Stomakomplikationen – die Erlebniswelt des Patienten
Ein dreistufiges Konzept zur Prävention und Therapie
peristomaler Hautveränderungen
Z. Hirche · C. Hirche*
Chirurgische Klinik A, Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Unfallchirurgie, Klinikum der Stadt
Ludwigshafen, Ludwigshafen am Rhein
* Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum
BG – Klinik Ludwigshafen, Ludwigshafen am Rhein
Klinik für Plastische und Handchirurgie der Universität Heidelberg
Interessenkonflikt:
Es besteht kein Interessenkonflikt bei den Autoren
1. Einleitung
1.1. Epidemiologie und Historie
Die Anlage eines permanenten Enterostomas erfolgt etwa 26.000 mal pro Jahr [1], hieraus
resultiert ein geschätzte Anzahl von 100.000 Kolostoma-Trägern in Deutschland Die
operative Anlage ist historisch gesehen eines der ältesten chirurgischen Verfahren. Die
Historie des Stomas geht bis in das 4. Jahrhundert vor Christi zurück und wird immer wieder
mit neueren Modifikationen in der Geschichte der Chirurgie beschrieben. Mit weiteren OP-
Techniken bezüglich der Lokalisation und des Stomatypus ging die Entwicklung und
Weiterentwicklung von Systemen und Elementen der dauerhaften Stomaversorgung einher.
Bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts gab es kein geeignetes Material zur
Versorgung eines künstlichen Darmausgangs. Ab 1961 wurden die ersten Stomatherapeuten
in der Cleveland Clinic durch Turnbull ausgebildet, um eine adäquate Nachsorge für
Stomapatienten gewährleisten zu können. Turnbull war es auch, der als erster die
Möglichkeiten des Gummiklebers Karaya für die Stomaversorgung erkannte. Der Printshop-
Betreiber John Dickinson Schneider begann mit Karaya zu experimentieren, entwickelte die
erste selbstklebende Karaya-Basisplatte und begründete damit den Aufstieg einer
renommierten Stoma-Firma zu einem Weltkonzern [1].
1.2. Im Fokus: Das Stoma
An intestinalen Stomatypen gibt es das endständige Ileostoma, z.B. im Rahmen einer
Proktokolektomie ohne Pouch oder subtotale Kolondiskontinuitätsresektion, das protektive
Ileo- / Jejunostoma zum Schutz nachgeschalteter Anastomosen (z.B. bei tiefer anteriorer
Rektumresektion oder Ileus-OP, und das endständige Kolostoma bei der Rektumexstirpation
oder Hartmann-OP, aber auch bei therapierefraktärem Dekubitus, Analfistelleiden oder
angeborenen analen Fehlbildungen. Das protektive Kolostoma wird ebenfalls zum Schutz
nachgeschalteter Anastomosen, wie bei der tiefen anterioren Rektumresektion, analen,
traumatischen Verletzungen oder refraktären Analfisteln angelegt aber auch zur Entlastung
eines Dickdarmileus. Neben dem klassischen Darmstoma gibt es auch andere Stomata, wie
zum Beispiel das Gastrostoma zur Ernährung bei Ösophaguserkrankungen, das
Jejunostoma zur enteralen Ernährung oder das Appendicostoma zur orthograden Spülung
des Dickdarms bei Obstipation sowie das Urostoma zur Harnableitung oder das
Laparostoma zur temporären Behandlung des abdominellen Kompartmentsyndroms oder
nach Peritonitis.
Das nachfolgend entwickelte Stufen-Konzept bezieht sich allein auf die Optimierung der
Versorgung von Kolostoma- und Ileostoma-Patienten. Es ist denkbar, dass Aspekte des
Dreistufenkonzeptes auch für weiterführende Stoma-Systeme anwendbar und übertragbar
sind.
Die Anlage eines Stomas ist für die Patienten durch die resultierende Entstellung des
Körperbildes und Verlust der körperlichen Integrität psychisch belastend. Körperlich
belastend sind die Veränderungen im Lebensalltag. Die kumulative Komplikationsrate nach
Stomaanlage ist wesentlich durch die Art des Stomas, die gewählte Lokalisation, die
technisch korrekte Anlage und die spätere langfristige Versorgung beeinflusst.
1.3. Stomakomplikationen
Nach dem Schwerbehindertengesetz führt ein Stoma je nach Versorgungsmöglichkeit zu
einer Minderung der Erwebsfähigkeit (MdE) von 50% - 80%. Eine Stomakomplikation führt
zu einer dramatischen zusätzlichen Reduktion der Lebensqualität. Die langfristige
Stomakomplikationsrate ist sehr hoch und wird in vielen Studien von 21 bis über 70 %
angegeben. Zu den Spätkomplikationen zählen peristomale Hautveränderungen mit einer
Rate von 10% - 57%, die Stenose in 2% - 17% der Fälle, der Prolaps mit einer Rate von 8%
- 75% und die parastomale Hernie mit einer Komplikationsrate von 9% - 22% [2, 3].
Die peristomalen Hautveränderungen stellen den größten Teil der Stomakomplikationen dar.
Die publizierte Inzidenz liegt beim Ileostoma bei bis zu 57% und beim Kolostoma bei bis zu
35%. Die häufigste Ursache ist eine insuffiziente Stomaversorgung. Der Teufelskreis beginnt
meist durch eine zu große Öffnung der Stomaplatte mit Kontamination der offen liegenden
Haut mit dem aggressiven Stuhl.
Aus der Erfahrung und Sichtweise einer im Krankenhaus tätigen Chirurgin mit
Bereitschaftsdiensten in der Notfallversorgung, kann subjektiv das Problem der
Komplikationen durch peristomale Hautveränderungen sehr gut nachvollzogen werden. Viele
Stoma-Patienten stellen sich in der Rettungsstelle mit Hautveränderungen im Bereich der
Stomaplatte vor und suchen zur Tages- und Nachtzeit notfallmäßig Rat und Therapie. Aus
eigener Erfahrung und verfügbarer Literatur betrifft dies mit einem hohen Prozentsatz das
schmerzende irritativ-toxische Kontaktekzem sowie kontaktvulnerable bis hin zu blutenden
Hypergranulationen am Hautrand (siehe Abbildungen 1, 2).
Patienten mit einem irritativ-toxischen Kontaktekzem leiden unter brennenden Schmerzen,
Wundsein, Juckreiz und Nässen im Bereich der Stomaplatte. Es entsteht ein Circulus
virtuosus, da durch die weitere Stomaplattenversorgung die Hautreizungen potenziert
werden oder die Stomaplatten aufgrund des Nässens nicht halten, was wiederum zu einer
erneuten Kontamination der Haut durch den aggressiven Stuhl führt.
Patienten mit Hypergranulationen am Stomarand leiden unter kontaktvulnerablen Blutungen
und Wundsein an den Granulationen durch den Rand der Stomaplattenöffnung.
Diese Hautveränderungen bedeuten für die Patienten regelhaft einen erheblichen
Leidensdruck.
2. Die Stufe 1: Verzahnung von Operationstechnik, Stoma-Therapeuten-
Interaktion und Patientenedukation: Eine Vorraussetzung für die Anwendung
optimierter Endprodukte
Die Stufe 1 des Konzeptes basiert darauf, die korrekte Operationstechnik mit einer frühen
und engmaschigen Stoma-Therapeuten-Interaktion zu verbinden und den Aspekt der
Patientenedukation zu schärfen. Insbesondere die Stufen 2 und 3 zielen aber auch darauf,
durch Weiterentwicklung von Produkten und Innovationen die Compliance – eng verzahnt
mit der Edukation- zu verbessern.
2.1. Operationstechnik
Die kumulative Komplikationsrate nach Stomaanlage ist durch die Art des Stomas, die
gewählte Lokalisation, und die technisch korrekte Anlage beeinflusst, weshalb
operationstechnische Aspekte von essentieller Bedeutung sind. Um den Risikofaktor der
Operationstechnik für mögliche Komplikationen zu reduzieren, ist es wichtig, präoperativ die
Lokalisation des zukünftigen Stomas zu markieren und im Stehen, Sitzen und Liegen durch
das Aufkleben einer Stomaplatte vom Patienten testen zu lassen. Vor allem beachtenswert
ist, dass die Haut flach und reizlos ist, keine Falten, Narben, Knochenvorsprünge in enger
Lagebeziehung sind, es unter-/ oberhalb des Hosenbundes platziert wird und vom Patienten
gut einsehbar und selbst versorgbar ist. Es sollte innerhalb der Rektusscheide, möglichst
unterhalb der Nabelhöhe und außerhalb der Laparotomiewunde angelegt werden. Die
operative Anlage per se beinhaltet die Präparation der Durchtrittsstelle. Hierbei wird die
Bauchdecke mittels Klemmen im Bereich der medianen Laparotomie fixiert, um ein
kulissenartiges Verschieben der Schichten zu verhindern. Zur Schaffung des Hautdurchtritts
wird die Haut mit einer Kocher-Klemme gefasst und kreisrund entsprechend dem
Durchmesser des Darms inzidiert. Anschließend sollte ein Haut-/ Subkutiszylinder reseziert
werden, um nach dem Durchziehen des Darms eine plane Auflagefläche für die Basisplatte
zu erhalten. Nach Durchtrennen des Subkutangewebes wird die Faszie dargestellt. Die
Muskulatur wird stumpf auseinandergedrängt und das Peritoneum schlitzförmig oder
ebenfalls kreuzförmig inzidiert. Der Durchtritt durch die Bauchdecke sollte für 2 Querfinger
gut durchgängig sein. Bei endständigen Stomata wird zunehmend die extraperitoneale
Ausleitung zur Prävention von parastomalen Hernien propagiert. Hierfür wird das Peritoneum
einige Zentimeter nach lateral untertunnelt und eröffnet, so dass der Darm einen Siphon-
artigen Verlauf durch die Bauchdecke nimmt. Alternativ kann die Stomaaustrittsstelle schon
bei der Erstanlage mit einem zirkulären nicht-resorbierbaren Kunststoffnetz zur
Hernienprävention versorgt werden. Trotz guter Studienergebnisse wird dieses Verfahren
aus Sorge vor Infekten nur selten angewendet. Nach der Präparation der Durchtrittsstelle
wird das Stoma eingenäht. Beim doppelläufigen Ileostoma wird die Dünndarmschlinge vor
die Bauchdecke vorgelagert und als letzter chirurgischer Schritt der Operation -um eine
Wundkontamination mit Stuhl zu vermeiden- eröffnet und mit dem oralen Anteil evertiert und
prominent eingenäht. Dies wird durch eine quere Eröffnung über der abführenden Schlinge
und serosale Rückstichnähte erreicht. Der distale Schenkel wird im Regelfall plan im
Hautniveau eingenäht. Beim endständigen Ileostoma macht der Haut-aggressive,
säurehaltige Dünndarminhalt eine prominente Stomaanlage notwendig. Technisch gesehen
wird das Ileum 5-6 cm durch die Durchtrittsstelle vorgelagert, am Peritoneum fixiert und
umgestülpt. Das Ileostoma sollte die Haut um 2 cm überragen, um den Dünndarminhalt
direkt in den Beutel zu entleeren. Im Gegensatz dazu werden Kolostomata plan eingenäht.
Das endständige Kolostoma wird im Hautniveau mittels intrakutaner, seromuskulärer
Einzelknopfnähte eingenäht, während das doppelläufige Kolostoma nach dem
Bauchdeckenverschluss quer eröffnet und dann mit mukokutanen Nähten eingenäht wird.
2.2. Versorgungssysteme
Die Ableitung des Darminhaltes am Übergang zwischen Epidermis und Schleimhaut
entspricht nicht der Histomorphologie des natürlichen Ableitungsweges und ist dadurch
prinzipiell komplikationsträchtig. Aus diesem Grund ist die postoperative, langfristige
Stomaversorgung der wesentliche Bestandteil zur Prävention von Stomakomplikationen. Die
Eigenschaften der Stomaversorgungssysteme sind entscheidend dafür, ob die
Lebensqualität und die Reintegration in den Alltag mit Stoma erhalten bzw. umgesetzt
werden können. Anforderungen an die Stomaversorgungssysteme sind Zweiteiligkeit, um
nicht regelmäßig die Basisplatte von der Haut entfernen zu müssen. Der Rastring sollte zum
Unterfassen sein. Der Versorgungsbeutel sollte transparent und zum Ausstreifen sein. Die
Öffnung in der Basisplatte muss exakt ausgeschnitten werden, da der Stuhl in der
postoperativen Phase dünnflüssig und sehr hautaggressiv ist. Stomaartikel für zu Hause
sollten leicht und unkompliziert in der Anwendung sein, sowie eine absolute
Geruchsabdichtung ermöglichen. Der Hautschutz sollte hautfreundlich, hygroskopisch und
flexibel sein. Die Basisplatte sollte mehrere Tage auf der Haut belassen werden können und
einen problemlosen Beutelwechsel ermöglichen. Beim einteiligen Versorgungssystem steht
die hygienische Seite bei der Reinigung der parastomalen Haut im Vordergrund, allerdings
findet durch die mechanische Irritation beim regelhaften Entfernen und Bekleben eine höhere
Hautbelastung statt. Das zweiteilige System bietet prinzipiell eine bessere Hautschonung,
und die Basisplatte kann 3-4 Tage auf der Haut verbleiben. Es muss hier nur ein Wechsel
des Beutels bei Bedarf vorgenommen werden, was unter Umständen aber hygienisch
schwieriger ist als bei der einteiligen Versorgung. Nach Anlage eines Kolostomas dickt der
Stuhlgang im Verlauf ein. Es kann daher auf Dauer auf die Versorgung mit einem
geschlossenen Beutel gewechselt werden. Dieser enthält einen Kohlefilter, der zwar Gase
hindurchlässt, aber Gerüche absorbiert. Bei einem Ileostoma sollte auf Dauer die
Versorgung mit einem Ausstreifbeutel erfolgen, denn der Stuhl ist dünnflüssig und anfänglich
mit einer hohen Stuhlfrequenz/-volumen [4].
Im klinischen Alltag haben die modernen zur Verfügung stehenden Produkte hygienisch und
dermatologisch befriedigende Eigenschaften. Zudem sind sie darauf ausgerichtet, eine
weitestgehend normale Lebensführung in Bezug auf Arbeit und Freizeit zu ermöglichen [5].
Prinzipiell werden zwei verschiedene Beutelformen unterschieden. Der geschlossene Beutel
eignet sich vor allem für Kolostomata. Hier ist der Stuhl meist geformt und die Ausscheidung
erfolgt ca. zweimal am Tag. Ileostomaträger verwenden hingegen häufig offene Beutel, die
mit einer Klammer verschlossen sind. Der Vorteil ist darin zu sehen, dass der Beutel nicht
bei jeder Füllung gewechselt werden muss. Stattdessen wird die Klammer geöffnet und der
Beutelinhalt über den Bodenauslass auf einer Toilette entleert. Die meisten kommerziell
erhältlichen Beutel sind mit einem Aktivkohlefilter versehen. Dieser wirkt einem Aufblähen
des Beutels entgegen, indem er im Beutel befindliche Gase kontinuierlich über eine
Kohlepartikeloberfläche filtert und desodoriert abgibt. Die Filter der neuesten Generation sind
zudem durch spezielle Materialien so konzipiert, dass sie Gase entweichen lassen, aber
Flüssigkeiten und feste Bestandteile sicher zurückhalten. Beim einteiligen Beutel ist der
Hautschutz mit dem Beutel verschweißt, sodass bei jedem Beutelwechsel auch eine neue
Hautschutzplatte angebracht wird. Damit keine Überbeanspruchung der Haut auftritt, sollte
diese Beutelart maximal zwei- bis dreimal täglich gewechselt werden. Das zweiteilige
System hingegen besteht aus einer Basisplatte und dem dazugehörigen Beutel. Die
Basisplatte ist mit einem Rastring versehen, damit man den Beutel mehrmals wechseln
kann. Die Basisplatte kann 2–3 Tage auf der Haut belassen werden. Bei jedem
Plattenwechsel muss die Stoma-umgebende Haut gründlich gereinigt werden, wobei scharfe
Mittel wie Äther, Benzin oder Alkohol gemieden werden sollten, da sie zu einer Austrocknung
der Haut führen, wodurch der natürliche Säureschutzmantel geschädigt wird. Die sog.
synthetischen Hautschutzmaterialien bestehen aus Gelatine, Zellulose oder Pektin. Die
ersten beiden Substanzen vermögen durch ihre hygroskopischen Eigenschaften Wasser zu
binden und wirken so einer Mazeration entgegen, während Pektin eine
granulationsfördernde Qualität besitzt und daher bei bereits strapazierter Haut eingesetzt
werden sollte. Das weiche und flexible Material bietet der parastomalen Haut einen guten
und zuverlässigen Schutz, wobei der wichtigste Grundsatz darin besteht, dass die Öffnung
des Hautschutzes exakt der Stomagröße entsprechen muss [6].
2.3. Stoma-Therapeuten-Interaktion
Die frühzeitige Supervision und Anleitung von Patienten durch Stoma-Therapeuten ist die
entscheidende Grundlage einer langfristigen Sicherung.
2.4. Patientenedukation
Aufklärung, Supervision, und Compliance hängen engmaschig zusammen und sind häufig
erschwert bei Patienten, bei denen die Akzeptanz der Körperbildveränderung ausbleibt. Eine
mitunter langjährige Patientenedukation wird positiv unterstützt durch innovative Produkte,
die neben objektivierbaren Aspekten durch aktive Wirkstoffintegration auch einen
„Wohlfühlcharakter“ vermitteln.
Compliance und Erfolg der Patientenedukation hängen maßgeblich ab von den
Möglichkeiten der Prävention und Therapie von Stoma-Komplikationen. Die Stufen 2 und 3
des dargestellten Konzeptes sollen dazu beitragen.
3. Die Stufe 2: Integration von hautpflegenden und antimikrobiellen, aktiven
Substanzen in die bestehenden Versorgungssysteme
Die modernen Stomaversorgungssysteme enthalten innovative Techniken, wie Kohlefilter,
synthetische Hautschutzmaterialien etc.. Die Stomagrundplatte – in unmittelbarer Interaktion
mit gesunder Epidermis durch mechanischen Stress und an der Grenze der Interaktionslinie
zwischen Schleimhaut und Epidermis – stellt aus unserer Sicht zusätzlich als ideales und bis
dato unterrepräsentiertes Target dar, um prophylaktisch wie therapeutisch aktive Substanzen
zur Haut- und Wundpflege mit antimikrobieller Komponente abzugeben. Die Integration von
hautpflegenden und antimikrobiellen Substanzen stellt damit die Stufe 2 des vorgestellten
Konzeptes dar. Das Ziel dieser Integration ist es, die Rate an peristomalen
Hautveränderungen zu reduzieren und ein System zu entwickeln, das bei Risikopatienten für
peristomale Hautveränderungen oder bei bereits bestehender Hautveränderung zur
unterstützenden Abheilung angewendet werden kann.
Die Integrität der peristomalen Haut ist eine unabdingbare Voraussetzung für das sichere
Halten der Andruckplatte und die Dichtigkeit des Stomabeutels. Eine Gefährdung dieser
Sicherheit durch peristomale Hautläsionen bewirkt eine erhebliche Einschränkung der
Lebensqualität des Stomaträgers, ein häufiges Wechseln der Versorgungssysteme,
aufwendige Interventionen durch Stomatherapeuten, Konsultationen von Chirurgen und
Dermatologen und stationäre Behandlungen inklusive operativer Revisionen [7, 8]. Zudem
stellen sie für Stomatherapeuten und Ärzte oftmals therapeutische Herausforderungen dar,
die zeit- und ressourcenintensiv sein können [9]. Peristomale Hautveränderungen werden in
klinisch-wissenschaftlichen Journalen jedoch kaum berücksichtigt und haben daher in
Hinblick auf die Therapie nur ein sehr niedriges Evidenzlevel. Die Ursachen einer
peristomalen Hautveränderung sind aber mannigfaltig. Nybaek et al. unterteilten in einem
Übersichtsartikel peristomale Hautveränderungen nach den chemischen, mechanischen,
infektiösen, immunologischen und krankheitsbedingten Assoziationen [10]. Die
mechanische, peristomale Hautveränderung entsteht durch das Klebematerial, zu häufige
Wechsel der Hautschutzplatte oder nicht passgenaue Plattenöffnung. Es kann zum
Hauterythem bis hin zur Mazeration kommen. Bei insuffizienter Therapie kann sich im
weiteren Verlauf eine peristomale Ulzeration ausbilden, die sehr schmerzhaft ist [6]. Ein
Wechsel des Versorgungssystems, z.B. durch Verwendung von pektinhaltigem Material,
sowie eine exakte Passform verhindern den rezidivierenden Stuhlkontakt mit der Haut [6].
Jedoch unterstützt das pektinhaltige Material nur die verbesserte Flüssigkeitsaufnahme,
nicht jedoch unmittelbar die Haut- und Zellregeneration.
Infektiöse peristomale Hautveränderungen werden durch mangelnde Stomahygiene, falsche
Reinigung bzw. Reinigung der Haut mit Waschlappen oder Schwämmen statt
Baumwollkompressen, die nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden, verursacht. Es
kommt zur Besiedelung von Pilzen und Bakterien, was zu Pruritus mit großflächigem
Exanthem oder Schuppung führt. Neben der Beachtung einer peniblen Stomahygiene sollten
wässrige Antimykotika appliziert werden, da Salben und Puder die Plattenhaftung stark
reduzieren [6]. Die Darstellung in diesem Übersichtsartikel unterstreicht, dass die Patienten
sehr von und der Beschaffenheit und den Eigenschaften der Stomaversorgungssystem-
Bestandteile abhängig sind. Während Hautschutzmaterialien aus Gelatine oder Zellulose
hygroskopisch sind und Mazerationen verhindern können, bewirken die pektinhaltigen
Produkte eine Granulationsförderung bei schon angegriffener Haut. Diese Eigenschaften
sollten bei der Idee, Hautschutzmaterialien in die Stomaplatte zu integrieren, berücksichtigt
werden. Desweiteren sollten die zu verwendenden Materialien anitmikrobiell sein.
Technisch gesehen muss im Rahmen der Realisierung dieser Stufe des Konzept geklärt
werden, ob eine Beschichtung der Stomaplatte oder die Integration in die Verbandsstruktur
mit aktiven Wirkstoffen mit langsamer Absonderung die Klebeeigenschaften im Verlauf am
besten erhält. Die Idee der Beschichtung oder Integration in die Verbandsstruktur wurde
schon in anderen Medizinprodukten umgesetzt und stellt damit eine realisierbare
Weiterentwicklung für Stomasystem-Hersteller dar. Als Beispiel möchten wir hier die
transdermalen Pflaster mit kontinuierlicher Medikamentenabsonderung oder die
silberbeschichteten Vakuumschwämme im Rahmen der Vakuumsaugtherapie (z.B. V.A.C.
GranuFoam Silver® Dressing, KCI, San Antonio, USA) erwähnen. Für dieses
Therapiesystem steht ein silberhaltiger Schwamm zur Verfügung, der in tiefe Gewebedefekte
eingelegt oder zur oberflächlichen Wunddeckung genutzt werden kann. Silbernanopartikel
sind in der Lage, bakterielle Zellwände zu zerstören und Enzyme zu hemmen, die an der
zellulären Replikation beteiligt sind. Es gibt viele Indikationen im Bereich der
Wundbehandlung, in welchen silberhaltige Verbände aus diesem Grund erfolgreich genutzt
werden.
Die Anforderung an eine beschichtete Stomaplatte oder an die Integration in die
Verbandsstruktur beinhaltet unserer Meinung nach zwei wesentliche Aspekte zur technisch-
produktorientierenden Realisierung. Zum einen muss die über einen definierten Zeitraum
eine definierte Mindestkonzentration der Substanz abgegeben werden. Zum zweiten darf die
Klebefähigkeit nicht reduziert werden.
Im nachfolgenden Teil des Konzeptes möchten wir drei aktive Wirkstoffe vorstellen und für
die Prävention und Therapie von peristomalen Hautirritationen einordnen. Hierzu zählen die
Wirkstoffe Dexpanthenol, Zink und Silbernitrat, die die Haut pflegen bzw. einen Wundschutz
gewährleisten und eine Fehlbesiedelung der Haut verhindern. Die physikalische
Beschaffenheit als Verbandsbeschichtung und als Bestandteil der Integrität der
Verbandsstruktur wäre Aufgabe der Medizinprodukte-Firmen.
Innovativ wäre eine Verbandsbeschichtung oder als Bestandteil der Integrität der
Verbandsstruktur auf der Stomaplatte aus Dexpanthenol, Zink und/ oder Silbernitrat, von der
regelmäßig eine der Substanzen – je nach Bedarf oder Situation - abgesondert wird.
Zur Prävention von peristomalen Hautläsionen bei heiler Haut würde sich zur Hautpflege
eine mit Panthenol beschichtete oder integrierte Stomaplatte anbieten, aber auch zum
Schutz der Wundumgebung diverse andere medizinische Hautschutzpräparate, wie z. B.
silikonhaltige Externa wie Cavilon®.
Bei gereizter, erythematöser Haut würde sich eine zinkhaltige beschichtete oder integrierte
Stomaplatte anbieten, bei mikrobieller Fehlbesiedelung oder Stomarandinfektionen eine
silbernitrathaltige Folienschicht bzw. Plattenversorgung
3.1. Die erste wirkungsaktive Substanz: Dexpanthenol
Dexpanthenol ist eine chemische Verbindung, die zu den Polyolen und Amiden zählt. Es wird
seit langem als Wirkstoff in der topischen Behandlung in der medizinischen Hautpflege
verwendet. Dexpanthenol ist ein Provitamin, ein Präkursor eines Vitamins der B-Vitamine
und wird im Körper zu Pantothensäure (Vitamin B5) umgewandelt, welches ein Bestandteil
des Coenzyms A ist und damit eine wesentliche Rolle im Hautstoffwechsel spielt. Es fördert
zum einen die Zellteilung und Differenzierung von Fibroblasten und Keratinozyten, zum
anderen die Migration in das zerstörte Gewebe. Die topische Anwendung von Dexpanthenol
fördert den Wassergehalt im Stratum corneum der Haut und wirkt antiinflammatorisch.
Dexpanthenolhaltige Salbe zählt zu den bewährten, auch in kontrollierten Studien als
wirksam erwiesenen Basistherapeutika [11]. Die Salbe wird bei irritierter und wunder Haut
eingesetzt.
Dexpanthenol spricht für gute Verträglichkeit, antientzündliche Wirksamkeit und hohe
patientenseitige Zufriedenheit [11]. Damit eignet sich dieser Wirkstoff hervorragend, um in
ein „aktives Stomasystem“ zu Prävention und Therapie peristomaler Hautirritationen
integriert zu werden.
3.2. Die zweite wirkungsaktive Substanz: Zink
Zink hat eine zentrale Rolle in der Wundheilung. Die Erfahrung in der Nutzung von Zink bei
der Behandlung von Krankheiten aus dem dermatologischen Formenkreis geht auf
Jahrhunderte zurück [12, 13]. Zink ist essentiell an der Regulation der DNA- und Protein-
Synthese, an der Steuerung der Proliferation, also an fundamentalen Prozessen der
Wundheilung beteiligt [12, 14, 15]. Topisch angewendet werden zinkhaltige Salben zur
Wundbehandlung eingesetzt. Ihre Wirksamkeit beruht auf der schwach antiseptischen,
adstringierenden, sorptiven und wundheilungsfördernden Wirkung des darin enthaltenen
Zinkoxids [16, 17]. Zur direkten Wundbehandlung ist sie nur eingeschränkt geeignet, da sie
die Wunde austrocknet. Beim Kontakt mit Wund- und Hautsekreten bildet Zinkoxid lösliche
Zinksalze, von denen die antiseptische und adstringierende Wirkung ausgeht [17]. Die
pharmokologische Wirkung beruht darauf, dass Zinkionen in die intakte Haut penetrieren und
sich in den tiefer liegenden Zellschichten verteilen. Es sorgt für eine Stabilität der Zellwände
und unterstützt rasch wachsendes Gewebe und die Wundheilung. Zink fördert die
Vernetzung von Fibrin und die Produktion von Kollagen. Nur ein äußerst geringer Anteil wird
transdermal in die Blutbahn resorbiert. Das Ausmaß von Penetration und Resorption hängt
unter anderem auch von der Art der Zinkformulierung ab. Bei herabgesetzter
Hautbarrierefunktion kann die Zinkresorption erhöht sein [18]. Überdosierungen und
Intoxikationen nach Anwendung von Zinksalben sind bislang nicht bekannt geworden. Als
verschieden Formen von Wundauflagen sind die Zinkpaste, weiche Zinkpaste und
Zinkcremes vorhanden. In der Veterinärmedizin ist es auch als Zinkspray vorhanden. Pasten
sind halbfeste Zubereitungen mit einem hohen Feststoffanteil. So weist etwa die Zinkpaste
einen Zinkoxidanteil von 25 % auf. Übrige Bestandteile sind Weizenstärke und weiße
Vaseline oder aber Talk und gelbe Vaseline [19]. Zinkpaste hat eine festere Konsistenz als
Zinksalbe; sie wirkt abdeckend-schützend, aufsaugend, und zieht nicht in die Haut ein. Der
Pastenfilm schützt die Haut vor den hautaggressiven Faezes. Auch Schweiß auf der Haut
wird durch die aufsaugenden Eigenschaften des enthaltenen Zinkoxids aufgenommen. Die
Weiche Zinkpaste enthält 30 % Zinkoxid. Ihre weiche, gut streichfähige Konsistenz kommt
durch einen Anteil von 40 % dickflüssigem Paraffin zustande, die übrigen Bestandteile sind
weiße Vaseline und gebleichtes Wachs. Zinkcremes enthalten das Zinkoxid in einer
Cremegrundlage und sind somit wasserhaltig. In die Wasserphase lassen sich
wasserlösliche Wirkstoffe einarbeiten [19].
Damit eignet sich dieser Wirkstoff hervorragend, um in ein „aktives Stomasystem“ zu
Prävention und Therapie peristomaler Hautirritationen integriert zu werden.
3.3. Die dritte wirkungsaktive Substanz: Silber
Silber wird als topische, antimikrobielle Substanz bereits seit Jahrhunderten in der
Wundversorgung eingesetzt [20]. In den letzten Jahren wurden Wundverbände mit einem
Gehalt an elementarem Silber oder einer Silber freisetzenden Verbindung entwickelt. Diese
können anhaltend Silber freisetzen, müssen eventuell weniger häufig gewechselt werden
und können zusätzliche Vorteile wie Kontrolle von übermäßigem Exsudat, Aufrechterhaltung
eines feuchten Wundmilieus oder Erleichterung autolytischer Wundreinigung mit sich bringen
[20].
Die chemische Wirkung beruht darauf, dass in elementarer Form Silber nicht reaktionsfähig
ist und Bakterien nicht abtöten kann. Um bakterizid zu wirken, müssen die Silberatome ein
Elektron verlieren und zu positiv geladenen Silberionen werden. Elementares Silber ionisiert
in der Luft und im wässrigen Milieu wie z.B. Wundexsudat. Demgegenüber enthalten
Silberverbindungen positive Silberionen, die an negativ geladene Ionen oder Moleküle
gebunden sind. Bei Kontakt mit einem wässrigen Milieu lösen sich einige Silberionen aus der
Verbindung. Silberionen sind hochreaktiv und wirken auf mehrere Stellen innerhalb der
Bakterienzellen und führen letztendlich zum Tod der Bakterienzellen. Sie binden an
bakterielle Zellmembranen und führen zur Unterbrechung der bakteriellen Zellwand und zu
Zellleckage. In die Zelle transportierte Silberionen unterbrechen die Zellfunktion, indem sie
an Proteine binden und die Energieproduktion, Enzymfunktion und Zellreplikation stören [21-
23]. Silberionen wirken bakterizid, fungizid und viruzid [24]. Bezogen auf Biofilmmatrices,
bestehend aus Bakterien und manchmal auch Pilze, die in eine schützende Polysaccharid-
Matrix eingebettet sind, kann Silber die Bakterienadhäsion reduzieren und die Biofilmmatrix
destabilisieren [25], dass es aber auch die Bakterien in der Matrix abtötet und die
Empfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika erhöht [23, 26].
Silberverbände können sowohl zur Infektionsprophylaxe als auch als antimikrobielle
Verbände angewandt werden. Sie können als Barriere gegen Mikroorganismen in Wunden
mit hohem Infektions- oder Reinfektionsrisiko verwendet werden [27]. Als antimikrobielle
Verbände können sie zur Verhinderung des Eindringens von Bakterien in
Eintritts/Austrittsstellen wie zum Beispiel Enterostomata eine Rolle spielen [23, 28]
In Verbänden kommt Silber in zahlreichen Formen vor. Als elementares Silber, als
anorganische Verbindung – z.B. Silberoxid, Silberphosphat, Silberchlorid, Silbersulfat, Silber-
Calcium-Natriumphosphat, Silber-Zirkonium-Verbindung, SSD (Das Sulfadiazin-Element von
SSD ist ein Antibiotikum; SSD-Verbände enthalten zwei antimikrobielle Mittel), als
organischer Komplex – z.B. Silber-Zinkallantoinat, Silberalginat,
Silbercarboxymethylcellulose [23, 29]. Der Silberbestandteil von Verbänden liegt vor als
Beschichtung – auf einer oder beiden Außenseiten des Verbands in elementarer Form-,
innerhalb der Verbandsstruktur als Beschichtung auf Verbandsmaterial (elementares Silber
oder Silberverbindung), in den Zwischenräumen des Verbandsmaterials (elementares Silber
oder Silberverbindung) oder als Verbindung, die Teil der Verbandsstruktur bildet (z.B.
Silberalginat) [23]. Als Beschichtung kann Silber mit der Wunde in Berührung kommen und
übt dort seine antimikrobielle Wirkung aus. Innerhalb der Verbandsstruktur wirkt es auf
Bakterien, die mit dem Wundexsudat in den Verband absorbiert werden, aber es diffundiert
wahrscheinlich auch bis zu einem gewissen Grad in die Wunde [23].
Die Anwendung von Silberverbänden zur Versorgung von Wunden sah sich in jüngster Zeit
erheblichen Herausforderungen gegenüber. Dazu zählten ein wahrgenommener Mangel an
Wirksamkeit und Kosteneffizienz sowie Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit [23,
30]. In einigen Gesundheitssystemen führte das dazu, dass die Verfügbarkeit von
Silberverbänden eingeschränkt wurde oder dass Silberverbände gänzlich zurückgezogen
wurden [23, 31]. Einige Ärzte waren damit in der frustrierenden Position, ihren Patienten
keine Silberverbände mehr verordnen zu können, obwohl sie für sie nützlich sein könnten.
Zwei einflussreiche Cochrane-Reviews und eine sehr beachtete randomisierte, kontrollierte
Studie von Silberverbänden kamen zu dem Schluss, dass Silberverbände die Heilungsraten
nicht verbessern [23, 30]. Die Erfahrung vieler Ärzte und neuere systematische
Überprüfungen und Metaanalysen haben die positiven Wirkungen von Silberverbänden bei
angemessener Anwendung jedoch bestätigt [23, 32]. Unsere berufliche Erfahrung in der
klinischen Anwendung von Silberverbänden mit positiver Wirkung spiegelt ebenfalls diese
Aussage wieder. Damit eignet sich dieser Wirkstoff hervorragend, um in ein „aktives
Stomasystem“ zu Prävention und Therapie peristomaler Hautirritationen integriert zu werden.
Die in diesem Abschnitt des Konzepts erwähnten Wirkstoffe können einzeln oder auch in
Kombination integriert werden. Beispielsweise kann eine Stomaplatte mit Zink und Panthenol
bei nicht-infekt assoziierten Hautirritationen indiziert sein, während bei beginnendem Infekt
die Integration von Silber mit antimikrobieller Wirkung primär indiziert wäre. Aber auch eine
Kombination von pflegenden- und antimikrobiellen Wirkstoffen ist denkbar und sinnvoll, um
das Produktportfolio zu optimieren.
Die Integration von aktiven Wirkstoffen der Zellregeneration, Wundheilung und Hautpflege
hat neben dem zu erwartenden unmittelbar therapeutischen bzw. präventiven Aspekt einen
weiteren übergeordneten Effekt. Diese Substanzen vermitteln im Zusammenhang mit
Verbands- und Versorgungsprodukten einen „Wohlfühlcharakter“ mit psychologischem
Effekt. Darüber hinaus können sich Hersteller, die eine solche „aktive Stomaversorgung“ als
Konzept anbieten, deutlich von anderen Marktanbietern abgrenzen.
4. Die Stufe 3: Integration von Stoma-Silbernitratstäbchen in das klinikinterne und
Home-Care Versorgungskonzept
Eine weitere, nennenswerte Komplikation bei peristomalen Hautveränderungen sind die
Hypergranulationen. Eine chronische, mechanische Reibung kann zu Hypergranulationen
führen. Durch die Dynamik und physiologische Scherkräfte der Bauchdecke sind
Hypergranulationen allerdings nicht immer zu vermeiden. Diese können sich neben dem
sichtbaren „Wildwuchs“ der Schleimhaut-/Epidermisgrenze durch kontaktvulnerable
Blutungen bemerkbar machen. Durch die Beunruhigung stellen sich die Patienten häufig in
klinikinernen Rettungsstellen vor und nehmen lange Wartezeiten auf sich.
Präventiv wird hierbei erachtet, dass die Stomaplattenöffnung mit einem Minimalabstand
zum Stomarand geschnitten wird, um mechanische Reibungen zu vermeiden. Therapeutisch
kommen im Falle der Entwicklung kontaktvulnerbaler, blutender Hypergranulationen eine
Elektrokauterisation oder Verätzung in Frage, die in der Regel ambulant unter
Inanspruchnahme des Gesundheitswesens vorgenommen werden müssen. Auch für die
betroffenen Patienten ist der Aufwand zeit- und ressoucenintensiv.
Während bis vor einigen Jahren als eine schnelle Lösung die Verätzung mittels
„Höllenstiften“ /Silbernitratstäbchen möglich war, ist dieses Verfahren aufgrund der bis dato
fehlenden konzeptionellen Einbindung für Stoma-Patienten und begrenzter alternativer
Indikationen in vielen Krankenhäusern nicht mehr gelistet. Aus diesem Grund muss auf die
deutlich invasivere und abschreckende ambulante Operation mittels Elektrokauterisation
zurückgegriffen werden. Auch hier entsteht ein signifikanter zeitlicher Aufwand für den
Patienten als auch für das Krankenhauspersonal.
Die dritte Stufe des Konzeptes beinhaltet daher die Bereitstellung von Stoma-
Silbernitratstäbchen für den Stomapatienten mit eigener Handhabung zu Hause. Während
breite Ätzstifte derzeit im Handel noch rezeptfrei verfügbar sind, sind die klassischen
Stäbchen mit sehr feiner Spitze nicht mehr erhältlich. Silbernitratstäbchen haben einen
Silbernitratkopf, der als Ätzmittel zur oberflächlichen Behandlung zum Beispiel gegen
Warzen, Geschwüre und Nasenbluten eingesetzt wird. Die Anwendung muss mit Vorsicht
erfolgen, um Verätzungen der gesunden Haut und der Augen zu vermeiden. Lokal
aufgetragen wirkt es ätzend, adstringierend und antiseptisch. Es kann schmerzlindernd sein,
indem es lokal die Nervenendigungen zerstört. Der Stift wird vor dem Gebrauch vorsichtig
mit Wasser befeuchtet. Die umliegende Haut kann mit Vaseline oder einem Warzenpflaster
geschützt werden. Je nach Anwendung wird der Stift entweder kurz auf die Stelle gedrückt
oder die Hautpartie vorsichtig bestrichen [33]. Um dem integrativen Konzept zur
Stomaversorgung eine breite Basis zu bieten, ist es aus unserer Sicht sinnvoll, das Silber-
Nitratstäbchen speziell für Stomapatienten zu deklarieren und zu verpacken. Außerdem
sollten diese begleitet sein von einer unmissverständlichen Anleitung zur Anwendung. Die
Erst-Anwendung sollte im Rahmen dieses Konzeptes durch den Stoma-Patienten in Beisein
des Stomatherapeuten als Edukationsschritt erfolgen.
5. Fazit
Die Implementierung eines integrativen Dreistufenkonzeptes für Stoma-Patienten zielt auf
eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen (Operationstechnik, Stomatherapeuten-
Interaktion und Patientenedukation) und die Weiterentwicklung bzw. Neuentwicklung von
Versorgungsbestandteilen. Die Integration aktiver Wirkstoffe (Panthenol, Zink und
Silbernitrat) für Wundpflege, Wundheilung und antimikrobielle Aktivität kann die
Komplikationsrate von peristomalen Hautläsionen reduzieren und zielt direkt auf die
„Probleme des Alltags“. Zusätzlich können diese neuentwickelten Plattensysteme mit aktiven
Substanzen einen präventiven Ansatz zur Vermeidung von Haut-/
Schleimhautkomplikationen bei Risikopatienten ermöglichen. Die Neuentwicklung und
Implementierung von Silbernitratstäbchen für den alltäglichen Hausgebrauch kann den Alltag
des Stomapatienten positiv beeinflussen und die Akzeptanz des Systems verbessern.
Zusammenfassend können durch das vorgestellte Dreistufenkonzept Lebensqualität und
Spätmorbidität von Stomapatienten positiv beeinflusst werden. Darüber hinaus können sich
Hersteller, die ein solches integratives Konzept anbieten, deutlich von anderen
Marktanbietern abgrenzen.
Abbildungen:
Abbildung 1: doppelläufiges Ileostoma mit peristomaler Hautläsion medial und kranialen,
kontaktvulnerablen Hypergranulationen
Abbildung 2: Endständiges Ileostoma mit Hypergranulationen am Stomarandbereich und
Entzündung im Bereich der ehem. Nahtmaterialkanäle
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