von sich. Über ihman der Wand hängt ein Foto

von Paris, ein Liebespaar küsstsich im Jardin du Luxembourg. DerMann

bestellt noch ein Schnitzel, wieder schiebt er denSalat von sich.Ich bin Busfahrer, sagt er, ich setze die Leute hierab und warte. Dann fahre ich sie wieder zurücknach Paderborn.Ich komme fast jeden Tag hierher, sagt der ande-re, Kaffee trinken, rauchen, Zeitung lesen, hier habichwenigstensmeine Ruhe. Sein Telefon schweigtweiterhin.

Im Fernsehen läuft ein Film über Schildkröten. Sie kehren, sagteinWissenschaftler, um ihre Eier abzulegen, an den Strand zurück,an dem sie geschlüpft sind. Sie haben über die Jahrmillionen nichtbemerkt, dass der Strand sich durch die tektonische Verschiebungimmer weiter entfernt hat. Sie schwimmen, um ihre Eier abzule-gen, von Amerika nach Afrika.Jetzt rauchen beide Männer im stummen Einklang. Sie blickenauf den Fernseher, in dem die Schildkröten schlüpfen und sich has-tig insMeer schleppen. Hinter den Fenstern des Rasthofs rasen dieAutomobile in die Stadt hinein und rasen aus ihr hinaus, 200.000sind es am Tag, als wollten auch sie ihre Eier ablegen und dannzurückkehren nach Amerika. Nach Paderborn.Wohin auch immer.Auf der anderen Seite der Autobahn ragt dasMessezentrum dro-hend auf wie eine Steilküste, dahinter muss es sein, dieses Berlin.Liegt unter dem Pflaster noch der Strand?Im Fernsehen lauern die Geier auf die Schildkröten. Nur jededritte schafft es ins Meer, sagt derWissenschaftler, der Rest wirdgefressen.Diese armen Tierchen, sagt der Busfahrer leise. Diese armen,armen Tierchen.

ImImblauenblauenNebelNebel

Foto:SaskiaOtto

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schönstpersönlich

I ch gehe gern schwimmen, möglichst jeden Tag. ImWinter insStadtbadMitte (1) oder in die Finckensteinallee. NebenRadfah-ren der perfekte Ausgleich! Danach auf eine Tarte oder Granola

in die Black Isle Bakery in der Linienstraße (2). Dazu blättere ich in„Mister Twister“ (3), dem neuen Design-Magazin von Freunden –mit Schallplatte! Zum Abendessen bin ich am liebsten im Kin Dee(4) in der Lützowstraße. Mein Favorit: der scharfe Oktopus, dazuein Glas Rocalan-Naturweißwein, während ich aufmeineFreundin und RestaurantchefinDaladwarte undwir dannweiterziehen oder nachWilmersdorf nachHause fahren.Meinen roten Lieblingsnaturwein „Mephisto“ (5) kaufeich in der Köpenicker Straße im Vin sur Vin. Auch tollist das Mrs Robinson’s in der Pappelallee (6) – wegen

der Brussels Sprouts! Ich liebe Blumen, vor allem die von BlumenGörli in der Wiener Straße (7), klein und unglaublich freundlich!In unserem FvF Friends Space ums Eck steht das Kerman-Sofamitdem irren Dschungel-Bezug (8), perfekt passend daneben:WernerPantons Flowerpot-Lampe (9). Ständige Begleiter sindmeine BoseIn-ear Headphones (10), die funktionieren auch ohneMusik, wennman einfach Ruhe braucht. Als Nächstes auf dem Wunschzettel:

Kunst von Raul Walch (11) und eine Uhr von Dufa ausThüringen oder vonNomos (12) – schön schlicht! A proposWunsch, Frühling darf es bald werden! Am 1. März machtder vegane Eisladen Tribeca in der Rykestraßewieder auf(13). Dazumein Lieblingsaccessoire: eine Sonnenbrille vonSunbuddies (14). So lässt es sich aushalten!

Frederik Frede, geboren 1976 in Neu-Ulm, ist Mitgründer des Online-Magazins „Freunde von Freunden“ und der Kreativagentur MoreSleep.

Frederik Frede über Oktopus,Kopfhörer und zwölf weitereLebensverbesserungen

Fotos:Instagram

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Emery/BlackIsle

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Die nächste Sauce, mit der wir Rohkostzum Erlebnis machen, bereiten wir ge-meinsam mit Alexis Goertz vom Edi-ble Alchemy CoLaboratory zu. SaureGurken, Sauerteig und Sauerkraut sindgute deutsche Traditionen, aber auchmit Kimchi und Miso ist das Potenzi-al der Fermentierung noch lange nichtausgeschöpft – weshalb die KanadierinGoertz dazuWorkshops anbietet.Werkeine Zeit hat, zu ihren Live-Veranstal-tungen in die Boppstraße zu gehen,kann auchWeb-Seminare belegen. Sooder so ist klar: Da gärt einiges.

Dip, dip, dip –Boom!

Wenn das Internet per weltweitem Referendumabgeschaltet ist und YouTube-Videos darum Rari-täten sind, die Nerd-Kids von Schrott-Festplattenschürfen, dann hat Josefine Rieks‘ Roman „Server-land“ gerade erst angefangen. In ihrer voll auf dieGegenwart zielenden Zukunftsvision lässt die 1988geborene Autorin den Laptop-Sammler Reinerzum Begründer einer Jugendbewegung aufsteigen,die die alten Server wieder in Betrieb nehmen unddie Welt rückvernetzen will. Denn war das damalsnicht wichtig und gut, dass alle Informationen füralle zugänglich waren? Dass man Bilder und Filmeund Spiele und Songs miteinander teilte? Bei ihrerLesung teilt Rieks schon mal ein cooles Stück Text.

W-Lan, wo bist du?

STUCKIMANN

Das nächste Theater-stück, für das wir unseiligst Karten besorgen,wird die Inszenierungvon Panikherz von

Benjamin von Stuckrad-Barre sein. BvSBs irreDrogen- und Hunger-autobiografie hat

DramatisierungsprofiOliver Reese für sein BEaufbereitet, dazu spielteine Liveband Udo

Lindenberg, immer undimmer wieder.

BUCHPREMIERE

KOCHKURS

TIEFSEETRINKEN

Der nächste Drink, zu dem wir mit Freundenüber lebenswichtige Themen diskutieren, istder Nautilus Daiquiri im Limonadier. Rum-Gewürz-Infusion, in eigener Hexenküche an-gefertigter Schokoladenlikör, Limettensaft,Zuckersirup, Bitters – ein spektakulär dichter,fruchtig-dunkler, fast lakritziger Kopföffner.

Limonadier, Nostitzstraße 12, Mo–Sa ab 19 Uhr

Berliner Ensemble, 20. + 28. Februar,dann wieder im April

Das Nächste

Fotos:Tim

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21. Februar, 20 Uhr, Roter Salon

„Vegan Cheese, Dips and Sauces“,21. Februar, 33,32 Euro,

ediblealchemy.co/happenings

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*(0,20 EUR/Verbindung aus dt. Festnetz / max. 0,60EUR/Verbindung aus dt. Mobilfunknetz)

17. und 18. August2018

Aus Staunengemacht, zumGenießengedacht!

Potsdamer

SchlösserNacht

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Da ist ein Licht

SELLOUT

Der nächste Floh- undStreet-Food-Markt, denwir besuchen, ist der

Berlin Punk Rock Market.Dort vervollständigen

wir unsere Pin-Kollektionund kaufen neue Patches.Nach dem Shopping-

Exzess freuen wir uns aufdie Chillout-Area.

18. Februar, ab 13 Uhr im Cassiopeia,facebook.com/berlinpunkrockmarket

17+18. Februar, 20 Uhr,Radialsystem V

Die nächsten blinkenden Lichter, in die wir glücklich blinzeln, stammen vomBerliner Medienkünstler Christopher Bauder. Zuletzt hatte Bauder das Mauer-falljubiläum mit seinem Werk „Lichtgrenze“ illuminiert. Gemeinsam mit demKomponisten Kangding Ray verwandelt er nun das imposante Kraftwerk Berlinim Rahmen des CTM Festivals in einen leuchtenden Tempel namens „Skalar“.

TONSPUR

In der Stummfilmzeit liefertenKlavierspieler die Tonspur, derGang ins Kino war immer auchein Konzertbesuch. Eine Neu-auflage hiervon inszenieren dieisländischen Ambient-Zauberervon múm im Radialsystem V. DieBand begleitet BillyWilders „Men-schen am Sonntag“, ein Porträtjungen Berliner Lebens Ende der20er Jahre – wie aktuell so ein alterFilm plötzlich wirken kann!

Bis 25. Februar, Kraftwerk Berlin, Köpenicker Str. 70

INSTALLATION

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Karten: 030 890023 www.schaubuehne.de

FestivalInternationaleNeueDramatik

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DieKunstdesVergessens

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6.–22.April 2018

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Federkleid: Christian Dior

„Ich bin wie ein Küken,das gerade aus demNestgefallen ist und sich jetzt

durchs Leben kämpfenmuss.Es ist zwar noch ein bisschenunbeholfen, noch ganz zartund gerade erst dabei,aufzuwachen, aber dieAugen glänzen vorWillenskraft.“

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„Ich bin einlebensfindendes

Etwas“

Lea van Acken war ein Teeniestar.Jetzt will sie ein Superstar werden.

Welche Rolle will sie spielen?Eine Suche in Text und Bild

Text David JenalFotos Jens Schmidt

Produktion Olaf Borchard

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16Oversize-Pullover: Raf Simons über thestores.com

„Dieser Pullover hält mich,ich versinke in ihm und spielegleichzeitig mit ihm, habe ihnunter Kontrolle. Ich komme

mir vor wie ein jungesMädchen, dasmit älteren

Typen rumhängt. Ein bisschenverträumt und nachHalt suchend.“

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A usgebrannte Autos stehen zwischen Panzersper-ren. Hinter den Baumwipfeln ragen die zerfallenenKühltürme eines Atomkraftwerks empor, Schilderwarnen vor radioaktiver Strahlung. Ein blasser jun-

ger Mann in gelber Regenjacke irrt durch die Szene, als sichhinter ihm ein dreckverschmierter Truck ins Bild schiebt. Aufder Ladefläche steht eine Gruppe dunkel gekleideter Kämpfer,in denHänden schwereWaffen. Dann baut sich einMädchenvor ihm auf. „Willkommen in der Zukunft“, raunt sie – dannhämmert sie dem Jungen den Kolben ihrerWaffe ins Gesicht.Sie dreht sich um, bleibt stehen und stößt einen hohen, freu-dig aufgeregten Laut aus: „Ahh, Babyhunde!“ Lea van Ackenblickt an diesem Samstagmittag hinein in die trübe Weitedes selbst für Berliner Verhältnisse herausragend trostlosenVolksparks am Friedrichshain. Auf der regennassen Wiesespielen drei Welpen.Lea van Acken, die die Erbin von Mad Max im Finale derersten Staffel der Netflix-Mystery-Serie „Dark“ spielt, ist unterden großen Schauspielerinnen in Deutschland selbst noch soetwas wie ein Welpe: großer Drang, unheimlich viel Talent,noch mehr allgemeine Zuneigung. Eine Schauspielerin, dieschon alles kann, aber noch herausfindet, welche Rolle siespielen will. Im Film, aber auch in der Öffentlichkeit.Van Acken, 18 Jahre alt, spielte Adea und Aladin in „Bibi &Tina“, spielte Anne Frank im preisgekrönten Biopic, spielteSamantha im Pferdfilm „Ostwind 3“ undAmrei Kaiser in „Fackju Göhte 3“. Mit 14 hatte sie ihre erste Kino-Hauptrolle. Unddie keineMinute lange, aber brachiale Szene von „Dark“ zeigt,dass van Acken schon heute, trotz ihrer Jugend, trotz ihrerbehüteten Kindheit an der Ostsee, trotz ihrer nahbaren Art:ein gottverdammter Star ist.Noch kein Superstar, klar. Aber wie fangen Superstars an?2014 trat van Acken das erste Mal bei der Berlinale-Premiereauf den roten Teppich. Dietrich Brüggemanns „Kreuzweg“,in dem van Acken die Hauptrolle spielt, gewann dort promptden Silbernen Bären. Über ihre Darstellung des MädchensMaria, das sich in einen ultrakatholischen Glaubenswahn hi-neinsteigert, schrieb das „Hamburger Abendblatt“, sie habe„ein Gesicht, das man nicht vergisst“. Der Regisseur HansSteinbichler, mit dem sie in „Das Tagebuch der Anne Frank“arbeitete, nannte sie „eine alte Seele“.Es ist ziemlich klar, dass man in den nächsten Jahren aufBildschirm und Leinwand nicht an Lea van Acken vorbeikom-men wird. Weil sie viel zu gut darin ist, sich zu verwandeln.Weil sie gerne viele ist – und das gleichzeitig und scheinbarmühelos.

Der StarEhe van Acken im Volkspark Friedrichshain auf die Welpenzustürzt, sitzt sie in einem Restaurant in der Nähe. Sie trägtJeans, Boots von Dr. Martens und ein auf ihr Oberteil farblichabgestimmtes seidenesHalstuch. Geschminkt hat sie sich sehrdezent. Bei der von einer langenNacht gezeichneten Kellnerinbestellt sie einen Ingwertee und zwei Avocadohälften.Auch Lea van Acken war in der vorigen Nacht aus, bis sie-ben Uhr morgens. Aber: kein Zeichen von Müdigkeit, wasvielleicht auch daran liegt, dass sie kaum trinkt. Sie redet ger-ne, schnell und viel, und das so gesetzt, dass man ihr gernezuhört. Dass sie erst 18 Jahre alt ist, vergisst man bald, ebenso

wie die Tatsache, dass sie unter derWoche zur Schule geht, ineiner Kleinstadt an der Ostseeküste, und in diesem Jahr vorallem anderen erst einmal ihr Abitur bestehenmuss. Aber dieSchule, die Prüfungen, das ist hier so weit weg wie das Meer.Lea van Ackens eigentliches Leben spielt sich schon langeim Rampenlicht und vor der Kamera ab. Schon als Zwölfjäh-rige stand sie bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segebergauf der Bühne. Zwei Jahre später kam der Silberne Bär, 2016feierte dann „Das Tagebuch der Anne Frank“ Berlinale-Premi-ere, mit van Acken in der Titelrolle. Zur Vorbereitung schriebsie Briefe an das jüdische Mädchen, um einen emotionalenBezug aufzubauen. Sie besuchte mit ihren Eltern das Kon-zentrationslager in Bergen-Belsen, wo Anne Frank im Altervon 15 Jahren starb. Deren Angst, Sorgen, aber auch immerwieder aufflackernde Hoffnung spielt van Acken gnadenlos,schmerzvoll authentisch. Das Feuilleton jubelte, die Bayeri-sche Staatsregierung verlieh ihr einen Filmpreis für die besteNachwuchsdarstellerin.Jeden Freitag fährt vanAckenmit demZug aus ihrer Heimat,einem 80-Einwohner-Weiler in der Nähe von Lübeck, nachBerlin. UmBallettstunden undGesangsunterricht zu nehmen,um mithilfe eines Accent-Coaches ihr Englisch zu perfektio-nieren. Um ein Superstar zu werden.Wie sie da am Restauranttisch sitzt, könnte man sie fürein normales Mädchen halten. Doch ein Blick aufs Handy,auf ihren Instagram-Account mit knapp 80.000 Abonnenten,zeigt eine Frau, die voll im Geschäft ist: rote Teppiche, Mo-deshootings. Lea van Acken in elegantem, dezent kariertemKleid, über eine weitläufige Treppe unter einer Glaskuppeltänzelnd. Oder Lea van Acken, auf hohen Schuhen und insemitransparentem Seidenkleid von Dior, durch eine Hotel-suite stolzierend, hinter ihr ein Flügel, auf demBoden akkuratplatzierte Handtaschen. Die „Bunte“ verlieh ihr vergangenesJahr den „New Faces Award“ für ihren Kleidungsstil. Es gibt14 von Fans bespielte Accounts, die „perfect.lea“ oder „lea.van.acken.love“ heißen und Bilder der Schauspielerin sammeln,bearbeiten, mit Zitaten und vermeintlichen Fakten beschrif-ten.Wenn die DVD zu „Bibi &Tina“ erscheint, erfährt man eshier zuerst. Van Ackens Beziehungsstatus: Dauerthema dieserFanseiten. Drückt die Verehrte selbst auf „Gefällt mir“ untereinem der Bilder, ist das Grund für jugendliche Ekstase: „Omgvielen dank You make me so happy.“

Die Schülerin vomDorfVanAcken zuckt mit den Achseln. „In der Schule ist das alleskein Thema“, sagt sie, als die verkaterte Kellnerin endlichdie Avocado serviert hat. „Der Schulschwarm war ich auchnie.“ Und die Modeshootings und Red-Carpet-Inszenierun-gen? Die gehören nach Berlin, nach München, in die großenStädte. „Eigentlich bin ein bequemerMensch, was Klamottenangeht. Wenn ich nicht in Berlin bin, laufe ich rum wie derletzte Penner, in weiten Hosen und Pullis von meinem Papa.Deshalb falle ich gar nicht groß auf.“ In der Heimat regierenBescheidenheit und Mimikry.Von Lea van Ackens Elternhaus bis zur Ostsee sind es20 Minuten. Möchte sie baden, kann sie aber auch einfachin den ans Dorf grenzenden See springen. Schwimmen,Joggen, Reiten, überhaupt Tiere: Das war van Ackens Jugend.Auf ihrem Instagram-Kanal findet man zwischen Blitzlicht

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„Total verdrogt versucheich, noch irgendwie sexyauszusehen. Es klapptnatürlich nicht, ich habekaum noch Kraft, aber bin

trotzdem irgendwie zufrieden.WennMama inmeinerWohnung vorbeikommt,

schminke ichmich dezenterals sonst, aber eigentlichkriege ich nichts auf die

Reihe.“

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Overall: MiuMiu über mytheresa.com, Gürtel: Magda Butrym, Boots: Jimmy Choo, Netzstrumpfhose:Wolford

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20Blazer: Sandro, BH:Weekday, Vintage-Gürtel: D&G über Nightboutique, Rock: Mary Katrantzou über mytheresa.com, Ohrringe: MiuMiu

„Ich fühle mich wie JenniferLawrence in „American

Hustle“: Todessexy, unab-hängig, aber erschöpft vomLeben, auf die 30 zugehendund unsicher, was eigentlichmein Beruf ist. Ich kommegerade von einer Party undmuss schon wieder ins Büro.Mein Sohn verbringt die

meiste Zeit bei seiner Oma,aber ich liebe ihntrotzdem sehr.“

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und Mode auch eine Aufnahme, die sie im Schlamm sitzendzeigt, umgeben von zwei Schweinen. Mit ihrem ersten festenFreund hielt sie sich fast zwei Jahre lang die Treue, wohl auch,weil beide so gerne im Wald spielten – auch das kann eineBeziehung im Innersten zusammenhalten.Auch heute noch findet van Acken, dass sie gar nicht soanders ist als ihre Mitschüler. „Nur vor Vorträgen vor derKlasse habe ich vielleicht weniger Angst.“ In der Schule habesie viele männliche Freunde, sagt sie, sie sei ein „Kumpeltyp“und auch gerne mal der Klassenclown. Bevor die anderensie über ihren letzten Dreh ausfragen, erkundigt sie sichschon nach verpassten Unterrichtsstunden und den Mathe-Hausaufgaben. Dass sie auf der Fahrt von Berlin nach Hause,vorbei anWeihern undWeizenfeldern, mit ihrem Agenten inLos Angeles telefoniert, muss sie ja nicht der ganzen Klasseerzählen.

Der ProfiVerlässt Lea van Acken das Schulgebäude, scheint jedes Malein rasenderWandlungsprozess einzusetzen, an dessen Endeein Lebensstil steht, der mit dem einer durchschnittlichenAbiturientin nur wenig gemein hat. Van Acken weiß genau,was sie will – und was sie dafür tun muss. Fast täglich gehtsie ins Fitnessstudio. Seit einem Aufenthalt in Los Angelesernährt sie sich vegan. Ihr schlanker Körper, den sie hoch-kontrolliert bewegt, ist auch das Ergebnis ständiger harterArbeit und einer Ernährung, die Einschränkung und Verzichtbedeutet.In Berlin hat van Acken einWG-Zimmer in Friedrichshain.Viele ihrer Freunde, darunter nicht nur Schauspieler, woh-nen hier. Vor allem aber ist diese Stadt für sie ein Zentrumder Selbstoptimierung. Der Sport, die Ernährung, die Mode,Ballett, Gesang und Sprachübungen – während ihreMitschü-ler heimlich am See rauchen und mit glasigen Augen derSonne hinterherschauen, richtet Lea van Acken ihr Leben aufein Ziel aus, das größer ist als alles, was sie bisher erreichthat: Amerika.Das ist einerseits ein Klischee, andererseits klingt es nachJungmädchentraum. Aber van Acken meint es ernst: Sie willda hin. In Los Angeles gibt es Arbeit und für manche auchdas große Geld und den ganz großen Ruhm. Mehrmalswöchentlich telefoniert sie mit ihrem Agenten vor Ort, erschickt Fotos ihrer Schauspielfreunde, die gerade unter demunvergleichlichen, alles verschönernden Licht der kalifor-nischen Sonne drehen. Auch Lea van Acken will das schaf-fen: Karriere machen, ein Weltstar werden. Deutschland istnicht genug. Im Frühjahr, im Anschluss an ihr Abitur, willsie wieder nach L.A.Van Acken ist, wie viele ihrer Generation, eine große Ge-winnerin der Globalisierung. Ländergrenzen definieren nichtmehr den eigenen Handlungsspielraum. Los Angeles – oderauch New York, Hong Kong, Rio de Janeiro – ist inklusiveseiner Verheißungen, Versprechen und Chancen nur nocheinen Langstreckenflug entfernt. Lea van Acken weiß das,und sie spürt den Leistungsdruck, den das mit sich bringt.Dem entgegen stellt sie ihre Professionalität, ein knallhartesKarrierebewusstsein – und zugleich eine große Leichtigkeit.„Wenn esmit Amerika nicht klappt“, sagt sie, „dann klappt eseben nicht.“ Dann klappt eben etwas anderes.

Die Rebellin?Gibt es Ausbrüche aus dem nüchternen, strukturierten Leben?Irgendwo ein „Fack youGöhte“, ein fack die Lehrer, die Schule,vielleicht ja sogar mal die Eltern, die Geschwister – oder garein fack den Job, 14-stündige Drehtage, wochenlange Aufent-halte in unpersönlichen Hotels?Nein, nichts. So lange das Gespräch auch dauert, van Acken

verliert kein schlechtesWort über ihreMitmenschen, Freunde,Kollegen. Viel eher streut sie beiläufig Komplimente ein: hiereines für Hans Steinbichler, den Regisseur von „Anne Frank“(„Mit Hans hat einfach alles gepasst“), dort eines für LouisHeld, mit dem sie für „Bibi & Tina“ drehte („Mit ihm ist esauf Partys immer so ein Spaß“). Ihre Familie sei ein wichtigerRuhepol, ihre Freunde in der Heimat und in Berlin auch.Die hohen Lederstiefel von Dr. Martens, über Jahre Zuge-hörigkeitssymbol von Skinheads, Punks, Wavern und Goths,werden an van Ackens Füßen zum reinen Modeschuh. IhrTanzmusikgeschmack, „Hip-Hop, Charts, R&B und BlackMu-sic“, die Einrichtung ihresWG-Zimmers, „Palettenbett, selbstgebaut, finde ich todesgeil“ – ein Best-of einer unverfänglichenund angepassten Teenager-Kultur.Die private Lea gehörte nie zu einer Subkultur und scheintsich nicht, wie viele Jugendliche, in denWeiten des Internetsverloren zu haben auf der Suche nach emotionalen Memesoder limitierten Caps angesagter Skatewear-Labels aus NewYork. Viel eher ist sie das, was diese Jugendlichen nach Jahrender Jagd nach dem bisher Ungesehenen, dem Seltenen, Eige-nen undNerdigen schließlich sein wollen: ein ganz normalerTeenager, der die Klamotten trägt, die alle anderen tragen,der dieselbe Musik hört wie der Freundeskreis, und der sichdurch das Selberbauen der eigenen Möbel ermächtigt fühlt.Hardcore normal.

Die Feel-Good-ManagerinDrei Wochen nach dem Ausflug in den Park steht Lea vanAcken überpünktlich vor einem nicht weiter erwähnenswer-ten vietnamesischen Restaurant amRosenthaler Platz, mittenin Berlin – „Da gibt es auch was für Veganer ; )“, hatte sie aufWhatsApp geschrieben – und wird von der Stadt und denMenschen vollkommen in Ruhe gelassen. Niemand erkenntsie, kaum jemand nimmt sie überhaupt zur Kenntnis.Sie trägt das gleicheHalstuchwie beim letzten Treffen, dazueinen tiefblauen Strickpullover, auf der Schulter eine Taschemit Sportklamotten, eben war sie noch im Fitnessstudio. Siebestellt Wan-Tan-Suppe mit Tofu und Frühlingsrollen undbeginnt sofort zu erzählen. Davon, dass sie endlich wiederBallettstunden nimmt, und dass sie für einen Film, sofern er esdenn erfordert, auch gerne jeden Tag Ballettstunden nehmenwürde. Von Nächten auf After-Show-Partys diverser Awardsund in Berliner Nobelclubs, die sie ausdruckstanzend mit ih-ren Schauspielerfreunden verbringt. Allesamt brauchten diekeinen Alkohol und keine Drogen, um sich „auf das krassesteHigh zu bringen“, weil sie nun mal eben Schauspieler sindund sowieso überdreht und extrovertiert und vielleicht auchsüchtig nach Aufmerksamkeit und fragenden Blicken.Und sie erzählt von ihrer Suche nach dem Ausgleich. Vonden Büchern, die sie auf den langen Zugfahrten amWochen-ende liest. Bücher, die von der Liebe handeln oder davon, wiemit ihr zu verfahren ist. „Wahre Liebe lässt frei“, so lautet

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Badeanzug: Norma Kamali, Boots: Calvin Klein 205W39NYC, Stuhl über jetoshi.com

„Die rockige Variante eines kalifornischen Hippie-Skatergirls aus‚Rock of Ages‘: Ein Rockstar direkt imAnschluss an ihr Konzert im Büro ihrer

Produzentin. Die beiden feiern den gelungenen Auftritt,es ist Erschöpfung bei totaler Anspannung.“

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Bluse und Hosenrock: A.W.A.K.E über matchesfashion.com

„Ein Film über eineübernatürliche Sekte:

Ich bin Teil dieser Sekte,aber niemandweiß,ob ichmir meine

Superkräfte nur einbildeund psychisch krank binoder wirklich ein Über-mensch. In jedem Fall

bin ich stark und gefasstund hätte die Kraft,einenMenschen

zu töten.“

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Anzug: Balenciaga über matchesfashion.com, Pumps: Saint Laurent

„Ich bin das kleineverlorene Kind:

Die Schuhe vonMama,der Anzug vonOpa,

der Topfschnitt von derTante, ein Abbild der Familie.Ob Junge oderMädchen,

spielt dabei gar keine Rolle.Wie ein Cartoon, wie eineMarionette, die seit Jahrenin einer Kiste liegt unddarauf wartet, dass

jemandmit ihr spielt. “

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der Titel ihrer aktuellen Lektüre. Auf dem rosaroten Coverprangt der Untertitel: „Wie Frau undMann zu sich selbst undzueinander finden“.Letzten Sommer besuchte Lea van Acken zum ersten Maleinen Meditationskurs. Seitdem meditiert sie regelmäßig.„Ich möchte schlechte Energien vermeiden“, sagt sie immerwieder. Dazu zählen für sie auch ökonomische, ökologischeund politischeMissstände: „In Los Angeles habe ich versucht,surfen zu lernen, obwohl ich gehört habe, dass dasMeer dorttotal verseucht ist.“ Oder: „Gestern habe ich gelesen, dassein Restaurant in fünf Tagen so viel Müll produziert wie einMensch in einem ganzen Jahr.“ Auf Instagram teilt sie immerwieder Fotos und Kampagnen von Tierschutzorganisationen,die davon erzählen, wie viele Tiere amTag in Deutschland ge-schlachtet werden undwie viele Hunde in Tierheimen leben.Ihr Beschützerinstinkt hört hier nicht auf. Für eine ihrerRollen, ihre bisher größte undwichtigste, die der Anne Frank,fühlt Lea van Acken bis heute eine große Verantwortung. Vonkeinem ihrer bisherigen Engagements erzählt sie häufiger, da-bei spricht sie immer nur von „Anne“ – und das so respektvoll,dass es klingt, als würde sie über ihre beste Freundin spre-chen, über ihr Vorbild: „Anne ist immer noch sehr präsent. Ichfrage mich immer wieder, wie sie in bestimmten Situationenhandeln würde.“So jung vanAcken ist, so altklug kann sie wirken. Auf Partys,erzählt sie, hält sie andere Gäste zu maßvollem Alkoholkon-sum an, manchmal unterbindet sie Zärtlichkeiten, von denensie denkt, dass ein oder beide Partner diese am nächsten Tagbereuen könnten. Und sie wünscht sich Kinder, „jetzt nochnicht“, aber doch bald, noch weit vor ihrem 30. Geburtstag.Wenn sie bis dahin nicht in Amerika lebt, dannweiß sie schon,wie sie sich ihr Leben dann wünscht: „Ich fahre nur Fahrrad,pflanze Obst und Gemüse selbst an, hole meine Kinder vonder Kita ab. Ich wohne in Berlin und laufe nur noch in Leinen-kleidern rum. Das wird geil. Ich muss nur noch den richtigenTypen finden, der das alles mitmacht.“Es ist das Privileg der Jugend, viele Pläne zu haben und

nicht alle umsetzen zumüssen, zu träumen und sich auszupro-bieren. Ballettunterricht und See, Schweinewiese und Abitur,Berlin und L.A. – die vielen Zugfahrten undOrtswechsel sindanstrengend. Aber es hilft natürlich, wenn man, wie Lea vanAcken, ein klares Ziel, knallharte Disziplin und jahrelange pro-fessionelle Erfahrung hat. Van Acken ist, das sagt sie selbstgenau so, ein „lebensfindendes Etwas“. Sie sucht nach Ruhe,nach sich selbst, nach einem Weg nach Los Angeles, nacheinemWeg, ein Superstar zu werden, ohne sich zu verlieren.

Styling: Sarah Sharon KarstenHaare &Make-up: Helge Branscheidt/Klaus Stiegemeyer

mit Produkten von Chanel und AvedaProp-Styling: Studio.Stadelmann

Foto-Assistenz: Viktor EbellHaare &Make-up-Assistenz:Manuela Schwozer

Styling-Assistenz: Stefan Uhr

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Echter als echt: Der „4 Blocks“-SzenenbildnerClaus Rudolf Amler findet ikonische Bilder der Stadt –wenn sie ihn lässtInterview Jan OberländerFotos Kai Müller/Claus Rudolf Amler

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Herr Amler, wir sitzen im Rosenzimmer der PensionFunk in der Fasanenstraße, der ehemaligenWohnungder Schauspielerin Asta Nielsen.Warum habenSie sich diesen Raum für unser Gespräch gewünscht?Hotelzimmer sind wie kleine Bühnen, ein Konzentratmenschlicher Emotion. Menschen verbringen ausden unterschiedlichsten Gründen Zeit in Hotels, alleineoder zu zweit. Sie finden Zuflucht, Anonymität. EinenOrt, umDinge zu tun, die zu Hause nicht möglich sind.Ich fühle mich hier auf seltsameWeise geborgen.In meinemKopf entwickeln sich sofort Geschichten…

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„Die Wohnung des Undercover-Cops Vince in ,4 Blocks‘ ist ganz oben auf dem Neuen Kreuzberger Zentrum.Ich habe vor Drehbeginn fünf Tage lang dort gewohnt, in Vince‘ Bett geschlafen – das ist meine Bettwäsche in der Serie.

Ich verwende oft meine privaten Sachen am Set.“

„Berlin ist über-dreht“

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Ich bin nicht übertrieben esoterischveranlagt – aber ich glaube, dass RäumeSchwingungen speichern. Es bleibt im-mer ein bisschen was von den Menschen,die mal hier waren. Nehmen wir dieseSchublade hier…aus einem geschwun-genen, weißen Jugendstil-Nachttisch.Riechen Sie mal rein! Riecht alt! Filmbraucht immer Zeit, um irgendwohinzu kommen. Bei Musik geht’s schneller.Und über die Nase geht es am schnells-ten. Hier habe ich gleich tausend Bilder:Das riecht wie die dunkle Speisekammermeiner Großeltern, wie der nasse Mantelmeines Opas, der Jäger war. Hier siehtman auch kleine Einsprengsel, hat dajemand mal eine Nadel reingesteckt undabgebrochen? In dieser Pensionwur-den auch schon Filme gedreht undFotoshootings gemacht. Ich würdehier nicht drehen wollen. Dreharbeitenkönnen so einen Ort zerstören. Natürlichversucht man als Gast, als Filmschaffen-der, sich gut zu verhalten und möglichstwenig Schaden anzurichten. Trotzdem:Man greift in einen gewachsenen Orga-nismus ein.Haben Sie es mal bereut,irgendwo gedreht zu haben? Für dieSerie „Kriminaldauerdienst“ drehten wirbei einem älteren Ehepaar in Kreuzberg,die beiden waren bestimmt über 80, es

war nur eine kurze Szene. Ich habe derFrau gesagt, dass nicht nur fünf oderzehn Leute kommen, sondern vierzig,fünfzig, das ganze Team, Beleuchterlegen Kabel, dann die Requisiteure…Ich habe gemerkt, dass sie sich das nichtrichtig vorstellen konnte, aber ich dachte:Am Ende haben wir beide was davon –wir das Motiv und sie ein bisschen Geld,um sich vielleicht einen neuen Teppichzu kaufen.Und dann? Sie war total über-fordert, hat sich die ganze Zeit über inein kleines Zimmer zurückgezogen. Undals wir fertig waren und alles zurück-geräumt hatten, saß sie in ihremWohn-zimmer und weinte und sagte: Es istnicht mehr wie vorher. Dabei war nichtskaputtgegangen, und alles stand exakt amgleichen Ort. Aber für die Frau war es zuviel.Welche VeränderungenmüssenSie vornehmen, damit aus der echtenRealität eine echt wirkende Filmrea-lität wird? Schwere Frage. Nehmen wir„Gnade“ von Matthias Glaser. Da gehtes um ein Auswandererpaar, deren Ehezerrüttet ist und die in Norwegen neuanfangen wollen. Das Haus, das wir aneinem Fjord bei Hammerfest gefundenhaben, war perfekt – von außen. Aber wirhaben gemerkt, dass es innen eine ganzfalsche Energie hat. Die Familie, die in

dem Haus lebte, war glücklich, das hatdas Haus durchdrungen: viele Bilder,warme Farben, viel Holz. Das hätte mannie rausgekriegt. Das Gefühl war einfachzu optimistisch für uns.Was tut manda?Wir mussten das Innere des Hauseseh im Studio Hamburg nachbauen, we-gen der Filmförderung, das traf sich gut.Ich habe die Oberflächen abgedunkelt,das Kinderzimmer in sich verschachtelt,alle Figuren waren isoliert. Die norwe-gische Familie hat uns besucht, ging inden Studiobau – und war überrascht: Dassoll unser Haus sein? Als der Film dannauf der Berlinale lief, wurde ich gefragt:Musstest du an dem Haus irgendwasmachen? Die Leute dachten, wir hättendas vor Ort so gedreht. Das empfinde ichdann schon als Lob für meine Arbeit.

Mussman in der Gestaltungmanch-mal übertreiben, gerade um realis-tisch zuwirken? Es gibt Filme, beidenen für mich der Designwille zu weitgeht, wie „Die wunderbare Welt derAmélie“. Jedes Bild ist so perfekt, dassman es ausdrucken und als Postkarte andie Wand hängen könnte. Wenn es nurnoch um schöne Bilder geht, dann ist fürmich der Inhalt nicht mehr da, und manverliert die Figuren, um die es eigentlich

„Wegen der Kassettendecke habe ich die Räume für Toni Hamady ausgesucht, die Hauptfigur von ,4 Blocks‘. So eineUrberliner Altbau-wohnung passt auf den ersten Blick nicht zu ihm. Aber die Räume haben auch eine Schwere und Üppigkeit: satte Farben, arabische

Kalligrafien. Toni will eigentlich aus der Gangsterwelt raus. Die Wohnung zeigt seine Herkunft und seine Sehnsucht.“

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gehen sollte.Wie ist Ihr Ansatz? Fokussie-rung kann helfen, eine Figur glaubhaft zumachen, eine Dynamik reinzubringen. Dassman auf dem ersten Blick sieht: Mit wemhaben wir es hier zu tun? Etwa die Woh-nung von Toni Hamady in „4 Blocks“…miteiner tollen Kassettendecke, sehr hoch-herrschaftlich!Wegen der Decke habe ichdie Wohnung ausgesucht. Diese Untersicht!Auf der einen Seite ist das eine Altbauwoh-nung, die auf den ersten Blick nicht zu derHauptfigur passt… diesemmassigen ara-bischen Gangster-Teddybären. Gleich-zeitig haben die Räume eine Schwere, eineWärme, eine Geborgenheit mit den sattenWandfarben, den arabischen Kalligrafien,dieser Üppigkeit. So habe ich versucht, dieFigur begreiflich zu machen. Toni sagt aneiner Stelle: „Ich will deutscher sein als alleDeutschen“ – eigentlich möchte er aus sei-ner Gangsterwelt raus. Die Wohnung zeigtTonis Herkunft und seine Sehnsucht.DasGegenstück dazu ist dieWohnung vonTonis Gangsterbruder Abbas: kalt, glatt,haltlos, wie die Figur selbst. Ja, Abbaslebt in einer Wohnung, die genauso gut eineSpielhalle oder ein Club sein könnte. Daswar ein Loft in der Mariannenstraße. Wirhaben so viele Leuchtstoffröhren und LEDseingebaut, wie nur möglich war: unter denMöbeln, hinter Wänden… Eigentlich woll-

ten wir im Carloft in der ReichenbergerStraße drehen, wo die Bewohner ihrAuto mit in die Wohnung nehmen kön-nen. Meine Idee war: Wir sehen - alserstes Bild - einen gläsernen Couch-tisch, Abbas zieht sich eine Line rein,sein Billardkugelkopf geht hoch – undhinter ihm steht sein weißer Mercedes,grell beleuchtet. Wir haben die Woh-nung auch gekriegt, aber drei Tage vordem Dreh kam die Rückmeldung vonder Hausverwaltung: Der Motivgeberdarf sie uns gar nicht vermieten! Ichbrauchte innerhalb von drei Tagen eineneue Location – Blutsturz.Wie habenSie die gefunden? Film-Parship! Alsoeine Location-Agentur. An die wendeich mich, wenn ich selber nicht mehrweiterkomme, oder wenn etwas Uner-wartetes passiert, wie in diesem Fall.Man bekommt quasi ein Motiv aus demArchiv vermittelt, und wenn es passt,hat man Glück gehabt. Aber es fühltsich natürlich immer besser an, selbstauf die Jagd zu gehen.

„Kriminaldauerdienst“, „Gnade“,„4 Blocks“ – Sie scheinen eine Vor-liebe für schwere Kost zu haben. Ja,bei Comedy fühle ich mich nicht wohl.Die unglücklichste Zeit, die ich je im

Filmgeschäft hatte, war vor 15 Jahren,als meine erste Tochter geboren wurde.Ich brauchte schnell einen Job in Berlin,um bei der Familie sein zu können,also habe ich bei einer Sitcom gear-beitet, die mir zwei Jahre lang Sorgenund Kummer bereitet hat. Es hat micheinfach nicht bewegt. Mit neun Jahrenhabe ich Geschichten von Edgar AllanPoe gelesen, die ersten Filme, die ichinhalierte, waren alte Universal-Hor-rorstreifen wie „Frankenstein“. Als ich14 war, entdeckte ich „Taxi Driver“ und„Eraserhead“. Die wirklich guten Dreh-bücher handeln eben von Menschen,die Probleme haben. Es gibt ein Foto,wie Sie bei denDreharbeiten zueinem „Tatort“ in gelber Regenjackeam Set hocken und Blut auf eineAutoscheibe pinseln. Es gibt meistwenig Budget für Spezialeffektler amSet. Die machen das Nötigste, aberwenn man Details braucht, wenn zumBeispiel Blut oder Gehirnmasse einegroße Rolle spielen, weil jemand draufzeigt oder so, dann mache ich das mit,auch wenn es im Grunde gar nicht inmeine Zuständigkeit fällt.Machen Siedas dann nach ballistischen Berech-nungen oder nach Gefühl? Bei diesem„Tatort“ in Nürnberg hatten wir einen

„Das Gegenstück zu Toni Hamadys Zuhause ist das seines Bruders Abbas. Die Wohnung könnte genauso gut eine Spielhalle oderein Club sein. Wir haben so viele Leuchtstoffröhren und LEDs eingebaut, wie nur möglich war: unter den Möbeln, hinter Wänden…

Alles sollte sich kalt, glatt, haltlos anfühlen, so wie die Figur selbst.“

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Polizisten am Set, der mir sagte, wie esaussehen würde. Ich habe dann gepinselt,bis er gesagt hat: „Jepp.“ Bei dem Kino-film „In drei Tagen bist du tot“ von An-dreas Prochaska brauchten wir ein ange-fahrenes Reh, noch lebendig. Ich habe eintotes Tier besorgt und ihm einen schlaf-fen Fußball in den Bauch gesteckt. Unddann aus der Distanz eine Luftpumpe ge-treten, um das Atmen zu simulieren. Sowas macht mir total Spaß.Wie entwi-ckeln Sie Ihre Dekorationen? Ich kannkeinen Computer bedienen, also macheich Zeichnungen, bearbeite Motivfotosmit Filzstift, baue Modelle aus Finnpappeim Maßstab 1:50 mit kleinen Männchen,die der Regisseur dann durchführenkann. Ich habe in Babelsberg bei Alf-red Hirschmeier studiert, dem großenDefa-Szenenbildner, das war für michmein Guru. Es vergeht kein Projekt, beidem ich nicht an seine Ruhe und seinePräzision denke.Was haben Sie vonihm gelernt? Das Gespür, sich einemRaum anzunähern, ihn zu greifen undfür den Film zu formen. Es gab da eineÜbung: Du hast einen Stuhl, eine Tür, einFenster – verteile sie im Raum! Wenn ichdas Fenster ganz klein mache, den Stuhlin der Mitte stelle, direkt gegenüber derTür: Konfrontation. Oder der Stuhl stehtin der Ecke, in Richtung Wand: Rückzug.Man kann mit diesen Basics sehr vielerzählen, dafür braucht es kein Riesen-budget. Manchmal ist ein kleines Budgetbesser, weil es dich zwingt, kreativ zuwerden.Das Schöne an diesen realis-tischen Berlin-Serien ist doch, dassdie Drehorte sich von selbst finden,oder?Natürlich bietet Berlin unend-lich viele Locations. Aber ich versucheimmer, besondere Orte zu finden. Bei„Kriminaldauerdienst“, wo ich an dreiStaffeln mitgearbeitet habe, habe ich fastalle Motive selber gesucht. Toll ist, wennman durch die Stadt läuft, ein Haus vonaußen sieht und sich vorstellt, wie es dri-nen aussehen könnte. Dann klingelt man,überredet die Leute, einen in die Woh-nung zu lassen – und entdeckt genau denRaum, den man braucht. Aber das erfor-dert viel Zeit, Vorarbeit und Akzeptanz– die Bewohner und Verwalter müssen jaauch zulassen, dass man bei ihnen dreht.

Drehbeginn fünf herrliche Tage lang indieser Wohnung gewohnt, das durfte icheigentlich gar nicht. Es war Hochsom-mer, wunderschön, das Dach geht ja biszumMöbel Olfe. Da saß ich dann undhabe die Adalbertstraße runtergeguckt.Der König vonKreuzberg! Ich habein Vinces Bett geschlafen – das ist meineBettwäsche in der Serie! Ich verwendeoft meine privaten Sachen am Set. Wennich mich zu Hause rasiere, nehme ich dieBartstoppeln mit und streue sie am Setaufs Waschbecken. In jeder Wohnung,die ich einrichte, entsorge ich auch mei-nen Hausmüll ... Bitte?Nein, ich verwen-de ihn. Es muss leben! Moment, ich musskurz schauen, wer eben angerufen hat…Nur zu! Ach, ein sehr netter Kollegeaus einem anderen Filmprojekt. Ich binja teilweise ein halbes Jahr lang ausge-blendet, da kann ich Freunde nicht malauf einen Kaffee treffen. Ich habe einenTraumjob, den ich mein ganzes Lebenlang angestrebt habe, ich kann mir meineProjekte aussuchen, kann meine Familieernähren – aber ich muss so viel Zeit ein-setzen, dass ein Sozialleben nur in redu-zierter Form möglich ist. Ist bestimmtauch schwer für die Familie, wenn Siemal dreiMonate auswärts aufMotiv-suche sind. Ich würde sagen, wirklichintakte Familien bei Filmschaffendensind eher selten. Das ist halt so, wennman diesen Beruf ernsthaft betreibt. Esist unglaublich schwer zu akzeptieren,dass man jede Verabredung unter Vor-behalt treffen muss, dass ein nächtlicherTelefonanruf den ganzenWochenplanzunichtemachen kann. ImGegensatzzu Schauspielern und Regisseurenwerden Szenenbildner kaum vomPu-blikumwahrgenommen, obwohl sieeinen Filmmaßgeblich prägen. StörtSie das? Ganz im Gegenteil. Ich bin froh,wenn ich nicht auftauche. Ich finde eseher schön, dass da andere Leute Redeund Antwort stehen müssen. Eigentlichbin ich Einzelgänger, am liebsten wärees mir, wenn ich nur mit fünf Leuteneinen Film herstellen könnte. Ich geheauch eher selten zur Berlinale. Aber esist schon schön, einen Film zu sehen, andem man beteiligt war, und die Reaktiondes Publikums mitzubekommen.

Klingt schwierig. In Berlin zu drehen,wird immer schwieriger. Zum einen istalles abgegrast, tausendmal vor der Linsegewesen. Zum anderen sind die Auflageninzwischen immens, da gibt es Anwoh-nerschutz, öffentlichen Einrichtungenist der Aufwand zu groß… Vor 20 Jahren,als ich herkam, war Berlin ein Eldorado,da konnte man alles machen. Aber dasist lange her. Die Leute haben immerweniger Lust, das merkt man. Berlin istüber-dreht. Nach der zweiten Staffel „4Blocks“ werde ich mir wohl eine längereGroßstadt-Pause verordnen.

Sie haben einige tolle Orte für denFilm entdeckt. In der ersten Staffelvon „4 Blocks“ lebt Undercover-Er-mittler Vince in einer verwahrlostenHochhausbude –mit der tollsten Aus-sicht über Kreuzberg. Die Wohnungist ganz oben auf dem Neuen Kreuzber-ger Zentrum, wir haben sie komplettumgebaut. Vince ist ja ein Undercover-Cop, der in den Gangster-Clan integriertwird – was natürlich ein Klischee ist, eineDrehbuchbehauptung. Das kann mannicht mit hundertprozentiger Ernsthaf-tigkeit darstellen.Darum diese fiesenSchimmelecken? Ja, das sind Sachen,die ich sehr gerne mache. Ich habe vor

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Claus Rudolf Amler, geboren 1968 in Ingolstadt, ist verantwortlich für Entwicklung und Ausstattung der Neuköllner Gangster-Saga„4 Blocks“, deren zweite Staffel aktuell gedreht wird. Mit „Gnade“ vonMatthias Glasner und „Das finstere Tal“ von Andreas Prochaska

war Amler zur Berlinale eingeladen, 2014 erhielt er für seine Arbeit eine Lola, 2015 den Europäischen Filmpreis.

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lungen stammen, sowie zusätzlichen inter-aktiven Angeboten lädt die Ausstellung dazu ein,in die wichtigsten Perioden von Banksys Schaffeneinzutauchen. Kurator der Ausstellung ist sein

ehemaliger Agent Steve Lazarides.

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Die politische Talkshow ist in Verruf geraten. Einseitig,plump und populistisch sei sie, behaupten Kritiker.Zugleich ist sie immer noch immens erfolgreich.Kein politisches Format wird häufiger angesehenund so detailliert nacherzählt.

Warum ist die Talkshow, wie sie ist?

Das besprechen wir mit Menschen, die es wissen müssen:einerModeratorin, einem Produzenten, zwei Gästenund einem Kritiker.

Moderation Daniel ErkKamera Jan PhilipWelchering

WIRMÜSSENREDEN

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Herr Bosbach, erinnern Sie sich noch anIhren ersten Auftritt in einer Talkshow?Wolfgang Bosbach: Es war ein Talkformatmit HelmutMarkwort, ich glaube auf Sat.1.Ich kann mich deshalb noch so gut daranerinnern, weil – und das war für mich eineganz besondere Ehre – Edmund Stoiber amnächsten Tag angerufen und sich bei mirbedankt hat. Er sagte, es habe ihm gut ge-fallen, wie ich argumentiert habe.FrauWill, Sie haben vor über zehn Jahren dasersteMal eine politischeTalkshowmoderiert.Wie war das bei Ihnen?AnneWill: Ich erinnere mich, ich meine, eswar der 14. September 2007. Ichwar eigent-lich vorher ganz ruhig – aber rückblickendweiß ich: Ich habe damals das Format to-tal unterschätzt. Ich hatte ja wirklich schonviele unterschiedliche Sendungen mode-riert, Sport, Politik, Gesellschaft, hatte auchin sechseinhalb Jahren Tagesthemen vielepolitische Interviews geführt und dachte,dass ich das entspannt draufhabe.War abernicht so.Warum?Will: Ich habe schon in der ersten Sendunggemerkt, dassman höllisch aufpassenmuss,gleichzeitig die Diskussion am Laufen zuhalten, die Steuerung imGriff zu haben, aufein gutes Timing zu achten und sich kein Xfür ein U vormachen zu lassen. Ganz schönviel auf einmal. Ichwusste danach, dass ichecht noch ackernmuss. Ichmusste mir dasFormat richtig erobern.Herr Lobo, wann waren Sie das erste Mal ineiner Talkshow?Sascha Lobo: Im Februar 2007, bei MaybritIllner. Thema: Rente. Man brauchte nocheine junge Perspektive. Ich hatte da geradeein Buch geschrieben, in dessen Titel dieBegriffe „Arbeit“ und „digital“ vorkamen.Daher konnte ich in den Augen des Pub-likums sinnvoll über Rente sprechen. Abda war ich gesetzt: von 2007 bis 2010, bisWikileaks, wurde ich überwiegend zu Ar-beits- und Rententhemen eingeladen.

Damit sindwir schonandemPunkt, über denwir heute sprechen wollen – nämlich überTalkshows selbst. Die standen selbst in derKritik: immer die gleichen Themen, immerdie gleichen Gäste, dabei zu plump und po-pulistisch. Herr Lobo, warum ist das so?Lobo: Die Zuschreibung ist aktuell, dassin Talkshows das politische Deutschlandverhandelt wird. Eine Art von Ersatz-Show-

Die Journalistin ist mit ihrer gleich-namigen Sendung am SonntagabendDeutschlands prominentesterTalkshow-Host. Sie sagt: SchwereThemen kriegt man einfach nichtan die Zuschauer ran.

Der CDU-Politiker gilt als ungekrön-ter Talkshow-König Deutschlands.Kaum jemand wurde so oft eingela-den, kaum jemand hat so charmantpolarisiert. Wolfgang Bosbach sagt:„Vorbereitung ist alles!“

Der Autor und Kolumnist saß häufigin Talkshows zum Thema „Rente“.Er sagt: „Das Kriterium der Gesichts-bekanntheit ist bei Sendern essen-ziell, weil sie glauben, dass das einenEinfluss auf die Quote hat.“

Der TV-Produzent war für 1300NTV-Runden von Sandra Maisch-berger verantwortlich, heute produ-ziert er „So!Muncu“ und „KlamrothsKonter“. Er sagt: „Die Besetzungeiner Talkshow erfolgt nach denRegeln des Kasperletheaters.”

Der Medienkritiker von „FAZ.net"bespricht regelmäßig Talkshows.Seine Feststellung: Das Formathat engere intellektuelle Grenzenals die Politik.

UNSEREGÄSTESIND*…

* Die Interviews mit allen Gesprächspartnernwurden separat geführt

WolfgangBosbach

Sascha Lobo

FriedrichKüppersbusch

Hans Hütt

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AnneWill

Parlamentarismus. Ich halte das auch fürokay. Die Debatten, die dort stattfinden,finden ja ein ungeheures Echo. Dabei istnicht unbedingt klar, was eine Talkshow ge-nau soll. Die einen sagen, es sei Diskussionals Selbstzweck, die anderen sagen, es seiAufklärung und politische Bildung. Sogardie Leute, die dort arbeiten, haben da un-terschiedliche Auffassungen.Hans Hütt: Natürlich sind Talkshows vomWesen her populistisch, das ist ihre Drama-turgie! Das war übrigens schon so, bevordie AfD überhaupt existiert hat. In Talk-shows geht es um Unterhaltung, nicht umHaltung.Bosbach: Friedrich Merz hat mal gesagt,Sabine Christiansen würde die politischeTagesordnung mehr beeinflussen als dieTagesordnung des Deutschen Bundestages.Dasmag übertrieben sein, ist aber imKernnicht falsch. Über das, was in Talkshowspassiert, wird oft mehr und länger debat-tiert als über das, was sich in Plenardebat-ten abgespielt hat.Will: „Talkshow“ klingt sehr nach Unter-haltung – in erster Linie sind wir eine po-litische Sendung. „Unterhaltung“ im bestenSinne bieten wir aber insofern, als wir eineaktuelle Fragestellung unterhaltsam erör-tern und man – im Optimalfall – hinterherauch noch etwas gelernt hat.Herr Hütt, Sie sehen das anders?Hütt: Ich vermute eher, die Menschen, diedas sehen, wollen nur im Bilde sein. Siewollen, furchtbares Wort, „Redestoff“ fürden nächsten Tag in der Kantine haben.Das ist das eigentliche Bedürfnis, wennman eine Talkshow schaut: anschlussfähigfür die laufenden Themen zu sein oder sichzumindest so zu zeigen.

So als Gast, Herr Bosbach: Gibt es Unter-schiede zwischen den Sendungen von FrauWill, Frau Illner, Frau Maischberger undHerrn Plasberg?Bosbach: Ich kann ehrlich gesagt keine gro-ßen Unterschiede in der Bauart der Sen-dungen feststellen.Friedrich Küppersbusch: Man muss auchsagen: Die Talk-Branche, das ist ein klei-ner Kreis von 80 oder 120 Expertinnen undExperten, die in den Redaktionen arbei-ten. Die haben das Notizbuch. Die wissen,wer wirklich entscheidet, ob der Ministerkommt. Wer sich diese Woche wirklichrauswagt und wer eher vorsichtig ist.

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Das Format wirkt erst einmal simpel: Dasitzen fünf Leute, die sind unterschiedlicherMeinung, dann ergibt sich ein Gespräch.Aber die meiste Arbeit wird im Vorfeld vonder Redaktion geleistet, oder?Will: Ja, das ist wie beim Spitzensport: Essoll ganz leicht aussehen, ist es aber nicht.Was kannman falschmachen?Will:Manmuss locker bleiben und darf sichnicht durch Übervorbereitung blockieren.Faktensicherheit ist allerdings wichtig. Ichmuss sofort erkennen können, wenn je-mand totalen Blödsinn redet oder wenn erHetze betreibt. Dannmuss ich das natürlichsofort unterbrechen und benennen: Gehtnicht! Oder: Ist falsch! Sie setzen hier ir-gendwas in dieWelt, was hinten und vornenicht stimmt!Küppersbusch: Das Naturell des Panelsist, dass man auf Einzelne kaum eingehenkann: Jemand sagt etwas Ungeheuerliches.Dann sagt er es noch mal. Dann fragt dieModeratorin nach: Ihnen ist klar, dass dasauch so und so gesehen werden kann? Siegeht also in ein One-on-One. Das ist in ei-ner Panel-Show ein Fehler.Weil das die anderen Gäste ausschließt?Küppersbusch: Ja. Und das weiß eine guteModeratorin. Und der Gast weiß es auch.Was bedeutet: Er kann von-storchen odersarrazinisieren, wie er will. Ein, zwei Nach-fragen, das war’s. In der Regel ist eine Sen-dung ja so antagonistisch besetzt, dass dieModeratorin weiß, wenn sie fragt: Ach,Herr Sarrazin, springen Sie nochmal übersStöckchen, sagen sie doch noch mal wasüber die Juden – dann springt mindestenseiner in der Runde auf und ruft: Das ist jaungeheuerlich! Deswegen ist die journalis-tische Position der Moderatorin in diesemFall: Geh nicht selbst in den In-Fight, orga-nisiere, dass sich die anderen prügeln! Esist eine Boxbude!

Frau Will, Sie haben gesagt: Ein Talk sollleicht aussehen, ist es aber nicht. Wie be-reiten Sie sich vor?Will:Wir haben mehrere Redakteurinnenund Redakteure im Team: Es gibt Redak-teure, die sich jeweils mit einem einzelnenGast der nächsten Sendung beschäftigenund ein sogenanntes Dossier über diesenGast verfassen. Das ist dann sechs, acht,zehn Seiten lang – je kürzer, desto mehrArbeit steckt drin.Was steht in so einemDossier?

Der Fotograf JanPhilip Welcheringhat für uns diebekanntestenTalkshowgästeund Moderatorenneu zusammenge-setzt. Aber werist wer? Auflösungauf Seite 41

TAGESSPIEGEL Berliner 35

Will:WelcheHaltung hat der Gast, mit wel-chen Zitaten ist er oder sie schon aufge-fallen? Wo hat er sich widersprochen? Wosteht er im Widerspruch zur Parteilinie?Hat sich über die Zeit seine Haltung undPosition verändert? Dann der Lebenslauf:Mit wem habenwir es zu tun? Es gibt auchein kleines Kapitel, das heißt „Position inder Runde“. Und dann habenwir eine Fak-tenredakteurin oder einen Fakenredakteur,die ein bis zu 20 Seiten langes Faktenpapierzum Thema der Sendung schreiben: dieChronologie der Ereignisse, Gesetzestexte,Parteipositionen. Da geht’s echt ins Detail.Und das sollte ich alles wissen.So sehr in die Tiefe gehen die Diskussionenmeist doch gar nicht.Will:Während der Sendung kann ich abernicht sagen: Ach, das ist ja total interes-sant, das schlage ich morgenmal nach! Ich

sollte das in dem Moment gleich auf derPfanne haben! Und außerdem brauche ichdas Wissen ja auch, um meine Fragen zuentwickeln.Gibt es Themen, von denen Sie sagen, eswäre toll, das zu behandeln, aber wir findeneinfach keinen guten Zugang?Will: Politik ist das Bohren dicker Bretter.Viel Aktenstudium, Schwarzbrot. Es pas-siert schonmal, dass Themen zwar aktuellund relevant, aber so trocken oder kompli-ziert sind, dass wir sagen: Das können wirnicht machen, das ist zu öde. VersuchenSie mal, sonntagabends über die Gewerbe-steuerreform zu diskutieren – da sind sieschnell alleine! Natürlich betrifft diesesThema vieleMenschen, ganze Kommunen.Trotzdem kriegen Sie es nicht so vermit-telt, dass die Zuschauerinnen und Zuschau-ern begeistert sagen: Oh, wow, Anne Will

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macht endlichmal was zur Gewerbesteuer-reform! Insofern plagenwir uns damit auchnicht ab. Themen, die nicht streitbar sind,passen einfach nicht in unser Format.Bosbach: Im Grunde müsste man erst maleine Stunde Sendungmachen, um das Pro-blem zu beschreiben! Und dann obendraufdie Diskussion setzen.

Sollte man sich häufiger klarmachen: ImWort Talkshow steckt dasWort „Show“?Bosbach:Das Format ist ja auch in der Un-terhaltung angesiedelt! Das sind Unterhal-tungssendungen. Das finde ich auch nichtschändlich. Die Sendung soll das Publikuminformieren undmöglichst gut unterhalten.Das eine schließt das andere nicht aus!Will:Wir sind inhaltlich angebunden in derAbteilung für Politik und im Zeitgeschehen– nicht in der Unterhaltung. Wir sind vorallen Dingen und zuallererst eine politischeSendung. Und auch eine Gesprächssen-dung, die – im Idealfall – unterhaltsam ist.Aber ohne ein bisschen Grusel kommt diepolitische Diskussion nicht aus, oder? Überdie Rentenversicherung diskutiert sich‘snicht so herzhaft.Bosbach: Klar, das sind Themen für Fein-schmecker. Das Doppelbesteuerungsab-kommen mit Nigeria? Kannste keine Sen-dung drüber machen!Will:Es ist dasWesensmerkmal eines Talk-show-tauglichen Themas, dass es einenKonflikt gibt. Das ist auch das Hauptkrite-rium für unsere Themenentscheidung.Wirformulieren – um es jetzt mal ganz einfachzu sagen – eine Grundfrage. Dann setzenwir jemanden in die Runde, der sagt Ja, undjemand anderen, der sagt Nein. Damit sindwir schon mal ganz gut aufgestellt. Undwennwir dann die Rundeweiter aufbauen,setzen wir auf die Ja-Seite jemanden, derdie Haltung „Ja, aber“ vertritt und auf dieNein-Seite jemanden, der „Nein, aber“ sagt.Dann besetzen wir auch eine fünfte Posi-tion, die dazwischenliegt oder eine schil-lernde, interessante Perspektive einnimmt– oder als Wissenschaftler oder JournalistFakten oder Spezialwissen einbringt. Sohaben wir Wumms in der Runde.Küppersbusch: Es gibt eine alte Branchen-Bauernregel: Die Besetzung einer Panel-Talkshow erfolgt nach den Grundregelndes Kasperletheaters: Du brauchst Hänsel,du brauchst Gretel, den Zauberer und dasböse Krokodil.

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Wer ist da wer?Küppersbusch: Früher waren Hänsel undGretel die Volksparteien, das sind zweiGeschmacksrichtungen von „Ja, okay“. DerWissenschaftler kommt gerne etwa von derInitiativeNeue SozialeMarktwirtschaft, einradikaler Lobbyist in der Camouflage desweißen Ärztekittels, der seine Weisheitenals Naturwissenschaften verkauft. Und dasKrokodil war immer Alice Schwarzer oderder Berliner CDU-Rechtsaußen HeinrichLummer.Und heute?Küppersbusch: Heute haben wir mit derAfD eine komplette Krokodilpartei. DieAfD ist auf der funktionalen Ebene eineWiedergängerin der frühen Grünen: Diewaren ein Castingvorschlag, als der Bun-destag als taubengraues Beamtenparla-ment verschrien war. Bei den Grünen gab

es einen Bauern im Folklorekittel, eineFriedensaktivistin, die mit einem Bundes-wehrgeneral liiert war, einen Taxifahrer inTurnschuhen und stillende Pfarrerinnen.Nun kommt dasselbe Castingmodell nochmal, mit einer downgegradeten Herzogin,einer gleichgeschlechtlichen Wanderpre-digerin gegen die Ehe für alle und einemFrankfurter Cordjanker, der 40 Jahre langin der CDU war.Wasmacht dasKrokodil in diesemKasperle-theater?Küppersbusch: Es wird losgelassen undsagt: Ihr seid alles Schweine, weil ihr alleMänner seid – oder was eben gerade losist. Dann schreien alle sich ein bisschen an.Und dann rollt dat Ding erst mal. Damitist es komplett emanzipiert von der Fra-ge: Welcher Inhalt wird da besprochen?Die Sendung hat funktioniert, wenn diese

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Chargen funktionieren, wie in einemVolks-theaterstück. Auch wenn ich nachher keinbisschen schlauer bin als vorher.Will:Waswir gemerkt haben:Mit differen-zierten Positionen kann man viel interes-santere Sendungen bauen. Wenn Sie nichtnur bornierte Meinungen in der Sendunghaben, sondern sich eine echte Diskussionunter denGästen entwickelt. Und vielleichtsogar derjenige, der eben noch Ja gesagthat, im zweiten Teil der Sendung auf Neinschwenkt, weil er aus einer anderen Per-spektive nochmal ganz neu auf das Themaschaut.

Die Redaktion bereiten sich detailliert vor,um die Talkshow zu strukturieren.Mit demLeitgedanken:Wennwir Gast A diese Ein-stiegsfrage stellen, wird Gast Bmit hoherWahrscheinlichkeit so reagieren?Bosbach: So isses.Es gibt also eine konkrete Idee, wie das Ge-spräch ablaufen soll, eine Art Drehbuch?Bosbach: Eine Dramaturgie!WeißmanalsGast,was von einemerwartetwird?Bosbach: Überhaupt nicht. Manchmal fin-denVorgespräche statt zu einemZeitpunkt,da weiß man noch gar nicht, wer letztend-lich teilnimmt. Eines aber merkt man überzwanzig Jahre genau: Dieses Gesprächist zu 95 Prozent für die Katz. Eine völligsinnlose Veranstaltung!Was da besprochenwird, kommt in der Sendung überhauptnicht mehr vor.HattenSiemanchmal denEindruck: Jetzt ru-fen die wieder an – weil sie keinen anderenfinden, der eine klare Linie vertritt?Bosbach: Nee, man merkt das höchstensan der Uhrzeit. Dann frage ich auch mal:Na, wer hat denn abgesagt? Dann sagen dienatürlich: Herr Bosbach, Sie waren unsereerste Wahl! Aber wenn Montag jemandanruft für Dienstag, dann weiß ich schonBescheid.

Was kannman als Talkshowgast richtigoder falschmachen?Küppersbusch: Ich war zweimal in meinemLeben als Gast in einem Talk. Vor 20 Jah-ren war ich bei „Talk im Turm“ bei ErichBöhme und bin ein bisschen naiv da hin.Hütt: Ah, der gute Onkel Böhme. Der hatdie Talkshow im deutschen Markt ja erstetabliert. Aber der hatte noch Anschlussan vorangegangene Formate wie Werner

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Höfers „Internationalen Frühschoppen“– was auch mit seinem vorherigen Job als„Spiegel“-Chefredakteur zusammenhing.Da war die Talkshow noch quasi eine öf-fentliche Redaktionskonferenz!Küppersbusch: Jedenfalls dachte ich damals:Wenn die mich einladen, dann wird dermich schon was fragen. Ich habe dann ge-schafft, an der Sendung teilzunehmen undin 45 Minuten genau einen Satz zu sagen.Herr Bosbach,wie verhältman sich denn alsoptimaler Talkgast?Bosbach:Vorbereitung ist 80 Prozent einerTalkshow. Ich finde es gut, wenn Leute eineMeinung haben. Aber sie sollten auch Ah-nung haben! Ich habe das immer sehr, sehrernst genommen, mich gründlich vorzube-reiten – durch Faktenstudium. Zahlen, Da-ten, Gerichtsentscheidungen zu dem The-ma, unterschiedliche Ansichten der Gäste.Das ist schon Arbeit.Schreiben Sie sich Karteikarten?Bosbach:Als ich nochMitarbeiter hatte, ha-ben die alle Fakten zusammengetragen, al-les, was es gab – und ich hab es gelesen undgelernt. Lesen, lesen, lesen! Das wäre dererste Tipp. Nicht nur mit einer Meinungin eine Sendung gehen, sondern auch mitAhnung. Das Zweite ist, dassman versucht,bestimmte Botschaften zu vermitteln.Wor-auf kommt es an?Warum bin ich überhauptzu diesem Thema in die Sendung gegan-gen?Wasmöchte ich kommunizieren? Unddas Dritte sollte man nicht unterschätzen:das persönliche Verhalten, das sind dieletzten zehn Prozent.Also wieman auftritt?Bosbach: Die Hardcore-Fans finden dasvielleicht toll, wenn einer laut wird, wenneiner dauernd dazwischengeht, das gilt alsdynamisch: Oh, der hat’s dem aber gege-ben! Aber das ist nicht sympathisch. Wel-che Ausstrahlung habe ich, wie sitze ich da,ich argumentiere ich? Nicht nur was, auchwie! Das würde ich nicht unterschätzen.Wenn Sie ins Studio gehen, wissen Sie alsogenau, was sie rüberbringen wollen?Bosbach: Das ist ja die Befürchtung derRedaktion!Dass Sie Ihre eigene Agenda haben?Bosbach:DieMessagemuss ich loswerden!Küppersbusch: Eine Talkshow ist im Grun-de eine Vereinbarung: Wir entertainenhier das Publikum, das ist unsere Bring-schuld. Als Belohnung kriegen wir dafürMedienreichweite. Insofern ist jeder Poli-

tiker, jede Politikerin, auch jeder Wissen-schaftler, jeder Typ, der ein Buch verkau-fen möchte, eine CD, einen Kinofilm, allesind so was wie Werbekunden innerhalbder Talkshow. Die haben nicht die Agenda,zur Vergrößerung desWissens in derWeltbeizutragen oder zur Versachlichung desDiskurses oder zu erklären, wie die dritteAngleichungsnovelle zur Rentenreformfunktioniert.Will: Ich muss immer aufpassen: Lasse ichmir gerade was reinsingen? Sollte ich andieser Stelle nachhaken oder auch –was ichgerne mache – auf die Meta-Ebene gehenund fragen:Was genau bezwecken Sie hiereigentlich mit diesen Aussagen? Ich frageSie was zur Steuerreform und nach einemHalbsatz sind Sie beimThema Flüchtlinge.Kann es sein, dass Sie das hier einfach im-merwieder platzierenwollen? Dannmöch-te ich klar darauf hinweisen, dass das völligaus dem Zusammenhang gerissen ist undin dem Moment gar nicht zur Diskussionpasst!Hütt: Ich habe vor drei Jahren mal einenText über Tilo Jung geschrieben, der da-mals noch für seine naiven Fragen undseine vermeintliche Anbiederung an seineGesprächsgäste belächelt wurde. MeineThese war, dass seine Fragen bei den Gäs-ten den Eindruck erzeugen, sie säßen alsTiger hinter Gittern. Und Jung strich somitden Händen an den Gittern entlang, um inihnen die Vorstellung der Freiheit wiederwachzurufen. In der Hoffnung, sie brächendann aus den Redehülsen aus – so kommenAugenblicke der Wahrheit zustande.

Gibt es eine bestimmte Art, wieman sichals Gast zuWort meldet?Bosbach: Dat is’ mir zu kompliziert. EineDazwischengeh-Technik habe ich nichteinstudiert. Ich hab’ gern ein Handzeichengegeben und deutlich gemacht: Zu diesemPunkt würde ich gerne was sagen.Was dieZuschauer nicht sehen, dass bei manchenSendungen – nicht bei allen – Schilder hochgehalten werden: anderes Thema! NeuesThema! Noch zwei Minuten! Es gibt einegewisse Regie einer Sendung.Will: Ich behalte die Runde immer imBlick, egal wer spricht. Da nickt mir imZweifel immer jemand zu oder hebt denFinger, oder während eines Einspielerssagt mir jemand: „Dazu möchte ich aberauch was sagen, FrauWill!“ Oder jemand

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tippt mich an. Oder jemand donnert ein-fach dazwischen.Wie wichtig sind Körpersprache undMimikbei derModeration?Will: Ich bin zwar schon sehr lange beimFernsehen, aber trotzdem keine Topsch-auspielerin. Und ich habe die Angewohn-heit, dass ich, wenn ich konzentriert bin,sehr ernst schaue. Manchmal sagt mirder Regisseur über meinen Knopf imOhr dann: Guck nicht so streng! Das kanndann allerdings zu dem absurden Effektführen, dass ich in diesemMoment sofortein Lächeln aufsetze, obwohl das an derStelle überhaupt nicht passt undmancherZuschauer dann vielleicht denkt: Was istjetzt mit ihr los?Siemüssen neben denGästen und den The-men auch immer Ihre eigene Körperhaltungim Blick haben?Will: Eigentlich bin ich schon in der Lage,meine Körpersprache sehr bewusst einzu-setzen. Ich versuche, durch meine Sitzhal-tung etwas auszulösen. Indem ich beispiels-weise nach vorne gehe und in die Sphäreeines Gastes eindringe, will ich ihn einbisschen unter Druck setzen und drängen,auf den Punkt zu kommen. Indem ichmichzurücklehne, signalisiere ich: Ich habe Zeit,ich höre zu, ich öffne die Runde. Leiderkann ich nicht besonders gut still sitzen.Das ist die größte Herausforderung.Woran erkennt man einen guten Gast?Will:Daran, dass er eine klare Position ver-tritt.Wenn er in der Lage ist, sowohl zu ar-gumentieren als auch zuzuhören, also aucheinzugehen auf das, was ihm die anderenGäste in der Runde sagen, erklären, hinwer-fen, antworten. Wenn also eine wirklicheDebatte entsteht. Eloquenz ist natürlichauch von Vorteil.Gibt esGäste, die Sie gerne in Ihrer Sendunghätten, die aber immer absagen?Will:Topmanager führender Unternehmenkommen nie, egal wie oft sie angefragt wer-den. Das ist echt schade. Denn wer einenKonzern mit 150.000 Mitarbeitern führt,der sollte aus meiner Sicht auch in derLage sein, seinen Standpunkt öffentlichklar zu vertreten, ohne den Börsenkurszu gefährden – das kommt regelmäßig alsGegenargument! Ich finde es schon bemer-kenswert, dass solche Führungskräfte alle,alle, alle absagen. Und zwar nicht nur beiuns, sondern durch die Bank weg bei allenSendungen.

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Politik hat – stark vereinfacht – zwei Enden:einerseits die Verordnung und die Geset-zesnovelle, andererseits den öffentlichenStreit. Angenommen, Herr Küppersbusch,man würde jede Talkshow, die das Fernse-hen anbietet, schauen: Wüsste man, was inDeutschland los ist?Küppersbusch: Auf keinen Fall. Die Talk-show ist eine künstlerische Form wie eineQuizsendung oder ein Sportmagazin undhat ihre eigenen, inneren dramaturgischenRegeln.Hütt: „Der Mann ohne Eigenschaften“ istauf eine Art ja ein literarisches Vorbild derTalkshow: gegensätzliche, mehr oder weni-ger haltbare Positionen im Sinne einer Ver-suchsanordnung gegeneinanderzustellenund dann zu prüfen, wie dieser gedanklicheAufbau zu Folgerungen führt. Dazu kommt:Die intellektuellen Grenzen des Formats

Talkshowwerden viel eher erreicht als dieder Politik – die es ja eigentlich abzubildenversucht.Was zu der Frage führt: Ist die politischeTalkshow überhaupt politisch?Küppersbusch: Das ist der springendePunkt. Aus Untersuchungen wissen wir,die Leute schauen zum Beispiel „Stern-TV“ und sagen dann: Einmal die Wocheso etwas Politisches schaue ich schon gernean. Wir wollen ja wissen, was los ist! Manmuss ehrlich sagen: Für vieleMenschen istpolitisch, wenn es bei Saturn keine Flach-bildschirme gibt. Oder wenn der Reise-veranstalter bescheißt. Oder wenn in derShampooflasche nicht genug drin ist.Ernüchternd, oder?Küppersbusch: Die politische Talkshow istein Konstrukt, das wesentlich den Macht-und Finanzierungsverhältnissen geschuldet

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ist. Dieses Konstrukt soll alle glücklichma-chen. Den Parteipolitikern sagt es: Ihr wartalle da. Guck mal, Frau Wagenknecht warda, der Wobo……alsoWolfgang Bosbach...Küppersbusch: …war in jeder Sendung– tolle Sache! Der Zuschauer sagt: EineStunde Sozialkunde die Woche muss sein.Und dann gehen alle zufrieden von dannen.Lobo:Man darf auch nicht unterschätzen,wie alt die Zuschauer sind. In Talkshowswerden eher Themen verhandelt, dieMen-schen 60 plus relevant finden.Was für Jün-gere wichtig ist, findet seltener statt, weildie seltener zuschauen. Deshalb ist Renteauch so ein Superthema: Ein Großteil derZuschauer hat dazu einen emotionalen Zu-gang oder ist unmittelbar betroffen davon,ob die Beträge größer oder kleiner werden.Küppersbusch:Das ist auch der Grund, wa-rum in einer Talkshow nicht zu viel gleich-zeitig geredet werden darf: weil Talkshowstendenziell ein Format für ältereMenschensind, die mögen das nicht. Die mögen auchdie Disharmonie nicht.Hütt: Diese Sendungen, die in der öffent-lich-rechtlichen Selbstbeschreibung derMeinungsbildung dienen, bedingen, dassdie Teilnehmer um keinen Preis der Weltihre Meinung in Vollzug eines besserenArgumentes ändern. Kurz gesagt: Bleib sodumm, wie du hergekommen bist! Lernenichts!HerrBosbach,wie oft dachtenSie nach einerSendung:Hätte ichmir auch sparen können?Bosbach: Jedes zweiteMal. Ich ging oft rausund dachte: Gab es jetzt wirklich einen Er-kenntnisgewinn?Manchmal wird sich auchin einer absoluten Nebensächlichkeit ver-hakt. Ich habe zu oft gedacht: Die wichti-gen Fragen sind nicht oder nicht so intensivbehandelt worden, wie es eigentlich hättesein müssen.

HerrHütt, Ihr Job ist es, dieArbeit auch vonFrauWill zu bewerten.Welche Rolle spielenBesprechungen wie Ihre?Hütt:TV-Kritiken, wie ich sie schreibe, ge-hören ja zu den meistgelesenen Formatenüberhaupt. Irre! Ich kriege manchmal en-thusiastische Mails, in denen steht: HerrHütt, Sie wissen ja gar nicht, wie viel ZeitSie mir ersparen, dass ich diesen ganzenQuatsch nicht sehen muss!Nerven Sie die Besprechungen manchmalauch, FrauWill?

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Will: Ich lese die Kritiken durchausmit gro-ßem Interesse und beschwere mich ohne-hin nicht über die Aufmerksamkeit, die unsdadurch zuteilwird. Das ist für uns ja auchimmer wieder ein Programmhinweis aufden nächsten Sonntag und eine Art Wer-bung für unser Format.Hütt: Es gibt eine bestürzende Voraus-sagbarkeit dessen, was in den Talkshowsabläuft. Ich müsste mal den Versuch un-ternehmen, eine Talkshow-Kritik zu schrei-ben, ohne die Sendung gesehen zu haben– nur auf Grundlage der Vorab-PR und derInformationen, die man zu den Gästen hat.Lobo: Wenn ich in eine Talkshow gehe,bereite ich mich vergleichsweise präzisevor. Ich denke mir zum Beispiel Punchli-nes aus, also kurze, interessant klingendeZitate, die darauf zugeschnitten sind, in diezweitwichtigste Währung der Talkshows

reinzukommen, nämlich die Rezensionen.Diese Artikel haben aus Sicht der Redaktio-nen oft eine sehr kleine Zielgruppe, nämlichdie Programmverantwortlichen. Das ist einwichtiges Kriterium, an dem Erfolg gemes-senwird. Für die Zuschauermag das zweit-rangig sein, aber für die Verantwortlichenist das immer noch relevant, ob in der „FAZ“stand, das war eine gute Talkshow odernicht. Das andere Kriterium ist die Quote.Wie funktioniert die denn?Lobo: Es gibt das Kriterium der Gesichtsbe-kanntheit. Das ist für die Sender essenziell,weil sie glauben, dass das einen Einflussauf die Quote hat. Von fünf Gästenmüssenzwei oder drei gesichtsbekannt sein, alsobeim Durchzappen auf dem Bildschirmsofort wiedererkannt werden. Bei derMessung ist nicht nur entscheidend, wieviele Leute insgesamt zugeschaut haben,

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es werden sich auch minutengenau dieEin- und Ausschaltquoten angeschaut: Beiwemwird umgeschaltet, wo bleiben die Zu-schauer dran. Diese Fluktuationsmessungist vergleichsweise präzise, 30-sekündlich,soweit ich weiß.Küppersbusch: Es gibt tatsächlich Minu-tenquoten und eine Kurve. Das heißt, ichkann feststellen: An der Stelle, als der jungeMannmit dem Bart denMund aufgemachthat, ging die Quote rauf! Den laden wirwieder ein!Wird das so gemacht?Küppersbusch: Ich kann nur sagen: Ichmach’s so.Weil die Quote alles ist?Küppersbusch: Man darf nicht vergessen:Politische Talkshows sind ein vornehm-lich öffentlich-rechtliches Format. Und diehaben als Referenz neben der Quote: Oh,könnte es in den Gremien krachen? Undin den Gremien ist es so, dass die Parteiendas Sagen haben. Aber: Wenn die ParteiendasMandat in denGremien nicht wahrneh-menwürden, würde das gar keinermachen.Immer dieses wohlfeile Plappern von denÖffentlich-Rechtlichen im Würgegriff derParteien – wäre ja schön, wenn die Land-frauen da aktiver werden könnten!

Frau Will, wer hat denn konkret ein Mei-nungsäußerungsrecht zu Ihrer Sendung?Will:Wir haben eine Redakteurin unseresHaussenders NDR, die jedeWoche bei unsist. Sie berichtet uns zum Beispiel auch,was in der sogenannten 14-Uhr-Sitzungam Montag, in der alle ARD-Häuser zu-sammengeschaltet werden, über die ver-gangene Sendung gesagt wird. Aber dasses aus Rundfunkräten, Chefredaktionen,Programmdirektionen oder Intendanzenein konkretes Feedback auf einzelne Sen-dungen gäbe, das ist höchst selten.Und das war’s?Will:Es gibt noch den Programmausschussdes NDR-Rundfunkrates und den Pro-grammbeirat der ARD. Die beschäftigensich systematisch mit den Sendungen –dieses Feedback erreicht uns vielleicht ein-mal im Jahr. Das ist also nichts, was unseretägliche Arbeit beeinflussen würde. Abernach all den Jahren kenne ich die Kriterienohnehin, die der ARD wichtig sind.Welche sind das?Will:Natürlich sollten die Themen, die wirdiskutieren, von allgemeiner Relevanz sein.

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Undwir sollten die Titel der Sendung nichtallzu sehr zuspitzen, also nicht Krawallum des Krawalls willen inszenieren. Dasentspricht aber auch genau den Ansprü-chen, die ich selbst an die Sendung habe.Wir müssen als Redaktion nicht noch dieSchraube weiterdrehen, um es interessantzumachen – das ist nicht mein Verständnisvon einem guten politischen Gespräch.

HerrKüppersbusch, lassenSie unsnochmalszueinemPunkt zurückkommen, denSie ganzam Anfang erwähnt haben. Nämlich: dassTalkshows letztlich eine Boxbude seien,verbales Wrestling. Brutal, aber inszeniert.Dem Publikumwird das aber nicht transpa-rent gemacht, oder?Küppersbusch: Nein, wird es genau nicht.Das Publikum in seiner Mehrheit denktja: Puh, die haben sich aber in den Haarengehabt. Dabei klopfen sich alle hinterherbei einem GlasWeißwein auf die Schulter.Hat ja wieder Spaß gemacht! Heute habenwir’s wieder krachen lassen! Es gibt schoneine gewisse Professionalität, die Professi-onalität der Comedians, die von der Bühnegehen.Herr Bosbach, was ist Ihre Erfahrung?Was passiert, wenn die Kamera ausgeht?Bosbach: Ich bin dann weg. Ich halte michda nie lange auf. Und ich hab’ eigentlich nureinmal erlebt, dass die After-Show-Partyaus dem Ruder gelaufen ist. Da haben sichMichel Friedman und Matthias Matussekin der Sendung schon in dieWolle bekom-men, weil derMatussek den Friedman kriti-siert hatte –meines Erachtens in der Sachezu Recht, die Tonlagewar aber nichtmeine.Ein Wort gab das andere, später habe ichmir dann ein bisschen Essen vomBuffet insAuto mitgenommen, weil ich dachte: Dashältst du nicht aus. Ich hatte gedacht: Nachder Sendung ist Shakehands. Aber da ginges erst richtig los!Schönes Schlusswort. Danke an die Runde!

Auflösung (jeweils von links oben im Uhrzeigersinn):Collage Seite 32: Barley, Scheuer, Will, Altmaier, Gysi,Lambsdorff; Seite 35: Stoiber, Spahn, Stoiber, Trittin,Lobo, Gysi; Seite 36: Söder, Göring-Eckardt, Wagen-knecht, Plasberg, Oppermann, Lindner; Seite 38: Söder,Maischberger, Spahn, Göring-Eckardt, Kipping, Altmaier;Seite 40: Altmaier, Maas, von der Leyen, Bär, Barley,von der Leyen, Oppermann.

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Doktor Körners gesammeltes schweigen

A lso schweigtMeese und kippt einen Farb-eimer auf die Leinwand. In Nullkommanixtanzt, kniet und schnauft er zwischen 13

bis 15 Leinwänden, 210 cm mal 140 cm, die hän-gen oder liegen. Nein zur Pflicht, Ja zum Spiel.Ich, farbbespritzt, wälze mich neben Meese aufdem Boden. Kroack, Kroack, Kroack, klingendie Farbeimerdeckel, Meese schlachtet die Ei-mer wie Tiere. Er ist ein Entfesselungskünstler,Sinnverschwender und Zweckentfremder undkombiniert Mythen aus Plastik und Jefühl.Wirftne Plüschgans auf die Leinwand, tunkt sie inFarbe, die Gans denkt, sie wär ein Schwan. DieWortenthaltsamkeit gluckst die Kehlen runterwie Bier, Jonathan pumptWidersinn, er ist Zapf-hahn, Träume fließen in unsere Hirne. Der Fo-tograf und ich sind bald zweckbefreit und bunt.Tatsächlich: Wir knien zu dritt, gebetsfern, aberdoch alle verbunden, Jonathan wischt, lässt dieFingernägel singen, seine Finger krebsen, krab-beln, schieben-schlieren Farbe, ich kleckseWor-te, alle meditieren, kosmische Ateliereinigkeit.Witsch, witsch, jubiliert Jonathans Cordhoseund reibt sich die Augen, Jonathan unter Dampf wie Lukas, der Lo-komotivführer, und seine Emma, er schippt Kohlen ins Glutherz. Dalassen sich schnatternd auch Donald Duck, Godzilla, Nietzsche undMutti Meese blicken, nur von Hitler und Wagner hör ich keinen Ton.Jonathan, der alte Hörspielonkel, arbeitet mit Laub- und Kettensä-ge, um aus seinem Schweigen die Klänge rauszuschneiden, die unsumgeben. Das alte Pumpwerk, sein Atelier, puckert, seine schwarzeAdidas-Trainingsjacke nölt (Ziehmichwieder an!), der Pinsel plappert,sein schwarzer Bart rauscht wie der Rheinfall, sein Malerkittel klingtwie ein voll besetztes Zirkuszelt, das den Atem anhält: Salto mortale!ZwischenMensch-Meese und Figur-Meese passt kein Blatt, er arbeitetam Überkind, weil Gott hat Freigang. Am stillsten, am lautesten sindMeeses Augen, die, einmal in Fahrt, nicht zu der Betriebsfröhlichkeitpassen, die das Fleisch Meese sonst charakterisiert. Diese Augen sindtiefe Brunnen, da kannst du alle Märchen der Gebrüder Grimm drinversenken und alle Nibelungenschätze dazu.Meese verleiht sich selbstFlügel, der Energy-Drink, für uns bereitgestellt, bleibt ungetrunken.Wirgehen. Als hätte uns ein Bär mit Honig abgefüllt. Satt. Und schwöreneinander: Wir lassen uns Bärte wachsen.

Dr. Torsten Körner, geboren 1965 in Oldenburg, ist Journalist und Schriftsteller. Für diese Kolumne führt er Interviews ohneWorte.

Was erfährt manüber einen Menschen,wenn man nichtmit ihm spricht?

Jonathan Meese, 48,ist einer der bekanntestendeutschen Künstler.Die Kritik nannte seinewild assoziierendenWerke„Neurotischen Realismus“.

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Foto Daniel Hofer

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A us der Nische winkt ein grin-sendes Mini-Skelett, in denFugen der unverputzten Back-

steinwand stecken Plastikblumen, aufSesseln und Sofas türmen sich buntbestickte Kissen: Odély Tebouls Neu-köllner Wohnung ist zugleich das Ate-lier der Modedesignerin. Auf einerKleiderstange hängen in kunstvollerHandarbeit gefertigte Teile. Hoodiesmit Ärmeln aus Häkelspitze, Leggingsmit aufwändigen Stickereien und Ap-plikationen aus Kristallen und Paillet-ten. Mexikanischer Totenkult, indischeGötterwelt oder der 1-Euro-Shop auf derHermannstraße – Odély Teboul findetSchönheit überall. Ihre Entwürfe sindvon eigenwilliger und ein wenig wider-spenstiger Schönheit.Wie die der Fran-zösin selbst, die ein wenig aussieht wievon Picasso gemalt, in seiner vorkubis-tischen Phase.Eine Woche vor der Fashion Weekhat Odély Teboul alle Hände voll zutun. Zum zweiten Mal schon wird siedie Entwürfe ihres Labels Lou de Bètolyim »Vogue«-Salon im Kronprinzenpa-

Odély Teboul gilt als eines von Berlins größtenModetalenten.Was nicht bedeutet, dass die Stadt es ihr einfachmacht

Text Bettina HomannFotos Carlito SchilirÒ

lais zeigen, direkt am Anfang des Bou-levards Unter den Linden. Es ist diehöchste Würdigung, die man als Ber-liner Modedesignerin gerade erhaltenkann.Auch wenn es Tebouls Label Lou deBètoly erst seit gut einem halben Jahrgibt, ist die Französin alles andere alseine Newcomerin. Genau genommenwar sie schon einmal die große, wennnicht die größte Hoffnung der BerlinerModeszene überhaupt. Nachdem sie inParisModedesign studiert und für YohjiYamamoto und Jean Paul Gaultier ge-arbeitet hatte, gründete sie zusammenmit Annelie Augustin 2009 das LabelAugustin Teboul.Filigrane Häkeleien, fein wie Spinn-weben, Drapierungen aus Chiffon, Net-zoptik kombiniert mit Leder und allesin Schwarz – der charakteristische Stilder beiden machte ab der ersten Kol-lektion Furore, vorgestellt 2011 auf derBerliner FashionWeek. Prompt regnetees Ehrungen. Den Preis des „Festival desJeunes Créateurs de Dinard“, den „Startyour Fashion Business Award“ des Ber-

liner Senats, den „EuropeanWoolmarkPrize“, den Preis der deutsch-franzö-sischen Handelskammer – quasi jedenPreis, den man in Europa mit Modegewinnen kann, gewannen Teboul undAugustin. Die Modepresse liebte diedüstere Eleganz, die sich fotografischwunderbar in Szene setzen ließ. Starswie Lady Gaga, Madonna und BethDitto trugen die Kreationen auf rotenTeppichen und großen Bühnen. Und inBerlin wurde gejubelt.Endlich! Endlich gab es in der Stadtein Label, das es ganz nach oben schaf-fen konnte. Das ernst genommen wer-den würde, in einem Atemzug genanntmit den Großen, den Pradas und Guc-cis der Branche. Ein Label, das derWeltschon noch beweisen würde, dass dieModestadt Berlin die Fährte von Parisund Mailand aufgenommen hatte.

U maber zu verstehen, warum einzartes Pflänzchen wie diesesjunge, ambitionierte und talen-

tierte Modedesignerinnen-Duo mit soviel Erwartung überladen wurde, muss

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man die eigentümliche Mischung ausMinderwertigkeitsgefühl und Größen-wahn verstehen, die die Berliner Mo-deszene der letzten zehn Jahre prägte.Als 2007 die amerikanische Veranstal-tungsagentur InternationalManagementGroup, kurz IMG, mit finanzieller HilfevonMercedes-Benz zum erstenMal dasFashion-Week-Zelt am BrandenburgerTor aufschlug und zum Schauplatz vonModeschauenmachte, war das Geschreigroß. „Größer als Paris“ würdeman baldsein, riefen die einen – während die an-deren hämisch darauf hinwiesen, dassBerlin für immer in der Provinzliga spie-len würde.

H eute, sieben Jahre und ein La-bel später, wundert sich OdélyTeboul noch immer, dass sie

damals weniger nach ihren Ambitionenund Inspirationen gefragt wurde – son-dern bloß danach, warum sie denn vonParis nach Berlin gekommenwar. Ob dasbedeute, dass Berlin jetzt die nächsteWelthauptstadt der Mode werden wür-de? Wenn sie davon erzählt, lacht sieihr tiefes, ein wenig raues Lachen. IhrUmzug war kein Statement, sonderneinfach der Tatsache geschuldet, dassihre Labelpartnerin Annelie eben nichtin Paris lebenwollte. Und es lief eigent-lich auch toll mit Augustin Teboul: vielLob, viel Ehre, die vielen Preise. Den-noch verkündeten die beiden 2017 zumEntsetzen der Branche und der Stadt dasEnde des gemeinsamen Labels. „Anneliewollte nicht weitermachen“, sagt Teboullapidar. Die Gründe seien eher persön-lich gewesen.Wahrscheinlicher ist, dass auch Au-gustin Teboul von der harten Realitätder BerlinerMode eingeholt wurde, wieschon viele vor ihnen. Die vier hochbe-gabten Designerinnen von Pulver gabenebenso auf wie Derya Issever and Cimen

Bachri von Isseverbahri, NadineMöllen-kamp und Silke Geib von Blaenk sowieder gefeierte Bobby Kolade – allesamtpreisgekrönt vom Berliner Senat. Etti-na Berrios Negrón und Jacqueline Hustebespielen nur noch ihre kleinen Lädenin Berlin-Mitte.Dann die Erkenntnis, dass es auchnach Jahren nicht leichter wurde. Dasses nie einfach von selbst laufen würde.Dass Talent, tolle Ideen, Lob und Preiseein Teil des Erfolgs sind. Dass die vielschwerere Aufgabe aber ist, Mode tat-sächlich zu verkaufen und davon gutleben zu können. Denn wie AugustinTeboul geht es in Berlin und überhauptin der Mode vielen: Wer keine reichenEltern hat oder einen geduldigen Inves-tor, hangelt sich mühsam von Saison zuSaison. Arbeitet rund um die Uhr undweiß doch nie, ob die Miete nächstenMonat reinkommt. Die Branche lebt vonSelbstausbeutung. Ein selbstständigerModedesigner muss eine Vielzahl vonJobs bewältigen, sich um die Fertigungder Kollektionen kümmern, um Mar-keting und Vertrieb, und dabei immerweiter kreative Ideen für die nächsteKollektion entwickeln.Hat sich die anfängliche Euphorie erstgelegt, stehen viele selbstständige Mo-dedesigner vor den gleichen Fragen: Istdas das Leben, das ich führen will? Willich Familie haben oder, wenn ich schoneine habe, will ich meine Kinder auchirgendwann mal sehen? In Mailand undParis ist das die Lebensphase, in der vie-le Modemacher bei mittleren und gro-ßen Labels als Designer anheuern, umsich umDetails, Stoffe oder Oberteile zukümmern. Auftragskreativität, ja, abersicher und anständig bezahlt. In Berlinarbeiten laut Senat zwar rund 25.000Menschen in der Modebranche, dieletzten Umsatzzahlen liegen bei knappfünf Milliarden Euro. Effektiv aber gibt

es nur einen einzigen Arbeitgeber in derMode: Zalando.Der Onlineversand, der mittlerwei-le 6000 Mitarbeiter an verschiedenenStandorten beschäftigt und 140 Milli-onen Euro in sein neues Gebäudeen-semble am Ostbahnhof investiert hat,ist der unscheinbare Riese der BerlinerModebranche. Zalando beschäftigt fürseine diversen Eigenmarken HunderteDesigner, für seine Fotoproduktionenengagiert das Unternehmen massen-haft Fotografen und Stylisten – die zumgrößten Teil allein von den oft kunst-sinnigen Fotostrecken und Produktio-nen für kreative Kleinlabels nicht lebenkönnten.Für viele dieser Kreativen ist der Dealmit Zalando eine Art persönliches Spon-soring ihrer Herzensprojekte. Über dieArbeitsbedingungen des Onlineversan-des wird zwar privat viel gemeckert, öf-fentlichmöchte aber niemand die Handbeißen, die Futter verteilt. Denn ohneden Job, der dieMiete zahlt, kannman inBerlin von derMode alleine nicht leben.Stärkstes Indiz: So viele Talente Berlinin den elf Jahren seit der Gründung derFashionWeek auch hat kommen sehen,so viele Preise der Senat an junge Labelsauch vergeben hat: Den allergrößtenTeil gibt es nicht mehr. Auch die Fa-shionWeek hat, seitMercedes-Benz seinSponsoring verlagert hat, an Größe undTamtam eingebüßt – auch wenn immernoch etwa 100.000 Besucher kommen.Das in den vergangenen Jahren oft voneigenartigen Sponsoren und eher finanz-kräftigen als kreativ überzeugenden La-bels dominierte Zelt am BrandenburgerTor wurde dieses Jahr erst gar nicht auf-gebaut. Demut ist in die sonst oft grö-ßenwahnsinnige Stadt eingezogen. ParisundMailand sind noch immer in weiterFerne. Aber vielleicht gibt es einen an-deren Weg?

Schwarz?War gestern. Mit ihren irritierenden Kreationen macht Teboul exakt die Art vonMode,die in Deutschland Kopfschütteln provoziert. Und die Frage, wer denn bitteschön so etwas tragen solle?

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Das Häkeltop, das Odély Teboul an diesem Tag trägt, würde im Verkauf etwa 2000 Euro kosten.Einfach weil die Produktion der Teile extrem aufwändig ist, für die Massenproduktion taugen sie nicht

A rrangements ausweißen Rosenschmücken den Saal des Kron-prinzenpalais, es wird Cham-

pagner ausgeschenkt. Kaschmirmäntelsind hier zu sehen statt Parkas, Leder-taschen statt Stoffbeutel. Beim BerlinerVogue-Salon geht es explizit schick zu.Als IMG im vergangenen Jahr ankün-digte, sich aus Berlin zurückzuziehen,wurde bereits das Ende des BerlinerModegeschehens beschworen, hier imKronprinzenpalais aber zeigt sich, dassvon Ende keine Rede sein kann.Nur wenige Stunden dauert die Ver-anstaltung inmitten klassizistischerPracht. Und doch hat sie sich in denletzten Jahren zur wichtigsten derFashion Week entwickelt. Die Einla-dungen sind begehrt. Es hat sich he-rumgesprochen, dass man hier nichtnur eine hohe Dichte an gut gekleide-ten Menschen finden kann, sondernauch die interessantesten Designer,die Deutschland derzeit zu bieten hat.Noch wichtiger: Internationale Journa-listen und Einkäufer kommen hier gernevorbei, weil die Auswahl überschaubarund gut kuratiert ist. Mitinitiiert hat denBerliner Salon Christiane Arp, Chefre-dakteurin der Deutschen „Vogue“, diesich seit Jahren unermüdlich um dendeutschen Modenachwuchs kümmert.Und die, welch Glück, ein großer Fanvon Odély Teboul ist.Mit einemGlas in der Hand steht Te-boul neben den grazilen weißen Pup-pen, die ihre Mode tragen: ein Traumaus Tüll, geschmücktmit kleinen Peace-Zeichen und Häkelblumen, ein buntesMinikleid, auf dem ein Minion prangt,eine lustige Zeichentrickfigur mitGlubschaugen. Obwohl Tebouls kreati-veHandschrift gut erkennbar ist, ist Loude Bètoly deutlich bunter und witziger,als Augustin Teboul es war. Schwarz?War gestern. Mit ihren irritierenden

Kreationenmacht Teboul nun exakt dieArt vonMode, die in Deutschland Kopf-schütteln provoziert. Und die Frage, werdenn bitteschön so etwas tragen solle?

H ierzulande, das zeigen die Reak-tionen auf die Kollektionen vonLou de Bètoly, wird selten ver-

standen, dass Mode nicht das Gleicheist wie Bekleidung. Im Idealfall istModedie Vision, die Bekleidung inspiriert.Die gut übersetzt zu demwird, was wirin Zukunft tragen werden. Wenn manauf den Laufstegen das sieht, was soschon im Schrank hängen könnte, wobliebe dann die innovative Kraft?„Chaos und Surrealismus sind diewichtigsten Inspirationen für meineEntwürfe“, sagt Teboul. Sie lacht. Sieversteht sich selbst als Punk, im Geist,in ihrer Haltung. Aber feiner. Ihre Ein-gebungen verdanke sie einem Zustand,den sie „Oneirismus“ nennt, sagt sie:„ImWachzustand erfahrene traumarti-ge, oft verstörende Illusionen.“ Verstö-rend sind aber nicht nur die Entwürfe,sondern bei Lou de Bètoly eben auchdie Produktionskosten. Das Häkeltopetwa, das Teboul an diesem Tag trägt,würde im Verkauf etwa 2000 Euro kos-ten. Einfach weil die Produktion vonLou-de-Bètoly-Teilen extrem aufwändigist, für dieMassenproduktion taugen sienicht. Leicht verkäufliche Teile zu pro-duzieren, darauf hat Odély Teboul aberkeine Lust. „Es gibt ohnehin von allemviel zu viel“, sagt sie.Avantgarde-Mode wie die von Loude Bètoly geht in Deutschland nichtbesonders gut. Denn erstens gebendie Deutschen generell nicht gerneviel Geld für Kleidung aus. Und wenn,dann eher für große und bekannteMar-ken. Und überhaupt ist selbst in Berlinzu viel Extravaganz suspekt. Berlin istdie Hauptstadt des Downdressings,

selbst für die Oper machen nur einigealte Damen sich noch fein. Sonst aberist Deutschland ein Land der Funkti-onskleidung und Berlin eine Stadt fürStreetwear und Basics.Und die kleine Schar von Enthusias-ten, die tatsächlich gerne exzentrischeStücke und besondere Entwürfe trägt,arbeitet leider zumeist in den prekärenJobs der Kreativbranche – oder gleichselbst in der Mode. Erst als AugustinTeboul schließen und seine Kleidung zuRamschpreisen verkaufen musste, sahman die Kreationen wirklich auf Stra-ßen und auf Partys. So ist Berlin.Odély Teboul weiß das. Aber sie istentschlossen, alleine weiterzumachen.„Wir haben uns bei Augustin Teboulkeine Villen mit Swimmingpools ge-kauft“, sagt sie. „Aber wir konnten vonunserer Arbeit leben. Das bedeutet fürmich Erfolg.“ Größeres Glück, als jedenTag das zu tun, was sie tunwill, kann siesich nicht vorstellen. Noch nicht.

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Ein paar Nerds haben es beim Klicken durchWikipedia entdeckt. Dann haben ihre Kumpelsmitgemacht. Und bald war „Zooming!“ein weltweiter Hype.

Das sind die Regeln:

SPIELVORBEREITUNGEinen oder mehrere Mitspielerinnenund Mitspieler versammeln. Smart-phones hervorholen.

ERSTE SCHRITTEEinen beliebigenWikipedia-Artikelals Startpunkt auswählen. ZumBeispiel „Chris Dercon“. Dannversuchen, über Verknüpfungenvom Startpunkt zu einem ausge-wählten Zielartikel zu kommen.Zum Beispiel „Gefängnisstrafe“.Für Anfänger kommt hier dieLösung: Bei „Dercon“ muss mannur auf den Link zu „Volksbühne“klicken, dort auf „Besetzung“, umweiter auf „Hausfriedensbruch“zu springen. Jetzt fehlt nur nochein Sprung, schon ist man bei„Gefängnis“ gelandet. Und werzuerst da ist, hat gewonnen. klickt man auf „GeflügeltesWort“.

Von dort geht es weiter zu„Sprichwort“, zu „Reim“, dann zu„Rede“, „Zimmermannsspruch“,„Richtfest“, „Spatenstich“ ... undjetzt noch einen Klick, schon istman beim BER.Wahrscheinlichmuss man dafür länger knobeln.Oder man wird sich verlaufen.Aber dass man auf schnellstemWeg beim neuen Flughafenankommt, erwartet ohnehinniemand mehr.

ZWEITE SCHRITTEEs geht natürlich auch komplizier-ter. Etwa mit dieser Aufgabe:Wie schnell lässt sich bei Wiki-pedia der Eintrag über „Witz“mit dem über den „FlughafenBerlin Brandenburg“ verbinden?Hier wieder die Lösung:Manklickt in diesem Fall beim Artikel„Witz“ auf das verlinkte Stichwort„Bonmot“. Im Artikel „Bonmot“

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TOP-TREND

SPIELERWEITERUNG„Zooming!“ boomt allerdingsheute nicht bei Wikipedia. Es hatsich verlagert auf die Seiten derOnlineshops, Streamingdiensteund Datingplattformen.Dort entstehen die dynamischenVerknüpfungen, die unsere Gegen-wart zusammenhalten. Und alleknüpfen wohl oder übel mit. DasZauberwort dafür: Cross-Selling.Wer Objekte auswählt, Filmeanschaut oder Songs hört, erhältprompt weitere Vorschläge:„Kunden, die sich für diesen Artikelinteressiert haben, interessiertensich auch für…“Mit solchen Verknüpfungen hältman die Leute im Shop.Wo sie sichimmer weiterbewegen im Zauber-raum derWünsche nach weiterenKonsumobjekten. Zugleich ziehtjede Bewegung eine weitereSpur. Jede bestätigt eine bereitsbestehende Verbindung zwischenden Angeboten. Oder sie legt eine

neue, die dann den nächstenBesuchern angeboten wird.Diese Spuren sind viel feinerals bei Wikipedia. Und beweg-licher. Marktforscher wissen:In den Veränderungen derSpuren drücken sich die aktu-ellen Trends aus. Wer mitspie-len will, muss sich deshalb ineinen Leser der Kultur verwan-deln, der bereits bestehendeZusammenhänge kennt undneue zielgenau erraten kann.

Ein Spiel von Stephan PorombkaIllustration Joni Majer

ss hatderste

chenGegen-alleDaslling.

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SPIELVARIANTE 1EFFIZIENZJeder Klick zählt: Wie kommtman am schnellsten zum Beispielbei Spotify von „Shape of You“von Ed Sheeran zu „Baby OneMore Time“ von Britney Spears?Die Lösung lautet: Little Mix –Carly Rae Jepsen – Selena Gomez.Wer versucht, über Oly Murszum Ziel zu kommen, muss dannüber Leona Lewis und ChristinaAguilera zoomen, sonst verläuftman sich in Richtung Take Thatund RobbieWilliams und endetim Gebiet der Schlagerschnulzen.Um es etwas lustiger zu machen,kann man alternativ auch AC/DCs„Back in Black“ als Zielpunktwählen. Oder die französischeVariante von „Hey Joe“ in derAufnahme von Johnny Hallyday.

SPIELVARIANTE 2ELEGANZManmuss nicht unbedingt aufGeschwindigkeit spielen. Es gehtauch mit Eleganz.

Wer kann zum Beispiel inzehn Schritten denWegvon den Carmina Burana

aus der Deutschen Oper inBerlin von 2011 bis zu „She’s TheOne“ von RobbieWilliams gehenund dabei Schritt für Schritt eineReihe von Songs zu einer Playlistauffädeln, die durch alle Höhen undTiefen führt und das Herz berührt?Oder eine Herausforderung fürLiteraturfans: Wer kann bei AmazonThomasManns „Der Zauberberg“(Große kommentierte FrankfurterAusgabe) auf ebenso schönewie überzeugendeWeise in fünfSchritten mit Stefanie Sargnagelsaktuellem Bestseller „Statusmel-dungen“ verbinden?Das ist der eigentliche Trend:„Zooming!“ bringt neue Flaneureund Flaneusen im Netz hervor.Die lassen sich durch die Angebotetreiben, um zu verstehen, mitwelchen Verbindungen sich dasNeue ankündigt. Denn: Spieler,die sich für diese Gesellschaftinteressierten, interessierten sichauch für die nächste. Wer zuerstda ist, hat das Match gewonnen.

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Der Autor twittert unter@stporombka und postet alsstephan_porombka bei Instagram.Außerdem ist er Professorfür Texttheorie und Textgestaltungan der UdK Berlin.

SPIELVARIANTE 3ETHNOLOGIEKein Wunder, dass „Zooming!“sogar auf Plattformen für Bezie-hungsanbahnung funktioniert.Wer hier mitmacht, will Leuteangucken und neueste Inszenie-rungen sehen.Als Elite-Partner oder Elite-Partnerin darf gelten, wer es etwabei Tinder vom verstörendenFlirt-Angebot mit Profilfoto ausdem Campingurlaub 1998 inOsnabrück und den HobbysGrünkohlwanderung und Über-raschungseiersammeln in zehnKlicks zum Serienfilmstarhinüberschafft, ein Match landet

und ein Date verabredet.So wie das Real-Life-Küssen für diese Usergar nicht mehr so

interessant ist, geht esauch bei den Rennen in den

Onlineshops längst nicht mehrums Kaufen. Das Spiel ersetztden Konsum. Die vorgeführteKennerschaft um die geheimenVerknüpfungen der Kaufvorschlä-ge ersetzt den Besitz.Man prüfe sich selbst. Und beimnächsten Spiel auch die Freundeund Bekannten: Wer wird SuperMario oder Super Maria im Laby-rinth der Datenbanken?

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HerrWolle hältdie StellungMitten in Berlin-Mitte, zwischen Start-ups und Coffeeshops,lebt Herr Wolle seit Jahrzehnten in seiner kleinen Wohnung,in seiner kleinen Welt.

Die Fotografin Julia Luka Lila Nitzschke besucht ihn regelmäßig

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I mmer wenn ich HerrnWollesWohnung betrete, ist es, als ob ich heraustrete aus dem Alltag, aus demHeu-te, aus dem Berlin, wie wir es heute alle kennen. Eben war ich noch in Mitte, voll drin in der ganzen Hektik,zwischen den hippen Leuten und den schicken Läden und den Autos und Trams am Rosenthaler Platz – dann

gehe ich durch die Tür und da sind nur noch dieser unglaublich liebe alte Mann und seine tausend Mitbewohner.Eine gute Freundin vonmir hat uns einander vorgestellt, sie kennt HerrnWolle von ihrer Arbeit bei der Lebenshilfe.Ich liebe ja spezielleMenschen, und HerrWolle ist einfach jemand ganz Besonderes, ich war gleich total begeistertund wollte ihn näher kennenlernen – und natürlich auch fotografieren.

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Ich war dann immer wieder zu Besuch, mal zusammenmit meiner Freundin, mal allein.Wir sindmit HerrnWolle imKiez spazieren gegangen oder in den Park oder zum Kiosk, Cola kaufen, die liebt er. Irgendwann kam dann auch dieKamera dazu. Andere hätten das vielleicht gewöhnungsbedürftig gefunden: diese vielen Kuscheltiere!Manmuss abersagen, dass regelmäßig jemand zumSaubermachen kommt, es kommt täglichwarmes Essen, HerrWolle verwahrlostnicht. Nur lässt er eben niemanden an seine Lieblinge heran, einige sind darum ziemlich verstaubt.Ich habe Herrn Wolle zweieinhalb Jahre lang begleitet, manchmal hatte er Lust auf Bilder, manchmal nicht. Ichbin oft auch ohne Kamera hingegangen und habe einfach nur Zeit mit ihm verbracht. Später ist manchmal meine

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Tochter mitgekommen, sie ist sieben und liebt ihn total, und er freut sich immer, wenn sie da ist. Dann fragt er siezum Beispiel: „Und, hast du schon einen Freund?“ Er hat den Schalk im Nacken – das sieht man schon an seinemschelmischen Grinsen.Er lebt seit seiner Kindheit in dieser Straße, welche genau, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Es muss ja nicht un-bedingt jemand an seine Tür klopfen – darum habe ich auch seinen Namen geändert. Früher hat Herr Wolle mitseinen Eltern und zwei Brüdern zusammengelebt, die sind aber längst nicht mehr da. Wie lange er schon dieseWohnung hat, ist nicht ganz klar, es müssen Jahrzehnte sein, seit frühen Ost-Berliner Zeiten.

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Die Veränderungen um ihn herum beobachtet er genau und wundert sich bestimmt auch über vieles – aber erarrangiert sich. Er ist ja regelmäßig allein im Kiez unterwegs, manchmal sogar bis zum Alex. Die Leute kennenihn. Ich glaube sogar, dass es gerade eine schöne Zeit für ihn ist. Er hat hier ja noch die Nachkriegszeit miterlebt,die grauen DDR-Jahre. Jetzt ist alles bunt und lebendig. Und wenn es ihm mal zu viel Trubel ist, zieht er sicheben in seine Wohnung zurück.Er wirkt nicht einsam aufmich, auchwenn er keine Verwandtenmehr hat. Er lebt in seiner Traumwelt, die PlüschtiereundDinos undGartenzwerge sind seine Familie, er gibt ihnen viel Liebe undAufmerksamkeit. Ich glaube,manchmal

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spricht er auch mit ihnen. Herr Wolle ist aber auch regelmäßig bei Lebenshilfe-Veranstaltungen, bei Weihnachts-feiern, Geburtstagen. Da ist er sehr integriert, die Menschen mögen ihn. Wie könnten sie nicht? HerrWolle ist mirsehr ans Herz gewachsen in den letzten Jahren.Wir haben alle unsere kleinenMacken, und er ist einfach eine guteSeele, kein verbitterter Opa, sondern jemand, der sich an den kleinen Sachen freut.Ich besucheHerrnWolle immer noch regelmäßig.Wir unterhalten uns immer total nett: übersWetter, über aktuelleTagesgeschehnisse, HerrWolle guckt Fernsehen und ist auch über seine Betreuer gut informiert. Außerdemweißer extrem gut Bescheid über Dinosaurier, kennt die verschiedenen Arten. Meine Tochter hatte neulich eine Jacke

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mit Dino-Muster an, da hat er sich gefreut. Er war bestimmt schon fünfzig Mal im Dinosaurierpark Germendorfbei Oranienburg, oft mit uns. Da sind lebensgroße Figuren ausgestellt. Und es gibt mehrere Shops, die eine großeAuswahl an Plastikmodellen anbieten…Wenn man es sich jetzt anschaut, wirkt Herr Wolle wie aus der Zeit gefallen. Sein Haus stand lange leer, über 80Wohnungen. Vor ein paar Jahren hat die Polizei dann alle rausgeworfen, die hier untergekommen waren: Obdach-lose,Wanderarbeiter, Punks. Jetzt ist das Haus leer, die Sanierung ist voll imGang: alles eingerüstet, Arbeiter laufenherum, es ist halt eine begehrte Lage. HerrnWollesWohnung bleibt aber unangetastet, das ist ein großes Glück.

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Ich finde es beeindruckend, dass er der Letzte ist, der die Stellung hält. Jeder andere hätte sich rauskaufen lassenundwäre in eine andereWohnung gezogen. Aber HerrnWolle ist Geld egal, er ist fast achtzig, er will in seinemKiezbleiben, in seinerWohnung, auf seiner Insel. Seine neuen Nachbarn, wenn sie dann kommen, sollten sich freuen.

Julia Luka Lila Nitzschke, Jahrgang 1983, lebt und arbeitet als freie Fotografin in Berlin.Sie studierte an der Ostkreuzschule für Fotografie. Mehr unter zoooi.dePr

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Sashimi TaquitoMoriawaseSashimi TaquitoMoriawase

Mexiko/Mittelmeer/ Japan/Berlinmelting pot

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D er Taquito sieht aus wie die verniedlichte Form eines mexikanischen Tacos. Er bildetdie Basis, auf der The Duc Ngo, Chef des „893 Ryotei“, Esskulturen verschmilzt,als gäbe es weder geografische Grenzen noch kulinarische Traditionen: Butterfisch,

Lachs und Tunfisch eint, dass sie hier roh als Sashimi mehr Textur als Geschmack liefern.Die aromatische Deutungshoheit übernehmen exzentrische Toppings, die jeden Taquitoin einer anderen Himmelsrichtung verorten. Der Tunfisch mit Jalapeño und Yuzu-Trüffel-Mayonnaise blickt nach Mexiko, der Butterfisch mit Rosmarin, Trüffel und Olivenöl gibtsich mediterran, der Lachs bekommt mit der Gewürzmischung Shichimi togarashi undDaikon-Kresse einen japanischen Twist.Mit vietnamesisch-chinesischenWurzeln als Flüchtling nach Berlin gekommen und schonfrüh von der japanischen Esskultur fasziniert, hat sich The Duc Ngo zu einem der erfolg-reichsten Gastronomen Berlins entwickelt. Jedes seiner elf Restaurants ist eine Facette seinerkulinarischen Leidenschaft, die jüngsten Eröffnungen blicken nach Spanien und Südamerika.Es sind autobiografische Küchen – harmonische Synthesen eines Weltbürgers aus Berlin.

893 Ryotei, Kantstraße 135, Charlottenburg, 893ryotei.de

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H ass, sagt der Buddha, isteine Wurzel des Leids.Kurzfristig verursacht er

Schmerz: Hass entsteht, wennwir das Gefühl haben, dassuns jemand oder etwas Scha-den zufügt oder wenn unsereWünsche nicht erfüllt werden –oder auch als Reaktion auf einegroße Angst.Wennwir hassen,sind wir unglücklich und wol-len, dass die Dinge anders werden, als siesind.Auch langfristig führt Hass zu Konflik-ten, zu zerbrochenen Freundschaften, zuFeindschaft. Nach dem Prinzip des Karmasind Handlungen, die in diesem Zustandvollzogen werden, destruktiv und führenzu zukünftigen schmerzhaften Erfahrun-gen. Die Denk- und Sprechweise IhresOnkels, die Ihre Tante nun unglücklicher-weise aufnimmt, ist ein Zeichen von psy-chologischem Schmerz – und überdies dieUrsache zukünftiges Schmerzes.Ihre eigene negative Reaktion auf diemenschenfeindlichen Dinge, die Sie hö-ren, scheint einem ähnlichen emotiona-len Muster zu folgen. Was natürlich ist– aber vielleicht gibt es ja einen anderenWeg? Einer der frühesten buddhistischen

Texte, das Dhammapada, lehrt:„Mit Sanftheit überwinde denÄrger. Mit Güte überwindeden Hass. Mit Großzügigkeitüberwinde die Selbstsucht. MitWahrhaftigkeit überwinde dieLüge.“ Diese Lehre klingt sim-pel, aber sie ist nicht einfach.Sie erfordert, dass Sie zuersteine Haltung annehmen, diefrei von Hass ist. Könnten Sie

Ihren Verwandtenmit sanftem und lieben-dem Geist gegenübertreten? Einem Geist,der ihre Gefühle versteht (aber nicht recht-fertigt)? Ein effektiver Weg hierhin ist dieSelbstbetrachtung: Versuchen Sie zu ver-stehen, wie Wut und Abneigung in Ihnenselbst wirken, wann und warum sie auf-tauchen, wie sie sich anfühlen – und wasIhnen hilft, diese Gefühle zu mildern.Wenn Sie es schaffen, Ihrer Tante undIhremOnkel von einer Position aus gegen-überzutreten, die das Wesen des Hassesversteht, ebenso wie die bestenWege, ihnzu besänftigen, dann werden Sie auch mitdem Hass Ihrer Verwandten besser um-gehen können. Das Dhammapada weiß:„Noch nie in dieser Welt hat Hass gestilltden Hass. Nur liebende Güte stillt denHass. Dies ist ein ewiges Gesetz.“

Eine der auf den ersten Blick oberfläch-lichen, bei genauerer Betrachtung aberzentralen Fragen unserer Zeit lautet:Müssen alle Dinge schön sein? An-ders gefragt: Reicht reine Funktiona-lität nicht mehr aus? Brauchen einSchraubenschlüssel, ein Kugelschrei-ber oder eben so etwas Banales wieein Trockentuch für Gläser und Besteckeine spezielle Optik und Haptik?Die Antwort ist eine Übung in Dia-

lektik: Natürlich muss etwas Zweck-mäßiges nicht schön sein, sondernvor allem brav seinen Dienst verrich-tenwie ein preußischerWachsoldat –aber warum sollte es nicht schön seindürfen? Es ist vermutlichAusdruck un-serer atemlosen, überoptimierten undtatsächlich etwas oberflächlichen Zeit,dass man selbst vom Abwasch einePrise Vergnügen und Ästhetik erwar-tet. Kulturpessimisten würden sagen:Dieses 50mal 70 Zentimenter große,wunderblaueGeschirrtuch aus Baum-wolle ist der endgültige Sieg von Insta-gram und der Eventisierung auch desallerletzten Winkels des Daseins. Ja,einerseits. Andererseits: Es ist ebenauch sehr schön.

Geschirrtuch, 6,90 Euro,bei Ting, Rykestraße 41oder via ting-shop.com

InsInsBlaueBlaue

Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff, LorenzMaroldtRedaktionsleitung Jan Oberländer, Daniel Erk (stellv.)Artdirektion Suse Grützmacher Bildredaktion SaskiaOtto Autor*innen dieser AusgabeDirk Gieselmann,Oren Hanner, Bettina Homann, David Jenal, TorstenKörner, Stephan Porombka, Kai Röger Fotograf*innenund Illustrator*innen dieser Ausgabe Tony Futura, ÉriverHijano, Daniel Hofer, Joni Majer, Kai Müller, Julia Luka LilaNitzschke, Carlito Schilirò, Jens Schmidt, se7entyn9ne,

Oren Hanner, 1979 in Jerusalem geboren, promovierte in Buddhismuskunde in Hamburgund lehrt heute an der Universität Berkeley. Schicken Sie Ihre Frage an [email protected]

IMPRESSUM

Jan PhilipWelcheringModeproduktionOlaf BorchardKorrektorat Carolin Mader Verlag Verlag Der TagesspiegelGmbH, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin, www.tagesspie-gel.de Geschäftsführung Florian Kranefuß (Sprecher),Farhad Khalil, Ulrike Teschke Verlagsleitung Philipp Nadler(Vermarktung), Sebastian Stier (Marketing und Vertrieb),PenelopeWinterhager (Politik und Konzepte), ThomasWurster (Projekte) VerkaufsleitungMagazine Nils HöfertProduktionsleitungMarco SchiffnerHerstellungsleitung

DanielaWeber Layout und Produktion SabineMiethkeDruckMöller Druck und Verlag GmbHAbo- undLeserservice Tel. 030/29021-502, Fax 030/29021-599

Redaktionsschluss 3. Februar 2018 Copyright 2018für alle Beiträge bei Verlag Der Tagesspiegel GmbH.Nachdruck, Übernahme in digitale Medien sowieVervielfältigung auf Datenträger nur nach vorherigerZustimmung durch den Verlag.

Der nächste Tagesspiegel Berlinererscheint am 28. April 2018.DasMagazin liegt dem Tagesspiegel bei.Um kein Heft zu verpassen, schreiben Sie [email protected].

Tagesspiegel Berliner imNetztagesspiegel.de/berliner, twitter.com/tspBRLNR

Dr. omKleine Meditationen

über die großen Fragendes Lebens

„Meine Tante war lange die Verwandte,„Meine Tante war lange die Verwandte,die mir am nächsten war. Sie ist aber mit einem Manndie mir am nächsten war. Sie ist aber mit einem Mannverheiratet, der mit den Jahren zu einem harten Rechtenverheiratet, der mit den Jahren zu einem harten Rechtengeworden ist, der menschenverachtende Dinge sagt.geworden ist, der menschenverachtende Dinge sagt.

Ich beginne nun, meine Tante zu verachten,Ich beginne nun, meine Tante zu verachten,weil sie seinen Hass hinnimmt.weil sie seinen Hass hinnimmt.

Ist das falsch?”Ist das falsch?”

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Lea Rosh, wann musstenSie sich zwischenSicherheit und Freiheitentscheiden?

„Auf demGlastisch standen Salzstangen. Salzstangen!“

I n den 50er Jahren studierte ich an der Freien Universität. Dort gab es einen Sozio-logie-Dozenten, in den ich verknallt war. Mir gefiel seine Art zu argumentieren soaußerordentlich gut. Man verstand, was er sagte. Nein, ICH verstand, was er sagte.

Er war natürlich älter als ich, Anfang 30. Ich flirtete mit ihm in den Diskussionen nach derVorlesung: Blicke hin, Blicke her. Irgendwann lud er mich ein: Wir könnten doch mal einenSchluck Wein zusammen trinken, am Dienstag am besten, da war Fastnacht.Ich stellte mir vor, dass er in einer Art Bibliothek wohnte, viele Bücher, Stuck an der Decke.

Ich war aufgeregt und zog mich sorgfältig an: ein schönes dunkles Kleid. Das Taxi setzte mich ander Adresse in Schmargendorf ab – und was war das für eine Enttäuschung! Ein gelber Neubau,und er wohnte auch noch parterre. Er trug grauen Anzug, wie immer, na, machte ja nichts. Er führtemich in ein winziges Zimmer. Überall hingen Papiergirlanden, rot, gelb, grün, blau. Auf dem niedrigenGlastisch drei Gläser mit Salzstangen. Salzstangen! Und dann sagte er zu mir: „Du bist meine Königin.“Was sollte denn das heißen?Wenn das so weitergeht, kommt er noch mit einemHeiratsantrag... Das hattemir gerade noch gefehlt. Er hatte mir noch nichts zu trinken angeboten, da sagte ich: „Warte, Dietrich, ichmuss noch mal schnell nach Hause, ich hab was vergessen.“ Dann bin ich abgehauen.Und bin zu einem anderenMann gefahren, mit dem ich eigentlich auch verabredet gewesenwar. Der wohnte

in Charlottenburg, in einem herrlichen Altbau. Er nahmmich in den Arm, redete nicht lange, sondern küsstemich.Heftig, zärtlich. Er wurde dann meine erste wirklich große Liebe: jahrelang, schwierig, aber es war das Gegenteilvon Salzstangen auf demTisch. Jahre später habe ichmeinen Dozentenwiedergesehen, mit seiner Frau, untergehakt.Ich dachte nur: Glück gehabt, dass ich nicht an dem hängen geblieben bin.

Lea Rosh, geboren 1936in Berlin als Edith RenateUrsula Rosh, ist Publizistinund Fernsehjournalistin.Für ihr Engagement gegenAntisemitismus und für dasDenkmal für die ermordetenJuden Europas wurde sievielfach ausgezeichnet.

Protokoll Jan OberländerFoto Ériver Hijano

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Musik vonModeselektor, Hans-Joachim Rodelius, Samon Kawamura, Gudrun Gut und Thomas Fehlmann sowie Alex.Dokuratiert von FrankWiedemann (Innervisions/Âme)

ExklusiveScreeningsamDo15.undFr16.Februar2018 imehem.StummfilmkinoDelphiGustav-Adolf-Str. 2, 13086 Berlin-Weissensee

Einlass 19:00, Beginn 20:30Tickets nur per Gewinnspiel unter www.audi-zeitgeist-projects.com/tagesspiegel

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