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Strukturchemie

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Strukturchemie Wintersemester 2014/15 Einleitung Wenn wir Kohlendioxid mit Siliciumdioxid oder Diamant mit Graphit vergleichen, gewinnen wir einen Eindruck von der Bedeutung der Struktur eines Stoffes für dessen Eigenschaften und von der Bedeutung der Strukturchemie für unser Verständnis der physikalischen und chemischen Eigenschaften von Stoffen. Diese Vorlesung soll ein grundsätzliches Verständnis für anorganische Kristall- strukturen und für die Prinzipien dahinter vermitteln. Fakten und deren Interpretation – experimentell bestimmte Strukturdaten und die daraus abgeleiteten Strukturformeln, die Beurteilung bindender und nichtbindender Situationen und eine Auswahl von typischen Beispielen sollen Sie in die Lage versetzen, selbst Strukturvorschläge für Verbindungen zu unterbreiten, deren Struktur Ihnen nicht bekannt ist. Abb. 1 Diamant Diamantgitter Synthetische Diamanten Abb. 2 Graphit Graphitgitter mit Elementarzelle Natürlich vorkommender Graphit, Sri Lanka
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Page 1: Strukturchemie

Strukturchemie Wintersemester 2014/15

Einleitung

Wenn wir Kohlendioxid mit Siliciumdioxid oder Diamant mit Graphit vergleichen,

gewinnen wir einen Eindruck von der Bedeutung der Struktur eines Stoffes für dessen

Eigenschaften und von der Bedeutung der Strukturchemie für unser Verständnis der

physikalischen und chemischen Eigenschaften von Stoffen.

Diese Vorlesung soll ein grundsätzliches Verständnis für anorganische Kristall-

strukturen und für die Prinzipien dahinter vermitteln. Fakten und deren Interpretation

– experimentell bestimmte Strukturdaten und die daraus abgeleiteten Strukturformeln,

die Beurteilung bindender und nichtbindender Situationen und eine Auswahl von

typischen Beispielen sollen Sie in die Lage versetzen, selbst Strukturvorschläge für

Verbindungen zu unterbreiten, deren Struktur Ihnen nicht bekannt ist.

Abb. 1 Diamant

Diamantgitter Synthetische Diamanten

Abb. 2 Graphit

Graphitgitter mit Elementarzelle Natürlich vorkommender Graphit, Sri Lanka

Page 2: Strukturchemie

Abb. 3 Quarz

Quarzgitter mit Elementarzelle Quarz mit dunklen Nadeln von Turmalin

Abb. 4 Formeldarstellung: CO2

Valenzstrichformel für Kohlendioxid Kohlendioxidblasen in Mineralwasser

Zur Beschreibung von Strukturtypen kommt die Behandlung von Struktur-Eigenschafts-

Beziehungen hinzu und wird an Eigenschaften wie Härte, piezo – oder ferroelektrischen

Eigenschaften oder an elektrischer Leitfähigkeit in einer, zwei oder drei Dimensionen

veranschaulicht.

Page 3: Strukturchemie

Voraussetzungen

Für diese Vorlesung ist es nützlich, die in der Vorlesung “Allgemeine Chemie”

behandelten Strukturen nochmals anzuschauen, etwa die kubisch dichteste

Kugelpackung, die hexagonal dichteste Kugelpackung, die kubisch raumzentrierte

Packung und die bekanntesten Ionengitter wie Natriumchlorid und Caesiumchlorid, die

beiden Modifikationen des Zinksulfids (Zinkblende und Wurtzit) sowie Calciumfluorid.

Ein Computerprogramm zur Darstellung von Kristallstrukturen ist nützlich. Im Internet

werden verschiedene Freeware-Programme zum Download angeboten.

Das Computerpprogramm SCHAKAL von dem Kristallographen Dr. Egbert Keller kann

von der Seite http://www.krist.uni-freiburg.de/ki/Mitarbeiter/Keller/schakal.html

kostenlos bezogen werden. Die Programmbefehle bestehen aus zwei Buchstaben mit

einem Leerzeichen dazwischen und leiten sich von Ausdrücken in englischer Sprache ab.

Beispiele: u i (use inputfile), das Programm fragt dann nach dem Filenamen. Bei vielen

Befehlen wird zusätzlichen Information benötigt und kann direkt mit angegeben

werden, r x 120 bedeutet also “rotate about the x axis by 120 degrees”. c c 4 c bedeutet

“change color of the carbon atoms to color number 4, which is blue” u. s. w. Die im

Programm enthaltene Hilfefunktion ist in English und wird mit der Ziffer 0 <ENTER>

aufgerufen. Auf dem Bildschirm erscheint eine Liste mit den Ziffern von 1 bis 9, dahinter

jeweils ein Oberbegriff und weitere Stichwörter, die einem helfen, die richtige Ziffer

auszuwählen. Aus die Untermenüs kann der gesuchte Begriff ausgewählt werden. Eine

Kurzanleitung zum Einstieg wird zur Verfügung gestellt.

Mit Spiegelstereoskopen können die 3D-Optionen des Programms genutzt und die

Strukturen räumlich dargestellt werden.

Abb. 5 Ein Spiegelstereoskop für die Betrachtung von 3D-Strukturmodellen

Strukturbestimmung und Interpretation

Chemische Strukturen können durch Rotationsspektroskopie oder mit Beugungs-

methoden bestimmt werden. Auch die NMR-Spektroskopie kann zur Bestimmung von

Strukturen verwendet werden, wird aber hier nicht weiter verfolgt.

Page 4: Strukturchemie

Rotationsspektroskopie wird in der Gasphase durchgeführt und ergibt ein

hochaufgelöstes Spektrum mit scharfen Linien für die individuellen Rotationsübergänge

eines Moleküls. Bei linearen zweiatomigen Molekülen mit bekannter Masse kann das

Trägheitsmoment aus dem Linienabstand abgeleitet und der Atomabstand berechnet

werden. Die Änderung des Linienabstands bei höher angeregten Rotationszuständen

enthält Information über die Kraftkonstante der Bindung. Bei größeren Molekülen

werden die Spektren komplizierter. Isotopensubstitution kann helfen, mehr Information

zu gewinnen und die Struktur zu berechnen.

Diese Methode ist auf kleine Moleküle in der Gasphase beschränkt. Die Daten sind sehr

genau und geben Einblick in die Struktur, aber auch in dynamische Effekte wie die

Verlängerung der Bindung unter dem Einfluß der Zentrifugalkraft.

Röntgenbeugung wird meist für die Strukturbestimmung an Einkristallen eingesetzt.

Röntgenstrahlen werden an der Elektronenhülle der Atome gebeugt und eine

regelmäßige Atomanordnung bewirkt eine ebenso regelmäßige Anordnung der

Elektronendichte. Die Beugung von Röntgenstrahlen verursacht negative Interferenz

(Abschwächung) in den meisten Raumrichtungen. Konstruktuve Interferenz und

Verstärkung kommt nach dem Bragg´schen Gesetz zustande:

Abb. 6 Bragg´sches Gesetz

2d sin = nλ

Die Intensitätsmaxima nach dem Beugungsgesetz werden Reflexe genannt. Im

Experiment wird der Kristall mit monochromatischer Röntgenstrahlung bestrahlt.

Moderne Instrumente sammeln die Daten zur Richtung und zur Intensität der Reflexe

mit Flächenzählern, die viele Reflexe auf einmal erfassen. Der Datensatz kann so

innerhalb von Stunden gesammelt werden. Ältere Geräte erfassen jeden Reflex einzeln

und benötigen Tage. In den Anfangszeiten der Methode wurden die Reflexe auf

fotografischen Platten erfasst und von Hand ausgelesen, indem die Intensität jedes

einzelnen Reflexes durch Vergleich mit einer Skala der Grautöne ermittelt und in eine

Tabelle eingetragen wurde. Die Auswertung der Daten konnte Jahre dauern. Heute wird

diese Aufgabe von Computerprogrammen übernommen. Eine Publikation von G. M.

Sheldrick beschreibt die Geschichte des Computerprogramms SHELX (Acta Crystallogr.

A 64, 2008, 112 – 122) und nimmt mit ca. 38 000 Zitaten Platz 13 unter den

meistzitierten Arbeiten ein (Stand Nov 2014).

Page 5: Strukturchemie

Für diese Standardmethode werden Einkristalle in der Größenordnung von 0.1 mm in

den drei Raumrichtungen benötigt, häufig genügen auch kleinere Kristalle.

Diffraktometer mit hoher Strahlungsintensität (z. B. mit wassergekühlter Drehanode)

erlauben Struktubestimmungen sogar an noch kleineren Kristallen.

Die Struktur von Molekülen oder von ausgedehnten anorganischen Festkörpern mit

einigen hundert Atomen in der Wiederholungseinheit kann so mit einer Auflösung in der

Picometer-Größenordnung bestimmt werden. Auch viel größere Moleküle wie Proteine

können durch Strukturbestimmung charakterisiert werden, allerdings mit etwas

niedrigerer Auflösung.

Beispiele für frühe Strukturbestimmungen durch Beugung von Röntgenstrahlen sind die

Natriumchloridstruktur 1914 (erstes Beispiel), das Diamantgitter und die Kristall-

struktur von Kupfer im selben Jahr. Weitere prominente Beispiele sind die Struktur von

Ammoniumhexachloroplatinat (1921) and von Hexamethylbenzol (1928), welche die

oktaedrische Geometrie des Hexachloroplatinat-Anions und die hexagonale Symmetrie

des Benzols sowie den Unterschied in den Bindungslängen zwischen den C-C-Bindungen

im aromatischen Ring und den C-C-Bindungen von den Kohlenstoffatomen des Rings zu

den Methylgruppen zeigten. Die Struktur von Ferrocen (1951) und die Doppelhelix-

struktur der DNA (1953) wurden auf der Grundlage von Beugungsdaten mit

Röntgenstrahlen ermittelt.

Heute kann ein Diffraktometer Hunderte von Kristallstruktur-Datensätzen pro Jahr lie-

fern. Die Daten werden in Datenbanken wie dem Cambridge Crystallographic Data Cen-

ter (CCDC; http://www.ccdc.cam.ac.uk) gespeichert (Kristallstrukturen von Verbindun-

gen, die C-C- oder C-H-Bindungen enthalten) oder dem Fachinformationszentrum Karls-

ruhe http://fiz-karlsruhe.de; Crystallography; ICSD (Inorganic Crystal Struktur Data-

base) für alle Verbindungen ohne C-H- oder C-C-Bindungen. Kristallstrukturdaten für

Forschungszwecke in begrenzter Anzahl werden auf Anfrage kostenlos von diesen

Institutionen zur Verfügung gestellt.

Nachteile der Beugungsmethode mit Röntgenstrahlen: Einkristalle werden benötigt, die

Anordnung der Moleküle im Kristall muss geordnet sein, Fehlordnungen verursachen

Probleme und können zu falschen Schlussfolgerungen führen. Weil die Methode auf die

Elektronendichte anspricht, können Wasserstoffatome nicht akkurat lokalisiert werden.

Die Elektronendichte um ein H-Atom herum ist durch die Bindung des H-Atoms in

Richtung des Bindungspartners verzerrt. Aus diesem Grund werden systematisch zu

kurze Atomabstände zu Wasserstoffatomen gefunden. In der Nachbarschaft von

schweren Atomen kann Wasserstoff häufig gar nicht lokalisiert werden, weil die

Elektronenwolke des Schweratoms die kleine Elektronendichte um das H-Atom

verdeckt. Schweratome lassen sich dagegen anhand ihrer Wolke von Rumpfelektronen

leicht lokalisieren

Beugung von Röntgenstrahlen kann auch mit mikrokristallinen Pulvern durchgeführt

werden (“Pulverdiffraktometrie”). Diese Methode wird häufig zur Überprüfung der

Reinheit einer Probe oder zur Detektion eines unbekannten Produkts in einer Mischung

Page 6: Strukturchemie

unterschiedlicher fester Substanzen benutzt. Pulverdiffraktogramme enthalten weniger

Information als Beugungsdaten von Einkristallen. Mit Unterstützung durch theoretische

Berechnungen und spektroskopische Messungen können jedoch auch Pulverdaten zur

Strukturbestimmung verwendet werden, wenn Einkristalle nicht verfügbar und die

Strukturen nicht zu kompliziert sind.

Ist die exakte Position der H-Atome wichtig, wird die Neutronenbeugung zur Methode

der Wahl. Neutronen besitzen keine elektrische Ladung und wechselwirken nicht mit

Elektronen. Sie werden am Kern gebeugt und können Wasserstoffatome daher ebenso

wie andere Atomkerne lokalisieren. Die schwache Streuung am leichten Wasserstoff-

kern kann durch Deuteriumsubstitution verbessert werden. Ein weiterer Vorteil ergibt

sich in der Proteinkristallographie. Weil intensive Röntgenstrahlung Proteinkristalle

zerstört, werden gewöhnlich mehrere Kristalle für eine Strukturbestimmung benötigt.

Erfolgt die Strukturbestimmung durch Neutronenbeugung, genügt ein einziger Kristall,

weil Proteine die Bestrahlung mit Neutronen unbeschadet überstehen. Ein weiterer

Vorteil ergibt sich aus dem magnetischen Moment des Neutrons. Bei der

Neutronenbeugung können daher auch die magnetischen Eigenschaften eines Materials

auf der atomaren Ebene untersucht werden.

Nachteile der Neutronenbeugung: Die Einkristalle für diese Methode müssen wesentlich

größer sein als für die Beugung von Röntgenstrahlen erforderlich. Die Kristalle müssen

in den drei Dimensionen eine Größe von mehreren Millimetern erreichen. Während

Röntgenstrahlen in jedem Labor erzeugt werden können, werden Neutronenstrahlen in

Kernreaktoren erzeugt. Die Neutronenbeugung kann daher weltweit nur an wenigen

Orten durchgeführt werden, z. B. im Institut Laue-Langevin in Grenoble, der

Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz in Garching/München, oder im Neutron Center of

the Atomic Energy Research Institute in Budapest. In Russland sind der Reaktor IBR-2

im Frank Laboratory of Neutron Physics in Dubna und der WWR-M Reaktor im

Petersburg Nuclear Physics Institute in Gatchina für die Neutronenbeugung ausgestattet.

2007 wurde die OPAL Neutronenquelle der Australian Nuclear Science and Technology

Organisation gebaut. Insgesamt gibt es auf unserem Planeten weniger als zwanzig

Neutronenquellen für Strukturbestimmungen.

Electronenbeugung ist eine weitere Methode zur Strukturbestimmung. Feste Proben

einer Dicke von 100 nm oder weniger können mit Elektronenstrahlen durchleuchtet

werden (transmission electron diffraction, TEM) und ergeben dabei ein Beugungsbild,

das eine sehr genaue Bestimmung der Gitterkonstanten gestattet. Die Beugungsmuster

sind sehr kompliziert und die Interpretation ist entsprechend schwierig. Die Methode

erfordert viel Erfahrung und ist sehr zeitaufwändig. Im Gegensatz dazu können

Beugungsversuche mit Röntgen- oder Neutronenstrahlung routinemäßig durchgeführt

werden, Aufarbeitung und Interpretation der Daten sind weitgehend automatisiert.

Eine große Zahl von Strukturen kleiner oder mittelgroßer Moleküle wurden durch

Elektronenbeugung in der Gasphase (gas phase electron diffraction, GED) ermittelt. Ein

Molekularstrahl, bestehend aus dem Dampf der zu untersuchenden Substanz, die

Page 7: Strukturchemie

hinreichend flüchtig sein muss, wird mit Elektronen bestrahlt und erzeugt dabei ein

Beugungsmuster. Weil die Orientierung der Moleküle zufällig ist, erhält man so eine

eindimensionale Strukturinformation. Aus diesem Grund darf die Struktur nicht zu

komplex sein oder Informationen aus anderen Quellen wie NMR, UV-Vis, IR oder

Rotationsspektroskopie müssen in die Dateninterpretation einfließen.

Struktur und Bindung

Die Atome der Edelgase besitzen eine stabile Elektronenkonfiguration, sind thermo-

dynamisch stabil und kristallisieren in dichtesten Kugelpackungen. Die Wechselwirkung

zwischen den Atomen entspricht schwachen Van der Waals – Kräften. Weil die Enthalpie

dieser Wechselwirkung niedrig ist, überwiegt der Entropieeinfluss bereits bei relativ

niedrigen Temperaturen, weshalb die Edelgase niedrige Schmelz- und Siedepunkte

aufweisen. So ist Helium das einzige Element, das durch Abkühlung allein nicht in einen

Feststoff übergeht. Festes Helium wird nur unter Druck gebildet, der Schmelzpunkt liegt

bei einer Temperatur von 0.95 K bei einem Druck von 25 bar. Alle Elemente außer den

Edelgasen besitzen eine mehr oder weniger offene Elektronenkonfiguration und neigen

zur Ausbildung von Bindungen im festen Zustand. Eine Ausnahme ist Quecksilber, das

ebenfalls relativ leichtflüchtig ist und in einer der kubisch dichtesten Kugelpackung

ähnlichen Struktur kristallisiert. Die Schichtebenen rücken allerdings etwas dichter

zusammen und die Nachbarn innerhalb derselben Schicht haben einen größeren

Abstand untereinander als zu den je drei Nachbarn der Schicht darüber und darunter

(3.465 vs. 2.993 Å). Quecksilberdampf ist einatomig mit Spuren von zweiatomigen

Molekülen. Quecksilberdampf wird bei Vulkanausbrüchen, mit den Abgasen von

Kohlekraftwerken und aus anderen Quellen freigesetzt und ist daher allgegenwärtig in

der Atmosphäre. Quecksilber ist sozusagen „das siebte Edelgas“, wie die nachfolgende

Darstellung der ersten Ionisierungsenergie der chemischen Elemente zeigt. Der Peak für

die erste Ionisierungsenergie von Quecksilber erreicht fast die Höhe des Radon-Peaks,

des letzten herausragenden Signals auf der rechten Seite.

Abb. 7 Erste Ionisierungsenergien der chemischen Elemente / Elektronenvolt (eV)

Page 8: Strukturchemie

Molekulare Verbindungen bilden Kristallgitter mit schwachen intermolekularen

Kräften. Handelt es sich um Van der Waals - oder Dipol/Dipol-Wechselwirkungen, sind

diese viel schwächer als die kovalenten Bindungen innerhalb der Moleküle. In solchen

Fällen können die Materialeigenschaften anhand der Struktur der Moleküle verstanden

werden.

Stärkere intermolekulare Kräfte sind am Werk, wenn Moleküle durch Wasserstoff-

brücken verknüpft sind. Bei Makromolekülen addieren sich viele schwache Kontakte

auch dann zu beachtlichen intermolekularen Kräften, wenn es sich um Van der Waals

Kräfte handelt. Die physikalischen Eigenschaften eines Polymers sind zum Beispiel

verschieden, wenn ähnliche Polymermoleküle in einem kristallinen Zustand geordnet

oder in einem amorphen Zustand miteinander verknäuelt vorliegen.

Kristalline makromolekulare Materialien können aus Ketten, Schichten oder drei-

dimensionalen Netzwerken von kovalenten Bindungen bestehen. Die Polymermoleküle

können geladen oder ungeladen sein und die intermolekularen Kräfte können Van der

Waals, Dipol/Dipol, Wasserstoffbrücken oder ionische Wechselwirkungen sein.

Die Struktur von ionischen Verbindungen wird durch Coulombkräfte bestimmt, die

dafür verantwortlich sind, dass sich Anionen mit Kationen und Kationen mit Anionen

umgeben.

Die Gitterenergie für ionische Verbindungen vom Kochsalz-Gittertyp kann mittels der

folgenden Gleichung berechnet werden:

Page 9: Strukturchemie

EGitter = e2/4πε°R (-6 + 12/√2 – 8/√3 + 6/2 – 24/√5 + …) = -1.74756 e2/4πε°R

Abb. 8 Das Natriumchlorid-Gitter

Bitte schauen Sie das zentrale Natrium-Kation

im Natriumchlorid-Kristallgitter an und brin-

gen Sie die Gleichung für die Gitterenergie mit

den geometrischen Verhältnissen in Einklang.

Der Faktor -6, der zuerst in der runden

Klammer auftaucht, entspricht den sechs

Gegenionen, die jedes Ion im Kristallgitter in

einem Einheitsabstand R umgeben. Das

negative Vorzeichen beschreibt die anziehende

Wechselwirkung zwischen Natrium-Kationen

und Chlorid-Anionen. In der nächsten Sphäre

finden Sie die zwölf übernächsten Nachbarn

auf den Mitten der zwölf Kanten der

Elementarzelle im Abstand R√2. Das positive Vorzeichen entspricht der abstoßenden

Wechselwirkung mit den Ladungen gleichen Vorzeichens (Kation/Kation-Abstoßung).

Als überübernächste Nachbarn fungieren die acht Chlorid- Ionen auf den Würfelecken in

einem Abstand von R√3 u.s.w.

Die Zahl -A = -1.74756 ist die so genannte Madelung-Konstante. Die Gleichung sagt uns,

dass das geordnete Kristallgitter eine energetisch günstige Situation bereitstellt, die für

ein Ion im Kristall vorteilhafter ist als dies in einem hypothetischen Ionenpaar Na-Cl der

Fall wäre. In einem solchen hypothetischen Fall ware die Coulomb-Wechselwirkung 1.0

e2/4πε°R, wobei der Abstand R für ein Ionenpaar etwas kleiner ware als der

Kation/Anion-Abstand im Ionengitter. Deshalb ist der Energiegewinn im Ionengitter

nicht ganz so groß wie dies durch die Madelung-Konstante suggeriert wird.

Ansichten des Strukturchemikers über Bindungen und Abstände sollen anhand einiger

Beispiele verdeutlicht werden.

Die Gitterkonstante von elementarem Caesium in der kubisch raumzentrierten Packung

beträgt 6.09 Å. Der Caesium-Caesium-Abstand ist deshalb 6.09 √3/2 = 5.27 Å. Wenn

wir diesen Wert mit der Gitterkonstante von 4.12 Å für Caesiumchlorid vergleichen, wo

der Cs-Cs-Abstand 4.12 Å beträgt, könnten wir auf die Idee kommen, dies als Caesium-

Caesium-Bindung zu interpretieren. Selbstverständlich handelt es sich nicht um Cs-Cs-

Bindungen, weil Caesium-Kationen die Elektronenkonfiguration von Xenonatomen

aufweisen und keine Bindungen ausbilden. Der Fehler kommt vom Vergleich der

Caesiumatome mit Caesium-Ionen. Die Atome sind viel größer als die Kationen und

bilden metallische Bindungen in einem Abstand, in dem sich die Kationen noch nicht

einmal berühren.

Kristallographen haben eine umfangreiche Sammlung von Daten über ionische

Verbindungen zusammengetragen und Shannon hat daraus Ionenradien für viele

Page 10: Strukturchemie

H

H

H

H

H

H

1.36 A°

Kationen und Anionen abgeleitet, die einen konsistenten Datensatz ergeben und sich für

Voraussagen und Vergleiche eignen. (Shannon, R. D.; Revised Effective Ionic Radii and

Systematic Studies of Interatomic Distances in Halides and Chalcogenides, Acta

Crystallographica Section A, 1976, 32, 751 – 767). Diese Publikation wurde bis zum 2.

Novewmber 2014 in 29033 wissenschaftlichen Artikeln zitiert und nimmt Platz 23 unter

den Top 100 meistzitierten Arbeiten ein. Tabellen aus dieser Publikation finden Sie in

vielen Lehrbüchern der anorganischen Chemie.

Das Cyclobutanmolekül soll als weiteres Beispiel für den Standpunkt des

Strukturchemikers dienen. Gewöhnlich werden folgende C-C-Bindungslängen als typisch

für die jeweilige Bindungsordnung angegeben:

C–C 1.54 Å

C=C 1.34 Å

CC 1.21 Å

Die mit einem Pfeil markierte C-C-Bindung im Cyclobutanmolekül zeigt die

Bindungslänge einer C-C-Doppelbindung. Es handelt sich trotzdem um eine

Einfachbindung, aber sie ist verkürzt wegen der Spannung, die durch zwei CH2-Brücken

verursacht wird. Bindungslängen zeigen nicht immer die Bindungsordnung. Dies gilt

besonders für Metall-Metall-Bindungen.

Strukturen der chemischen Elemente

Wasserstoff: Fester Wasserstoff bildet eine hexagonal dichteste Packung rotierender

H2-Moleküle.

Fluor: -F2 ist stabil bis 45.6 K und enthält F2-Moleküle in einer Orientierung parallel

zur Stapelachse einer kubisch dichtesten Kugelpackung. Zwischen 45.6 K und dem

Schmelzpunkt (53.5 K) ist -F2 stabil, wo die Moleküle um ihren Schwerpunkt rotieren.

Schwerere Halogene: Die Strukturen von Cl2, Br2 und I2 bei Normaldruck sind ähnlich.

Wir wollen uns dieser Struktur auf einem ungewöhnlichen Weg nähern und beginnen

mit der Struktur von Iod bei einem Druck von 55 GPa (etwa 550 000 bar). Iod ist bei

diesem Druck ein Metall und kristallisiert in der kubisch dichtesten Kugelpackung. Das

ist nicht ungewöhnlich, weil jedes Material unter hinreichendem Druck zu einem Metall

wird. Unterhalb von 55 GPa ist Iod immer noch metallisch, aber die kubisch dichteste

Kugelpackung ist tetragonal verzerrt. Unterhalb 37.5 GPa wird eine kubisch dichteste

Kugelpackung mit rhombischer Verzerrung beobachtet und erst unterhalb 28 GPa treten

Iodmoleküle vom I2 – Typ auf. Die Abstände ordnen sich zu kurzen intramolekularen

und langen intermolekularen Kontakten. Bei 28 GPa sind die Abstände zu allen

Nachbarn gleich, doch unterhalb 16 GPa ist die Verzerrung mit der Unterscheidung in

kurze I-I und lange I…..I Abstände so weit fortgeschritten, dass Iod seinen metallischen

Page 11: Strukturchemie

Charakter verliert. In den ähnlichen Strukturen von Brom und Chlor setzt sich dieser

Trend fort, wie die folgende Tabelle zeigt:

X2 Festes, kristallines X2 (alle Angaben in Å) X2 Gas

X-X

intramolekular

X…..X

Innerhalb

einer Schicht

X…..X

Zwischen den

Schichten

Verhältnis

X….X/X-X inner-

halb einer Schicht

X-X

F2 1.49 3.24 2.84 2.17 1.435

Cl2 1.98 3.32 3.74 1.89 1.988

Br2 2.27 3.31 3.99 1.46 2.284

I2 2.72 3.50 4.27 1.29 2.666

Sauerstoff: Dem Fluor sehr ähnlich, -Fluor-Typ von 24 bis 43.6 K, oberhalb 5.5 GPa

auch bei Raumtemperatur. Unterhalb 24 K die gleiche Packung mit leicht geneigten

Molekülen. Von 43.6 K bis zum Schmelzpunkt von 54.8 K rotierende Moleküle wie -F2.

Oberhalb 100 GPa metallische Eigenschaften, aber die Moleküle sind immer noch

erkennbar.

Schwefel: Nicht einmal Bor, nur Kohlenstoff kann mit Schwefel in der Anzahl der

unterschiedlichen Modifikationen konkurrieren, die derzeit bekannt sind. S6, S7 (vier

Modifikationen), S8 (drei Modifikationen), S9, S10, S11, S12, S13, S14, S15, S18 (zwei

Modifikationen), S20, S. Zwei Strukturmotive, die in den Sn Modifikationen häufig

vorkommen, sind hier abgebildet:

transoid cisoid

Abb. 9 Schwefelmodifikationen

Page 12: Strukturchemie

S6 S7 S8 S9 S10

S11

S12 S13 S14

-S18 -S18 S20

Drei S8-Modifikationen enthalten die gleichen S8 Moleküle in

leicht unterschiedlichen Packungen. Die -S8-Modifikation

enthält Stapel von S8-Ringen. Die Ringe einer Säule sind nicht

entlang einer Achse angeordnet wie etwa die Münzen in

einer Rolle, sondern gegeneinander verschoben wie bei einer

Nockenwelle. Auf diese Weise können die Rollen in zwei

Richtungen senkrecht zueinander gepackt werden.

Bei S6 und S12 sind die Moleküle dagegen wie die Münzen in

einer Rolle gepackt.

Selen bildet drei rote Modifikationen, die aus Se8-Molekülen

bestehen. Die Ringe sind nicht gegeneinander verschoben,

sondern gegen die Stapelachse geneigt. Man kennt auch eine Se6-Modifikation, die

Münzrollen bildet wie S6. Das thermodynamisch stabile -Selen ist grau und besteht aus

helicalen Se-Molekülen. Jedes Selenatom hat vier Nachbarn in drei benachbarten

Ketten. Se-Se-Abstände innerhalb der Kette betragen 2.37 Å, sekundäre Se…..Se-

Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Ketten messen 3.44 Å. Die sechs

Nachbaratome sind in einer stark verzerrten Oktaedergeometrie angeordnet. Eine

ähnliche Struktur nimmt Tellur an, wobei die entsprechenden Abstände viel näher

beisammen liegen (Te-Te 2.83 Å, Te…..Te 3.49 Å; vgl. die Strukturen der Halogene).

Polonium ist wohlbekannt für das einfachste aller denkbaren Kristallgitter, die kubisch

primitive Struktur. Dieser einfache Typ wird -Polonium-Typ genannt. Die -

Page 13: Strukturchemie

Polonium-Struktur ist eine verzerrte Variante dieses Typs mit einer gestauchten

Würfeldiagonale. Das resultierende Polyeder ist ein Rhomboeder mit 98.2°-Winkeln.

Beim Stickstoff kennt man zwei verschiedene Packungen von N2-Molekülen bei

Normaldruck und drei unter hohem Druck. Bei 100 GPa nimmt Stickstoff den

Strukturtyp des -Arsens an und wandelt sich bei 140 GPa in eine elektrisch leitende

Modifikation um.

Phosphor existiert in der Gasphase in Form von tetraedrischen P4-Molekülen, die ab ca.

800 °C in PP Moleküle mit P-P = 1.91 Å (P-P Einfachbindung 2.21 Å) dissoziieren. Bei

noch höheren Temperaturen dissoziieren diese in Phosphoratome.

Roter Phosphor ist amorph. Seine physikalischen Eigenschaften (Farbe, Schmelzpunkt,

Dampfdruck) unterscheiden sich in Abhängigkeit von den Bedingungen während seiner

Bildung aus weißem Phosphor bei erhöhter Temperatur.

Aus einer Lösung in geschmolzenem Blei Abb. 10 Hittorf´scher violetter Phosphor

konnte in der Forschungsgruppe von Hittorf

durch Kühlung von 630 °C auf 520 °C violetter

Phosphor kristallisiert werden. Diese

Herstellung des Hittorf´schen violetten

Phosphors ist sehr schwer reproduzierbar.

Die Transportreaktion von Phosphor mit Iod in einem Ofen mit zwei Temperaturzonen

ergab große Einkristalle derselben Modi-

fikation im Labor von H. G. von Schnering.

Die Wiederholungseinheit enthält einen

P8- und einen P9-Käfig, die durch P2-

Einheiten verbunden sind wie in der

oberen Abbildung zu sehen. Dieses Strukturmotiv wiederholt sich nach beiden Seiten.

Das so definierte Makromolekül wird im Folgenden als “Röhre” bezeichnet. Weil alle

Phosphoratome drei Bindungen ausbilden, um ein Elektronenoktett

zu erreichen, fällt beim obersten Atom des P9-Käfigs eine nicht

abgesättigte Bindung auf (“dangling bond”). Dieses Atom verbindet

eine „Röhre“ mit einer benachbarten „Röhre“ im rechten Winkel.

Die untere Abbildung zeigt eine in der Ebene von links nach rechts verlaufende „Röhre“

mit mehreren senkrecht dazu orientierten Nachbar-„Röhren“. Es ergibt sich eine

Doppelschicht aus zwei Schichten von parallelen „Röhren“, die durch P-P-Bindungen

quer übereinander fixiert sind. Zwischen den Röhren bleibt noch genügend Platz für

eine zweite Doppelschicht, wie die schematische Abbildung zeigt. Die in unterschied-

lichen Grautönen dargestellten Doppelschichten sind nicht durch kovalente Bindungen

verbunden, sondern schweben ineinander. Im Kristall werden diese Baueinheiten aus

doppelten Doppelschichten aufeinander gepackt und sind nur durch Van der Waals-

Kräfte untereinander verbunden.

Sind die miteinander verbundenen “Röhren” nicht senkrecht zueinander, sondern

parallel, entsteht die Struktur des faserigen roten Phosphors.

Page 14: Strukturchemie

Andere Phosphormodifikationen bestehen aus P8-Käfigen wie die im Hittorf´schen vio-

letten Phosphor auftretenden Cunean-Käfige, die durch P4-

Quadrate verbunden sind. Diese Modifikation wurde aus

den Kupferkomplex [(CuI)8P12] durch Extraktion von

Kupfer(I) iodid mit Kaliumcyanidlösung erhalten.

Obwohl Schwarzer Phosphor die thermodynamisch stabile Modifikation ist, muss er

durch Kristallisation von Phosphor aus flüssigem Bismut oder durch

Erhitzen von rotem Phosphor mit Quecksilber oder durch Erhitzen unter

hohem Druck hergestellt werden. Die Struktur besteht aus Sechsringen

in Sesselkonformation, die wie im cis-Decalin verknüpft sind.

Graues Arsen ist stabil und besteht aus gewellten Sechsringen wie

schwarzer Phosphor. Die Ringe sind wie im trans-Decalin zu

Schichten aus gewellten Sechsringen verknüpft. Arsenatome einer

oberen Schicht sind über den Zentren von As6-Sesseln der unteren

Schicht angeordnet. Die gestrichelten Linien in der rechten Abbil-

dung veranschaulichen die sekundären Wechselwirkungen, welche

die Schichten verbinden. As-As-Abstände innerhalb einer Schicht betragen 2.52 Å.

Sekundäre As…..As-Wechselwirkungen zwischen benachbarten Schichten liegen bei 3.12

Å, also deutlich unter dem Van der Waals-Abstand von 3.70 Å. Gasförmiges gelbes

Arsen entsteht aus grauem Arsen beim Erhitzen auf ca. 500 °C. Der Dampf enthält

tetraedrische As4-Moleküle (vgl. P4), die in organischen Lösungsmitteln löslich sind.

Die Strukturen von Antimon und Bismut sind dem grauen Arsen ähnlich. Die

Unterschiede zwischen den Abständen innerhalb einer Ebene und zwischen den Ebenen

werden jedoch vom leichteren zum schwereren Homologen immer kleiner. Wir können

deshalb diese Strukturen als verzerrte Varianten des -Polonium-Typs auffassen.

Veränderungen mit zunehmenden Druck

Strukturtypen bei von links nach rechts zunehmendem Druck

P Pschwarz -As -Po unbekannt hexagonal primitiv bcc

As -As Po Bi-III bcc

Sb -As Bi-III bcc

Bi -As Bi-II Bi-III bcc

Se -Se Se-II Te-II Te-III -Po bcc

Te -Se Te-II Te-III -Po Bcc

Das Kristallgitter von Bi-III enthält Stapel aus quadratischen Antiprismen, die in Stapelrichtung

über gemeinsame Bi4-Quadrate miteinander verknüpft sind. Quer zur Stapelrichtung lagern sich

die Antiprismen zu tetraedrischen Einheiten zusammen. (Beachten Sie, dass Bi4-Tetraeder im

Page 15: Strukturchemie

flüssigen und im gasförmigen Bismut vorkommen und thermisch leicht in Bi2-Einheiten

gespalten werden). Durch die Antiprismen ziehen sich in Stapel-

richtung Ketten aus einzelnen Bi-Atomen. Die Gitterkonstanten a

und b in der Zeichenebene betragen für beide Teilgitter 851.8

pm. In Stapelrichtung findet man jedoch eine Gitterkonstante

von 416.4 pm für die Antiprismen und 318.0 pm für die Bi-Ketten.

Aus dieser Diskrepanz ergeben sich Modulationen sowohl für die

Antiprismen als auch für die Ketten. Man spricht in solchen

Fällen von inkommensurablen Teilgittern.

Die thermodynamisch stabile Modifikation des

Kohlenstoffs ist Graphit, der in verschiedenen kristallinen Formen vorkommt. Die

häufigste Schichtenfolge ist ABAB (hexagonaler Graphit). Meist wird ein weniger

geordnetes Muster vorgefunden, in dem auch ABC – Schichtfolgen vorliegen. Innerhalb

der Schichtebenen ist die Struktur geordnet, zwischen

den Schichten sind Fehlordnungen sehr häufig. Diese

Fehlordnungen beschränken sich nicht auf die Abfolge

der Schichten (AB oder ABC). Man findet auch Graphit,

in dem die Schichten gegeneinander um die Stapel-

achse verdreht sind (turbostratischer Graphit).

Einige andere Kohlenstoffmodifikationen wie Ruß,

Kohle, Aktivkohle oder Holzkohle sind dem Graphit ähnlich, aber nicht sehr rein. Diese

Materialien können Wasserstoff und Sauerstoff enthalten. Nicht durch Kohlenstoff-

Nachbaratome abgesättigte Bindungen an den Rändern der Graphitblättchen in diesen

Materialien können mit OH-oder anderen funktionellen Gruppen besetzt sein. Die

Ordnung der Schichten ist niedriger als beim Graphit.

Graphit-Monolagen können als so genanntes Graphen isoliert werden. Graphen wird ein

aufregender Werkstoff, sobald es in makroskopischen Dimensionen hergestellt werden

kann. Es ist ein sehr guter elektrischer Leiter und weist eine extreme Festigkeit auf.

Fullerene sind Käfigmoleküle, die sich aus Kohlenstoffdampf in Helium- oder Argon-

Unterdruckatmosphäre bilden. Die Käfige bestehen aus zwölf Fünfringen und zwanzig

oder mehr Sechsringen. Die bekanntesten Vertreter sind C60 mit der ikosaedrischen

Symmetrie eines Fußballs (Telstar, 1968 bei der WM in Mexiko eingeführt) und das

eiförmige C70. Das weniger symmetrische C76 zeigt 19 Signale im 13C NMR - Spektrum

und ist bislang die einzige bekannte Modifikation eines chemischen Elements, die aus

diskreten Molekülen mit axialer Chiralität besteht. Weitere Fullerene sind C84, C90 u. s. w.

Mehrfachkäfige, die nach Art einer russischen Puppe ineinandergeschachtelt sind,

wurden durch Elektronenmikroskopie entdeckt.

Abb. 11 Beispiele für Fullerene

Page 16: Strukturchemie

C60 C70 , Blick entlang der C5 -Achse C76

Verwandt mit den Fullerenen sind Kohlenstoff-Nanoröhren, die am Ende mit einem

halben Fullerenkäfig verschlossen sind. Der

zylindrische Teil einer Kohlenstoff-Nanoröh-

re entspricht einem zur Rolle geschlossenen

Graphitstreifen. Die Eigenschaften der Röh-

ren variieren mit der Orientierung des Gra-

phitgitters zur Röhrenachse. Nach der Form

des Randes am Röhrenende unterscheidet

man die Armsessel-Röhre (oben) von der so

genannten Zickzack-Röhre (unten).

Verlaufen die Sechsring-Bänder in einem

Winkel zwischen 0° und 30° zur Röhren-

achse, resultiert helicale Chiralität.

Armsesselröhren zeigen metallische Leitfä-

higkeit, Zickzack-Röhren und helicale Röh-

ren sind teilweise Halbleiter, können aber auch metallisch leiten. Die Zugfestigkeit

einzelner Röhren beträgt bis zu 68 GPa. Das ist der höchste jemals bei einem Material

gemessene Wert und nährt Phantasien von Seilen, die von einem geostationären

Satelliten bis zur Erde herunterhängen und als Konstruktionselemente für einen Lift in

den Weltraum benutzt werden. Auch die Wärmeleitfähigkeit erreicht einen Maximal-

wert: Mit 6000 W/mK ist diese fast dreimal so hoch wie beim Diamanten und erreicht

den 14fachen Wert der Wärmeleitfähigkeit des Silbers.

Das Diamantgitter wurde in der Einleitung gezeigt. Kohlenstoff, Silicium, Germanium

und graues Zinn kristallisieren im Diamantgitter. Die hexagonale Variante entspricht

dem Wurtzit-Gittertyp und wurde als Kohlenstoffmodifikation im Barringer-Krater in

Arizona gefunden. Dieses seltene Mineral entsteht aus Kohlenstoff z. B. bei der

Einwirkung der Schockwellen eines Meteoriteneinschlags und wird Lonsdaleite

genannt nach der irischen Kristallographin Kathleen Lonsdale.

Abb. 12 Diamanten

Page 17: Strukturchemie

Centenary Golden Jubilee Hope Diamond

Centenary: 1986 in Südafrica entdeckt, roh 599 ct, geschliffen 273.85 ct., intern und

extern lupenrein, höchste Klasse der farblosen Diamanten, präsentiert beim

hundertjährigen Jubiläum der De Beers Consolidated Mines am 11. Mai 1988 als

Rohdiamant.

Golden Jubilee: Als brauner Diamant („ugly duckling“) 1985 in Südafrika gefunden,

Rohgewicht 755.5 ct. Der Schliff gelang mit nur 28% Verlust und ergab eine

symmetrische Form mit 148 Facetten mit einem Gewicht von 545.67 ct.. Eine Gruppe

thailändischer Geschäftsmänner kaufte den Stein 1995 von De Beers und brachte ihn in

den Vatikan, wo er von Papst Johannes Paul II. gesegnet wurde. Danach erhielt er noch

den Segen des höchsten Patriarchen der Buddhisten und des höchsten Imams in

Thailand und wurde König Bhumipol zu dessen 50. Kronjubiläum übergeben.

Hope Diamond: seit 1642 bekannt, Rohgesicht 45.52 ct., die sehr seltene tiefblaue Farbe

wird durch Spuren von Bor verursacht. Der Stein zeigt eine rote Phosphoreszenz nach

UV-Bestrahlung. Der Hope Diamant ist vermutlich der berühmteste Diamant auf der

Erde. Er fungiert nach da Vincis Mona Lisa als weltweit zweitgrößter Publikumsmagnet

für Museumsbesucher und gehört dem Smithsonian Institute in Washington.

Von sechzehn Bormodifikationen sind nur wenige gut charakterisiert. Einige sind

möglicherweise borreiche Boride, in denen Spuren eines Fremdelements übersehen

wurden. Bor ist ein besonders Element, das weder durch metallische Bindung noch

durch Zweizentren-Zweielektronen-Bindungen eine Edelgaskonfiguration erreichen

kann. Die Strukturen des Bors sind das Resultat von Elektronenmangel und sind in

manchen Fällen auf die Anwesenheit weniger Fremdatome zurückzuführen, z. B. im

B48N2, B48C2, NiB50, YB66 or PuB100.

Gut charakterisiert ist das -rhomboedrische Bor, das aus B12-Ikosaedern in einer

verzerrt kubisch dichtesten Kugelpackung besteht. Bitte beachten Sie, dass zwar die

Ikosaeder, nicht aber die Boratome selbst dichtest gepackt sind.

Komplizierter ist das -rhomboedrische Bor gebaut. Dessen Struktur mit 105

Boratomen in der Elementarzelle soll in mehreren Schritten erklärt werden.

1. Jedes B-Atom eines B12-Ikosaeders ist mit der Spitze einer pentagonalen Pyramide

verbunden, von denen die Abbildung nur zwei zeigt.

Page 18: Strukturchemie

Abb. 13 Ikosaeder mit Pyramiden, B60-Fußball, B10-Einheit, B7-Einheit

2. Die 12 regelmäßigen B5-Fünfringe sind nicht isoliert, sondern durch B-B-Bindungen

zu einem B60-Käfig verbunden. Dieser Käfig wird uns als C60 bei den Fullerenen

nochmals begegnen. B60 besitzt die Geometrie eines Fußballs und die Symmetrie eines

Ikosaeders. Man nennt diesen geometrischen Körper „trunkiertes Ikosaeder“, weil er

durch Abschneiden der 12 Ecken eines Ikosaeders gebildet werden kann. (Betrachten

Sie z. B. das vorne liegende Fünfeck in der Abbildung des B60-Fußballs. Verlängern Sie in

Gedanken die fünf radial von diesem vorderen Fünfeck nach hinten weisenden B-B-

Bindungen nach vorne, so markiert der Schnittpunkt eine der zwölf „abgeschnittenen“

Ecken).

3. Wir fassen zusammen: Inneres Ikosaeder + 12 Pyramidenspitzen + 12 Fünfringe = B84.

4. Die zwölf pentagonalen Pyramiden sind zwölf B6-Einheiten, also zwölf halbe Ikosa-

eder. Diese werden jeweils mit einer weiteren Ikosaederhälfte zu einem ganzen Ikosa-

eder zusammentreten.

5. Sechs der zwölf halben Ikosaeder werden dadurch vervollständigt, dass sechs B84-Ein-

heiten aus benachbarten Elementarzellen so andocken, dass je ein Ikosaeder gebildet

wird.

6. Für die Vervollständigung der verbleibenden sechs Ikosaederhälften finden sich in

jeder Elementarzelle zwei B10-Einheiten, welche um ein B-Zentralatom neun weitere B-

Atome aufweisen. Diese bilden drei kantenverknüpfte Fünfringe, deren vordere Kanten

das in der Abbildung fett gezeichnete Dreieck ergeben. Die Fünfringe selbst erstrecken

sich von Betrachter nach hinten. Markieren Sie diese Fünfringe bitte mit Farbe.

Zusammen mit dem Zentralatom ergeben sich hier drei halbe Ikosaeder. Zwei dieser

B10-Einheiten können also die sechs Ikosaederhälften vervollständigen.

7. Wir fassen zusammen: B84 + 2 B10 = B104.

8. Die beiden B10-Einheiten stehen sich so gegenüber, dass ihre B3-Dreiecke gestaffelt

angeordnet sind. Im oktaedrischen Zwischenraum befindet sich – sechsfach koordiniert

– das 105. Boratom, das in der Zeichnung als Zentralatom einer B7-Einheit dargestellt ist.

Die beiden Dreiecke der B7-Einheit gehören zu den zwei bereits genannten B10-

Einheiten.

Dunkelgraue Körnchen einer orthorhombischen Hochdruckmodifikation des Bors

wurden aus 99.9999% reinem Bor bei Drücken von 12, 15, und 20 GPa und

Temperaturen von 1800 and 2000 K hergestellt (Oganov et al, Nature 2009, 457, 863-

867). Die neue Struktur blieb bei Raumtemperatur und Normaldruck bestehen und ist

unter diesen Bedingungen metastabil. Die Struktur ist dem -rhomboedrischen Bor

ähnlich und enthält pro B12 Ikosaeder eine zusätzliche B2 Einheit, welche die

Oktaederlücke der B12 Kugelpackung besetzt.

Page 19: Strukturchemie

Dichteste Kugelpackungen

Sie haben bereits Strukturen kennengelernt, die auf gerichtete Kräfte wie kovalente

Bindungen oder auf die Ausrichtung nicht bindender Elektronenpaare zurückzuführen

sind. Viele anorganische Feststoffe bestehen aus Ionen, die von Gegenionen angezogen

werden. Diese elektrostatischen Kräfte sind nicht gerichtet, das gleiche gilt für die

metallische Bindung und für Van der Waals-Kräfte, wie wir dies bei den Edelgasen

gesehen haben.

Kugeln packen sich in Schichten, in denen jede Kugel von sechs Nachbarn umgeben ist.

Eine zweite Schicht wird so auf die erste Schicht gepackt, dass jede Kugel der oberen

Schicht in eine Dreiecksmulde der unteren Schicht rollt.

Abb. 14 Eine dicht gepackte Kugelschicht mit Kugeln einer zweiten Schicht darüber

Von links nach rechts: Jede Kugel einer dicht gepackten Schicht hat sechs Nachbarn in

hexagonaler Anordnung. Die erste Kugel einer zweiten Schicht obenauf besetzt eine

Dreiecksmulde. Nicht alle Dreiecksmulden können mit Kugeln besetzt werden. Auf dem

zweiten Bild von links sind drei Dreiecksmulden zu erkennen, die nicht mit Kugeln

besetzt werden können. Nur jede zweite Dreiecksmulde kann besetzt werden. Die Abb.

Rechts zeigt, welche Mulden mit Kugeln gleicher Größe besetzt werden können. Eine

dichte Packung wird gebildet, wenn die Kugeln der zweiten Schicht entweder die mit

weißen Punkten markierte Hälfte der Dreiecksmulden oder die nicht markierte andere

Hälfte der Dreiecksmulden besetzen. Alle Dreiecksmulden sind symmetrieäquivalent. Es

gibt keinen Unterschied zwischen den beiden Sätzen von Dreiecksmulden.

Wenn wir eine dritte Schicht unterhalb der ersten Schicht einführen wollen, bieten sich

dafür zwei Möglichkeiten. Wir können diese grau markierten Kugeln unter den bereits

mit blauen Kugeln besetzten Dreiecks-

mulden platzieren (linke Abbildung). Die

Schichtenfolge lautet dann ABA, weil die

blauen und die grauen Kugeln deckungs-

gleiche Positionen besetzen. Wird der

andere Satz von Dreiecksmulden mit den grauen Kugeln besetzt,

resultiert eine ABC-Schichtenfolge. Alle drei Schichten haben unterschiedliche

Koordinaten in der Zeichenebene.

Abb. 15 Koordinationspolyeder zur Schichtenfolge ABA und ABC

Page 20: Strukturchemie

Es gibt zwei Schichtenfolgen: ABA (links, blau) oder ABC (rechts, rot). Die links gezeigte

Anordnung wird als hexagonal dichteste Kugelpackung (hcp für hexagonal closest pack)

bezeichnet. Rechts sehen wir die kubisch dichteste Packung (ccp für cubic closest pack).

Wir müssen nun drei Kugelpackungskonzepte unterscheiden.

1. Alle Kugeln sind gleich groß. In diesem Fall erwarten wir eine dichte

Kugelpackung.

2. Die Kugeln haben unterschiedliche Größe. Ist die Größe sehr unterschiedlich,

bilden die großen Kugeln eine dichte Packung und die kleinen Kugeln besetzen

die Lücken zwischen den großen Kugeln. In dieser Kategorie finden wir die

moisten ionischen Strukturen, weil Kationen gewöhnlich viel kleiner sind als

Anionen. Diese Strukturen sind recht einfach zu verstehen.

3. Sind die Kugeln zwar unterschiedlich, aber von ähnlicher Größe, werden sie

versuchen, gemeinsam eine möglichst dichte Packung zu bilden. Solche Fälle

liegen häufig bei intermetallischen Verbindungen vor und die Strukturen sind

eher kompliziert.

Kugeln gleicher Größe

Wir haben bereits die hexagonal dichteste Packung und die kubisch dichteste Packung

gesehen. Diese Packungen werden bei den ionischen Strukturen im Detail behandelt.

Beispiele für die hexagonal dichteste Kugelpackung sind Be (leicht verzerrte hcp), Mg,

Sc, Y, Ti, Zr, Hf, Tc, Re, Ru, Os, Co, Zn, Cd, Tl, Gd – Tm, Lu, and Cf.

Beispiele für die kubisch dichteste Kugelpackung sind Ca, Sr, Rh, Ir, Ni, Pd, Pt, Cu, Ag, Au,

Hg (leicht verzerrt), Al, In (leicht verzerrt), Pb, Ce, Yb, Th, Bk, und die Edelgase Ne – Xe.

Sie haben vielleicht bemerkt, dass viele Metalle noch nicht erwähnt wurden. Der Grund

dafür ist eine andere dichte (aber nicht dichteste) Kugelpackung, die man bei vielen

Metallen findet. Es handelt sich um die kubisch raumzentrierte Packung, in der folgende

Metalle kristallisieren: Li, Na, K, Rb, Cs, Ba, Ra, V, Nb, Ta, Cr, Mo, W, Fe, Eu, and Pa (leicht

verzerrt). Mit Helium fehlt auch das einzige Element, das bei Normaldruck auch bei den

tiefsten erreichbaren Temperaturen nicht kondensiert werden kann. Oberhalb 25.5 bar

(>25800 Pa) hat Helium einen Schmelzpunkt von 0.95 K. In Abhängigkeit vom Druck

bildet festes helium hcp, ccp oder bcc Modifikationen.

Abb. 16 Die kubisch raumzentrierte Kugelpackung

Page 21: Strukturchemie

Die kubisch raumzentrierte Elementarzelle (links) und ein Würfel aus acht solchen

Zellen (rechts).

Wir wollen die Packungsdichte der drei dichten Kugelpackungen vergleichen

Abb. 17 Kubisch dichteste Kugelpackung

Links: Kubisch dichteste Packung von Metallatomen, die rote Farbe soll an Kupfer

erinnern. Rechts: Die gleiche Struktur mit raumfüllenden Kupferatomen, welche die

Geometrie für die folgende Berechnung der Packungsdichte verdeutlichen soll.

Zuerst müssen wir feststellen, wie viele Kugeln sich innerhalb einer Elementarzelle

befinden. Bitte überzeugen Sie sich davon, dass sich keine einzige der vierzehn Kugeln

(acht Ecken und sechs Flächenmitten eines Würfels sind mit Kugeln besetzt) ganz

innerhalb der Zelle befindet. Wir müssen also alles abschneiden, was aus der

Elementarzelle herausragt. Die Kupferatome auf den Flächenmitten liegen z. B. zur

Hälfte innerhalb und zur Hälfte außerhalb der Zelle. Das hängt damit zusammen, dass

Page 22: Strukturchemie

sich im Kristall immer zwei Elementarzellen mit einer Quadratfläche berühren und die

auf der Flächenmitte befindliche Kugel daher zu gleichen Teilen in beide Zellen

hineinragt. Die Kupferatome auf den Flächenmitten liegen deshalb zur Hälfte im inneren

der betrachteten Elementarzelle und ragen zur Hälfte über die Zelle hinaus. Für sechs

Kugeln auf den Flächenmitten ergeben sich somit sechs halbe Kugeln für die

Elementarzelle. Die Kugeln auf den Ecken der Elementarzellen ragen jeweils in acht

Elementarzellen hinein, die an der betrachteten Ecke zusammenstoßen. (Die acht

Elementarzellen, die sich in einer gemeinsamen Ecke berühren, können Sie in Abb. 16

sehen). Auf ein Achtel kommt man auch, wenn man die drei Flächen durch die Kugel

hindurch verlängert, die sich an jeder Würfelecke berühren. Die erste dieser Flächen

halbiert beim Durchgang die Kugel. Die zweite halbiert die verbliebene Hälfte und die

dritte Kugel halbiert das dabei gebildete Viertel. Acht Ecken tragen somit eine Kugel zum

Zellinhalt bei. Insgesamt enthält die Elementarzelle der kubisch dichtesten

Kugelpackung 6/2 + 8/8 = 4, also vier Kugeln.

Mit der Zellkante a ergibt sich ein Volumen von a3.

Das Volumen einer Kugel ist 4/3 π r3 und der Kugelradius r ist rechts in Abb. 17 zu

erkennen: Eine Diagonale I Quadrat entspricht vier Kugelradien.

Wir schreibene: 4r = a√2; r = a/2√2.

Das Volumen von vier Kugeln dividiert durch das Volumen der kubischen

Elementarzelle ergibt den gesuchten Faktor für die Raumausfüllung:

4 4/3 π r3 = 4/3 π (a/2√2)3 = 16/3 π a3/16√2 = 1/3 π a3/√2 = 0.7405 a3 .

74.05% der kubischen Elementarzelle sind mit Kugeln gefüllt, knapp 26% entfallen auf

Packungslücken.

Das Gleiche gilt für die hexagonal dichteste Kugelpackung, weil dort gleiche

Packungsdichte, gleiche Koordinationszahl und die gleiche Art der Packung vorliegen.

Der einzige Unterschied besteht in einer veränderten Schichtenfolge, die sich nicht auf

die Dichte der Packung auswirkt.

Als Beispiel für den kubisch raumzentrierten Strukturtyp schauen wir nochmals das

Caesiumgitter an (in Blau). Wenn Sie erkennen, dass vier Kugelradien entlang der

Raumdiagonalen aufgereiht sind, liegen Sie richtig. Wir können schreiben: a √3 = 4 r

und r = a/4 √3.

Weil die kubisch raumzentrierte Zelle zwei Atome enthält, berechnet sich das von zwei

Kugeln ausgefüllte Volumen innerhalb einer Zelle wie folgt:

Kugelvolumen = 2 4/3 π r3 = 8/3 π (√3a/4)3 = 8/3 π (3√3a3/64) =8√3 π a3/64 =

0.6802 a3 .

Weil a3 dem Volumen der Zelle entspricht, füllen die Atome den Raum zu 68% aus, fast

32% des Volumens bleiben leer.

Page 23: Strukturchemie

A

B

C

A

B

C

C

B

A

C

B

A

C

B

AC

A

B

C

A

B

Einige der noch nicht genannten Metalle kristallisieren in Variationen der dichtesten

Kugelpackung.

Diese Variationen kann man sich anhand des folgenden Schemas vorstellen. Eine

Beschreibung solcher Packungen folgt dem Vorschlag von Jagodzinski.

Um eine mögliche Abfolge von hexagonalen Schichten zu konstruieren, folgen Sie

bitte den Linien von oben nach unten auf einem beliebigen Pfad. Halten Sie

sich immer links, resultiert eine kubisch dichteste Kugelpackung der

Schichtenfolge ABCABC. Hangeln Sie sich im Dreieck auf einer

Zickzack-Linie nach unten (links-rechts-links-rechts ..), ergibt sich

die Schichtenfolge ABABAB, das ist die hexagonal dichteste

Packung. Sie können auch weniger symmetrische

Anordnungen wie ABACBC oder andere generieren.

Die Beschreibung solcher Schichtenfolgen nach Jagodzinski verwendet die Buchstaben h

and c, um für jede Schicht eine hexagonale oder kubische Umgebung zu bezeichnen. Eine

Schicht mit der Bezeichnung h befindet sich demnach zwischen zwei deckungsgleichen

Schichten wie z. B. die Schicht A in der Schichtenfolge BAB. Eine Schicht befindet sich in

einer kubischen Umgebung, wenn die Schicht darüber nicht deckungsgleich ist mir der

Schicht darunter. So erhält die Schicht A in der Schichtenfolge BAC die Bezeichnung c für

„kubisch“. Das Jagodzinski symbol “hc” bedeutet, dass sich innerhalb einer

Schichtenfolge Schichten in kubischer Umgebung mit Schichten in hexagonaler

Umgebung abwechseln. Wir wollen eine solche Schichtenfolge konstruieren und

beginnen mit dem Buchstaben B:

B (Für die erste Schicht können wir die Umgebung nicht spezifizieren, weil wir nicht

wissen, welche Schicht darüber liegt.)

A h (Wir wollen mit einer Schicht in hexagonaler Umgebung beginnen, um eine

Schichtenfolge “hc” aufzubauen. Deshalb muss die folgende Schicht deckungsgleich mit

der Schicht oberhalb dieser Schicht A sein.)

B c (Diese Schicht soll nach der Vorschrift “hc” in einer kubischen Umgebung liegen.

Deshalb darf die folgende Schicht nicht A und selbstverständlich auch nicht B sein.)

C h (Wenn diese Schicht C in einer hexagonalen Umgebung vorliegt, muss die folgende

Schicht wieder B sein.)

B c

A h (Hier können wir die Wiederholung erkennen, vergleichen Sie bitte mit den ersten

beiden Schichten.)

Die Wiederholungseinheit lautet ABCB und kommt bei Lanthan, Praseodym, Neodym

und Promethium vor.

Samarium gehört zum hhc Typ, der wie folgt aufgebaut ist:

B

A h Bitte prüfen Sie die korrekte Umgebung jeder Schicht und die

Wiederholungseinheit.

Page 24: Strukturchemie

B h Die Wiederholungseinheit sollte ABACACBCB sein.

A c Es ist nicht leicht zu erklären, welche Art von Wechselwirkung diese Schichten-

C h folge bestimmt.

A h Theoretische Berechnungen machen die f-Orbitale für dieses Verhalten verant-

C c wortlich.

B h

C h

B c

A h

B h

A c

Effektive Koordinationszahl

Die Koordinationszahl in den dichtesten Kugelpackungen ist zwölf. Vergleicht man dies

mit der Koordinationszahl acht im nicht viel weniger dichten kubisch raumzentrierten

Gitter, kommt einem der Unterschied in den Koordinationszahlen (8 vs. 12)

unverhältnismäßig groß vor. Die Packungsdichten (74% vs. 68%) sind viel näher

beisemman als die Koordinationszahlen.

Schauen Sie sich bitte nochmals die kubisch dichteste Packung (ccp) an.

Abb. 18 Die Koordinationssphäre eines Kupferatoms (ccp Typ)

Die Koordinationssphäre eines Kupferatoms wird durch Cu-Cu-Bindungen

veranschaulicht. Achten Sie weniger auf die drei Quadrate aus je zwei blauen und zwei

violetten Kugeln um das zentrale Kupferatom. Suchen sie statt dessen nach der

Stapelachse der Gitterebenen. Das ist die Raumdiagonale im Würfel, deren Richtung

durch die Linie vom violett gekennzeichneten Atom links unten zum Zentralatom läuft

Page 25: Strukturchemie

und sich zu einer violett markierten Kugel rechts oben verlängert. Senkrecht zu dieser

Achse verläuft durch das Zentralatom eine Schichtebene, in der das Zentralatom und

sechs Nachbaratome (vier in Violett, zwei in Blau) zu finden sind. Ein Dreieck aus

Kupferatomen (eine in Violett, zwei in Blau) liegt schräg links unterhalb dieser

Schichtebene, ein weiteres schräg rechts oberhalb. (Da die kubische Elementarzelle vier

Raumdiagonalen aufweist und die Symmetrie eben kubisch ist, definiert jedes Paar von

diametral entgegengesetzt angeordnete Würfelecken eine Stapelachse. Wenn Sie in der

Abbildung von der Mitte der waagerechten Zellkante oben vorne eine Linie zum rot

gekennzeichneten Cu-Atom links in der Zelle ziehen und diese verlängern, erhalten Sie

eine Stapelachse, die senkrecht auf dem regelmäßigen Sechseck der blau

gekennzeichneten Atome steht. Vor dem Sechseck erkennen Sie oben rechts ein

gleichseitiges Dreieck aus violetten Kugeln, dahinter links unten ein weiteres, das zum

ersten auf Lücke angeordnet ist). Wie weit sind diese zwölf Nachbarn vom Zentrum

entfernt und wie weit ist es bis zum ersten Nachbarn außerhalb dieser ersten

Koordinationssphäre? Wenn Sie auf a/2 √2 = 0.7 a für die zwölf nächsten Nachbarn

und zum Abstand a für die übernächsten Nachbarn kommen, liegen Sie richtig. Das

Abstandverhältnis nächster/übernächster Nachbar a/(a/2 √2) ist √2 = 1.414.

Im kubisch raumzentrierten Gittertyp ist dieses Verhältnis a versus (a/2)√3 – bitte

vergleichen Sie mit dem voranstehend gezeigten bcc Strukturtyp. Der Abstandsfaktor

errechnet sich zu 1/0.866 = 1.155. Dies bedeutet, dass ein Atom im bcc –Gittertyp

zusätzlich zu den acht nächsten Nachbarn noch sechs übernächste Nachbarn in einem

nur 15.5% größeren Abstand hat. Im ccp-Gittertyp folgen auf zwölf nächste Nachbarn

sechs übernächste Nachbarn in einem um 41.4% größeren Abstand, das ist viel weiter

draußen.

Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass in besonderen Fällen wie beim bcc-Gittertyp die

übernächsten Nachbarn auch berücksichtigt werden müssen, um zu einer vernünftigen

Koordinationszahl zu kommen. Diese ausgewogene Koordinationszahl wird als effektive

Koordinationszahl bezeichnet.

Solche Diskrepanzen bezüglich der Koordinationszahl treten häufig bei Strukturen mit

niedriger Symmetrie auf. Ein Beispiel ist die Struktur des weißen Zinns. Jedes Atom hat

vier nächste Nachbarn in einem Abstand von 3.02 Å, zwei bei 3.18 Å und vier bei 3.77 Å.

Wenn wir den kürzesten Abstand (3.02 Å) als Einheit nehmen, ist das

Abstandsverhältnis 1 : 1.053 : 1.248.

Eine Methode zur Ermittlung einer effektiven Koordinationszahl wurde von Brunner und

Schwarzenbach vorgeschlagen. Sie nehmen den Abstand zum nächsten Nachbarn als Einheit und

finden häufig die übernächsten Nachbarn zwischen 1 und 1.3. In vielen Strukturen gibt es keine

weiteren Nachbarn in der Nähe von 1.3, eine „Abstandslücke“ wird beobachtet und weitere

Atome folgen erst in größerem Abstand wie z. B. 1.5 oder mehr. Deshalb schlugen sie ein

Gewichtungsschema vor. Die nächsten Nachbarn gehen mit dem Gewicht 1.0 in die

Koordinationszahl ein. Der erste Nachbar außerhalb der „Abstandslücke“ erhält das Gewicht 0.0.

Dazwischen wird linear interpoliert. Antimon soll als Beispiel dienen:

Drei nächste Nachbarn 2.91 Å Gewicht 1.0

Page 26: Strukturchemie

Drei übernächste Nachbarn 3.36 Å

nächster Nachbar außerhalb der Lücke 3.91 Å Gewicht 0.0

Rechnung für die übernächsten Nachbarn im Abstand von 3.36 Å:

Gewicht = (3.91 – 3.36)/(3.91 – 2.91) = 0.55.

Die effective Koordinationszahl (effective coordination number) ecn

ecn = 3 1.0 + 3 0.55 = 4.65

Diese Methode ist nicht geeignet für kompliziertere Fälle, in denen keine Abstandslücke

auftritt.

Einer eindeutigen Methode, die auf jeden Einzelfall angewendet werden kann, liegt eine

geometrische Berechnung zugrunde. Dort wird ein spezielles Polyeder berechnet, das so

genannte Voronoi-Polyeder). Dabei wird jedem Nachbaratom, nah oder fern, eine Ebene

zugeordnet, die das betreffende Nachbaratom enthält und sich senkrecht zur

Verbindungslinie zum Zentralatom erstreckt.

Abb. 19 Räumliche Darstellung eines Voronoi Polyeders für den einfachen Fall einer

kubischen Anordnung von acht nächsten Nachbarn

Das Zentralatom in Blau ist umgeben von acht nächsten Nachbarn. Jeder Nachbar

befindet sich in der Mitte eines Dreiecks (grüne Kugeln), das senkrecht zur

Verbindungslinie vom Zentralatom zum Mittelpunkt des Dreiecks orientiert ist.

Überlegen Sie bitte: Stellen Sie sich eine Linie vom Zentralatom zu einer der grünen

Ecken des Oktaeders vor. Platzieren Sie ein neuntes Nachbaratom deutlich außerhalb

Page 27: Strukturchemie

des Würfels aus acht (grauen) Nachbarn, aber innerhalb des Oktaeders mit den grünen

Ecken auf dieser Linie. Wiederholen Sie dies für alle sechs Linien vom Zentralatom zu

den Oktaederecken, immer im gleichen Abstand. Dies ist vergleichbar mit dem kubisch

raumzentrierten (bcc; body-centered cubic) Strukturtyp. Wenn Sie sich jetzt Ebenen

vorstellen, die senkrecht zu den radialen Verbindungslinien durch die sechs neuen

Nachbaratome verlaufen, dann schneiden diese Ebenen je eine quadratische Pyramide

mit einer Oktaederspitze ab. (Andere Betrachtung: …, dann schneiden die vier Dreiecke,

die in jeder Oktaederecke zusammenstoßen, aus jeder der sechs Ebenen ein Quadrat

aus). Die Fläche eines solchen Quadrats ist ein Maß für das Gewicht dieser etwas weiter

entfernten Nachbarn. Ebenso ist das, was von den Dreiecken aus grünen Kugeln nach

der Abtrennung der Ecken durch die sechs Ebenen übrig bleibt, ein Maß für das Gewicht

der nächsten Nachbarn. Die Fläche, die den nächsten Nachbarn zugeordnet wird, erhält

das Gewicht 1. Die effective Koordinationszahl ergibt sich als Summe der Gewichte aller

vierzehn Nachbaratome.

Überlegung zum Voronoi-Polyeder für die kubisch raumzentrierte Kugelpackung

Grundgedanke: Ein in den Würfel einbeschriebenes Oktaeder wird so aufgeblasen, dass

es den Würfel umspannt. Wir gehen von einem Oktaeder aus, das wir in die kubische

Zelle so einfügen, wie dies von der kubisch dichtesten Kugelpackung geläufig ist: Die

sechs Flächenmitten spannen ein Oktaeder auf.

Dieses Oktaeder ist bereits korrekt im Raum orientiert und muss nun nur noch

aufgepumpt werden, bis die es den Würfel einschließt und die Würfelecken die

Mittelpunkte seiner Dreiecksflächen markieren.

Der lineare Vergrößerungsfaktor, der hierfür erforderlich ist, soll aus geometrischen

Überlegungen abgeleitet werden. Wir beginnen bei der Mitte einer Dreiecksfläche des in

den Würfel einbeschriebenen Oktaeders.

Wie weit ist es vom Würfel- und Oktaeder-Zentrum bis zu dieser Flächenmitte und von

dort zur Ecke?

Aus dem Verhältnis dieser beiden Strecken ergibt sich der Vergrößerungsfaktor vom

einbeschriebenen bis zum umspannenden Oktaeder, der dann auch auf die

Oktaederecken angewendet werden kann.

Auf diese Weise soll errechnet werden, wie weit die Ecken des großen Oktaeders (das

den Würfel genau einschließt) vom Zentrum entfernt sind.

Die Abbildung zeigt einen Würfel der Kantenlänge a mit dem einbeschriebenen

Oktaeder. Daneben ist ein Querschnitt gezeigt, der von oben nach unten diagonal durch

den Würfel gelegt wurde. Das Problem ist jetzt auf zwei Dimensionen reduziert und die

relevanten Winkel und Strecken sind eingetragen.

Page 28: Strukturchemie

109.5°

90°

70.5°

54.75°

90°

a 2

a

0.5775 a

0.2886 a

a

Links: Die gestrichelte Linie ist die halbe Raumdiagonale, die sich vom Zentrum bis zu

einer Würfelecke erstreckt. Diese Raumdiagonale liegt genau in der Schnittebene, die

rechts dargestellt ist. Die Projektion erfolgt parallel zu zwei Oktaederkanten, wodurch

das Oktaeder als Parallelogramm dargestellt wird. Wichtig ist der Tetraederwinkel, den

die Würfelecken und das Zentrum des Würfels aufspannen, weil sich aus diesem Winkel

und den rechten Winkeln alle anderen Größen auf einfache Weise ergeben.

Ergebnis: Eine Flächenmitte des einbeschriebenen Oktaeders ist 0.2886 Kantenlängen a

vom Würfelzentrum entfernt. Erst die dreifache Strecke reicht bis zur Würfelecke. Daher

muss auch die Entfernung der Flächenmitte des Würfels (= Oktaederecke, diese beträgt

0.5 a) vom Zentrum verdreifacht werden.

Also sind die Ecken des den Würfel umspannenden Oktaeders 1.5 a vom Würfelzentrum

entfernt. Der große Würfel, der um dieses vergrößerte Oktaeder aufgespannt werden

kann, hat die Kantenlänge 3a und besteht aus 27 Würfeln der Kantenlänge a.

Von diesen 27 Würfeln sind sieben für uns besonders interessant. Es ist der eine, den

wir betrachtet haben und die sechs, die dessen Flächen besetzen. Die Mittelpunkte

dieser sechs „nächsten Nachbarwürfel“ sind nämlich die sechs übernächsten

Nachbaratome, denen nun doch eine quadratische Fläche im Voronoi-Polyeder

zukommt.

Kugeln unterschiedlicher Größe

Kugeln unterschiedlicher Größe packen sich nach einem einfachen Prinzip: Die großen

Kugeln bilden eine dichteste Kugelpackung, die kleinen füllen die Lücken.

Wenn wir diese Strukturen verstehen wollen, müssen wir die Lücken zwischen den

großen Kugeln anschauen (Abb. 14). Markiert man die Lücken zwischen drei Kugeln

einer Schicht abwechselnd mit einem weißen und einem dunklen Punkt und bedeckt die

weiß markierten Dreiecksmulden mit Kugeln der nächsten Schicht, wird sich aus jeder

so bedeckten Dreiecksmulde eine Tetraederlücke. Die dunkel markierten

Dreiecksmulden warden nicht bedeckt, sondern mit einem Dreieck von Kugeln der

Page 29: Strukturchemie

nächsten Schicht umzingelt (Abb. 14: Stellen Sie sich eine weitere Kugel vor, die das

Dreieck um eine der dunkel markierten Mulden vervollständigt). Die dunkel markierten

Mulden sind unten und oben mit einem Dreieck von Kugeln umgeben, es handelt sich

um Oktaederlücken.

Abb. 20 Radius der Tetraederlücke

Die voranstehende Abbildung soll die Berechnung des Radius der Tetraederlücke

illustrieren. Die roten Kugeln sind dicht gepackt und berühren einander wie in

Abbildung 20 (rechts). Für die Diagonale im Quadrat (Abb. 20; links besser zu sehen)

gilt: (2R = a√2). R ist der Radius der roten Kugeln, r der Radius der Tetraederlücke, der

sich durch Subtraktion des Kugelradius R vom Abstand Würfelecke – Würfelzentrum

(a/2 √3) ergibt:.

r = (a/2 √3) - (a/2 √2)

3a2 - 2

a2r/R = 2

a2 = 0.225

Abb. 21 Radius der Oktaederlücke

Die drei oberen Kugeln sind entlang einer

Diagonalen aufgereiht. Die beiden äußeren

sitzen auf zwei Würfelecken. Die Länge der

Diagonalen entspricht daher der Summe von

vier Kugelradien: R = √2 a/4. Subtrahiert,

man den Radius R vom Abstand der

Würfelfläche zum Würfelzentrum (a/2), so

ergibt sich der Radius der Oktaederlücke. (In

Abb. 21 wurde eine der sechs Kugeln, welche

die Oktaederlücke aufspannen, in der Größe

reduziert, um die Lücke nicht zu verdecken).

Auch hier ist nicht r, sondern das Verhältnis r/R von Interesse:

Page 30: Strukturchemie

a2 - 2

a4r/R = 2

a4 = 0.414

Eine ähnliche Rechnung ergibt ein Verhältnis r/R = 0.732 für den Caesiumchlorid

Strukturtyp.

Eine Stabilitätsbedingung für ionische Strukturen muss beachtet warden: Die ionische

Bindung beruht auf Coulomb-Anziehung zwischen Kationen und Anionen. Deshalb

müssen sich Kationen und Anionen berühren. Wenn dieser Kontakt teilweise verloren

geht, warden die Strukturen instabil. Im Gegenzug dürfen sich die großen Kugeln

gegenseitig berühren (das sind meist die Anionen), müssen aber nicht.

Wenn Kationen und Anionen gleich groß sind, ist der Caesiumchlorid-Strukturtyp mit

acht nächsten Nachbarn stabil. Nun stellen wir uns ein zusammenschrumpfendes Kation

vor. Der Kation-Anion-Kontakt bleibt bestehen, bis das Kation auf den Radiums 0.732 R

geschrumpft ist. Das ist die kritische Größe. Bis kurz davor gab es noch etwas Platz

zwischen den näher rückenden Anionen, Jetzt berühren sich diese und können nicht

mehr näher zusammenrücken. Noch ist die Struktur stabil. Wird das Kation noch kleiner,

kann es nicht mehr alle acht Anionen gleichzeitig berühren und der Strukturtyp wird

instabil. Als Folge davon verringert sich die Koordinationszahl des Kations. Die Kationen

haben jetzt sechs nächste Nachbarn, der Kochsalztyp wird energetisch günstig. Die sechs

Anionen, die eine Oktaederlücke aufspannen, berühren sich gegenseitig nicht. In

unserem hypothetischen Schrumpfprozess wird das Kation noch kleiner und die sechs

Nachbarn nähern sich einander, bis sie sich beim Radienverhältnis r/R = 0.414

gegenseitig berühren. Wird das Kation noch kleiner, kann es nicht mehr alle sechs

Nachbarionen gleichzeitig berühren, der Strukturtyp wird instabil. Die

Koordinationszahl muss sich auf vier verringern: Der Zinkblende-Typ resultiert, der bis

zum r/R-Verhältnis von 0.225 stabil ist.

Besetzung der OL einer kubisch dichtesten Kugelpackung mit Gegenionen

Abb. 22 Die Natriumchloridstruktur, Stereo

Page 31: Strukturchemie

Bitte überzeugen Sie sich davon, dass die Oktaeder aus zwei gleichseitigen Dreiecken in

gestaffelter Anordnung aufgespannt werden. In Abb. 22 finden Sie vier dreizählige

Drehachsen, die mit der Stapelrichtung der hexagonalen Schichten der Chlorid-Ionen

oder der Natrium-Kationen zusammenfallen (Chlorid- und Natriumpositionen sind

vertauschbar). Die hohe Symmetrie dieser Struktur ist der Grund für die gleichen

Eigenschaften in verschiedenen Raumrichtungen.

Die Chloridionen (grün) bilden eine kubisch dichteste Packung, die Natriumkationen

besetzen die Oktaederlücken dieser Struktur. Das Würfelzentrum und die Kantenmitten

markieren die Oktaederlücken. Bitte vergewissern Sie sich dass jede Kante der

Elementarzelle einer vierzähligen Achse durch eine Oktaederlücke entspricht, von der

ein Viertel im Inneren der betrachteten Elementarzelle liegt. Zählen Sie die

Oktaederlücken, die zu jeder Elementarzelle gehören. (12/4 + 1 = 4; das entspricht der

Anzahl der großen Kugeln in der ELementarzelle). Die kubisch dichteste Kugelpackung

enthält Kugeln und Oktaederlücken im Verhältnis 1:1.

Viele Substanzen kristallisieren im Natriumchlorid-Strukturtyp, Beispiele sind LiH, alle

Halogenide MX (M = Li, Na, K, Rb. X = F, Cl, Br, I, and MX = CsF; andere

Caesiumhalogenide mit X = Cl, Br, I kristallisieren im CsCl Strukturtyp), AgX (X = F, Cl,

Br), MgO, CaO und die meisten ME Verbindungen (M = Mg, Ca, Sr, Ba; E = O, S, Se, Te;

except MgTe) PbS, TiC und viele andere.

Abb. 23 Der Cadmiumchlorid-Strukturtyp (Stereo) CdCl2 Jede zweite Schicht von Oktaederlücken ist mit Cd2+ - Kationen besetzt

Die Cadmiumchloridstruktur ist eine Variation des Natriumchlorid-Typs, bei der die

Hälfte der Oktaederlücken einer ccp der Chloridionen besetzt ist. Dabei wird eine

Schichtstruktur ausgebildet, in der sich besetzte Schichten von Oktaederlücken mit

unbesetzten Schichten abwechseln. Auf diese Weise kommt die 1:2–Stöchiometrie

zustande. Cadmiumchloridkristalle können parallel zu den Schichten gespalten warden,

Page 32: Strukturchemie

weil jede zweite Schicht von Chloridionen einer weiteren Schicht von Chloridionen ohne

Kationen dazwischen gegenübersteht. Wir wundern uns wie so eine Anordnung stabil

sein kann. Sollten sich diese Schichten nicht gegenseitig abstoßen? In der Tat gibt e seine

Reihe von anderen Dichloriden wie MgCl2, MnCl2, FeCl2, CoCl2, NiCl2, und Caesiumoxid

Cs2O (der anti-CdCl2-Typ, weil hier zwei große Metallkationen auf ein O2- – Anion

entfallen) kristallisieren im gleichen Ionengitter und fallen nicht auseinander.

Eine Kombination verschiedener Kräfte hält das Kristallgitter zusammen. Der

wahrscheinlich wichtigste Faktor ist die Polarisation. Jede Schicht von Chlorid-Anionen

hat Cadmium-Dikationen auf einer Seite und eine andere Schicht von Chlorid-Anionen

auf der anderen Seite. Aus diesem Grund verschiebt sich die negative Ladung der

Chloridionen zur “Cadmiumseite” der Chloridschicht. Die Coulomb Abstoßung zwischen

den benachbarten Chlorid-Schichten wird stark reduziert. Schwache Anziehung

resultiert aus den Van der Waals - Kräften und halten die Schichten zusammen.

Abb. 23 zeigt uns wie die CdCl6 – Oktaeder miteinander verbunden sind. Jedes Oktaeder

hat zwölf Kanten, die in zwei Gruppen eingeteilt warden können. Eine Gruppe von

Kanten grenzt an die Schichten mit den leeren Oktaederlücken an: Die Kanten der

Dreiecksflächen, die nach links unten auf die leeren Oktaederlücken schauen und die

gegenüberliegenden Dreiecksflächen die ebenfalls auf leere Oktaederlücken schauen,

verbinden das betrachtete Oktaeder nicht mit einem weiteren CdCl6 – Oktaeder. Die

sechs anderen Kanten verbinden jeweils zwei benachbarte CdCl6 – Oktaeder derselben

Schicht.

Abb. 24 Kantenverknüpfte Oktaeder einer Schicht des CdCl2 – Gitters (Stereo)

Die Chromtrichlorid – Struktur bei hoher Temperatur ist sehr ähnlich mit abwechselnd

besetzten und unbesetzten Schichte, doch sind in den besetzten Schichten nur zwei von

drei Octaederlücken mit Cr3+ – Ionen besetzt. Dieser Strukturtyp findet sich auch beim

YCl3 und AlCl3.

Besetzung von Tetraederlücken der ccp mit Gegenionen

Der Prototyp einer ccp mit vollständig besetzten Tetraederlücken ist der Calciumfluorid

– Gittertyp (CaF2, “Fluorit – Typ ” nach dem Mineral Fluorit). Bitte merken Sie sich dass

in diesem Fall die Calciumionen die kubisch dichteste Packung ausbilden und die Fluorid

- Anionen die Tetraederlücken besetzen.

Page 33: Strukturchemie

Abb. 25 Der Fluorit – Gittertyp

Links: Calciumionen bilden eine ccp. Die Verbindungslinien zwischen den Kationen sind

keine Bindungen, sie illustrieren nur die Geometrie. Wir sehen eine leere Oktaederlücke

im Zentrum der Elementarzelle. Zwei Tetraederlücken sind ebenfalls mit Linien

hervorgehoben. Jede der acht Dreiecksflächen des zentralen Oktaeders wird durch eine

Würfelecke zu einer Tetraederlücke ergänzt, von denen jede mit einem Fluorid – Anion

besetzt ist. Jedes Fluorid – Anion ist von vier Calciumionen umgeben. Jedes

Calciumkation ist von acht Fluorid – Anionen umgeben. Die 1:2 Stöchiometrie kommt im

Verhältnis der Koordinationszahlen zum Ausdruck.

Viele andere Verbindungen kristallisieren im gleichen Strukturtyp: SrF2, BaF2, EuF2,

SrCl2, BaCl2, SnMg2, ThO2, Li2Pt, Li2O, Na2O, K2O, Rb2O (anti-CaF2 - Typ, weil Kationen

und Anionen vertauscht sind).

Interessante Muster resultieren aus der Besetzung eines Teils der Tetraederlücken.

Lassen Sie uns vier Varianten der 1:1 – Stöchiometrie betrachten, bei denen die Hälfte

der Tetraederlücken besetzt wird. Sie warden erkennen, dass “chemische Wünsche” der

beiden Komponenten den Strukturtyp bestimmen.

Page 34: Strukturchemie

Abb. 26 Die Zinkblendestruktur (kubische Modifikation des Zinksulfids, Stereo)

Die großen Kugeln repräsentieren Sulfid – Anionen, kleine Kugeln bezeichnen die

Positionen der Zink – Kationen. Jede zweite Tetraederlücke ist leer, das Muster kann

schematisch in einer Projektion der Elementarzelle auf die Zeichenebene dargestellt

werden.

Abb. 27 Projektion der Elementarzelle von Zinkblende auf ein Quadrat

Projektion auf die ab Ebene Symbol Höhe in der 3. Dimension (c – Achs)

Gelbe Kreise bezeichnen Sulfid – Anionen auf der Basisfläche (Höhe 0) und auf der

Deckfläche (Höhe 1) der Elementarzelle. Orangefarbene Kreise symbolisieren Sulfid –

Anionen in der Mitte der vier Seitenflächen der würfelförmigen Elementarzelle (Höhe

0.5). Die Ebenen, in denen die Tetraederlücken liegen, verlaufen dazwischen in den

Höhen 0.25 und 0.75.

Sulfid – Ionen und Zin – Ionen haben sehr symmetrische Elektronenkonfigurationen: Die

S2- – Anionen besitzen eine Edelgaskonfiguration und die Zn2+ – Kationen besitzen eine

volle 3d – Unterschale mit zehn Elektronen in einer symmetrischen Verteilung. Wenn

diese Ionen vier nächste Nachbarn haben, wird die Geometrie deshalb tetraedrisch, das

ist die höchstmögliche Symmetrie für diese Koordinationszahl.

Page 35: Strukturchemie

Die Zinkblendestruktur ist in der Natur verbreitet und wird häufig bei binären 1:1 – Verbindungen gefunden, in denen die beiden Bindungspartner gemeinsam acht Valenzelektronen besitzen. Beispiele sind: Gruppen Nummer

Beispiele Zinkblende

Beispiele Wurtzit

Valence Electrons

11 / 7 CuCl, CuBr, AgI CuCl Hochtemp. -AgI

8 8

2 / 6 BeS, CdS, ZnSe BeO, ZnO, CdS (HT) 8 3 / 5 BP, GaAs, InP, InSb AlN, GaN 8 4 / 4 Diamant, Si, Ge,

-SiC SiC 8

Wurtzit ist die hexagonale Modifikation des Zinksulfids, die im Kapitel über die Verbin-

dungen erwähnt wird, die sich von der hexagonal dichtesten Kugelpackung ableiten.

Abb. 28 Projektion der Elementarzelle von Platinsulfid auf ein Quadrat

Ein anderes Muster leerer und gefüllter

Tetraederlücken wurde beim Platinsulfid

gefunden. In diesem Fall bilden die

Platinatome die ccp. Der “chemische

Wunsch” hinter dieser Struktur ist die

Vorliebe von Pt2+ für eine quadratisch

planare Koordinationsgeometrie (In diesem Fall kein perfektes Quadrat, aber ein

Rechteck, das ist so nah wie möglich am Quadrat).

Die dritte Variation der Halbbesetzung der Tetraederlücken im ccp zeigt sich beim

Blei(II)oxid PbO.

Abb. 29 Blei(II)oxid, PbO

Page 36: Strukturchemie

Jedes Blei(II)ion liegt oberhalb oder unterhalb eines Quadrats von Sauerstoffatomen.

Abb. 30 illustriert die planare Anordnung von Sauerstoffatomen und das Auf und Ab der

Bleiatome

Die Projektion auf die Zeichenebene sieht aus wie folgt:

Der “chemische Wunsch” hinter diesem

Arrangement richtet sich auf freien Raum

für das nicht bindende Elektronenpaar der

Blei(II) - Atome, wo diese nicht mit den

Elektronenpaaren der Oxid-Anionen

kollidieren.

Eine ungewöhnliche Struktur zeigt Kupfer(I)oxid, in der die Sauerstoffatome eine von

vier Tetraederlücken des Kupfer-Teilgitters besetzen. Diese Struktur kann nicht als

dichteste Packung bezeichnet werden (wir warden das leicht einsehen), aber die

Geometrie ist gleich. Es gibt allerdings viel Platz zwischen den Atomen …

Abb. 31 Basisgeometrie der Kupfer(I)oxid – Struktur

Wenn acht Würfel wie der nebenstehend

gezeigte zu einem Würfel mit doppelter

Kantenlänge zusammengepackt warden, bilden

die rot eingetragenen Kupferatome eine kubisch

dichteste Kugelpackung. Die Packung ist zwar

nicht dicht, aber die Geometrie ist gleich. Die

Aufweitung wird duch die blau gezeichneten O-

Atome bewirkt, welche die Kupferatome in

linearer Anordnung umgeben. Die Lücken im

dreidimensionalen Netzwerk sind so groß, dass

ein zweites Gitter der gleichen Art darin Platz

Page 37: Strukturchemie

findet. In der kompletten Struktur schweben zwei gleiche Teilgitter ineinander ohne

Bindungsbeziehung dazwischen. Diese Situation wird nachstehend durch eine Stereo-

Darstellung illustriert. Die beiden Teilgitter wurden in Gelb und Blau dargestellt.

Abb. 32 Stereobild der Kupfer(I)oxid – Struktur.

Für die kubisch dichteste Kugelpackung ist ein Strukturtyp bekannt, in dem alle

Tetraeder- und Oktaederlücken mit Gegenionen besetzt sind. Es handelt sich um den

Lithiumbismutid – Typ, Li3Bi.

Occupation of octahedral gaps of a hcp with counterions

The hexagonal analogue to the sodium chloride Struktur is the nickel arsenide lattice

(NiAs). Arsenic atoms form a hcp, whose octahedral gaps are occupied by nickel atoms.

Abb. 33 The nickel arsenide Struktur (Stereo view)

Page 38: Strukturchemie

The nickel cations occupy the octahedral gaps of a hcp of arsenic atoms. Please observe,

that the octahedral gaps are face-sharing: If we denote the upper layer with the letter A,

the next lower layer is B, then A follows again. The layer sequence including the

octahedral gaps is: A – octahedral gaps – B – octahedral gaps – A – octahedral gaps – B -

… . Each triangle of the second layer from the top (B) forming an octahedral gap with the

next triangle of layer A above will also form an octahedral gap with the next triangle of

layer A below. The nickel atoms occupy all those octahedral gaps and are therefore

arranged in linear chains. The centers of face-sharing octahedra are much closer than

the centers of edge-sharing or corner-sharing octahedra. For this reason the nickel

arsenide Struktur allows for short distances between the nickel atoms.

The six nickel neighbors of every arsenic atom are arranged in trigonal prisms. The

following Abb. shows a cup model of the unit cell.

Abb. 34 Cup model of the unit cell (Stereo view).

This Struktur is adopted only, if the ions in the octahedral gaps are ready for close

contacts like the Ni-Ni bonds in this Struktur. The Ni-Ni distance is 2.52 Å, which is only

slightly longer than Ni-As with 2.43 Å. Cations with a noble gas electron configuration

Page 39: Strukturchemie

are not suitable for the NiAs type Struktur. and will prefer the NaCl type in case of

sixfold coordination. The nickel atoms here engage in d-d interaction. The physical

properties of nickel arsenide are anisotropic. Examples for this are electrical

conductivity in the nickel chain direction (c axis) or anisotropic magnetic properties.

The thermal conductivity in the nickel chain direction is different from the thermal

conductivity in other directions and so on.

The same Struktur is adopted by CrH, TiS, TiP, CrSb, CoS, and CoSb. All these exhibit

metallic lustre, electrical conductivity or semiconductivity, and d-d bonding interactions.

A similar Struktur is shown by cadmium iodide, CdI2. Here only 50% of the octahedral

gaps are occupied, which leads to another layer Struktur comparable to the cadmium

chloride type in the kubisch system.

Abb. 35 The cadmium iodide Struktur (CdI2)

The iodide ions are polarizable and exert no strongly repelling forces on the iodide

neighbor layer. The cadmium ions with their d10 configuration are not suitable for Cd-Cd

bonding, so they separate and do not occupy face-sharing octahedral gaps.

Other compounds with the same Struktur are Mg(OH)2, Ca(OH)2, Cd(OH)2, Mn(OH)2,

Fe(OH)2, diiodides, dibromides, dichalcogenides

How about titanium triiodide? Ti(III) has one d electron left and may like d-d bonding.

Indeed we find a hcp of iodine atoms with titanium in 1/3 of the octahedral gaps. The

titanium atoms do not form layers, but wires like nickel arsenide. Each wire of titanium

atoms is surrounded by empty “hoses” of octahedral gaps.

Page 40: Strukturchemie

Bismuth triiodide is different: We do not expect Bi-Bi bonds and find a layer Struktur.

This is similar to chromium trichloride in the kubisch system. An alternating sequence of

occupied and unoccupied layers of octahedral gaps is observed, where 2/3 of the

octahedral gaps of every second layer are occupied.

Occupation of tetrahedral gaps of a hcp with counterions

There is no Struktur known, where all tetrahedral gaps of the hcp are occupied. The

tetrahedral gaps are arranged in face-sharing pairs along the crystallographic c axis.

Their centers are so close, that even in the case of very small cations the repelling forces

are too strong to allow for a stable crystal lattice.

The prominent example for half-occupation of tetrahedral gaps is the Wurtzite Struktur.

Abb. 36 In contrast to zinc blende, the wurtzite Struktur has six-membered rings in

boat- and in chair-conformation

Abb. 37 Unit cell and layer Struktur of wurtzite

Page 41: Strukturchemie

In contrast to nickel arsenide, the positions of zinc and sulfur atoms are interchangeable

in wurtzite. Please look for empty tetrahedral gaps. The same Struktur is found in SiC,

one of the BN modifications, AlN, GaN, BeO, MnS, MnSe, MnTe, NH4F, CuH, ZnO, CdS and

CuCl at high temperature, AgI ( Modifikation, stable between 136 – 146 °C). The

modification adopts a zinc blende lattice and is stable up to 136 °C. Above 146 °C -AgI

becomes an ion conductor with a highly mobile silver sublattice. This Modifikation has a

bcc sublattice of iodide anions with a dynamic (“molten”) silver sublattice. The silver

ions are disordered and have a high mobility between different positions with two,

three, or four iodide neighbors.

Another Struktur with the same geometry is ice I, where water Moleküls are connected

to a hexagonal lattice via hydrogen bridges. If zinc and sulfur atoms are all replaced with

oxygen and each Zn-S bond with O-H….O hydrogen bridges, the most well-known crystal

Struktur of water comes out. Every hydrogen atom has a short distance to one and a

longer distance to another oxygen. The large gaps are the reason for the low density of

ice, which is even lower than the density of liquid water at 0 °C.

Strukturen of ternary ionic compounds

Perowskite and variations – Materials with ferroelectric properties

Abb. 38 One and a half unit cells of the perowskite Struktur

Perowskite has the formula CaTiO3. The undistorted

Struktur is, however, adopted by the strontium analogue

SrTiO3. The Abb. shows more than one unit cell, because we

want to look at the unit cell from two different perspectives.

If we hide the top layer and look at the center of the

Page 42: Strukturchemie

remaining cube, we see a green sphere representing an alkaline earth cation. The

corners of the cube are occupied with titanium cations and on each edge an oxide anion

is located. The calcium (or strontium, barium, lead or other large) ion in the center is

surrounded by twelve oxide anions and titanium is coordinated by six oxide anions. Try

to draw the polyhedron formed by the twelve oxide anions around one calcium cation.

The second perspective can be seen, when the bottom layer is covered and the upper

kubisch cell is being looked at. Please find out by comparison with Abb. 17, that the (red)

oxide anions on the middle of each edge together with the calcium (or strontium) ions

form a ccp. The titanium ions occupy ¼ of the octahedral holes of the ccp. If you look at

the edges without titanium ions, you will find out, why these octahedral gaps are empty.

Titanium cations strongly dislike octahedral gaps, where two corners are occupied by

repelling calcium cations.

If the calcium or strontium cation is replaced with barium,

the Struktur is distorted. Because of the size of barium, the

crystallographic c axis is elongated. The titanium cations on

the elongated edges of the unit cell are small and no longer

able to form strong bonds to both oxide anions on that axis.

In this situation they prefer one short bond to one of the

oxide anions on that axis and one long and weak

interaction with the second oxide anion on the c axis as

shown in Abb. 39.

Abb. 39 The distorted unit cell of barium titanate, BaTiO3

The titanium ions are no longer in the middle of the c axis. Abb. 39 shows them all

shifted up, but in fact they may be shifted up or down in a random way (“double

minimum potential”).

Abb. 40 The double minimum potential for one titanium atom between two oxygen

atoms in the perowskite Struktur

O atom r1 r2 O atom

Page 43: Strukturchemie

Abb. 40 shows the variation of energy of the O–Ti–O moiety with the distance of one titanium atom from its two oxygen neighbors. r1 denotes the position of the titanium close to an oxygen neighbor on the left side, r2 is the same for another position of the titanium atom close to an oxygen neighbor on the right side of the diagram. r1 and r2 correspond to energy minima on the potential curve. Between these two minima there is a local maximum. At very close O-Ti distances the potential curve gets very steep because of strong repulsion of the electron shells.

In an electric field, however, they can all be oriented in the same direction, up or down.

The whole crystal then displays a macroscopic electric dipole moment. Such materials

are called ferroelectric. The oriented material is called electret. Compare

ferromagnetic behavior. Iron contains magnetic dipoles, but these are not oriented. The

material is ferromagnetic. Ordering turns this into a magnet.

Applications are membranes for electret microphones and earphones, electrically and

mechanically active fibres for air filters, infrared sensors, and other applications.

Polymer electrets are formed, when polar polymers solidify in an electric field.

Zusammenhang Struktur / Physikalische Eigenschaften

The piezoelectric effect

Typical piezoelectric crystals contain tetrahedral building blocks like the SiO4/2

tetrahedra in quartz with partial negative charge on the oxygen atoms and partial

positive charge on the silicon atom. Because of the high symmetry the center of the

negative and of the positive charges coincide with the center of tetrahedron. The electric

charge is well balanced or cancelled out throughout the crystal. If pressure is exerted on

such a crystal in a suitable orientation, the tetrahedron is distorted and charge

separation takes place.

Abb. 41 Effect of pressure on the charge distribution in quartz

Si

O

OO

O Si

O

OO

O

- - - -

+ + + +

pressure

Si

O

O

O

O

- -

-

-

+ +

+

+

pressure

Si

O

OO

O

Page 44: Strukturchemie

Left: Undistorted SiO4/2 tetrahedra. Right: Deformation of SiO4/2 tetrahedra under

pressure. The bond lengths are the “hard” parameters and are not changed by pressure.

Bond angles are the “soft” parameter and change with pressure.

Top: The O-Si moiety is pushed downward. The Si-O bond length does not change, but

the O-Si-O angles are decreased. The silicon atom as the center of positive charge is now

below the center of the negative charges. Since this is true for all SiO4/2 tetrahedra

throughout the crystal, the whole crystal behaves as a dipole with negative charge up

and positive charge down.

Bottom: The orientation of the crystal is different. One O-Si-O angle is decreased by

pressure. As the two oxygen atoms approach each other, their center of negative charge

moves to the left, because the bond length stays the same. As a consequence, the crystal

develops a macroscopic dipole moment in a direction perpendicular to the pressure

direction.

The piezoelectric effect can be used to produce sparks for ignition of gas mixtures. The

reverse procedure, where the piezoelectric crystal is plated with metal electrodes and

mechanical vibrations with the resonance frequency of the crystal are induced by

electric impulses. The crystal generates an alternating electric field vibrations. Such

crystals serve as frequency generator for electronic watches or computers. Mostly lead

zirconium titanate Pb(Zr,Ti)O3 with a distorted perowskite Struktur is used, whose

properties can be fine tuned by variation of the Ti/Zr ratio.

Mechanical properties like elasticity, hardness, ductility, compressibility, durability,

brittleness and fissility are important properties for the utility of a material. Good

electrical, chemical, magnetic or other properties are of limited use, if a material does

not fulfill the requirements regarding its mechanical properties.

A three-dimensional network of strong covalent bonds provides for hardness and

compressive strength. The diamond is an outstanding example. On the other hand,

graphite or molybdenum disulfide are useful as lubricants. Their layers easily glide on

each other, because there are only weak forces active between the layers.

For tensile strength strong bonds in the force direction are sufficient. Minerals like

asbestos containing bundles of chains have a high tensile strength in the chain direction.

In perpendicular direction they can be split in fibres.

In diamond the hardness depends on the force direction. Grinding of a diamond is even

more difficult in directions with a higher density of carbon-carbon bonds. Grinding the

diamond lattice shown in Abb. 0 is easier from top down than in right-left direction

because of the different density of bonds.

The hardness of ionic crystals depends on the charge density of the individual ions.

Higher charge leads to harder crystals(e. g. NaCl hardness 2, CaF2 hardness 4, MgO

hardness 5.5 - 6 on the Mohs scale). Ionic crystals are brittle, because shearing forces

may shift one layer across another layer of the ionic lattice (see Abb. 42).

Page 45: Strukturchemie

Abb. 42 Ionic crystals are brittle and break easily

An ionic lattice is held together by attractive Coulomb forces. If upon action of a shearing

force two planes of the ionic lattice glide across each other, cations are eventually placed

on top of cations and anions on top of anions. The lattice breaks apart, because the

Coulomb forces are now repulsive.

Mica minerals consist of anionic silicate layers held together by cations between the

anionic layers. Mica can be split parallel to the layers to plates with a thickness on the

order of magnitude around 10 µm and an area of several hundred square centimeters,

because the polar covalent Si-O-Si bonds are much stronger than ionic bonds.

Metals can be deformed without breaking, because the electron gas between the metal

atoms is easily adapting to the changes. The metallic bond stays intact.

Ceramic materials like oxides (MgO, Al2O3, ZrO2, silicates) or nitrides (BN, AlN, Si3N4) or

carbides (B4C, SiC, WC) are very durable. Little cracks, however, may cause breaking of

the whole piece, because the strong forces at the end of a crack tend to extend the crack

further. This property makes ceramic materials brittle. One ceramic material based on

zirconium dioxide has been found, where this disadvantage could be eliminated. Pure

zirconium dioxide breaks upon heating to more than 1170 °C, because at that

temperature an phase transition from a distorted calcium fluoride Struktur with a

coordination number of seven at zirconium (the so-called baddeleyit type) to a less

distorted tetragonal variation of the CaF2 type with a coordination number of eight at

zirconium takes place. (At still higher temperatures above 2370 °C the undistorted

fluorite type is the most stable Modifikation). The situation, where at higher

temperature a Modifikation with higher density is thermodynamically stable, has been

used for the synthesis of a self-healing ceramic material. If zirconium dioxide is modified

with a few per cent of yttrium(III) oxide, the tetragonal Modifikation (normally stable

between 1170 and 2370 °C) can be stabilized as a metastable Modifikation at room

temperature. If a crack develops in this material, the strong forces at the end of the crack

initiate the transition from the tetragonal to the baddeleyite phase, whose volume is 7%

larger than that of the tetragonal phase. The volume growth closes and repairs the crack.


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