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Suger von Saint-Denis (Untersuchungen zu seinen Schriften Ordinatio - De consecratione - De...

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Zusammenfassung "Ein neues Sugerbild ?" - so fragt A.Speer in seinem Einleitungs-Essay 1 zur Studien- ausgabe im Jahre 2000. Prinzipielle Zweifel an der dominierenden Bedeutung des Cor- pus Dionysiacum, insbesondere der Schrift De caelesti hierarchia, für Sugers Leistungen in Bau und Ausstattung seiner Abteikirche sowie für deren Beschreibung sind schon lange vorgetragen worden 2 . Was gibt es also Neues zu sagen über den Abt von Saint- Denis ? Sugers Schriften handeln nicht von neuplatonischer Philosophie und deren Anwen- dung auf Architektur und Sakralkunst, sondern bezeugen den Dienst an einem Heili- gen, der als Gallienapostel und Märtyrer verehrt wird. Sie vermitteln kein neuartiges Kunstkonzept, sondern stehen in einem Geflecht von Beziehungen zu verschiedenen Texten, zu denen neben den Werken des so genannten Dionysius Areopagita zahlrei- che Schriften anderer Autoren zählen. Die Auswahl, nach der Suger die Früchte seiner breit gefächerten Lektüre in seine Ausführungen einbringt, ist bestimmt durch sein Anliegen: er will den hl. Dionysius als Patron des Reiches verstanden wissen und die schon lange bestehende Beziehung zwischen der Abtei und dem Königtum festigend ausgestalten. Die wichtigste Leistung des Heiligen, sein Martyrium, gewinnt in Ver- bindung mit seiner Missionstätigkeit in Gallien die Funktion einer Heilstat für das Reich. Die Kirche, in der seine Reliquien beigesetzt sind, soll der kultische Mittel- punkt des Reiches sein; sie ist zugleich der zentrale Ort der zugehörigen Abtei. Als bevorzugte Grablege der Kapetinger und als Aufbewahrungsort der Krönungsinsigni- en befindet sie sich in enger Verbindung mit dem König. Dem Rang des hl. Dionysius und seiner Abtei widmet Suger seine Kräfte. Seine auf die Abtei bezogenen Schriften - die Ordinatio, De consecratione und De administratione - sind Zeugnisse und zugleich Instrumente dieses Bestrebens; dabei lassen sie in exemplarischer Weise erkennen, wie ein belesener Benediktinerabt des 12. Jahrhunderts, der durch seine exponierte Stel- lung im Kontakt mit bedeutenden Zeitgenossen steht und auf seinen Reisen Gelegen- heit hat, schriftliche Traditionen anderer geistlicher Zentren kennenzulernen, ein breites Spektrum unterschiedlicher Texte in seinen Schriften reflektiert. Sugers Rück- griff auf solche Lesefrüchte gibt wichtige Aufschlüsse über seine Intentionen, zu denen auch die Stilisierung der eigenen Rolle als Abt von Saint-Denis gehört. Bereits 827 hatte der Kaiser von Konstantinopel Ludwig dem Frommen ein Exemplar der Werke des Dionysius Areopagita überlassen 3 ; dieses Exemplar wurde nach Saint- Denis gebracht, und Abt Hilduin wurde mit der Ubersetzung beauftragt. Die lateini- sche Version ist vollständig erhalten; bereits 860 machte Johannes Scotus das griechi- sche Exemplar zur Grundlage seiner neuen Ubersetzung, die er anschließend ausführ- lich kommentierte. 1 A. Speer, Abt Sugers Schriften zur fränkischen Königsabtei Saint-Denis, in: Speer /Binding (2000), p.61 2 z.B. von P. Kidson, Panofsky, Suger and St Denis, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 50 (1987), p. 1-17 3 J. Stiglmayr, Des heiligen Dionysius Areopagita angebliche Schriften über die beiden Hier- archien. Aus dem Griechischen übers, v. J. Stiglmayr, Kempten - München 1911 (Bibliothek der Kirchenväter), Einleitung, p.XIII Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 12/16/13 12:47 AM
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Zusammenfassung

"Ein neues Sugerbild ?" - so fragt A.Speer in seinem Einleitungs-Essay1 zur Studien-ausgabe im Jahre 2000. Prinzipielle Zweifel an der dominierenden Bedeutung des Cor-pus Dionysiacum, insbesondere der Schrift De caelesti hierarchia, für Sugers Leistungen in Bau und Ausstattung seiner Abteikirche sowie für deren Beschreibung sind schon lange vorgetragen worden2. Was gibt es also Neues zu sagen über den Abt von Saint-Denis ? Sugers Schriften handeln nicht von neuplatonischer Philosophie und deren Anwen-dung auf Architektur und Sakralkunst, sondern bezeugen den Dienst an einem Heili-gen, der als Gallienapostel und Märtyrer verehrt wird. Sie vermitteln kein neuartiges Kunstkonzept, sondern stehen in einem Geflecht von Beziehungen zu verschiedenen Texten, zu denen neben den Werken des so genannten Dionysius Areopagita zahlrei-che Schriften anderer Autoren zählen. Die Auswahl, nach der Suger die Früchte seiner breit gefächerten Lektüre in seine Ausführungen einbringt, ist bestimmt durch sein Anliegen: er will den hl. Dionysius als Patron des Reiches verstanden wissen und die schon lange bestehende Beziehung zwischen der Abtei und dem Königtum festigend ausgestalten. Die wichtigste Leistung des Heiligen, sein Martyrium, gewinnt in Ver-bindung mit seiner Missionstätigkeit in Gallien die Funktion einer Heilstat für das Reich. Die Kirche, in der seine Reliquien beigesetzt sind, soll der kultische Mittel-punkt des Reiches sein; sie ist zugleich der zentrale Ort der zugehörigen Abtei. Als bevorzugte Grablege der Kapetinger und als Aufbewahrungsort der Krönungsinsigni-en befindet sie sich in enger Verbindung mit dem König. Dem Rang des hl. Dionysius und seiner Abtei widmet Suger seine Kräfte. Seine auf die Abtei bezogenen Schriften -die Ordinatio, De consecratione und De administratione - sind Zeugnisse und zugleich Instrumente dieses Bestrebens; dabei lassen sie in exemplarischer Weise erkennen, wie ein belesener Benediktinerabt des 12. Jahrhunderts, der durch seine exponierte Stel-lung im Kontakt mit bedeutenden Zeitgenossen steht und auf seinen Reisen Gelegen-heit hat, schriftliche Traditionen anderer geistlicher Zentren kennenzulernen, ein breites Spektrum unterschiedlicher Texte in seinen Schriften reflektiert. Sugers Rück-griff auf solche Lesefrüchte gibt wichtige Aufschlüsse über seine Intentionen, zu denen auch die Stilisierung der eigenen Rolle als Abt von Saint-Denis gehört. Bereits 827 hatte der Kaiser von Konstantinopel Ludwig dem Frommen ein Exemplar der Werke des Dionysius Areopagita überlassen3; dieses Exemplar wurde nach Saint-Denis gebracht, und Abt Hilduin wurde mit der Ubersetzung beauftragt. Die lateini-sche Version ist vollständig erhalten; bereits 860 machte Johannes Scotus das griechi-sche Exemplar zur Grundlage seiner neuen Ubersetzung, die er anschließend ausführ-lich kommentierte.

1 A. Speer, Abt Sugers Schriften zur fränkischen Königsabtei Saint-Denis, in: Speer /Binding (2000), p.61 2 z.B. von P. Kidson, Panofsky, Suger and St Denis, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 50 (1987), p. 1-17 3 J . Stiglmayr, Des heiligen Dionysius Areopagita angebliche Schriften über die beiden Hier-archien. Aus dem Griechischen übers, v. J . Stiglmayr, Kempten - München 1911 (Bibliothek der Kirchenväter), Einleitung, p.XIII

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Dass Suger diese beiden Übersetzungen und den Kommentar kannte, zeigt seine Übernahme einiger charakteristischer Wendungen4. Dabei lässt sich nicht entscheiden, ob er einer der beiden Fassungen den Vorzug gab; das Verhältnis von Abweichungen und Übereinstimmungen ist gegenüber beiden Versionen gleich. Die Übernahme er-streckt sich jedoch lediglich auf verbale Anklänge; Suger löst die mit Hilduin oder Io-hannes Scotus übereinstimmenden Wendungen aus ihrem ursprünglichen Zusammen-hang und verwendet sie im Sinne seiner eigenen Vorstellungen. Deutlich wird dies z.B., wenn Hilduin den Begriff substantia für die in hierarchischer Ordnung5 zwischen Gott und den Menschen stehenden himmlischen Wesen verwendet6, während Suger damit die Beschaffenheit der Cherubim und Seraphim im Unterschied zu der der Menschen bezeichnet7, nicht aber diese Engel selbst. Sugers spezifischer Umgang mit dem Text des Dionysius Areopagita erweist sich gerade da, wo scheinbar die Nähe zur Diktion von De caelesti hierarchia besonders greifbar ist, beispielsweise in der Periko-pe, in der Suger über die Eigenschaften der Edelsteine am "Escrin de Charlemagne" spricht - diesen Abschnitt haben wir als Meditationsperikope8 bezeichnet. Suger for-muliert zwar zunächst in Anlehnung an eine Stelle in De caelesti hierarchia, lässt je-doch mit dem Schlüsselwort meditatio erkennen, dass seine eigentliche Quelle Johan-nes Cassianus ist9, dessen Conlationes zum Grundbestand des monastischen Lektüre-kanons gehören10. Der meditatio, dem ständigen Nachsinnen über die Heilige Schrift, kommt, wie Cassian ausführt, die Aufgabe zu, den Menschen zur Schau der künftigen Welt zu erheben. Dieses Nachsinnen gehört zu den wichtigsten geistlichen Übungen des Mönchs; es leitet dazu an, die Bibel in der Exegese nach dem vierfachen Schriftsinnn zu erschließen. In diesen Zusammenhang gehört auch das Wort anagogi-cus, mit dem Suger im Anschluss an Cassian eine der Sinnschichten des sensus spiritua-lis meint": er versteht darunter jene Perspektive, die der Bibel Ausblicke auf das Ewi-ge Leben entnimmt. Diese Zukunftspannung auf das Künftige hin ist bei Dionysius Areopagita nicht gegeben, wenn er das Wort anagogicus verwendet; in seinen Ausfüh-rungen ist damit lediglich die Fähigkeit der sinnlichen Eindrücke gemeint12, eine hö-

4 So ist z.B. die Parallele zwischen De caelesti hierarchia, sec. Iohannem Scotum p.l021,col.2 -aeris et electri et lapidwn multicolorem speciem - und adm 224,1016s multicolor gemmarum spe-ciositas nicht zu übersehen, doch fällt schon hier Sugers Abwandlung durch das Wor t speciosi-tas statt species auf 5 Zu den neuplatonischen Voraussetzungen des Dionysius Areopagita s. oben in Kap. 1.3, p.57 6 De caelesti hierarchia sec. Hilduinum, p. 1021 col.2 sed et aeris et electri et lapidum multico-lorum species theologia caelestihus substantiis circumponit 7 adm 234,1049 Si de sanctorum Cherubim et Seraphim substantia nova creatione nostra mutare-tur. 8 adm 224,1016-1023 Hierzu ausführlich Kap. 1.1 9 Die fundamentale Rolle, die die meditatio für das Streben nach der Nähe Gottes im Gebet hat, beschreibt Cassian in den Conlationes; s. hierzu Kap. 1.1, bes. p. 22 mit Zitat aus coni 9,4 CSEL 13. 10 In Saint-Denis waren sie Bestandteil der abendlichen Lesungen, cf. D. Ph. Schmitz, Les lec-tures du soir à l'abbaye de Saint-Denis au Xlle siècle, RB 44 (1932) p.147-149 11 Cassian, coni. 14,8; s. oben p.32s. 12 De caelesti hierarchia, p. 733,col. 1 sec.Hilduinum:Wdm necpossibile est aliter nobis supersplen-dere dei principalem radium, nisi varietate sacro velamine anagogice cooperta..; sec. Iohannes

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here Wahrheit zu vermitteln. Dagegen wird in der z.B. bei Cassian entfalteten Exegese nach dem vierfachen Schriftsinn der Begriff sensus anagogicus in Unterscheidung vom sensus historiens, allegoricus oder tropologicus gebraucht und zielt auf den Ausblick in die kommende Welt13. Cassians grundlegende Aussagen zur Schriftdeutung und zur Meditatio prägen über den erwähnten Zusammenhang hinaus Sugers Schriften und die Anlage mehrerer Bildprogramme auf den besonders kostbaren Stücken seiner orna-menta ecclesiae. Während Dionysius Areopagita das Licht als eine dem schwachen menschlichen Er-kenntnisvermögen angemessene Offenbarungsform beschreibt, die in unterschiedli-chen Stufungen dem Menschen zugänglich wird 14, spricht Suger über Licht15 entweder im Sinne einer realen Erfahrung, die als positives Ergebnis seiner Umbaumaßnahme hervorgehoben wird - dies geschieht z.B. in seinem Weiheepigramm von 114416 in der Wendung et quod perfundit lux nova, claret opus -, oder im Sinne einer Metapher, mit der er im Singular auf Christus, im Plural auf die Märtyrer verweist - wie in der Versinschrift für die valvae principales; dort heißt es: ut eant per lumina vera / ad ver-um lumen, ubi Christus ianua vera17. Zur Ausstattung der Kirche verwendet Suger eine Fülle von Gold und Edelsteinen. Während Dionysius Areopagita auf die Bedeutungs-haltigkeit der Materialien im Zusammenhang mit ihrer Lichtwirkung18 abhebt, hat das Gold bei Suger eine andere Funktion: es dient nicht als glänzendes Material der Er-kenntnisvermittlung, sondern wird in Ehrfurcht vor dem Gegenstand der Darstellung gewählt19. Auch die Edelsteine sind nicht an sich bedeutungshaltig, sondern wiederho-len in Auswahl und Anordnung biblische Vorgaben20 und gewinnen dadurch ebenso wie durch ihre Seltenheit21 ihren Rang. Nach der Lehre des Dionysius Areopagita stehen zwischen Gott und den Menschen die Engel22, die in Hierarchien geordnet sind und gemäß den unterschiedlichen Gra-

Scotum: Etenim neque possibile est aliter lucere nobis divinum radium, nisi varietate sacrorum velaminum anagogice circumvelatum... " cf. F. Ohly: Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: id., Schriften zur mittelalter-lichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, p.1-31, hier p. 14: "Und schließlich nach seiner Aussage über die im Jenseits sich erfüllenden Verheißungen befragt, enthüllt sich des Wortes anagogischer, in den Himmel hinaufführender eschatologischer Sinn." 14 cf. Himmlische Hierarchie, Kap. III, aus d. Griech. übs. v. J. Stiglmayr, op. cit., p. 17-23 15 s. hierzu Kap. 1.2 16adm 181,819 17 adm 174,779s. 18 De caelesti hierarchia, sec. Iohannem Scotum p.1021 col.2: Ipsa enim aeris et electri et lapi-dum multicolorem speciem theologia caelestibus essentiis circumponit, ... Et per singulas species inventes anagogicam typicarum imaginum diiudicationem; ausführlich s. oben Kap.I.l, p.29s. 19 Aufschlussreich sind hier Sugers Ausführungen für das kostbare Material des großen Kruzi-fix, adm 203,918. 20 adm 223, 1012ss De quorum numero preter solum carbunculum nullum deesse, immo copiosis-sime habundare gemmarum proprietatem cognoscentibus cum summa ammiratione claret. 21 adm 206,933 raritas enim eas cariores facit 22 s. hierzu Kap. 1.3

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den der Erleuchtung an der Weitergabe der Offenbarung Anteil haben23. Suger gibt in seinen Schriften nicht zu erkennen, dass für ihn diese Lehre bestimmend ist; die Engel verdienen seine Verehrung, die ihnen ähnlich wie den Heiligen auch an eigenen Altä-ren erwiesen wird24. Mittler zwischen Gott und den Menschen sind für ihn jedoch vor allem die Heiligen, die er als Personen begreift und die er um Fürsprache anruft25. In Gestalt ihrer Reliquien sind sie in seiner Kirche greifbar zugegen; ihre Heiligkeit geht auf ein meritum zurück, um dessentwillen Gott auch denjenigen begünstigt, der die Heiligen verehrt26. Heilige dieser Art, speziell Märtyrer, kennt Dionysius Areopagita nicht; auch den Begriff reliquiae verwendet er nicht. Diese wichtigen Unterschiede zwischen der Lehre des Dionysius Areopagita und Su-gers Auffassungen, die seinen Schriften zu entnehmen sind, stehen im Gegensatz zu der Auffassung, dass Suger sich die Philosophie den Dionysius Areopagita angeeignet und sie zur Grundlage seines Baus gemacht habe. Ebenso besteht Anlass zu bezwei-feln, dass er den Patron seines Klosters in seiner Eigenschaft als Verfasser des Corpus Dionysiacum verehrt habe - die ältere Forschung legte großes Gewicht auf die dreifa-che Identifizierung des hl. Dionysius, die den in der Apostelgeschichte erwähnten Schüler des Apostels Paulus, den Verfasser der philosophisch-theologischen Schrift De caelesti hierarchia und den Märtyrerbischof von Paris zu einer einzigen Person ver-schmolz27. Sugers Interesse richtet sich jedoch ausschließlich auf die Tatsache, dass der Patron seines Klosters gemeinsam mit seinen Gefährten Rusticus und Eleutherius das Martyrium erlitt. Entsprechend übernimmt er aus den hagiographischen und liturgi-schen Traditionen nur diejenigen Aussagen, die seiner Intention enstprechen28. Abt Hilduin von Saint-Denis hatte im neunten Jahrhundert eine Passio sancii Dionysii29 verfasst, die Sugers wichtigste Quelle für seine Kenntnisse über Leben und Sterben seines Heiligen darstellt. Wörtliche Zitate, teilweise in größerem Umfang30, belegen seine Vertrautheit mit dem Text. Vor diesem Hintergrund heben sich einige signifikante Änderungen deutlich ab. Während Hilduin die Begegnung des Dionysius mit dem Apostel Paulus und die nach der Bekehrung verfassten Schriften des Areopa-giten hervorhebt, schweigt Suger darüber; nach der Schilderung des Martyriums, die

23 z.B. De caelesti hierarchia, sec. Iohannem Scotum, p.730, col.2 Et principalem et superprinci-palem divini patris claritatem, quae angelorum nobis in fìguris symbolis manifestai beatísimas hierarchias..·, cf. ferner Kap.III, aus d.Griech. übs. von J. Stiglmayr, wie Anm.13 24 cf. cons 43,249ss 25 adm 191,858ss .;adm 197,881.s 26 cons 20,147ss; 69,426s 27 So hatte Abt Hilduin den Heiligen dargestellt: Hilduin von Saint-Denis, Passio sancti Diony-sii, PL 106, cap.Vss Bekehrung des Dionysius durch Paulus; cap.IX-XVI schriftstellerische Tä-tigkeit des Dionysius; dabei cap.XIX Missionsauftrag; cap. XXIV Verfolgung des Dionysius und seiner Gefährten, cap.XXVII-XXXI Martyrium; s. auch Hilduins Darlegungen in seinem Schreiben an Ludwig den Frommen, PL 106, 13 C - 24 C, bes. 15 D, 16 B-D, 18 A-D; 28 s. hierzu Kap. II.l 29 Passio s. Dionysii, BHL 2175; Inc.: Post beatam ac salutiferam Domini nostri Iesu Christi pas-sionem, PL 106, 23 D- 50 C 30 z.B. ist cons 90,559s wörtlich zitiert nach Hilduins Passio, cap. XXIX (PI 106,45 C); die Schilderung des Martyriums, cons 89,552ss, übernimmt zahlreiche Details wörtlich aus der Passio, s. ausführlich oben, Kap.II.2, p.62

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Suger ausführlich zitiert31, berichtet Hilduin über die Initiative der Catulla32, die eine erste Kirche der drei Märtyrer baut - Suger geht darauf ebensowenig ein wie etwa auf die in der Vita Genovefae geschilderte Geschichte vom abermaligen Bau einer Kirche für die Heiligen33. Er zeichnet vielmehr eine Kontinuität der Dionysius-Verehrung, die bei König Dagobert ihren Anfang nimmt und in der die Umgestaltung der Kirche dem Anwachsen der Pilgerströme Rechnung trägt34. Das Bild des hl. Dionysius, wie es sich in der Hymnen- und Sequenzdichtung ergibt35, stimmt im Wesentlichen mit Hil-duins Darstellung überein; inhaltlich zeigt sich kein über Hilduin hinausgehender Ein-fluss auf Sugers Sicht seines Klosterpatrons. Spricht Suger ausführlicher über seinen Heiligen36, so erwähnt er nur dessen Martyri-um, nie jedoch das Bischofsamt in Athen oder die Verfassung theologischer Schriften. Häufig erwähnt er den hl. Dionysius zusammen mit seinen beiden Gefährten oder spricht ohne namentliche Nennung von den martyres·, die Missionstätigkeit in Gallien hebt er mit dem Begriff apostolus hervor. Der heilige Dionysius ist für ihn zugleich auch protector und patronus37. Durch die Wahl der Begriffe patronus und apostolus beansprucht Suger für den hl. Dionysius einen Rang, den seit Jahrhunderten der hl. Martin38 und der hl. Remigius39

inne hatten und den im elften Jahrhundert Ademar von Chabannes für den hl. Martia-lis zu sichern bemüht war40. Suger befindet sich damit in einem spannungsvollen Ver-hältnis zum Kult dieser Heiligen. Den hl. Martinus verehrte er selbst sehr; dessen Grab in Tours suchte er mehrmals auf41. Die Verehrung, die der hl. Martin schon frühzeitig erfuhr und die jahrhundertelang beständig zunahm42, hat Suger sichtlich be-eindruckt; wichtige Texte, die diese Verehrung bezeugen und sie zugleich gefördert

31 cons 89,550-90,560; cf. Hilduin, Passio, Cap.XXIV-XXVIII 32 Passio, cap. XXXIV 33 zur Problematik der Quellen, die die Kultgeschichte beleuchten, M. Buchner, Zur Entste-hung und zur Tendenz der "Gesta Dagoberti". Zugleich ein Beitrag zum Eigenkirchenwesen im Frankenreiche, HJ 47/1927 p.252-274; M. Heinzelmann/J.-C. Poulin, Les Vies anciennes de sainte Geneviève de Paris, Etudes critiques, Paris 1986; J. van der Meulen /A. Speer, Die fränkische Königsabtei Saint-Denis. Ostanlage und Kultgeschichte, Darmstadt 1988, pl23-147 34 cons 8,59-13,114 35 Das Leben des Heiligen wird geschildert in den Hymnen Coeli cives, adplaudite (AH 51,p.176) und Fortem fidelem militem (AH 19,p.119) - Hilduin hatte behauptet, es handele sich um Werke des Eugenius von Toledo und des Venantius Fortunatus - sowie in der Sequenz Carmen lire resonemus, deren Neu-Edition E. Könsgen 1990 vorlegte (E. Könsgen, "Carmen lire resonemus". Fragment einer Sequenz mit doppeltem Cursus, in: E. Könsgen (Hrsg.), Ar-bor amoena comis. 25 Jahre Mittellateinisches Seminar in Bonn, 1965-1990. Stuttgart 1990, p.91-99 36 Zur Wahl der Benennungen für den hl. Dionysius und den Folgerungen daraus s. Kap. II.2 37 cons 88,547 dominum et apostolum et protectorem nostrum hue afferre adiuva; 92,563ss lecti-cam argenteam specialis patroni 3! dazu Kap. III. 1 39 dazu Kap. III.2 40 dazu Kap. III.3 41 L. Grant, Abbot Suger p.260 42 E. Ewig, Der Martinskult im Frühmittelalter, in: E. Ewig, Spätantikes und fränkisches Gal-lien. Gesammelte Schriften (1952-1973), hg. v. H. Atsma, München 1979

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haben, hat er respektvoll rezipiert. Dabei entlehnt er Gedanken und Formulierungen, die er aus dem jeweiligen Kontext isoliert und in den Zusammenhang seiner eigenen Schriften einbringt. So übernimmt Suger die überhöhende Darstellung der Verbindung von altem und neuem Bauteil aus dem Brief 32 des Paulinus von Nola. Paulinus hatte darin seinem Freund Sulpicius Severus mehrere Epigramme als tituli für die bildlichen Martinsdar-stellungen seiner Taufkapelle in Primuliacum angeboten; die Lage der Taufkapelle motiviert in einem der dort überlieferten Gedichte eine Reflexion über die Verbin-dung der Gebäudeteile43, die die in der Gnade Christi begründete Zusammengehörig-keit des Alten und Neuen Testaments widerspiegelt. Losgelöst von der Martinus-Thematik entnimmt Suger dem Brief die Diktion, mit der die wechselseitige Bezogen-heit der Bauteile beschrieben wird, für sein Weiheepigramm44, um an anderer Stelle, in den tituli für die Fenster, die Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament mit weiteren Anklängen an die Verse des Paulinus wieder aufzunehmen45. Die Wahl des elegischen Distichons unterstreicht den Bezug auf das spätantike Vorbild; ein frühes Zeugnis der Martinsverehrung wird so zum formalen Modell für Versinschriften, mit denen Suger die Kirche seines Heiligen ausstattet und die Einheit als Ergebis seiner Baumaßnahme betont. Entschiedenen Aufschwung erfuhr der Martinskult durch das Wirken des Bischofs Perpetuus von Tours, auf den auch die Anlage einer Sammlung von Inschriften für die Cella in Marmoutier sowie für die neu erbaute Martinsbasilika zurückgeht. Aus dieser Sammlung, der so genannten Sylloge epigraphica de sancto Martino, übernimmt Suger einige Motive, vor allem aber die in ihrer Anlage vorgegebene Funktion, den Leser mit Hilfe der Inschriften durch die Kirche zu leiten46. Ferner belegen Anklänge an die Vita sancti Martini, die Venantius Fortunatus verfasste47, Sugers Kenntnis von Texten, die der Ehre des hl. Martin dienten. Während Suger gegenüber dem Schrifttum zur Martinsverehrung eine respektvoll imi-tierende Haltung einnimmt, steht er mit seinen Ansprüchen für seinen Heiligen und die ihm geweihte Abtei in einem klaren Konkurrenzverhältnis zur Abtei Saint-Remi in Reims, deren Mönche die Ampulle mit dem heiligen Ol hüteten, das zur Salbung

43 Zur spirituellen Überhöhung der baulichen Kohärenz: Paulinus Nolanus, Epistulae (CSEL 29) ep.32,5: cf. cons 20,136ss., adm 183,837 44 ep. 32,15,8s. - cf. adm 181,818 45 adm 273,1206s. 46 L. Pietri, Les Tituli de la basilique Saint-Martin édifié à Tours par l'évêque Perpetuus (3e quart du Ve siècle), in: Mélanges d'histoire ancienne offerts à William Seston (Publications de la Sorbonne, Série "Études",tome 9), Paris 1974, p.419-431; F. J. Gilardi, The Sylloge epi-graphica de S. .Martino. Diss. Washington,D.C. 1983, p.40-53 47 Vita sancti Martini. (Venantius Fortunatus, Opera poetica. MGH A A IV,1) 1,26; die hier gewählten Formulierungen vermitteln eben jenes Bild geistiger und spiritueller Trägheit, zu deren Uberwindung Sugers Türinschrift einladen will (adm 174,782) cf. Vita s.Martini 1,492: hier geht es um den Leprakranken, den Martin vor den Toren von Paris heilt - der Erfolg der Heilung wird wenige Verse später beschrieben mit den Worten: mersa figura redit - die Wie-derherstellung des heilen Zustandes wird - wie später in Sugers Türversen - im Bild des Auf-tauchens erfasst. Weitere Parallelen: Vita s.Martini 1,57s. - adm 248,1107; Vita s.Martini 1,307 -adm 197,882; ausführlich hierzu oben p.85

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der Könige bei der Königsweihe verwendet wurde48. Diese Rivalität spiegelt sich in seiner Rezeption eines Berichtes über die Weihe der neuen Remigiuskirche, die Trans-lation des hl. Remigius und die Synode zu Reims im Jahre 1049, den der Mönch An-selm von Saint-Remi verfasste4': diesen Bericht will Suger mit seiner Schrift De con-scratione überbieten. Die lineare Darstellung der Baugeschichte, die vollständig in sei-ner Hand bleibt, hebt sich positiv von der wechselvollen Geschichte der Kirche Saint-Remi ab; die Schilderung der Feierlichkeiten bleibt in Saint-Denis auf den Klosterpa-tron konzentriert, statt, wie in Reims, durch Einzelheiten über den Papstbesuch und die Synode an Konzentration zu verlieren; die Würde des Geschehens wird in Saint-Denis durch vorausschauend getroffene Maßnahmen zur Regulation des Volksan-drangs gewahrt, bei denen der König eine wichtige Aufgabe übernimmt; bei der Translation selbst kommt dem König eine ehrenvolle Rolle zu. Die Schriften Ademars von Chabannes illustrieren das Bemühen, einem Ortsheiligen überregionalen Rang zu sichern. Enthusiastische Reliquienverehrung, prächtiger Kir-chenschmuck50 und großartige Prozessionen sind Elemente51, die Suger mit Ademar teilt; vor dem Hintergrund dieser Gemeinsamkeiten treten signifikante Unterschiede hervor: wo Ademar sich zu kühnen Behauptungen versteigt52, um die Dignität seines Heiligen durch sein angebliches Apostolat zu untermauern, spart Suger kritische Fra-gen - etwa nach dem Bischofsamt des Dionysius - sorgsam aus und verwendet den Be-griff apostolus lediglich in allgemeiner Bedeutung, etwa wie "mit der Missionierung beauftragt". Die Würde des hl. Dionysius beruht auf seinem Martyrium, das keinen weiteren Nachweis der Ehrwürdigkeit nötig macht. Die Verehrung des hl. Martialis ist zugleich verknüpft mit der Gottesfriedensbewegung: Durch die feierliche Transla-tion des Heiligen im Rahmen des Friedenskonzils zu Limoges im Jahre 994 wird dem hl. Martialis die Rolle der Friedenssicherung zugewiesen53; die zunehmenden Privat-kriege des Adels und seine Ubergriffe auf das Kirchengut54 hatten zu dem Bedürfnis geführt, den Heiligen als Garanten des Friedens anzurufen und in seiner Gegenwart ein pactum pads zu besiegeln. Auf die berühmte Translation geht Ademar in einigen Sermones ein55. Das Anliegen des Friedens ist ebenfalls bestimmend in einer Kirch-

48 A. Poensgen, Geschichtskonstruktionen des frühen Mittelalters zur Legitimierung kirchli-cher Ansprüche in Metz, Reims und Trier. (Diss.Marburg 1971) Marburg 1973,p.87 45 Anselmus monachus s.Remigii Remensis, Historia dedicationis ecclesiae sancii Remigii, PL 142,1415 C-1440 C; ausführlich oben Kap.III.2 p.88s. 50 Ademar, Commemoratio abbatum, PL 141,82 D/83 A. 51 s. etwa die Ausführungen Ademars, als er berichtet, wie in Saint-Jean-d'Angély das Haupt Johannes des Täufers gezeigt wird und eine Prozession mit den Reliquien des hl. Martialis dorthin stattfindet, Ademar, Chronicon, ed. Bourgain, CCCM 129 cap.56, p.176.; ausfuhrlich hierzu oben Kap. III.3, p.103 52 Ademari Epistola de apostolatu sancii Martialis, PL 141 89-112 55 Darüber berichtet die anonym überlieferte Translatio beati Martialis de Monte Gaudio (E. Sackur, Die Cluniacenser, I. Darmstadt 1965,p.392ss.: Translatio beati Martialis de Monte Gau-dio (Cod. Paris. lat.nr.810,saec.XIV) 54 H. Hoffmann, Gottesfriede und Treuga Dei, Stuttgart 1964, p.27 55 Ademar, Sermo 1, PL 141,117 Β; Sermo 2, PL 141,119 A

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weihpredigt56. Auch zu Sugers Zeit gefährtdeten kriegerische Auseinandersetzungen des Adels den Frieden und den Besitz der Kirche; in seiner Darstellung hingegen kommt der König der Aufgabe der Friedenssicherung nach57. Ein vielbesuchtes Pilgerziel war auch zu Sugers Zeit das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Ein Zeitgenosse Sugers, der Bischof Diego Gelmirez58, mach-te sich um den Kult des hl. Jakobus ebenso verdient wie um die Stellung seines Bi-stums und die Ausstattung seiner Kirche; über seine Taten berichtet die Historia Com-postellana5', eine umfangreiche Chartularchronik, deren Berichterstattung bis etwa zum Jahre 1138/39 reicht60. Diese Schrift kannte Suger offensichtlich, wie sich an mehreren Parallelen zeigt. Sie bildet eines der Modelle, nach denen er seinen Tatenbe-richt De administratione gestaltete. Mit dem möglicherweise ebenfalls zeitgenössischen Pilgerführer61, der den Weg nach Santiago sowie die dortige Jakobuskirche beschreibt, verbinden Sugers Schriften zwar einige Gemeinsamkeiten, die Sugers Kirche in die Tradition der Pilgerkirchen einreihen, doch verfolgt der Pilgerführer ein anderes Ziel als Suger, der die Ausstattung seiner Abteikirche als seine Leistung zugunsten des hl. Dionysius verstanden wissen will. Die Verbindung zum Pilgerwesen erweist sich auch in Sugers Rezeption der Miracula sanctae Fidis, die Bernhard von Angers zusammenge-stellt hatte62. Die in Ste-Foy zu Conques, einer Station auf dem Pilgerweg nach Santia-go, verehrte Heilige weist in ihrer ausgeprägten Vorliebe für kostbare Devotionalien Züge auf die sich in Sugers Verhältnis zu seinen Klosterpatronen wiederfinden64. Unabhängig von seinem Bemühen um die Verehrung des hl. Dionysius und seiner Ge-fährten stellt Suger sein Handeln doch immer wieder unter der Perspektive des bene-diktinischen Mönchtums dar. Häufige Rückgriffe auf die Regula Benedict¿65 sowie auf

56 E. Sackur, Die Cluniacenser, II. Darmstadt 1965, p.479ss: Aus ungedruckten Predigten des Ademar von Chabannes, 3. Predigt, fol.91 (p.482) 57 adm 80,368 - 381,374 58 Diego Gelmirez, geb. um 1068/70, 1101 Bischof von Compostela, gest. 1140; cf. L. Vones, Art. Diego.3.Diego II.Gelmirez, LexMA III (1986), 1000s. 59 Historia Compostellana, ed. E.Falque Rey, Turnhout 1988 (CCCM 70). Zu Sugers Rezepti-on dieser Chronik s. Kap. IV. 1 60 L. Vones, Die 'Historia Compostellana' und die Kirchenpolitik des nordwestspanischen Raumes, 1070-1130), Köln - Wien 1980 (Kölner Historische Abhandlungen, 29) 61 J. Vielliard (ed.), Le guide du pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle. Texte latin du Xlle siècle, édité et traduit en Francais d'après les manuscrits de Compostelle et de Ripoll, 3. éd., Mâcon 1963. - dazu Κ. Herbers, Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der "Liber sancti Jacobi". Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Wiesbaden 1984 (Historische Forschungen,VII),p.38. Abweichende Datierung bei P. David; danach schiede der Liber sancti Jacobi als Quelle für Suger aus. Referat der Thesen Davids bei Herbers, Der Jakobuskult, p.38ss. Zum Vergleich zwischen Sugers Intentionen und denjeni-gen des Pilgerführers s. Kap. IV.2 62 s. dazu Kap.IV.3. Liber Miraculorum Sánete Fidis, ed. A. Bouillet, Paris 1897; - ed. L. Rober-tini, Spoleto 1994 65 I,17,p.54 - Besonders die Tatsache, dass die aufgebotenen Kostbarkeiten in einer Altartafel aufgehen, stellt eine Gemeinsamkeit mit Sugers Bericht dar, cf. cons 62,385ss; 64,400ss. 64 S. hierzu Kap. IV.3 65 S. hierzu Kap. V.l. - Suger spricht von der "Befolgung der heiligen Regel" - ord 6,36 - und beschreibt Maßnahmen, die der Regel entsprechen, wie z.B. die Bemessung der Speiseration

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das Diadema monachorum des Smaragdus von St-Mihiel66 verweisen auf sein Selbstver-ständnis als Benediktiner-Abt; sie belegen die monastische Prägung seiner Schriften und weisen auf den Lebensbereich, für den sie abgefasst sind und in dem traditionelle benediktinische Frömmigkeit Vorrang hat vor schwer verständlicher mystisch-philosophischer Theologie. Aus Sugers benediktinischem Selbstverständnis erklären sich auch Bezugnahmen auf zwei bedeutende Abteien, Cluny und Montecassino, und deren Schrifttum. Für die Schilderung von Bau und Weihe der Klosterkirche findet er in Montecassino ein wei-teres Modell, das er in De consecratione teils imitiert, teils zu überbieten versucht67. Dies zeigt sich in seinem Rückgriff auf die Narrado de consecratione et dedicatione eccle-siae Casinensisbi und die Chronica Monasterii Casinensisv>. Seine Absicht, das Modell zu überbieten, wird exemplarisch greifbar bei der Behandlung der Säulenbeschaffung. Die Chronica berichtet über den mühsamen Spolienerwerb in Montecassino70, der in Saint-Denis durch den wunderbaren Materialfund in Pontoise überflüssig wird; während die Chronica anerkennend berichtet, wie das Volk die erste Säule mit eigener Kraft auf den Klosterberg schleppt, und diesen Vorgang als Beweis des Glaubenseifers lobt71, überhöht Suger eine zunächst auch sprachlich ähnlich gestaltete Szene durch das Ein-treten des Wunders, als eine kleine Gruppe mit Hilfe des Heiligen einen schweren Säulenschaft aus dem Steinbruch zieht72. Vielfältig sind Sugers Bezugnahmen auf Cluny73. Obwohl Cluny den Anspruch ver-tritt, das abendländische Mönchtum zu reformieren, ist Sugers Ordinatio lediglich im Blick auf den hohen Stellenwert der Fürsorge für die Kranken mit den Weisungen des Liber tramitis74 aus der Zeit Odilos vergleichbar; für Sugers Schriften haben weniger die cluniazensischen Consuetudines vorbildhaft gewirkt als vielmehr die Lebensbe-schreibungen der großen Äbte. Unter diesen ist zunächst die Vita Odilonis hervorzu-heben, die der Mönch Iotsald verfasste75; die darin geschilderte umfangreiche Bautätig-

(ord 5-12; cf. RB 39 [Regula Benedirti (RB) (=Die Benediktus-Regel, lateinisch und deutsch, hg. v. B. Steidle OSB, Beuron 1978.)],p.l30s.), die Sorge für die Kranken (ord 15,65-17,77; cf. RB 36, loc. cit.p. 126) oder die Berufung der Brüder zum Rat {ord 31,160; 31,163; cf. RB cap.3 De adhibendis ad soncilium fratribus) 66 Hierzu Kap. V. l . - Smaragdus, Diadema monachorum, PL 102, 593-690; Betrachtungen über die Abkehr von der Welt zugunsten der Gottesschau, wie Suger sie im Prolog zu De consecra-tione entfaltet, finden sich z.B. cap.l4,PL 102, 611 B; cap. 20,PL 102, 616 C 67 S. Kap. V.2 68 PL 173,997 B-1002 C 69 Chronica Monasterii Casinensis, III,ed. H . Hoffmann M G H SS XXXIV,364ss. - Einen Ver-gleich mit den genannten Schriften hatten bereits Speer und Pickavé unternommen: A. Speer/M. Pickavé, Abt Sugers Schrift De consecratione. Uberlieferung - Rezeption - Interpreta-tion, in: Filologia mediolatina 3 (1996),p.207-242; die Autoren stellen bei Suger vor allem die Absicht der Imitation fest. 70 Chron. III.26 p. 394;cf. Binding/Linscheid-Burdich, p.253s. 71 wie nt. 70; ausführlich dazu oben p.136 72 cons 23,160-31,190 73 s. dazu Kap. V.3 74 Liber tramitis aevi Odilonis abbatis, ed. P. Dinter, Siegburg 1980, CCM 10 75 Iotsald, Vita s. Odilonis Cluniacensis abbatis, PL 142; neue Edition: J. Staub, Iotsald von Saint-Claude, Vita des Abtes Odilo von Cluny, Hannover 1999

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keit Odilos hat Suger sichtlich beeindruckt76. Daneben sind es vor allem die paarweise angeordneten Wundergeschichten , die das Modell für Sugers Mirakelerzählungen bie-ten: zwei in Saint-Denis und Umgebung geschehene Wunder um überraschend ver-fügbare Mengen an Fisch77 sind gespiegelt in Sugers Bericht über die unverhofft erhal-tene Schafherde zur Bewirtung der Gäste78. Auch das Prinzip der Doppelung scheint Suger sehr angesprochen zu haben: er verwendet es zunächst in De consecratione bei der Schilderung der Materialbeschaffung, als ihm im Steinbruch von Pontoise sowie im Wald von Iveline zwei unerwartete Funde zu Hilfe kommen, dann in De admini-stratione bei der Beschreibung der beiden wunderbaren Heilungen in Notre-Dame-des-Champs. Die Orientierung an Iotsalds Vorbild ist hier nicht allein struktureller Na-tur, denn Suger schildert exemplarisch die Heilung zweier Erkrankungen, die den zwei bei Iotsald vorgefundenen Kategorien der Leiden entsprechen79. Die Beschrei-bung der Heilungen weisen deutliche Ubereinstimmungen mit Jotsalds Schilderung auf; Suger begründet ihre Mitteilung damit, dass er daraufhin zur Ehre der Gottesmut-ter die Stätte zu einem Priorat ausbaut. Seine Maßnahmen hierzu beschreibt er in der Terminologie, die dem Sprachgebrauch Clunys entspricht80. Nachfolger des Abtes Odilo wurde im Jahre 1049 Hugo I." von Semur. Als Abt ent-faltete Hugo Qualitäten, die ihm die Achtung seines Konvents eintrugen und viele Menschen zum Eintritt in Cluny bewogen.Bereits elf Jahre nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen; in seiner Amtszeit erreichte der Konvent eine Stärke von mehr als 300 Mönchen82, und es entstand Cluny III, die dritte Klosterkirche, "damals die größte Kirche des Abendlandes, größer als Alt-St.Peter in Rom"83. Vier Autoren würdigten ihn jeweils in einer Vita'4·, die älteste dieser Lebensbeschreibungen, die Gilo von

76 PL 142, 908 A (Staub p.171); cf. P. Dinter, op.cit., p.XLVIIs. 77 Die Wunder, die sich in Saint-Denis bzw. in der Nähe (Saint-Denis de l'Estrée) zugetragen haben, werden im achten Kapitel des II. Buches vorgestellt. Die Überschrift (De paucis pisculis plurimis refectis) gibt das Thema an, das sie inhaltlich verknüpft. 78 cons 70,434s 79 In der Vita Odilonis, III.1,PL 142,935 C (ed. Staub p.243), wird die Heilung eines stummen Mädchens beschrieben (cf. adm 118,532 ss.), in Buch 111,11 beschreibt Iotsald die wunderbare Genesung eines Wassersüchtigen: Iotsald,PL 142,938 B/C (ed. Staub p.250); cf. adm 125,555ss; 127,560-562 80 Suger spricht zunächst von einer cella (adm 109,499); dieser Begriff wird für kleinere mön-chische Gemeinschaften, die als Nebenniederlassungen eines Hauptklosters durch dessen Abt gegründet werden, verwendet, s. dazu D. W. Poeck, Cluniacensis ecclesia, p.22ss. Wenn Suger erklärt, die Pfarrkirche von Corbeil sei "Cluny und den Gliedern von Cluny" übergeben worden, bedient er sich der Haupt-und-Glieder-Metapher, die seit der Zeit Abt Hugos I. auf Cluny und die ihm übertragenen Priorate angewandt wurde, cf. D. W. Poeck, op.cit., p.71; J. Wollasch, Cluny - Licht der Welt,p. 146 81 Uber Hugos Familie, seine Jugend und seinen Eintritt in Cluny s.A. Kohnle, Abt Hugo von Cluny (1049-1109). (Beihefte der Francia,32) Sigmaringen 1993, 82 J. Wollasch, op.cit.,p.149 83 J. Wollasch, op.cit.,p.168 84 Gilo von Toucy, Hildebert von Lavardin, Hugo von Gournay und Raynald von Vézelay; s. dazu Α. Kohnle, op. cit., p.253-265

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Toucy verfasste85, hat Suger offensichtlich gekannt: hier fand er das Vorbild für das Motiv des kranken Schafs, das der gute Hirte auf seinen Schultern zur Herde zurück-bringt". In der Vita Hugonis verwendet Gilo es, als er das besondere Erbarmen Hugos mit einem kranken Mönch preist87. Mit seinem in beispielhafter Weise barmherzigen Verhalten erweist sich Hugo als Vorbild für die prelati, deren besondere Verantwor-tung für die Kranken Suger in der Ordinatio unterstreicht88. Auch über den Bau der dritten Klosterkirche, Cluny III89, berichtet Gilo in der Vita Hugonis90 ; in der positiven Bewertung der Größe stimmt Suger mit ihm überein91; während Suger jedoch keinen völligen Neubau vornehmen will, sondern eine Vergrö-ßerung zu schaffen beabsichtigt, bei der alte und neue Teile in harmonischer Verbin-dung stehen sollen, soll Hugo neu beginnen (,incipere)92. Auch in der Begründung des Bauvorhabens besteht ein signifikanter Unterschied: bestimmend für Suger sind die drangvolle Enge, namentlich an Feiertagen93, und der Wunsch, die Schreine der Heili-gen besser zu präsentieren94; in der Vita Hugonis hingegen ist das starke Anwachsen des Konvents der wichtigste Grund für den Bau der größeren Kirche95. Mit der Diver-genz in der Motivation für den Bau ist eine unterschiedliche Bewertung des Bauvor-gangs selbst verbunden; Abt Hugo wird durch die Vision seines Baumeisters ausdrück-lich zur Errichtung eines materiellen Baus aufgefordert96, in Sugers Deutung dagegen wird der materielle Bauvorgang, wenn er in der rechten Absicht und im Vertrauen auf Gott geschieht, zu einem geistlichen97.

85 Gilo, Vita sancii Hugonis Cluniacensis abbatis, ed. A.L'Huillier, Vie de Saint Hugues, abbé de Cluny, 1024-1109, Solesmes 1888; H. E. J. Cowdrey, Two Studies in Cluniac History (1049-1126), in: Studi Gregoriani 11 (1978),p.43-109 86 ord 16,68-70 87 Gilo, Vita Hugonis, L'Huillier p.604/Cowdrey p.89 - s. dazu oben p,150s. 88 Die spezielle Anwendung auf die Inhaber von Amtern und das gewählte Tempus machen es wahrscheinlich, daß Suger auf ein konkretes historisches Beispiel, nämlich das des Abtes Hu-go von Cluny, das er in Gilos Vita kennengelernt hat, hinweisen will. 89 s. dazu G. Binding, Art. Cluny, Cluniazenser. E. Baukunst, LexMA II (1983),2192-2194 50 Gilo, Vita Hugonis, L'Huillier, p.605s./Cowdrey p.90s. 91 Gilo, Vita Hugonis, L'Huillier,p.606/Cowdrey p.91. Suger spricht ausdrücklich von seiner Absicht, die Kirche durch Schönheit der Länge und Breite zu adeln (cons 47,287s),den Kapel-lenkranz bezeichnet er als urbanum et approbatum incrementum (cons 49,300), und in der Weiheinschrift von 1144 betont er, daß das opus nobile unter seiner Leitung vergrößert wor-den sei (adm 181,819ss). 92 die in der Vision des Baumeisters Gunzo geschilderte Vermessung (Gilo, Vita Hugonis, L'Huillier p.605s./ Cowdrey p.90s.) markiert einen Neueinsatz; cf. Binding/Linscheid-Burdich, Kap.V: Vermessung, p.112. 93 cons 10-13 94 cons 48 95 cf. A. Kohnle, op. cit., p.61 96 Dabei wird seine vorausgegangene Leistung bei der Errichtung der ecclesia spiritualis her-vorgehoben: L'Huillier, p.605/ Cowdrey p.90 qui congregationem auxerat in numero & spirita-lem Deo ecclesiam dedicaverat, materialem erigerei congregatis 97 So spiritualisiert er in cons 58,353ss den Bauvorgang; s. ausführlich dazu p.155

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Zusammenfassung 229

Der letzte große Abt von Cluny, Petrus Venerabiiis, hatte im selben Jahr wie Suger sein Abbatiat angetreten98. Als Leiter der Abtei, die das Haupt des cluniazensischen Klosterverbandes darstellte, stand er mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit in Kontakt und nutzte die Autorität seines Amtes, um zu verschiedenen Proble-men seiner Zeit in teils umfangreichen Schriften Stellung zu nehmen. Seine Schrift Contra Petrobrusianos haereticos, die er zur Widerlegung der häretischen Lehren des Pierre de Bruis verfasste", hat Sugers Ausführungen über seinen großen goldenen Kruzifix geprägt. Suger hebt die Verehrungswürdigkeit des Kreuzes und seine Funkti-on, das Leiden Christi zu vergegenwärtigen, besonders hervor100, darin folgt er der Argumentation, die der antihäretische Traktat des großen Cluniazensers entfaltet, und stilisiert seinen Kruzifix als Zeugnis der Orthodoxie101. Mit Bernhard von Clairvaux verband Suger eine tiefe geistliche Verbundenheit102, ob-wohl seine Ansichten über den Aufwand kostbarer Materialien für die Ausstattung der Kirche von denen Bernhards verschieden sind103. Suger versteht seine Darlegungen nicht als Rechtfertigung gegenüber Bernhards vorwurfsvollen Ausführungen in dessen Apologia ad Guilelmum abbatem; was er für seine Kirche an Kostbarkeiten aufbietet, sieht er als Leistung, über die er stolz berichtet104 und für die er sich die Fürsprache der Heiligen wie die Fürbitte des Konvents erhofft105. Dennoch kommentiert er seine ornamenta·. Die Wahl der kostbaren Materialien für die Altargeräte entspricht der Ehrfurcht vor der Eucharistie106; die Edelsteine, mit der der goldene Kruzifix ge-schmückt ist, sollen Bewunderung erregen, die der Ehre des Kreuzes zugute kommt107. Möglicherweise antwortet er damit indirekt auf Bernhards provozierende Frage: qu-orum, quaesumus, in his devotionem excitare mtendimus?m Bernhards Forderung nach asketischem Verzicht auf quaeque pretiosa ac speciosa problematisiert das Wohlgefallen

98 cf. J. Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p. 198-316 99 Petrus Venerabiiis, Contra Petrobrusianos haereticos, ed. J. Fearns, Turnhout 1968 (CCCM 10) m adm 201,909; 203,922ss. 101 s. hierzu Kap. VI.l 102 Diese spiegelt sich in Bernhards letztem Brief an Suger (Bernhard von Clairvaux, Ep. 266, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, Bd. III, Inns-bruck 1992, p.390-392) und in Sugers Antwort, ep. XXV, ed. Lecoy de la Marche p. 282s. Zum Briefwechsel und zu Sugers Rezeption von Bernhards Sentenzen s. Kap. VI.2. 103 S. hierzu ausführlich Kap. VI.3 Mit seiner Bemerkung über Vertreter der Ansicht, "für die-sen Dienst müsse ein heiligmäßiger Geist, ein reines Herz, eine gläubige Absicht genügen" (adm 236,1053s.), bezieht er sich auf eine der Sentenzen Bernhards (Sent. 11.178: Sententiae, ed. Winkler, Innsbruck 1993, p.366). 104 Im Prolog zu De administratione führt Suger die repositio auri, argenti et pretiosissimarum gemmarum, necnon et optimorum palliorum unter den Inhalten an, um deren Aufzeichnung ihn die Brüder gebeten haben (adm l,9ss); die Absicht, mit seinem Handeln und dessen Auf-zeichnung ein Beispiel zu geben, bringt Suger u.a. in adm 160,699ss, adm 190,857s und adm 287,1271ss zum Ausdruck. 105 Fürsprache des hl. Dionysius: adm 197,881ss; Fürbitte der Brüder: adm 1,13-15 106 adm 231 107 adm 203,922ss; ähnlich verwendet Suger das Verb attollere in adm 122,549, adm 174,776 und in adm 214,974 - dabei ist jeweils eine Geste der Ehrerbietung gemeint. 101 Apologie, XII 28, ed. Winkler, loc.cit., p.194

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230 Zusammenfassung

des Betrachters, während Suger nicht die Freude beim Betrachten, sondern die mit der Bewunderung verbundene Ehrfurcht in den Blick nimmt. Für die Beziehung zwischen bildlichen Darstellungen und dem dafür gewählten kostbaren Material ist Sugers Be-merkung über die Verse, die er den Reliefs auf dem großen goldenen Antependium beigegeben hat109, sehr aufschlussreich. Suger nimmt die Gefahr, dass der Betrachter möglicherweise bei der Würdigung der prächtigen Materialien verharrt und den geist-lichen Inhalt unzureichend erfasst, durchaus ernst110. Die tituli sollen die Komplexität der bildlichen Darstellung erweitern111 und erfüllen diese Aufgabe in Verbindung mit der paarweisen Zuordnung der Bildszenen112. Die Altartafel ist in der Synopse heilsge-schichtlich aufeinander bezogener Bildinhalte und der versus idipsum loquentes113 ein Werk, das sich an geistlich geschulte Betrachter wendet und nur von ihnen vollkom-men verstanden werden kann. Suger nimmt unausgesprochen Bezug auf Bernhards Ausführungen in der Apologie114, in denen Bernhard das Mönchtum mit Askese und geistigem Anspruch gleichsetzt und die sinnliche Freude an prächtigen Werken der Schatzkunst als ungeistig zurückweist. So kennzeichnet er seine Altartafel als zutiefst geistliches Werk, auf das Bernhards Vorwürfe nicht zutreffen. Bereits bei seinem Amtsantritt sah sich Suger vor der Notwendigkeit, eine Entschei-dung über Abaelard zu treffen115, der wohl 1117 oder 1118 Mönch in Saint-Denis ge-worden116 und nach seiner Verurteilung auf der Synode zu Soissons zunächst ins Klo-ster zurückgekehrt, nach seinem Zerwürfnis mit den Mönchen und Abt Adam jedoch aus der Abtei geflohen war. Abaelard spricht als ehemaliger Mönch von Saint-Denis mehrfach über seinen Abt117; Suger hingegen erwähnt Abaelard mit keinem Wort. Verschiedene Berührungspunkte zwischen seinen Schriften und einigen Hymnen

105 s. dazu auch Linscheid-Burdich, Beobachtungen,p. 131s 110 Er setzt sich unausgesprochen, ohne Rechtfertigungsanspruch oder gar Polemik, mit Bern-hards Warnung auseinander, dass man "mehr das Schöne bewundert als das Heilige verehrt" (Apologie, loc.cit., p.194). 111 Diese Funktion weist S. Wittekind für die Textbeigaben in Bibelillustrationen nach: S. Wittekind, V o m Schriftband zum Spruchband. Zum Funktionswandel von Spruchbändern in Illustrationen biblischer Stoffe, in: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), p.343-367 112 Die Textbeigabe ruft biblische Zusammenhänge wieder ins Gedächtnis; die Erweiterung der Komplexität gelingt einerseits durch allegorisierende Bezüge, die in den einzelnen Versen bereits hergestellt werden, andererseits durch die wechselseitige Erhellung alt- und neutesta-mentlicher Szenen, die dem Betrachter der Tafel vermutlich durch paarweise Anordnung der entsprechenden Bilder übereinander sichtbar war. 113 Nicht nur das Nachvollziehen der theologischen Zusammenhänge, sondern bereits das sprachliche Verständnis der lateinischen tituli erfordert die Vorbildung der litterati. 114 Apologie, XII 28 (loc.cit., p.192) 115 zu Abaelard und seiner Rezeption durch Suger s. Kap. VI.4 116 A. Angenendt, Peter Abaelard, in: M. Greschat (Hrsg.), Gestalten der Kirchengeschichte, 3: Mittelalter. 1, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1983, p.152; R.. Grosse, Saint-Denis zwischen Adel und König. Die Zeit vor Suger (1053-1122), Stuttgart 2002, p.206-213; eine sehr lebendige Schilderung bietet M. Fumagalli, Heloise und Abaelard, München - Zürich 1986, p.98-148 117 Historia calamitatum, 1.1018 Cui cum alius successisset..; 1. 1238 .. hoc ab abbate nostro et fra-tribus facile impetravi .

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Zusammenfassung 231

Abaelards weisen jedoch darauf hin, dass Suger den Hymnarius Paraclitensis1™ mit Gewinn gelesen hat119. Damit beweist Suger die Fähigkeit zur discretio : ohne sich mit den strittigen theologischen Fragen, die Abaelard - sei es als Mönch in Saint-Denis, sei es in seinen Werken - angestoßen hatten, ausdrücklich auseinanderzusetzen, entnimmt er dem Hymnarius Paraclitensis Anregungen für seine eigenen Werke. Sugers Abbatiat fällt in die Regierungszeit zweier französischer Könige, Ludwigs VI. -des Dicken - und Ludwigs VII. Beide Könige stellt er in enger Verbindung zur Abtei und ihrem Heiligen dar120; Vorbild dafür ist möglicherweise die Vita Roberti Pii des Helgaud von Fleury121. Die Charakterisierung Ludwigs des Dicken - Suger sagt, er sei plenus pietate {adm 81,371s) und gekennzeichnet durch eximia liberalitas, cf. adm 101,461s; 102,465ss; 215,974ss. - scheint der Darstellung nachempfunden zu sein, die Helgaud von seinem König gibt: Robert sei piissimus, prudentissimus, potentissimus122

und erweise sich als freigebiger Förderer von Kirchen und Klöstern123. Während Lud-wig VI. ausschließlich in De administratione erwähnt wird und sich hier als besonde-rer Freund der Abtei in verschiedenen Maßnahmen zugunsten ihrer Rechte erweist, hat sein Sohn Ludwig VII. seine wichtigste Rolle bei den Feierlichkeiten zur Grund-steinlegung für den neuen Chor124 sowie bei der ausführlich geschilderten Translation und der Weihe in De consecrationeni. Hier folgt Suger wiederum dem Modell, das er in Helgauds Vita Roberti vorfand, um einen wahrhaft christlichen König in seiner Liebe zu den Heiligen zu zeichnen126. Während die Weihe der Kirche dem Klerus vor-behalten bleibt, bietet die Translation eine Gelegenheit, den König unmittelbar am Geschehen zu beteiligen. So geschieht es bereits in der Vita Roberti Pii, als der König auf seinen Schultern den Heiligen in die neue Kirche trägt127; diese bedeutsame Hand-lung führt in De consecratione Ludwig VII. aus, und Suger schmückt sie durch die An-

118 Die Beziehung zwischen dem Kloster Le Paraclet und Saint-Denis, auf die M. Clanchy, Abaelard. Ein mittelalterliches Leben, Darmstadt 1998, p.310s., hinweist, macht es wahr-scheinlich, dass Suger das von Abaelard verfasste Hymnar zugänglich war. 115 Hymn.Paracl. 3,94.1-2 (AH 48, p.199) stellt in der Ausdeutung des Bildes von Traube und Kelter eben die Beziehung zum Kreuz her, die in Sugers großer Tafel für den Hauptaltar das Thema eines Bild- und Verspaares bildet - cf.adm 221,1002/1005. Vergleichbar sind auch z.B. Hymn.ParaclA,22.i, p.159 Virtutum caritas est consummatio und Sugers Feststellung quoniam caritas est summa monastice religionis ord 17,76, ferner Abaelards Kirchweih-Hymnen und ei-nige Elemente aus De consecratione·. Hymn.Paracl.2,7ì,ì-4 - cf. cons 80,500ss; Hymn.Paracl. 2,74.1 - cf. cons 98,618; Hymn.Paracl. 2,74 und 2,75 entfalten eine ähnliche Freude an der Be-obachtung der einzelnen Handlungen wie Sugers Schilderung in cons 84-97. 120 S. dazu Kap. VII.l 121 Helgaud de Fleury, Vie de Robert le pieux. Epitoma vitae regis Rotberti pii, ed. R.-H. Bau-tier - G. Labory, Paris 1965 122 Vita Roberti Pii, p. 112; cf. p. 116 rex, vir celestium desideriorum - wie wir sahen, sagt Suger, Ludwig sei plenus pietate. 123 Vita Roberti Pii, cap.22, p,106s.,p.l08, cf. auch cap.28, p.130 124 ord 38,212ss, ord. 41,226ss; ord 42,234ss bzw. cons 50,305ss; cons 53,319ss; cons 54,327ss. 125 Zunächst beteiligt sich der König mit einer großherzigen Spende an der Ausstattung der Aurea tabula superior und gibt damit, gemeinsam mit Graf Theobald von Blois, vielen Adligen ein Beispiel, cf. cons 64,396s 126 Die Vita Roberti Pii berichtet über die Weihe der neuen Kirche Saint-Aignan d'Orléans. 127 Vita Roberti Pii, cap.22, p.110

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spräche der Bischöfe aus, die die persönliche Beteiligung des Königs "mit eigener Hand" hervorhebt und die Erhabenheit des Vorgangs durch die Erinnerung an die Mission und das Martyrium der Heiligen unterstreicht128. Der Hinweis auf die Bekeh-rung "ganz Galliens" verweist ebenso wie die Kennzeichnung des hl. Dionysius als dominus et apostolus et protector auf den Rang, den Suger für seinen Heiligen bean-sprucht und auf den er zugleich den König verpflichtet.

Die Teilnahme Ludwigs VII. am zweiten Kreuzzug übergeht Suger völlig, ebenso wie seine Tätigkeit als Regent während der Abwesenheit des Königs125. Aus dem zeitge-nössischen Bericht Odos von Deuil130 übernimmt er lediglich die Informationen, die für seinen Vergleich mit Konstantinopel von Bedeutung sind. Suger bezieht sich auf Gespräche mit Leuten, denen die Schätze der Hagia Sophia zugänglich gewesen waren131. Im dritten Buch seines Berichts erwähnt Odo die Reichtümer Konstantino-pels132. Sugers Vermutung, dass einige kostbare Stücke aus Furcht vor den Franken versteckt worden seien, um räuberischen Zwischenfällen vorzubeugen133, ist mögli-cherweise motiviert durch Odos Bericht über eine Begebenheit in Chalkedon134. Mit der Beschränkung auf die Rezeption derjenigen Stellen, die für seine Ausführungen über den Kirchenschmuck von unmittelbarem Interesse sind, verzichtet Suger auf die Möglichkeit, die Beteiligung Ludwigs VII. am Kreuzzug zu dessen Lob hervorzuhe-ben. Das Bild des Königs, das De consecratione und De administratione vermitteln, ist ausschließlich durch die Maßnahmen des Königs für die Abtei und die Kirche kontu-riert.

Bau und Kunst sind für Suger zwar wichtige Themen, doch lässt sich seinen Ausfüh-rungen kein Hinweis auf ein neuartiges philosophisch-theologisches Konzept entneh-men. Der Bauvorgang bietet ihm Gelegenheit, göttliche Gunst zu erfahren und diese Erfahrung stolz zu vermitteln; der Fund des erforderlichen Materials wird zum Kri-stallisationspunkt göttlicher Hilfe135. Dass damit indessen nicht nur Materielles ge-meint ist, sondern die Gesamtheit menschlicher Möglichkeiten, wird deutlich, wenn Suger Got t als den eigentlichen Urheber des Tempels Salomos wie des Baus in Saint-Denis hervorhebt und damit das Ausreichen der nötigen Mittel erklärt. Das Wort suf-

ficientia wird zum Schlüsselbegriff, der sowohl das hinreichende Vorhandensein des Materials meint als auch das Verständnis menschlichen Bemühens im Blick auf seinen

128 cons 88, 545-50,560 129 Knapp dazu M. Bur, Art. Suger, LexMA VIII (1997),292-294,hier 293; ferner M. Bur, Suger. Abbé de Saint-Denis, Régent de France,Paris 1991,p.271-296; L.Grant, Abbot Suger of St-Denis. Church and State in Early Twelfth-Century France, London - New York 1998, p.156-178 130 Odo von Deuil, De profectione Ludovici VII. in Orientent, ed. H. Waquet,, Paris 1949. Zu Sugers Rezeption deieses Berichts s. Kap. VII.2 131 adm 225, s. dazu nt. 140 der Edition. 1,2 Odo von Deuil, loc.cit., lib.3,p.42 133 adm 226 134 Odo von Deuil, op. cit., lib.4 p.49; zur angespannten Situation zwischen Kreuzfahrern und Einheimischen s. S. Runciman, Geschichte der Kreuzzüge (Aus d. Engl, von P.de Mendels-sohn), München 1995, p.575 135 S. hierzu Kap. VIII.1. - Die Entdeckung säulentauglichen Materials bei Pontoise (cons 17,127-22,159) ist ein Beispiel dafür.

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Adressaten bezeichnet. Dies zeigt sich auch in Sugers dankbarer Bewertung eines wei-teren Materialfundes, als er einen dem erforderlichen Maß entsprechenden Baum-stamm entdeckt136. Die Bewertung dieses Genügens, das sich weiterhin im Finden der genau richtigen Zahl von Stämmen zeigt, formuliert Suger abschließend mit Bezug auf das Buch der Weisheit; diese häufig zitierte Bibelstelle137, die die in der geschaffenen Welt erkennbaren Ordnungsprinzipien lobt, wendet Suger auf das Material für sein Bauwerk an, das damit Anteil an Gottes Schöpfungsordnung hat. Die Fenster des Chorraums138, eine der wichtigsten Errungenschaften, werden in De consecratione hinsichtlich der Helligkeit, die sie vermitteln, betrachtet139. Der wech-selnde Lichteinfall lässt die ganze Kirche erstrahlen, dabei kommt ihm auch die Funk-tion zu, die goldenen und silbernen ornamenta erglänzen zu lassen - darauf weist das Verb enitere140. Wesentlich ist dabei die Helligkeit und Leuchtkraft der Glasfenster141, Suger bespricht sie aber nur im Zusammenhang mit seiner Baumaßnahme und deren intendierter Wirkung. In De administratione hingegen stellen sie eine Kostbarkeit im Inneren der Kirche dar142. Hatten sie in De consecratione ihre Aufgabe innerhalb eines incrementum orato-riorum, so erfolgt ihre Lokalisierung in De administratione mit Hinweisen, die sich auf den Kirchenraum in seiner Gesamtheit beziehen143. Ihre geistliche Dimension er-schließt Suger dem Leser in eben der Weise, die auch bei der Besprechung der großen goldenen Reliefplatte am Hauptaltar zu beobachten ist: Bild und titulus bilden eine Einheit; für den Leser, der das Fenster nicht vor Augen hat, gibt Suger ergänzend den Bildinhalt an. Der titulus gibt einen Anstoß zum Nachsinnen über den Inhalt der Dar-stellung, indem er über das Bild hinaus auf dessen sensus spiritualis verweist144. Jedes der Bilder hat gemeinsam mit seinem titulus die Aufgabe, vom Litteralsinn des Darge-stellten zu höheren Sinnschichten hinzuleiten. Sugers Wendung de materialibus ad in-materialiaus greift zwar die Diktion des Dionysius Areopagita auf, erweist sich jedoch - zumindest in Sugers Verwendung - als Kennzeichnung des Exegesevorgangs nach der

136 cons 39,221 trabem unam mensure sufficientem invenimus 137 Sap 11,21; zu ihrer ehrfürchtigen Verwendung bei vielen Autoren: G. Binding, Der früh-und hochmittelalterliche Bauherr als sapiens architectus, Darmstadt (2.Aufl.) 1998, bes. p.419-452 131 s. hierzu Kap. VIII.2 139 cons 49,300ss 140 cf. hierzu Sugers Verwendung des Substantivs nitor im Zusammenhang mit den ornamenta der Dagobert-Basilika, cons 9,73 141 s. dazu G. Binding, Die Bedeutung der Farbe für den gotischen Kirchenbau, in: Veröffent-lichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt, im Druck. 142 Suger weist in De administratione auf die hohen Kosten hin, die für die Handwerker wie für das Material aufzuwenden waren (adm 188, 849-851), und erwähnt die Beauftragung eines Meisters eigens zu ihrem Schutz (adm 274,1208ss.). 143 adm 263,1172 in capite ecclesie·, -,1173 que superest principali porte in introitu ecclesie 144 Grundlegend dazu F. Ohly, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: ZfdA 89 (1958), p.1-23; wieder abgedruckt in: F. Ohly, Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsfor-schung, Darmstadt 1977, p.1-31 145 adm 264,1175s.

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Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Nicht die Deutung des Materials auf einen spirituel-len Sinn hin, sondern das Verständnis der dargestellten Szenen in ihrer heilsgeschicht-lichen Einordnung ist beabsichtigt. Eine spirituelle Exegese des Raums oder des Bauvorgangs, die mit zeitgenössischen theologischen Werken vergleichbar wäre, erfolgt nicht146. Die Absichten, die Suger er-kennen lässt, sind durch praktische oder liturgische Bedürfnisse bestimmt. Seine Aus-führungen weisen den einzelnen Maßnahmen ihre Aufgabe zu, ohne sie mit exegeti-schen Zusätzen zu befrachten. Während z.B. Honorius Augustodunensis in seiner Gemma animaeul viele Einzelheiten des Kirchengebäudes ausführlich deutet, weist Suger lediglich auf die symbolische Bedeutung der Säulen hin148; während Gottfried Babion149 in seiner zweiten Kirchweihpredigt150 eine kleinschrittige Exegese des Bau-vorgangs durchführt151, spricht Suger nur einmal in übertragenem Sinn über das geist-liche Fundament seines Baus, unterscheidet es jedoch von dem materiellen Fundament152. Zitate aus der Vulgata und Anspielungen auf den Bibeltext verwendet Suger in vielen verschiedenen Funktionen, zum einen zur ausdrücklichen Unterstützung der Argu-mentation153, zum anderen - eher indirekt - zur Stilisierung des eigenen Amtsverständ-nisses154: Hierbei stehen die Zitate nicht in einem argumentativen Zusammenhang, sondern evozieren biblische Szenen, die Sugers Selbstverständnis erkennen lassen. Gemäß der Benediktregel handelt der Abt im Kloster an Christi Statt155. Dieses Be-wusstsein prägt auch Sugers Verständnis seines Amtes, das er in der Auswahl entspre-chender Bibelzitate akzentuiert.156

146 s. dazu Kap. VIII.3 147 Honorius Augustodunensis, Gemma animae, PL 172 (hier I, 124-134, col.584 C-586 D) ; z.B. cap. 129 die Ausrichtung nach Osten; die Gründung auf einem starken Felsen, die Bedeu-tung der vier Wände; cap.131 Deutung der Fenster - Zitat, Ubersetzung und Erläuterung s. G. Binding, Sapiens architectus, p.384-386. 148 cons 58,350ss 149 Dieser Autor ist identisch mit Gottfried von Loroux, der seit 1136 Erzbischof von Bor-deaux war und in diesem Amt an den Weihefeierlichkeiten der neuen Choranlage von Saint-Denis teilnahm; zu seiner Person cf. R.. Berndt, Art. Gottfried Babion, in: LThK 4 (1995),Sp.946 150 (unter dem Namen Hildeberts von Tours ediert in: PL 171,733 A - 736 Β), cf. Bin-ding/Linscheid-Burdich, p.23 151 cf. Binding/Linscheid-Burdich, p.23s. 152 cons 16,118ss. 153 Diese Aufgabe der Zitate wird im Text dadurch verdeutlicht, dass Suger den Rückgriff auf ein Bibelwort selbst hervorhebt und das Zitat syntaktisch in den Argumentationszusammen-hang eingliedert - z.B. cons 2,18;. cons 4,24, s. dazu Kap. IX.l 154 s. Kap. IX.2; weitere Formen biblischer Bezüge cf. Kap. IX.3-5 155 cf. Benedirti Regula, 2,2s. 63,13: 156 Das in ord 2,3ss. verwendete Zitat aus Mt 15,32 ne deficiant in via die Sorge um die dem Abt anvertrauten Mönche als barmherziges Handeln Christi aus; ähnlich stilisiert Suger die Beratung mit den Mönchen, zu der ihn die Benediktregel anhält (Benedirt i Regula, cap. 3; cf. Kap.V.l), in Anlehnung an die Perikope über die Emmaus-Jünger (cons 47,280-282, cf. Le 24,32) und setzt damit nicht nur die Stilisierung seines eigenen Amtsverständnisses fort, son-

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Neben direkten Bibelzitaten eignet sich auch die Anspielung auf biblische Gestalten dazu, das Verständnis der eigenen Situation zu reflektieren. Wie viele andere bedeu-tende Bauherren157 betrachtet auch Suger sein Wirken an der Kirche in Relation zu Sa-lomos Tempelbau158; dabei geht es ihm nicht um eine Übernahme architektonischer Details, sondern um den Einsatz kostbarer Materialien, die er ebenso wie Salomo als Gottes Gabe empfangen hat159. Zugleich deutet er durch assoziativ kombinierte An-spielungen160 seine Rolle ähnlich wie diejenige Salomos: durch Gottes Güte kommt ihm die Gelegenheit zu, seine Kirche als nobile und gratum edificium bauen zu können und nicht den Schmerz erleben zu müssen, dass diese Aufgabe für einen anderen auf-gespart wird. Auch die Anlage der Bildprogramme der Reliefplatte am Hauptaltar in Saint-Denis sowie der Medaillons der Fensters erfolgt unter Rückgriff auf die Bibel161; indem Suger sie beschreibt und die tituli vorstellt, nimmt er Bezug auf biblische Ereignisse und ihre Exegese. Die große Altartafel bietet drei Szenenpaare162, in denen unter dem Thema der Eucharistie drei Szenen des Neuen Testaments ihren Vorbildern im Alten Testa-ment zugeordnet sind163. Die ersten drei tituli gehörten vermutlich zu drei Reliefs mit Christusdarstellungen, die jeweils über der entsprechenden alttestamentlichen Szene (mit titulus) angeordnet waren. Die inhaltliche Rekonstruktion des heute verlorenen Bildes kann jeweils mit Hilfe einer innerhalb des titulus als Signal fungierenden For-mulierung gesichert werden, die eine biblische Szene in Erinnerung bringt164. Die der Zuordnung zugrundeliegende Deutung hat eine lange Tradition, die auch in Saint-Denis bekannt war, z.B. durch die Sermones des Caesarius von Arles, die Bestandteil der abendlichen Lesungen in der Abtei165 waren, oder durch die Schrift De ecclesiasticis officiis Isidors von Sevilla166. Sugers Angabe, auf dem Schaft der Kreuzstange sei "die Geschichte des Heilands mit dazu dargestellten allegorischen Zeugnissen"167 zu sehen, ver-weist mit traditionellen Formulierungen168 auf das Prinzip der heilsgeschichtlich be-

dern beleuchtet auch die Umbaumaßnahme als ein Geschehen, das dem Heilsplan Gottes folgt. 157 Zahlreiche Beispiele und ihre Deutung finden sich bei G. Binding, Sapiens architectus, p. 349-356 158 cons 18 u.19; s. Kap. IX.6 159 Das bemerkt bereits von Simson, loc.cit., verweist jedoch sogleich wieder auf die Vor-bildrolle des Tempels für die Abteikirche. 160 Quis enirn ego sum aut que domus patris mei, qui tarn nobile, tarn gratum edificium vel in-choasse presumpserim vel perfecisse speraverim.. adm 176,794ss adm 177,797ss, cf. I Sm 18,18; II Sm 7,18; die Bibelzitate werden hier miteinander verschränkt. 161 s. dazu Kap. IX.7 162 adm 221,1000-1005 163 cf. hierzu Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.130-133 164 ausführlich hierzu oben p.214s 165 cf. D. Ph. Schmitz, Les lectures du soir à l'abbaye de Saint-Denis, in: Revue Bénédictine 44 (1932), p.147-149, hier p.148 166 Isidor von Sevilla, De ecclesiasticis officiis, (CCSL 113), lib.1,cap.18 (De sacrificio) w adm 211,949ss 168 cf. Hilarius Pictaviensis, Tractatus super psalmos, tract. Psalmi CXVIII littera XII lamed, PL.9, col.582 C-D; De trinitate libri duodecim, lib. 1 PL 10 col.40 A; lib.5 col. 129 A; Iohan-nes Cassianus, Conlationes XXIWars II coni. 14,11 De spiritali scientia.

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stimmten Zusammenstellung von Bildszenen, das ebenso auf der Altartafel wirksam ist, und zeigt, dass er auch bei seinen Lesern exegetische Kenntnisse voraussetzt. Ent-sprechendes gilt für die Medaillons der Fenster und ihre tituli. Dort vermitteln jeweils ein Bild und seine Beischrift gemeinsam denselben komplexen exegetischen Gedan-ken. Da hier die Bildinhalte nicht aus den aufeinander bezogenen tituli erschlossen werden können, fügt Suger einen knappen Hinweis auf den Inhalt der Darstellung hinzu169. In den Medaillons des "Anagogischen Fensters" wird das Konzept der Exege-se selbst vermittelt (das Verständnis der Heilsgeschichte erschließt sich in Chri-stus),, während das Moses-Fenster einzelne Szenen aus dem Leben des Moses bietet, die durch die tituli unter verschiedenen Aspekten gedeutet werden. Alle diese Deutungen haben eine lange Tradition.

Die drei Schriften Sugers, die hier behandelt wurden - Ordinatio, De consecratione, De administratione - bezeugen große Belesenheit in älterer Literatur wie in zeitgenössi-schem Schrifttum. In ihrer Bezogenheit auf die Abtei Saint-Denis und die Klosterkir-che liegt ihre wichtigste Gemeinsamkeit; sie lassen Sugers Absicht erkennen, Saint-Denis zum kultischen Mittelpunkt des Reiches zu machen: Der heilige Dionysius hat Gallien den Glauben gebracht und diese Tat durch sein Martyrium überhöht; darin liegt sein meritum sowohl vor Gott als auch für das Reich. Er ist patronus des Königs wie des Reiches; in seiner leiblichen Nähe genießt die Grablege der Könige besonde-ren Schutz. Die Ausgestaltung seiner Kirche soll den vielen Pilgern, die ihn aufsuchen, Gelegenheit geben, ihm in seinen Reliquien nahe zu kommen. De consecratione, das letzte Drittel der Ordinatio und die zweite Hälfte von De administratione sind diesem Anliegen in besonderer Weise gewidmet. Sugers Schilderung orientiert sich am Vor-bild bedeutender geistlicher Zentren. Dienst am heiligen Dionysius bedeutet jedoch auch, die Abtei seines Namens mit Sorgfalt und Tatkraft zu führen; Suger zeichnet seine Leistungen, wie es dem Typus der Lebensbeschreibung eines Reformabtes ent-spricht170. Sein Rückgriff auf viele verschiedene Texte ist Zeugnis seiner Lektüreinter-essen wie seiner persönlichen Kontakte, nicht jedoch Resultat eines Mangels an inne-rer Einheit171.

Für die Herleitung gotischer Baukunst unmittelbar aus den Lehren des Dionysius Areopagita können Sugers Schriften nicht herangezogen werden. Das bedeutet nicht, den Einfluss christlich-neuplatonischen Gedankengutes auf die Entstehung und Wahrnehmung mittelalterlicher Kunst prinzipiell zu leugnen. Lediglich im Blick auf Suger ist hier festzuhalten, dass nicht die Vermittlung von Philosophie und Theologie das Anliegen seiner Ausführungen ist, sondern der Ruhm seines Klosterpatrons und

169 Ausführlich dazu oben p. 216 ss. 170 Vorbild dafür mag die Vita Gauzlini des Andreas von Fleury sein: Andreas von Fleury, Vi-ta Gauzlini abbatis Floriacensis monasterii, ed., trad. R.-H. Bautier/ G. Labory, Paris 1969; zu dieser Vorbildrolle und zum Typus des Reformabtes s. F. G. Hirschmann, Abbé réformateur - abbé constructeur: quelques précurseurs et contemporains des Suger, Vortrag d. Deutschen Historischen Instituts, Paris, Oktober 2002, im Druck 171 G. Misch, Geschichte der Autobiographie, III: Das Mittelalter, Zweiter Teil: Das Hochmit-telalter im Anfang, l.Hälfte, Frankfurt/M. 1959, p.386

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die in dessen Dienst vollbrachten Leistungen. Welche Kriterien für mittelalterliche Bauherren und für die Auftraggeber sakraler Kunst bestimmend waren, bleibt weiter-hin in sorgfältiger Einzelanalyse zu erforschen172.

172 Die Frage, mit welchen künstlerischen Mitteln die Abteien Saint-Denis und Glastonbury ihre Vergangenheit inszenieren, untersucht in vergleichender Analyse neuerdings S.Albrecht, Die Inszenierung der Vergangenheit im Mittelalter. Die Kloster von Glastonbury und Saint-Denis, Berlin 2003

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