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Strafrechtliche Risiken bei (nichtärztlichen...

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www.verteidiger-in-berlin.de Strafrechtliche Risiken bei (nichtärztlichen) Krankenhausmitarbeitern Düsseldorf 20. 4.2013
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Strafrechtliche Risiken bei (nichtärztlichen) Krankenhausmitarbeitern

Düsseldorf 20. 4.2013

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Gliederung

Einleitung

1. Behördliche Ermittlungen

2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

4. Die Verantwortung des Kardiotechnikers

5. Das Organisationsverschulden

Rechtsanwälte Ignor & Partner GbR

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Einleitung

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Einleitung

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1. Behördliche Ermittlungen

Strafrecht:

Die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die Entstehung,

Umfang und Durchsetzung des Strafanspruchs regeln.

Seine Funktion liegt in der Wahrung des

Rechtsfriedens durch den Schutz der Rechtsgüter.

Strafrechtlich geschützte Interessen sind sowohl solche

des Einzelnen als auch solche der Allgemeinheit

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• Fahrlässige Tötung / Körperverletzung (§ 229, §222 StGB)

• Freiheitsberaubung / Nötigung (§ 239, § 240 StGB)

• Unterlassene Hilfeleistung (§323c StGB)

• Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (§§ 203,204 StGB)

• Ordnungswidrigkeiten (BestG, ArbZG, Hygienevorschriften etc.)

• Sonstige Strafvorschriften (MPG, MedGVo, etc.)

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1. Behördliche Ermittlungen

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Ermittlungsverfahren

Zwischenverfahren

Hauptverfahren

Vollstreckungsverfahren

Staatsanwaltschaft / Polizei

Gericht

Einstellung (§§170 II ; 153ff StPO)

Nichteröffnung,

Einstellung

Anklage bzw. Strafbefehl

Freispruch, Einstellung

Verurteilung

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1. Behördliche Ermittlungen

Strafverfahren Zivilverfahren

StPO ZPO

Inquisitionsverfahren Parteiverfahren

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Legalitätsprinzip

Offizialmaxime

Opportunitätsprinzip

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1. Behördliche Ermittlungen

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• ca. 10.000 – 12.000 Schadensersatz- und Schmerzensgeldklagen und ca. 4.000 Ermittlungsverfahren im Jahr 2005 in Deutschland wegen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler-vorwürfen (nach Ulsenheimer, 2008)

• ca. 40.000 Vorwürfe, davon ca. 12.000 nachgewiesene Behandlungsfehler im Jahr

(Gesundheitsberichterstattung des Bundes 04/01;Robert-Koch-Institut)

2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

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2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

• 11.053 Verfahren im Jahr 2003 vor den Gutachter-

und Schlichtungsstellen

• ca. 170.000 Behandlungsfehler im stationären Bereich, wobei 17.000Menschen in Krankenhäusern jährlich in deren Folge versterben. Die Sterbensrate der Frauen liegt dabei über der von Männern (Aktionsbündnis Patientensicherheit 2007)

• 300.000 bis 400.000 Behandlungsfehler jährlich (Schätzung von Patientenverbänden)

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Krise = schadensverursachendes Ereignis

natürlicher (zivilrechtlicher) Schadensbegriff: Schaden im natürlichen Sinn ist jede Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Rechtsgütern wie Leib, Leben, Ehre oder Eigentum erleidet.

2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

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2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

Schaden in zivilrechtlicher Hinsicht

≠ strafrechtlich relevante Rechtsgutsverletzung

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Interessen, Parteien und Konflikte

Unter anderem

• Haftpflichtversicherer

• Zivilverteidiger (eigen/fremd)

• Strafverteidiger

• Beschäftigte

• „fachbezogenes“ Umfeld

• Presse

• Bevölkerung

• Vertragspartner

Gesamtorganisation Krankenhaus

Strafverteidiger

Zivilverteidiger

Haftpflicht- versicherer

Fachbezogenes Umfeld

Beschäftigte

Vertragspartner

Bevölkerung

Presse

2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

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2. Die strafrechtliche Krise im Krankenhaus

Vor der Krise:

Abläufe (intern/extern) regeln (Krisenplan)

Ansprechpartner bestimmen (Krisenstab)

Mitarbeiter schulen (Krisenprävention)

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

RG 25, 375 (1894) :

Jede in die körperliche Unversehrtheit eingreifende ärztliche Behandlung erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung

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Voraussetzungen der Haftung :

• Pflichtwidrigkeit, d.h. Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfaltspflicht (Standardunterschreitung)

• Kausalität, d.h. Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und dem Gesundheitsschaden

• Verschulden

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

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Unterschiedliche Kausalitätsbegriffe: • Im Strafrecht wird eine Handlung dann als kausal angesehen, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. Conditio-sine-qua-non-Formel)

• Im Zivilrecht ist jeder für den Schaden verantwortlich, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

• In der Medizin gelten die drei C der Ätiologie : Causa, contributio, correlatio

3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

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Behandlungsfehlertypen bei ärztlicher Tätigkeit Diagnosefehler

• Nichterheben gebotener Befunde • Fehlinterpretation vorliegender Befunde

Fehlerhafte Indikationsstellung/Methodenwahl

Fehlerhafte Durchführung einer Maßnahme

Fehlerhafte Nachsorge

Delegations- bzw. Übernahmeverschulden

Organisationsfehler

Unzureichende therapeutische Aufklärung

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(Facharzt-) Standard Das Verhalten eines („durchschnittlich befähigten“) gewissenhaften Facharztes in der konkreten Behandlungssituation Beurteilungsperspektive: ex ante !!

Kenntnis- und Erfahrungsstand der medizinischen Wissenschaft

Vorhandene Leitlinien/Empfehlungen der Fachgesellschaften

Vorhandene apparative/personelle Ausstattung, soweit ihrerseits nicht bereits fehlerhaft (Organisationsverschulden)

3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Arbeitsteilung durch Spezialisierung und

Differenzierung

Differenzierung zwischen vertikaler und horizontaler

Arbeitsteilung

vertikal: Über-/Unterordnungsverhältnis

horizontal: Gleichordnung und Weisungsfreiheit

Probleme an den Schnittstellen durch Delegation !

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Vertrauensgrundsatz (gilt grundsätzlich bei horizontaler Arbeitsteilung) :

„Hiernach hat jeder Arzt denjenigen Aufgaben zu begegnen, die in

seinem Aufgabenbereich entstehen; er muß sich aber, jedenfalls solange keine offensichtlichen Qualifikationsmängel oder Fehlleistungen erkennbar werden, darauf verlassen können, daß auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt. Eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht insoweit nicht.“

( vgl. u.a. BGH NJW 1987, 2293)

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Delegation:

Pflegefachkraft wird nach Anweisung eines Arztes tätig.

Substitution :

Ärztliche Tätigkeiten, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt, werden auf andere Berufsgruppen übertragen.

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Substitution:

• Übertragung sowohl der Durchführungsverantwortung, als auch der

Entscheidung über das „ob“

• Zusätzlich zum „wie“ obliegt dem nichtärztlichen Mitarbeiter auch noch das „ob“ (Entscheidung und Verantwortung)

Eine eindeutige juristische Abgrenzung zwischen dem, was allein dem ärztlichen Handeln vorbehalten ist, und dem, was delegiert oder gar

substituiert werden kann, gibt es nicht !

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Delegation ärztlicher Tätigkeiten

Im Einzelfall delegierbare Tätigkeiten Tätigkeiten, bei denen sich die Delegierbarkeit an der individuellen Qualifikation des Delegaten und der Komplexität und dem Risikopotential der Tätigkeit bemisst.

Nicht delegierbare Tätigkeiten Tätigkeiten, die den Kernbereich des ärztlichen Handelns betreffen

Grundsätzlich delegierbare Tätigkeiten Grundsätzlich alle Tätigkeiten, die Bestandteil der pflegerischen Ausbildung sind

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

Bei zulässiger Delegation haftet im Schadensfall • der Krankenhausträger ggf. für Organisationsverschulden • der Arzt im Rahmen seiner Anordnungsverantwortung für Auswahl- und Überwachungsverschulden und • der nichtärztliche Mitarbeiter im Rahmen seiner Durchführungsverantwortung für Übernahme- und Ausführungsverschulden

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Verhältnis Arzt – nichtärztlicher Mitarbeiter

Altes Verständnis:

Arzt wird höchstpersönlich tätig, Mitarbeiter wird unterstützend tätig

• Anordnungsverantwortung beim Arzt, Durchführungs- verantwortung beim Mitarbeiter

Heute:

• unklare Verantwortungsabgrenzung, in der Pflege hohe Standards, Patientenwille dominiert zunehmend Rechtslage

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3. Die Haftung nichtärztlicher Mitarbeiter

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Kardiotechnik : • Eigenverantwortliches Tätigkeitsfeld ? ( d.h. horizontale Arbeitsteilung mit Anwendung des Vertrauensgrundsatzes und eigenständige Haftung) oder • Erfüllung ärztlicher Tätigkeit im Wege der Delegation und/oder Substitution ? (d.h. ggf. vertikale Arbeitsteilung und gemeinsame Haftung) Schnittbereich zwischen Medizin und Technik.

4. Die Verantwortung des Kardiotechnikers

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• Kardiotechnik bildet ein eigenständiges Berufsbild.

• Der Kardiotechniker ist kein „Heilhilfsberuf“ (str.)

• Kardiotechniker arbeiten in Ihrem Aufgabenbereich grundsätzlich eigenverantwortlich in enger Absprache mit den Herzchirurgen.

• Grundsätzlich besteht zwischen Kardiotechniker und Arzt keine Weisungsbefugnis. Die Arbeitsteilung erfolgt horizontal. Daher besteht grundsätzlich keine gegenseitige Haftung für Fehler.

• Nur in dem Fall, dass der Kardiotechniker im Wege der zulässigen Delegation ärztliche Aufgaben übertragen bekommt, besteht eine vertikale Arbeitsteilung und ggf. gemeinsame Haftung

4. Die Verantwortung des Kardiotechnikers

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Maßstab der „eigenen“ Haftung ist der (Kardiotechniker-) Standard Das Verhalten eines („durchschnittlich befähigten“) gewissenhaften Kardiotechnikers in der konkreten Behandlungssituation Beurteilungsperspektive: ex ante !!

Kenntnis- und Erfahrungsstand der Kardiotechnik

Vorschriften des MPG, MedGV, MPBetreibV, etc.

Vorhandene Leitlinien/Empfehlungen der Fachgesellschaften

Vorhandene apparative/personelle Ausstattung, soweit ihrerseits nicht bereits fehlerhaft (Organisationsverschulden)

4. Die Verantwortung des Kardiotechnikers

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4. Das Organisationsverschulden

Jeder Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche

Sorgfalt (§ 276 BGB) kann zur Haftung des

Krankenhauses führen.

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4. Das Organisationsverschulden

Verantwortlichkeit für

Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB)

Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB)

eigenes Verschulden

Organisationsverschulden = „Letztverantwortung“ für die ordnungsgemäße Organisation des Krankenhausbetriebes

s.a. § 130 OWiG

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4. Das Organisationsverschulden

Kardinalpflichten

Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten müssen klar und unmissverständlich geregelt sein.

Sorgfältige Auswahl, Ausbildung und Überwachung der Mitarbeiter.

Gewährleistung des Facharzt- oder KT-Standards (personell, fachlich und apparativ), abhängig von Größe, Charakter, Ausstattung und Versorgungsauftrag des Krankenhauses.

Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten

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4. Das Organisationsverschulden

Einrichtung verschiedener Organisationsebenen

Festlegung der Zuständigkeiten

Geeignete Kontrollmaßnahmen

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4. Das Organisationsverschulden

Qualitätsmängel in der Organisation sind haftungsrechtlich dem Behandlungsfehler gleichgestellt (vgl. auch BGH, VersR, 1985, 1043).

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4. Das Organisationsverschulden

Kontrolle der ordnungsgemäßen Dokumentation der Aufklärung und Behandlung

Organisation des ärztlichen und nicht ärztlichen Dienstes horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung

Grundsatz, dass jedes Fachgebiet für die ihm zukommenden Aufgabenbereiche selbst haftet und Fehler im fremden Fach nicht für das eigene Fach haftungsbegründend sind (BGH NJW 1998, 2736).

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Rechtsanwalt Jörg Rehmsmeier

• Fachanwalt für Strafrecht

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Kurfürstendamm 216

10719 Berlin

Telefon: 0 3 0 - 76 77 51 -0

Telefax: 0 3 0 - 76 77 51 -11

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Internet: www.verteidiger-in-berlin.de


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