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Systemischer Lupus erythematodes und seltene rheumatische ... · Epidemiologie Der SLE kommt mit...

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Systemischer Lupus erythematodes und seltene rheumatische Krankheiten im Kindes- und Jugendalter N. Wagner a * und G. Dannecker b a Klinik fur Kinder- und Jugendmedizin, Universit atsklinik Aachen, Aachen, Deutschland b Seelow, Deutschland 1 Systemischer Lupus erythematodes Denition Der systemische Lupus erythemathodes (SLE) ist eine B-Zell-vermittelte, chronisch-ent- zundliche Autoimmunkrankheit, die gekennzeichnet ist durch Produktion von Autoantikörpern gegen Zellkernbestandteile und Ablagerung von Immunkomplexen, die eine Vaskulitis verursachen. Zahlreiche Organe können betroffen sein, z. B. Haut, Niere, Lunge und ZNS. Die Erstbeschreibung des SLE als Systemerkrankung erfolgte 1872 durch Kaposi. Zu den hier besprochenen seltenen rheumatischen Erkrankungen gehören mixed connective tissue disease, Sjögren-Syndrom und eosinophile Fasziitis. Epidemiologie Der SLE kommt mit einer Pr avalenz von etwa 510/100.000 Kindern und Jugendlichen vor. Die Inzidenz in der Altersgruppe unter 19 Jahren betragt etwa 0,6/100.000. Die Haugkeit des SLE hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, dies liegt auch an einer verbesserten Diagnose der leichteren Verl aufe. Der SLE tritt weltweit auf; bestimmte ethnische Gruppen, z. B. afrikanischer, indianischer oder asiatischer Abstammung, erkranken hauger als weiße Europaer. Kinder in der 2. Lebensdekade sind bevorzugt betroffen; der Erkrankungsbeginn liegt im Median bei 12 Jahren. Die Diagnose eines SLE im Alter von unter 5 Jahren ist abgesehen vom durch die Mutter diaplazentar ubertragenen neonatalen Lupus eine Rarit at; im Alter bis zu 10 Jahren ist der SLE selten. Madchen sind in der 2. Lebensdekade mit einem Verhaltnis von 45:1 hauger betroffen als Jungen, im jungeren Alter ist die Geschlechtswendigkeit geringer ausgepr agt. Schatzungsweise werden in Deutschland 10002500 Kinder und Jugendliche mit SLE betreut. Ätiologie Die Ätiologie des SLE ist unbekannt. Gesichert ist der Einuss bestimmter genetischer Merkmale, die pr adisponierend wirksam sind. Vermutlich fuhren hormonelle Faktoren, Infektionen und Störungen des Immunsystems beim genetisch pr adisponierten Individuum zur Manifestation der Erkrankung. Die genetische Pr adisposition des SLE zeigt sich durch famili are Haufungen der Erkrankung sowie durch die hohe Konkordanz (2570 %) des Auftretens eines SLE bei eineiigen Zwillingen. Fur 3 Genfamilien konnte eine sichere Assoziation mit dem SLE gezeigt werden: das HLA-System, Faktoren des Komplementsystems sowie Fcy-Rezeptoren (FcyR) Bestimmte Allele des Histokompatibilit atskomplexes (MHC-Klasse-II-Allele HLA-DR2, DR3 und DQw1) sind uberzufallig haug mit einem SLE assoziiert. Eine Funktion der MHC-Molekule ist die Antigenprasentation, die neben der Initiierung einer Immunantwort gegenuber pathogenen Keimen *Email: [email protected] Padiatrie DOI 10.1007/978-3-642-54671-6_106-1 # Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Seite 1 von 12
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Systemischer Lupus erythematodes und seltene rheumatischeKrankheiten im Kindes- und Jugendalter

N. Wagnera* und G. DanneckerbaKlinik f€ur Kinder- und Jugendmedizin, Universit€atsklinik Aachen, Aachen, DeutschlandbSeelow, Deutschland

1 Systemischer Lupus erythematodes

Definition Der systemische Lupus erythemathodes (SLE) ist eine B-Zell-vermittelte, chronisch-ent-z€undliche Autoimmunkrankheit, die gekennzeichnet ist durch Produktion von Autoantikörpern gegenZellkernbestandteile und Ablagerung von Immunkomplexen, die eine Vaskulitis verursachen. ZahlreicheOrgane können betroffen sein, z. B. Haut, Niere, Lunge und ZNS. Die Erstbeschreibung des SLE alsSystemerkrankung erfolgte 1872 durch Kaposi. Zu den hier besprochenen seltenen rheumatischenErkrankungen gehören „mixed connective tissue disease“, Sjögren-Syndrom und eosinophile Fasziitis.

Epidemiologie Der SLE kommt mit einer Pr€avalenz von etwa 5–10/100.000 Kindern und Jugendlichenvor. Die Inzidenz in der Altersgruppe unter 19 Jahren betr€agt etwa 0,6/100.000. Die H€aufigkeit des SLEhat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, dies liegt auch an einer verbesserten Diagnose der leichterenVerl€aufe. Der SLE tritt weltweit auf; bestimmte ethnische Gruppen, z. B. afrikanischer, indianischer oderasiatischer Abstammung, erkranken h€aufiger als weiße Europ€aer. Kinder in der 2. Lebensdekade sindbevorzugt betroffen; der Erkrankungsbeginn liegt im Median bei 12 Jahren. Die Diagnose eines SLE imAlter von unter 5 Jahren ist abgesehen vom durch die Mutter diaplazentar €ubertragenen neonatalen Lupuseine Rarit€at; im Alter bis zu 10 Jahren ist der SLE selten. M€adchen sind in der 2. Lebensdekade mit einemVerh€altnis von 4–5:1 h€aufiger betroffen als Jungen, im j€ungeren Alter ist die Geschlechtswendigkeitgeringer ausgepr€agt. Sch€atzungsweise werden in Deutschland 1000–2500 Kinder und Jugendliche mitSLE betreut.

Ätiologie Die Ätiologie des SLE ist unbekannt. Gesichert ist der Einfluss bestimmter genetischerMerkmale, die pr€adisponierend wirksam sind. Vermutlich f€uhren hormonelle Faktoren, Infektionen undStörungen des Immunsystems beim genetisch pr€adisponierten Individuum zur Manifestation derErkrankung.

Die genetische Pr€adisposition des SLE zeigt sich durch famili€are H€aufungen der Erkrankung sowiedurch die hohe Konkordanz (25–70 %) des Auftretens eines SLE bei eineiigen Zwillingen. F€ur3 Genfamilien konnte eine sichere Assoziation mit dem SLE gezeigt werden:

– das HLA-System,– Faktoren des Komplementsystems sowie– Fcy-Rezeptoren (FcyR)

Bestimmte Allele des Histokompatibilit€atskomplexes (MHC-Klasse-II-Allele HLA-DR2, DR3 undDQw1) sind €uberzuf€allig h€aufig mit einem SLE assoziiert. Eine Funktion der MHC-Molek€ule ist dieAntigenpr€asentation, die neben der Initiierung einer Immunantwort gegen€uber pathogenen Keimen

*Email: [email protected]

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wesentlich auch an der Toleranzentwicklung f€ur Selbstantigene beteiligt ist. Angeborene Störungen desImmunsystems, z. B. Komplementdefekte (Defizienz von C1q-, C2-, C4- oder C1-Esterase-Inhibitor)gehen geh€auft mit einem SLE einher. Ebenfalls ist die IgA-Defizienz 100-mal h€aufiger bei SLE-Patientenals in der gesunden Bevölkerung zu finden.

Fcg-Rezeptoren binden physiologischerweise IgG-Antikörper und Immunkomplexe, um diese derZirkulation zu entziehen. Verschiedene Allele von FcgRIIa und FCgRIIIa beg€unstigen das Auftreteneines SLE.

In den letzten Jahren sind weitere Genassoziationen beschrieben worden, die z. B. die Funktion vonT-Zellen und von Dendritischen Zellen betreffen (STAT4, IRAK1, TLR8, IL10, IL16). Es kann als sichergelten, dass der SLE polygen verursacht ist, wobei die Assoziation des SLE mit HLA-Antigenen nichtst€arker ist als die Assoziation mit den anderen oben aufgef€uhrten Kandidatengenen.

Hinweise f€ur eine Assoziation zu infektiösen Auslöseereignissen eines SLE sind z. B. der Nachweisvon EBV-DNA bei nahezu allen Patienten mit SLE, w€ahrend eine gesunde Vergleichsgruppe deutlichweniger EBV-DNA-Tr€ager aufweist. Der direkte Nachweis einer infektiösen Ätiologie des SLE ist bisheraber nicht erbracht.

Hormonelle Faktoren sind ebenfalls an der Entstehung des SLE beteiligt, wie das bevorzugte Auftretenbei M€adchen w€ahrend der Pubert€at und bei Frauen im geb€arf€ahigen Alter zeigt. Einen weiteren Hinweisauf die Bedeutung hormoneller Einfl€usse gibt das Auftreten eines medikamentenassoziierten SLE nachEinnahme oraler Antikonzeptiva. Unabh€angig vom hormonellen Einfluss scheinen X-chromosomaleEigenschaften mit dem SLE assoziiert zu sein.

Bei Kindern, die an einem SLE erkrankt sind, kann im peripheren Blut eine sog. Interferon-Signaturgefunden werden, die durch eine Hochregulation interferoninduzierter Gene gekennzeichnet ist und diedurch immunsuppressive Behandlung abgeschw€acht wird.

Zusammengefasst ist eine Hypothese zur Ätiologie des SLE, dass zun€achst die Immuntoleranz f€urnukle€are Antigene, die aufgrund einer Infektion freigesetzt und nicht ausreichend entfernt werden, gestörtwird. In einem zweiten Schritt wird durch eine ver€anderte Signaltransduktion €uber Zytokine oderz. B. Fas, ein an der Apoptose beteiligtes Gen, Autoimmunit€at induziert, die nur in Verbindung mitdem ersten Schritt ein krankheitsauslösendes Niveau erreicht. Im weiteren Verlauf wird die durch dieersten beiden Schritte entstandene humorale Autoimmunit€at gegen nukle€are Antigene aufgrundz. B. alterierter Fcg-Rezeptoren zu den betroffenen Zielorganen wie der Niere gelenkt. Die Aktivierungder B-Zellen bedingt die Produktion von Autoantikörpern, die mit den Autoantigenen Immunkomplexebilden. Die Ablagerung von Immunkomplexen f€uhrt schließlich zur Organsch€adigung.

Pathogenese Der SLE ist der Prototyp einer Autoimmunerkrankung, an der B- und T-Zellen sowieDendritische Zellen pathogenetisch beteiligt sind. Kennzeichnend sind Autoantikörper gegenBestandteile des Zellkerns (ANA, antinukle€are Antikörper), die h€aufig gegen Doppelstrang-DNA(dsDNA) gerichtet sind und vielfach Jahre vor der Krankheitsmanifestation des SLE nachgewiesenwerden können.

Die klinischen Organmanifestationen entstehen durch Immunkomplexbildung der Autoantikörper mitden entsprechenden körpereigenen Antigenen, wodurch eine Vaskulitis mit oder ohne Komplementak-tivierung vor allem der kleinen Gef€aße wie Arteriolen und Venolen ausgelöst wird. Durch diesenPathomechanismus wird besonders h€aufig die Niere gesch€adigt; es entwickelt sich eine Glomerulone-phritis durch Immunkomplexpr€azipitate in den Glomerula und durch direkte Bindung vonAutoantikörpern z. B. gegen die Basalmembran des Glomerulums.

Die essenzielle Bedeutung der Autoantikörper f€ur die Pathogenese des SLE wird durch das folgendeTierexperiment illustriert: Die Verabreichung vonmonoklonalen Anti-DNA-Antikörpern an eine normaleMaus f€uhrt zu einer lupus€ahnlichen Glomerulonephritis. Manche Autoantikörper sind auch gegen

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Oberfl€achenantigene oder Serumbestandteile gerichtet und verursachen direkte Sch€aden z. B. an denThrombozyten (Thrombozytopenie), Erythrozyten (h€amolytische An€amie) oder an der plasmatischenGerinnung (Antiphospholipidsyndrom). Anti-DNA-Antikörper können auch an N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren binden, die im ZNS (bevorzugt Hippocampus und Amygdala) exprimiert werden. DieserMechanismus könnte kognitive Defekte bei Patienten mit SLE erkl€aren.

Pathologie Histopathologisch ist der SLE durch eine Immunkomplexvaskulitis in verschiedenenOrganen gekennzeichnet. Immunkomplexe lagern sich der Gef€aßwand an und f€uhren so zu einerVaskulitis kleiner Gef€aße mit zellul€aren Infiltraten, fibrinoider Nekrose und schließlich Sklerose durchKollagenneubildung. Immunfluoreszenzmikroskopisch können Immunkomplexe z. B. an derBasalmembran betroffener Hautareale oder an den Glomerula nachgewiesen werden. Die Ver€anderungenan der Niere reichen von minimalen mesangialen Ver€anderungen (subklinisch) bis zur diffusenproliferativen Glomerulonephritis (Übersicht).

Histopathologische Ver€anderungen der Nieren können weit vor dem Auftreten klinischer Symptomebestehen. Bei der gef€urchteten Beteiligung des ZNS bestehen keine pathognomonischen histopatho-logischen Ver€anderungen; Perivaskulitis, Mikroinfarkte und Enzephalomalazie sind beobachtet worden.

Die klassische verruköse Libman-Sacks-Endokarditis ist durch Knötchen auf den Klappenfl€achengekennzeichnet; Perikarditis und Myokarditis sind jedoch h€aufiger anzutreffende Manifestationen.

Klassifikation der Lupusnephritis (WHO)

– Klasse I: Keine Erkrankung– Klasse II: Mesangiale Erkrankung

– IIA: Minimale Ver€anderungen; unauff€allige Lichtmikroskopie, in der Immunfluoreszenz oderElektronenmikroskopie Ig-Ablagerungen mesangial erkennbar

– IIB: Mesangiale Glomerulitis– Klasse III: Fokale und segmentale proliferative Glomerulonephritis (<50 % der Glomeruli

betroffen)– Klasse IV: Diffuse proliferative Glomerulonephritis (>50 % der Glomeruli betroffen)– Klasse V: Membranöse Glomerulonephritis– Klasse VI: Chronisch sklerosierende Glomerulonephritis

Klinische Symptome Nahezu jedes Organsystem kann beim SLE betroffen sein, dies bedingt eine großeVariabilit€at der klinischen Symptomatik. In Tab. 1 sind die klinischen Symptome in absteigenderH€aufigkeit aufgelistet.

Allgemeinsymptome Der Beginn der Erkrankung kann hochakut oder schleichend sein. H€aufigmanifestiert sich die Autoimmunerkrankung mit Fieber, Abgeschlagenheit, Anorexie und Gewichtsver-lust. Im Vergleich zu Erwachsenen beginnt die Erkrankung bei Kindern akuter und bezieht auch h€aufigerdie Nieren, das zentralnervöse und das h€amatologische System ein.

Haut und Schleimhaut Das typische schmetterlingsförmige Erythem im Gesicht ist diagnostischwegweisend, es tritt initial bei etwa einem Drittel der Patienten auf (Abb. 1). Es ist auf den Wangenlokalisiert, kreuzt manchmal die Nasenbr€ucke und spart die Nasolabialfalten aus. Die Morphe desExanthems kann makulös, makulopapulös, nodul€ar oder vesikul€ar sein. Nach Abheilung bleiben meistkeine Narben. Vaskulitische Ver€anderungen der Haut können auch an anderen Arealen des Integuments

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zu einem Exanthem f€uhren. Zum Teil sind die Patienten photosensitiv. An den Schleimh€auten, besondersam Gaumen, ist h€aufig ein Enanthem mit Ulzerationen zu finden (Abb. 2). Perforationen desNasenseptums sind beschrieben. Eine Alopezie tritt bei einem Teil der Patienten w€ahrend der aktivenPhasen des SLE auf.

Niere Nahezu alle Kinder und Jugendliche mit SLE weisen im Verlauf eine Nierenbeteiligung auf, diesekann jedoch einen sehr unterschiedlichen Schweregrad zeigen. Die Nierenerkrankung kann von einerklinisch inapparenten geringen Proteinurie und H€amaturie bis zu einem nephrotischen Syndrom mitschwerer Proteinurie (>1 g/m2 Körperoberfl€ache), Ödemen, Aszites, arterieller Hypertonie undInfektionsgef€ahrdung reichen. Im ung€unstigsten Fall geht die Erkrankung dann trotz immunsuppressiverTherapie in ein terminales Nierenversagen €uber. Die Lupusnephritis ist neben der ZNS-Beteiligungentscheidend f€ur die Prognose. Die WHO hat ein Klassifikationsschema der Lupus-Nephritis erarbeitet,das sich an den glomerul€aren Ver€anderungen orientiert (s oben Übersicht). Die mesangiale Nephritis zeigtdie geringsten glomerul€aren Ver€anderungen und ist zun€achst h€aufig subklinisch. Überg€ange in diefortgeschrittenen Stadien der Lupusnephritis sind möglich. Die fokal und segmental proliferative unddie diffus proliferative Glomerulonephritis (Abb. 3) unterscheiden sich im Ausmaß der glomerul€arenBeteiligung; die letztgenannte f€uhrt h€aufig zur Ausbildung einer Niereninsuffizienz. Die membranöseGlomerulonephritis (Abb. 4) zeigt sich sehr h€aufig durch ein nephrotisches Syndrom, welches auf

Tab. 1 Manifestationen des SLE bei Kindern. (Mod. nach Bader-Meunier et al. 2005; Benseler und Silverman 2005; Leeet al. 2001)

Symptom/BefundH€aufigkeit(%) Kommentar

M€udigkeit,Gewichtsverlust

80–90

Fieber 50–70

Hepatosplenomegalie 30–40

Haut- undSchleimhautbeteiligung

70–90 Bei 30–40 % besteht eine deutliche Photosensitivit€at

Schmetterlingsexanthem 30–50 Typisch, aber nicht pathognomonisch

Raynaud-Symptomatik 10–15

Haarausfall 10–40 Meist diffus

Mundschleimhaut 10–30 Orale Ulzerationen

Vaskulitis 10–25

Diskoide L€asionen 5–10

Periunguales Erythem 10 Nagelfalzkapillaren untersuchen

Nephritis 50–80 In der Literatur werden Raten zwischen 20 und 80 % beschrieben – abh€angigdavon, ob die Patienten nephrologisch oder rheumatologisch versorgt werden.

MuskuloskelettalesSystem

60–80

H€amatologischeAuff€alligkeiten

50–70

NeurologischeAuff€alligkeiten

20–40

Kardiale Beteiligung 10–30

Pulmonale Beteiligung 20–40

GastrointestinaleBeteiligung

15–30

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Kortikosteroidgabe schlecht anspricht; sie ist prognostisch g€unstiger einzusch€atzen als die diffusproliferierende Form. Interstitielle Nephritisformen und nekrotisierende Angiitis der Niere sind in derWHO-Klassifikation nicht ber€ucksichtigt.

Gelenke und Muskulatur Arthralgie und Arthritis besonders der kleinen Gelenke sind h€aufig. Da dieSynovitis in der Regel nicht erosiv ist, treten bleibende Knorpelsch€aden oder Deformit€aten wie bei derjuvenilen idiopathischen Arthritis nicht auf. Myalgie ist ein h€aufiges Symptom des akut erkranktenKindes, w€ahrend eine Myositis mit Enzymerhöhung auf ein Overlap-Syndrom verschiedenerKollagenosen hinweist (z. B. mixed connective tissue disease). Wichtig ist die Differenzialdiagnose dersteroidinduzierten Myopathie.

Abdominelle Organe und Lymphknoten Als Ausdruck der Systemerkrankung des Immunsystemssind Leber, Milz und Lymphknoten vergrößert. Die Leberfunktion ist meist nicht beeintr€achtigt.

Abb. 1 Schmetterlingsförmiges Erythem bei SLE. (Die Bildrechte liegen bei der abgebildeten Person bzw. bei denErziehungsberechtigten)

Abb. 2 Orale Ulzera bei SLE

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Abdominelle Beschwerden können auch durch Lymphadenitis, (bakterielle) Peritonitis, unspezifischeKolitis, Aszites, Pankreatitis und Mesenterialarterienthrombose verursacht sein. Dystrophie kann durchMalabsorption und Motilit€atsstörung wie bei Sklerodermie oder Dermatomyositis erkl€art werden.

Lunge Eine Pleuritis mit Pleuraerguss ist die h€aufigste pulmonale Beteiligung. Interstitielle pulmonaleInfiltrate, restriktive Lungenfunktionsstörungen, Pneumothorax und pulmonale H€amorrhagien sindbeschrieben. Eine wesentliche Komplikation des SLE im Verlauf unter immunsuppressiver Therapiesind bakterielle Infektionen, die sich z. B. als Pneumonie manifestieren.

Herz und Gef€aße Alle Herzwandschichten können entz€undlich ver€andert sein. Meistens tritt einePerikarditis ohne h€amodynamisch relevanten Perikarderguss auf, am zweith€aufigsten ist die Myokarditismit Dilatation des Herzens, Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz. Eine symptomatische Koronarar-terienerkrankung und Myokardinfarkt sind bei Kindern und Heranwachsenden im Vergleich zu

Abb. 3 a, b Diffus proliferative Glomerulonephritis. a Lichtmikroskopisch diffuse mesangiale Proliferation mit peripherenBasalmembranverdickungen und Nachweis subendothelialer Ablagerungen (Masson-Trichrom-F€arbung, Vergr. 100:1).b Immunhistologischer Nachweis von konfluierenden IgG-Ablagerungen im Mesangium und entlang der glomerul€arenBasalmembranen (Vergr. 100:1). (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Waldherr, Heidelberg)

Abb. 4 Membranöse Glomerulonephritis. a Lichtmikroskopisch nichtproliferative Glomerulonephritis mit kleinenBasalmembranvorspr€ungen („spikes“), dazwischen feinste Ablagerungen an der Außenseite (subepithelial) der glomerul€arenBasalmembranen (Chromotrop-Silbermethenamin-F€arbung, Vergr. 100:1). b Immunfluoroszenzmikroskopischer Nachweisvon Immunkomplexen (hier IgG) in feingranul€arer Form an der Außenseite der glomerul€aren Basalmembranen (Vergr. 100:1).(Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Waldherr, Heidelberg)

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erwachsenen Patienten sehr selten. Die verruköse Libman-Sacks-Endokarditis ist selten. Als Ausdruckder Vaskulitis und eines Vasospasmus an den Endphalangen tritt ein Raynaud-Ph€anomen auf mit initialerAbblassung der betroffenen Finger oder Zehen, gefolgt von Zyanose und reaktiver, schmerzhafterHyper€amie. Im Verlauf der Krankheit können Atrophie der Haut mit sog. Rattenbissnekrosen und dieEntwicklung eines Gangr€ans folgen.

Nervensystem Neben der Nierenbeteiligung ist der Befall des ZNS die am meisten gef€urchtete Mani-festation des SLE. Etwa ein Drittel der Patienten entwickelt zentralnervöse Symptome mitKopfschmerzen, zerebralen Krampfanf€allen, Persönlichkeitsver€anderungen, Psychosen sowie Störungender Denk- und Merkf€ahigkeit. Hirnnervenparesen, periphere Neuropathien und transverse Myelitis sindseltener. Die Symptome sind durch eine Vielfalt pathogenetischer Ver€anderungen verursacht, die imVerlauf des SLE auftreten können: Vaskulitis, Pseudotumor cerebri, Infektion, hypertensive oderur€amische Enzephalopathie, H€amorrhagie aufgrund von Thrombozytopenie oder plasmatischerKoagulationsstörung und thrombotische Isch€amie bei Antiphospholipidsyndrom.

Emotionale Labilit€at und depressive Verstimmung sind h€aufig auch durch die Auseinandersetzung desjugendlichen Patienten mit der chronischen Erkrankung verursacht. Hier f€allt die Abgrenzung von derorganischen ZNS-Beteiligung h€aufig schwer, da pathognomonische Befunde bei den Labor- oderbildgebenden Untersuchungen fehlen können.

Diagnose und Differenzialdiagnose Die Diagnose des SLE orientiert sich an den Klassifikations-kriterien des American College of Rheumatology (zuletzt 1997 modifiziert, Übersicht). Dabei ist jedochzu beachten, dass diese Kriterien urspr€unglich nicht zur Diagnosestellung des SLE entwickelt wurden,sondern vielmehr der Planung von klinischen Studien dienten, in denen homogene Patientengruppenuntersucht werden. Daher wird es auch Patienten geben, die die zitierten Diagnosekriterien nicht erf€ullenund dennoch an einem SLE leiden.

Klassifikationskriterien des SLE (American College of Rheumatology 1997)4 von 11 Kriterien reichen mit 96%iger Spezifit€at f€ur die Diagnose eines SLE.

1. Schmetterlingserythem: flaches oder erhabenes Erythem €uber den Wangen, in der Regel dieNasolabialfalten aussparend

2. Diskoide Hautver€anderungen: erythematöse, erhabene Effloreszenzen, die zum Teil hyperker-atotisch ver€andert sind und mit Narbenbildung abheilen können

3. Photosensibilit€at: Exanthem als Resultat einer ungewöhnlichen Reaktion auf Sonnenbe-strahlung, anamnestisch oder aufgrund einer €arztlichen Untersuchung nachgewiesen

4. Orale Ulzeration: Orale oder nasopharyngeale Ulzeration, zumeist schmerzlos, aufgrund€arztlicher Untersuchung nachgewiesen

5. Arthritis: Nichterosive Arthritis von mindestens zwei oder mehr peripheren Gelenken,charakterisiert durch Schmerzhaftigkeit, Schwellung oder Erguss

6. Serositisa. Pleuritis: €uberzeugende anamnestische Angabe pleuritischer Beschwerden oder pleuritischen

Reibens aufgrund €arztlicher Feststellung oderb. Perikarditis: dokumentiert durch EKG oder Ger€ausch oder Nachweis eines Perikardergusses

7. Nierenbeteiligung (Sektion XXI)8. Neurologische Beteiligung

a. Zerebrale Anf€alle bei Abwesenheit anderer Ursachen(Fortsetzung)

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b. Psychose bei Abwesenheit anderer Ursachen9. H€amatologische Manifestation

a. H€amolytische An€amie mit Retikulozytose oderb. Leukopenie von <4000/mm3 an zwei oder mehr Untersuchungstagen oderc. Thrombozytopenie von <150.000/mm3 bei Ausschluss anderer Ursachen

10. Immunologische Auff€alligkeitena. Anti-DNA-Antikörper oderb. Anti-Sm-Antikörper oderc. Antiphospholipidantikörper

11. Antinukle€are Antikörper

Zus€atzlich zu den bereits geschilderten klinischen Symptomen wird die Diagnostik des SLE durchgezielte Laboruntersuchungen erg€anzt. Insbesondere h€amatologische Befunde, wie h€amolytischeAn€amie, Leuko-, Lympho- und Thrombozytopenie, sind von Bedeutung. Differenzialdiagnostisch istdabei immer eine akute Leuk€amie abzugrenzen, die das klinische Bild des SLE imitieren kann. Diesystemische Form der juvenilen idiopathischen Arthritis (Morbus Still) geht meist mit einer Thrombo-zytose einher, zudem unterscheidet sich das stammbetonte Exanthem deutlich. Eine systemische Infek-tion ist immer auszuschließen; diese kann ebenfalls zahlreiche Symptome eines SLE imitieren, aber auchden Verlauf des SLE komplizieren. An unspezifischen Entz€undungsparametern ist die Blutsenkungsge-schwindigkeit meist stark beschleunigt, w€ahrend das C-reaktive-Protein h€aufig nicht oder nur geringerhöht ist; bei h€amolytischer An€amie ist der direkte Coombs-Test positiv, und aufgrund des hohen Anteilsan Retikulozyten findet sich eine relative Makrozytose. Die Erniedrigung der Komplementfaktoren C3und C4 korreliert h€aufig mit der Aktivit€at der Erkrankung (Ätiologie). Die Hypergammaglobulin€amie istAusdruck der polyklonalen B-Zell-Aktivierung.

Essenziell f€ur die Diagnostik ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen Zellkernbestandteile. Beifast allen Patienten findet man hochtitrig antinukle€are Antikörper (ANA); sollten diese nicht nachweisbarsein, sind Zweifel an der Diagnose berechtigt. Das Fluoreszenzmuster der ANA ist meist homogen undweist auf die Antikörper gegen native Doppelstrang-DNA hin, die bei >80 % der Patienten nachweisbarsind. Die Suche nach weiteren Antikörpern gegen sonstige extrahierbare Kernantigene (z. B. Sm,U1RNP, Histone, SS-A, SS-B) erg€anzt die Diagnostik.

Bei Hinweis auf eine Nierenbeteiligung ist eine Nierenbiopsie indiziert; die Einteilung der Schwere derVer€anderungen anhand der WHO-Klassifikation hat Konsequenzen f€ur die immunsuppressive Therapie.Bei Verdacht auf eine zerebrale Manifestation sollten EEG und eine kernspintomografische Darstellungdes Hirns als Basisdiagnostik erfolgen. Dem Nachweis eines Lupusantikoagulans sowie von Antikörperngegen Phospholipide kommt eine Bedeutung bei der Diagnose des sog. Antiphospholipidsyndroms zu(s unten).

Therapie Da der SLE eine chronische, €uber Jahre anhaltende Erkrankung ist, muss die Betreuung derPatienten auch auf die psychosozialen und emotionalen Bed€urfnisse eingehen und die Familie in dasBehandlungskonzept einschließen. Die kontinuierliche Versorgung des Patienten sollte durch denniedergelassenen Kinderarzt und die kinderrheumatologische Ambulanz in enger Abstimmung miteinem Kindernephrologen erfolgen. Die Information des Patienten und der Eltern €uber die Erkrankungsind wesentlich f€ur die Compliance und damit den Erfolg der Therapie, die h€aufig jahrelangeMedikamen-teneinnahme erfordert. Neben der Beherrschung der direkten Organkomplikationen ist das Ziel der

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Behandlung, dem Kind oder Jugendlichen einen normalen Alltag mit Schulbesuch, sozialen Kontaktenund körperlichen Aktivit€aten zu ermöglichen.

Die pharmakologische Therapie orientiert sich an den SLE-Therapiestudien erwachsener Patienten; f€urdas Kindesalter liegen keine kontrollierten Studien vor. Therapieprinzip ist die Immunsuppression.Kortikosteroide zeigen eine gute Wirksamkeit sowohl hinsichtlich der Organmanifestationen als auchder chronischen systemischen Entz€undungszeichen. Höhere Dosen als 0,5 mg Prednison/kg KG/Tag sindnur bei schweren Verl€aufen z. B. mit ZNS-Beteiligung oder schwerer diffus proliferativer Glomerulone-phritis einzusetzen (1–2 mg Prednison/kg KG/Tag in geteilten Dosen oder Pulstherapie von 10–30 mgMethylprednisolon/kg KG/Tag, maximal 1 g, intravenös f€ur 3 Tage unter station€arer Kontrolle). Diezahlreichen unerw€unschten Wirkungen einer hochdosierten Steroidapplikation €uber einen l€angerenZeitraum (z. B. Cushing-Syndrom, arterielle Hypertonie, Diabetes, Glaukom, Wachstumsretardierung)sind gegen€uber dem therapeutischen Nutzen abzuw€agen.

Da langfristig Kortikosteroide nur niedrig dosiert eingesetzt werden sollten, kommen steroidsparendeSubstanzen zum Einsatz. Hydroxychloroquin (5 mg/kg KG/Tag) zeigt nicht nur einen g€unstigen Effektauf kutane Symptome, sondern reduziert bei erwachsenen Patienten auch die Rezidivneigung undvermindert sowohl Langzeitsch€aden als auch die Mortalit€at der Erkrankung. OphthalmologischeKontrolluntersuchungen in halbj€ahrlichen Intervallen zum Ausschluss von Ver€anderungen der Retinasind hierbei erforderlich. Nichtsteroidale Antirheumatika (Naproxen, Indomethacin) können muskulo-skelettale Symptome und Fieber beeinflussen, die Einnahme muss unter Ber€ucksichtigung derpotenziellen Nephrotoxizit€at (Erniedrigung der glomerul€aren Filtrationsrate) erfolgen.

Bei Nierenbeteiligung oder sonstigem schwerem Verlauf wird der Einsatz weiterer Immunsuppressiva,wie Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycophenolatmofetil oder Ciclosporin A, erforder-lich. Azathioprin (2 mg/kg KG/Tag) hat in kontrollierten Studien an Erwachsenen Wirksamkeit gezeigt.Ausgehend von der erfolgreichen Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis mit Methotrexat(10 mg/m2 KOF/Woche) wird diese Substanz auch beim SLE eingesetzt. Azathioprin und Methotrexathaben unerw€unschte Wirkungen auf den Gastrointestinaltrakt, die Leber und die H€amatopoese. dasonkogene Potenzial erscheint vernachl€assigbar. Letzteres ist f€ur Cyclophosphamid eindeutig erhöht,ebenso das Risiko der gonadalen Sch€adigung und der Infertilit€at. Cyclophosphamid zeigte jedoch ineiner großen kontrollierten Studie bei Erwachsenen den g€unstigsten Langzeitverlauf bei der Behandlungder Lupusnephritis. Patienten, deren Nephritis auf die Kombinationstherapie von Kortikosteroiden undAzathioprin oder Kortikosteroiden und Methotrexat nicht anspricht, können mit monatlichenCyclophosphamid-Infusionen entsprechend dem NIH-Protokoll (s. weiterf€uhrende Literatur) behandeltwerden.

Möglicherweise wird k€unftig Mycophenolatmofetil eine st€arkere Bedeutung bei der Behandlung desSLE zukommen, da in kontrollierten Studien bei Erwachsenen mit schwerer Lupusnephritis sowohl dieRemissionsinduktion als auch der Remissionserhalt mit dieser Substanz im Vergleich zuCyclophosphamid €uberzeugend gelang. Damit w€are es evtl. möglich, die erhebliche Toxizit€at vonCyclophosphamid zu vermeiden.

Die Bedeutung von Ciclosporin A (3–5 mg/kg KG/Tag) bei der Behandlung des SLE ist noch nichtabzusch€atzen. Die Gabe von i.v.-Immunglobulinen scheint bei manchen Patienten zumindestvor€ubergehend hilfreich zu sein. Der Einsatz von Anti-CD20-Antikörpern (Rituximab), welche zueiner Depletion der B-Zellen f€uhren, zeigte in ersten kasuistischen Berichten auch bei KindernBehandlungserfolge, eine kontrollierte Studie bei Erwachsenen entt€auschte jedoch. Belimumab blockiertdas Zytokin B-lymphocyte stimulator (BLyS) und zeigte in einer kontrollierten Studie bei Erwachseneneinen therapeutischen Effekt auf die Aktivit€at des SLE.

Generell sollte bei der Behandlungsplanung ber€ucksichtigt werden, dass diese voraussichtlich €uberJahre erforderlich sein wird. Organmanifestationen m€ussen fr€uhzeitig erkannt werden, um diese abgestuft

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mittels Immunsuppression behandeln zu können. Außerdem ist nach unerw€unschten Wirkungen derverwendeten Substanzen zu fahnden. Wichtig ist zudem die konsequente Behandlung einer arteriellenHypertonie, die besonders bei Nierenbeteiligung auftritt. Die rasche Diagnose einer infektiösen Kompli-kation, die zunehmend mehr Patienten aufgrund der Immunsuppression erleiden, ist essenziell. Da diePatienten eine funktionelle Asplenie aufweisen können, ist eine Pneumokokken-Impfung angezeigt.

Die autologe Stammzelltransplantation ist bei einigen Patienten mit Erfolg durchgef€uhrt worden, sie istjedoch bisher mit einem relativ hohen Mortalit€atsrisiko vergesellschaftet, etwa zwei Drittel der Patientenerreichen eine Remission.

Prognose Die Prognose des SLE hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert. W€ahrend die5-Jahres-Überlebensrate in den 1960er-Jahren mit 20–30 % angegeben wurde, liegt sie inzwischen>90 % (10 Jahres Überlebensrate: 70 %). Dies ist zur€uckzuf€uhren auf verbesserte Fr€uhdiagnostik, denkonsequenten Einsatz der Immunsuppressiva und auf eine engmaschige Betreuung der Patienten zurErkennung von Komplikationen. Die erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit ist mit einer krankheits- undtherapiebedingten Immunsuppression verbunden, dementsprechend sind schwere, oft opportunistischeInfektionen die h€aufigste Todesursache. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass der SLE einevorzeitige Atherosklerose verursachen kann sowie dass langfristig das Risiko f€ur Non-HodgkinLymphome erhöht ist.

2 Sonderformen

2.1 Subakuter kutaner LEDer subakute kutane LE zeigt Hautver€anderungen im Gesicht oder am sonstigen Integument ohnesystemische Krankheitszeichen. Er ist h€aufig mit SS-A- oder SS-B-Antikörpern assoziiert. Überg€angezum SLE sind möglich. Die Hautbiopsie kann diagnostisch hilfreich sein. Die Behandlung mitHydroxychloroquin oder eine Lokaltherapie mit steroidhaltigen Salben ist meist ausreichend. Im Unter-schied zum SLE können Narben nach der Abheilung der Hautver€anderungen zur€uckbleiben.

2.2 Medikamenteninduzierter LEVerschiedene Medikamente, z. B. Hydralazin, Penicilline, Antikonvulsiva und orale Antikonzeptiva,können einen medikamenteninduzierten LE auslösen. Meist handelt es sich hierbei um einen vorwiegendkutanen Befall, der nach Absetzen des Medikaments abklingt. Komplikationen sind selten, Hydroxy-chloroquin kann zur Therapie eingesetzt werden. ANA sind h€aufig nachweisbar, die Spezifit€at dieserAntikörper richtet sich h€aufig gegen Histone.

2.3 Neonataler LEVon der Mutter, deren SLE bekannt oder unbekannt ist, werden diaplazentar Autoantikörper €ubertragen,die einen neonatalen LE verursachen können. Praktisch alle Symptome wie Exanthem, Leukozytopenie,Thrombozytopenie und h€amolytische An€amie mit Ausnahme der kardialen Symptome sindvor€ubergehend, und selten ist die Verabreichung von Kortikosteroiden erforderlich.

Die kardiale Beteiligung in Form eines kompletten AV-Blocks ist insgesamt selten und tritt h€aufigassoziiert auf mit dem Nachweis von Anti-Ro- oder Anti-La-Antikörpern bei der Mutter. Ro-Antigenesind auf der Oberfl€ache fetaler, aber nicht maternaler Myozyten exponiert. Bei einem Neugeborenen mitAV-Block sollte daher bei der Mutter ein SLE ausgeschlossen werden. Wird ein AV-Block bereitspr€apartal diagnostiziert, ist die Verabreichung von Dexamethason an die Mutter evtl. hilfreich. Die

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Prognose f€ur Kinder, bei denen bereits intrauterin ein Herzblock auftritt, ist durch eine hohe Mortalit€at(43 %) getr€ubt, demgegen€uber liegt die Mortalit€at bei neonatalem Auftreten bei 6 %.

2.4 Sekund€ares AntiphospholipidsyndromPatienten, die im Verlauf eines SLE Antikörpern gegen Phospholipide oder das Lupusantikoagulansentwickeln, haben ein deutlich erhöhtes Risiko f€ur arterielle und venöse Thrombosen. Patienten, die eineThrombose erlitten haben, sollen zun€achst mit Heparin und dann f€ur mindestens 6 Monate mitCumarinderivaten behandelt werden. Der alleinige Nachweis von Antiphospholipidantikörpernrechtfertigt keine Antikoagulation.

3 Seltene rheumatische Erkrankungen

3.1 Mixed connective tissue diseaseDie „mixed connective tissue disease“ (MCTD), nach dem Erstbeschreiber auch Sharp-Syndrom genannt,ist gekennzeichnet durch eine €uberlappende Symptomatik mit Elementen des SLE, der Dermatomyositis/Polymyositis und der systemischen Sklerodermie. Serologisch findet man bei der MCTD Autoantiköpergegen ein extrahierbares nukle€ares Antigen (RNP). Kutane Symptome, die einen SLE oder eine Dermato-myositis/Polymyositis nachahmen, sind initial h€aufig nachweisbar. Fast immer bestehen eine Arthritisund ein Raynaud-Ph€anomen. Eine Nierenbeteiligung ist selten, und im Verlauf der Erkrankung wandeltsich das klinische Bild mehr zur systemischen Sklerodermie.

Die Prognose der Erkrankung ist ung€unstiger als urspr€unglich angenommen. Die Therapie richtet sichnach der f€uhrenden Symptomatik entsprechend den Empfehlungen zur Behandlung von SLE, Dermato-myositis/Polymyositis oder systemischen Sklerodermie.

3.2 Sjögren-SyndromDas Sjögren-Syndrom ist eine seltene systemische Erkrankung des Kindesalters, die durch rezidivierendeParotisschwellungen, Keratoconjunctivitis sicca und Xerostomie (kein Tr€anenfluss und trockener Mund)gekennzeichnet ist. Der Beginn ist meist schleichend, etwa die H€alfte der Patienten zeigen zudemSymptome einer weiteren Autoimmunerkrankung, insbesondere des systemischen Lupus erythematodes.Typisch f€ur das Sjögren-Syndrom ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen bestimmte extrahierbarenukle€are Antikörper (SS-A oder SS-B). Alle Patienten weisen antinukle€are Antikörper (ANA) zumeistmit einem gescheckten Fluoreszenzmuster auf. Histopathologisch besteht eine lymphozyt€are Infiltrationder betroffenen Organe.

Die Behandlung ist symptomatisch f€ur die Sicca-Komponente und analog der Behandlung des SLE f€ursystemische Manifestationen.

3.3 Eosinophile FasziitisDie eosinophile Fasziitis ist eine seltene Erkrankung, die durch eine Eosinophilie, eine diffuse Fasziitisund schmerzhafte Schwellung der Haut ohne viszerale Beteiligung gekennzeichnet ist. Die Fasziitis kannrasch zu Kontrakturen der Extremit€atengelenke f€uhren, die nicht durch eine Arthritis bedingt sind.Sklerose und atrophische Ver€anderungen der Haut treten in der Regel nicht auf. Typisch ist das guteAnsprechen der Ver€anderungen auf die Verabreichung von Steroiden.

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