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Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen...

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Thomas Lippitsch Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Naturwissenschaften Studium Psychologie Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften Begutachter: Dr. Gottfried Süssenbacher Institut für Psychologie Oktober 2009
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Page 1: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Thomas Lippitsch

Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen GradesMagister der Naturwissenschaften

Studium Psychologie

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachter: Dr. Gottfried SüssenbacherInstitut für Psychologie

Oktober 2009

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Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit

selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst

erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen

Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im

Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte

sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten

bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich

signifikanterBetreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt

worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich

bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten

Versionübereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Thomas Lippitsch Villach, Oktober 2009

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Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand

Die Fähigkeit, die Belastungsintensität von Stressreizen einschätzen zu können,

stellt eine Grundvoraussetzung dar, um in weiterer Folge adäquat auf diese Reize

reagieren zu können. Werden Ereignisse systematisch unter- oder überschätzt, so

könnte dies Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben. Um diese

Hypothese zu überprüfen, wurden Biofeedbackdaten mit gleichzeitigen

Selbsteinschätzungen von Probanden verglichen und auf Zusammenhänge mit dem

Gesundheitszustand (SF 36) untersucht. Die Umsetzung erfolgte unter Annahme des

Modells der Salutogenese, da dies eine einfache Kontrolle von Störvariablen, in

Form des Kohärenzsinns (SOC Skala) sowie der Generalisierten

Widerstandsressourcen (SALUS) ermöglichte. Folgende Ergebnisse wurden erzielt:

1. Bei überwiegend gesunden Personen gibt es keine signifikanten Korrelationen

zwischen Gesundheitszustand und der Wahrnehmung von Stresszuständen.

2. Personen mit längerer Leidensgeschichte entwickeln offenbar eine gesteigerte

Wahrnehmungsfähigkeit in diese Richtung.

Die Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass eine gut ausgeprägte

Wahrnehmungsfähigkeit in Bezug auf Stresszustände, als präventiver

Gesundheitsfaktor wirksam sein könnte.

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Subjective Perception of States of Distress And How It Relates To The State of Health

The capability of assessing the impact of distressing stimuli constitutes a prerequisite

for subsequently being able to react adequately to those stimuli. The fact that certain

events are systematically under- or overestimated could have an impact on the

health state. In order to verify this assumption biofeedback data was compared to

subjects’ concurrent self-assessment and examined for correlations with the health

state (SF 36). This was realised on the basis of the salutogenesis model as it

facilitates easy monitoring of confounding variables via sense of coherence (SOC) as

well as generalised resistance resources (SALUS). The results were as follows:

3. There is no significant correlation between health state and the perception of

states of distress with predominantly healthy persons.

4. Persons with a history of suffering appear to develop an increased capability

of perception in this regard.

The results suggest that a distinctive capability of perception in the context of states

of distress could be an effective preventive health factor.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung.......................................................................................................4

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund.............................................7 2.1 Gesundheits- Krankheitsmodelle...............................................................7

2.1.1 Das Biomedizinische Krankheitsmodell................................................7

2.1.2 Das biopsychosoziale Krankheitsmodell..............................................9

2.1.3 Das Modell der Salutogenese............................................................10

2.1.4 Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie..................................13

2.2 Persönlichkeit und Gesundheit................................................................18

2.2.1 Typ-A-Verhalten..................................................................................20

2.2.2 Neurotizismus, Angst, Depression......................................................22

2.2.3 Ärger, Feindseligkeit, und Aggression................................................23

2.2.4 Negative Affektivität............................................................................25

2.2.5 Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeit, Kompetenzerwartung.......26

2.2.6 Optimismus.........................................................................................27

2.2.7 Widerstandsfähigkeit..........................................................................28

2.2.8 Kohärenzgefühl (SOC).......................................................................29

2.2.9 Konsequenzen....................................................................................32

2.3 Soziale Unterstützung und Gesundheit...................................................32

2.4 Generalisierte Widerstandsressourcen...................................................37

2.5 Psychosoziale Krankheitsätiologie und Salutogenese............................39

2.6 Physiologische Grundlagen....................................................................43

2.6.1 Homöostase, Homöodynamik und Heterostase.................................43

2.6.2 Regelkreise........................................................................................44

2.6.3 Die Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrindenachse ...........46

2.6.4 Hormone der HHNA............................................................................48

2.6.4.1 Corticotropin Releasing Hormon (CRH).......................................48

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2.6.4.2 Adrenocorticotropes Hormon (ACTH)..........................................49

2.6.4.3 Cortisol..........................................................................................50

2.6.5 HHNA und Stress...............................................................................52

2.6.5.1 Das Konzept von Selye................................................................52

2.6.5.2 HHNA und psychosozialer Stress.................................................53

2.6.5.3 HHNA und Chronischer Stress.....................................................55

2.6.6 Psychophysiologische Korrelate zur Stressreaktion..........................58

2.6.6.1 Elektrodermale Aktivität (EDA)......................................................59

2.6.6.2 Elektrische Muskelaktivität (EMG).................................................60

2.6.6.3 Blutvolumenpuls (BVP)..................................................................61

2.6.6.4 Hauttemperatur..............................................................................62

2.6.6.5 Atemaktivität..................................................................................62

2.7 Wahrnehmung ........................................................................................63

2.7.1 Somatosensorik..................................................................................64

2.7.2 Emotion und Stressreaktion...............................................................65

2.7.3 Wahrnehmungsfehler oder Fehlinterpretation ?.................................67

2.8 Stresserleben und Gesundheit................................................................68

3 Forschungsfrage und Hypothesen ..........................................................70

4 Methode......................................................................................................73 4.1 Versuchsdesign........................................................................................73

4.2 Biofeedbackmethode...............................................................................75

4.3 Berechnung des Objektiven Aktivierungswertes, Standardisierung der

Biofeedbackerte.......................................................................................80

4.4 Messung des Subjektiven Stresswertes (SAW), Selbsteinschätzung der

Probanden...............................................................................................81

4.5 Berechnung der Wahrnehmungskompetenz...........................................82

4.6 Kontrolle der Störvariablen......................................................................83

4.6.1 Kohärenzsinn......................................................................................84

2

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4.6.2 Generalisierte Widerstandsressourcen..............................................85

4.7 Gesundheitszustand ...............................................................................86

5 Ergebnisse ..................................................................................................87 5.1 Stichprobe................................................................................................87

5.1.1 Versuchsgruppe Kurgäste..................................................................87

5.1.2 Kontrollgruppe ...................................................................................88

5.2 Berechnung der Wahrnehmungskompetenz...........................................89

5.3 Auswertung des SF 36 Fragebogen zum Gesundheitszustand.............92

5.4 Auswertung Kohärenzsinn.......................................................................99

5.5 Auswertung SALUS...............................................................................102

5.6 Hypothesenüberprüfung........................................................................105

5.7 Weitere Zusammenhänge und Korrelationen........................................111

5.7.1 Alter...................................................................................................112

5.7.2 SF 36 Summenwert Körper..............................................................113

5.7.3 Selbsteinschätzung...........................................................................113

5.7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse..................................................114

6 Interpretation.............................................................................................115 6.1 Fehlerquellen.........................................................................................116

6.1.1 Biofeedback......................................................................................116

6.1.2 Stichprobe.........................................................................................116

6.1.3 Verzerrungen durch Störvariablen....................................................117

6.2 Modellerweiterung..................................................................................118

6.3 Schlussfolgerungen...............................................................................120

7 Aussichten und Anregungen...................................................................122Literatur.........................................................................................................123

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1 Einleitung

Seit Jahrzehnten ist der Begriff “Stress” ein fixer Bestandteil unserer

Alltagssprache geworden. Er bildet dabei oft eine Art Überbegriff für nicht

ganz klar abgegrenzte, negative Einflüsse, die z.B. auf Grund erhöhter

Anforderungen entstehen können. Für den Laien liegt es dabei klar auf der

Hand: Zu viel Stress schadet dem Körper und macht auf die Dauer krank.

Um diese Alltagsweisheit wissenschaftlich argumentieren zu können, werden

jährlich unzählige Forschungsarbeiten zum Thema Stress publiziert.

Die Zusammenhänge zwischen psychosozialen (Stress-) Faktoren und

physischer Gesundheit sind daher zum Teil sehr gut erforscht und

dokumentiert.

In dieser Arbeit möchte ich mich mit dem Thema der subjektiven

Einschätzung von Stressreizen beschäftigen. Betrachtet man die endlosen

Listen von Publikationen zum Thema Stress, so scheint dieser Bereich von

der Forschung eher wenig beachtet worden zu sein.

Die Grundidee dazu entstand auf Grund von Beobachtungen im Alltag

des Kurzentrums Warmbad bei Villach. Patienten deren Krankheiten als

Folgen von chronischem Stress eingeschätzt werden, müssen sich dort einem

Stresstest im Rahmen einer Biofeedbackuntersuchung unterziehen.

Ein Großteil der Patienten zeigte sich dabei verwundert über ihre körperlichen

Reaktionen, die durch das Biofeedback sichtbar wurden. Sie hatten

offensichtliche Schwierigkeiten, die physiologischen Veränderungen in der

entsprechenden Relation wahrzunehmen. Bei Befragungen unmittelbar nach

dem Stresstest kam es daher oft zu großen Differenzen zwischen subjektiv

erlebter Belastung und den begleitenden körperlichen Reaktionen.

Auch Beobachtungen im Alltag können Anlass zu der Vermutung geben, dass

ein und der selbe Reiz (z.B. Musik, Lärm, Dauerbelastung bei der Arbeit, etc.)

von unterschiedlichen Personen als unterschiedlich belastend empfunden

wird.

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Aus gesundheitlicher Sicht stellt sich hier die Frage, ob Reize, die als

wenig belastend wahrgenommen werden, auch tatsächlich eine geringere

belastende Wirkung auf unseren Körper haben. Die Möglichkeit einer

verzerrten bzw. vielleicht “verlernten” Wahrnehmung und die damit

verbundenen Fehlinterpretationen und Fehlreaktionen könnten weitreichend

gesundheitliche Folgen haben. Im Extremfall könnte es zu einer andauernden

Reizkonfrontation mit den damit verbundenen körperlichen Reaktionen

kommen, was langfristig die Entstehung “stressbedingter” Folgekrankheiten

bewirken bzw. Begünstigen könnte. In einer Studie der Kansai Medical

University in Osaka findet man Ergebnisse, die die Gültigkeit dieser Annahme

unterstreichen. So konnte nachgewiesen werden, dass Menschen die an klar

definierten und abgrenzbaren stressbedingten Folgeerkrankungen leiden, die

belastende Wirkung eines Reizes (“objektiv” gemessen im Biofeedback)

einerseits entweder unter- oder überschätzen, andererseits signifikant

schlechter einschätzen können als gesunde Testpersonen. (Kanbara, Mitani,

Fukunaga, Ishino, Takebashi & Nakai, 2005)

Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich die theoretischen Grundlagen, für

das Verständnis der Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen

psychosozialen Faktoren und körperlichen Veränderungen dokumentieren.

Dabei werde ich besonders auf die Stellung und Relevanz der subjektiven

Wahrnehmung von Stressreizen eingehen.Im Rahmen einer

Biofeedbackuntersuchung möchte ich anschließend, die aus der

theoretischen Aufarbeitung entstandenen Hypothesen überprüfen.

Zu Beginn der Arbeit steht eine Zusammenfassung der zu Grunde

liegenden Krankheitsmodelle sowie dem Modell der Salutogenese . Darauf

aufbauend wird das Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie und

schließlich ein Modell zum Stressprozess und dessen Auswirkungen auf die

Gesundheit dargestellt (Kapitel 2.1)

In den anschließenden Kapiteln (2.2 bis 2.5) werden die einzelnen

Komponenten dieser Modelle, wie Persönlichkeitseigenschaften und soziale

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Unterstützung und deren Relevanz für diese Arbeit erörtert. Die daraus

gewonnenen Erkenntnisse werden in die zuvor dargestellten Modelle

integriert und führen schließlich zu einer Modifikation der ursprünglichen

Modelle. Das Stressprozess-Modell von Faltermaier (2005) wird unter dem

Paradigma der Salutogenese neu durchdacht.

Um ein Verständnis der einzelnen Prozesse auf körperliche Ebene zu

ermöglichen, werden in Kapitel 2.6 wichtige physiologische Regelkreise auf

neuroendokriner Ebene, sowie deren Zusammenhänge mit dem

Immunsystem bzw. dem Gesundheitszustand im Allgemeinen vorgestellt.

In Kapitel 2.7 beschäftige ich mich mit der Wahrnehmung der

Stressreaktion und der Rolle von Emotionen in diesem Prozess.

Eine anschließende Zusammenfassung führt schließlich zur

Forschungsfrage und den zu überprüfenden Hypothesen (Kapitel3)

Im vierten Kapitel werden die angewandte Untersuchungsmethode,

sowie die einzelnen verwendeten Untersuchungsinstrumente dargestellt.

Dabei wird unter anderem auch auf die Biofeedbackmethodik, sowie deren

Grundlagen eingegangen.

In den abschließenden Kapiteln werden die Ergebnisse dargestellt und

die Relevanz bzw. Gültigkeit der Resultate diskutiert.

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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

2.1 Gesundheits- Krankheitsmodelle

Will man die Rolle bzw. den Stellenwert der subjektiven Stresswahrnehmung

für die Gesundheit untersuchen, so setzt dies die Abklärung und Abgrenzung

verschiedener Grundbegriffe voraus. Beginnen möchte ich dabei mit dem

dieser Arbeit zu Grunde liegenden Krankheitsmodell. Dieses möchte ich

anschließend durch eine grundlegende Abhandlung der Stressreaktion

erläutern. Anschließend werde ich klären, was im Sinne dieser Arbeit und im

Einklang mit dem verwendeten Krankheitsmodell als krank bzw. als gesund

betrachtet wird, bzw. welche Krankheitsbilder im Zuge der folgenden

Untersuchung von besonderer Bedeutung sind.

2.1.1 Das Biomedizinische Krankheitsmodell

Das Biomedizinische Krankheitsmodell prägt seit der naturwissenschaftlichen

Wende im 19. Jahrhundert sämtliche Theorien und Forschungstätigkeiten im

Bereich der Medizin. Grundlegende Bedeutung hat dabei die Theorie, dass

Krankheiten, Reaktionen des Körpers auf spezifische Ursachen (Pathogene)

sind. Diese Ursachen können von der Medizin beseitigt werden, was

schließlich zum Abklingen der Erkrankung führt. Die Gültigkeit dieses Modells

lässt sich im Bereich von Infektionskrankheiten nachvollziehen, wo eine

Gesundung im Allgemeinen durch die Bekämpfung eines Krankheitserregers

erreicht wird.Während der Körper im Sinne dieses Modells als eine Art

Maschine und in Folge dessen Gesundheit als normgerechte Funktion

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betrachtet wird, rückt der Mensch im ganzheitlichen Sinne in den Hintergrund.

Er wird vielmehr zum passiven Träger eines Symptoms, welches von außen,

durch die Zugabe des passenden Medikaments bzw. die angemessene

Therapie beseitigt wird. Psychische oder soziale Faktoren werden dabei

ausgeklammert.

Wie wir heute wissen stellt dieses Modell eine starke Vereinfachung

der Realität dar. Die strikte Trennung von Körper und Psyche ist nur mit

Einschränkungen sinnvoll - das Wechselspiel zwischen Immun- und

Hormonsystem, auf das an anderer Stelle noch eingegangen wird, ist z.B. ein

eindrucksvoller Beweis dafür. Individuelle Phänomene, z.B. die Frage warum

manche Personen unter körperlich objektiv gleichen Bedingungen schneller

gesund werden als andere, können auf Grundlage des Biomedizinischen

Modells nicht erklärt werden. Im Vergleich zu zahlreichen anderen

Phänomenen wie z.B. Konversionssymptomen, Placeboeffekten oder

Heilungsritualen aus anderen Kulturkreisen erscheint diese Fragestellung

relativ einfach, sie ist aber immerhin ausreichend um die Grenzen des

Modells aufzuzeigen.

Die Rolle der subjektiven Wahrnehmung verschiedener Stressreize ist

im Sinne des biomedizinischen Krankheitsmodells nicht von Bedeutung. Der

Wahrnehmung als psychologischem Phänomen wird keine Bedeutung für den

Gesundheitszustand zugeschrieben. Im Allgemeinen besteht jedoch die

Tendenz das Modell um eine psychische und eine soziale Dimension zu

erweitern. Die Grundannahmen des Modells werden dabei nicht gänzlich

verworfen, sie bilden eine Art Grundgerüst für das von Engel (1979)

formulierte biopsychosoziale Krankheitsmodell.

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2.1.2 Das biopsychosoziale Krankheitsmodell

Eine Erweiterung des biomedizinischen Krankheitsmodells erscheint durch

eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren notwendig. Während Krankheiten

sich oftmals auf der somatischen Ebene abspielen, ist bei der Erfassung der

Symptome, sowie der Reaktion darauf prinzipiell eine psychische

Komponente beteiligt. Menschen unterscheiden sich darin, wie sie

Krankheitszustände wahrnehmen und wie sie mit den wahrgenommenen

Symptomen umgehen. Gleichzeitig beeinflussen die Lebensumstände eines

Menschen auch seine Gesundheit. Stress ist in diesem Zusammenhang ein

gewichtiger Faktor, der alleine schon ausreicht, um eine Erweiterung des

biomedizinischen Krankheitsmodells notwendig zu machen.

Das biopsychosoziale Krankheitsmodell spiegelt die Annahme wider, dass

praktisch alle Krankheiten auf biologischer, psychologischer, sowie sozialer

Ebene betrachtet werden können. Da sich die Definition von Gesundheit der

WHO am biopsychosozialen Krankheitsmodell orientiert, findet man diese drei

Ebenen auch hier:

Gesundheit ist der Zustand eines vollkommenen körperlichen,

seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit

von Krankheit und Gebrechen. (Faltermaier, 2005, S.33)

Die Frage nach der Rolle der Selbstwahrnehmung, bzw. der Wahrnehmung

von Stress, sowie der Zusammenhänge mit eventuellen stressinduzierten

Erkrankungen lässt sich in diesem Modell gut positionieren.

Die Wahrnehmung von körperlichen Reaktionen ist ebenfalls von allen drei

Ebenen des biopsychosozialen Modells abhängig. Es handelt sich dabei

vermutlich um eine wechselseitige Beeinflussung von Faktoren, die den

verschiedenen Bereichen zugeordnet werden können. Grundvoraussetzung

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ist dabei ein Reiz, der eine körperliche Reaktion, im Sinne dieser Arbeit eine

Stressreaktion, auslöst. Dieser Reiz kann außerhalb, z.B. auf der sozialen

Ebene, oder innerhalb, also auf psychischer oder körperlicher Ebene, der

betroffenen Person stattfinden. Während die Wahrnehmung der Reaktion auf

der psychischen Ebene stattfindet, wird sie wiederum von körperlichen bzw.

sozialen Faktoren beeinflusst. Einerseits kann sich die Art der Reaktion z.B.

durch Dauerbelastung verändern, andererseits könnte es durchaus möglich

sein, dass durch soziale Anpassung ein korrektes Wahrnehmen körperlicher

Signale verlernt wird, z.B. um den gesteigerten Anforderungen des Alltags

gerecht zu werden.

2.1.3 Das Modell der Salutogenese

Wie später noch gezeigt wird, hat Aaron Antonovskys Modell der

Salutogenese (Faltermaier, 2005, S.63 - 71) gegenüber den oben

beschriebenen Modellen einige Vorteile, wenn es darum geht, die Rolle der

Wahrnehmung für den Gesundheitszustand isoliert zu betrachten. Dies hängt

zunächst weniger mit dem damit verbundenen Paradigmenwechsel, sondern

vielmehr mit seiner Einfachheit und Geradlinigkeit zusammen.

Antonovsky propagiert mit dem Modell der Salutogenese einen Wechsel, von

der Fragestellung was einen Menschen krank macht, hin zur Frage, was

einen Menschen gesund hält. Welche Eigenschaften oder Umstände gibt es

im Leben jener, die trotz widriger Einflüsse gesund bleiben, während andere

unter den selben Einflüssen erkranken? Antonovsky begegnet dabei dem

zentralen Thema in Form einer relativ einfachen Lösung. Während die oben

beschriebenen Krankheitsmodelle versuchen, Gesundheit und Krankheit klar

zu definieren, schlägt er die Annahme eines Gesundheits-Krankheits-

Kontinuums vor.

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Dabei stehen sich die absolute Gesundheit auf der einen Seite und die

absolute Erkrankung auf der anderen Seite gegenüber. Jeder Mensch

befindet sich mit seinem Gesundheitszustand irgendwo auf dem dazwischen

liegenden Kontinuum. Zentrales Interesse erlangt hierbei die Frage, was eine

Bewegung auf diesem Kontinuum verursacht, bzw. wie man sich in Richtung

Gesundheit bewegen kann.

Im Rahmen des Salutogenese- Modells kommt dem Stressgeschehen

eine sehr hohe Bedeutung zu. Antonovsky erkannte, dass Stress sowohl

pathogene als auch salutogene Wirkungen haben kann.

Betrachtet man Anpassungsmechanismen, wie z.B. die Superkompensation

im muskulären Bereich, so liegt die Überlegung nahe, das ähnliche Strategien

des Organismus auch auf anderen Ebenen, wie z.B. dem Nerven- oder

Immunsystem vorkommen. Wesentlich ist dabei, wie auch spätere Arbeiten

von Dienstbier und Pytlik Zillig (2002 ) zeigen, dass sich Belastungen in einer

Intensität bewegen, die vom Organismus prinzipiell bewältigt werden kann.

Die Bewältigung solcher Stressoren bedeutet für den Organismus eine Art

von Weiterentwicklung. Er wird späteren Belastungen folglich anders

begegnen, als nach einer vorangegangenen Erfahrung von Misserfolg oder

Hilflosigkeit.

Antonovsky ging nun konsequenterweise der Frage nach, welche

Eigenschaften Menschen aufweisen, die sich in Stresssituationen häufig

bewähren konnten. Dabei stieß er einerseits auf Faktoren, wie konstitutionelle

und psychosoziale Ressourcen, die er als “generalisierte

Widerstandsressourcen” zusammenfasste. Andererseits stellte er fest, das

auch die Überzeugung von der Sinnhaftigkeit und Verstehbarkeit des Lebens

eine wichtige Rolle spielt, nicht zuletzt wenn es darum geht die generalisierten

Widerstandsressourcen passend einzusetzen. Diese grundlegenden

Überzeugungen fasste Antonovsky unter dem Begriff des Kohärenzgefühls

zusammen.

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Grafisch lässt sich das Modell der Salutogenese vereinfacht folgend

darstellen (Abbildung1).

Generalisierte Widerstandsressourcen, Lebenserfahrungen und das

Kohärenzgefühl stehen in Wechselwirkung und sind ausschlaggebend dafür,

wie mit Stressoren umgegangen wird. Ein erfolgloser Versuch der

Spannungsbewältigung wirkt sich negativ auf den Gesundheitszustand aus,

erfolgreiche Spannungsbewältigung führt hingegen zu einer Bewegung auf

dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in Richtung Gesundheit.

Das biopsychosozialen Krankheitsmodell nähert sich dem Stressprozess mit

Hilfe des Modells der psychosozialen Krankheitsätiologie. Bei der folgenden

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Abbildung 1: Modell der Salutogenese, vereinfacht nach Antonovsky (1979)

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Abhandlung dieses Modells möchte ich beginnen, die Rolle der

Stresswahrnehmung hervorzuheben. Anschließend sollte es gelingen die

wesentliche Aspekte der vorgestellten Theorien hervorzuheben.

2.1.4 Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie

Will man die Zusammenhänge zwischen dem Gesundheitszustand einer

Person und den von ihr erlebten psychosozialen Umständen untersuchen, so

scheint es zunächst sinnvoll, diese in Form eines Modells darzustellen, um

anschließend die einzelnen Komponenten genauer betrachten zu können.

Das im Folgenden dargestellte Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie

beschreibt diese Zusammenhänge sehr grundlegend (Abbildung2).

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Stressoren, wie z.B. Arbeitsbelastungen oder Lebensereignisse, sind

offensichtlich ein wesentlicher Faktor. In Abhängigkeit von den verfügbaren

Copingstrategien und den jeweiligen sozialen Umständen führen sie zu

Risikoverhalten oder können direkt psychophysiologische Mechanismen, z.B

Immunreaktionen auslösen.

Ein weiterer zentraler Faktor in diesem Modell sind

Persönlichkeitsmerkmale. Diese stehen in engem Zusammenhang mit den

Stressoren, weil sie sich z.B. auf Copingstrategien, Zuschreibungsstrategien,

Sozialverhalten usw. auswirken. Außerdem können sie das Risikoverhalten

sowie psychophysiologische Mechanismen direkt beeinflussen.

Unter Risikoverhalten werden hier alle möglichen, gesundheitlich riskanten

14

Abbildung 2: Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie, modifiziert

nach Faltermaier (2005, S. 59). Dieses Modell stellt dar, wie sich

Persönlichkeitsmerkmale und Stressoren aus dem Lebensumfeld auf

den Gesundheitszustand auswirken.

Page 19: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Verhaltensweisen, wie z.B Rauchen, Bewegungsmangel oder Alkoholkonsum

verstanden. Diese können psychophysiologische Mechanismen verändern,

was kurz- oder langfristig zur Entstehung von Krankheiten führen kann.

Das Modell beschreibt die Zusammenhänge zwischen psychosozialen

Faktoren und unserer Gesundheit so grundlegend, dass es in gewisser

Weise den Stand unseres Alltagswissens widerspiegelt. In unserer

Gesellschaft scheint die Annahme, dass bestimmtes Risikoverhalten die

Entstehung von Krankheiten ebenso begünstigt, wie bestimmte

Persönlichkeitseigenschaften oder belastende Alltagserlebnisse, weit

verbvreitet zu sein.

Bei genauerer Betrachtung stellen sich diese Zusammenhänge

wesentlich komplexer, komplizierter und zum Teil auch gar nicht so

selbstverständlich dar. So können sich zwischen einzelnen Komponenten

des Modells Feedbackschleifen (Teufelskreise) bilden, die den Prozess in

seinem Ablauf beeinflussen können. (z.B. Persönlichkeitseigenschaften und

soziales Umfeld, Stress und Krankheit)

Geht man davon aus, dass jede Anforderung, auf die ein Mensch trifft

und die seinen Organismus auch nur im geringsten fordert, eine

Stressreaktion auslöst (also im Sinne von Selye, 1953), so erscheint es

sinnvoll, die Rolle eben dieser Stressreaktion im Gesundheits- bzw.

Krankheitsprozess näher zu betrachten. Stellt man die Stressreaktion in den

Mittelpunkt und baut alle anderen relevanten Faktoren rundherum auf, so

erhält man ein sehr komplexes Modell, mit welchem man die

Zusammenhänge zwischen psychosozialen Faktoren und der Entstehung von

Krankheiten gut beschreiben kann. Grundlage dafür ist das bei Faltermaier

(2005) beschriebene Modell des Stressprozesses.

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Die Modelldarstellung in Abbildung 3 berücksichtigt die oben genannten

Faktoren zum einen detaillierter, zum anderen stellt sie in mehreren Punkten

eine Erweiterung des Modells der psychosozialen Krankheitsätiologie dar.

Im Sinne dieser Arbeit ist die Erweiterung um den Faktor “subjektive

Bedeutung und kognitive Bewertung” besonders wichtig, weil

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Abbildung 3: Stressprozess, modifiziert nach Faltermaie (2005, S. 83 ) Dieses Modell

berücksichtigt sowohl Faktoren aus dem Bereich der Persönlichkeitspsychologie, als

auch Einflüsse, die aus dem sozialen Umfeld erwachsen. Die Wahrnehmung spielt

eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Situationen zu bewerten. Sie wirkt sich daher

einerseits auf emotionaler Ebene, andererseits auf der Verhaltensebene aus.

Zusätzlich kann es (bereits vor einer bewussten Wahrnehmung) zu Auswirkungen auf

verschiedene physiologische Prozesse kommen.

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diesem Bereich auch die Rolle der Wahrnehmung von Stressoren bzw. die

Selbsteinschätzung der Intensität der eigenen körperlichen Reaktion

zugeordnet werden kann. Hier wird deutlich, dass prinzipiell zwei

verschiedene Wahrnehmungsprozesse unterschieden werden müssen. Zum

einen findet die Wahrnehmung des Stressors, z.B. in Form eines visuellen

oder auditiven Reizes statt. Wollen wir anschließend bewerten, wie belastend

der wahrgenommene Reiz für uns ist, so ist es notwendig die eigene

körperliche Reaktion auf den Reiz wahrzunehmen. Die Genauigkeit dieser

Wahrnehmung kann die subjektive Bedeutung, bzw. die kognitive Bewertung

einer Situation bzw. eines Stressors beeinflussen. Mangelhafte

Wahrnehmung könnte, z.B. bei chronischem Stress, langfristig inadäquate

Bewältigungsstrategien bewirken.

Um die Frage beantworten zu können, ob es direkte Zusammenhänge

zwischen Gesundheitszustand und Wahrnehmung gibt, möchte ich vorerst

genauer auf die einzelnen Komponenten des oben gezeigten Modells

eingehen. Wie und warum sich unsere Wahrnehmung verändern kann, sowie

die genauen Auswirkungen davon, wird im anschließenden Kapitel erörtert.

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2.2 Persönlichkeit und Gesundheit

Können bestimmte Persönlichkeitseigenschaften den Gesundheitszustand

einer Person beeinflussen? Welche Auswirkungen hat die Persönlichkeit

eines Menschen auf den Verlauf einer Krankheit? Gibt es Eigenschaften, die

eine schnellere Heilung begünstigen? Können bestimmte

Persönlichkeitseigenschaften vielleicht gar einen Schutzfaktor gegen

Erkrankungen darstellen ?

Laut Schwenkmezger & Schmidt (1994, S. 47 - 61) hat sich ein

Großteil der Forschung der empirischen Seite zugewandt, während die

Theorienbildung zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Krankheit

vergleichsweise in den Anfängen steckt. Als Beispiel nennt er dabei das Typ-A

Verhalten, das rein aus empirischer Beobachtung heraus formuliert wurde und

dessen theoretische Aufarbeitung erst begonnen wurde, als konträre Befunde

dessen Bedeutung als ätiologischen Faktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

in Frage stellten. Während es einige, mittlerweile etablierte

Modellvorstellungen gibt, weiß man relativ wenig über die entsprechenden

spezifischen Wirkmechanismen bzw. über die Art der zugrunde liegenden

Interdependenzen.

Im Sinne der folgenden Biofeedback - Studie ist es relevant, die Rolle

von Persönlichkeitseigenschaften im Hinblick auf den Gesundheitszustand zu

diskutieren. Wenn es Persönlichkeitseigenschaften gibt, die allgemein oder

vielleicht auch zu bestimmten Krankheiten prädispositionieren, so müssen sie

erhoben werden, um eine Verzerrung des Ergebnisses zu vermeiden.

So könnte es durchaus sein, dass eine hervorragende Körper- bzw.

Stresswahrnehmung durch das Vorhandensein bestimmter

Persönlichkeitseigenschaften im Hinblick auf den Gesundheitszustand

kompensiert wird. Das Untersuchungsergebnis wäre in diesem Falle nicht

mehr sehr aussagekräftig.

18

Page 23: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Erste Versuche, die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit und

Krankheit zu erklären, wurden durch psychosomatische

Persönlichkeitstheorien unternommen. Diese Theorien bauen auf das von

Freud untersuchte Konzept der Konversion auf, wonach ein unbewusster

Konflikt auf somatischer Ebene seinen Ausdruck findet (Faltermaier, 2005).

Die in diesem Zusammenhang formulierten Theorien erscheinen teilweise

etwas spekulativ, eine empirische Untersuchung ist methodisch schwer

umsetzbar. Sie stellen jedoch den Ausgangspunkt für die folgenden

Forschungsarbeiten dar.

Einen im Sinne der Persönlichkeitspsychologie “klassischen” Versuch das

Thema zu bearbeiten stellt die Modellbildung mit Hilfe von Typologien dar. Die

dahinter stehende Idee ist auf Grund des praktischen Nutzens und der

strukturellen Einfachheit verlockend:

Jemand, der bestimmte Eigenschaften aufweist kann einem

bestimmten Typ zugeordnet werden und hat dann die dem Typen

entsprechenden Krankheitsrisiken zu tragen. In diesem Sinne wurden

verschiedene Typologien erstellt. Neben dem Typ-C-Konzept oder der

Typologie nach Grossarth-Maticek und Eysenck stellt das Typ-A-Verhalten

wohl den bekanntesten Versuch in diese Richtung dar.

Die Relevanz dieser Typologien für die vorliegende Arbeit, möchte ich im

Folgenden an Hand des Typ-A-Verhaltens diskutieren.

19

Page 24: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.2.1 Typ-A-Verhalten

Typ-A-Verhalten beschreibt einen durchaus mehrdimensionalen Verhaltens-

und Eigenschaftskomplex, der im Zusammenhang mit der Entstehung von

Herz-Kreislauferkrankungen steht, bzw. stehen soll.

Personen, die dem Typ-A-Verhalten zuzuordnen sind, charakterisieren sich

durch..... ehrgeiziges Leistungsstreben, Rivalität, Reiz und Erregbarkeit,

Aggressivität, Feindseligkeit gegenüber anderen, Hast, Ungeduld und

Zeitdruck, aber auch Ausdrucksmerkmale wie eine explosive, laute und

schnelle Sprechweise, häufiges Gestikulieren sowie abrupte

Einwortreaktionen (wie “Nie!“, “Absolut!”, “Definitiv!“) (Schwenkmezger &

Schmidt, 1994, S.49 - 50) .

Das Typ-A-Verhalten wurde zunächst mit Hilfe eines strukturierten

Interviews (SI, entwickelt von Rosenman, 1978) , bzw. durch Fragebogen

(z.B. Jenkins Activity Survey, JAS) erhoben. Das SI stellt dabei die valideste

Methode dar, in deren Rahmen auch charakteristische Merkmale wie die

sprachliche Ausdrucksweise beurteilt werden können. Für Untersuchungen

mit großen Stichproben bedeutet das SI jedoch einen erheblichen Aufwand.

An dessen Stelle angewendete Fragebögen korrelieren mit dem SI jedoch

teilweise schlecht. Dies dürfte laut Schwenkmezger allerdings nicht der

einzige Grund sein, warum sich Untersuchungsergebnisse, die das

Vorhandensein des Faktors Typ-A-Verhalten bestätigen, schwer replizieren

lassen.

Stellt man sich die Frage, wie genau z.B. eine schnelle und laute

Sprechweise im Zusammenhang mit der Entstehung von Herzkrankheiten

steht, so erreicht man mehr oder weniger schnell die Grenzen des Konstrukts.

Man hat es hier eher mit empirisch beobachteten Zusammenhängen zu tun,

denen eine genauere Theorie über die Art der Wirkweisen jedoch weitgehend

fehlt. Dies ist wenig verwunderlich, wenn man das Entstehungsdatum der

20

Page 25: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Theorie ,1974, berücksichtigt.

Die laute Sprechweise, als beobachtbares “Symptom”, weist auf bestimmte

Persönlichkeitseigenschaften hin, welche wiederum einen Zusammenhang

mit einer Tendenz zu bestimmten körperlichen Reaktionsweisen haben

können. Diese körperlichen Reaktionsweisen stehen über eine

Feedbackschleife mit dem Nervensystem bzw. Gehirn in Verbindung und

erzeugen ihrerseits wiederum Veränderungen durch

Konditionierungsprozesse. Gleichzeitig gibt es aber auch Interaktionen mit

dem Immunsystem . Diese in den Bereich der Psychoneuroendokrinologie

fallenden Zusammenhänge zu untersuchen wäre zum Zeitpunkt der

Entstehung der Theorie unmöglich gewesen.

Betrachtet man die einzelnen Komponenten des Typ-A-Verhaltens, so

drängt sich der Verdacht auf, dass den als Merkmale beschriebenen

Verhaltensweisen in Wirklichkeit einige wenige latente Variablen zu Grunde

liegen. Eine Reduktion auf diese einzelnen Variablen bringt dabei

wesentliche Vorteile mit sich:

● Für einzelne Variablen lassen sich wesentlich bessere theoretische

Konzepte erstellen. Die spezifischen Wirkweisen (z.B. in Form von

Konditionierungsprozessen) können gezielt untersucht werden. Dies

bedeutet, dass auch wesentlich validere Erhebungsinstrumente zum

Einsatz kommen können. Stellt sich der Faktor Feindseligkeit, Ärger

Aggressivität, (wie es tatsächlich auch ist) als relevant heraus, so kann

dieser sehr gezielt mit Hilfe eines entsprechenden

Persönlichkeitsfragebogens erhoben werden.

● Während das Typ-A-Verhalten auf die Entstehungsbedingungen von

Herz-Kreislauferkrankungen hinweist, ist es möglich, durch die

Untersuchung und Kombination entsprechender einzelner Faktoren

Zusammenhänge mit anderen Krankheitsbildern herzustellen und diese

letztlich auch theoretisch zu erklären.

Im Folgenden möchte ich daher einige gesundheitsrelevante Konstrukte aus

21

Page 26: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

dem Bereich der Persönlichkeitspsychologie diskutieren.

2.2.2 Neurotizismus, Angst, Depression

Schwenkmezger und Schmidt (1994) zitieren Metaanalysen von Friedman

und Booth-Kelley (1987), wonach sich die Faktoren Angst und Depression,

neben Ärger, Aggression und Feindseligkeit als gute Prädiktoren von

Erkrankungen, insbesondere der KHK erweisen. Generell können sich

negative Emotionen hemmend auf die Immunaktivität auswirken, was zu einer

erhöhten Vulnerabilität führen kann (Faltermaier, 2005).

Die Zusammenhänge zwischen Neurotizismus und Gesundheitszustand sind

jedoch auch kritisch zu betrachten.

Schwenkmezger (1994) wendet ein, dass Neurotizismus und dessen

Bezugsvariablen vor allem dann hoch mit Erkrankungen korrelieren, wenn

subjektive Krankheitsindikatoren, also Selbstberichte der Patienten, als

Kriterium herangezogen werden. Die Ergebnisse stellen somit ein

methodisches Artefakt dar, weil die Fragestellungen in Neurotizismus-, Angst-

und Depressionsfragebögen teilweise ähnlich sind wie Fragebögen über den

Gesundheitszustand. Wesentlich geringere Korrelationen gibt es zwischen

Neurotizismus und objektiven Krankheitskriterien ( vgl. auch Watson &

Pennebaker, 1989).

Neurotizismus kann generell als ein Indikator für Unangepasstheit

aufgefasst werden und steht daher tendenziell im Zusammenhang mit

riskanten Verhaltensweisen. Ein Zusammenhang mit Krankheit und erhöhter

Mortalität kann daher auch indirekt, über riskantes Verhalten ( z.B.

Drogenmissbrauch, erhöhte Unfallgefahr) hergestellt werden. Diese Theorie

wurde in neueren Untersuchungen von Marks et al (2000)1 bestätigt.

1 zitiert in Faltermaier (2005)

22

Page 27: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Eine weitere Erklärung für die Zusammenhänge zwischen

Neurotizismus und Erkrankungen findet sich in der Tatsache, dass Menschen

mit einer hohen Ausprägung dieser Eigenschaft die Tendenz aufweisen, sich

früher in ärztliche Betreuung zu begeben und sie daher leichter erfassbar sind

(Schwenkmezger & Schmidt, 1994).

Neben diesen zahlreichen kritischen Ansätzen und Einwänden

bleiben zwei Faktoren bestehen, die ausreichen, um die Relevanz des

Konstruktes aufrecht zu erhalten:

1. der anfangs zitierte Zusammenhang zwischen negativer Affektivität und

Immunsystem,

2. die Tatsache, dass Personen mit hohen neurotischen Ausprägungen

stressanfälliger sind (Schwenkmezger & Schmidt, 1994, S. 53 - 54). Die

negativen Auswirkungen von erhöhter Stressanfälligkeit sind durch das

Modell des Stressprozesses nachvollziehbar (Faltermaier, 2005, S.83).

Aus diesen Gründen ist es auch im Rahmen dieser Arbeit unerlässlich, dem

Konstrukt Neurotizismus Beachtung zu schenken. Im Rahmen der folgenden

Biofeedbackuntersuchung ist es notwendig, Neurotizismus, sowie die damit

verbundene negative Affektivität in irgend einer Form zu erheben, um eine

Verzerrung der Ergebnisse verhindern zu können.

2.2.3 Ärger, Feindseligkeit, und Aggression

Ärger, Feindseligkeit und Aggression sind sehr eng miteinander verbunden.

Ärger kann als eine spezifische Emotion aufgefasst werden, die einer

Aggression, einer zielgerichteten Handlung voraus geht. Feindseligkeit

wiederum ist eine durch Ärger, Zorn und Geringschätzung geprägte

Einstellung gegenüber anderen Personen oder Objekten (Schwenkmezger &

Schmidt,1994, S.54).

23

Page 28: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Eine Disposition zu Ärger, Feindseligkeit und Aggression kann sich

sowohl direkt als auch indirekt auf den Gesundheitszustand auswirken.

Direkte Beeinflussung bedeutet, dass es zu einer Veränderung

physiologischer Parameter auf Grund der Persönlichkeitsdisposition kommt.

Eine sehr weit verbreitete Theorie in diesem Zusammenhang ist, dass

unterdrückter Ärger zu erhöhtem Blutdruck führt und somit die Entstehung

einer koronaren Herzerkrankung begünstigt (Alexander, 1939)2 .

Ein indirekter Zusammenhang besteht durch Auswirkungen auf das

Gesundheitsverhalten. Hohe Feindseligkeit korreliert demnach schicht- und

geschlechtsunabhängig mit einer Tendenz zu Nikotin-, Alkohol- und

Drogenkonsum (Scherwitz & Rugulies, 1992)3.

Insgesamt handelt es sich sicherlich um eine für den

Gesundheitszustand relevante Perönlichkeitsdisposition. Interessant erscheint

dabei auch die Frage nach Zusammenhängen zwischen Ärger und der in

dieser Arbeit untersuchten Selbstwahrnehmung in Bezug auf Stress. So

könnte z.B. eine durch Ärger verursachte, chronische Erhöhung

physiologischer Parameter die Stresswahrnehmung beeinflussen und

langfristig zu einer Art von Abstumpfung führen. Weitere Spekulationen

könnte man über indirekte Zusammenhänge, durch eine Beeinflussung des

Sozialverhaltens und damit auch der sozialen Umgebung anstellen. Eine

Disposition zu Ärger und Feindseligkeit könnte sich negativ auf das soziale

Netz einer Person auswirken, was der Schwächung einer wichtigen

gesundheitserhaltenden Ressource gleichkommt. Soziale Isolation oder

mangelnde soziale Unterstützung korrelieren eindeutig mit erhöhtem

Krankheitsrisiko und verkürzter Lebensdauer (Ryff & Singer, 2002, S. 541 –

555). In diesem Zusammenhang ist es naheliegend, den Gedanken über die

Bildung einer negativen, sich selbst verstärkenden Spirale zu verfolgen.

2 zitiert in Schwenkmezger & Schmidt, 1994, S. 54

3 zitiert in Schwenkmezger & Schmidt, 1994, S.54

24

Page 29: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass sich positive Affektivität, (also

Freude) nicht nur förderlich auf das soziale Verhalten, sondern auch auf die

kognitiven Fähigkeiten einer Person auswirkt. So kommt es z.B. durch eine

vermehrte Dopamin- Ausschüttung zu einer erhöhten Kreativität und

Flexibilität bei Problemlösungen (Isen, 2002), was eine wesentliche

zusätzliche Erweiterung gesundheitserhaltender Ressourcen sein könnte.

Fehlen diese positiven Affekte und Erfahrungen, so ist es naheliegend, dass

auch die Reaktionen der Umwelt tendenziell negativ sein werden, was zu

einer Verstärkung negativer Affektivität führt.

2.2.4 Negative Affektivität

David Watson und James W. Pennebaker (1989) gehen in einer interessanten

Arbeit davon aus, dass den oben genannten Dimensionen Neurotzismus,

Angst, Depressivität, Ärger und Feindseligkeit eine gemeinsame negative

Affektivität zugrunde liegt.

Ihnen zufolge gibt es drei Möglichkeiten, wie negative Affektivität mit dem

Gesundheitszustand in Verbindung stehen kann:

1. Psychosomatische Theorien beschreiben die Auswirkungen negativer

Affektivität auf den Gesundheitszustand. In diesem Sinne gibt es zahlreiche

Untersuchungen, z.B. in Hinblick auf erhöhten Blutdruck oder KHK. Laut den

Studien von Watson und Pennebaker (1989) darf der Zusammenhang

zwischen negativer Affektivität und Krankheit bei weitem nicht als

selbstverständlich angenommen werden. Negative Affektivität ist demnach

nicht mit objektiven Kriterien von Herzerkrankungen korreliert. Weiters gibt es

Studien, denen zufolge negative Emotionalität entgegen den Erwartungen

leicht mit niedrigerem Blutdruck korreliert.

25

Page 30: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Dies zeigt einmal mehr die Komplexität der untersuchten Zusammenhänge

auf. Psychosomatische Theorien erscheinen in unserem “Alltagsdenken” oft

als naheliegend, wodurch die Gefahr steigt, sie unhinterfragt als

selbstverständlich anzunehmen.

2. Krankheit kann negative Affektivität (NA) hervorrufen. Vor allem bei

andauernden körperlichen Beschwerden kann es zu Veränderungen der

Persönlichkeit insbesondere zur Erhöhung negativer Affektivität kommen. NA

ist in diesem Sinne als eine Krankheitsfolge zu betrachten.

3. Negative Affektivität kann die Wahrnehmung verschiedener

Krankheitssymptome beeinflussen. Wie bereits oben unter “Neurotizismus”

beschrieben besteht die Tendenz, dass Menschen mit größerer NA mehr

Beschwerden über ihren körperlichen Zustand äußern.

2.2.5 Kontrollüberzeugung, Selbstwirksamkeit, Kompetenzerwartung

Kontroll- und Selbstwirksamkeitserwartungen, die Erwartungen einer Person,

selbst zu ihrem Gesundheitszustand beitragen zu können, sowie die

Überzeugung die Kompetenz zur Umsetzung eines Gesundheitsverhaltens zu

haben, sind laut Faltermaier (2005) die Determinanten vieler

gesundheitsbezogener Aktivitäten. Schwarzer bietet mit dem Prozessmodell

gesundheitsbezogenen Handelns eine Erklärung dafür, wie sich diese

Dispositionen auf unser Gesundheitsverhalten und damit letztlich auch auf die

Gesundheit auswirken (Schwenkmezger & Schmidt, 1994).

Um ein adäquates Gesundheitsverhalten zu zeigen, muss dem Modell zu

Folge einerseits eine Gesundheitsbedrohung als schwerwiegend und mit

hoher Auftrittswahrscheinlichkeit wahrgenommen werden. Andererseits muss

26

Page 31: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

die Person daran glauben mit ihrem Verhalten etwas bewirken zu können

(Kompetenzerwartung) und das geplante Verhalten muss als wirksame

Maßnahme eingeschätzt werden (Konsequenzerwartung) (Schwenkmezger &

Schmidt, 1994). Kontrollüberzeugung ist in diesem Zusammenhang die

Erwartung, wichtige Ereignisse selbst beeinflussen zu können und stellt in

diesem Sinne eine wichtige Ressource dar, um gesundheitsbezogenes

Handeln zu ermöglichen. Kontrollüberzeugungen sind prospektiv orientierte

generalisierte Erwartungen und unterscheiden sich damit von der

Kausalattribution, die als retrospektive, ursachenbezogene Interpretation

bezeichnet werden kann. Die Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten

sind jedoch ähnlich, denn auch bei der Ursachenzuschreibung ist die

Kontrollierbarkeit eines Ereignisses ein wesentlicher, das Verhalten

bestimmender Faktor.

Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass hohe

Selbstwirksamkeitserwartungen, Kontroll- und Kompetenzerwartungen sich

positiv auf den Gesundheitszustand auswirken. Im Sinne dieser Arbeit ist es

daher notwendig diese Dispositionen zu berücksichtigen.

2.2.6 Optimismus

Optimismus in Hinblick auf Handlungsmöglichkeiten und Selbstwirksamkeit

kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Untersuchungen zufolge sind

Optimisten durchschnittlich gesünder und praktizieren mehr

Gesundheitsverhalten als Pessimisten(Schleier & Carver, 1992; Seligman,

1991)4 Wesentlich ist dem zufolge die Überzeugung von der Wirksamkeit von

Präventionshandlungen, sowie die Gewissheit diese Handlungen selbst

4 zitiert in Schwenkmezger & Schmidt, 1994

27

Page 32: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

durchführen zu können. In diesem Sinne unterscheidet sich das Konzept des

Optimismus wenig von den bereits besprochenen Kontrollüberzeugungen und

Kompetenzerwartungen.

Wichtig ist es, an dieser Stelle eine Abgrenzung zu einem anderen

Begriff des Optimismus herzustellen, dem optimistischen Fehlschluss. Dem

zu Folge besteht die Tendenz, dass Personen dazu neigen, ihr eigenes

Krankheitsrisiko systematisch zu unterschätzen. In dieser Form kann

Optimismus dazu führen, dass präventive Handlungen unterlassen werden,

wodurch das Krankheitsrisiko steigt.

2.2.7 Widerstandsfähigkeit

Das Konzept der Widerstandsfähigkeit (Hardiness) wurde von Suzanne

Quellette Kobasa und Salvatore Maddi erstmals 1984 publiziert. Erstellt wurde

es im Rahmen einer Analyse von Führungskräften eines großen

amerikanischen Unternehmens. Dabei erwiesen sich drei verschiedene

Persönlichkeitsdispositionen als relevant für die Aufrechterhaltung eines guten

Gesundheitszustandes: Engagement, Kontrolle und Herausforderung.

Eine Person die in diesen Bereichen hoch einzustufen ist, konfrontiert sich

aktiv mit ihrer Umwelt, hat ein großes Repertoire an Ressourcen, die sie auch

entsprechend einsetzen kann und ist an ihrer persönlichen Weiterentwicklung

interessiert (vgl. Schwenkmezger & Schmidt, 1994; Friedman &

Schustack,2004).Auch hier gibt es offensichtliche Überlappungen mit den weiter oben

diskutierten Konstrukten. So kann man auch hier vermuten, dass positive

Affektivität in Verbindung mit Kontrollüberzeugungen und positiven

Erwartungshaltungen mit dem Konzept in Zusammenhang stehen, und allein

28

Page 33: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

dadurch schon ein Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand gegeben

ist. Bei genauerer Betrachtung fällt auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem in

der Theorie der Salutogenese relevanten Kohärenzgefühl auf.

2.2.8 Kohärenzgefühl (SOC)5

Der Kohärenzsinn ist ein wesentlicher Bestandteil des Salutogenesemodells

von Antonovsky. Es handelt sich dabei um eine sehr konstante

Lebensorientierung bzw. Einstellung, die im wesentlichen auf drei Pfeilern

beruht: Dem Gefühl, dass

1. die inneren und äußeren Umweltreize im Lebenslauf strukturiert,

vorhersagbar und erklärbar sind,

2. die Ressourcen verfügbar sind, um die Anforderungen die an eine

Person gestellt werden, bewältigen zu können und

3. die Anforderungen Herausforderungen darstellen, für die sich

Anstrengung und Engagement lohnen ( Antonovsky,1979)6.

Der SOC ist im Bezug auf diese Arbeit aus mehreren Gründen

besonders interessant. Zum einen ist der SOC eine zeitlich relativ konstante

Eigenschaft, die mit Hilfe der SOC- Skala schnell und einfach messbar ist.

Zum anderen entpuppt sich an dieser Stelle, die oftmals kritisierte Tatsache,

dass im Konstrukt SOC sehr viele verschiedene Aspekte inkludiert sind als

Vorteil. Aus einer Vielzahl verschiedener Untersuchungen kann man

erkennen, dass der SOC mit allen oben genannten

Persönlichkeitseigenschaften korreliert.

5 Sence of Coherence, SOC6 zitiert in Schwenkmezger & Schmidt, 1994).

29

Page 34: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Laut Bös und Woll (1994)7, gibt es Korrelationen mit internalen

Kontrollüberzeugungen, seelischer Gesundheit und Selbsteinschätzung des

Gesundheitszustandes. Besonders hohe Korrelationen finden sich zwischen

SOC und psychischer Gesundheit gemessen mit der SCL 90 (r=.72), sowie

Lebensqualität (r=.77). Sammallahti, Holi, Komulainen und Aalberg (1996)8,

fanden in einer Untersuchung an 122 Psychiatriepatienten sowie 334

Personen einer normalen Bevölkerungsstichprobe, Korrelationen zwischen

SOC und allen Subskalen der SCL90, wie Somatisierung, Depression,

Ängstlichkeit Ärger, Feindseligkeit und Psychotizismus. Des weiteren finden

sich laut Hart, Hittner und Paras (1991)9 hohe Korrelationen zwischen SOC

und Ängstlichkeit, sie bestätigen damit Ergebnisse von H. Antonovsky

(1986)10. Frenz, Carey und Jorgensen (1993)11, konnten an einer Stichprobe

von 374 körperlich gesunden Männern und Frauen in psychotherapeutischer

Behandlung, besonders hohe Korrelationen zwischen SOC und Ängstlichkeit

(r= -.85) sowie Depressivität (r=-.60) feststellen. Eine umfangreiche Auflistung

von Studien zum Thema SOC findet sich bei Jürgen Bengel (2001). In der

folgenden Abbildung (Abb.4) sind die verschiedenen Korrelationen, sowie

deren Wirken auf das in der Salutogenese definierte Gesundheits-

Krankheitskontinuum dargestellt.

78

9

10

11 Alle zitiert in Bengel (2001 )

30

Page 35: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

31

Abbildung 4: Korrelationen zwischen dem Kohärenzgefühl und verschiedenen

Persönlichkeitseigenschaften. Faktoren die mit dem Kohärenzgefühl positiv

korrelieren wirken sich in diesem Fall auch positiv auf die Positionierung am

Gesundheits-Krankheits-Kontinuum aus.

Page 36: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.2.9 Konsequenzen

Offensichtlich gibt es Zusammenhänge zwischen

Persönlichkeitseigenschaften und Gesundheitszustand, auch wenn

spezifische Zusammenhänge schwer nachweisbar und die Wirkmechanismen

noch relativ unerforscht sind. Generell kann man sagen, dass Eigenschaften

wie internale Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeitsvorstellungen hohe

Kompetenzerwartung und Optimismus positiv mit einem guten

Gesundheitszustand korrelieren. Negative Affektiviät, wie Neurotizismus,

Angst, Depression oder Ärger, stehen mit einem schlechten

Gesundheitszustand in Zusammenhang.

Wie in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen wurde, korreliert

das Kohärenzgefühl - kurz gesagt ein Maß dafür, wie sinnvoll, vorhersagbar

und bewältigbar eine Person ihr Leben empfindet - mit diesen

Persönlichkeitseigenschaften zum Teil sehr stark.

Um den Faktor Persönlichkeitseigenschaften in der folgenden

Untersuchung kontrollieren zu können, bietet es sich daher an, stellvertretend

das Kohärenzgefühl zu erheben. Dies ist in sofern legitim, als das die

einzelnen Persönlichkeitseigenschaften für die Fragestellung nicht relevant

sind, sondern lediglich ihr genereller Einfluss auf den Gesundheitszustand

kontrolliert werden muss. Auf diesen kann anhand der bereits bekannten

Korrelationen mit dem Kohärenzgefühl zurückgeschlossen werden .

2.3 Soziale Unterstützung und Gesundheit

Während im voran gegangenen Kapitel jene Eigenschaften der Persönlichkeit

diskutiert wurden, die sich auf die Bewältigung von Stress und in diesem

32

Page 37: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Sinne auf den Gesundheitszustand auswirken, möchte ich an dieser Stelle auf

Ressourcen und positive Faktoren aus dem sozialen Umfeld eingehen.

Dabei gilt es zu bedenken, dass das soziale Umfeld einer Person, bzw. die

soziale Unterstützung die diese empfängt, sehr stark an Eigenschaften der

Person gekoppelt sind. Man kann sich vorstellen, dass es Personen gibt, die

einerseits leichter ein soziales Netzwerk um sich aufbauen, andererseits

vielleicht auch effektiver Hilfe von anderen annehmen oder einfordern

können. So gesehen handelt es sich beim Begriff der sozialen Unterstützung

um einen komplexen Prozess, der durch die Wechselwirkung von Person und

Umwelt geprägt ist.

Mehrere eindrucksvolle Ergebnisse verschiedener Untersuchungen

lassen darauf schließen, dass soziale Unterstützung über Auswirkungen auf

den Hormonhaushalt, einen starken Einfluss auf den Gesundheitszustand

einer Person haben kann (Chida & Steptoe, 2009; Englert et al, 2008; Nater

et al, 2009; Blackhart, Eckel & Tice, 2007; Zwolinski, 2008; Tsuru et al, 2008)

In einer Untersuchung von Kulik und Mahler (1989)12, konnte z.B. gezeigt

werden, dass verheiratete männliche Patienten nach einer Bypass-Operation

durchschnittlich 1,26 Tage früher das Krankenhaus verlassen konnten, wenn

sie von ihren Ehefrauen in Form von regelmäßigen Besuchen unterstützt

wurden. In einer Untersuchung von Schwarzer (Schwarzer & Jerusalem,

1994)13 zitiert in Schwarzer, 1996) an DDR-Übersiedlern, wurden die

Wirkungen von sozialer Integration und sozialer Unterstützung gemessen. Die

Stresssymptome der Übersiedler verringerten sich dabei im Verlauf von zwei

Jahren insbesondere dann, wenn diese einen Partner hatten, oder

Unterstützung von Familie oder Freunden empfingen (Schwarzer, 1996).

Darüber hinaus konnte Blazer (1982)14 in einer Studie mit Senioren zeigen,

dass es auch Zusammenhänge zwischen dem Gesundheitsverhalten und

sozialem Rückhalt gibt. Die Wirkweise findet also nicht nur auf direktem

12 in Faltermaier (2005)

13 in Schwarzer (1996)

14 in Schwarzer (1996)

33

Page 38: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Wege, z.B. durch die Veränderung von Immunparametern, sondern auch

indirekt durch eine Veränderung des Verhaltens statt. Eine Auflistung von

Untersuchungen des Zusammenhanges zwischen Gesundheit und sozialer

Unterstützung ließe sich noch lange fortsetzen.

Im Sinne der folgenden Biofeedbackuntersuchung ist es also

offensichtlich notwendig, soziale Unterstützung in irgendeiner Form zu

erheben und zu berücksichtigen, da anderenfalls starke Verzerrungen der

Ergebnisse zu erwarten sind. Um den Faktor der sozialen Unterstützung

näher untersuchen zu können, ist es zunächst notwendig den Begriff klar

abzugrenzen und zu definieren. Schwarzer (1996) fordert zunächst eine klare

Abgrenzung zur sozialen Integration, der Einbettung in ein soziales Netzwerk.

Hierbei geht es um quantitative und strukturelle Aspekte von sozialen

Beziehungen, nicht um den qualitativen Aspekt. Untersuchungen zur sozialen

Integration haben eindeutig einen Zusammenhang mit dem

Gesundheitszustand gezeigt. Sozial isolierte Menschen haben ein erhöhtes

Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen und Sterbeursachen (Berkman,

1995)15. In einer Untersuchung an 2320 Herzinfarktpatienten zeigte sich,

dass sozial Isolierte ein doppelt so hohes Risiko haben, innerhalb der

folgenden drei Jahre zu sterben, wie sozial Integrierte (Ruberman et al.

1984)16.

Jemand, der in ein umfangreiches soziales Netz eingebettet ist, wird

daraus allerdings nicht nur Sicherheit und Unterstützung empfangen, sondern

auch Spannungen und Konflikte erleben, daher ist eine Messung des

Ausmaßes der sozialen Integration nicht zielführend. Soziale Integration kann

jedoch als eine Voraussetzung für das Empfangen sozialer Unterstützung

gesehen werden.

Für die Untersuchung oder Messung der sozialen Unterstützung ist es

15 in Schwarzer (1997)

16 in Schwarzer (1997)

34

Page 39: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

notwendig, noch eine weitere Unterscheidung zu treffen. Über Fragebögen ist

es relativ leicht Personen über empfangene soziale Unterstützung zu

befragen. Dabei erhält man jedoch nur Auskunft über jenen Anteil der sozialen

Unterstützung, die der Befragte auch wahrgenommen hat, nicht über die

tatsächliche Häufigkeit oder Wirksamkeit ausgeführter Hilfestellungen.

Beide Aspekte, die wahrgenommene wie auch die tatsächlich erhaltene

Unterstützung lassen sich wiederum in drei verschiedene Bereiche einteilen,

nämlich in emotionale, instrumentelle und informationelle Unterstützung.

Bei emotionaler Unterstützung wird z.B. Trost gespendet oder Zuwendung

ausgedrückt. Instrumentelle Unterstützung besteht in der Bereitstellung von

Gütern oder in der Erledigung von Arbeiten, informationelle Unterstützung ist

die Vermittlung von relevanten Informationen und Ratschlägen ( Schwarzer,

1996).

Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Überlegungen von

Schwarzer folgende Begriffsbestimmung: Soziale Unterstützung ist eine

Interaktion zwischen zwei oder mehreren Menschen, bei der es darum geht,

einen Problemzustand, der bei einem Betroffenen Leid erzeugt, zu verändern

bzw. das Ertragen des Zustandes zu erleichtern. Dabei muss man die vom

Betroffenen wahrgenommene Unterstützung und die tatsächlich erteilte

Unterstützung unterscheiden. Beide Aspekte können sich auf emotionaler,

instrumenteller oder auf informationeller Ebene abspielen.

Die folgende Abbildung (Abb.5) fasst dies noch einmal zusammen und

verdeutlicht, dass auch die Ebene der Wirkung sozialer Unterstützung

keineswegs klar zuordenbar ist. So kann man davon ausgehen, dass soziale

Unterstützung, aber auch rein soziale Nähe sowohl auf endokriner, auf

Verhaltens- ,sowie den Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologie

entsprechend, auch direkt auf immunologischer Ebene wirken können (Lappin

& Schwarzer, in Schwarzer, 1997).

Zusätzlich kann man davon ausgehen, dass diese drei Wirkebenen

interagieren, sich also gegenseitig beeinflussen.

35

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Man sieht, dass es sich um ein sehr komplexes Konstrukt handelt, das den

Einsatz entsprechend aufwendiger Untersuchungsmethoden fordert.

36

Abbildung 5: Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit, sozialer Integration

und -Interaktion und immunologischen Reaktionen. Persönlichkeitsmerkmale

interagieren mit den Variablen soziale Interaktion bzw. -Integration. Diese

Sozialfaktoren können sowohl positive (Unterstützung) als auch negative

(Belastung) Auswirkungen haben. Dementsprechend werden unterschiedliche

endokrine und immunologische Reaktionen, bzw. Veränderungen auf

Verhaltensebene ausgelöst.

Page 41: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Bei genauer Überlegung kann man jedoch feststellen, dass für die folgende

Biofeedbackuntersuchung zwar die Kontrolle des Faktors notwendig ist - eine

genaue quantitative Erhebung des Ausmaßes der sozialen Unterstützung

führt jedoch zu keiner wesentlichen Steigerung der Genauigkeit der

Ergebnisse. In diesem Sinne drängt es sich auf, ein breiteres Konstrukt zu

messen, in dem der Faktor bereits enthalten ist. Antonovskys Modell der

Salutogenese bietet auch hier eine relativ gute Alternative an. Das darin

enthaltene Konzept der generalisierten Widerstandsressourcen beinhaltet

nicht nur die soziale Unterstützung, sondern auch andere Umweltfaktoren,

deren Relevanz für diese Untersuchung mit dem zuvor vorgestellten Modell

der psychosozialen Krankheitsätiologie argumentiert werden können.

2.4 Generalisierte Widerstandsressourcen

Antonovskys Konzept der Salutogenese beinhaltet zwei elementare Säulen.

Zum einen das bereits beschriebene Kohärenzgefühl, zum anderen ein

breiteres Konstrukt, die generalisierten Widerstandsressourcen.

Während das Kohärenzgefühl im Interesse nahezu unzählbarer

Forschungsarbeiten steht (Bengel, 2001), wurden die generalisierten

Widerstandsressourcen vergleichsweise vernachlässigt. In den meisten

Arbeiten zum Thema Salutogenese findet man diesbezüglich eine relativ

knappe Beschreibung, während das Kohärenzgefühl zumeist mehrere Kapitel

füllt. Die Ursache dafür dürfte in der schwierigen Erfassbarkeit des Konstrukts

liegen.

Ursprünglich begab sich Antonovsky auf die Suche nach allen möglichen

Faktoren, die eine Spannungsbewältigung begünstigen und mit dem

Gesundheitszustand korrelieren. Er stieß dabei einerseits auf individuelle

37

Page 42: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Faktoren, wie die körperliche Konstitution, Intelligenz oder

Bewältigungsstrategien, andererseits fand er soziale und kulturelle Faktoren,

wie z.B. finanzielle Absicherung, soziale Unterstützung oder kulturelle

Stabilität. Später (1987) interpretierte er Stressoren als generalisierte

Widerstandsdefizite und schlug vor, Widerstandsressourcen und

Widerstandsdefizite als eine kontinuierliche Dimension anzusehen, wie es

auch der salutogenetischen Auffassung von Gesundheit und Krankheit

entspricht. Ressourcen wie z.B. finanzielle Mittel, oder soziale Integration

stehen z.B. am positiven Pol dieses Kontinuums, sie ermöglichen es positive

Lebenserfahrungen zu machen und wirken dadurch stärkend auf das

Kohärenzgefühl. Ein Mangel dieser Ressourcen kann an sich bereits als

Stressor und damit als Widerstandsdefizit betrachtet werden (Bengel, 2001

S.34).

Lorenz (2005) fasst die generalisierten Widerstandsressourcen als ein

Wirksamwerden von spezifischen Ressourcen in allen Lebenslagen, die die

Widerstandsfähigkeit des Menschen im Sinne einer Spannungsbewältigung

verbessern helfen, zusammen. Er betont dabei, dass durch das Vorhanden-

sein adäquater Widerstandsressourcen Spannungen bereits bewältigt werden

können, bevor es zu einer Stressbelastung kommt. (Lorenz, 2005). Dies

erscheint jedoch bei genauer Betrachtung der Modelldarstellung der

Salutogenese als offensichtlich. Man erkennt dabei, dass es eine enge

Wechselwirkung zwischen generalisierten Widerstandsressourcen und dem

Kohärenzgefühl gibt. Das Kohärenzgefühl ist demnach dafür verantwortlich,

ob Situationen richtig eingeschätzt und folglich die entsprechenden

Ressourcen aktiviert werden.

Klaus Jork (2006) versteht unter Generalisierten Widerstandressourcen

alle jene individuellen und kulturellen Faktoren, die Spannungsbewältigung

ermöglichen. Dies scheint einerseits eine sinnvolle Zusammenfassung der

oben angeführten Ausführungen von Antonovsky und Lorenz zu sein,

andererseits ist Jorks Definition der generalisierten Widerstandsressourcen

38

Page 43: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

insofern von Bedeutung, als er in Anlehnung daran, einen Fragebogen zu

deren Messung konstruiert hat. Das so genannte Salutogenese Screening

(SALUS) umfasst 14 Items und kann mit relativ geringem Aufwand einen

Überblick über die gesundheitserhaltenden Ressourcen einer Person geben.

Für die folgende Biofeedback Studie bietet das Konstrukt der

Generalisierten Widerstandsressourcen einen großen Vorteil. Gerade

dadurch, dass es so viele unterschiedliche Faktoren umfasst, bietet es sich

als Kontrollvariable an, um die Gesamtgröße des Einflusses dieser Faktoren

auf den Gesundheitszustand einzuschätzen und die Ergebnisse dadurch

berichtigen zu können. Die genaue Kenntnis der Größe einzelner Variablen ist

dabei nicht notwendig und würde, vor allem in Hinblick auf den damit

verbundenen Aufwand, keine wesentliche Verbesserung der Genauigkeit der

Ergebnisse mit sich bringen.

2.5 Psychosoziale Krankheitsätiologie und Salutogenese

Neuere Forschungsarbeiten lassen darauf schließen, dass psychosoziale

Faktoren im Gesundheitsprozess eine große Rolle spielen. Die

Weiterentwicklung der Forschungsmethoden lässt dabei einen

erntscheidenden Schritt zu: Während in den Anfängen der Salutogenese

-Forschung ein relativ hoher spekulativer Anteil nicht vermeidbar war, können

mittlerweile die Auswirkungen psychosozialer Faktoren auf den

Gesundheitszustand wissenschaftlich, z.B. mit Methoden der

Psychoneuroimmunologie untersucht werden. Forschungsarbeiten (siehe

oben), die den Zusammenhang der salutogenetischen Konstrukte, SOC und

generalisierte Widerstandsressourcen mit Persönlichkeitseigenschaften oder

Faktoren des sozialen Umfeldes belegen, lassen den Schluss zu, dass hier

die selben, oder zumindest ähnliche grundlegende Eigenschaften untersucht

39

Page 44: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

werden.

Im Sinne einer möglichst effizienten und zeitgemäßen

Forschungsarbeit liegt es demnach nahe, das biopsychosoziale

Krankheitsmodell um Komponenten der Salutogenese zu erweitern. Diese

Erweiterung kann sich auf einer Vielzahl von Ebenen abspielen, wobei hier

nur die für die folgende Forschungsarbeit relevanten Bereiche erwähnt

werden.

Während dem Modell des Stressprozesses, wie es im

biopsychosozialen Krankheitsmodell zur Anwendung kommt, zufolge,

Stressreize, insbesondere chronische, automatisch zu einer Schwächung

des Organismus führen, ist es naheliegend, an dieser Stelle Antonovskys

Interpretation anzuerkennen, die auch in Hinblick auf Stress, von einer

Trainierbarkeit des Organismus ausgeht (Dienstbier & Pytlik Zillig, 2002, S.

515 – 526). Bei hinreichendem Kohärenzgefühl und genügenden Ressourcen

führt die Bewältigung eines Stressors, der in Antonovskys Modell lediglich

einen Spannungszustand auslöst, zu einer gesteigerten Belastbarkeit des

Organismus, was sich in einer Veränderung der Position am Gesundheits-

Krankheitskontinuum ausdrückt.

Die Vermeidung der Definitionen von Gesundheit und Krankheit durch

die Einführung eines Kontinuums, dessen Pole durch die (nicht erreichbaren)

Zustände totaler Gesundheit bzw. Krankheit gebildet werden, ist ein weiterer

Kunstgriff, der einerseits wohl eher der Realität entspricht, andererseits die

praktische Anwendbarkeit des Modells erleichtert. Bedenkt man zusätzlich die

in den vorangegangen Kapiteln dargestellten Korrelationen des

Kohärenzgefühls und der generalisierten Widerstandsressourcen mit

unterschiedlichen psychosozialen Faktoren, so liegt es nahe, das Modell der

psychosozialen Krankheitsätiologie um diese salutogenetischen Aspekte zu

erweitern. Grafisch lässt sich dies folgend darstellen (Abb.6):

40

Page 45: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Dieses in weiterer Folge verwendete Modell stellt nicht nur eine Erweiterung

des biopsychosozialen Modells dar. Für die Untersuchung der Rolle der

Wahrnehmung im Gesundheitsprozess ergibt sich daraus eine entscheidende

Vereinfachung, da es auf Grund der beschriebenen Interkorrelationen zu einer

Reduktion der zu beachtenden Faktoren kommt. Diese Reduktion der

Faktoren ermöglicht es, sich auf relativ überschaubare Art und Weise dem

eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit, der Wahrnehmung des

Spannungszustandes zu widmen. Dies sollte möglich sein, indem man eine

Möglichkeit findet, die Qualität der Wahrnehmung zu messen und diese mit

einem Maß für den Gesundheitszustand in Zusammenhang bringt. Das

Kohärenzgefühl und die generalisierten Widerstandsressourcen müssen,

stellvertretend für die zuvor erwähnte Vielzahl von Faktoren mit denen sie

korrelieren, aus dieser Korrelation herauspartialisiert werden, um eine

möglichst genaue und unverzerrte Größe für den Zusammenhang zu

41

Abbildung 6: Modelldarstellung des Stressprozesses unter dem Paradigma

der Salutogenese

Page 46: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

erhalten.

Bevor ich jedoch auf den weiteren Aufbau der Untersuchung eingehe,

möchte ich auf die psychosomatischen Wirkweisen eingehen, um die

Plausiblität des verwendeten Modells weiter zu unterstreichen. Anschließend

werde ich die Rolle der Wahrnehmung und damit die eigentliche

Forschungsfrage dieser Arbeit erörtern.

42

Page 47: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.6 Physiologische Grundlagen

2.6.1 Homöostase, Homöodynamik und Heterostase

Der Begriff Homöostase wurde 1929 von Walter B. Cannon eingeführt, um

Mechanismen die zur Aufrechterhaltung bestimmter biologischer Variablen

innerhalb eines Organismus dienen, zu beschreiben (Birbaumer & Schmidt,

2006, S. 94). Die Grundannahme dahinter ist, dass es bei allen Variablen ein

optimales Ausmaß bzw. einen optimalen Zustand gibt. Wird dieser über- oder

unterschritten, so wird das vital notwendige Gleichgewicht innerhalb des

Organismus gestört und es treten Mechanismen in Kraft die für die

Wiederherstellung des Gleichgewichts sorgen. Klassische homöostatische

Prozesse sind z.B. die Temperaturregulation, Hunger oder Durst ( Kallat,

1995). Heute weiß man, dass es sich bei diesem ausgeglichenen

Idealzustand weniger um konstante Größen, sondern eher um voneinander

abhängige, dynamische Prozesse handelt, weshalb der Begriff Homöostase

teilweise durch den Begriff Homöodynamik ersetzt werden muss.

Die Annahme eines homöostatischen Gleichgewichts entspricht der bio-

psychosozialen Krankheitsmodell. Die salutogenetische Sichtweise geht mit

dem Konzept der Heterostase davon aus, dass jeder Organismus von sich

aus in einen Zustand der Unordnung zerfällt, wenn nicht aktiv an seiner

Erhaltung gearbeitet wird. Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass beide

Ansätze auch nebeneinander bestehen können und die Wahrheit in gewisser

Weise in der Mitte liegt. Vorstellbar ist eine von gegenseitigen Abhängigkeiten

geprägte Homöodynamik, bei der es, dem salutogenetischen

Gesundheitskontinuum entsprechend eine Vielzahl von möglichen

Idealzuständen gibt, solange die Relationen zwischen den einzelnen

Systemen in einem sinnvollen Gleichgewicht sind. Dabei kann man natürlich

davon ausgehen, dass dieses Gleichgewicht aktiv erhalten werden muss, da

43

Page 48: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

bestimmte Körperparameter ständigen Schwankungen unterworfen sind.

2.6.2 Regelkreise

Homöostatische bzw. -dynamische Prozesse werden durch Regelkreise

gesteuert. Ein Regelkreis enthält einige typische Merkmale und

Funktionseinheiten. Der übliche Aufbau lässt sich am Beispiel einer

Raumheizung veranschaulichen (Abb.7).

44

Abbildung 7: Funktionseinheiten eines Regelkreises, beschrieben am Beispiel

der Raumheizung

Fühler„Thermometer“

Stellglied„Heizung“

Regler„Thermostat“

Fühler„Thermometer“

Stellglied„Heizung“

Regler„Thermostat“

Page 49: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Jeder Regelkreis wird durch einen Regler gesteuert - im Beispiel der Heizung

wäre dies der Thermostat. Dieser Regler steuert ein Stellglied - den

Heizkörper. In unserem Körper wird die Funktion des Stellgliedes z.B. von

Trieben übernommen, oder von chemischen Funktionen wie z.B. der Glucose-

Produktion in der Leber. Die Veränderung wird durch einen Fühler festgestellt

und an den Regler zurückgemeldet. Im Beispiel der Raumheizung wäre

dieser Fühler das Thermometer. In unserem Körper erfüllen unterschiedliche

Rezeptoren diese Aufgabe (Birbaumer & Schmidt, 1996).

Bei der Untersuchung psychophysiologischer Vorgänge bietet es sich

an, verschiedene Systeme entsprechend der jeweils dominanten Wirkweise

zu unterscheiden. Dabei bietet sich eine Aufteilung in zentrales- und

autonomes Nervensystem, endokrines System und Immunsystem an.

Die Forschung im Sinne des biopsychosozialen Krankheitsmodells wird nun

insofern erleichtert, als man versucht innerhalb dieser Systeme nach

gewissen Regelmäßigkeiten, eben in Form von Regelkreisen, zu suchen.

Bei dieser Unterteilung des Forschungsgegenstandes in überschaubare

Einzelgebiete kann jedoch relativ leicht übersehen werden, dass diese

Teilsysteme innerhalb eines Organismus auch von einander abhängig sind

und eine Kommunikation zwischen einzelnen Systemen und Regelkreisen

besteht. So wurde das Immunsystem lange Zeit als ein autonomes System

betrachtet, bis sich herausstellte, dass sowohl Teile des Nervensystems, v.a.

des Hypothalamus, aber auch Strukturen des limbischen Systems, wie auch

bestimmte Hormone, insbesondere die im Sinne der HHNA aktiven

Glukocorticoide, einen weitreichenden steuernden, bzw. modulierenden Effekt

ausüben. Die Untersuchung dieser Querverbindungen und gegenseitigen

Beeinflussungen wurde erst in den letzten Jahrzehnten, durch die

Entwicklung entsprechender wissenschaftlicher Methoden möglich. Erst

neuere Wissenschaftszweige, wie z.B. die Psychoneuroimmunologie, sind

45

Page 50: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

dazu geeignet, eine dem ganzheitlichen Menschenbild entsprechende

Forschung zu betreiben. Erst durch diese Methoden können die Wirkweisen

der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen psychophysiologischer

Phänomene, wie z.B. Krankheitsneigungen unter bestimmten psychosozialen

Umständen erklärt werden.

Im Folgenden werden einige relevante körperliche Mechanismen

beschrieben. Dabei möchte ich sehr wohl die Unterscheidung in

neuroendokrines- ,Immun- und Nervensystem beibehalten, jedoch die

gegenseitigen Kommunikationswege zwischen diesen Systemen

hervorheben.

2.6.3 Die Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrindenachse (HHNA)

Die HHNA galt lange Zeit als die Vermittlerin der Stressreaktion, wodurch ihr

eine grundlegende Bedeutung bei der Entwicklung verschiedenster Modelle

zur Krankheitsentstehung zugeschrieben wurde. Während man auch heute

noch davon ausgehen kann, dass den über diese Achse vermittelten

Prozessen eine große Bedeutung zugeschrieben werden kann, haben die

neueren Erkenntnisse, hauptsächlich durch die Entwicklung der

Forschungsmöglichkeiten, wesentlich komplexere Zusammenhänge mit dem

ZNS sowie dem Imnunsystem gezeigt, als ursprünglich angenommen.

Grundsätzlich steuert die HHNA einen Mechanismus, der für die Regulierung

des Aktivierungsniveaus zuständig ist.

Werden (Stress-) Reize wahrgenommen, so erreichen sie das Gehirn

zuerst über die jeweiligen Wahrnehmungskanäle. Noch vor dem

Bewusstwerden der wahrgenommenen Inhalte durchlaufen sie den

Hypothalamus wo unter Mitwirkung anderer limbischer Strukturen, wie der

46

Page 51: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Amygdala oder dem Locus Coeruleus, die emotionale Färbung des Reizes

erkannt wird. Durch die Ausschüttung von Corticotropin Releasing Hormon

(CRH) stimulieren diese Strukturen, wenn sie einen Stressreiz erkennen die

Hypophyse zur Ausschüttung von Adrenocorticotropem Hormon (ACTH),

welches über die Blutbahn die Nebennierenrinde erreicht. Hier wird das

Hormon Cortisol in die Blutbahn ausgeschüttet (Birbaumner & Schmidt 1996).

Gleichzeitig kommt es durch ZNS Aktivierung zur Ausschüttung der

Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Dies stellt aber eine andere Art

der Stressreaktion dar, die vom bisher beschriebenen Vorgang auch

unabhängig verlaufen kann, was mit der emotionalen Färbung der

wahrgenommenen Reize zusammenhängt (Dienstbier,R. & Pytlik Zillig,L

2002). Wenn die Cortisolkonzentration ein sinnvolles Maß überschreitet, so

wird dieses Feedback dem Hypothalamus übermittelt und die Ausschüttung

von CRH wird eingestellt.

Diese Darstellung der HHNA ist aus didaktischen Gründen weit

verbreitet. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine starke Vereinfachung

der tatsächlichen neuroendokrinen Vorgänge, da jedes der darin

vorkommenden Hormone auch mit zahlreichen anderen Faktoren interagiert.

47

Page 52: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.6.4 Hormone der HHNA

2.6.4.1 Corticotropin Releasing Hormon (CRH)

CRH ist relativ breit im gesamten Körper verteilt. Die mit Abstand höchste

Konzentration befindet sich jedoch im paraventrikulären Nucleus (PVN) des

Hypothalamus. Von dort erreicht das CRH über Faserbündel das Portalblut

und wirkt dabei als primärer Aktivator auf die HHNA, in dem es über die

Freisetzung von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) die

Ausschüttung con ACTH reguliert.

Andere CRH Wirkungen sind noch relativ wenig erforscht. Man kann

jedoch davon ausgehen, dass es Wirkungen von CRH auf endokrine,

autonome, elektrophysiologische und gastrointestinale Funktionen gibt. Dabei

vermutet man z.B., dass CRH auf Grund eines Einflusses auf die Freisetzung

von luteinisierendem Hormon (LH), eine Rolle bei der Entstehung

stressinduzierter Infertilität spielt. Weiters konnte durch Kern et al. (1997,

zitiert in Kirschbaum & Hellhammer,1999, S.83) nachgewiesen werden, dass

bei intranasaler Gabe von CRH der pH_Wert des Magensaftes ansteigt.(vgl.

Kirschbaum & Hellhammer, 1999, S.79- 83) Daraus läßt sich folgern, dass

bei Aktivierung der HHNA nicht nur, wie ursprünglich vermutet über das

freigesetzte Cortisol, sondern bereits durch das CRH verschiedene, auch für

den Gesundheitszustand relevante Mechanismen in Gang gesetzt werden.

48

Page 53: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.6.4.2 Adrenocorticotropes Hormon (ACTH)

CRH und Vasopressin werden im PVN des Hypothalamus ausgeschüttet und

erreichen über das Pfortadersystem den Hypophysenvorderlappen. Hier

induzieren sie die Freisetzung von ACTH in den Blutkreislauf. Dieses zirkuliert

im Gegensatz zu anderen Hormonen ohne entsprechende Transportmoleküle,

also in freiem, biologisch aktiven Zustand, wodurch es einem relativen

schnellen enzymatischem Abbau (die Halbwertszeit beträgt weniger als 10

Minuten) unterliegt. Gelangt das Hormon zur Nebennierenrinde, so löst es die

Bildung und Freisetzung von Glukocorticoiden aus. Darüber hinaus besteht

ein schwacher lipolytischer Effekt von ACTH. Weiters wurde von zahlreichen

zentralnervösen ACTH - Wirkungen berichtet. So konnte z.B. Born (1986)17,

nachweisen, dass sich selektive Aufmerksamkeitsleistungen nach der Gabe

von ACTH signifikant verschlechtern.

Neben den später beschriebenen Glukocorticoiden (insbes. Cortisol),

zeigt auch ACTH immunregulatorische Effekte. Interessant, aber weitgehend

rätselhaft, ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ACTH auch in

Lymphozyten gebildet wird, wobei die Steuerung dieses Vorganges durch

immunkompetente Zellen, einem ähnlichen Mechanismus wie bei der Bildung

des hypophysären ACTH unterliegen dürfte. So konnte die Bildung

lymphatischen ACTHs durch die Gabe von CRH induziert werden (Madden,

Buske-Kirschbaum & Felten,1999, S. 481).

ACTH und CRH sind also offensichtlich nicht nur Botenstoffe im Sinne

des endokrinen Systems, sondern interagieren auch auf direktem Wege mit

dem Immunsystem. Im Hinblick auf die Frage, wie sich psychosoziale Reize

auf die Gesundheit eines Menschen auswirken können, sind Erkenntnisse

dieser Art von besonderer Bedeutung. Während einerseits hormongesteuerte,

aktivierende Einflüsse der HHNA den Körper in Reaktionsbereitschaft

17 zitiert in Kirschbaum & Hellhammer, 1999, S.106

49

Page 54: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

versetzen, beeinflussen die selben Hormone auch das Immunsystem. Hier

drängt sich die Frage auf, ob die Trennung in verschiedene Kreisläufe und

Systeme, die für die Erforschung einzelner Komponenten sicherlich Sinn

macht, letzten Endes einem ganzheitlichen Verständnis dieser komplexen

Vorgänge hinderlich ist. Fächerübergreifende Disziplinen, wie die

Psychoneuroimmunologie können die dabei entstehenden Lücken

überbrücken.

2.6.4.3 Cortisol

Cortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet, die Synthese erfolgt über

mehrere Zwischenschritte auf der Grundlage von Cholesterin. Auch wenn

neuere Erkenntnisse (s.o.) zeigen, dass auch andere HHNA- Hormone

vielfältige Auswirkungen auf unterschiedlichste körperliche Vorgänge haben,

ist Cortisol unumstritten jener Botenstoff, der die intensivsten und

weitreichendsten Wirkungen auf den Organismus ausübt.

Cortisol wirkt auf den verschiedensten Ebenen, es trägt dazu bei den

Organismus in einen Zustand höherer Aktivierung bzw. Leistungsbereitschaft

zu versetzen. In diesem Sinne werden Körperfunktionen, die in Stress-

Situationen gebraucht werden stimuliert, andere werden inhibiert.

Cortisol beeinflusst dabei auch die Proteinsynthese der Immunzellen,

wodurch eine adäquate Reaktion auf körperfremde Proteine, z.b. Viren

unterbunden wird. Als Folge ergibt sich eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Freiwilligen Testpersonen wurden in diesem Zusammenhang Schnupfenviren

verabreicht, wobei sich bei Testpersonen unter Stress eine deutlich stärkere

Verschleimung der oberen Atemwege einstellte (Sternberg, E. & Gold, P.

1997). Diese Immunsupressive Wirkung von Cortisol hat neben dem Nachteil

50

Page 55: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

der Erhöhung der Infektanfälligkeit allerdings auch eine wesentliche Funktion

in der Steuerung des Immunsystems. So können Glukocorticoide einerseits

den Zelltod immunkompetenter Zellen einleiten, andererseits auch zu einer

Umverteilung von Immunzellen im lymphatischen Gewebe führen. Zusätzlich

ist die Wirkung abhängig von der Art der betroffenen Immunzelle,

beziehungsweise von der Anwesenheit anderer, den Prozess modulierender

Immunzellen (Madden, Buske-Kirschbaum & Felten, 1999, S. 479).

Durch diesen modulierenden Einfluss der HHNA kann, insbesondere bei einer

Störung im Bereich der Hypophyse, aber auch bei einer anderwärtig

erzeugten Schwankung des Glukocorticoidhaushalts, nicht nur eine erhöhte

Infektanfälligkeit, sondern auch ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von

Autoimmunerkrankungen bestehen.

Im Sinne der zu Beginn vorgestellten Zusammenhänge, zwischen

psychosozialen Faktoren und dem Gesundheitszustand, kann man die

Vermutung anstellen, dass diese Faktoren unter anderem die Funktion der

HHNA beeinflussen und dadurch auf das Immunsystem, aber auch auf

direktem Wege auf den Stoffwechsel und das Herz-Kreislaufsystem wirken.

Zusammenfassend sind folgende Cortisolwirkungen besonders

hervorzustreichen ( Birbaumer & Schmidt 2006, S. 80 - 82):

● Mobilisierung von Energie - In der Leber wird die Synthese von Glukose

angeregt. Diese wird teilweise aus bestehendem Körpereiweiß, also

Muskelmasse, gewonnen. Der Körper ist für die Dauer der Reaktion

optimal mit Energie versorgt.

● Hemmung von Wachstum und Regeneration - Diese Funktionen sind für

die Dauer einer Reaktion auf einen Stressor nicht relevant und würden

nur Energie abziehen, die im Falle einer Bedrohung gebraucht werden

würde.

● Unterdrückung der Verdauungsfunktionen

51

Page 56: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

● Erhöhung des Muskeltonus

● Unterdrückung der Immunreaktivität

● Erhöhter kardialer Output

● Hemmung der Reproduktionsfunktion

2.6.5 HHNA und Stress

2.6.5.1 Das Konzept von Selye

Hans Selye (1953) erforschte die Stressreaktion bereits seit den 30er Jahren

des letzten Jahrhunderts. Er stellte dabei die Theorie auf, dass die über die

HHNA ausgelöste Freisetzung von Glukocorticoiden eine unspezifische, also

von der Art des Stressors unabhängige Stressreaktion ist. Um die

Funktionstüchtigkeit des Körpers zu erhalten erfolgt, dieser Theorie nach, die

HHNA Reaktion bei jeder Form der Bedrohung der inneren Homöostase

(Kirschbaum & Hellhammer, 1999, S.109).

Bei anhaltender Belastung durchläuft der Organismus drei Phasen: In der

“Alarmphase” kommt es zu einem Anstieg des Glukocorticoidspiegels, der

Minuten bis wenige Stunden anhalten kann. Dauert die Konfrontation mit dem

Stressor an, so kommt es zu einem Absinken der Werte, was Selye mit einer

Anpassungsreaktion des Organismus in der sog. “Widerstandsphase”

interpretiert. Dauert die Belastung weiter an und überschreitet dabei die

Anpassungsmöglichkeiten nach Tagen oder Monaten schließlich doch, so

kommt es zur “Erschöpfungsphase”, die mit einem neuerlichen Anstieg der

Corticosteronwerte einhergeht.

52

Page 57: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Diese Abfolge körperlicher Stressreaktionen bezeichnete Selye als

“Allgemeines Adaptionssyndrom” (AAS) (Kirschbaum & Hellhammer,1999,

S.109 ).

Heute weiß man, dass die HHNA- Reaktion eine sehr spezifische

Reaktion des Organismus ist, wobei der individuelle emotionale Hintergrund

eine große Rolle spielt. Mason (1974, zitiert in Kirschbaum & Hellhammer,

1999, p110) stellte in diesem Zusammenhang die Theorie auf, dass die

HHNA- Reaktion durch die mit dem Stressor verbundene emotionale Reaktion

ausgelöst wird und nicht, wie von Selye angenommen, durch den Stressor

selbst. Dies unterstreicht den Zusammenhang zwischen der HHNA und

limbischen Strukturen des ZNS, wie z.B. Anteilen der Amygdala, die

offensichtlich an der Steuerung des Prozesses beteiligt sind (Kirschbaum &

Hellhammer, 1999). Trotzdem leitet Selyes Theorie dazu über, die

Auswirkungen der HHNA- Reaktion unter verschiedenen Arten von

Belastungen, genauer zu betrachten.

2.6.5.2 HHNA und psychosozialer Stress

Dem derzeitigen Stand und dem Trend der Stressforschung zu Folge, gibt es

unzählige Studien, die einen Zusammenhang zwischen psychosozialem

Stress und einer Aktivitätssteigerung der HHNA belegen (Chida & Steptoe,

2009; Englert et al, 2008; Nater et al, 2009; Blackhart, Eckel & Tice, 2007;

Zwolinski, 2008; Tsuru et al, 2008).

Der 20 - minütige Trier Sozialatress Test (TSST), der z.B. einen 5 minütigen

Vortrag und eine 5 mittige Kopfrechenaufgabe vor Publikum beinhaltet, führt

bei rund 75% der untersuchten Probanden zu einem raschen und deutlichen

53

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Anstieg von ACTH und Cortisol. Der ACTH Spiegel erreicht mit dem Ende der

Belastung seinen Höhepunkt, was mit der Theorie über die Funktionsweise

der HHNA übereinstimmt. Die Cortisolkonzentration steigt noch ca. 15 - 20

Minuten an, dies entspricht der Dauer des erhöhten ACTH -Spiegels in der

Blutbahn. Nach ca. 60 - 90 Minuten haben beide Hormone wieder ihren

Ausgangswert erreicht.

Diese Funktionsweise der HHNA wurde in den unterschiedlichsten

psychischen Stresssituationen untersucht und bestätigt. Psychosoziale

Stimuli haben sich dabei als die stärksten natürlich vorkommenden Reize für

die HHNA herausgestellt (Mason, 1968, zitiert in Kirschbaum & Hellhammer,

1999, S. 116). Die Neuheit einer Situation oder Umgebung, die

Kontrollierbarkeit und die Vorhersagbarkeit, spielen im Zusammenhang mit

der Wahrnehmung einer Bedrohung offenbar eine besondere Rolle bei der

Aktivierung der HHNA. Dabei reicht oft die Antizipation einer solchen

Bedrohung aus, um eine CRH, ACTH und Cortisol Sekretion einzuleiten. Dies

unterstreicht einerseits die Steuerung der HHNA durch Strukturen des ZNS,

andererseits ist an dieser Stelle ein Zusammenhang mit dem von Antonovsky

postulierten Konstrukt des Kohärenzgefühls offensichtlich. Kontrollierbarkeit

und Vorhersagbarkeit spielen dabei eine ebenso große Rolle. Kirschbaum

(1995)18, konnte darüber hinaus beobachten, dass auch bei wiederholter

Durchführung des TSST, an 5 aufeinander folgenden Tagen und unter

identischen Rahmenbedingungen, starke Cortisolausschüttungen stattfanden.

Dies unterstreicht die Wirkung sozialer Faktoren auf die HHNA, da

offensichtlich neben der Neuheit, Vorhersagbarkeit oder Kontrollierbarkeit

andere Faktoren an der Auslösung der Reaktion beteiligt sein müssen.

Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Cortisolreaktion in

Folge des TSST, durch soziale Unterstützung moduliert werden kann.

Abhängig von der Qualität der sozialen Unterstützung wiesen Männer beim

TSST geringere Cortisolausschüttungen auf (Kirschbaum & Hellhammer,

18 zitiert in Kirschbaum & Hellhammer, 1999,S. 117

54

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1999, S. 118).

Diese Untersuchungen zum Stellenwert sozialer Faktoren werfen auch die

Frage nach der Wahrnehmung von Stresssituationen auf. Leider gibt es keine

Hinweise dazu, wie die Probanden die Belastung durch die einzelnen Tests

an 5 aneinander folgenden Tagen erlebt haben. Während die

Vorhersagbarkeit der Situation offensichtlich ansteigt, bleibt zumindest ein Teil

der körperlichen Reaktionen, in diesem Fall die Cortisolausschüttung,

konstant. Werden diese Situationen nun unterschiedlich oder annähernd

gleich belastend wahrgenommen?

2.6.5.3 HHNA und Chronischer Stress

Der Begriff “chronischer Stress” ist leider nicht eindeutig definiert. Prinzipiell

kann man davon ausgehen, dass darunter eine Belastung verstanden wird,

die über einen längeren Zeitraum, also mehrere Wochen, Monate oder Jahre

andauert.

Chronische Belastungen lösen, der Mehrzahl aller Untersuchungen zufolge,

eine Hyperaktivität der HHNA aus. In einigen wenigen Studien konnte

allerdings auch eine verminderte Ausschüttung von ACTH und Cortisol

bemerkt werden. Bis jetzt ist jedoch noch unklar, welche Umstände zu dieser

verminderten HHNA Funktion führen (Kirschbaum & Hellhammer, 1999,

S.120).

Bei einer Überfunktion der HHNA kommt es zu einer Abschwächung der

Feedbackschleife, die die CRH Ausschüttung des Hypothalamus beendet,

wodurch der Organismus mit einem ständig erhöhten Cortisol - wie auch

55

Page 60: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

ACTH Grundniveau konfrontiert ist (Sapolsky, R. 1990) . Dies kann

insbesondere in Abhängigkeit folgender Einflüsse passieren:

● Besonders hohe objektive oder subjektive Intensität der Reize

● Fehlen von Vermeidungs-, Kontroll- oder Bewältigungsmöglichkeiten

● Negative Vorerfahrungen

● Lange Dauer bzw. hohe Häufigkeit der Reize

● Hoher Aktivierungszustand vor dem Reiz

● Allgemeine Stressempfindlichkeit

● Fehlen von sozialer Stützung und Bindung

(Sapolsky, R. 1990; Schulz, P. 1990 ; Dienstbier, R. & Pytlik Zillig, L. 2002 )

Neben der ursprünglichen, objektiven Qualität der Stressoren spielen also

auch subjektive Faktoren aus dem Bereich der Wahrnehmung oder

Kognition eine Rolle. Auch in diesem Zusammenhang tauchen wieder

Konstrukte der Persönlichkeitspsychologie auf: So wurden

Kontrollmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien oder -möglichkeiten

bereits im vorrangegangenen Kapitel als relevant für den Gesundheitszustand

vorgestellt. Gemeinsam mit den Vorerfahrungen und anderen Faktoren finden

wir sie auch im Konzept des Kohärenzgefühls wieder. Die Wirkungen von

sozialer Stützung und Bindung auf den Gesundheitszustand können ebenfalls

teilweise durch eine Veränderung der HHNA erklärt werden. Es ist

anzunehmen, dass derartige Faktoren durch ihre emotionale Komponente

einen modulierenden Einfluss ausüben. Weiters kann man davon ausgehen,

dass vor allem soziale Unterstützung, auch auf andere hormonelle Kreisläufe

einwirkt. Betrachtet man die zahlreichen Verbindungen der HHNA mit Teilen

des ZNS sowie des Immunsystems, so entsteht ein sehr komplexes und in

gewisser Weise nahezu unüberschaubares Netzwerk an potentiell

gesundheitsrelevanten Interaktionen dieser Systeme. Die Liste an

56

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körperlichen wie auch psychischen Komplikationen, die durch eine langfristige

Übererregung der HHNA, entstehen können ist dementsprechend vielfältig.

Vor allem aber die kurzfristig sinnvolle Erhöhung des Cortisolspiegels wird bei

längerem Andauern der Reaktion zu einer massiven Belastung vieler

unterschiedlicher Teile des Organismus. Auf körperlicher Ebene können u.a.

folgende Symptome auftreten:

● Diabetes, Myopathien

● Magengeschwüre

● Knochenentkalkung, Wachstumsstop

● Infertilität, Impotenz

● Muskelschmerzen, Weichteilrheumatismus

● Reduzierte Resistenz durch Schwächung des Immunsystems

● Hypertonie

( Birbaumer & Schmidt 2006, S. 80 - 82)

Es ist vermutlich kein Zufall, dass diese Liste gleichzeitig einer Auflistung

verbreiteter “Zivilisationskrankheiten” entspricht.

Durch die Hemmung regenerativer Prozesse wird ein ständiger Raubbau am

Körper betrieben. In diesem Zusammenhang wird z.B. auch klar, dass

körperliche Höchstleistungen in Verbindung mit chronischem Stress nicht

möglich sein können. - Ein Grund dafür, warum ein gezieltes

Entspannungstraining im Bereich des Spitzensports mittlerweile obligat ist.

57

Page 62: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.6.6 Psychophysiologische Korrelate zur Stressreaktion

Die Psychophysiologie beschäftigt sich, wie der Name bereits zum Ausdruck

bringt, mit den Wechselwirkungen bzw. Zusammenhängen zwischen

psychologischen und physiologischen Ereignissen. Dabei kommt dem

Konzept der Aktivierung eine grundlegende Bedeutung zu. ”Der Begriff der

Aktivierung weist auf das Ausmaß hin, in dem der Organismus durch innere

oder äußere Ereignisse aus der Ruhe gebracht wird” (Schonecke &

Herrmann, 2003, S.176). Aktivierung beinhaltet dabei sowohl psychologische

Aspekte, z.B. auf der Ebene emotionaler Veränderungen, wie auch die damit

verbundenen, messbaren physiologische Reaktionen. Physiologische

Funktionen werden dabei häufig als die von psychologischen Bedingungen

abhängigen Variablen betrachtet. Die Intensität einer Emotion, oder das

Ausmaß von Aktiviertheit, wird also durch die Größe der Veränderung einer

physiologischen Funktion zum Ausdruck gebracht.

Die oben beschriebene HHNA trägt ohne Zweifel, elementar zur

Steuerung des Aktivierungsniveaus bei. Sie ist somit ein wichtiges Bindeglied

zwischen unmateriellen, symbolischen Ereignissen, wie sie auf

psychologischer Ebene stattfinden und materiellen Veränderungen, wie der

Ausschüttung von Hormonen oder der Veränderung von Immunprozessen.

Die Aktivierung kann durch verschiedenen Indikatoren, auf die später noch

eingegangen wird, gemessen werden. Dabei muss beachtet werden, dass die

Korrelation zwischen den einzelnen Ebenen oft gering und außerdem

veränderbar ist. So kann es passieren, dass Patienten nach der Behandlung,

in ehemals Angst auslösende Situationen keine Angst mehr verspüren,

jedoch mit deutlichen Veränderungen physiologischer Parameter reagieren.

Auch ist der umgekehrte Fall denkbar, dass Personen ein Gefühl intensiv

wahrnehmen, jedoch kaum physiologische Veränderungen eintreten. Dies

58

Page 63: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

kann einerseits von der Art der Emotion abhängen oder andererseits von

einem nicht linearen Zusammenhang zwischen dem Erleben einer Emotion

und den entsprechenden Änderungen physiologischer Funktionen

(Schonecke & Herrmann, 2003, S177).

Auf die Diskrepanz zwischen psychologischen und physiologischen

Aspekten der Aktivierung wird im folgenden Kapitel über die Wahrnehmung

näher eingegangen.Zunächst möchte ich einen Überblick auf die

verschiedenen, im Sinne dieser Arbeit relevanten, physiologischen Parameter

geben.

2.6.6.1 Elektrodermale Aktivität (EDA)

Hierunter versteht man die messbaren Veränderungen der bioelektrischen

Eigenschaften der Haut. Diese Eigenschaften sind in erster Linie von der

Aktivität der Schweißdrüsen abhängig.

Mit Zunehmender Schweißdrüsenaktivität steigt die Feuchtigkeit der Haut und

damit die elektrische Hautleitfähigkeit (auch: Skin Conductance Level = SCL).

Da Schweißdrüsen ausschließlich sympathisch innerviert sind ist die EDA ein

sehr guter Indikator für des Sympathikotonus, also der inneren Anspannung.

EDA Messwerte steigen proportional zur inneren Anspannung an.

Aufgrund der Reaktion der EDA auf innere Anspannung, ist sie ein geeigneter

Parameter um Zusammenhänge zwischen äußeren (Stress-) Reizen und

inneren psychischen wie körperlichen Reaktionen zu verdeutlichen.

Aus der Charakteristik der EDA ergeben sich folgende typische

Anwendungsbereiche:

● Stressdiagnostik

59

Page 64: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

● Demonstration psychophysischer Zusammenhänge

● Therapie von Angststörungen wie z.B. Panikattacken, Phobien,

generalisierte Angststörungen

2.6.6.2 Elektrische Muskelaktivität (EMG)

In der Muskulatur bestehen je nach Aktivierungszustand elektrische

Potenzialunterschiede die mit Hilfe von Elektroden gemessen werden können.

Da sich diese Potenzialdifferenzen bis an die Oberfläche übertragen, werden

sie üblicherweise nicht direkt im Muskel, sondern mit Klebeelektroden an der

Haut gemessen. Man spricht daher vom Oberflächen-Elektromyogramm

(EMG). Durch Potenzialverschiebungen wird jede willentlich gesteuerte

Muskelaktivität im EMG sichtbar. Besonders interessant ist jedoch, dass auch

unwillkürliche Reaktionen, wie z.B. Veränderungen des Muskeltonus durch

das EMG registriert werden. Ein erhöhter Muskeltonus korreliert mit erhöhter

sympathischer Aktivität, also allgemeiner Aktivierung (z.B. also auch

psychischer Belastung). Eine Abnahme des Muskeltonus lässt auf vermehrte

parasympathische Erregung schließen.

60

Page 65: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.6.6.3 Blutvolumenpuls (BVP)

Der Blutvolumenpuls ist ein Wert für die aktuelle Durchblutung des

untersuchten Gewebes. Ausschlaggebend dafür ist einerseits das

Herzschlagvolumen, andererseits der Gefäßwiderstand des untersuchten

Gewebes (z.B. am Finger). Die Messung des BVP erfolgt mit

photoelektrischen Sensoren, auf der Grundlage, dass Infrarotlicht je nach

Durchblutungs- bzw. Gefäßzustand unterschiedlich reflektiert wird.

Die Steuerung der Durchblutung erfolgt durch das Autonome

Nervensystem. Vasodilatation, die Erweiterung der Blutgefäße und damit

verbundene Durchblutungssteigerung, erfolgt bei zunehmender

parasympathischer Aktivität. Vasokonstriktion indiziert sympathische Erregung

und erzeugt eine Abnahme der Durchblutung.

Der BVP wird vor allem für die Erfassung der Herzrate verwendet.

Diese wird in ihrer Variabilität durch Stress beeinflusst (Schubert et al, 2009)

Da die Messung durch einen einzelnen Sensor an einem Finger erfolgt, ist sie

weit wenig aufwendig als eine EKG-Messung.

Typische Anwendungsbereiche für BVP- Messung und -Feedback finden sich

in der Stressdiagnostik sowie bei der Behandlung von Angststörungen.

Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich ist das Vasekonstruktionstraining

(VKT), dessen Ziel es ist die Kontrolle über die Durchblutung bestimmter

Gewebeteile zu erlangen. Das Erlangen dieser Fähigkeit ist z.B. bei

Durchblutungsstörungen oder bei der Behandlung von Migräne von

Bedeutung.

61

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2.6.6.4 Hauttemperatur

Die Hauttemperatur ist wie der BVP ein Indikator für den

Durchblutungszustand der untersuchten Gewebestelle, also abhängig von

sympathischer und parasympathischer Aktivierung. Die Änderung der

Hauttemperatur ist erfolgt eher träge, sie eignet sich daher eher zur

Untersuchung langfristiger Prozesse. Die Messung über einen

Temperatursensor (am Finger) ist einerseits unaufwendig, andererseits auch

sehr leicht von äußeren Faktoren, wie z.B. der Raumtemperatur

beeinflussbar. Es ist daher wichtig konstante Raumbedingungen sowie eine

Akklimatisierungsphase für die untersuchte Person zu schaffen.

2.6.6.5 Atemaktivität

Die Atemaktivität bildet die Grundlage für mehrere verschiedene Parameter.

Die gemessene Atemkurve ist eine direkte Abbildung der respiratorischen

Aktivität. Anhand ihres naturgemäß biphasischen Verlaufes lassen sich die

genauen Ein- bzw. Ausatmungszeiten ablesen. Weiters sind die Atemfrequenz

sowie die Atemtiefe (Amplitude der Atemkurve) von Bedeutung.

Als weiterer Parameter ergibt sich die Variabilität des Herzschlags in

Abhängigkeit von der Atmung, die Respiratorische Sinusarithmetik (RSA). Die

RSA wird als Maß für Entspannung bzw. Entspannungsfähigkeit interpretiert.

Die Atemaktivität wird mit einem Brust/ Bauchgurt oder mit Hilfe von

Infrarotsensoren gemessen.

62

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2.7 Wahrnehmung

Die Frage nach der Wahrnehmung des Aktivierungsniveaus steht im

Mittelpunkt dieser Forschungsarbeit. Während die Forschung zum Thema

Stress jährlich durch unzählige Arbeiten bereichert wird, kann man feststellen,

das die Wahrnehmung des Stresszustandes, der seinen Ausdruck in einem

gesteigerten Aktivierungsniveau findet, bisher vernachlässigt wurde.

In den vorangegangen Kapiteln wurde bereits an einigen Stellen auf

die mögliche Relevanz der Wahrnehmung in Hinblick auf den

Gesundheitszustand hingewiesen. Besonders interessant erscheint hier z.B.

die Untersuchung von Kirschbaum (1995), in deren Rahmen der TSST an 5

aufeinander folgenden Tagen mit derselben Stichprobe durchgeführt wurde.

Trotz der jeweils identischen Rahmenbedingungen kam es jedes Mal zu

denselben endokrinen Reaktionen, was sicherlich im Widerspruch zu einem

intuitiven Zugang zu dieser Thematik steht. So liegt es nahe, davon

auszugehen, dass sich die endokrine Reaktion, also die Reaktivität der HHNA

sukzessive verringern würde. Diese Annahme liegt deshalb intuitiv nahe, weil

wir in ähnlichen Situationen davon ausgehen können, dass wir mit jeder

erfolgten bzw. bestandenen Wiederholung eines Stressors eine geringere

Spannung wahrnehmen.

Aus dem Kapitel zum Thema Chronischer Stress wird weiterhin klar,

dass es durch andauernde Belastung zu einer Überfunktion der HHNA

kommen kann. Die damit verbundene ständige Erhöhung der verschiedenen

Hormonspiegel wird üblicherweise nicht wahrgenommen. Trotzdem ist das

körperliche Aktivierungsniveau ständig erhöht. Offensichtlich tritt dabei ein

Gewöhnungseffekt auf, wodurch die gesteigerte Beanspruchung des

Organismus als der Normalzustand erlebt wird. Man kann also darauf

schließen, dass es durch eine andauernde Belastung, wie sie bei

chronischem Stress vorliegt, zu einer Veränderung der Wahrnehmung

63

Page 68: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

kommt. Die Veränderung des Grundzustandes könnte in weiterer Folge zu

einer Beeinflussung der Wahrnehmungsschranken führen, d.h. die

Wahrnehmung kleinerer Schwankungen könnte durch das erhöhte

Grundniveau erschwert werden. Bevor ich weiter und detaillierter auf derartige

Phänomene eingehe, möchte ich mich den Fragen widmen, was und wie wir

eigentlich wahrnehmen.

2.7.1 Somatosensorik

Unter dem Sammelbegriff der Somatosensorik werden verschiedene Bereiche

der Körperwahrnehmung, wie z.B. der Tastsinn, Tiefensensibilität,

Temperaturwahrnehmung oder viszerale Sensibilität zusammengefasst. Die

Sensitivität bzw. Funktionalität der Rezeptoren steht in Zusammenhang mit

dem Gesundheitszustand (Laederach-Hofmann, 2008; Bakal et al, 2008).

Für die Wahrnehmung des eigenen Aktivierungszustandes erscheint vor allem

die viszerale Sensitivität besondere Relevanz zu haben.

Ein umfassendes Netzwerk von Nervenfasern und Sensoren gibt

permanente Rückmeldung über Funktion und (Aktivierungs-)Zustand aller

Organe. Auffällig ist dabei, dass die dabei gewonnene Information nur zu

einem sehr geringen Anteil, bzw. in den seltensten Fällen bewusst zugänglich

ist. Die Aktivität der Viszerozeptoren dient vor allem der Kontrolle des

homöostatischen Gleichgewichts des inneren Milieus.

Für die Wahrnehmung des Aktivierungsniveaus und in diesem Sinne

für die Wahrnehmung von Stresszuständen spielen diese Rezeptoren eine

große Rolle. Neben der emotionalen Reaktion auf einen Reiz, die durch die

Bewertung auf Grund unserer Vorerfahrung in Teilen des limbischen Systems

entsteht (Hypothalamus, Amygdala), liefern die Viszerozeptoren das

64

Page 69: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Feedback über die Organischen Reaktionen und beeinflussen die emotionale

Ebene, wie auch die folgende rationale bzw. bewusste Bewertung.

Besondere Beachtung sollte im Sinne dieser Arbeit der Viszerozeption im

kardiovaskulären System zu kommen.

Störungen und Einschränkungen im Bereich der

Herzfrequenzvariabilität können in Zusammenhang mit verschiedenen

funktionalen Folgestörungen gebracht werden (Tak et al, 2009). Darüber

hinaus kann ein Mangel an viszeraler Wahrnehmung im kardiovaskulärem

System bedrohliche Konsequenzen, z.B. einen stillen Herzinfarkt haben.

Dabei werden sowohl Schmerzen, als auch starke Überaktivierung der

Herztätigkeit nicht wahrgenommen (Birbaumer & Schmid, 2006). Ein

Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit kann in diesem Sinne auch die

Wahrnehmung eines Stresszustandes beeinflussen, weil es sich dabei um

eine Interpretation von körperlichen Sensationen unter emotionalem

Blickwinkel handelt.

2.7.2 Emotion und Stressreaktion

Emotionen sind ein komplexes Muster körperlicher und mentaler

Veränderungen, darunter physiologische Erregung, Gefühle, kognitive

Prozesse und Reaktionen im Verhalten als Antwort auf eine Situation, die als

persönlich bedeutsam wahrgenommen wurde (Zimbardo &Gerrig, 2004, S.

547). Emotionen verursachen also spezifische Muster autonomer Aktivität,

wie wir sie zuvor auch schon in der Beschreibung der Stressreaktion kennen

gelernt haben. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es

verschiedene Arten von Aktivierungsmustern gibt, die die Art der jeweiligen

emotionalen Erfahrung prägen. Die hormonellen und neuronalen Vorgänge

werden dabei vom Hypothalamus und dem limbischen System gesteuert. Vor

65

Page 70: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

allem der Amygdala, einer Teilstruktur des limbischen Systems, kommt bei der

Steuerung der Emotionen, und der Bildung eines emotionalen Gedächtnisses

eine elementare Bedeutung zu (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 553)

Man kann an dieser Stelle erkennen, dass die zuvor beschriebene

Stressreaktion auf alle Fälle eng mit dem Erleben von Emotionen verwoben

ist. Einerseits findet die Steuerung zum Teil in den selben Gehirnstrukturen

statt, andererseits gibt es Überschneidungen in den körperlichen Reaktionen.

Die Wahrnehmung eines Stresszustandes, der sich in einer Erhöhung des

Aktivierungsniveaus ausdrückt, findet also auf jeden Fall auf der selben

Ebene, wie das Erleben von Emotionen statt.

Betrachtet man verschiedene Emotionstheorien, so kann man

erkennen, dass die Wahrnehmung der eigenen physiologischen Erregung,

neben der Einschätzung des verursachenden Reizes eine elementare Rolle in

der Emotionswahrnehmung spielt.

Die Emotionstheorie der kognitiven Bewertung reduziert das Erleben

von Emotionen überhaupt auf diese zwei Komponenten.

Dabei wird betont, dass die kognitive Bewertung von Reizen sowohl bewusst,

als auch unbewusst stattfinden kann. Die bereits erwähnte Bewertung der

Situation im limbischen System, insbesondere in der Amygdala, spielt in

diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Körperliche Reaktionen

werden auf diesem Weg ausgelöst, bevor es zu einer kognitiven Bewertung

der Situation in den dafür zuständigen Bereichen des Kortex kommt.

Die Unterscheidung, ob ein Reiz eine Stressreaktion auslöst oder nicht,

passiert offensichtlich auf der selben Ebene.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wahrnehmung der

Stressreaktion, der Wahrnehmung des Aktivierungszustandes entspricht.

Die erlebte Intensität wird einerseits durch die Intensität der physiologischen

Reaktion und andererseits durch den emotionalen Kontext bestimmt.

66

Page 71: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

2.7.3 Wahrnehmungsfehler oder Fehlinterpretation ?

Betrachtet man die oben beschriebenen Prozesse genauer, so kann man

feststellen, dass es an verschiedenen Stellen Fehlermöglichkeiten gibt, die

zu einer verzerrten oder falschen Wahrnehmung des Stresszustandes führen

können. Zum einen kann es zu einer Fehlinterpretation von Stressreizen

kommen. Die kognitive Bewertung des Reizes könnte z.B. durch

verschiedene soziale Anforderungen oder Gegebenheiten beeinflusst werden.

Reize, die im Allgemeinen durchaus im Bereich verträglicher

Alltagsbelastungen bewertet werden, könnten für einzelne Menschen

belastend sein, ohne dass diese eine derartige Interpretation für sich

zulassen. Im Kapitel über soziale Unterstützung wurde bereits darauf

hingewiesen, dass soziale Integration, durch die daraus resultierenden

Anforderungen, auch als Belastung wirken kann. Bedenkt man die Tatsache,

dass die Gesellschaft ständigen Druck ausübt, so erscheint es durchaus

plausibel, dass es zu Fehlinterpretationen von Reizen kommen kann, um ein

gesellschaftlich erwünschtes Verhalten aufrecht erhalten zu können.

Eine weitere Fehlerquelle kann in der Fehlinterpretation körperlicher

Erregung liegen. Erregungszustände können einerseits, im Rahmen der

kognitiven Bewertung einer falschen Ursache zugeschrieben werden.

Dies stellt gleichzeitig eine Art der Fehlinterpretation des Reizes dar und

unterstreicht somit die oben angeführten Behauptungen (Zimbardo & Gerrig,

2004, p. 556). Wie in 2.7.1 beschrieben, ist es weiters durchaus vorstellbar,

dass es Menschen gibt, die in der Wahrnehmung ihrer physiologischen

Erregung exakter sind als andere. Defizite bei dieser Art der Wahrnehmung

können sich somit im emotionalen Erleben, wie auch im Prozess der

Stressreaktion auswirken.

67

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2.8 Stresserleben und Gesundheit

Nachdem im Rahmen dieser Arbeit hinreichend darauf eingegangen wurde,

dass es einerseits wesentliche Zusammenhänge zwischen Stress,

insbesondere chronischem Stress, und dem Gesundheitszustand gibt und

andererseits die Wahrnehmung von Stress, die eng mit dem Erleben von

Emotionen verknüpft ist, verschiedensten Fehlinterpretationen unterliegen

kann, liegt es nun nahe, die verbleibende “Lücke”, zwischen der

Stresswahrnehmung und dem Gesundheitszustand zu schließen:

Kann eine Fehlinterpretation von Stressreizen, bzw. des eigenen

Erregungszustandes den Gesundheitszustand beeinflussen? Ergebnisse

einer Untersuchung von Kanbara et al. (2004) unterstreichen diese

Annahmen. Ihnen zufolge gibt es zwei Möglichkeiten wie Personen, die unter

funktionellen somatischen Störungen leiden, ihr Erregungsniveau

fehlinterpretieren. Zum einen, kommt es zu einer Unterschätzung der

Aktivierung, bei relativ hoher physiologischer Erregung, zum anderen kann es

auch vorkommen, dass eine relativ hohe subjektive Anspannung erlebt wird,

während objektive Messungen nur geringe körperliche Reaktionen zeigen.

Diese beiden Fehlinterpretationen führen zu einer signifikanten negativen

Korrelation zwischen subjektiv erlebter und objektiv gemessener

Stressreaktion bei Menschen mit funktionellen somatische Störungen. Bei der

Kontrollgruppe mit gesunden Testpersonen konnten hingegen keine

signifikanten Korrelationen gefunden werden.

Die Tatsache, dass Menschen mit funktionellen Störungen dazu

neigen, unter Alexithymie zu leiden, liefert weitere Grundlagen für

Spekulationen über Zusammenhänge zwischen Gesundheitszustand und

Stresswahrnehmung: Alexithymie ist eine Störung der Fähigkeit von

emotionaler Wahrnehmung und emotionalem Ausdruck (Kanbara et al., 2004).

Geht man wie oben beschrieben, davon aus, dass es sich bei der

68

Page 73: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Stresswahrnehmung um eine Art der emotionalen Wahrnehmung handelt, so

liegt die Vermutung nahe, dass Menschen mit Alexithymie auch eine

schlechtere Stresswahrnehmung haben.

Die ursächlichen Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung des

Aktivierungszustandes und dem Gesundheitszustand liegen letzten Endes im

daraus resultierenden Verhalten. Eine Fehlinterpretation in einer

Stresssituation führt zu Verhaltensweisen, die nicht situationsadäquat sind.

Bei einer Unterschätzung der eigenen Aktivierung kann es zu

vermehrter Konfrontation mit den Stressreizen und damit zu einer

Verlängerung des erhöhten Aktivierungszustandes kommen. Dieser

Mechanismus könnte z.B. bei chronischem Stress eintreten und mit dem

dabei bestehenden, erhöhten Grundniveau physiologischer Parameter

zusammenhängen. Da ein derartig erhöhtes Grundniveau in weiterer Folge

einen geringeren Reaktionsausschlag bedingt, kann man davon ausgehen,

dass vor allem bei chronischem Stress wesentlich differenziertere

Wahrnehmungsfähigkeiten notwendig wären, um die Belastung einzelner

Situationen einschätzen zu können. Man kann erkennen, dass es sich hier um

einen Teufelskreis handelt, der auf Dauer sicherlich relevant für den

Gesundheitszustand ist.

Interessant wäre es an dieser Stelle Überlegungen zum Thema Burnout

anzustellen. Zusammenhänge in diese Richtung drängen sich nahezu auf.

Im Sinne dieser Arbeit beschränke ich mich jedoch auf die Annahme, dass

durch eine fehlerhafte Wahrnehmung falsche Verhaltensreaktionen erfolgen,

was langfristig mit einer Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes

einhergehen kann.

69

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3 Forschungsfrage und Hypothesen

In den vorangegangen Kapiteln wurden nun alle Grundlagen und

Zusammenhänge dargestellt, die relevant sind um sich der Frage zu widmen,

inwiefern Selbstwahrnehmung und Gesundheitszustand zusammenhängen.

Bevor ich zu den, in weiterer Folge zu überprüfenden Hypothesen komme,

möchte ich an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung liefern, um die

wichtigsten Fakten hervorzuheben.

Grundlage der Untersuchung bildet das in 2.1.3 beschriebene Modell

der Salutogenese. Dieses Modell bietet in Hinblick auf das allgemein

angewandte biopsychosoziale Krankheitsmodell einige Vorteile: Zum einen ist

das darin propagierte Gesundheits-Krankheitskontinuum einfach auf einen

Versuchsplan übertragbar. Zum anderen ist es strukturell wesentlich einfacher

und übersichtlicher. Persönlichkeitseigenschaften (siehe Kap. 2.2) haben

offensichtlich einen Einfluss auf die Gesundheit und wirken sich daher auch

auf die Untersuchungsergebnisse aus. Das im Modell der Salutogenese

enthaltene Kohärenzgefühl korreliert mit allen wesentlichen

Persönlichkeitseigenschaften und kann daher stellvertretend erhoben werden.

Soziale Unterstützung hat ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf

den Gesundheitszustand. Untersuchungen haben gezeigt, dass dies sowohl

direkt durch die Veränderung von Immunparametern, als auch indirekt, auf

der Verhaltensebene geschieht (Kap. 2.3, Abbildung 5 ). Das Modell der

Salutogenese berücksichtigt die soziale Unterstützung in Form der

generalisierten Widerstandsressourcen. Dieses Konstrukt ist darüber hinaus

ein Richtwert dafür, inwiefern eine Person über Ressourcen zur

Spannungsreduzierung verfügt (Kap. 2.4). Es bietet sich daher an, an Stelle

der schwer quantifizierbaren sozialen Unterstützung die generalisierten

Widerstandsressourcen zu erheben. Dies ist insbesondere dadurch

70

Page 75: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

legitimiert, dass es lediglich notwendig ist, die die betreffenden Faktoren zu

kontrollieren. Die genaue Kenntnis der sozialen Unterstützung ist im Sinne

der Untersuchung nicht relevant.

Im Kapitel 2.6 wurde der Frage nachgegangen, in welcher Form sich

die zuvor beschriebenen Faktoren auf die Gesundheit auswirken können. Die

Frage nach den spezifischen Wirkweisen kann mit Fortschreiten der

wissenschaftlichen Technik immer besser beantwortet werden. Ursprünglich

ausgehend von der Funktion der Hypothalamus-Hypophysen-

Nebennierenrindenachse (HHNA, Kap. 2.6.3), kann heute gezeigt werden,

dass viele Hormone auch auf direktem Wege Immunzellen beeinflussen.

Diese Vorgänge sind sehr komplex und nahezu unüberschaubar. Kapitel 2.6.4

gibt einen kurzen Überblick.

Die Stressreaktion (Kap. 2.6.5) wirkt jedoch nicht nur auf endokriner

und immunologischer Ebene. Nach Aussen hin sind zahlreiche Reaktionen

des Körpers auf Stress erkennbar und auch messbar. Diese

psychophysiologischen Korrelate der Stressreaktion (Kap. 2.6.6) werden im

Rahmen von Biofeedbackverfahren gemessen und liefern Aufschluss über

das aktuelle Aktivierungsniveau einer Person. Die körperlichen

Veränderungen können jedoch nicht nur mit Apparaten gemessen werden.

Die Wahrnehmung dieser Reaktionen, in Kombination mit den jeweiligen

emotionalen Färbungen (Kap. 2.7) steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Die Forschungsfrage, ob nun diese Wahrnehmung mit dem

Gesundheitszustand zusammenhängt kann durch die Überprüfung der

folgenden Hypothesen beantwortet werden.

71

Page 76: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

H1: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmungskompetenz

bezüglich des Aktivierungsniveaus und dem Gesundheitszustand.

H0: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Wahrnehmungskompetenz

bezüglich des Aktivierungsniveaus und dem Gesundheitheitszustand.

Unter Berücksichtigung der Richtung des Zusammenhangs, läßt sich folgende

Hypothese formulieren:

H1: Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand verfügen über

geringere Fähigkeiten in der Wahrnehmung ihres Aktivierungszustandes.

H0: Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand unterscheiden sich

nicht von der Normpopulation, hinsichtlich der Fähigkeit zur Wahrnehmung

ihres Aktivierungszustandes.

72

Page 77: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

4 Methode

4.1 Versuchsdesign

Um ein passendes Versuchsdesign zur Überprüfung der oben formulierten

Hypothese zu finden, bietet es sich an, auf die anfangs dargestellten Modelle

zurückzugreifen. Insbesondere die im Laufe der Arbeit gebildete Kombination

aus psychosozialer Krankheitsätiologie und Aspekten des

Salutogenesemodells bietet eine einfache, auf einige wenige Faktoren

reduzierte Darstellung der zu untersuchenden Zusammenhänge (siehe

Abb.6).

Zentrale Bestandteile sind im Sinne der Fragestellung einerseits der

Gesundheitszustand, andererseits eine Messung der Wahrnehmungsfähigkeit

in Bezug auf das Aktivierungsniveau. Während der Gesundheitszustand einer

Person relativ einfach über einen Fragebogen (SF-36) erhebbar ist, so bedarf

es einiger Kunstgriffe, um aussagekräftige Werte für die

Wahrnehmungskompetenz zu erhalten. Wie später genauer beschrieben wird,

ist eine Korrelation aus standardisierten Biofeedbackwerten und

Selbsteinschätzungen in Form von Ratingskalen dafür geeignet.

Nachdem man davon ausgehen kann, dass, wie anfangs beschrieben,

unzählige Faktoren den Gesundheitszustand einer Person beeinflussen, ist

es notwendig, diese Störvariablen einigermaßen zu kontrollieren, um letzten

Endes zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen zu können.

Wie bereits erwähnt eignen sich zu diesem Zweck der Kohärenzsinn,

messbar durch die SOC-Skala, sowie die generalisierten

Widerstandsressourcen, die durch den relativ kurzen SALUS-Fragebogen

messbar sind. Diese beiden Konstrukte korrelieren mit gesundheitsrelevanten

Faktoren aus den Bereichen der Persönlichkeitspsychologie und des sozialen

Umfeldes, wodurch sie ein breites Spektrum an möglichen Einflüssen

73

Page 78: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

abdecken. In der folgenden Abbildung 8 werden die verwendeten

Messinstrumente in Bezug auf das verwendete Modell dargestellt.

Die Erhebung aller relevanten Faktoren, durch die im Folgenden dargestellten

Instrumente, erlaubt einige verschiedene Möglichkeiten, sich der

74

Abbildung 8: Erhebungsinstrumente. Das Salutogenese Modell ermöglicht eine

Reduzierung der relevanten Faktoren. Sie können mittels SOC Skala, SALUS,

Biofeed, SF 36 und Ratingskalen, wie im Folgenden beschrieben, erhoben

werden.

Page 79: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Fragestellung anzunähern.

Die erste Möglichkeit besteht darin, die Korrelation zwischen SF-36 Werten

und den Werten für die Wahrnehmung zu berechnen. Da es hier

Verzerrungen des Ergebnisses zu erwarten gibt, müssen SOC und SALUS

aus dieser Korrelation herauspartialisiert werden.

Anschließend kann die Höhe der Korrelation auf Signifikanz überprüft werden.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Probanden in zwei

Gruppen, nämlich mit unter- bzw. überdurchschnittlicher Gesundheit

einzuteilen. Im Rahmen der Untersuchung wird eine Gruppe aus Kurgästen,

die andere aus Personen, die im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung als

weitgehend gesund befunden wurden, rekrutiert. Anschließend können die

Korrelationen zwischen den Wahrnehmungswerten und den SF-36 Werten

getrennt untersucht werden.

Es lässt sich so feststellen, ob sich gesunde und weniger gesunde

Personen in ihrer Wahrnehmung unterscheiden. Diese Variante bietet sich an,

weil schon die Studie von Kanbara et al. ( 2004) derartige Unterschiede nahe

legt.

Im Folgenden möchte ich auf die Details, sowie die einzelnen

verwendeten Instrumente eingehen.

4.2 Biofeedbackmethode

Im Rahmen der Untersuchung wird ein eigens zusammengestellter,

standardisierter Stresstest auf Grundlage der Software von Insight

Instruments verwendet.

Wie in der folgenden Abbildung ersichtlich, besteht der Test aus

mehreren Ruhe und Stressphasen. Beginnend werden die Anfangswerte

75

Page 80: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

jeder Person bestimmt, anschließend folgt eine erste Stressphase, während

derer die Probanden eine Rechenaufgabe lösen müssen. Nach der folgenden

Ruhe bzw. Erholungsphase erfolgt eine zweite Stressphase, im Zuge derer

die Probanden einem Geräusch ausgesetzt sind. Anschließend folgt eine

weitere Ruhephase. Die folgende Abbildung (Abb.9) zeigt den Verlauf des

Stresstests anhand der Messung des Hautleitwertes (SCL).

Abbildung 9: Beispiel für den Verlauf des SCL Werts während dem

verwendeten Stresstest. Die Entspannungsphase ist zu kurz, um eine

Erholung bis zum Ausgangswert zu ermöglichen.

Der zu erwartende Verlauf des Hautleitwertes wird hier beispielhaft

dargestellt. Im Idealfall würde die Kurve in etwa wie in der Abbildung

aussehen, nämlich mit relativ niedrigen Werten in den Ruhephasen und

deutlichen Anstiegen während den Stressphasen. Während der zweiten

76

Page 81: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Stressphase ist generell mit höheren Werten zu rechnen, da man davon

ausgehen kann, dass es einen Treppeneffekt gibt. Dieser entsteht durch die

Tatsache, dass die Probanden nach der ersten Stressphase bereits ein

höheres Aktivierungsniveau aufweisen, da es während der Ruhephase zu

keiner vollständigen Erholung kommt. Beobachtungen in der Praxis haben

gezeigt, dass vor allem auch dieser Treppeneffekt zu einer Fehleinschätzung

des Aktivierungsniveaus führt. Dies trifft vor allem dann zu, wenn es dadurch

zu einem verlangsamten Abflachen der Kurve in den folgenden Ruhephasen

kommt. Die folgende Abbildung stellt dies beispielhaft dar (Abbildung 10). Die

Selbsteinschätzung (blau) ist in den ersten Phasen des Tests relativ genau,

unterliegt dann jedoch dem Treppeneffekt, was zu einer Fehleinschätzung in

der letzten Testphase führt. Besonders bei Menschen, die chronischem Stress

ausgesetzt sind drängt sich die Vermutung auf, dass ihr Alltagsverhalten

durch einen Treppeneffekt beeinflusst wird. Das gewählte Setting wird diesem

Umstand also gerecht.

77

Page 82: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Abbildung 10: Der Treppeneffekt führt zu einer immer größer werdenden

Fehleinschätzung (blau) des Aktivierungsniveaus.

Die Verwendung von Biofeedbackdaten im Rahmen einer derartigen Studie ist

prinzipiell eher als problematisch zu betrachten. Dies liegt vor allem daran,

dass die einzelnen Parameter individuell höchst unterschiedlich sein können,

wodurch eine Vergleichbarkeit von Messwerten zwischen mehreren Personen

nicht gegeben ist. Hat eine Proband eine höhere Hauttemperatur als ein

anderer, so lässt sich daraus nicht zwingend ableiten, wer das aktuell höhere

Aktivierungsniveau hat. Vergleichbar ist jedoch jeder Wert in Bezug auf

seinen Ausgangswert, man kann sehr wohl sagen, dass, bzw. in welche

Richtung sich das Aktivierungsniveau einer Person über einen zeitlichen

Verlauf hin verändert.

78

Page 83: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Diese Tatsache legt nahe, nicht die absoluten Messungen, sondern

die Schwankungen der Werte zu betrachten. Wenn man die Werte jeder

einzelnen Person zusätzlich standardisiert, so sind die Schwankungen

interpersonell vergleichbar, da die Verzerrungen durch die individuell

unterschiedlichen Ausgangsniveaus im Zuge der Standardisierung eliminiert

werden.

Eine weitere Fehlerquelle besteht in der Tatsache, dass es individuell

sehr unterschiedliche Reaktionstendenzen geben kann, was die Art der

psychophysiologischen Reaktionen auf einen Stressreiz betrifft. Dies kann zu

Verzerrungen der Ergebnisse führen, wenn man zu wenige Parameter in die

Untersuchung einbezieht. Wenn bestimmte Probanden tendenziell eher mit

einer Veränderung des Hautleitwertes (SCL) reagieren, die Durchblutung oder

die Muskelspannung sich jedoch nicht im selben Ausmaß ändern, so geht die

Information über die Reaktion verloren, wenn die Veränderung des SCL nicht

berücksichtigt wird.

In diesem Sinne drängt es sich auf, möglichst viele Parameter in die

Untersuchung ein zu beziehen. Auch wenn man sich der Gefahr aussetzt,

dass es in gewisser Weise zu einer gegenseitigen rechnerischen Aufhebung

von Reaktionen kommen kann, bietet sich dabei die Bildung eines

Mittelwertes über mehrere Parameter an. Dieser Mittelwert würde dann etwas

generelles über das Aktivierungsniveau einer Person aussagen.

Da es sich im Rahmen der Biofeedbackuntersuchung um eine objektive

Messmethode handelt, wird dieser Wert im weiteren Verlauf der Arbeit als

Objektiver Aktivierungswert (OAW) bezeichnet.

Die Berechnung des OAW kann praktisch zu jedem einzelnen Zeitpunkt der

Biofeedbackuntersuchung stattfinden. Die Korrelation zwischen dem OAW

und der gleichzeitigen Selbsteinschätzung (im folgenden SAW, für subjektiver

Aktivierungswert) beschreibt die Wahrnehmungsfähigkeit. Eine hohe

Korrelation bedeutet, dass die Selbsteinschätzung dem objektiv gemessenen

Aktivierungsniveau entspricht, während eine niedrige Korrelation auf eine

79

Page 84: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

eher ungenaue Selbsteinschätzung schließen lässt. Eine negative Korrelation

würde bedeuten, dass sich der Proband systematisch falsch, also ständig

über- oder unterschätzt.

Da es nicht möglich und auch nicht notwendig ist, zu jedem einzelnen

Moment der Untersuchung eine Selbsteinschätzung abzugeben, erfolgt die

Berechnung der Korrelationen auf der Grundlage der OAW- Mittelwerte der

einzelnen Testphasen. Die entsprechenden SAW werden von den Probanden

am Ende jeder Testphase geschätzt.

4.3 Berechnung des Objektiven Aktivierungswertes, Standardisierung der

Biofeedbackerte

Zur Berechnung des objektiven Aktivierungswertes werden zwei

Biofeedbackparameter herangezogen. Besonders gut geeignet sind dazu der

Hautleitwert (Skin Conductance Level, SCL) sowie das Elektromyogramm

(EMG).

Der SCL beschreibt die messbaren Veränderungen der bioelektrischen

Eigenschaften der Haut. Diese Eigenschaften sind in erster Linie von der

Aktivität der Schweißdrüsen abhängig. Mit zunehmender Schweißdrüsen-

aktivität steigt die Feuchtigkeit der Haut und damit die elektrische

Hautleitfähigkeit (SCL).

Da Schweißdrüsen ausschließlich sympathisch innerviert sind, ist die EDA ein

sehr guter Indikator für des Sympathikotonus, also der inneren Anspannung.

SCL-Messwerte steigen proportional zur inneren Anspannung an. Sie sind

daher ein geeigneter Parameter um Zusammenhänge zwischen äußeren

(Stress-) Reizen und inneren psychischen wie körperlichen Reaktionen zu

80

Page 85: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

verdeutlichen. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der relativ kurzen

Reaktionszeit des SCL auf einen Reiz.

Die Werte des EMG zeigen ebenfalls einen Anstieg auf sympathische

Aktivierung an. Ein erhöhter Muskeltonus korreliert mit erhöhter

sympathischer Aktivität, also allgemeiner Aktivierung (z.B. also auch

psychischer Belastung). Eine Abnahme des Muskeltonus lässt hingegen auf

vermehrte parasympathische Erregung schließen (Bruns, T. & Braun, N.,

2002).

SCL und EMG sind zwei geeignete Parameter, die eine objektive

Aussage über den Aktivierungszustand einer Person ermöglichen.

Im Rahmen der Biofeedback- Untersuchung werden beide Werte gemessen.

Anschließend werden die Mittelwerte der einzelnen Testphasen berechnet.

Diese Mittelwerte werden über den Gesamtmittelwert der Sitzung

standardisiert, wodurch eine unterschiedliche Gewichtung der beiden

Parameter in der weiteren Berechnung aufgehoben wird. Diese

standardisierten Daten bilden die Grundlage für die Bildung eines

gemeinsamen Mittelwertes aus SCL und EMG, der schließlich als Maß für

den objektiv gemessenen Aktivierungszustand gelten kann.

4.4 Messung des Subjektiven Stresswertes (SAW),

Selbsteinschätzung der Probanden

Die Selbsteinschätzung wird mit Hilfe von Ratingskalen erhoben. Die

Probanden bekommen dazu einen eigens konstruierten Bogen, auf dem sich

für jede Phase des Stresstests eine eigene Ratingskala befindet. Zu Beginn

der Untersuchung erhalten sie die Instruktion, anhand der Skalen

81

Page 86: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

einzuschätzen, wie sehr sie in der jeweiligen Phase gestresst sind. Diese

Einschätzung müssen die Probanten direkt nach Ablauf der jeweiligen

Testphase abgeben, da bei einer rückblickenden Einschätzung am Ende des

Stresstests bereits mit zu großen Verzerrungen zu rechnen wäre.

Problematisch aber unumgänglich ist dabei, dass sich diese zusätzliche

Aufgabenstellung auch auf die OAW im Biofeedback auswirken könnte. Da

dieser Einflussfaktor für alle Probanden gleichermaßen wirkt, sind jedoch

keine Verfälschungen in Hinblick auf die Fragestellung zu erwarten.

Trotzdem sollte der Aufwand für die Probanden möglichst gering gehalten

werden. Um dies zu gewährleisten, werden bei der Bewertung keine Zahlen

verwendet, es muss lediglich ein Strich an der entsprechenden Stelle eines

Balkens gesetzt werden. Die damit gekennzeichnete Größe wird bei der

Auswertung mit dem Lineal gemessen und in Millimetern angegeben.

Auch im Fragebogen zur Messung der generalisierten

Widerstandsressourcen wird diese Art von Ratingskala verwendet. Die

Probanden sind also bereits damit vertraut, wodurch die Ablenkung vom

Stresstest zusätzlich minimiert wird.

Die Selbsteinschätzungsskalen liefern schließlich fünf Werte, die angeben,

wie stressvoll die Versuchspersonen die einzelnen fünf Phasen des

Stresstests erlebt haben. Diese Werte dienen lediglich als Grundlage, um in

weiterer Folge die Qualität der Selbsteinschätzung, in Form einer Korrelation

mit den Objektiven Aktivierungswerten zu berechnen.

4.5 Berechnung der Wahrnehmungskompetenz

Die Fähigkeit, das eigene Aktivierungsniveau einschätzen zu können, ist das

zentrale Thema dieser Arbeit. Eine Bewertung dieser Fähigkeit wird durch den

Vergleich der objektiv gemessenen Daten aus dem Biofeedback, mit den

82

Page 87: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

oben beschriebenen subjektiven Einschätzungswerten der Ratingskalen

möglich.

Pro Versuchsperson gibt es jeweils fünf Werte, die den durchschnittlichen

Aktivierungszustand während des Stresstests beschreiben. Analog dazu gibt

es fünf Werte, die die zugehörige Selbsteinschätzung repräsentieren.

Je genauer eine Veränderung der Biofeedbackwerte durch die

Selbsteinschätzung beschrieben wird, desto höher muss die Produktmoment

Korrelation zwischen diesen Werten sein. Die Wahrnehmungskompetenz

kann also einfach als Korrelation zwischen OAW und SAW berechnet werden.

Da es sich bei dem errechneten Wert um einen Korrelationskoeffizienten

handelt, bewegt er sich in seiner Größe zwischen 0 und dem Betrag von 1.

Bei einer (theoretischen) Korrelation von 0, kann man davon ausgehen, dass

das Selbsteinschätzungsvermögen der betreffenden Person sehr schlecht ist,

während Werte, die sich gegen 1 bewegen, einen Beleg für einen starken

Zusammenhang zwischen Selbsteinschätzung und objektiven Daten

darstellen. Eine negative Korrelation würde bedeuten, dass bei der

entsprechenden Person eine Tendenz zur systematischen Über- bzw.

Unterschätzung besteht.

4.6 Kontrolle der Störvariablen

Wie bereits ausführlich beschrieben, gibt es eine Vielzahl von Faktoren die

den Gesundheitszustand einer Person beeinflussen können. Wenn man, wie

es in dieser Arbeit der Fall ist, die Auswirkungen eines einzelnen Faktors, in

diesem Fall die Wahrnehmung, untersuchen will, ist notwendig auch die

anderen Einflussgrößen zu kennen. Erst dadurch wird es möglich die

Ergebnisse richtig zu interpretieren. Dabei bietet sich die Berechnung einer

83

Page 88: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

partiellen Korrelation an, die den direkten Einfluss der Wahrnehmung auf den

Gesundheitszustand, unter Berücksichtigung der anderen Faktoren

wiederspiegelt.

Wie bereits beschrieben werden sowohl Faktoren aus dem Bereich der

Persönlichkeitspsychologie, in Form des Kohärenzsinnes, als auch Faktoren,

die eher dem sozialen Bereich zuzuordnen sind, in Form der generalisierten

Widerstandsressourcen, erhoben.

4.6.1 Kohärenzsinn

Der Kohärenzsinn (SOC) wird mit der von Antonovsky entwickelten SOC

Skala erhoben. Das Instrument umfasst 29 Items, die jeweils aus einer

siebenstufigen Ratingskala bestehen. Die drei Dimensionen Verstehbarkeit,

Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit, werden von unterschiedlichen Items

erfasst. Faktorenanalytisch konnten diese drei Faktoren bisher jedoch nicht

reproduziert werden (Schumacher, 2000, S. 208-213) Untersuchungen von

Meckel-Haupt (2001) legen nahe, dass dies insbesondere mit der deutschen

Übersetzung des Fragebogens zusammenhängt.

Für die weitere Verwendung der SOC Skala im Rahmen dieser Arbeit spielt

dieses Problem jedoch keine Rolle. Relevant ist vielmehr die Korrelation der

SOC Werte mit den verschiedenen, bereits beschriebenen

Persönlichkeitspsychologischen Konstrukten.

Eine erste Normierung der SOC Skala fand durch Schumacher (2000)

statt. Er verwendete dazu eine 1944 Personen umfassende Stichprobe aus

Deutschland, die im Jahr 1998 erhoben wurde. Dabei wurde ein Mittelwert M

= 145,66 bei einer Standardabweichung S = 24,33 festgestellt. Die

Ergebnisse der SOC Skala werden sowohl durch das Alter, als auch durch

84

Page 89: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

das Geschlecht beeinflusst.

Demnach erreichen Männer durchschnittlich etwas höhere SOC-Werte

als Frauen. Mit zunehmendem Alter nehmen die Werte bei beiden

Geschlechtern ab. Für die Interpretation der Ergebnisse sind diese

Unterschiede von Bedeutung.

Bei einer weiteren Normierung, durchgeführt durch Hannöver et al

(2004) an einer 4002 Personen umfassenden Stichprobe, konnten die

Ergebnisse nicht in dieser eindeutigen Form repliziert werden.

Es wurden dabei ein Mittelwert von 155 und eine Standardabweichung von 23

festgestellt. Der Mittelwertsunterschied bezüglich des Geschlechts ist zwar

statistisch signifikant, jedoch sehr gering. Bezogen auf die SOC-Werte beträgt

er lediglich 1,6% der Skalenspannweite. Zum Vergleich dazu, beträgt der

Unterschied zwischen Menschen mit psychiatrischer Störung im Verlauf ihres

Lebens bzw. Menschen ohne solcher Störung durchschnittlich 6% der

Skalenspannweite. Das Alter hat demnach ähnlich geringe Auswirkungen

(Hannöver et al, 2004, S.179-186).

Aufgrund dieser Erkenntnisse werden in der folgenden Auswertung,

Geschlechts- und Altersunterschiede bei der Interpretation von SOC Werten

zwar erwähnt, aber nicht als relevant berücksichtigt werden.

4.6.2 Generalisierte Widerstandsressourcen

Die generalisierten Widerstandsressourcen werden mit dem 14 Items

umfassenden Salutogenese- Screening SALUS erhoben. Der Fragebogen

wurde durch Klaus Jork, in Zusammenarbeit mit der Universität Marburg

entwickelt.Gemäß dem Konstrukt der generalisierten Widerstandsressourcen

umfassen die Items ein relativ breites Spektrum, dass sowohl individuelle

Fähigkeiten als auch soziale Umstände beinhaltet.

85

Page 90: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Die Items werden durch dass Kennzeichnen der entsprechenden Stelle

auf einer 6 cm langen Skala beantwortet. An den Skalenenden befinden sich

die zwei Pole “trifft völlig zu” bzw. “trifft gar nicht zu”. Die Punktezahl pro Item

ergibt sich aus dem in mm gemessenem Abstand, der vom Probanden

gesetzten Markierung, vom linken Skalenende. Die Punktezahl pro Item liegt

daher zwischen 0 und 60. Im gesamten Fragebogen können 840 Punkte

erreicht werden (Jork & Peseschkian, 2006).

Wie bereits hingewiesen, gibt es zum Konstrukt der generalisierten

Widerstandsressourcen kaum empirische Studien. Eine Normierung des

Fragebogens an einer größeren Stichprobe konnte daher leider nicht

gefunden werden.

Bei Jork (2006) wird der Fragebogen sehr praxisbezogen, angewandt. Er

dient dazu die Situation von Patienten ganzheitlich beurteilen zu können und

wird dabei gleichzeitig mit der SOC-Skala eingesetzt. Im Sinne dieser

Biofeedbackstudie kann man davon ausgehen, dass die Genauigkeit des

Instruments ausreichend ist. SALUS -Werte zeigen an, in welchem Ausmaß

Ressourcen vorhanden sind. Die genaue Bedeutung eines einzelnen

Testwertes, z.B. in Relation zum Mittelwert der Normstichprobe, ist dabei

weniger von Bedeutung als die Trends die sich innerhalb der Stichprobe

ergeben.

4.7 Gesundheitszustand

Nachdem in den vorangegangen Kapiteln bereits einige theoretische

Überlegungen zum Gesundheitszustand angestellt wurden, ist es nun an der

Zeit ein passendes Messinstrument dafür zu finden.

Im Gegensatz zu den zuvor vorgestellten Fragebögen, kann man in

diesem Bereich auf ein eher breites Spektrum von wissenschaftlichen

86

Page 91: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Arbeiten zurückgreifen. Die Wahl fiel schließlich auf den SF-36, Fragebogen

zum Gesundheitszustand.Dieser Fragebogen hat 8 Subskalen, die den

Gesundheitszustand einer Person jeweils in Punktewerten von 0 bis 100

beschreiben. Eine Normierung des Instruments hat an einer 2914 Personen

umfassenden Stichprobe im Jahr 1995 stattgefunden. Aus den

Testergebnissen dieser 8 Subskalen können schließlich zwei Summenwerte

gebildet werden, die einerseits die körperliche und andererseits die

psychische Gesundheit repräsentieren (Bullinger & Kirchberger, 1998).

5 Ergebnisse

5.1 Stichprobe

5.1.1 Versuchsgruppe Kurgäste

Auf Grund der Tatsache, dass diese Untersuchung im Rahmen des

Kurzentrums Warmbad Villach durchgeführt wurde, war eine freie Wahl der

verwendeten Stichprobe nur eingeschränkt möglich. Der Großteil der

getesteten Personen besteht daher aus Patienten, die während ihres

Aufenthaltes einer Biofeedbackuntersuchung zugewiesen wurden.

Allen diesen Personen ist bereits eine längere Krankengeschichte

gemeinsam. Es handelt sich dabei um 5 männliche und 7 weibliche,

insgesamt also 12 Testpersonen.

Da die Möglichkeit besteht, dass sich der Familienstand im Sinne

sozialer Unterstützungsmodelle auf den Gesundheitszustand auswirkt, wurde

87

Page 92: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

dieser ebenfalls erhoben. 5 der Versuchspersonen sind ledig, 6 sind

verheiratet und eine ist geschieden. Wie der folgenden Tabelle entnommen

werden kann, wurde darüber hinaus auch noch der Bildungsstand erhoben.

Das Alter der Kurgäste bewegt sich zwischen 40 und 67 Jahren, bei einem

durchschnittlichen Alter von 51.

5.1.2 Kontrollgruppe

Der andere Teil der Stichprobe besteht aus Personen, die im Rahmen einer

Vorsorge Untersuchung als größtenteils gesund befunden wurden und dabei

auf die Möglichkeit einer kostenlosen Testung aufmerksam gemacht wurden.

Diese Gruppe setzt sich aus 3 männlichen und 5 weiblichen, insgesamt also

nur 8 Versuchspersonen zusammen. Das Alter der Personen bewegt sich

zwischen 25 und 65 Jahren, das Durchschnittsalter beträgt dabei 39 Jahre.

Damit ist festzustellen, dass die Personen der Kontrollgruppe durchschnittlich

jünger sind als die der aus Kurgästen gebildeten Kontrollgruppe.

Ein Vergleich der beiden Gruppen macht auf Grund ihrer

Unterschiedlichkeiten in Bezug auf das Alter, sowie auch auf das

unterschiedliche Bildungsniveau nur sehr eingeschränkt Sinn. Auch die kleine

Gruppengröße bewirkt einige Einschränkungen, z.B. in Bezug auf die

Verteilungsform der einzelnen Testergebnisse. Da es problematisch erscheint,

bei derart kleinen Gruppen von normalverteilten Ergebnissen zu sprechen,

sind Einschränkungen bei der Wahl statistischer Methoden zu erwarten.

Die Art der Auswahl der Versuchspersonen erlaubt darüber hinaus nicht die

Zusammenstellung einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe. Durch den

vorgegebenen institutionellen Rahmen konnte jedoch weder eine größere,

noch repräsentativere Stichprobe gebildet werden. Für die Interpretation der

Ergebnisse bedeutet dies, dass man es weniger mit klaren Fakten, als

88

Page 93: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

vielmehr mit Tendenzen zu tun hat. Signifikante Ergebnisse sind in diesem

Sinne als ein Zeichen zu interpretieren, dass es sich lohnen würde, eine

Untersuchung an einer größeren Stichprobe an zu stellen. Neben dem

Vergleich der beiden Gruppen bietet die Gesamtstichprobe, die zumindest 20

Versuchspersonen umfasst, sehr wohl die Möglichkeit Zusammenhänge

zwischen einzelnen Testergebnissen zu untersuchen.Dabei können

aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden, wobei mögliche Einflussgrößen

wie Alter oder Bildungsstand berücksichtigt werden können.

Tabelle 1: Stichprobe

5.2 Berechnung der Wahrnehmungskompetenz

Aus den Biofeedback-Werten der einzelnen Personen, sowie den

entsprechenden Selbsteinschätzungen wurde, wie bereits beschrieben, ein

Wert für die Qualität der Wahrnehmung der Probanden gebildet. Da dieser

Wert eine Korrelation repräsentiert, kann er sich prinzipiell zwischen -1 und 1

bewegen.

Durchschnittlich konnte die Versuchsgruppe mit den Kurgästen, mit einem

Mittelwert von 0,6748 wesentlich höhere Werte erzielen als die

89

3 5 3 4 1 3 2 3

5 7 5 6 1 1 6 5

"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"Kurgäste

Gesamtstichprobemännlich weiblich

Geschlechtledig verheiratet geschieden

FamilienstandAkad Matura Lehre

Bildungsstand

Page 94: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Kontrollgruppe, deren Mittelwert 0,3644 beträgt. Der Mittelwert der

Gesamtstichprobe beträgt 0,5368. Wie der folgenden Tabelle entnommen

werden kann, unterscheiden sich die Standardabweichungen der beiden

Gruppen nicht wesentlich.

Tabelle 2: Wahrnehmungskompetenz

Wahrnehmungskompetenz: die einzelnen Mittelwerte enstehen aus der Korrelation zwischen Selbsteinschätzung (Ratingskalen) und den entsprechenden Biofeedbackparametern der Probanden.

Während das Einschätzungsvermögen der Kontrollgruppe eher als gering zu

interpretieren ist, kann man davon ausgehen, dass die Personen der

Versuchsgruppe, tendenziell eine recht gut Selbsteinschätzung aufweisen.

3 der 10 Versuchspersonen haben Werte über 0,8 erreicht, was auf eine sehr

gut ausgeprägt Fähigkeit schließen lässt.

90

Selbsteinschätzung

Selbsteinschätzung

,3644 8 ,27171

,6748 10 ,25141

,5368 18 ,29839

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"KurgästeInsgesamt

Mittelwert NStandardabweichung

Page 95: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Der folgende grafische Vergleich der beiden Versuchsgruppen verdeutlicht die

unterschiedlichen Gruppenergebnisse sehr anschaulich.

Abbildung 11: Vergleich der Wahrnehmungskompetenz zwischen Versuchs-

und Kontrollgruppe

Betrachtet man diese Werte, so fällt auf, dass sie sich wesentlich von jenen

Resultaten unterscheiden, die Kanbara et al (2004) anhand einer ähnlichen

Untersuchung erreichten. Dabei erzielte eine Patientengruppe den statistisch

signifikanten Wert von -0,545 und die Kontrollgruppe den nicht signifikanten

Wert von -0.031. Diese Unterschiedlichen Resultate liegen einerseits

vermutlich in der Zusammensetzung der Stichproben begründet. Die hier

verwendete Kontrollgruppe besteht aus überdurchschnittlich gesunden

91

1,000,800,600,400,200,00

Selbsteinschätzung

5

4

3

2

1

0

Häu

figke

it

5

4

3

2

1

0

"Kontrollgruppe" keine

Kurgäste

"Versuchsgruppe" Kurgäste

Gesam

tstichprobe

Page 96: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Testpersonen und ist daher keineswegs repräsentativ für die

Normbevölkerung. Die Versuchsgruppe, hier aus Kurgästen gebildet,

unterscheidet sich vermutlich ebenfalls von der Patientengruppe der zitierten

Studie. So ist anzunehmen, dass die Versuchsgruppen der beiden

Untersuchungen nicht mit den selben Krankheitsbildern konfrontiert waren.

Es ist nicht auszuschließen, dass verschiedene Erkrankungen sich

unterschiedlich auf die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung auswirken, bzw.

bestimmte Leiden eher durch eine mangelnde Ausprägung dieser Fähigkeit

entstehen.

Eine weitere Begründung für die unterschiedlichen Ergebnisse besteht

schlicht in der Tatsache, dass die verwendeten Verfahren zur Messung und

Berechnung der Werte unterschiedlich sind. In der Studie von Kanbara et al

wurde ein Stresstest mit 3 Phasen verwendet. Der hier angewandte

Stresstest umfasst 5 Phasen, wodurch, wie bereits angeführt , auch der zu

erwartende Treppeneffekt erfasst wird. Man kann in diesem Sinne von

genaueren Messergebnissen ausgehen.

5.3 Auswertung des SF 36 Fragebogen zum Gesundheitszustand

Der SF 36 Fragebogen zum Gesundheitszustand besteht aus einer

körperlichen und einer psychischen Summenskala, die in der Interpretation

getrennt betrachtet werden müssen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht

über die einzelnen Mittelwerte der Testung.

92

Page 97: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 3: Vergleich der SF36 Mittelwerte nach Versuchsgruppen

Für die Gesamtstichprobe konnte im körperlichen Summenwert ein Mittelwert

von 51,74 ermittelt werden. Dies liegt leicht über dem Mittelwert der

deutschen Normstichprobe (n=2914) von 50,21. Der Unterschied ist jedoch

nicht statistisch signifikant (p=0,411).

Die Kontrollgruppe erzielt im körperlichen Summenwert einen Mittelwert von

59,4. Dies ist ein extrem hoher Wert, der sich vom altersentsprechenden

Normwert (54,13 für 31 bis 40 Jährige) hoch signifikant (p=0) unterscheidet.

Dieser große Unterschied ist offensichtlich auf Grund der Tatsache

entstanden, dass die Vorauswahl der Probanden durch eine

Gesundenuntersuchung getroffen wurde. Er spricht in diesem Sinne für deren

Qualität. Für die weitere Interpretation ist dieser Unterschied wesentlich, da

man dadurch davon ausgehen kann, dass die Personen dieser Gruppe

tatsächlich einen äußerst günstigen Gesundheitszustand haben.

Die Gruppe der Kurgäste liegt mit einem Mittelwert von 46,64

93

Mittelwerte des SF 36

48,2957 59,39508 8

5,85694 ,9728642,6801 46,6364

12 1210,48797 6,5382744,9263 51,7399

20 209,18083 8,13768

MittelwertNStandardabweichungMittelwertNStandardabweichungMittelwertNStandardabweichung

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste

"Versuchsgruppe"Kurgäste

Insgesamt

SF36Summenwert

Psyche

SF36Summenwert

Körper

Page 98: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

erwartungsgemäß unter dem altersentsprechenden Normwert von 47,89.

Dieser Unterschied ist jedoch nicht signifikant (p=0,52)

In der folgende Abbildung kann man die unterschiedliche Verteilung der

Testwerte in den beiden Versuchsgruppen gut erkennen (Abb. 12).

Abbildung 12: SF 36 Summenwert Körper, Vergleich von Versuchsgruppe

und Kontrollgruppe

Für die Überprüfung der Hypothesen ist insbesondere die Frage von

besonderer Bedeutung, ob der gesundheitliche Unterschied zwischen den

Gruppen auch signifikant ist. Die Berechnung dieses Mittelwertvergleichs

94

60,0040,00

SF36 Summenwert Körper

6

4

2

0

Häu

figke

it

6

4

2

0

"Kontrollgruppe" keine

Kurgäste

"Versuchsgruppe" Kurgäste

Gesam

tstichprobe

Page 99: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

kann auf Grund der kleinen Stichproben nicht mittels t-Test erfolgen.

Der U-Test nach Mann und Whitney liefert jedoch ein hoch signifikantes

Ergebnis ab (p=0, siehe Tabelle 5). Man kann also davon ausgehen, dass

sich die beiden Gruppen in Bezug auf ihren körperlichen Gesundheitszustand

wesentlich unterscheiden, die Kontrollgruppe ist dem körperlichen

Summenscore zu Folge gesünder als die Gruppe der Kurgäste.

Tabelle 4: Vergleich der Rangverteilungen des Summenwertes "Körper"

zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe

95

Summenw ert Körper Rangve rtei lungen

8 16,50 132,00

12 6,50 78,00

20

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"KurgästeGesamt

SF36 SummenwertKörper

N Mittlerer Rang Rangsumme

Page 100: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 5: Ergebnis des U Tests zur Überprüfung des Unterschieds zwischen

Versuchs- und Kontrollgruppe

Im psychischen Summenwert weicht die Stichprobe ebenfalls von den Werten

der Normstichprobe ab.

Die Kontrollgruppe erreicht hier einen Mittelwert von 48,3 und liegt damit

knapp unter dem Normwert von 50,91. Die Differenz der Mittelwerte deutet

jedoch auf keinen signifikanten Unterschied hin (p=0,247).

Der von der Versuchsgruppe erzielte Mittelwert von 42,68 liegt hingegen sehr

deutlich unter dem altersentsprechenden Normwert von 51,16. Dieser

Unterschied ist statistisch signifikant (p= 0,017). Betrachtet man die einzelnen

Subskalen, Vitalität, Soziale Funktionsfähigkeit, Emotionale Rollenfunktion

und psychisches Wohlbefinden, die zur Bildung des psychischen

Summenwertes beitragen, so ist dieser niedrige Wert gut interpretierbar.

Geht man davon aus, dass ein Kuraufenthalt erst nach einer längeren

Krankengeschichte genehmigt wird, so ist es naheliegend, dass die Gruppe

der Kurgäste niedrigere Werte in diesen Bereichen aufweist.

Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die unterschiedlichen

96

U Test Mann-Whitney Summenwert Körperb

,00078,000-3,703

,000

,000a

Mann-Whitney-UWilcoxon-WZAsymptotischeSignifikanz (2-seitig)Exakte Signifikanz[2*(1-seitig Sig.)]

SF36Summenwert

Körper

Nicht für Bindungen korrigiert.a.

Gruppenvariable: Gesamtstichprobeb.

Page 101: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Verteilungen des psychischen Summenwertes.

Abbildung 13: SF 36 Summenwert Psyche, Vergleich von Versuchsgruppe

und Kontrollgruppe

Analog zum körperlichen Summenwert liegt es auch hier nahe, den

Unterschied zwischen den Gruppen auf Signifikanz zu überprüfen. Der U Test

bringt in diesem Fall kein signifikantes Ergebnis ( p= 0,238, siehe Tabelle)

97

60,0040,0020,00

SF36 Summenwert Psyche

4

3

2

1

0

Häu

figke

it

4

3

2

1

0

"Kontrollgruppe" keine

Kurgäste

"Versuchsgruppe" Kurgäste

Gesam

tstichprobe

Page 102: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 6: Vergleich der Rangverteilungen des Summenwertes Psyche

zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe

Tabelle 7: Ergebnis des U Tests zur Überprüfung des Unterschieds zwischen

Versuchs- und Kontrollgruppe in Hinblick auf den Summenwert Psyche

98

U Test Mann- Whitney Summenwert Psycheb

32,000110,000

-1,234

,217

,238a

Mann-Whitney-UWilcoxon-WZAsymptotischeSignifikanz (2-seitig)Exakte Signifikanz[2*(1-seitig Sig.)]

SF36Summenwert

Psyche

Nicht für Bindungen korrigiert.a.

Gruppenvariable: Gesamtstichprobeb.

Summ enw ert Psyche Rangve rte ilungen

8 12,50 100,00

12 9,17 110,00

20

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"KurgästeGesamt

SF36 SummenwertPsyche

N Mittlerer Rang Rangsumme

Page 103: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Die beiden Gruppen unterscheiden sich demnach nicht wesentlich in ihrem

psychischen Summenwert. Für die folgende Hypothesenüberprüfung ist dies

nur eingeschränkt von Bedeutung. Einerseits ist der geringe Unterschied zum

Teil auf den sehr geringen Mittelwert der Kontrollgruppe zurück zu führen,

andererseits ist für die Fragestellung in erster Linie der körperliche

Summenwert von Bedeutung. Der psychologische Gesundheitsaspekt wird

zusätzlich durch den Fragebogen zum Kohärenzsinn abgedeckt und steht

darüber hinaus nicht im Mittelpunkt des Interesses dieser Arbeit.

5.4 Auswertung Kohärenzsinn

Die Testwerte der SOC Skala legen ebenfalls Unterschiede zwischen den

beiden Gruppen der Untersuchung nahe. Während der Mittelwert der

Gesamtstichprobe mit 157,3 sehr nahe am Wert der Normstichprobe ( 155)

liegt und sich damit auch nicht signifikant von diesem unterscheidet (p=

0,636), weist die Kontrollgruppe mit 162,375 einen wesentlich höheren

Mittelwert auf. Auch dieser Wert unterscheidet sich jedoch nicht signifikant

vom Mittelwert der Normstichprobe (p= 0,293) . Die Gruppe der Kurgäste

erzielte einen Mittelwert von 153,92, und zeigt damit auch keine wesentlich

Abweichung von der Norm (p= 0,875).

99

Page 104: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 8: Vergleich der SOC Mittelwerte zwischen Versuchs- und

Kontrollgruppe

Die folgenden Histogramme ( Abb. 14) erlauben einen Vergleich der

Verteilungen innerhalb der beiden Gruppen. Der Unterschied scheint bereits

auf den ersten Blick eher gering zu sein.

Diese Annahme wird durch einen U Test bestätigt. Es kann kein signifikanter

Unterschied in den Werten der beiden Gruppen gefunden werden (p= 0,571,

siehe Tabelle 9).

Dieses Ergebnis erscheint vorerst nicht vollkommen einleuchtend. Der

Theorie zu Folge wäre ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen

angesichts des körperlichen Gesundheitsunterschiedes naheliegend. Hier

kann man allerdings deutlich erkennen, dass die SOC Skala eher einen

Rückschluss auf die psychische Gesundheit eines Menschen erlaubt. In

diesem Sinne ist es stimmig, dass auch der Unterschied zwischen den

psychischen Summenwerten des SF 36 nicht signifikant ist. Dieses Ergebnis

bestätigt die im Rahen der Arbeit aufgestellte Theorie, dass die SOC Skala

als eine Art zusammenfassender Kennwert für psychosoziale

Gesundheitsfaktoren gesehen werden kann.

100

SOC Skala Kennwerte der Testung

SOC - Skala

162,3750 8 18,32982

153,9167 12 23,38787

157,3000 20 21,41347

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"KurgästeInsgesamt

Mittelwert NStandardabweichung

Page 105: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Abbildung 14: Vergleich der Verteilung der SOC Werte, zwischen Versuchs-

und Kontrollgruppe

101

200,00180,00160,00140,00120,00100,0080,00

SOC - Skala

5

4

3

2

1

0

ufi

gk

eit

5

4

3

2

1

0

"K

on

trollg

rup

pe

" k

ein

e

Ku

rgä

ste

"V

ers

uc

hs

gru

pp

e" K

urg

äs

te

Ge

sa

mts

tich

pro

be

Page 106: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 9: U Test zur Signifikanzüberprüfung des Unterschiedes zwischen den

Versuchsgruppen, in Hinblick auf die SOC Werte

5.5 Auswertung SALUS

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Instrumenten gibt es zum SALUS

Fragebogen weder Normwerte, noch irgendwelche anderen publizierten

Testergebnisse, mit denen man die Ergebnisse der Stichprobe vergleichen

könnte. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Werte einen groben

Anhaltswert für das Vorhandensein von generalisierten

Widerstandsressourcen liefern (vgl. Kap) und zumindest innerhalb der hier

gezogenen Gesamtstichprobe vergleichbar sind.

Dabei erhält man auch das durchaus intuitiv zu erwartende Ergebnis.

Die Kontrollgruppe erzielt mit durchschnittlich 615,5 Punkten einen höheren

Mittelwert als die Gruppe der Kurgäste mit 529,92 Punkten. Diese Differenz

entspricht immerhin 10,24% der gesamten Skalenbreite.

102

U Test SOC Skalab

40,500118,500

-,579

,562

,571a

Mann-Whitney-UWilcoxon-WZAsymptotischeSignifikanz (2-seitig)Exakte Signifikanz[2*(1-seitig Sig.)]

SOC - Skala

Nicht für Bindungen korrigiert.a.

Gruppenvariable: Gesamtstichprobeb.

Page 107: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 10: Vergleich der Mittelwerte des SALUS Fraqebogens, zwischen

Versuchs- und Kontrollgruppe

Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die unterschiedliche Verteilung

der Testwerte in Bezug auf die beiden untersuchten Gruppen. Eine

Untersuchung des Mittelwertsunterschiedes mittels U Test zeigt keinen

signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p= 0,098) .

Angesichts des doch relativ großen Unterschiedes zwischen den

Testmittelwerten, kann man davon ausgehen, dass dies zum Teil auch an der

geringen Stichprobengröße liegen könnte. Andererseits kann man auch davon

ausgehen, dass es zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit den Ergebnissen

der SOC Skala geben muss, welche sich in diesem Resultat widergespiegelt .

103

Gesundheitserhaltende Ressourcen SALUS

Gesundheitserhaltende Ressourcen

615,5000 8 109,32390

529,9167 12 135,26033

564,1500 20 129,79104

Gesamtstichprobe"Kontrollgruppe"keine Kurgäste"Versuchsgruppe"KurgästeInsgesamt

Mittelwert NStandardabweichung

Page 108: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

104

Abbildung 15: Vergleich der Verteilungen der SALUS Testwerte, zwischen

Versuchs- und Kontrollgruppe

800,00700,00600,00500,00400,00300,00200,00

Gesundheitserhaltende Ressourcen

6

5

4

3

2

1

0

Häu

figke

it6

5

4

3

2

1

0"K

ontrollgruppe" keine K

urgäste"V

ersuchsgruppe" Kurgäste

Gesam

tstichprobe

Page 109: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 11: U Test zur Signifikanzüberprüfung desUnterschiedes zwischen

Versuchs- und Kontrollgrupp, in Hinblick auf die SALUS Testergebnisse

5.6 Hypothesenüberprüfung

Der Zusammenhang zwischen der Selbstwahrnehmung und dem

Gesundheitszustand steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Die Art des Zusammenhanges wird im folgenden noch genau erörtert werden.

Zunächst gilt es allerdings zu klären, ob es diesen Zusammenhang wirklich

gibt. In diesem Sinne müssen die zuvor aufgestellten Hypothese überprüft

werden. Im vorangegangen Kapitel zur Wahrnehmung wurden zwei

Hypothesen aufgestellt, wobei von einem ein-, bzw. zweiseitigen

Zusammenhang ausgegangen wurde.

Ein zweiseitiger Zusammenhang würde bestehen wenn folgende

Hypothese zutreffen würde:

105

U Test SALUSb

26,000104,000

-1,697

,090

,098a

Mann-Whitney-UWilcoxon-WZAsymptotischeSignifikanz (2-seitig)Exakte Signifikanz[2*(1-seitig Sig.)]

Gesundheitserhaltende

Ressourcen

Nicht für Bindungen korrigiert.a.

Gruppenvariable: Gesamtstichprobeb.

Page 110: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

H1 :Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der

Wahrnehmungskompetenz bezüglich des Aktivierungsniveaus und dem

Gesundheitszustand.

H0: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Wahrnehmungskompetenz und

Gesundheitszustand.

Aufgrund der ausführlich beschriebenen Theorie liegt es nahe dies noch

weiter zu präzisieren. Dies führt zu einer einseitig formulierten Hypothese:

H1: Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand verfügen über

geringere Fähigkeiten in der Wahrnehmung ihres Aktivierungszustandes.

H0: Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand verfügen nicht über

geringere Fähigkeiten in der Wahrnehmung ihres Aktivierungszustandes.

Die Gültigkeit der beiden Hypothesen wird nun einerseits durch das Erstellen

entsprechender Korrelationen, andererseits anhand eines Vergleichs der

beiden Versuchsgruppen untersucht

Überprüfung der ersten Hypothese:

H1 :Es gibt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der

Wahrnehmungskompetenz bezüglich des Aktivierungsniveaus und dem

Gesundheitszustand.

Für eine erste Annäherung an die Fragestellung bietet sich das Erstellen der

Korrelation nach Spearman zwischen den Werten der Selbsteinschätzung

und den Gesundheitswerten an.

Dieser Korrelationskoeffizient ist unabhängig von der Normalverteilung und

106

Page 111: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Intervallskalierung der Daten, was sich auf Grund der relativ geringen

Stichprobengröße anbietet.

Tabelle 12: Korrelationen zwischen Selbsteinschätzung und

Gesundheitszustand (SF 36)

Es zeigt sich dabei eine Korrelation von -0,42 zwischen der

Selbsteinschätzung und dem SF 36 Summenwert Körper. Diese Korrelation

weist darauf hin, dass es sehr wohl Zusammenhänge zwischen der

Wahrnehmung des Aktivierungsniveaus und dem Gesundheitszustand gibt.

Allerdings ist der Zusammenhang nicht, wie im Zuge der Arbeit vermutet,

positiv. Die Korrelation nach Spearman gibt also Grund zu der Annahme, dass

Personen mit schlechterem Gesundheitszustand die bessere Fähigkeit zu

Wahrnehmung ihres Aktivierungsniveaus haben. Mit einer Signifikanzniveau

von p = 0,06 wurde das Kriterium für statistische Signifikanz (a= 0,05) um

einen Prozent überschritten.

Dieser Korrelation zu folge müsste die H1 verworfen werden.

Bei dieser Spearman Korrelation wurden allerdings keine anderen Einflüsse,

107

Korrelationen na ch Spea rma n

1,000 -,427 -,050. ,060 ,835

20 20 20-,427 1,000 ,296,060 . ,205

20 20 20-,050 ,296 1,000,835 ,205 .

20 20 20

KorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)N

Selbsteinschätzung

SF36 SummenwertKörper

SF36 SummenwertPsyche

Spearman-Rho

Selbsteinschätzung

SF36Summenwert

Körper

SF36Summenwert

Psyche

Page 112: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

wie sie in Form psychosozialer Faktoren stattfinden, berücksichtigt.

Dies soll nun in Form einer partiellen Korrelation passieren. Um die Zahl der

Einflussgrößen, die sich auf den Gesundheitszustand auswirken können zu

minimieren, werden nun psychosoziale Faktoren in Form von SOC, SALUS

und Familienstand aus der Korrelation heraus partialisiert. Als

gesundheitsrelevante Faktoren werden außerdem das Alter und das

Geschlecht berücksichtigt. Dies führt zu folgenden Ergebnissen:

Tabelle 13: Korrelation zwischen Selbsteinschätzung und körperlicher

Gesundheit(SF36), unter Berücksichtigung von Kohärenzsinn, Alter,

gesundheitserhaltenden Ressourcen, Geschlecht und Familienstand

Auch in diesem Fall zeigt sich ein mittlerer, negativer Zusammenhang

zwischen Den SF 36 Summenwerten Körper und der Selbsteinschätzung.

Da es sich um eine zweiseitig formulierte Hypothese handelt und die

zweiseitige Signifikanz von p= 0,052 berücksichtigt werden muss, ist auch

dieser Unterschied nicht statistisch signifikant.

Die H1 muss also auch in diesem Fall verworfen werden.

Zu berücksichtigen gilt es allerdings, dass die Signifikanz auch in diesem Fall

sehr knapp verfehlt wurde. Ein zufälliges Eintreffen dieses Ergebnisses unter

108

Pa rtie lle Korrelation

1,000 -,510. ,0520 13

-,510 1,000,052 .

13 0

KorrelationSignifikanz (zweiseitig)FreiheitsgradeKorrelationSignifikanz (zweiseitig)Freiheitsgrade

Selbsteinschätzung

SF36 SummenwertKörper

KontrollvariablenSOC - Skala & Alter &GesundheitserhaltendeRessourcen &Geschlecht &Familienstand

Selbsteinschätzung

SF36Summenwert

Körper

Page 113: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Annahme der H0 würde nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,2% stattfinden.

In diesem Sinne deuten die Ergebnisse auf jeden Fall auf einen

Zusammenhang zwischen den Werten hin, der sich vielleicht im Rahmen

einer größeren Stichprobe als signifikant erweisen könnte.

Überprüfung der zweiten Hypothese:

H1: Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand verfügen über

geringere Fähigkeiten in der Wahrnehmung ihres Aktivierungszustandes.

Diese Hypothese kann bereits auf den ersten Blick verworfen werden.

Die Überprüfung der ersten Hypothese hat bereits gezeigt, dass jene

Testpersonen mit dem schlechteren Gesundheitszustand tendenziell eher

über eine bessere Wahrnehmung ihres Aktivierungszustandes verfügen.

Vergleicht man die beiden Versuchsgruppen wie ursprünglich vorgesehen mit

dem U Test, so erhält man zwar ein signifikantes Ergebnis, allerdings nicht in

Richtung der H1!

Die Gruppen unterscheiden sich signifikant voneinander, wobei die

Gruppe der Kurgäste, die den signifikant schlechteren Gesundheitszustand

hat, die eindeutig bessere Selbstwahrnehmung aufweist.

Die H1 muss also auch in diesem Fall verworfen werden.

Das Ergebnis liefert jedoch den Anreiz, weitere Spekulationen zu diesem

Thema anzustellen.

109

Page 114: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 14: U Test zum Vergleich von Versuchs-und Kontrollgruppe in Hinblick

auf ihre Selbstwahrnehmung

110

U Test Selbstwahrnehmungb

15,00051,000-2,546

,011

,010a

Mann-Whitney-UWilcoxon-WZAsymptotischeSignifikanz (2-seitig)Exakte Signifikanz[2*(1-seitig Sig.)]

Selbsteinschätzung

Nicht für Bindungen korrigiert.a.

Gruppenvariable: Gesamtstichprobeb.

Page 115: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Tabelle 15: Interkorrelationsmatrix von SF 36 Summenwert Körper,

Selbsteinschätzung, SOC Skala, Gesundheitserhaltenden Ressourcen und

SF 36 Summenwert Psyche

5.7 Weitere Zusammenhänge und Korrelationen

Für eine weiterführende Interpretation der oben gezeigten Ergebnisse

erscheint es sinnvoll, einzelne Interkorrelationen der erhobenen Daten zu

betrachten. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, über mögliche und

sinnvolle Korrelationen.

111

Korrelationen

1,000 -,640** ,116 ,153 -,355 -,001. ,002 ,627 ,519 ,124 ,997

20 20 20 20 20 20-,640** 1,000 -,427 ,187 ,550* ,296,002 . ,060 ,431 ,012 ,205

20 20 20 20 20 20,116 -,427 1,000 -,139 -,239 -,050,627 ,060 . ,558 ,310 ,835

20 20 20 20 20 20,153 ,187 -,139 1,000 ,288 ,377,519 ,431 ,558 . ,218 ,101

20 20 20 20 20 20-,355 ,550* -,239 ,288 1,000 ,519*,124 ,012 ,310 ,218 . ,019

20 20 20 20 20 20-,001 ,296 -,050 ,377 ,519* 1,000,997 ,205 ,835 ,101 ,019 .

20 20 20 20 20 20

KorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)NKorrelationskoeffizientSig. (2-seitig)N

Alter

SF36 SummenwertKörper

Selbsteinschätzung

SOC - Skala

GesundheitserhaltendeRessourcen

SF36 SummenwertPsyche

Spearman-RhoAlter

SF36Summenwert

KörperSelbsteinschätzung SOC - Skala

Gesundheitserhaltende

Ressourcen

SF36Summenwert

Psyche

Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig).**.

Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig).*.

Page 116: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

5.7.1 Alter

Das Alter der Testpersonen korreliert erwartungsgemäß negativ mit dem

Summenscore Körper des SF 36 Fragebogens. Die Korrelation von -0,64 bei

einer Signifikanz von 0,002 unterstreicht die Tatsache, dass der

Gesundheitszustand mit zunehmendem Alter tendenziell abnimmt.

Die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung verändert sich durch das Alter nicht

notwendigerweise, was durch den sehr kleinen Korrelationskoeffizient von

0,116 Ausdruck findet. Dies ist im Rahmen dieser Untersuchung insofern von

Interesse, weil es einen Altersunterschied zwischen den Versuchsgruppen

gibt. Dieser praktisch kaum vorhandene Zusammenhang wird allerdings im

Rahmen der partiellen Korrelation ohnedies berücksichtigt. Die Korrelationen

zwischen dem Alter und der SOC Skala (r= 0,153) und dem Summenwert

Psyche des SF 36 (r = -0,001) deuten ebenfalls darauf hin, dass es keinen

relevanten Zusammenhang zwischen diesen Werten gibt.

Interessant erscheint dabei der etwas größere und negative

Korrelationskoeffizient (r= -0,355) zwischen dem Alter und den

gesundheitserhaltenden Ressourcen (SALUS). Diese Werte nehmen

offensichtlich mit zunehmendem Alter ab. Interessant erscheint auch der

relativ Große Unterschied der Korrelation im Vergleich mit den SOC Werten,

was darauf schließen lässt, dass durch die beiden Instrumente tatsächlich

unterschiedliche Faktoren gemessen werden. Dies wird durch die geringe

Korrelation (r= 0,288) zwischen den SOC und SALUS Werten unterstrichen.

112

Page 117: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

5.7.2 SF 36 Summenwert Körper

Neben der bereits erwähnten Korrelation (r= -0,64) mit dem Alter und dem

ebenso bereits diskutierten Zusammenhang (r= -0,427) mit der

Selbsteinschätzung, gibt es einen weiteren, signifikanten Zusammenhang (r=

0,55) der Summenwerte Körper mit den SALUS Werten.

Dies ist vor allem deshalb interessant, weil es über den verwendeten

Fragebogen kaum Informationen gibt. Der hier berechnete

Korrelationskoeffizient legt jedoch nahe, dass das Instrument dafür geeignet

sein könnte, die gesundheitliche Entwicklung eines Menschen besser

einschätzen zu können. Erstaunlich ist dabei, dass die Korrelation der SOC

Werte mit den Summenwerten Körper (r= 0,187) wesentlich geringer ist.

Die generalisierten Widerstandsressourcen die mit dem SALUS Fragebogen

erhoben werden, haben in diesem Sinne größere Relevanz für den

Gesundheitszustand als die wesentlich prominentere SOC Skala. Bei all

diesen Überlegungen darf allerdings nicht vergessen werden, dass man bei

der hier verwendete Stichprobengröße prinzipiell eher von Vermutungen und

Tendenzen, als von Fakten sprechen kann.

5.7.3 Selbsteinschätzung

Anhand der Tabelle kann man erkennen, dass die Selbsteinschätzung

lediglich mit dem SF 36 Summenwert Körper korreliert. Zu allen anderen

untersuchten Faktoren gibt es praktisch keine statistischen Zusammenhänge.

Dies erscheint z.B. in Hinblick auf die SOC Skala (r= -0,139) und den SF 36

Summenwert Psyche (r= -0,239) interessant. Hohe Werte in diesen Faktoren

wirken sich kaum, bzw. eher negativ auf die Selbsteinschätzung aus.

113

Page 118: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

5.7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend kann man feststellen, dass im Rahmen der hier

verwendeten Stichprobe ein eher paradoxes und unerwartetes Ergebnis

ermittelt wurde.

Die Fähigkeit zur Wahrnehmung des eigenen Aktivierungszustandes ist bei

Menschen mit schlechterem Gesundheitszustand besser ausgeprägt.

Zusätzlich wirkt sich das Fehlen von anderen Schutzfaktoren auf diese

Fähigkeit aus. Die oben erwähnten, negativen Korrelationen lassen darauf

schließen, dass ein schlechter ausgeprägter Kohärenzsinn, sowie niedrigere

Werte bei den Generalisierten Widerstandsressourcen, mit einer besser

ausgebildeten Fähigkeit zur Wahrnehmung des Aktivierungszustandes einher

gehen.

114

Page 119: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

6 Interpretation

Zu Beginn der Arbeit an dieser Untersuchung gab es nur eine vergleichbare

wissenschaftliche Studie von Kanbara et al (2004), die mit ähnlichen

Methoden durchgeführt wurde. Die Resultate dieser Studie sind gänzlich

konträr zu den hier gewonnenen Ergebnissen. Die Patientengruppe dieser

Studie hatte wesentlich schlechtere Wahrnehmungsfähigkeiten (-0,545) als

die Kontrollgruppe (-0,031), bei der sich praktisch kaum Korrelationen

zwischen objektiven Stresswerten und subjektiver Einschätzung zeigten. Der

relativ hohe negative Wert den die Patientengruppe durchschnittlich erzielte,

weist sogar auf eine systematische Fehleinschätzung hin.

Man kann also auf Grundlage dieser Ergebnisse davon ausgehen, dass eine

systematische Fehleinschätzung des Aktivierungsniveaus zu einem

schlechteren Gesundheitszustand führt.

Von diesem Wissensstand ausgehend, können die etwas

überraschenden, hier erzielten Ergebnisse prinzipiell in zwei Richtungen

interpretiert werden.

Einerseits könnte man versuchen, an den bisherigen Vorstellungen, die zur

Bildung der überprüften Hypothesen geführt haben fest zu halten. In diesem

Fall müsste man eine Erklärung für des Ergebnis, z.B. in Form eines

methodischen Fehlers finden.

Sollte es keine befriedigende Erklärung in diese Richtung geben, so besteht

die zweite Möglichkeit darin, das verwendete Modell an die neu erworbenen

Erkenntnisse anzupassen, bzw. um diese zu erweitern.

115

Page 120: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

6.1 Fehlerquellen

6.1.1 Biofeedback

Die Biofeedbackmethodik ist prinzipiell eher als fehleranfällig einzustufen. Im

Rahmen der Untersuchung wurden sämtliche äußere Einflüsse konstant

gehalten. Alle Probanden wurden im selben Raum, an den selben Geräten

und bei der gleichen Raumtemperatur untersucht. Eine Verzerrung der

Ergebnisse, durch Unregelmäßigkeiten bei den Biofeedbackmessungen kann

ausgeschlossen werden.

6.1.2 Stichprobe

Die Stichprobengröße ist sicherlich als problematisch einzustufen. Dies ließ

sich auf Grund des Rahmens der Untersuchung jedoch nicht verändern.

Bei der Überprüfung der einzelnen statistischen Verfahren auf Signifikanz wird

die Stichprobengröße allerdings berücksichtigt. Man kann also davon

ausgehen, dass Unterschiede in den Daten relativ groß sein müssen, wenn

sie als signifikant bewertet werden.

Die Auswahl der Stichprobe ist sicherlich ein Kriterium, dass für die

überraschenden Ergebnisse ausschlaggebend ist. Während bei Kanbara et al

(2004) Patienten mit funktionellen somatischen Symptomen (FSS), also

klassischen stressbedingten Leiden, untersucht wurden, setzt sich die

Versuchsgruppe bei dieser Untersuchung aus Kurgästen zusammen, die

vorrangig wegen orthopädischen Problemen in Behandlung sind und in

diesem Bereich zumeist auch schon eine längere Leidensgeschichte hinter

116

Page 121: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

sich haben. Es ist nicht auszuschließen, dass Patienten mit FSS tatsächlich

zu systematischer Fehleinschätzung ihres Aktivierungsniveaus neigen und

sich in ihrer Fähigkeit von den hier untersuchten Patienten unterscheiden.

6.1.3 Verzerrungen durch Störvariablen

Wie bereits erwähnt, gehen hohe Ausprägungen der

Persönlichkeitsdimension Neurotizismus zumeist mit ebenso hohen

Wertungen bei Krankheitsfragebögen einher. Dies liegt einerseits daran, dass

sich einzelne Fragestellungen in den Erhebungsinstrumenten ähnlich sind,

andererseits neigen Personen mit höheren Neurotizismuswerten eher dazu,

ihre Krankheit zu betonen und einen Arzt aufzusuchen (vgl. Kapitel 2.2.2).

An dieser Stelle könnte man z.B. die Vermutung anstellen, dass diese

Personen auch dazu tendieren, besonders auf Signale ihres Körpers zu

achten. Es wäre daher möglich, dass Neurotizismus ein Faktor ist, der sich

sowohl auf die Ergebnisse eines Gesundheitsfragebogens, als auch auf die

Selbstwahrnehmung auswirken könnte. In diesem Sinne könnte man

vermuten, dass eine Verzerrung der Ergebnisse dieser Untersuchung

stattgefunden hat.

Diese Fehlerquelle wurde jedoch durch die Erhebung und Berücksichtigung

der Kontrollvariablen SOC und SALUS ausgeschaltet. Aus der Literatur ist

bekannt, dass es hohe Korrelationen zwischen SOC und Neurotizismus gibt

(Kapitel 2.2.8). Probanden mit schlechteren Gesundheitswerten müssten

demnach signifikant schlechtere SOC Werte haben. Im Rahmen der

Untersuchung konnte jedoch nur eine Korrelation von 0,187 zwischen SOC

und dem SF 36 Summenwert Körper festgestellt werden. Dies kann so

interpretiert werden, dass Neurotizismus im Rahmen dieser Stichprobe, als

Einflussfaktor irrelevant ist.

Durch das Berechnen der partiellen Korrelation wurden derartige Einflüsse

117

Page 122: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

darüber hinaus, durch ihre Korrelationen mit den Kontrollfaktoren SOC und

SALUS berücksichtigt und eliminiert.

6.2 Modellerweiterung

Die hier überprüfte Hypothese, dass Menschen mit schlechterer

Wahrnehmung in bezug auf ihr Aktivierungsniveau, einen schlechteren

Gesundheitszustand haben, drückt in wenigen Worten dass dahinter

stehende Modell, welches in Kapitel 2.5 dieser Arbeit beschrieben worden ist

aus. Grundlage dafür war das Modell der psychosozialen Krankheitsätiologie,

welches im Laufe der Arbeit präzisiert und um salutogenetische Aspekte

erweitert wurde. Im Rahmen dieses Modells ist der Faktor Wahrnehmung, mit

seinen Auswirkungen auf die subjektive Bedeutung und Bewertung von

Situationen, den Auswirkungen auf mögliches Bewältigungsverhalten, sowie

auch mit direkten Einflüssen auf physiologische Abläufe (wie z.B. auch

immunologische Prozesse) sehr eindeutig platziert. Es handelt sich dabei um

eine wichtige Kompetenz, um eine adäquate Spannungsbewältigung einleiten

zu können.

Die Theorie, dass eine schlechte Wahrnehmung des

Aktivierungsniveaus mit einem schlechteren Gesundheitszustand einhergeht,

kann auf Grund der Ergebnisse dieser Untersuchung nur noch mit

Einschränkungen gelten.

Wenn man der Studie von Kanbara et al(2004) glauben kann, so trifft dies

zumindest für Personen mit funktionellen Störungen, also klassischen Stress-

Folgeerkrankungen zu.

Gesunde Personen verfügen nicht unbedingt über diese Fähigkeit, sie reicht

also nicht aus, um den Gesundheitszustand einer Person zu erklären.

Anscheinend gibt es jedoch eine große Anzahl von Faktoren die den

118

Page 123: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Gesundheitszustand beeinflussen, sodass ein Fehlen dieser Fähigkeit

kompensiert werden kann. Immerhin ergibt eine partielle Korrelation einen

Zusammenhang von r=0,219 zwischen den SF 36 Körperwerten und der

Selbsteinschätzung bei der Kontrollgruppe mit gesunden Personen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zusammenhänge wesentlich

kompliziert und vielfältiger sind als bisher angenommen.

Offensichtlich kann eine längere Krankengeschichte zu einer Sensibilisierung

in Bezug auf die Wahrnehmung führen. Man kann davon ausgehen, dass dies

bei den Probanden der hier untersuchten Versuchsgruppe der Fall ist.( Der

umgekehrte Fall wurde durch die Erhebung der Kontrollfaktoren bereits

ausgeschlossen.)

Diese Überlegungen führen schließlich zu der Frage, welchen Nutzen der

Organismus hat, wenn die Wahrnehmungsfähigkeit verstärkt wird.

An dieser Stelle kann das zuvor zitierte, erweiterte Modell der psychosozialen

Krankheitsätiologie wieder wieder herangezogen werden, es ist mit den

Ergebnissen wieder stimmig.

Man kann davon ausgehen, dass eine verstärkte Wahrnehmung dem

Organismus hilft, auf seine besondere Situation adäquat zu reagieren, was

schließlich dem Gesundheitszustand dienlich ist.

Auf Grund der bisherigen Erkenntnisse kann man drei verschiedene

Varianten zusammenfassen, wie Wahrnehmung in Bezug auf das

Aktivierungsniveau mit dem Gesundheitszustand interagiert:

1. Überwiegend Gesunde Personen:

Hier kommt der Effekt des Einflusses der Wahrnehmung auf den

Gesundheitszustand nicht unbedingt zum Tragen. Andere Faktoren können

Defizite in der Wahrnehmung kompensieren, so dass keine signifikanten

Korrelationen gefunden werden können.

119

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Es ist jedoch zu vermuten, dass eine gut ausgeprägte

Wahrnehmungsfähigkeit als einfach zu erwerbender (z.B. Biofeedback-

Training), präventiver Faktor wirken kann.

2. Personen mit funktionellen somatischen Symptomen:

Wie die Studie von Kanbara et al (2004) gezeigt hat, ist für diese

Personengruppe eine systematische Fehleinschätzung des

Aktivierungsniveaus charakteristisch.

3. Personen mit schmerzhaften orthopädischen Leiden:

Hier kommt es, wie die Untersuchung gezeigt hat, zu einer Steigerung der

Wahrnehmungsfähigkeit. Dies befähigt die Betroffenen, auf ihre spezielle

Situation adäquat zu reagieren. Offensichtlich mobilisiert der Organismus

diese Ressource erst dann, wenn andere Strategien nicht mehr, oder nicht

ausreichend zur Verfügung stehen.

Über die entsprechenden Zusammenhänge bei allen anderen

Krankheitsbildern kann auf Grund der vorliegenden Daten keine Aussage

getroffen werden. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass eine

ausgeprägte Fähigkeit zur Wahrnehmung des Aktivierungsniveaus, als

gesundheitserhaltende Ressource wirken kann.

6.3 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Untersuchung weisen in die Richtung, dass Menschen in

bestimmten Krankheitssituationen, eine gesteigerte Fähigkeit zur

Wahrnehmung ihres Aktivierungsniveaus, also ihres Befindens entwickeln.

Dieses gesteigerte Körperbewusstsein beeinflusst vermutlich die kognitive

Bewertung und ist dadurch offensichtlich hilfreich, wenn es darum geht, auf

120

Page 125: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

Situationen effektiv und adäquat reagieren zu können.

Für die Praxis ist nun in erster Linie die Frage relevant, ob es sich auszahlt,

diese Fähigkeit zu trainieren. Können Krankheiten oder Schäden durch ein

Wahrnehmungstraining abgewendet werden?

Zieht man eine logische Schlussfolgerung aus den hier erhaltenen

Resultaten, so könnte man leicht dazu tendieren diese Frage mit ja zu

beantworten - warum sonst wird diese Fähigkeit in Krankheitssituationen

ausgebildet?

Mehr als eine Vermutung kann man allerdings auf Grundlage der bisherigen

Erkenntnisse nicht, bzw. noch nicht anstellen.

Betrachtet man die praktisch unendliche Vielzahl von möglichen

Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand und bedenkt dabei auch noch

die Tatsache, dass diese miteinander interagieren, so kann ein Training der

Wahrnehmungskompetenz immer nur ein (kleiner) Baustein von Vielen sein.

Die Größe der hier ermittelten Zusammenhänge gibt jedoch sicherlich Anlass

zur Hoffnung, dass weitere Untersuchungen diese Ergebnisse unterstreichen

werden und eventuell auch zu praxisbezogenen Anwendungen führen

könnten.

121

Page 126: Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und ... · Subjektive Wahrnehmung von Stresszuständen und Zusammenhänge mit dem Gesundheitszustand Die Fähigkeit, die Belastungsintensität

7 Aussichten und Anregungen

Die bisherigen Ergebnisse geben durchaus Anlass dazu, weitere

Forschungsarbeiten in diese Richtung durchzuführen. Wünschenswert wäre

eine Studie im selben Rahmen, jedoch mit einer größeren Versuchsgruppe

und einer ebenfalls größeren und repräsentativeren Kontrollgruppe. Die so

gewonnenen Daten wären aussagekräftiger und würden präzisere

Schlussfolgerungen erlauben.

Sinnvoll wäre es darüber hinaus, verschiedene Versuchsgruppen miteinander

zu vergleichen, um die Einflüsse unterschiedlicher Krankheiten oder

körperlicher Einschränkungen untersuchen zu können.

So könnte man feststellen in welchen Bereichen die Selbstwahrnehmung eine

Rolle spielt und bei welchen Patientengruppen sie keine oder geringere

Relevanz hat.

Ein praxisbezogener Zugang wäre es, Biofeedback- Trainings durchzuführen

und deren Wirkungen durch den Vergleich mit Kontrollgruppen zu

untersuchen. Hier wäre es allerdings sinnvoll, bereits eine Vorstellung davon

zu haben, für welche Patientengruppen ein Training eher wirkungsvoll sein

könnte.

Im Sinne der Salutogenese wäre es eine Möglichkeit, gesunde Menschen mit

guter Wahrnehmungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum zu beobachten.

Bleiben diese eher gesund als ähnlich gesunde Versuchspersonen mit

schlechterem Körperbewusstsein?

122

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