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Strom, Wärme, Mobilität, Netze, Speicher: … · Grundlegende Voraussetzungen hierfür sind: ......

Date post: 17-Sep-2018
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Heft 3 | 2018 www.themen-magazin.de ISSN 2194-1343 Veränderungprozesse Strom, Wärme, Mobilität, Netze, Speicher: Grafik: www.punkt191.de S. 7 Was jetzt politisch zu tun ist Stefan Kapferer, Vorsitzender der Haupt- geschäftsführung, BDEW S. 12 Brauchen wir 2030 noch Verteilnetzbetreiber? Peter Bergmann, Vorstand, BBH Consulting AG S. 20 Innovation braucht Impulse, Bernhard Mattes, Präsident, VDA Verband der Automobilindustrie
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Heft 3 | 2018

www.themen-magazin.de

ISSN 2194-1343

3|13 themen:magazin

VeränderungprozesseStrom, Wärme, Mobilität, Netze, Speicher:

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1.de

S. 7 Was jetzt politisch zu tun ist Stefan Kapferer, Vorsitzender der Haupt - geschäftsführung, BDEW

S. 12 Brauchen wir 2030 noch Verteilnetzbetreiber? Peter Bergmann, Vorstand, BBH Consulting AG

S. 20 Innovation braucht Impulse, Bernhard Mattes, Präsident, VDA Verband der Automobilindustrie

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themen:magazin 3 | 18

Wir gestalten die Energiezukunft.Wir wollen die Umwelt für nachfolgende Generationen schützen und Ressourcen schonen. Deshalb setzen wir verstärkt auf lokale Energieerzeugung. Mit unseren innovativen Produkten unterstützen wir unsere Kunden bei der ef� zienten Nutzung erneuerbarer Energien. Mehr Energie: www.mainova.de

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Weltenergierat - Deutschland |

„Klimaschutz im Straßenverkehr“ ist das Schwerpunktthema der jährlichen Fach publikation

des Weltenergierats, der „Energie für Deutschland“. In Zusammenarbeit

mit dem Institut für Wirtschaft Köln e. V. wurde eine detaillierte Analyse

der aktuellen Situation des globalen Verkehrssystems erstellt,

die zukünftige Herausforderungen identifiziert und mögliche Maßnahmen adressiert.

In einem Interview für themen|:magazin benennt Dr. Uwe Franke,

Präsident Weltenergierat - Deutschland, Kernaussagen dieser aktuellen Einschätzung.

Foto: Florian Weisker

Energie für Deutschland 2018

Herr Dr. Franke,warum gehört der Verkehrssektorin die klimapolitische Debatte? Der Verkehrssektor ist für rund ein Viertel der

weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Die wirtschafts- und gesellschaftspolitische

Agenda nach 1990 bedingte eine Zunahme

des Verkehrs, was dazu führte, dass die CO2-

Emissionen des Straßenverkehrs zwischen

1990 bis 2015 global um etwa 75 % anstie-

gen. Ca. 95 % der Emissionen des EU-28

Transportsektors resultieren aus dem Straßen-

verkehr – und seine Emissionen steigen der-

zeit wieder.

In der EU war vor allem die Implementierung

des Binnenmarktes Treiber der Mobilität und

hauptverantwortlich für den Emissionsanstieg.

Zusätzlich fand nach dem Mauerfall 1990 in

Osteuropa ein signifikantes Aufholen der

Teilhabe an Verkehrsleistungen statt. Im Jahr

2015 hatten allein Pkw in der EU-28 einen

Anteil von gut 61 % an den Emissionen des

Straßen verkehrs. (Vgl. Abb.1)

Vor welchen Herausforderungen steht der Verkehrssektor in der Zukunft?Das Pariser Klimaabkommen hat das Ziel, den

Anstieg der weltweiten Durchschnitts tem-

peratur auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen.

Dies ist nur erreichbar durch eine globale

Reduktion der Treibhausgasemissionen, bei

der alle Länder und alle Sektoren ihren Beitrag

leisten. Ein CO2-Reduktionsziel von 80 % oder

sogar 95 % bis zum Jahr 2050 würde be-

deuten, dass außer der Landwirtschaft prak-

tisch alle anderen Sektoren bis zu 100 % frei

von CO2-Emissionen werden müssten. Der

Straßenverkehr ist deshalb gefordert, seine

Emissionen ganz erheblich zu senken, und

hierfür ist die Sektorenkopplung die wohl

wichtigste Maßnahme. Wir müssen alle

Möglichkeiten nutzen, die Emissionen zu sen-

ken. Das heißt, Hybride, Plug-in Hybride,

Batterie, Wasserstoff, Erdgas, LNG by Trucks,

und ganz besonders E-Fuels. Ferner alle

Effizienzreduzierungsmöglichkeiten bei Ver-

brennungsmotoren.

Was bedeutet die Sektorenkopplungfür den Verkehrssektor?Der Verkehrssektor steht vor einem Para-

digmenwechsel: die Verbrennung fossiler

Kraft- und Brennstoffe wird langfristig durch

eine weitgehend CO2-freie Energieversorgung

abgelöst. Die Sektorenkopplung von Energie

und Verkehr verbindet die einzelnen Sektoren

auf Basis des Primärenergieträgers Strom.

Grundlegende Voraussetzungen hierfür sind:

• die frühzeitige Entwicklung der nötigen

Versorgungsinfrastruktur für den Verkehr

und die Schnittstelleninfrastruktur hin

zum Strom sektor, >

Über den eigenen Teller- beziehungsweise den eigenen Sektorenrand schaut der Weltenergierat – Deutschland in der diesjährigen Ausgabe der

„Energie für Deutschland“. Mit „Klimaschutz im Straßenverkehr“ beleuchtet der Weltenergierat den bisherigen Beitrag im Verkehrssektor zum

Klimaschutz und plädiert für eine klimapolitische Neuorientierung.

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| Weltenergierat - Deutschland

• ein technologieoffener Regulierungs -

rahmen mit übergreifenden Instrumenten,

• ein übergeordneter Koordinations -

mechanismus für die Begrenzung

der CO2-Emissionen, also konsistente

CO2-Preissignale in allen Sektoren.

Wie bewerten Siedie integrative Rolle von Strom?Durch die Sektorenkopplung wird die Nach-

frage nach regenerativem Strom gemäß aller

Prognosen stark ansteigen. Strom wird die

Energieversorgung des Straßenverkehrs direkt

durch Batterien als auch indirekt durch die

sogenannten E-Fuels gewährleisten. E-Fuels

sind gasförmige oder flüssige Kraftstoffe,

welche unter Nutzung von Strom hergestellt

werden. Jede stoffliche Umwandlung erfor-

dert allerdings den Einsatz von Energie und

geht mit Umwandlungsverlusten einher. Die

E-Fuels können eine wichtige Rolle für die

Energieversorgung des Verkehrs spielen, da

der heutige Stand der Technik nicht absehen

lässt, ob Batterien die volumen- und ge-

wichtsspezifischen Energiedichten erreichen,

die gerade im Gütertransport oder im Luft-

verkehr notwendig sind.

Viele Regierungen versuchen diesen Trans-

formationsprozess durch Fördermaßnahmen

zu beschleunigen, wobei sich im globalen

Vergleich die Förderungen in Norwegen und

China als besonders hoch erweisen. China hat

sich durch starke industriepolitische Förder-

ung zum größten Absatzmarkt für Elektro-

fahrzeuge entwickelt, gefolgt von der EU-28

sowie, mit Abstand, den USA. Es ist zu erwar-

ten, dass Elektroautos im nächsten Jahrzehnt

auch ohne Förderung marktfähig werden.

Gemessen am Gesamtfahrzeug bestand wer-

den sie ihren Anteil aber insgesamt nur lang-

sam steigern.

Haben wir die richtigenInstrumente zur Förderungdieses Transformationsprozesses? Aktuell lässt die Regulierung leider wichtige

Faktoren außer Acht. Herstellergrenzwerte

und hohe Kraftstoffsteuern verfehlen bisher

ihre Steuerungswirkung, um die Elektrifi zie-

rung des Verkehrssektors zu stärken. Die Her-

stellergrenzwerte setzen bei einem theore-

tisch bemessenen Emissionspotenzial eines

kleinen Teils der Fahrzeugflotte an. Faktoren

wie der Infrastrukturbestand, Staus und auch

die zurückgelegten Fahrstrecken wurden bis-

her weitgehend nicht beachtet.

Bislang konnten die teilweise hohen Mineral-

ölsteuern keine signifikante Steuer ungs wir-

kung entfalten. So verursacht die Verbrennung

von einem Liter Diesel 2,64 kg CO2, bei Benzin

entstehen 2,33 kg CO2 pro Liter. Legt man die

gewichtete europäische Besteuerung von

Kraftstoffen an, die sich laut EU-Kommission

im März 2018 auf 71,8 Cent je Liter Diesel und

85,6 Cent je Liter Benzin belief, so errechnet

sich in der EU-28 eine implizite CO2-

Besteuerung von etwa 368 Euro pro Tonne bei

Benzin beziehungsweise 272 Euro bei Diesel.

Die EU-28 übt in Form von Grenzwerten und

Steuersätzen deutlich mehr Druck auf den

Straßenverkehr aus als China, die USA oder

der Rest der Welt. Die Mineralölsteuern in

China liegen seit Januar 2015 bei etwa 19 Cent

pro Liter. Damit bewegen sie sich auf dem US-

Niveau, welches seit 1993 unverändert geblie-

ben ist. Der implizite CO2-Preis der Mi neral-

ölbesteuerung liegt in den USA und China bei

etwas mehr als 80 Euro pro Tonne CO2. Die

Verwendung CO2-neutraler E-Fuels wird vom

Regulierungssystem des Verkehrs bisher nicht

als Beitrag zum Klima schutz honoriert.

Abbildung 1: Sektorale Emissionsentwicklung in der EU-28, 1990 = 100; Quelle: EEA, 2017

Abb. 2: CO2-Emissionen des Straßenverkehrs, Angaben in Mio Tonnen - Quelle: IEA, 2018

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Weltenergierat - Deutschland |

Auch die Sektorenkopplung fehlt derzeit.

Bislang ist die Regelung für den Einsatz von

Strom im Verkehrssektor sehr einfach: Alle

CO2-Emissionen werden dem Stromsektor

zugeschlagen. Für den Verkehr gilt ein strom-

betriebenes Fahrzeug als Null-Emissions-

Fahrzeug. Ein integrierter Ansatz, der mög-

lichst alle emissionsrelevanten Faktoren in ein

stimmiges Gesamtkonzept einbettet, könnte

die Steuerungswirkung erhöhen.

Der Aspekt der Planbarkeit sollte bei allen

Maßnahmen im Vordergrund stehen, um lang-

fristige Investitionsentscheidungen der Wirt-

schaft und der Konsumenten zu steuern. So ist

Mobilität für die Bürger unverzichtbar, um die

verschiedenen Aspekte ihres Lebens zu vernet-

zen. Der Verkehr ist daher stets eine aus di-

versen individuellen Entscheidungen abgeleite-

te Größe. Verhaltensänderungen lassen sich oft

nur mittel- bis langfristig herbeiführen.

Welche regionalen Unterschiedegibt es bei der Regulierung?Die Europäer sind bisher am progressivsten.

Das zentrale Klimaschutzinstrument der EU

im Straßenverkehr sieht vor, ab 2021 den

durch schnittlichen CO2-Ausstoß aller neu zu-

gelassenen Pkw in der EU auf 95 g CO2/km zu

begrenzen. Für das Jahr 2015 war ein Wert

von 130 g CO2/km vorgegeben, und dieser

wurde mit einem Durchschnittswert von

119,5 g CO2/km deutlich unterschritten. Für

die Zeit nach 2021 ist derzeit vorgesehen, die

Emissionen der neuzugelassenen Pkw bis

2025 um weitere 15 % beziehungsweise bis

2030 um 30 % zu reduzieren. Die Grenzwerte

der EU-28 für die nächste Dekade liegen da-

mit deutlich unter den Vergleichswerten aus

den USA, China oder Japan. (Vgl. Abb. 3)

Welche globalen Trendslassen sich beobachten? Nach wie vor gibt es zwei gegenläufige

Trends zu beobachten. Einerseits nimmt durch

technischen Fortschritt die Effizienz der Fahr-

zeuge zu, andererseits ist die Tendenz zu hö-

heren Verkehrsleistungen ungebrochen. So

stoßen die Hersteller bei der Effizienz steiger-

ung der Verbrennungsmotoren langsam an

physikalische Grenzen und sind daher schon

jetzt gezwungen, alternative Antriebs kon zep-

te zu entwickeln und marktfähig zu machen.

Neben den verschiedenen Formen der Elektri-

fizierung des Antriebs stranges, wie Plug-In-

Hybriden oder vollständig batteriebetriebenen

Fahrzeugen, sind hier erdgasbetriebene

Antriebe und die Brenn stoffzelle zu nennen.

Im Pkw- Bereich heben die Autokäufer mit

dem Trend zu großen Fahrzeugen wie SUV die

Effizienzgewinne wieder auf. Technischer

Fort schritt überträgt sich somit nur zögerlich

auf die globale Emissionsentwicklung.

Bemerkenswert: Obwohl der Onlinehandel in

den letzten Jahren stark zugenommen hat,

sind die Emissionen der leichten Nutzfahr-

zeuge nach 2013 weiter gesunken. Dass der

zunehmende kleinteilige Lieferverkehr mit

sinkenden Emissionen zusammenfällt, lässt

auf Effizienzsteigerungen im Bereich der

leichten Nutzfahrzeuge schließen, die die

Aus wirkungen der Verkehrszunahme kom-

pensieren. Der tatsächliche Treibhausgas aus-

stoß eines Fahrzeugs hängt zwar mit dem be-

trachteten Emissionspotenzial zusammen,

bestimmt sich allerdings auch durch die Fahr-

leistungen und durch das Verhalten des Fahr-

zeugführers.

Eine abschließende Frage:Wie wirkt sich die aktuelle Debatteum Dieselfahrzeuge auf die Emissions­ziele des Verkehrssektors aus?Durch die Debatte um die Stickoxide sind die

Absatzzahlen von Dieselfahrzeugen massiv

gesunken. In Deutschland betrug der Diesel-

anteil an den Neuzulassungen im Dezember

2014 noch 47 % und sank auf 33 % im

Dezember 2017. Eine Anmerkung: Dieselfahr-

zeuge stoßen aufgrund effizienterer Verbren-

nungstechnologie bei vergleichbarer Motori-

sierung etwa 15 % weniger CO2 pro Kilometer

aus als Benzin fahrzeuge.

Darüber hinaus werden Diesel-Pkw typischer-

weise von Verkehrsteilnehmern mit einer ho-

hen jährlichen Fahrleistung genutzt. Der fal-

lende Marktanteil von Dieselfahrzeugen führt

also dazu, dass sich die Energieeffizienz der

Neufahrzeuge tendenziell verschlechtert. Da-

mit nimmt die Stickoxiddiskussion einen direk-

ten Einfluss auf die Klimabilanz des Straßen-

verkehrs in Europa, und das mit einer langan-

haltenden Wirkung. Die emissionsstärkeren

Neuwagen, die jetzt zugelassen werden, ha-

ben eine Lebenserwartung von etwa 17 Jah-

ren in der EU-28. Sie werden somit über einen

langen Zeitraum die Klimabilanz beeinflussen.

Zur energiepolitischen Diskussion sind des-

halb auch künftig sachliche Beiträge gefragt.

Danke für das Gespräch.www.weltenergierat.de

Abb. 3: CO2 Ist- und Grenzwerte für Neuwagen in g CO2/km nach Neuer Europäischer Fahrzyklus (NEFZ);

Quelle: ICCT, 2017

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themen:magazin 3 | 18

| Inhalt

Impressumthemen:magazin

Heft 3| 2018

Red.-Schluss: 28. Juni 2018

Auflage 5.000

Herausgeber:

Dynamik2000 Wirtschaftsmedien Verlag

Chefredaktion:

Dr. Ing. Lothar Müller (V. i. S. d. P.)

Postanschrift:

Dynamik2000 Wirtschaftsmedien Verlag

Hohmannstraße 7c, D-04129 Leipzig

Büro Berlin:

themen:magazin c/o visucom

Wolfener Str. 32 B, D-12681 Berlin

[email protected]

www.themen-magazin.de

Layout, Satz, Gestaltung, Produktion:

PUNKT 191 Marketing & Design,

www.punkt191.de

Online-Entwicklung und Systembetreuung:

DynamicWare, www.dynamicware.de

Bildrechte bei den Autoren.

Nachdruck, auch auszugsweise

nur mit schriftlicher Genehmigung

des Verlages.

Einzelbezugspreis 4,80 Euro

ISSN 2194-1343

Titelgrafik: Steffen Jacob, www.punkt191.de

S. 3-5 Energie für Deutschland 2018 Dr. Uwe Franke, Präsident, Weltenergierat Deutschland

S. 6 Impressum S. 7-8 Was jetzt politisch zu tun ist Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung, BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

S. 9-11 Smarte Cloud-Strategien für die Märkte der Zukunft Matthias Moeller, CEO, Arvato Systems Group

S. 12-14 Brauchen wir 2030 noch Verteilnetzbetreiber? Peter Bergmann, Vorstand, Becker Büttner Held Consulting AG

S. 15-17 Verteilnetze sind die Drehscheibe der Energiewende Prof. Dr.-Ing. Peter Birkner, Geschäftsführer, House of Energy e.V.

S. 18-19 Vom linearen Stoffstrom zur Kreislaufwirtschaft Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident, BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft

S. 20- 21 Innovation braucht Impulse, keine Verbote Bernhard Mattes, Präsident, VDA Verband der Automobilindustrie

S. 22-23 E-Fuels wichtig für das Erreichen der Klimaziele Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer, MWV Mineralölwirtschaftverband

S. 24-25 Sichere Stromversorgung braucht sichere Kommunikation Frank Zeeb, Vorstandsvorsitzender, Alliander AG und Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung, EWE Netz GmbH

S. 26-27 Einspeisemanagement – Einfluss auf Marktpreise und Regelenergie Alexander Lehmann, Geschäftsführer, Dr. Constantin Junk, UBIMET GmbH

S. 28-30 Ohne Braunkohle keine sichere Energieversorgung Dr. Helmut Rendez, Vorstandsvorsitzender, LEAG Lausitz Energie Bergbau AG

Inhalt

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3 | 18 themen:magazin

Tempo braucht Mut, Tempo braucht Ideen, so die Botschaft des diesjährigen BDEW -Kongresses

an die Energie-Community. Mut um neue Geschäftsmodelle zu wagen und andere Wege

auszuprobieren – ob als Vorreiter oder mit Partnern.

Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des BDEW - Bundesverband

der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. reflektiert wesentliche Aussagen des Kongresses 2018.

Foto: BDEW

Was jetzt politisch zu tun ist

BDEW |

Herr Kapferer, das Leitmottodes diesjährigen BDEW­Kongresseslautete „Tempo“. Ist die Geschwindig­keit der Energiewende Ihrer Meinung nach hoch genug?Die Energiebranche hat in den letzten Jahren

einen rasanten Transformationsprozess voll-

zogen und massiv in Erneuerbare Energien,

Digitalisierung und Netzausbau investiert.

Dieses hohe Tempo zahlt sich jetzt aus: Die

Energiewirtschaft ist der einzige Sektor, der

sich auf der Zielgeraden für die Klimaziele

2020 befindet. Was jetzt nicht geht, wäre

noch eine Schippe drauf zu legen, um die

Minderleistung anderer Sektoren aufzufan-

gen. Die Unternehmen der Energiewirtschaft

stehen für eine sichere Stromversorgung und

erfüllen dabei die Klimaziele 2020 und 2030.

Mehr Tempo an dieser Stelle geht nicht.

Sie haben kritisiert, dass die Energie­wirtschaft ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet, während andere Sektoren wie insbesondere der Verkehrs­bereich hier massiven Nach hole bedarf

haben. Wie kann auch im Mobilitäts­bereich oder dem Wärmemarkt der Umbauprozess beschleunigt werden?Die Energiewirtschaft unterliegt seit Jahren

dem CO2-Handel. Ebenso müsste endlich auch

der CO2-Ausstoß in den Bereichen Verkehr

und Wärmemarkt ein Preisschild erhalten.

Und wir benötigen eine steuerliche Förderung

für Heizungsmodernisierungen. Alle Experten

sind sich darin einig, dass dies das wirksamste

Instrument wäre, um den Sanierungsstau im

Heizungskeller aufzulösen und kosteneffizi-

ent CO2 einzusparen. Es ist deshalb verwun-

derlich, dass die steuerliche Förderung nicht

im Bundeshaushalt 2018 enthalten ist. Hier

muss die Bundesregierung schnellstens nach-

steuern.

Was muss die Bundesregierungim Energiebereich anpacken?Es gibt wichtige Baustellen, die die Bun des-

regierung schnellstmöglich anpacken sollte.

Dazu gehören zentrale Fragen wie die Sen-

kung des Strompreises durch Entlastung bei

Steuern und Abgaben und die Schaffung

eines Investitionsrahmens für die dringend

benötigte gesicherte Leistung. Bisher ist nicht

geklärt, wie ein Back-up für die schwankende

Einspeisung aus Erneuerbaren Energien aus-

sehen soll, wenn wir weitere Kohlekraftwerke

vom Netz nehmen. Der Energy-Only-Markt

setzt jedenfalls nicht die entsprechenden

Investitionsanreize. Zudem hinkt der Netz-

ausbau dem Zubau Erneuerbarer Energien

deutlich hinterher. Hier ist die Politik gefor-

dert, Überzeugungsarbeit vor Ort zu leisten.

Macht die Bundesregierungaus Ihrer Sicht bei der Energiewende genügend Tempo?Die Unternehmen wollen die neue Energiewelt

gestalten, sie wollen mehr in Erneuerbare

Ener gien investieren, sie wollen zum Beispiel

auch die umweltschonende Kraft-Wärme-

Kopplung ausbauen, sie wollen Lösungen für

die in Zukunft dringend notwendigen neuen

Energiespeicher und Flexibilitätserfordernisse

anbieten. Und das sind ja alles Punkte, die auf

die Energiewende einzahlen. Nur: Dann muss

die Politik die Unternehmen auch machen >

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themen:magazin 3 | 18

| BDEW

Sehen Sie die Energieversorgergut gerüstet?Die Erfahrung zeigt, dass die Zukunft da liegt,

wo es unseren Unternehmen gelingt, beste-

hende Geschäftsprozesse mit digitalen

Dienst leistungen zu verknüpfen. Das macht

ja den Mehrwert für die Konsumenten aus.

Ich glaube nicht, dass es realistisch ist, dass

ein klassisches Stadtwerk im angestammten

Feld mit einem Start-up konkurriert, so wie es

natürlich völlig unrealistisch ist, dass ein

Start-up in der energiewirtschaftlichen Kom-

pe tenz situation mit einem klassischen Ener-

gie versorger konkurriert. Sondern überall da,

wo wir im Bereich Elektromobilität, Smart

Home, Energieeffizienz die bestehenden ge-

schäftlichen Elemente, die wir anbieten, mit

digitaler Wertschöpfung aufwerten können,

ist auch das Geschäftspotenzial gegeben

Haben Wettbewerber,wie die Telekom oder Google,nicht viel größere Marktmacht?Ich würde im Wettbewerb eher umgekehrt

fragen: Was sind eigentlich die Stärken, die

ich selber in die Waagschale werfen kann? Da

ist als Startvorteil die Kundenbeziehung, das

Vertrauen, das der Kunde in die Energie ver-

sorger hat. Hinzu kommen die Daten, die ich

von meinen Kunden habe. Was für Geschäfts-

modelle lassen sich, natürlich unter strikter

lassen. Stattdessen erleben wir an vielen

Stellen, dass die Politik eher hemmt statt er-

möglicht. Ein Beispiel ist die unsinnige Dop-

pelbelastung von Energiespeichern bei den

Netzentgelten, ein anderes die lange Phase

der Planungsunsicherheit bei der KWK. Und

beim Netzausbau ist die Politik auch auf

Landesebene oftmals kein Ruhmesblatt.

Hat die Branche genügend Handlungs­spielraum, um die Energiewendeunternehmerisch umzusetzen?Die Unternehmen brauchen mehr Spielraum.

Es ist natürlich auch klar, dass gerade neue

Entwicklungen, wie sie zum Beispiel mit der

Digitalisierung verbunden sind, nicht unregu-

liert bleiben können – ich nenne nur das

Stichwort Datenschutz. Aber die Politik hat

schon die Aufgabe darauf zu achten, dass den

Unternehmen noch Gestaltungsspielräume

bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle

bleiben. Dazu kommt das Problem der zum

Teil überbordenden Bürokratie. Die Zahl der

Melde- und Berichtspflichten hat unglaublich

stark zugenommen. Statt neue Geschäfts-

modelle entwickeln zu können, müssen sich

die Energieunternehmen mit Formularen und

bürokratischen Prozessen herumschlagen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends in der Energiebranche? Was man in der Energiewirtschaft gut beo-

bachten kann: Geschwindigkeit wird immer

mehr zum Grundgefühl der Branche. Zentrale

Entwicklungen im Rahmen der Energiewende

kann man sich exponentiell vorstellen: den

Durchbruch der Elektromobilität in den näch-

sten 10 Jahren, den Ausbau der Sektorkopp-

lung, die Kopplung von Energie- und Daten-

flüssen oder auch die Durchdringung mit

Technologien wie Blockchain. Neue Techno-

logien und Geschäftsmodelle lösen Branchen-

grenzen zunehmend auf.

Die Energiewirtschaft ist im Umbruch, neue Wettbewerber drängen auf den Energiemarkt, die Digitalisierung wird auch Ihre Branche massiv verändern.

Wahrung des Datenschutzes, darauf aufbau-

en? Big Data ist dabei das Stichwort, das man

hier am stärksten in den Fokus nehmen muss.

Wie sind die deutschen Energieversorger inzwischen beim Thema Digitalisierung aufgestellt?Viele der Mitgliedsunternehmen sind auf

gutem Weg, sie gehen sehr gezielt Koopera-

tionen ein, um die genannten Geschäfts mo-

delle entwickeln zu können. Ich glaube, dass

vielen Unternehmen inzwischen klar ist, dass

sie unter Digitalisierung mehr verstehen müs-

sen als eine digitale Kundenschnittstelle. Sie

haben auch verstanden, dass es wahrschein-

lich nicht für jeden realistisch ist, sich einen

Chief Digital Officer ins Haus zu holen, son-

dern dass es darauf ankommt, Kooperationen

zu suchen.

Die BDEW-Blockchain-Studie zum Beispiel

hat eine unglaubliche Nachfrage in unseren

Mitgliedsunternehmen ausgelöst. Wir haben

ein Tool, wo die Unternehmen ihren eigenen

Digitalisierungsgrad messen und sich dann

beraten lassen können. Das wird extrem gut

angenommen. Auch Umfragen zeigen, dass

die Zahl der Versorger ohne Digitalisierungs-

strategie zurückgegangen ist.

Wir danken für das Gespräch.www.bdew.de

BDEW-Kongress 2018, Speakers Corner

Foto: BDEW

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3 | 18 themen:magazin

Arvato Systems |

SmarteCloud­Strategien

für die Märkte der Zukunft

Die Möglichkeiten, die geschäftliche Cloud­Services bieten, sind mannigfaltig. Ihre Nutzung ist eine wesentliche Grundvoraussetzung, um digitale Geschäftsmodelle mit der notwendigen Agilität, Flexibilität und Effizienz umzusetzen. Mit Cloud­Technologie können echte Geschäftsmehrwerte in den Fokusbereichen Innovation, Kostenersparnis, Time­to­Market und Governance generiert werden.

Die Komplexität als auch die Beweglichkeit

der Märkte nehmen rasant zu. Unternehmen

aus allen Branchen bewegen sich in immer

schnelleren Produktzyklen und stehen gleich-

zeitig unter zunehmendem Effizienzdruck. Sie

brauchen schnelle Markteinführungen für ih-

re Geschäftsideen und müssen die Kosten-

strukturen ihrer IT dafür immer weiter verbes-

sern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

IT-Entscheidungen werden deshalb mehr und

mehr im Kontext der strategischen Ge schäfts-

entwicklung getroffen, gleichzeitig fragmen-

tiert und spezialisiert sich die IT-Nutzung:

„klassische“ IT wird immer mehr zur relativ

standardisierten Handelsware, die man bei ei-

ner Vielzahl von globalen Anbietern beziehen

kann. >Foto: Arvato Systems

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themen:magazin 3 | 18

| Arvato Systems

Vormals übliche Software-Bereit stellungs-

methoden und Lizenzmodelle werden durch

Software-as-a-Services (SaaS) abgelöst, IT-

Projekte werden kleinteiliger und mit einer

schnelleren Taktung durchgeführt. IT wird so

immer dezentraler, wodurch der Bedarf an

einem klug orchestrierten IT-Mana gement, an

Sicherheit und Compliance steigt.

Cloud verändert erst einmaldie IT selbstCloud Computing verstärkt diese Entwicklung

– und hat die Welt der IT bereits heute radikal

verändert. Was früher noch separate Diszi-

plinen einzelner Experten-Teams waren, wird

jetzt in der Cloud als Service angeboten.

Infrastructure-as-a-Service ist dafür das be-

kannteste Beispiel und umfasst die traditio-

nellen Bereiche Compute, Storage und

Network. Aber auch Datenbanken und sogar

komplette Software-Lösungen sind „as a

Service“ abrufbar – die prominenteste ist hier

die Arbeitsplatz-Lösung „Office365“ von

Microsoft.

Was zunächst nach einer einfachen Weiter-

entwicklung klingt, stellt jedoch die gesamten

traditionellen Prinzipien der Unter nehmens-IT

auf den Kopf: denn „As-a-service“ bedeutet,

dass die IT-Ressource – also etwa das Netz-

werk oder der Storage – binnen Sekunden zur

Verfügung steht, weltweit skaliert und ge-

nauso schnell wieder abgeschaltet werden

kann. Es bedarf keiner langen Bestell prozesse,

keiner menschlicher Kom mu nikation mit

einem Vertriebs mitar beiter, kein Warten auf

die Umsetzung.

Moderne Cloud-Software ist für Unternehmen

also aus unterschiedlichsten Gründen attrak-

tiv: Die kaufmännischen und technischen

Einstiegshürden erscheinen auf allen Ebenen

minimal. Transparente Abrechnungsmodelle

und der Self-Service-Gedanke von Cloud-

Services sorgen dafür, dass die Kosten stets

im Blick behalten und Investitionskosten ge-

ring gehalten werden können. Mit Cloud

Computing kann es Unternehmen gelingen,

ihre IT-Ressourcen und Kapazitäten flexibler

und bedarfsgerechter zu skalieren. Denn dies

sind Anforderungen, welche die Märkte der

Zukunft stellen.

Die Transition der Applikationist der SchlüsselUnternehmen stellen sich nun die Frage: Wie

kann ich von Cloud Computing profitieren?

Die Antwort zu dieser Frage liegt in der

Applikation – denn dort findet eine Art

„Cloud-Revolution“ statt:

1. Umstellung auf moderne Infrastruktur

Bei diesem Ansatz bleibt die existierende

Applikation quasi unangetastet, sie wird

ohne weitere Änderungen in die Cloud

übertragen. Arvato Systems hat hierzu

beispielsweise das Vorgehensmodell

„SmartShift“ entwickelt, welches die Kos-

ten solcher Transitionen gegenüber tradi-

tionellen Data-Center-Ablösungen deut-

lich reduziert. In einem Fall konnten so

mehrere hundert Server binnen drei Mo-

na ten mit 80 % reduzierten Projektkosten

in eine Private Cloud übertragen werden.

2. Mit Cloud die Applikation modernisieren

Bei diesem Ansatz wird nicht die ganze

IT-Landschaft migriert, sondern hier liegt

der Fokus auf der Applikation. Spezialisierte

Cloud-Architekten schauen sich die ei-

gentliche Anwendung an und verändern

deren Architektur, um die wesentlichen

Vorteile der Cloud zu nutzen. Auf diese

Weise können zum Beispiel Anwendungen

erstellt werden, die nur dann Kosten er-

zeugen, wenn der Kunde sie auch tatsäch-

lich nutzt. Weitere Vorteile bestehen darin,

dass neue Anwendungen bis zu 70 %

schneller erstellt und bis zu 90 % kosten-

günstiger betrieben werden können.

Cloud Computing steht ganz oben auf der Agenda der Entscheider. Es stellt sich also

nicht mehr die Frage, ob sich Unternehmen mit Cloud auseinandersetzen, sondern wie

sie mit Hilfe der vielen neuen Cloud-Services kosteneffizienter, schneller und innovativer

werden können.

Matthias Moeller, CEO der Arvato Systems Group, zeigt in seinem Gastbeitrag,

warum Unternehmen von dieser zukunftsweisenden Art von IT profitieren und worauf

es bei der Orchestrierung und Integration der verschiedenen Cloud-Lösungen ankommt.

Foto: Arvato Systems

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3 | 18 themen:magazin

Arvato Systems |

Foto

: Thi

baut

Lou

bère

, fot

olia

Allerdings sollte bei diesem Konzept auch

darauf verwiesen werden: Meist entstehen

deutlich höhere initiale Projekt kosten.

3. Neue Software-Services nutzen

„Software-as-a-Service“ kennt fast jeder

aus dem privaten Umfeld. Musik-

Streamingdienste wie Spotify beispiels-

weise können mit wenigen Mausklicks be-

stellt und genutzt werden, aufwändige

Installationen und Projekte sind nicht nö-

tig. Die bekanntesten SaaS aus dem

Business-Umfeld sind Salesforce und

Office365 von Microsoft. Arvato Systems

fokussiert sich in diesem Bereich insbe-

sondere auf Software-Services mit hohem

Branchennutzen – wie zum Beispiel Lö-

sungen für Media Asset Management, zur

Medikamenten-Serialisierung oder zur Ab-

bildung digitaler Geschäftsmodelle in der

Energiewirtschaft.

Cloud verändert jedes Unternehmen Cloud verändert alle Unternehmen aller

Branchen grundlegend. Die erste Reaktion der

Unternehmen ist dabei oft, erst einmal die ei-

gene IT-Landschaft zu modernisieren und bei

Infrastruktur und Anwendungen Kosten zu

sparen. Der nachhaltige Nutzen liegt danach

aber in der Nutzung der Cloud im Kern der

Wertschöpfung. Insbesondere mit Cloud-An-

sätzen können schnell neue digitale Ge-

schäfts modelle aufgebaut, erprobt und wei-

terentwickelt werden.

Besonders spannend ist zudem die Nutzung

von innovativen Services wie Bots, Machine

Learning, Data Analytics, Internet of Things

und Blockchain. Diese sind in der Cloud so

einfach zugänglich wie alle anderen Cloud-

Services auch und ohne Investitionen für je-

den nutzbar. Zum entscheidenden Schlüssel-

moment wird somit die Entscheidung zur

neuen Geschäftsidee. Für Unternehmen ist es

deshalb ratsam, einmal einen kleinen ersten

Schritt in die Cloud zu versuchen – denn die

neue Welt der IT macht den Cloud-Entwicklern

genauso viel Spaß wie dem Finanzcontroller

oder dem Innovations-Enthusiasten.

Cloud Computing muss in Unternehmen im-

mer ganzheitlich betrachtet werden, um seine

Potenziale entfalten zu können. Arvato

Systems konzipiert und implementiert für

Unternehmen deshalb je nach Bedarf indivi-

duelle Hybrid- und Multi-Cloud-Lösungen –

wahlweise in einer Private- oder Public Cloud.

Unser Anspruch ist es, als Multi-Cloud-

Service-Integrator Unternehmen bei allen

Fragen rund um ihre eigene „Cloud-Story“ aus

einer Hand zu unterstützen – damit sie von

den vielfältigen Vorteilen von Cloud Com-

puting langfristig profitieren und in den agi-

len Märkten der Zukunft bestehen können.

www.it.arvato.com/cloud

Gra

fik: A

rvat

o Sy

stem

s

12

themen:magazin 3 | 18

| BBH Consulting

Und hier kommen die Verteilnetzbetreiber

(VNB) ins Spiel: Sie erledigen den anspruchs-

vollen Job, die Erneuerbaren-Energien-Anla-

gen in ihre Netze zu integrieren und die fluk-

tuierenden Energiemengen zu verteilen. VNB

übernehmen außerdem die Aufgabe, die Lade-

infrastruktur zu integrieren, und sorgen so

dafür, „das Lade-Netz“ für den Markt hoch lauf

der Elektromobilität fit zu machen. Und sollte

Deutschland die Potenziale des Last manage-

ments – also die Anpassung von Nach frage-

verhalten und Einspeisung - wirklich nutzen

wollen, dann werden VNB als verlässlicher

Partner auch hier mehr denn je benötigt.

Aufgaben im NetzbetriebDen Aufgaben eines Netzbetreibers können

grundsätzlich die folgenden Bereiche zuge-

ordnet werden: Netzplanung (1), operativer

Netzbetrieb (2) und Netzführung (3). Die

Netz planung obliegt im eigenen Netz grund-

sätzlich jedem Netzbetreiber selbst.

Der operative Netzbetrieb umfasst neben dem

kaufmännischen auch den technischen Netz-

betrieb u. a. mit dem Bau und der Instand-

haltung von Anlagen, der Entstörung sowie

Shared Services (technische und kaufmänni-

sche Dienstleistungen). Jeder Netzbetreiber ist

grundsätzlich auch für den operativen Betrieb

seines eigenen Netzbereichs verantwortlich.

Die Netzführung erfolgt über eine Netzleit -

stelle und umfasst die Erbringung wesent-

licher Sys tem dienstleistungen. Hierzu zählen

die Fre quenz haltung, das Netzengpass mana-

ge ment, die Spannungshaltung und der Ver-

sor gungs wie deraufbau. Übertragungs netzbe-

trei ber (ÜNB) übernehmen bei der Frequenz-

haltung und dem Versorgungswieder auf bau

die Ge samt koordination, den VNB kommen

an dieser Stel le wichtige unterstützende

Aufgaben zu. Bei ca. 50 % der befragten VNB

sind bereits heute Anlagen installiert, die am

Regel leistungsmarkt teilnehmen. Somit über-

nehmen die VNB für die Frequenzhaltung be-

reits heute eine nicht zu unterschätzende

Rolle. Die Spannungshaltung übernimmt

grundsätzlich jeder Netzbetreiber im eigenen

Netz selbst.

Das Netzengpassmanagement für das Ge-

samt system wird zwar vom ÜNB koordiniert,

VNB führen im eigenen Netzgebiet jedoch

ebenfalls eigenständig Maßnahmen zum

Netzengpassmanagement durch. Insbeson-

dere für die Versorgungssicherheit relevante

Welche aktuellen und zukünftige Herausforderungen sehen Verteilnetzbetreiber bis zum Jahr

2030. Wie ändern sich die Aufgabenfelder im Rahmen der Transformation des Energie systems?

Sind Anpassungen des gesetzlichen und regulatorischen Umfeldes notwendig?

Antworten darauf gibt die von Becker Büttner Held Consulting AG und der Kanzlei Becker

Büttner Held erarbeitete Studie „Verteilnetzbetreiber 2030 – Aufgaben I Herausforderungen I

Strategien“.

Zu wesentlichen Aussagen der Studie informiert Peter Bergmann, Vorstand der Becker Büttner

Held Consulting AG und Experte für energiewirtschaftliche Fragestellungen.

Foto: Enno Kapitza

Brauchen wir 2030noch Verteilnetzbetreiber?

Der Ausbau Erneuerbarer Energien und ihre Finanzierung über den EEG-Umlage-Mechanismus ist das Herzstück der Energiewende, aber damit

allein ist es nicht getan. Um die Versorgungssicherheit kontinuierlich gewährleisten zu können, müssen die Netze auch in der Lage sein, eine

steigende volatile Einspeisung aus dezentralen Erzeugungsanlagen aufzunehmen und zu verteilen.

13

3 | 18 themen:magazin

BBH Consulting |

Aufgaben im Netzbetrieb erbringen die VNB

in Eigenleistung. Wo es sinnvoll ist erbringen

die VNB ihre Leistungen in Kooperation mit

regionalen Partnern oder Dienstleistern. Da-

hinter liegt die Motivation eine effiziente

Aus lastung der Mitarbeiter (z. B. beim Regu-

lierungsmanagement) sicherzustellen sowie

Kosten bei Dienstleistungen zu minimieren.

Strategien für zukünftigeAufgaben im Netzbetrieb Die zukünftigen Aufgaben im Netzbetrieb

werden im Vergleich zu heute wesentlich

kom plexer und umfänglicher ausfallen. Im-

pulsgeber ist die stetig fortschreitende Trans-

formation des Energiesystems mit den vier

wesentlichen Entwicklungstrends: Dekar-

bonisierung und Dezentralisierung (1), Digi-

talisierung (2), Sektorenkopplung (3) und eu-

ropäisches Ver bundsystem (4). Diese Trends

stellen VNB vor neue Herausforderungen, die

Trans for mation des Energiesystems auf regi-

onaler Ebene effizienter zu gestalten.

Zukünftig werden bei der Netzplanung eine

erhöhte Anzahl dezentraler und volatiler

Erzeugungsanlagen, die vor allem im Verteil-

netz eingebunden werden, und die Auswir-

kungen der Sektorenkopplung zu berücksich-

tigen sein. Wird die Netzplanung um innova-

tive Planungskonzepte (z. B. probabilistische

Netzplanung) ergänzt sowie intelligente

Technologien und zusätzliche Flexibilitäts-

optionen durch Sektorenkopplung berück-

sichtigt, kann der Netzausbaubedarf gesenkt

werden. Insbesondere die VNB können auf

Grundlage ihrer Kenntnis der dezentralen

Strukturen passgenaue (effektiv und effizient)

Lösungen (bspw. für innovative Netzbetriebs-

mittel wie dezentrale Batteriespeicher) für die

jeweiligen Netzgebiete planen und realisieren.

Die befragten VNB sind sich dieser Potentiale

bewusst und auch bereit, diese zukünftig

noch stärker zu nutzen.

Voraussetzung dafür sind jedoch geeignete

Rahmenbedingungen. VNB sehen derzeit bei

der Integration von intelligenten Technologien

Hemmnisse im rechtlich-regulatorischen Be-

reich. Denn die Regulierungsvorgaben setzen

falsche Investitionsanreize, bspw. durch die

fehlende Anerkennung von OPEX-Kosten au-

ßerhalb des Basisjahres. Auch die fehlende

Planungssicherheit wurde von den VNB als

ein wesentliches Hemmnis genannt.

Analog zur Netzplanung wird sich auch die

Zunahme von dezentralen Einspeiseanlagen

und von Technologien zur Sektorenkopplung

auf die Netzführung auswirken. Da VNB i. d. R.

mehrere Medien, wie Strom-, Gas- oder

Wärmenetze, betreiben und damit über die

Kenntnis der jeweiligen Netzzustände verfü-

gen, bringen sie die idealen Voraussetzungen

mit, um Technologien zur Sektorenkopplung

effizient in Netze zu integrieren und zu be-

treiben.

Durch den Einsatz dieser zusätzlich verfüg-

baren Flexibilität und ergänzender innovativer

Betriebsmittel werden VNB zukünftig noch

mehr Verantwortung für die Netzstabilität

übernehmen. Allerdings sehen die befragten

VNB hier noch deutliche Hemmnisse im wirt-

schaftlichen bzw. rechtlich-regulatorischen

Bereich.

VNB benennen auch, dass insbes. die höhere

Datenverfügbarkeit – als ein Ergebnis der

Di gi talisierung – Potenzial für den opera-

tiven Netzbetrieb bietet, beispielweise zu ei-

ner effizienteren Instandhaltung und Ent-

störung. Grundsätzliche Änderungen wird

die Auf ga benerbringung zukünftig jedoch

nicht erfahren.

Ergebnisse der StudieIm Ergebnis zeigt die Studie, dass für den zu-

künftigen Netzbetrieb im Rahmen der Trans-

formation des Energiesystems nicht zuletzt

dezentrale Lösungen optimal sind. Die VNB

sehen sich in der Lage, die auf sie zukom-

menden Aufgaben bewältigen zu können. >

Intelligenter Netzausbau unter Berücksichtigung neuer Technologien

stimme voll zustimme nicht zu

Bereitstellung von Flexibilitätsoptionen

Medienübergreifende Netzentwicklung unter Berücksichtigung von Technologien zur

Sektorenkopplung

Fokus auf den regionalen Ausgleich zwischen Erzeugungs- und Lastschwerpunkten

Zukün­ige VerantwortungAktuelle Verantwortung

Abbildung 1: Aktuelle und zukünftige Verantwortung von VNB für Aufgaben der Netzplanung

14

themen:magazin 3 | 18

| BBH Consulting

Unabhängig von ihrer Größe ist den VNB be-

wusst, welche Anforderungen sie erwartet.

Denn „die Energiewende findet vor allem im

Verteilnetz statt“ und VNB sind der ideale

Akteur zur Umsetzung der Sektorenkopplung

als Schlüsseltechnologie für die Transfor ma-

tion des Energiesystems und der Dekarbo-

nisierung, da sie über jahrzehntelange Erfah-

rung im Umgang mit mehreren Medien

(Strom, Gas, Wärme etc.) verfügen.

Aus der Studie lassen sichvier Thesen ableiten:1. VNB sind unverzichtbare Akteure der Energiewende, denn sie binden die dezentralen Anlagen ein.2. VNB sind aufgrund ihrer Erfahrungen mit Netzen verschiedener Medien und KWK­Anlagen Experten für die Sektorenkopplung.3. Die Größe des VNB ist nicht entscheidend, da Leistungen auch über Kooperationen oder Dienstleister erbracht werden können.4. VNB tragen Systemverantwortung und leisten einen Beitrag zur Systemstabilität.

Aufbauend auf diesen Thesen lassen sich im

folgenden mehrere pointierte Forderungen an

die Politik ableiten, deren Umsetzung sicher-

stellen kann, dass VNB auch zukünftig in der

Lage sind, ihre umfangreicheren Aufgaben zu

erfüllen:

1. VNB brauchen für die Erfüllung ihrer

Aufgaben angemessene Instrumente und

die notwendigen Daten (entsprechend zu

Übertragungsnetzbetreibern).

2. Netzentgeltsystematik und Regulierung

sollten keine Anreize setzen,

die zukunftsschädlich ausfallen.

3. Unbundling-Vorgaben sollen nicht

innovationsfeindlich sein.

4. VNB müssen bei der Art der Erfüllung

ihrer Aufgaben frei sein: Kooperationen

& Co. dürfen nicht schlechter gestellt

werden.

Brauchen wir im Jahre 2030 noch VNB?Die Antwort kann nur lauten: Ja – wir brau-

chen sie mehr denn je. Mit ihrer Struktur, ih-

ren Kompetenzen und ihren Erfahrungen sind

sie hervorragend aufgestellt, um die Trans for-

mation unseres Energiesystems aktiv zu be-

gleiten. Die dezentralen Strukturen der VNB

ermöglichen effiziente und intelligente Ener-

gie versorgungsstrukturen. Sie sind Gestalter

der Energiewende und sorgen auf Augenhöhe

mit den ÜNB für die Netzstabilität und die

Versorgungs sicher heit. Deshalb sollte sich der

politische Diskurs nicht allein auf den Ausbau

der Übertra gungs netze beschränken. Denn

ohne gut ausgestattete VNB kann die

Energiewende nicht gelingen.

www.bbh-beratung.de

Zur Studie

Für ihre Studie haben BBHC und BBH in

einer großangelegten Umfrage VNB

selbst nach ihrer Praxis und ihren

Erwartungen für die Zukunft befragt.

Erfreulicherweise haben über 200 VNB

(von städtisch über ländlich geprägten

bis überregionalen VNB) an der Studie

teilgenommen. So konnte ein repräsen-

tatives Meinungsbild der Branche abge-

bildet werden.

In einem „Vordenkerkreis“ aus repräsen-

tativen Vertretern der VNB wurden im

Vorfeld entsprechende Thesen diskutiert

und ein Fragebogen für die Studie entwi-

ckelt. Die anonyme Befragung fand im

Zeitraum: 12/2017 bis 01/2018 statt.

Netzengpassmanagement

stimme voll zustimme nicht zu

Frequenzhaltung

Spannungshaltung

Versorgungswiederau�au (eigenverantwortlich)

Zukün�ige VerantwortungAktuelle VerantwortungAbbildung 2: Aktuelle und zukünftige Verantwortung von VNB in der Systemführung

Gra

fik: B

BH

15

3 | 18 themen:magazin

House of Energy e. V. |

Nur ein systemischer Gesamtansatz in Verbindung mit Technologieoffenheit wird zu einer

ökologisch und ökonomisch erfolgreichen Energiewende führen, die zudem akzeptiert wird.

Neben der sektorenübergreifenden Herangehensweise in den Bereichen Elektrizität, Verkehr

und Wärme kommt den Aspekten der Energieeffizienz und Energieeinsparung eminente

Bedeutung zu. Bei der Umsetzung spielen elektrische Netze eine zentrale Rolle.

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. Peter Birkner, Honorarprofessor

Bergische Universität Wuppertal und Geschäftsführer House of Energy e. V., Kassel.

Foto: House of Energy

Verteilnetze sind die Drehscheibe der Energiewende

Erneuerbare Energien – allen voran Sonne

und Wind – stellen pro Jahr etwa das

20.000-fache des globalen Energiebedarfs be-

reit. Allerdings auch mit Eigenschaften, die ih-

re Nutzung zu einer technischen Heraus for-

derung werden lässt. Die Energie weist eine

geringe Dichte auf, die Leistung steht zeitlich

nur begrenzt, sowie im Hinblick auf Ort, Zeit

und Amplitude stark schwankend, also volatil

zur Verfügung. Da die meisten technischen

Energiewandler erneuerbare Energien in

Elektrizität überführen steht diese Energieform

automatisch im Zentrum der Energiewende.

Kombinierte Transformationund LeistungsbedarfIm Kern zielt die Energiewende auf die

Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesell-

schaft. Sie lässt sich in Deutschland aber

aus volkswirtschaftlicher Sicht nur als kom-

binierte Transformation der Sektoren Elek-

trizität, Ver kehr und Wärme erreichen und

auch wirtschaftlich so darstellen. Diese ganz-

heitliche Vor gehensweise macht es erforder-

lich, An wen dungen in den Bereichen Mobi-

lität und Wär me (bzw. Kälte), die heute fos-

sile Ener gieträger nutzen, künftig – ggf. indi-

rekt über synthetische Brennstoffe wie

Wasserstoff – zu elektrifizieren.

Um den aktuellen Bedarf an elektrischer

Energie in Höhe von etwa 600 TWh durch ei-

nen Erzeugungsmix bereitzustellen, der zu

80 % auf erneuerbaren Energien – Wind,

Sonne, Wasserkraft, Biomasse – basiert, ist ei-

ne Kraftwerksleistung von rund 400 GW er-

forderlich. Dies entspricht etwa dem 5-fachen

des maximalen Leistungsbedarfs von heute.

Auf Grund der Diversität des Erzeugungs-

parks in Bezug auf Typ und Ort treten maxi-

mal rund 50 % dieser Leistung, also rund

200 GW, zeitgleich auf und sind damit tech-

nisch zu beherrschen.

Energiewendeist im Kern LeistungswendeKünftig wird aber deutlich mehr Elektrizität

benötigt. Der aktuelle jährliche Energiebedarf

für die genannten Sektoren kann in Deutsch-

land mit rund 2.500 TWh beziffert werden.

Auf Elektrizität und Mobilität entfallen dabei

jeweils rund ein Viertel, während Wärme (und

Kälte) mit rund der Hälfte beiträgt. Nimmt

man – überschlägig – an, dass diese Energie

weiterhin in gleicher Höhe, jedoch in Form

von Elektrizität, benötigt wird, so müsste die

in stallierte elektrische Erzeugungsleistung >

Die Energiewende wird bisher vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor vorangetrieben. Deren ausgeprägte und lei-

stungsstarke Volatilität erreicht ein System, das für diese Aufgabe nicht konzipiert ist. In diesem Kontext entwickeln sich elektrische Verteilnetze

zu einer zentralen und integrierenden Struktur. Sie können als Drehscheibe einer erfolgreichen Energiewende bezeichnet werden.

16

themen:magazin 3 | 18

| House of Energy e. V.

Abb 2: Kapazitäten passiver und aktiver Netze – Kupfer und

Smartness

auf 1.670 GW ansteigen. Dabei wird wiederum

ein Anteil von 80 % an regenerativen Ener -

giequellen zugrunde gelegt. Unter Be rück sich-

tigung der Diversität der Erzeugung, die die

maximal auftretende Einspeisung auf 50 %

der installierten Kapazität reduziert, wären

folglich 835 GW technisch zu beherrschen.

Dies stellt eine nicht lösbare Aufgabe dar.

Diese Überlegung zeigt klar auf, dass Energie-

wende im Kern eine Leistungswende ist. Die

Diversifikation des regenerativen Erzeugungs-

parks unterstützt, sie reicht aber nicht aus, um

ein tragfähiges Energiesystem, das auf er-

neuerbaren Energiequellen basiert, zu etablie-

ren. Sie muss durch eine deutliche Stei ger ung

der Energieeffizienz ergänzt werden. Der

Slogan der Energiewende muss lauten: „Power

Control: Diversity and Efficiency First“.

Energieeffizienz vereinfacht die technische

Auf gabenstellung. Legt man einen um 40 %

reduzierten Energiebedarf zugrunde und geht

weiterhin davon aus, dass etwa 300 TWh an

elektrischer Energie außerhalb elektrischer

Netze in Power-2-X-Anlagen, z. B. zur Was-

ser stoffherstellung, genutzt werden, so müs-

sen die öffentlichen Netze - vor allem die

Verteilungsnetze - mit einer Ener giemenge

von rund 1.200 TWh zurechtkommen. Dies

korrespondiert mit einer regenerativ domi-

nier ten Erzeugungsleistung von etwa 800

GW, von der maximal rund 400 GW zeitgleich

auftreten. Es ist ambitioniert, aber machbar.

Energiesystem von Morgendurchdenken Im elektrischen Energiesystem ist zu jedem

Zeitpunkt das globale Gesamtleistungs gleich-

gewicht aufrecht zu erhalten. Der Strom-

markt sorgt für ein gemitteltes Gleich gewicht

im Viertelstundenrhythmus, während die

Frequenz-Leistungs-Regelung in Echtzeit ar-

beitet und die Abweichungen innerhalb der

Viertelstunde ausregelt.

Eine ähnliche Regelung ist künftig im Netz-

bereich erforderlich. Dieser muss auf die glo-

balen Preissignale des Strommarktes lokal re-

agieren. Der globale Strompreis wird ein glo-

bales Konsumverhalten hervorrufen, das je-

doch zu regionalen Netzengpässen führt und

folglich ein regionales Engpassmanagement

erfordert. (Abb.1)

Die Ampelfunktion des BDEW (Bundesver band

der Energie- und Wasserwirtschaft) klassifi-

ziert dieses Vorgehen. In der Phase grün treten

Passive Netzinfra-struktur

Spannungsregelung

Stromregelung Netz

Stromregelung Kunde

Anforderungen der Energie- und Effizienzwende

Reduktion der Leistungs-fähigkeit des Netzes bei Ausfall der aktiven Be-triebsweise

Erweiterung der Leistungsfähigkeit des Netzes durch Smartness (Flexibi-litäten und Daten)

Ort – unverzügliche Reaktion – Automatismus

Verletzung des Spannungsbandes Überstrom

Ort – verzögerte Reaktion – Preis – Smart Meter

Verletzung des Spannungsbandes Überstrom

Zeit – verzögerte Reaktion – Preis – Smart Meter

Leistungsgleichgewicht Energy-only-Market Bilanzkreise

Zeit – unverzügliche Reaktion – Automatismus

Leistungsgleichgewicht physikalisch Frequenz- / Leistungsregelung

Net

z lo

kal

Stro

mm

arkt

glo

bal

BDEW Ampelmodell

Regel-energie-

markt

Energy-only-

Market

keinerlei Netzengpässe auf. Der Markt arbeitet

uneingeschränkt. In der Phase rot, diese wird

stets mit Regionalbezug ermittelt, greift der

Netzbetreiber unverzüglich und – künftig au-

tomatisiert – in die Lastflüsse bzw. in die

Spannungshaltung ein, um Schäden am Sys-

tem und den angeschlossenen Anlagen zu ver-

meiden. Dazu erfolgt eine direkte An steuer ung

geeigneter dynamischer Elemente im Netz, im

Erzeugungsbereich und beim Kunden.

Zwischen diesen beiden Phasen liegt die

Phase gelb. Auch diese hat Regionalbezug.

Deutet sich eine Verletzung der technischen

Grenzen des betroffenen Netzbereichs an, so

wird mittels lokaler netzentgeltbezogener

Preissignale versucht die vorhandenen preis-

sensiblen Flexibilitäten auf der Erzeugungs-

oder Anwendungsseite so zu beeinflussen,

dass durch die Anpassung des Einspeise- und/

oder Entnahmeverhaltens eine Rückkehr in

die grüne Phase erreicht wird.

Die beschriebenen Prinzipien entsprechen den

globalen Mechanismen eines Smart Market

und der regionalen Funktion eines Smart Grid.

Nichtlinearitätendes Energiesystems nutzen Über 95 % des mit erneuerbaren Energie-

quellen erzeugten Stroms wird in die Ver-

teilungsnetze eingespeist und unterstreicht

deren zentrale Rolle bei der Systemintegration

erneuerbarer Energien. Die Einspeiseleistung

weist eine hochgradig nichtlineare Charak-

teristik auf. Etwa 95 % der eingespeisten

Ener gie belegt 50 % der installierten Lei tungs-

Abb1: Direktes und indirektes

Management des Energiesystems –

Ort und Zeit, Automatismus und

Preis

17

3 | 18 themen:magazin

House of Energy e. V. |

Abb 3: Zelluläre Strukturen unterstützen die Beherrschung der leistungsstarken Volatilität

kapazität, währen die restlichen 5 % der ein-

gespeisten Energie die zweiten 50 % der

Kapazität beanspruchen. Dies ist eine Konse-

quenz der ausgeprägten Volatilität der

Erzeugung.

Eine dynamische Betriebsweise elektrischer

Netze ist damit unerlässlich. Durch Identi-

fikation und die anschließende Beeinfluss ung

von 5 % der zu übertragenden Energie kann

die Übertragungskapazität von Verteil ungs-

netzen deutlich erhöht werden. Dies ist der

grundlegende Mechanismus eines aktiven

Netzes, eines „Smart Grid“. Technisch gesehen

verlagert sich der Fokus von „räumlicher“

Kom pensation der Volatilität über Leitungen

(Kanten) zu einer „zeitlichen“ Kompensation

in den Knotenpunkten des Netzes. Das rechte

Maß der beiden Handlungsoptionen zueinan-

der ist gefragt, womit auch Flexibilitäten und

Speicher an Bedeutung gewinnen. (Abb.2)

Aktive Netze erfordern weiterentwickelte

Bau- und Betriebsgrundsätze. Hier ist zu be-

rücksichtigen, dass aktive Eingriffe Einfluss

auf die Versorgungsqualität haben. Auch ist

sicher zu stellen, dass im Falle eines Ausfalls

der Steuerung keine unzulässigen oder ge-

fährlichen Netzzustände entstehen können.

Im Hinblick auf die Regulierung ist die Ver-

lagerung von investive auf operative Kos ten

durch Weiterentwicklung der Anreiz regulie-

rung abzubilden. Nur dann werden Netz be-

treiber aktive Netze ausprägen.

Strukturelle Aspekte berücksichtigen Für das Zusammenwirken der verschiedenen

Netzebenen bietet sich die Etablierung einer

zellulären Struktur an. Die kleinste Zelle bildet

dabei das Gebäude, gefolgt vom Straßenzug,

dem Quartier oder dem Gewerbebetrieb, der

Stadt, der Region, dem Land und schließlich

Europa, als der übergeordneten Zelle. Bemer-

kenswert ist, dass die sieben etablierten

Spannungsebenen und Umspannungen in

hohem Maße deckungsgleich mit den ge-

nannten Strukturen sind. Entscheidend ist

hierbei die Schaffung von Anreizen, die dazu

führen, dass die bezogene oder rückgespeiste

Leistung einer Zelle (z. B. einem Ortsnetz-

transformator) mit der vorgelagerten Zelle

(z. B. dem Mittelspannungsnetz) minimiert

wird. (Abb. 3)

Dazu können geeignete Preissignale einge-

setzt werden, durch die erhöhte Austausch-

leistungen zu bestimmten Zeiten verteuert

werden. Dies führt zu höheren Stromkosten

und initiiert so einen Anreiz für die unterla-

gerte Spannungsebene, Maßnahmen zur Ver-

ringerung der Differenzleistung zwischen

Erzeugung und Bedarf zu ergreifen. Durch

solch zelluläre Bilanzierung werden die An-

for derungen an die jeweils vorgelagerten

Netz ebenen reduziert und deren Ausbau so-

mit minimiert. Der aktuelle rechtliche Ord-

nungs rahmen muss dazu allerdings weiter-

entwickelt werden. Insbesondere ist zu disku-

tieren, welche Rolle wettbewerbs- bzw. regu-

lierungsbasierte Maßnahmen spielen und wie

die Bepreisung von ausgetauschter Leistung

und Energie erfolgen sollte.

Das Gesamtsystem im Blick behalten Für das Stromsystem der Zukunft ist festzu-

halten, dass dynamische Aufgaben auch dy-

namische Lösungen erfordern. Nur so ist die

effiziente Beherrschung der Volatilität mög-

lich. Die statische „europäische Kupferplatte“

für alle auftretenden Erzeugungs- und

Zelle Quartier,

Straßenzug

Ebene 1: Europäisches Verbundnetz –

Verbindung der überregionalen

Hochspannungsnetze

Ebene 2: Hochspannungsnetze –

Verbindung der regionalen

Mittelspannungsnetze

Ebene 3: Mittelspannungsnetze –

Verbindung der lokalen

Niederspannungsnetze

Ebene 4: Niederspannungsnetze –

Verbindung der Gebäude

Ebene 5: Installation Gebäude

Zelle Europa

Zelle Region

Zelle Gebäude

Zelle Stadt-

viertel, Klein-

stadt, Ortschaft

Minimierung Energieaustausch und Begrenzung der Leistung zwischen Zelle und vorgelagerter Zelle

Lastsituationen aufzubauen erscheint nicht

zielführend. Vielmehr geht es um das rechte

Maß und das rechte Verhältnis der zu ergrei-

fenden Maßnahmen.

Der Lösungsraum ist vielfältig. Die Verstär-

kung des Übertragungsnetzes zur Verknüp-

fung der diversifizierten Erzeugung hat hier

genauso ihren Platz, wie eine Flexibilisierung

des Kraftwerkseinsatzes (Re-Dispatching) so-

wie der Nachfrage durch Power-2-X-Anlagen

und Sektorenkopplung. Leistung muss zeitlich

und örtlich betrachtet werden. Differenzen

sind zu minimieren und durch das Netz, Flexi-

bilität oder durch Speicher auszugleichen.

Daraus resultiert auch eine Aufgabenteilung

zwischen Übertragungs- und Verteilungsnetz.

Dezentrales Erzeugungs-, Last und Speicher-

management ist notwendig, um die Über-

tragungsnetze nicht zu überlasten. Der aktuell

vorgenommene Ausbau des Übertragungs-

netzes dürfte die Grenzen der Akzeptanz in

der Bevölkerung ausloten. Daher ist ein ent-

scheidender Teil der Lösung im Verteilungs-

netzbereich zu suchen. Auch diese Netze

müssen eine Ausgewogenheit zwischen sta-

tischen und dynamischen Verfahren anstre-

ben. Hierbei ist es ratsam situativ und subsi-

diär vorzugehen.

www.house-of-energy.org

Gra

fiken

: Hou

se o

f En

ergy

18

themen:magazin 3 | 18

| BDE

Vom linearen Stoffstrom zur Kreislaufwirtschaft

Herr Kurth, was steht hinterder Botschaft des Verbandes:Kreislauf. Wirtschaft. Zukunft.?Wenn wir unsere hohen Produktionsstandards

und unser hohes Konsumniveau auch künftig

halten wollen, dann müssen wir anders pro-

duzieren und auch konsumieren. Nicht zuletzt

durch den Klimawandel und durch den Rück-

gang natürlicher Ressourcen gewinnt die

Wiedergewinnung von Wertstoffen und Re-

cyc lingmaterialien aus Abfällen immer weiter

an Bedeutung. Die deutsche Kreislauf wirt-

schaft steht wie keine andere Branche für die

ökologische Modernisierung der Wirt schaft.

Die Branche hat sich in den vergangenen

Jahrzehnten von einer logistischen Tätigkeit

wie der reinen „Müllabfuhr“ zu einer ech ten

Sekun därrohstoffwirtschaft entwickelt. Eine

zentrale Aufgabe unserer Verbands arbeit ist

es daher, die Entwicklung der Wirtschaft von

Ressour cenverbrauch hin zum Gebrauch von

Rohstoffen aktiv zu begleiten.

Worin liegt dievolkswirtschaftliche Bedeutungder Kreislaufwirtschaft?Die deutsche Kreislaufwirtschaft gehört zu

den innovativen Wirtschaftsbranchen, wo

mehr als 290.000 Beschäftigte jährlich rund

76 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften.

Die Branche umfasst mehr als nur die klas-

sischen Wertschöpfungsstufen des Sam-

melns, Trans portieren und Entsorgens. Die

technologi schen Innovationen sind global

ge fragt und ein Motor der deutschen Export-

wirtschaft. Der Anteil deutscher Um welt tech-

nik am Weltmarkt liegt bei mehr als 10 %.

Klimawandel, Energiewende und Rohstoff-

versorgung sind die großen gesellschaft-

lichen Aufgaben unserer Zeit. Diese Heraus-

forder ungen werden wir nur mit einer funk-

tionierenden Kreislaufwirtschaft meistern. In

der Vermeidung schädlicher Treibhausgas-

emis sionen ist die Branche führend. Durch

den Einsatz von Rezyklaten in der Industrie

werden zum Beispiel knapp 56 Millionen t

CO2-Äqui valente pro Jahr vermieden und

Roh stoff importe im Wert von 8,4 Milliarden

Euro ersetzt.

Was gab den Ausschlag, sichauf der IFAT zum Stoffstrom Aluminium zu präsentieren?Die IFAT ist seit Jahren die Weltleitmesse

für Umwelttechnologie, Kreislauf- und Res-

sour cenwirtschaft und damit der wichtig-

ste internationale Branchentreffpunkt. Zur

neuen Ausrichtung des Messeformats ge-

hört, nicht mehr nur ein Marktplatz für Re-

cyc ling tech nologien, -dienstleistungen und

-anlagen zu sein, sondern auch die mit ihr

verbundenen und nachhaltigen Wertschöp-

fungs prozesse zu zei gen. Und darin einge-

schlossen ist die Abbil dung einer weiteren

industriellen Verwen dung der gewonnenen

Recyclingrohstoffe.

Der Verbrauch an natürlichen Ressourcen überschreitet zunehmend deren Regenerations-

fähigkeit. Ressourceneffizienz und die Wiedergewinnung von Rohstoffen auf die Agenda

zu setzen, ist ein Zeichen volkswirtschaftlicher Vernunft.

Ein wichtiger Ansprechpartner zu diesem Thema ist der BDE Bundesverband der Deutschen

Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft, er stellte auf der IFAT 2018 das Kreislaufmodell

zum Stoffstrom Aluminium vor.

Wir sprachen mit Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident des BDE zum Messeauftritt auf dem

internationalen Branchentreffpunkt für alle Fragen der Kreislauf- und Ressourcenwirtschaft.

Foto: BDE

19

3 | 18 themen:magazin

BDE |

Es ist geplant, künftig bei jeder IFAT anhand

eines Stoffstroms zu erörtern, wie die bisher

oft lineare Wirtschaft zu einer echten Kreis-

laufwirtschaft weiterentwickelt werden kann.

In diesem Jahr stand der Stoffstrom Alu-

minium im Vordergrund.

Wie wurde die BDE­Sonderfläche Aluminium angenommen?Wir wollten Antworten auf bestimmte Kern-

fragen finden: Wie kommen die aus einem

Recyclingprozess gewonnenen Recycling roh-

stoffe wieder zurück in den industriellen

Kreis lauf? Welche Herausforderungen und

Probleme ergeben sich? Wie sehen überzeu-

gende industrielle Beispiele aus?

Auf unserer eigens ge-

schaffenen Sonderfläche

wollten wir mit den wich-

tigsten Unternehmen aus

der Aluminium wirtschaft

diesen Fragen nachgehen

und konnten schließlich

zeigen, dass der Kreislauf

beim Stoffstrom Aluminium

bereits heute ausgezeich-

net geschlossen ist.

Der Stand und sein Rah-

men programm fand einen

großen Anklang. Besonders

spektaku lär war der eigens

für die IFAT produzierte

360°-Film, bei dem der Be-

sucher im Virtual Reali ty-

Format eine Reise durch die

Welt des Aluminiums an-

hand einer Getränkedose unternehmen konn-

te. Mehr als tausend Messe besucher haben

diesen Film gesehen und sich so ein umfas-

sendes Bild machen können - ein voller Erfolg

also.

Warum bietet sich geradeAluminium als Beispiel an?Für den Stoffstrom Aluminium sprechen

mehrere Gründe. Aluminium ist der wichtigste

Leichtbaustoff und nach Stahl das zweitwich-

tigste Gebrauchsmetall. Es kann vielfältig ein-

gesetzt werden. Die Primärgewinnung ist da-

bei ökologisch, energetisch und nicht zuletzt

ökonomisch besonders problematisch, Recyc-

ling hingegen besonders günstig. Die Ener-

gieeinsparung liegt bei 95 %. Und im Hinblick

auf ein steigendes Umweltbewusst sein stei-

gen die Anforderungen an die nachhaltige

Gewinnung und den Einsatz des Rohstoffs

Aluminium. Die Verwendung von Recycling-

aluminium verschafft der Industrie sozusagen

einen ökologischen Ritterschlag.

Wir steht es um die Recyclingquote?Schon heute werden in Deutschland aus

Aluminiumschrott mehr als 1,25 Mio. t

Aluminiumlegierungen gewonnen, das ent-

spricht rd. 78 % der Gesamtproduktion. Seit

2010 stieg die Menge an Legierungen aus

Primäraluminium von knapp 330.000 t auf ca.

353.000 t, der Zuwachs im Sekundärbereich

betrug hingegen fast 420.000 t.

Noch bedeutend größer waren die Importe

von Legierungen, die 2016 bei mehr als 1,84

Mio. t lagen. Gleichzeitig wurde mehr Alu-

miniumschrott exportiert als importiert. Das

unterstreicht, dass der Produktionsstandort

Deutschland gerade bei den Schlüssel tech-

nologien ein Interesse daran haben muss,

die Importabhängigkeit zu verringern. In

Deutschland sind mehrere Unternehmen aus

den unterschiedlichsten Bereichen der Wert-

schöpfungskette hervorragend geeignet, das

Potenzial, aber auch die Herausforderungen

des Stoffstroms Aluminium anhand von bei-

spielhaften Verfahren und Produktionsweisen

zu präsentieren.

Gibt es ein Beispiel aus der Branche?Neben anderen Anbietern ist Trimet ein wich-

tiger Partner. Das Unternehmen treibt nicht

nur die Legierungsentwick lung voran, son-

dern auch die Optimierung

komplexer Prozesse sowie

die Entwicklung neuer Werk-

stoffe. Viele Ver besser ungen

haben bereits Einzug in die

Produktion gefunden, zum

Beispiel im Bereich der hoch-

festen Alu minium legie run-

gen für den Einsatz in der

Automobil industrie oder der

Pressbol zen gießtechnik.

Trimet ist ein bedeutender

Aluminium produzent, und

zwar in der Primär-, aber

auch in der Recyclingpro-

duk tion. Das Unternehmen

verarbeitet Primär alu mini-

um, auch Hüttenaluminium

genannt, das aus Bauxit ge-

wonnen wird, in Essen, Hamburg, Saint-Jean-

de-Maurienne und Voerde sowie Sekundär -

aluminium aus Aluminiumschrott in Gelsen-

kirchen und Harzgerode. Schrotte werden

einge schmol zen und können ohne Qualitäts-

verlust weiterverarbeitet werden. So zeigt sich

die funktionierende Kreislauf wirtschaft am

Beispiel Aluminium.

www.bde.de

Idealtypischer Produkt- und Ressourcenkreislauf in einer Circular Economy, Quelle: Prognos

20

themen:magazin 3 | 18

| VDA

In Westeuropa haben wir einen Marktanteil

bei Diesel-Pkw von 53 %, in Deutschland sind

es 78 %. In Westeuropa hat der Diesel einen

Anteil an allen Pkw-Verkäufen von rund 38 %.

Wir sprechen also über ein Volumen von 5 bis

6 Mio. Einheiten – jedes zweite dieser Autos

trägt ein deutsches Konzernmarken zeichen.

Diesel­Kampagnengehen an der Realität vorbeiWas in der emotionalen Diskussion der letzten

Monate oft unerwähnt blieb: Die Stick oxid-

emissionen im Straßenverkehr sind seit 1990

um 70 % gesunken – trotz einer von 1990 bis

heute um etwa die Hälfte gesteigerten

Verkehrsleistung. Die Luft in Deutschland ist

also immer sauberer geworden. Wir haben

kein Flächenproblem, sondern Überschrei-

tungen der Jahresgrenzwerte an einigen Hot-

spots. Die Stundengrenzwerte werden überall

eingehalten. Die neuesten Abgas normen (RDE

und Euro 6d-temp) stellen sicher, dass der

moderne Diesel nur noch sehr geringe Stick-

oxidemissionen hat. Selbst Bun desumwelt-

ministerin Svenja Schulze hat sich kürzlich ge-

gen die Anti-Diesel-Kampagne in Deutschland

gewandt und betont, dass der moderne Diesel

notwendig ist, um die Klima schutzziele im

Verkehr zu erreichen. Richtig ist: Wir brauchen

den Diesel und wir brauchen dringend eine

Versach lichung der Debatte.

Wir gehen davon aus, dass Stickoxid-Jahres-

mittelwerte in Deutschland in nächster Zeit

deutlich sinken werden, da die Maß nahmen,

die mit der Bundesregierung vereinbart wur-

den, greifen. Allein durch die Bestands-

erneuerung wird die Luftqualität in den

Städten immer besser. Bereits 2017 kamen

1,1 Mio. neue Euro-6-Diesel auf die Straße,

während ältere Fahrzeuge aus dem Bestand

ausscheiden. Mit weiteren Maßnah men wie

der „grünen Welle“ und mehr Effizienz beim

Parkplatzsuchverkehr durch Digitalisierung

und Vernetzung werden die Messwerte weiter

zurückgehen.

Fahrverbote schränken Mobilität einEs gibt bessere Instrumente für die Luft quali-

tät in Städten als Fahrverbote. Innovationen

leisten einen viel höheren Beitrag. So hat sich

die Automobilindustrie zu Software-Up dates,

Umstiegsprämien und die Beteili gung am

Mobilitätsfonds verpflichtet. Hinzu kommen

unsere Initiativen mit den Städten, deren

Stickoxidwerte noch spürbar über dem Jah-

res grenzwert liegen.

Es gibt eine ganze Palette an wirkungsvollen

Instrumenten, die Luft in den Städten noch

sauberer zu machen. Unsere Automobil-

industrie kooperiert eng mit verschiedenen

deutschen Städten bei der Gestaltung der ur-

banen Mobilität der Zukunft. Mehrere Unter-

nehmen haben entsprechende Mobilitäts-

partner schaften mit Städten und Kommunen

abgeschlossen. Ein Ziel ist dabei die beschleu-

nigte Markteinführung der Elektromobilität.

Hamburg zum Beispiel treibt den Aufbau der

Ladeinfrastruktur voran, während die Unter-

Die seit Monaten anhaltende Debatte um mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge

verunsichert die Neuwagenkäufer. Der Diesel-Anteil ist bei den Pkw-Neuzulassungen in

Deutschland auf knapp ein Drittel gesunken, im Vorjahr lag er noch über der 40-Prozent-Marke.

Pkw deutscher Hersteller verbrauchen derzeit nur noch rund 5,6 Liter auf 100 Kilometer

mit Ottomotor und sogar nur 4,9 Liter auf 100 Kilometer mit einem Dieselaggregat.

Aber Innovation braucht Impulse, keine Verbote unterstreicht Bernhard Mattes,

Präsident des Verband der Automobilindustrie (VDA) in seinem Gastbeitrag.

Foto: VDA/photothek.de

Innovation braucht Impulse, keine VerboteKlimaschutz und Umweltschutz sind seit jeher Treiber der Automobilentwicklung. Seit 2007 konnten die deutschen Hersteller den CO2-Ausstoß

um ein Viertel auf durchschnittlich 128,1 g / km senken. Der moderne Diesel sollte auch künftig Teil unserer Mobilitätsechnologie sein.

21

3 | 18 themen:magazin

VDA |

Gra

fik: V

DA

nehmen der Automobilindustrie ihre Car-

sharing-Flotten dort schrittweise auf Elektro-

antriebe umstellen. Zudem wurden im Rah-

men der vom Bund geförderten Beschaffungs-

initiative e-Drive weitere Elektrofahrzeuge an

Hamburger Behörden, Unternehmen und

Bür ger ausgeliefert. In den kommenden Mo-

naten wird ein deutscher Bushersteller auch

Elektrobusse für den Stadtverkehr liefern.

Plattform „Urbane Mobilität“Ein zweiter Baustein der Zusammenarbeit ist

die Entwicklung neuer Mobilitätsdienste in

der Ergänzung zum öffentlichen Verkehr. In

München, Stuttgart, Dresden und anderen

Städten werden neue Ride-Pooling-Angebote

mit rein elektrisch betriebenen Shuttle-Fahr-

zeugen an den Start gehen. Alle diese Projekte

werden auch einen wichtigen Beitrag zur

dauerhaften Verbesserung der Luftqualität

leisten. Auf der vom VDA initiierten Plattform

„Urbane Mobilität“ entwickeln Städte und

Industrie gemeinsam Konzepte für eben diese

Zukunft der Mobilität im urbanen Raum.

So wird zum Beispiel aktuell daran gearbeitet,

die Voraussetzungen für die Einführung von

Ampelphasenassistenten zu schaffen, um so

den Verkehrsfluss weiter optimieren und die

Umweltbelastung weiter verringern zu kön-

nen. Darüber hinaus gehen die Unternehmen

der deutschen Automobilindustrie auch ganz

neue Wege: Sie weiten beispielsweise ihr

Angebot von Jobtickets aus, führen mehr

Home-Office ein und unterstützen Fahrge-

mein schaften.

Wir sind davon überzeugt, dass wir bald eine

deutliche Verbesserung bei den Messwerten

haben werden – Fahrverbote sind dafür nicht

erforderlich. Der moderne Diesel ist nicht Teil

des Problems, sondern Teil der Lösung.

Technologieoffenheit als Leitmotiv Das Leitmotiv für die Mobilität von morgen

muss „Technologieoffenheit“ heißen. Es ist er-

freulich, dass auch der Koalitionsvertrag da-

rauf verweist. Denn nur durch ein breites

Spektrum an Antriebsarten wird es überhaupt

möglich sein, die extrem ambitionierten

Klimaschutzziele Deutschlands und der EU zu

erreichen. Die deutsche Automobilindustrie

verfolgt seit Jahren eine Fächerstrategie, die

alle Optionen umfasst. Bis Ende dieses Jahr-

zehnts investieren deutsche Hersteller und

Zulieferer insgesamt 40 Milliarden Euro in al-

ternative Antriebstechnologien. Damit die

ein zelnen Antriebsarten auch greifen können,

bedarf es aber noch vieler Weichenstellungen.

Der Elektromobilität kommt eine wichtige

Rolle zu. Bis 2020 werden die deutschen

Hersteller ihr Modellangebot auf über 100

mehr als verdreifachen. Auch die bislang häu-

fig diskutierte Reichweitenfrage wird gelöst:

In den nächsten Jahren bringen deutsche

Hersteller Elektroautos auf den Markt, die mit

einer Batterieladung über 500 Kilometer weit

fahren können. Je sichtbarer die Ladeinfra-

struktur in Deutschland wird, desto eher las-

sen sich auch interessierte potentielle Kunden

von der Attraktivität dieser Antriebsart über-

zeugen. Doch nur bei einer gemeinsamen

Kraft anstrengung von Industrie und Politik ist

ein Elektrofahrzeuganteil von 15 bis 25 % in

Europa bis 2025 zu erreichen.

Ein weiterer wichtiger Baustein der Fächer-

strategie sind synthetische Kraftstoffe – die

E-Fuels. Hierbei handelt es sich um CO2-neu-

trale Kraftstoffe, die auf Basis von erneuer-

barem Strom hergestellt werden. Dadurch

könnten sie rasch einen erheblichen Beitrag

zur CO2-Senkung leisten. Denn E-Fuels wirken

auf den gesamten Fahrzeugbestand, nicht nur

bei Neuzulassungen.

Auch Erdgas ist für die deutsche Automobil-

industrie ein wichtiger Bestandteil der Fächer-

strategie. Und ebenso kann die Wasserstoff-

technologie als eine besonders nachhaltige

alternative Antriebsform in Zukunft eine be-

deutende Rolle spielen.

Die deutschen Automobilunternehmen ste-

hen im Zentrum einer Mobilitätswende, die

von den Megatrends alternative Antriebe so-

wie dem vernetzten und automatisierten

Fahren getrieben wird. Massive technologi -

sche Veränderungen sind hier bereits einge-

leitet. Gerade jetzt dürfen Regulierungen und

Verbote nicht den Blick auf die Zukunft der

Mobilität verstellen. Denn Innovation braucht

Impulse, keine Verbote.

www.vda.de

22

themen:magazin 3 | 18

| MWV

E­Fuels wichtig für das Erreichen der Klimaziele

Prof. Küchen, welchen Anstoß gab es für diese aktuelle Studie?Die Ziele des Pariser Klimaabkommen Ende

2015 sind so ambitioniert, dass in allen Sek-

toren von der Industrie, über die Energie-

erzeugung, Mobilität und Wärmesektor bis

zur Landwirtschaft massive Veränderungen

erforderlich werden. Natürlich gilt das auch

für die deutsche Mineralölwirtschaft. Die

Reduktion von Treibhausgasen ist neben einer

sicheren und bezahlbaren Energieversorgung

das zentrale Anliegen geworden. Die Studie

soll aufzeigen, welche Klimaschutz-Poten-

ziale in unserer Branche und den flüssigen

Energieträgern stecken. Ausgangspunkt war

und ist, dass aus Sicht von Verbrauchern und

Wirtschaft flüssige Energieträger auch lang-

fristig nicht ohne weiteres zu ersetzen sind.

Warum wurde der Fokus auf flüssige Energieträger und Rohstoffe gelegt?Flüssige Energieträger und Rohstoffe haben

heute und auch in Zukunft erhebliche Be-

deutung. Sie sind gut speicher- und transpor-

tierbar und ihre chemischen Eigenschaften

machen sie sehr vielseitig einsetzbar. Für be-

stimmte Anwendungen gibt es heute keine

realistische Alternative. Nicht umsonst de-

cken flüssige Energieträger heute ca. 98 %

des Endenergiebedarfs im Verkehrssektor in

Deutschland. Sie bilden darüber hinaus die

Grundlage für wichtige industrielle Wert -

schöpfungsketten. Raffinerien sind eng ver-

netzt mit der chemischen Industrie, die ca.

75 % Ihres organischen Rohstoffbedarfs mit

Mineralölprodukten deckt. Dieser enge Ver-

bund trägt in hohem Maße auch zur interna-

tionalen Wettbewerbsfähigkeit der genann-

ten Bran chen bei.

Welche Untersuchungsschwerpunkte setzte die Studie?Zum einen wollten wir feststellen, welche

Bedeutung Mineralöl heute als Energieträger

und Rohstoff für Deutschland hat und was

daraus für das Ziel einer weitgehend treib-

hausgasneutralen Zukunft folgt: Knapp zwei

Drittel des Mineralöls werden im Verkehr ein-

schließlich Schiffen und Flugzeugen einge-

setzt, 22 % des Mineralöls wird nicht energe-

tisch, sondern stofflich genutzt, der größte

Teil davon als Chemierohstoff, aber auch

Schmierstoffe und Bitumen sind weitere

wichtige Produkte. Schließlich werden 17 %

zur Wärmeerzeugung in Gebäuden als auch

in Industrieprozessen genutzt. Wesent liche

Mengen davon sind auch langfristig nicht

durch Strom zu ersetzen.

Will Deutschland sein klimapolitisches Ziel ei-

ner 80- bis 95-prozentigen Reduktion der

Treibhausgase erreichen, müssen flüssige

Ener gieträger zunehmend treibhausgasredu-

ziert herzustellen sein. Wie das gelingen

könnte, dieser Frage gilt das Hauptaugenmerk

der Studie.

Ist die Herstellung treibhausgasneutra ler flüssiger Kraftstoffe technisch gelöst?Eindeutig ja. Der wesentliche Prozessschritt

ist die Herstellung von Wasserstoff durch

Elektrolyse von Wasser mit Hilfe von erneuer-

Flüssige erneuerbare Kraft- und Brennstoffe sind für eine weitgehend treibhausgasneutrale

Energieversorgung unverzichtbar. Perspektivisch könnten sie zu wettbewerbsfähigen Preisen

angeboten und so zu einer zusätzlichen Option für mehr Klimaschutz werden.

Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie der Prognos AG: „Status und Perspektiven

flüssiger Energieträger in der Energiewende“, die u.a. mit dem Mineralölwirtschaftsverband

erstellt wurde.

Wir sprachen mit Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des MWV

Mineralölwirtschaftsverband e. V. zu den Hauptaussagen der Studie.

Foto: Pedro Becerra

23

3 | 18 themen:magazin

MWV |

barem Strom. Der nächste Schritt,

die Synthese von flüssigen Kohlen-

wasserstoffen aus Wasserstoff und

erneuerbarem Kohlenstoff in Form

von CO oder CO2 ist seit Jahren groß-

technisch erprobt. Der Prozess heißt

Power-to-Liquid, kurz PtL. Aber na-

türlich gibt es Optimierungsbedarf

bei Einzelschritten und dem Zusam-

men spiel der jeweiligen Prozesse.

Das Ziel muss sein, die Gesamt-

effizienz zu steigern und die Kosten

pro Liter flüssigen Kraft- oder Brenn-

stoff zu senken. Das gelingt nur,

wenn solche Anlagen auch groß-

technisch gebaut werden.

Damit stellt sich die Fragenach einer perspektivischkostengünstigen Produktion?Das Ergebnis der Studie stimmt uns mit Blick

auf den Klimaschutz mit flüssigen Energie-

trägern hoffnungsvoll: Aus heutiger Sicht

könnte PtL im Jahr 2050 zu Kosten zwischen

70 Cent je Liter, wenn die Standort be din gun-

gen optimal sind, und rund 1,30 Euro je Liter

erzeugt werden. Damit wäre PtL für Ver-

braucher je nach Anwendung gegenüber rein

strombasierten Lösungen preislich wettbe-

werbsfähig. Voraussetzung hierfür ist ein

Einstieg in die PtL-Technologie im großen Stil.

Zudem müsste ein Großteil des treibhausgas-

neutralen synthetischen Rohöls E-Crude aus

sonnen- und windreichen Gegenden wie

Südeuropa, Nordafrika oder der Golfregion

kommen. Denn dort ist der Produktionsfaktor

grüner Strom günstiger. Aber es wäre ohnehin

ein großer Fehler, wenn wir glauben, als

Exportweltmeister auf Energieimporte ver-

zichten zu können.

Die Studie legt auch Wertauf die Verbrauchersicht, warum?Ich will ein Beispiel nennen: Bei der individu-

ellen Mobilität könnte der Kunde bei

Einhaltung der klimapolitischen Vorgaben

künftig die Wahl haben zwischen einem

E-Fahrzeug mit wachsenden Anteilen erneu-

erbaren Stroms und einem Fahrzeug mit

Verbrennungsmotor, bei dem zunehmend er-

neuerbare Kraftstoffe wie z. B. PtL eingesetzt

werden. Die Studie zeigt, dass für Mobilität

und Wärme nicht nur entscheidend ist, was

Politik will, sondern auch, was die Bürger wol-

len. Dabei ist neben den Kosten auch von

Bedeutung, ob eine Lösung für den Kunden in

seiner individuellen Situation komfortabel

und praktikabel ist.

Welchen Klimabeitragkönnen E­Fuels leisten?Einen erheblichen, um nicht zu sagen: ent-

scheidenden. Allein der internationale Luft-

und Schiffsverkehr Deutschlands benötigt

demnach im Jahr 2050 ca. 550 Petajoule

Energie. Wird PtL in allen Sektoren eingesetzt,

werden trotz erheblicher Effizienzsteiger-

ungen bis zu 2000 Petajoule gebraucht.

Weitere rund 500 Petajoule könnten Rohstoff

für die Chemie sein.

Zum Vergleich: Aktuell beträgt der

Energiebedarf Deutschlands rund 13.500

Petajoule pro Jahr. Das bedeutet: Nur mit

Hilfe von E-Fuels sind die ehrgeizigen globa-

len und deutschen Klimaziele erreichbar.

E-Fuels sind ja letztlich nicht nur auf

Deutschland beschränkt.

Welches Fazit zieht die Studie?PtL-Energie ist für eine weitgehend treib-

hausgasneutrale Energieversorgung nach

heutigem Wissen unverzichtbar. Flüssige

Ener gieträger mit PtL sind anschlussfähig an

die heute vorhandene Infrastruktur und sie

können aus Sicht der Verbraucher gegenüber

strombasierten Lösungen preislich wettbe-

werbsfähig sein. Sie bieten Verbrauchern so

eine zusätzliche Option. Wir müssen heute be-

ginnen, Rahmenbedingungen für den Markt-

hochlauf in der nächsten Dekade zu schaffen.

Und wann soll der Start erfolgen?Der Start ist bereits erfolgt, es gibt laufende

Projekte von Dresden über die Schweiz bis

Norwegen, natürlich noch im kleinen Stil. Um

diese Option weiterzuentwickeln und recht-

zeitig ausreichende Mengen verfügbar zu ha-

ben, ist ein allmählicher, aber stetiger Markt-

hochlauf erforderlich. Hierfür sind – je nach

Phase – verschiedene regulatorische Maß-

nahmen notwendig. Das heißt: Wir brauchen

die Unterstützung der Politik auf deutscher

und auf europäischer Ebene. Unter nehmen

und Wissenschaft sind ihrerseits gefragt,

Forschungs- und Entwicklungs anstren gun-

gen zu erhöhen.

Weitere Information zur Studie unter: www.mwv.de

Gra

fik: M

WV

24

themen:magazin 3 | 18

| ALLIANDER | EWE NETZ

Herr Zeeb, warum gewinnt die Nutzung eines Funknetzes für Energieversorger an Bedeutung?Die Digitalisierung wird die erheblichen

Heraus forderungen bei der kommunalen

Ener giewende deutlich unterstützen. Durch

den vermehrten Einsatz von Sensoren und

Aktoren in den Energienetzen, sowie dem be-

ginnenden Rollout intelligenter Messsysteme

steigen auch im selben Maße die Anfor der-

ungen an eine sichere Kommunikation.

Europa weit werden daher zunehmend geson-

derte Funknetze im 450MHz-Frequenzbereich

aufgebaut, die speziell auf solche kritischen

An forderungen ausgerichtet sind. Der Aufbau

eines solchen bundesweiten 450MHz-Funk-

netzes ist auch für die Energiewirtschaft als

Kommunikationslösung geeignet, um die

durch Digitalisierung und Dezentralisierung

entstehenden Bedarfe zu berücksichtigen.

Herr Maus, wo sehen Siedie Anforderungenan einen Netzbetreiber?Bereits über 80 Prozent des Energiebedarfs im

Gebiet von EWE NETZ wird von dezentralen

Einspeiseanlagen, wie Photovoltaik- oder

Windenergieanlagen, abgedeckt.

Der rasante Zuwachs dezentraler Erzeugungs-

anlagen stellt EWE NETZ vor große Heraus-

forderungen. Die wachsende Anzahl dieser

Einspeiseanlagen muss in unser Netz inte-

griert und zugleich die Netzstabilität und

Versorgungssicherheit bewahrt werden. Hier-

für ist EWE NETZ als Betreiber einer kritischen

Infrastruktur auf sichere, zuverlässige und

langfristig planbare Kommunikationsnetze

angewiesen.

Herr Zeeb, mit welchem Ziel initiieren Sie den Aufbau eines bundesweiten 450MHz­Funknetzes als Kommuni­kations lösung für die Energiebranche? Als langjähriger Partner von Kommunen und

Unternehmen haben wir erkannt, dass es eine

Notwendigkeit für ein solches Funknetz gibt,

um überhaupt die Energiewende in Deutsch-

land erfolgreich umsetzen zu können. Daher

wurde vor zwei Jahren entschieden, die

450MHz-Funknetzplattform als neues Ge-

schäfts feld für Alliander aufzubauen. Jetzt

wollen wir gemeinsam mit Partnern aus der

Energiewende und Dezentralisierung machen das System einer sicheren Strom-

versorgung immer komplexer. Dafür braucht die Energiewirtschaft eine leistungs-

fähige, sichere und hoch verfügbare Kommunikationsinfrastruktur. Regional-

versorger haben jetzt mit dem Aufbau von 450 Megahertz (MHz)-Funknetzen

begonnen. Ziel ist, diese schrittweise zu einer nationalen Funknetzplattform zu-

sammenzufassen und interessierten Unternehmen und Organisationen diskrimi-

nierungsfrei anzubieten.

Zu diesem Vorhaben befragten wir Frank Zeeb (li.), Vorsitzender des Vorstands der

Alliander AG und Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWE NETZ

GmbH. Foto: (li.) Alliander AG, (re.) EWE NETZ GmbH

Sichere Stromversorgung braucht sichere Kommunikation

Mit dem Aufbau und dem Betrieb von 450MHz-Funknetzen in Deutschland realisiert die 450connect GmbH (ein Tochterunternehmen der

Alliander AG) in Kooperation mit Energieversorgern ein sicheres und zuverlässiges Kommunikationsnetz.

25

3 | 18 themen:magazin

ALLIANDER | EWE NETZ |

Energiewirtschaft die bisher fehlende bun-

desweite Kommuni ka tions infrastruktur für

eine zunehmend dezentral geprägte

Energielandschaft flächendeckend und kri-

senfest aufbauen. Anders als herkömmliche

Telekommunikationsnetze funktionieren diese

Funknetze mit einer sehr hohen Verfügbarkeit,

wodurch die Stromver sorgung sicher gesteuert

und auch im Schwarz fall schnell wiederherge-

stellt werden kann.

Durch die vergleichsweise niedrige Frequenz

sind im 450MHz-Funknetz (Abb. 1) deutlich

weniger Funkstandorte für eine flächen-

decken de Versorgung notwendig als in öffent-

lichen Mobilfunknetzen (Abb. 2). Die Frequenz

bietet eine hervorragende Gebäude versor-

gung und kann auch in Kellerräumen ver bau-

te Anlagen wie Smart Meter Gateways zu-

verlässig erreichen.

Herr Maus, welche Vorteile bietet diese Technologie dem Netzbetreiber?Das 450MHz-Frequenzband ist ein weltweit

eingesetztes Mobilfunkspektrum, für das mo-

derne und standardisierte Mobilfunk techno-

logie der dritten Generation (CDMA450) und

demnächst der vierten Generation (LTE450)

verfügbar ist. Die physikalischen Ausbrei-

tungs eigenschaften von 450MHz-Frequenzen

in Kombination mit dem Betrieb als nicht-öf-

fentliches Funknetz machen das 450MHz-

Funknetz zur idealen Plattform für die Digi-

talisierung von kritischen Infrastrukturen und

adressieren nahezu ideal die Kommuni ka-

tions anforderungen im Rahmen der Ener gie-

wende.

EWE NETZ hat in den vergangenen Jahren

zahlreiche Kommunikationstechniken hin-

sicht lich ihrer Eignung für die Anwendungen

Betriebsfunk, Smart Grid und Smart Meter un-

tersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die

am besten geeignete Lösung ein Netz auf

Basis der 450MHz-Frequenz ist, das als eigen-

ständiges und hoch verfügbares Netz unter

den Vorgaben der Energiewirtschaft betrieben

wird. Vorteile eines 450MHz-Funk netzes sind

eine ausreichende Gebäude durchdringung,

die Reichweite und die Fre quenzverfügbarkeit.

Es werden wesentlich weniger Sendeanlagen

benötigt und damit niedrigere Kosten für Auf-

bau und Betrieb des Funknetzes verursacht.

Herr Zeeb, können Sie uns einigeInformationen zum aktuellen Ausbau des Funknetzes geben?Wir befinden uns aktuell mit sechs größeren

regionalen Ankerkunden neben der EWE Netz,

auch mit der WEMAG, Westfalen Weser Netz,

TEN Thüringer Energienetze, Regionetz über

NetAachen und der Netzgesellschaft Düssel-

dorf im Rollout. Für den Aufbau weiterer regi-

onaler Netze stehen wir in Gesprächen. Unser

Ziel ist eine nationale Funknetzplattform, die

wir interessierten Unternehmen diskriminie-

rungsfrei anbieten.

Herr Maus, warum beteiligtsich EWE NETZ an dem Vorhaben?Das 450MHz-Funknetz ist Teil unseres Ener-

gie datennetzes, mit dem EWE NETZ seine in-

telligenten Netzkomponenten wie regelbare

Orts netzstationen oder auch Einspeiseanlagen

steuert. An das Energiedatennetz können sich

künftig weitere konzerninterne Anwendungen

für kritische Infrastrukturen anschließen, die

einen Zugriff auf das 450MHz-Funknetz be-

nötigen.

Für uns ist die 450MHz-Technologie deshalb

eine ideale Ergänzung unseres Energiedaten-

netzes. Darum beteiligen wir uns auch an der

strategischen Partnerschaft mit 450connect

und anderen Netzbetreibern bzw. Energie-

versorgern.

Wir danken für das Gespräch.www.alliander.de, www.ewe-netz.de

Abbildung 1: 450MHz-Funknetz; Grafik: 450connect GmbH

Abbildung 2: Herkömmliche Mobilfunknetze; Grafik: 450connect GmbH

26

themen:magazin 3 | 18

Einspeisemanagement – Einfluss auf Marktpreise und Regelenergie

Zunahmevon Einspeisemanagement­MaßnahmenNachdem die Bundesnetzagentur eine Ab-

nah me des Einspeisemanagements von 4,7

TWh in 2015 auf 3,7 TWh in 2016 veröffent-

lichte, was unter anderem auf ein wind-

schwaches Jahr 2016 zurückführen ist, zeigen

die aktuellsten Zahlen einen neuen Höchst-

wert für 2017. In Summe haben Netzbetreiber

5,5 TWh abgeregelt – ein Großteil davon in

Schleswig-Holstein (Abbildung 1). Von den

Abregelungen betroffen sind vor allem Wind-

kraftanlagen, weniger Solaranlagen und Bio-

massekraftwerke, was an der Kombination

aus installierter Leistung und Standort der

Anlagen liegt, sowie der Netztopologie in der

betroffenen Region.

Abbildung 1:

Energiemengen des

Einspeisemanagements in

Deutschland und

Schleswig-Holstein (SH)

von 2009 – 2017.

Dass die Bedeutung von EinsMan trotz des

Netzausbaus der Übertragungs- und Verteil-

netzbetreiber weiter stark zunimmt, zeigt

auch das noch junge Extrem-EinsMan-Event

vom 15.-19. März 2018. Zum einen wurde

über diesen Zeitraum in Summe eine erheb-

Strukturveränderungen durch den Ausbau Erneuerbarer Energien und immer

mehr dezentrale Einspeisungen belasten das Gesamtsystem. Damit steigen

die Anforder ungen an die Regelenergiemärkte und die Bedeutung von

Flexibilitäten wächst zunehmend. EinsMan-Maßnahmen haben wachsenden

Einfluss auf Strompreise und Regelenergie.

Die Experten von UBIMET, dem global führenden Anbieter von

meteorologischen Prognosesystemen, Geschäftsführer Alexander Lehmann (re.)

und Dr. Constantin Junk (li.) zeigen in ihrem Beitrag den Zusammenhang

zwischen EinsMan, Strompreisen und Regelenergie auf.

Foto links: Rebekka Weiland Fotografie

| UBIMET

Bereits in der Ausgabe 4/2017 in themen|:magazin hatten wir die Bedeutung des Einspeisemanagements (EinsMan) in Deutschland benannt. In

Fortsetzung dieses Beitrages beleuchten wir quantitative Analysen von UBIMET in Bezug auf EinsMan-Mengen und deren Einfluss auf

Strompreise und Regelenergie. Der Umfang und die Häufigkeit von EinsMan-Maßnahmen nehmen in Deutschland beständig zu. Die Analysen

von UBIMET weisen auf einen klaren Zusammenhang zwischen EinsMan, Strompreisen und Regelenergie hin.

27

3 | 18 themen:magazin

UBIMET |

liche Anzahl an EinsMan-Maßnahmen durch-

geführt, zum anderen wurden am 18. März

um die Mittagszeit mit 5,9 GW so viele

Erneuerbare Energien (EE)-Anlagen abge-

schaltet wie noch nie zuvor (Abbildung 2).

Ausgehend von der Annahme, dass ein mitt-

leres Atomkraftwerk eine Nennleistung von

etwa 1.000 MW hat, wurde zu diesem Termin

EE-Leistung mit einem Gegenwert von knapp

6 Atomkraftwerken unvermittelt vom Netz

genommen, um Netzengpässe zu vermeiden.

Einfluss von EinsMan auf StrompreiseIn Abb. 2 ist zudem exemplarisch der unmit-

telbare Zusammenhang zwischen EinsMan

und Strompreisen dargestellt. Wäh rend am

16.-18. März fast durchgehend mehr als zwei

GW EE-Anlagen vom Netz genommen wur-

den, konnte man im kontinuierlichen Intra-

day-Handel einen deutlichen Preisanstieg ge-

genüber der Day-Ahead-Auktion beobachten.

Teilweise lag die Preisdifferenz zwischen ID3-

Handel und Day-Ahead-Auktion bei über 50

Euro/MWh.

Die Analyse eines längeren Zeitraums zeigt

ebenfalls diesen Preisanstieg. Wertet man alle

EinsMan-Events größer als 1.000 MW vom

Januar 2016 bis zum April 2018 aus, liegt der

mittlere Preisspread von ID3 und Day-Ahead

bei über 2 Euro/MWh. EE-Abregelungen im

Rahmen von EinsMan führen demnach zu sy-

stematischen Preis diffe renzen zwischen

Spot- und Intraday-Markt.

Aufgrund der bei UBIMET durchgeführten

Modellierung des Einspeisemanagements so-

wie der Rückmeldungen unserer Kunden, die

mehrtägige UBIMET EinsMan-Prognosen*

operationell beziehen, ist folgender Erklä-

rungs ansatz schlüssig: Einspeise management

wird von den meisten EE-Leistungsprognosen,

basierend auf statistischen Verfahren, nur un-

zureichend abgebildet. Die Folge sind syste-

matische Prognosefehler der meisten EE-

Portfolios sowie ein kurzfristiger Kauf- bzw.

Ver kaufsdruck für die Bilanzkreisverant wort-

lichen, welche auch für die Beschaffung der

Ersatzenergie verantwortlich sind.

Einfluss von EinsMan auf Regelenergie Da Bilanzkreisverantwortliche meist nur einen

Anteil der durch die Abschaltung fehlenden

Energie kurzfristig nachkaufen, kann davon

ausgegangen werden, dass der verbleibende,

nicht unerhebliche Teil der abgeschalteten

Energiemengen, normalerweise durch Kraft-

werke als Regelenergie bereitgestellt wird.

Darauf weisen zumindest Zeitreihen des

Regelzonensaldos im Netzregelverbund hin.

Diese geben an, ob die vier Regelzonen in

Deutschland über- oder unterdeckt sind und

somit positive oder negative Leistung durch

Regelenergiekraftwerke bereitgestellt werden

musste.

Um die obige Hypothese zu verifizieren, wer-

tete UBIMET für das Jahr 2017 aus, ob eine

mittlere Zu- oder Abnahme von EinsMan in-

nerhalb von 15 Minuten eine entsprechende

Auswirkung auf das Regelzonensaldo hatte.

Die Analysen von UBIMET weisen deutlich auf

einen positiven Zusammenhang hin (Abb. auf

Nachfrage). Eine Zunahme an EinsMan-Maß-

nahmen hat demnach zur Folge, dass auch

das Regelzonensaldo zunimmt (positiver

Regelzonensaldo entspricht einer „Unter-

deckung“ der Regelzonen). Umgekehrt nimmt

das Regelzonensaldo ab, wenn sich die Anzahl

der EinsMan-Maßnahmen verringert.

Insgesamt zeigen unsere neuen Analysen

deutlich, dass die Eingriffe der Netzbetreiber

im Rahmen des Einspeisemanagements maß-

geblichen Einfluss auf das Marktgeschehen

haben. Sowohl die Strompreise im Day Ahead

als auch Intraday werden nachweislich und

signifikant beeinflusst. Zudem gibt es klare

Wechselwirkungen zwischen EinsMan und

dem Abruf von Regelenergie. Mittelfristig ist

mit einer weiteren Zunahme der Beeinflussung

innerdeutscher Netzengpässe von Strom-

und Regelenergiemärkten zu rechnen. Die

Berücksichtigung von Netzrestriktionen für

ein erfolgreiches Trading nimmt nach Ansicht

von UBIMET beständig zu.

www.ubimet.com

* Die Erfindung, die die Grundlage unserer Lösungen bildet, ist als Gebrauchsmuster (DE 20 2017 100 343.4) geschützt und wurde von UBIMET zudem zum Patent (DE 10 2017 101 265.6, Europäische Patentanmeldung No. 18152474.5 sowie in den USA US Patent Application No. 15/879,326) angemeldet.

Abbildung 2: Einspeisemanagement in Deutschland

und Preisdifferenz von ID3- und Day-Ahead-Preis

vom 15.-19. März 2018. Bei den Preisen handelt es

sich um Daten der EPEX SPOT für Deutschland/

Österreich.

Grafik: UBIMET

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themen:magazin 3 | 18

| LEAG

Ohne Braunkohle keine sichere Energieversorgung

Die heimische Braunkohle ist aus der Ener-

gieversorgung unseres Landes noch für

Jahrzehnte nicht wegzudenken. Sie stellt bei

der Strom-Grundlastversorgung sicher, dass

wir 365 Tage im Jahr Tag und Nacht Strom

haben, ganz egal ob der Wind weht und die

Sonne scheint oder nicht. Um ein Fußball-Bild

zu benutzen: Die Braunkohlenindustrie kann

sich durchaus als „Innenverteidigung der

Strom versorgung“ betrachten. Denn die Kohle

stellt sicher, dass „Ballverluste“ aufgrund feh-

lenden Windes oder schlechten Wetters ohne

Sonne nicht zu gravierenden Schäden führen.

Darum wird die heimische Kohle noch Jahr-

zehnte für eine sichere und zuverlässige

Energieversorgung benötigt werden.

Energiewende vs. VersorgungssicherheitDie Große Koalition betont in ihrem Koali-

tions vertrag das energiepolitische Zieldreieck

aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit

und Umweltschutz und betont dabei auch,

dass Strukturbrüche vermieden werden sol-

len. So weit so gut.

Die Bundespolitik hat aber auch ein sehr an-

spruchsvolles nationales Treibhausgas-Min-

der ungs ziel für das Jahr 2030 vereinbart. Sie

will gegenüber 1990 eine Reduzierung um

55 % erreichen. Zugleich soll der Anteil er-

neuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch

auf 65 % erhöht werden. Bislang ist jedoch

völlig unklar, wie diese Ziele mit den Anfor-

derungen einer sicheren und bezahlbaren

Strom versorgung in Einklang zu bringen sind.

Kommission als Problemlöser?Woher soll hier eine Lösung kommen? Der ak-

tuelle Koalitionsvertrag sieht deshalb gleich

mehrere Kommissionen vor, die prüfen sollen,

wie Deutschland seine Klimaschutzziele ein-

halten kann. Dabei geht es um die Sektoren

Energie, Gebäude und Verkehr. Natürlich be-

schäftigt uns hierbei die Kommission zum

Sektor Energie mit dem Namen „Wachstum,

Strukturwandel und Beschäftigung“ am mei-

sten. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es

sich hier nicht, wie oft verbreitet, um eine

Kohleausstiegs kommission handelt, auch

wenn sich die Kommission unter anderem mit

der schrittweisen Reduzierung und Beendi-

gung der Kohlenverstromung befassen soll.

Bevor diese Strukturwandel-Kommission Ent-

scheidungen treffen will, sollte sie zu aller erst

eine einheitliche Datenbasis finden und sich

über einige Fragen und Grundlinien der Ener-

giepolitik verständigen. Dazu ist eine voll-

ständige und ehrliche Bestandsaufnahme

vonnöten - beispielsweise zum Thema Versor-

Die Gewinnung von Braunkohle hat in Deutschland eine lange Tradition.

Bereits 1885 wurde in Halle (Saale) der Deutsche Braunkohlen-Industrie-Verein (DEBRIV)

gegründet. Auf dem kürzlich durchgeführten Braunkohlentag wurde Dr. Helmar Rendez,

Vorstandsvorsitzender der LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke

AG), zum neuen Vorsitzenden gewählt.

In einem Gastbeitrag unterstreicht Dr. Rendez, dass der heimische Rohstoff Braunkohle

noch auf Jahrzehnte für eine sichere Energieversorgung benötigt wird.

Foto: Andreas Friese

Für die Energieversorgungssicherheit leistet die Braunkohle als heimische Energieressource, die in großen Mengen und wirtschaftlich gewinnbar

ist, hierzu einen unverzichtbaren Beitrag. Die deutsche Braunkohlenindustrie betreibt effiziente und flexible Kraftwerke für eine subventions-

freie Strom- und Wärmeproduktion, sie steht für eine international vorbildliche Rekultivierung und qualifizierte Arbeit.

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3 | 18 themen:magazin

Gra

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MW

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LEAG |

gungssicherheit. Denn, so hat es der BDEW er-

rechnet: 2023 – also nach Abschalten der

Kernenergie – wird der Jahreshöchstlast von

81,8 GW eine gesicherte Leistung von nur

noch ca. 75 GW gegenüberstehen. Die Erneu-

er baren haben in Deutschland die Strom-

erzeu gungskapazitäten nämlich zwar deutlich

erhöht, doch die gesicherte Leistung ist wei-

terhin verschwindend gering.

Kurzum: Wir brauchen beide Systeme, die

Konventionellen wie die Erneuerbaren, und

können bei derzeitiger Sachlage keine wei-

teren Braunkohle-Kapazitäten aus dem Markt

nehmen. Es ist nämlich die Braunkohle, die

auch in angespannten Situationen, beispiels-

weise bei einer sogenannten Dunkelflaute, zu-

verlässig Strom bzw. Wärme liefert. Wir brau-

chen die Braukohle als Innenverteidigung der

deutschen Energieversorgung auf jeden Fall

noch so lange, bis die erneuerbaren Ener gien

mit Hilfe von ausreichenden und wirtschaft-

lich zu betreibenden Speichertech no logien

sowie ausgebauten Netzen in der Lage sein

werden, die Industrie wie auch die privaten

Verbraucher jederzeit sicher mit Strom zu ver-

sorgen.

Enger Verbundvon Tagebauen und KraftwerkenIn der aktuellen Debatte wird oft übersehen,

dass Braunkohlenkraftwerke eng mit der

Kohle aus einem bestimmten Tagebau

verbunden sind. Wird ein Braun-

kohlenkraftwerk stillgelegt, folgt

in aller Regel ein Dominoeffekt

Richtung Tagebaue bzw. in

Richtung des ganzen

Reviers. Die Kohle

würde nicht mehr

abgenommen, aber die Infrastruktur des

Tagebaus muss weiter gepflegt und die Ent-

wässerung durch Pumpen müsste fortgeführt

werden.

Deutlich weniger Kohle-Absatz würde zudem

zahlreiche andere Parameter in den Tagebauen

ändern und könnte Änderungen von Braun-

kohlenplänen und Betriebsplänen erforderlich

machen. Dies wäre ein schwerer Eingriff in die

Planungen der Gemeinden, der Regionen und

nicht zuletzt auch der Unternehmen und ihrer

Beschäftigten. Denn ein veränderter Brenn-

stoffbedarf der Kraftwerke verändert den Ta-

ge baubetrieb und hat Auswirkungen auf die

Planungs- und Genehmigungsbedingungen

in den Revieren mit weitreichenden Folgen

für Kommunen und Regionen.

Das Lausitzer RevierkonzeptNach der Übertragung der Braunkohlen tage-

baue und -kraftwerke in der Lausitz von

Vattenfall an EPH im Oktober 2016 wurde für

die Lausitzer Kohlenindustrie der neue Name

„LEAG“ - also Lausitz Energie Bergbau AG bzw.

Lausitz Energie Kraftwerke AG eingeführt.

Dieser Name drückt treffend die Verbunden-

heit des Bergbaus und der Energiewirtschaft

mit der Region Lausitz aus.

Mit dem „Lausitzer Revierkonzept“ hat

die LEAG bereits im März

2017 wesentliche

Ent scheidungen zur weiteren Entwicklung des

Lausitzer Reviers getroffen - mit dem Ziel, den

Kommunen und den Menschen in der Lausitz

sowie natürlich auch unseren Mitarbeitern

und ihren Familien eine Perspektive geben. So

werden wir den Tagebau Jänschwalde bis

voraussichtlich 2023 planmäßig zu Ende füh-

ren. Das Kraftwerk Jänschwalde soll anschlie-

ßend noch für einen Zeitraum von rund 10

Jahren Kohle aus dem Süden des Reviers er-

halten. Das Feld Jänschwalde-Nord wird nicht

in An spruch genommen.

Wir sehen weiterhin die energiewirtschaft-

liche Notwendigkeit zur Kohlegewinnung aus

dem Teilabschnitt II des Tagebaus Welzow-

Süd. Aus Sicht der Tagebauführung muss hier

eine Investitionsentscheidung bis spätestens

2020 getroffen werden. Im Tagebau Nochten

wird zunächst das Abbaugebiet 1 zu Ende ge-

führt. Aus dem Teilfeld Mühlrose möchte die

LEAG anschließend rund 150 Mio. Tonnen

Braunkohle gewinnen, um langfristig eine be-

darfsgerechte Versorgung des Kraftwerks

Boxberg zu sichern. Der Tagebau Reichwalde

wird entsprechend der genehmigten Planun-

gen weitergeführt.

Mit diesem „Lausitzer Revier -

konzept“ hat die LEAG

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30

themen:magazin 3 | 18

| LEAG

der Region und ihren Menschen Planungs-

sicherheit über einen langfristigen Zeit raum

gegeben, in welchem die durch die Landes-

planung in Brandenburg und Sachsen ge neh-

migten Kohlevorräte von insgesamt 1,2 Milli-

arden Tonnen gefördert und genutzt werden.

Die Umsetzung des Konzeptes trägt zum Er halt

der Wertschöpfung aus der Braun kohle für die

Lausitzer Wirtschaft bei. Darüber hinaus steht

sie im Einklang mit den international verbind-

lichen deutschen CO2-Min derungs zielen.

Erwartungen an die BundesregierungUm es noch einmal ganz klar zu sagen: Ein po-

litisch festgelegtes Enddatum für die Kohle -

nutzung in Kraftwerken ist weder klimapoli-

tisch erforderlich noch wirtschaftlich verant-

wortbar. Deshalb ist für uns klar: Die Tagebaue

und Kraftwerke müssen, wie von den betrof-

fenen Bundesländern und den Unternehmen

geplant, zu Ende geführt werden können.

Braunkohle im Energiemix erlaubt es, Optio nen

offen zu halten und Versorgungs risiken zu ver-

meiden. Ohne die subventionsfreie Braun kohle

würden gerade die Indus trie strom preise merk-

lich anziehen. Braun koh le ist zudem zu 100 %

kompatibel mit den Klima ziel-Verpflichtungen,

die Deutschland inter national eingegangen ist.

Deshalb erwarten wir als Braunkohlenindus trie

von der Strukturkommission und erst recht

von der Bundesregierung eine ehrliche Be-

standsaufnahme sowie eine Bestätigung der

genehmigten Revierplanung, damit die Braun-

kohle ihren mittel- und langfristigen Beitrag

für die Gesellschaft weiterhin einbringen kann.

Zu beachten ist außerdem, dass der politisch

gewollte Strukturwandel in den Revieren in

Zusammenarbeit mit den Braun kohlen unter-

nehmen definitiv verlässlichere Chancen hat,

als ohne eine Beteiligung der Menschen und

Unternehmen, die hier seit Jahrzehnten woh-

nen und in der Braunkohle arbeiten. Dies ist

unser Argument, dem sich weder die Politik

noch die Gesellschaft verschließen können

und dürfen.

www.leag.de

Rekultivierung Tagebau Welzow, Foto: Andreas FrankeFindlingspark Nochten, Foto: Rainer Weisflog

Grubenwasserbehandlungsanlage Schwarze Pumpe, Foto: Rainer WeisflogRekultivierung im Tagebau Nochten, Foto: Andreas Franke

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