+ All Categories
Home > Documents > Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften...

Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften...

Date post: 01-Feb-2017
Category:
Upload: doandang
View: 212 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
2
AUS DEN GESELLSCHAFTEN Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. zu Normierungsvorhaben des Europäischen Komitee für Normung (Comité Européen de Normalisation - CEN) vom 15. 05. 2014 Die AWMF spricht sich nachdrücklich und begründet gegen eine Normierung medizinischer Gesundheitsdienst- leistungen und Versorgungsprozesse durch das Europäische Komitee für Normung (CEN) aus. Die Hauptgründe sind 1. Widerspruch zum Patientenrecht auf eine individuell angemessene Versorgung 2. Ungeprüfte Transferierbarkeit von Normen nach Deutschland 3. Mangelnde Methodik und fehlende Überprüfbarkeit der Entwicklung des Verfahrens Seit mehr als 50 Jahren unterstützt die AWMF ihre mittlerweile 168 Mit- gliedsgesellschaften bei der Verfol- gung medizinisch-wissenschaftlicher Aufgaben und Ziele sowie bei der Verbindung der wissenschaftlichen Medizin mit der ärztlichen Praxis. Bereits im März 2012 hat die AWMF in einer Stellungnahme deutlich ge- macht, dass die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften jede Standardisierung und Normierung ärztlicher Leistungen auf nationaler und europäischer Ebene ablehnen [1]. Die Normierung medizinischer Gesundheitsdienstleistungen und Ver- sorgungsprozesse auf europäischer Ebene verstößt gegen europäische Verträge und widerspricht bewährten nationalen berufsrechtlichen Rege- lungen [2]. Diese 2012 von der AWMF gemachten Äußerungen gegen die derzeitigen Normierungsvorhaben von Behandlungsprozessen des Europäi- schen Komitees für Normung (CEN) gelten auch heute unverändert fort. Bei kritischer Analyse der ersten Entwürfe und der abgeschlossenen Normierungsvorhaben im Europäi- schen Komitee für Normung bestehen grundlegende Bedenken an der Eig- nung, Transferierbarkeit, Qualität und Entwicklungssystematik der Normen. Wesentliche Kritikpunkte an alle Normierungsvorhaben im Bereich medizinischer Leistungen sind die Folgenden: - Zunächst freiwillige Normen im Bereich von Gesundheitsdienst- leistungen werden nach Anerken- nung und Bezug in entsprechenden Verordnungen oder Gesetzen zu Richtlinien und behindern damit sowohl die ärztliche Therapie- freiheit als auch das Recht des Patienten auf eine seinen individu- ellen Bedürfnissen entsprechende Gesundheitsversorgung. - Europäische Normen werden für EU- Länder bindend. Eine Adaptation an länderspezifische Gesundheitssys- teme, Kulturen und Versorgungsre- geln ist nicht mehr möglich. - Derzeitige Normierungsvorhaben des Europäischen Komitees für Normung lassen jegliche Qualität und Systematik der Entwicklung vermissen, wie: Transparenz über den Prozess der Entstehung und der beteilig- ten Personen und Institutionen. Freier Zugang zur Mitarbeit am Entwicklungsprozess, der nicht von intransparenten Berufungs- vorgängen oder Kostenbeteili- gungen bzw. Zahlung von Ver- gütungen abhängig ist, sondern eine Beteiligung aller relevanten, am späteren Behandlungsprozess beteiligten Gruppierungen zum Ziel haben muss. Kriterien für die Auswahl der Experten, damit die Sachkompe- tenz nachvollziehbar ist. Transparenz über Interessen- konflikte der Beteiligten, der Entwicklergruppe insgesamt so- wie über die Finanzierung des Projekts. Belege für alle Aussagen (Evi- denz oder Gruppenkonsens) und Nachvollziehbarkeit der Entschei- dungsmechanismen (Angabe von Quellen und Kriterien). Beschreibung der Methodik der Feststellung des aktuellen Standes der Wissenschaft und Technik als Grundlage der Aussa- gen und transparente Implemen- tierung von Regeln zur Adaptie- rung einer Änderung im Verlauf an einen geänderten Stand der Wissenschaft und Technik. Regelwerk zur Methodik und entsprechende transparente, für unabhängige Kontrollgre- mien überprüfbare Darlegung des Entstehungsprozesses jedes Produkts. Die AWMF sieht generell keine Qua- litätsverbesserung medizinischer Leistungen durch Normierungsvor- haben. Vielmehr besteht in einem in erster Linie privatwirtschaftlich organisierten Prozess einer euro- päischen Normierung medizinischer Leistungen eine Gefahr für das Ziel der Verbesserung, wenn die Nor- mierungsvorhaben überwiegend von finanziellen Aspekten beeinflusst werden. Es besteht zudem die Ge- fahr, dass der gegenwärtige Stand der Wissenschaft und Technik im Bereich komplexer medizinischer Leistungen nicht abgebildet wird und ein am flä- chendeckend erreichbaren Minimum orientierter Konsens zu Qualitäts- verlusten für Mitgliedsstaaten mit bereits guter Versorgungsqualität entsteht. Die AWMF und die in ihr zusammen- geschlossenen Fachgesellschaften werden sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Qualitätsent- wicklung der medizinischen Versor- gung auch zukünftig auf aktuelle, systematisch entwickelte, wissen- schaftliche medizinische Leitlinien als Entscheidungshilfen für die Betreu- ung individueller Patienten gestützt wird und dass die inhaltlichen und kompetenzrechtlichen Grundlagen der ärztlichen Berufsausübung in den einzelnen Fachgebieten in Deutsch- land auf höchsten Niveau gewahrt bleiben. Sie wird der Standardisierung Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 349 http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.06.004
Transcript
Page 1: Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.zu Normierungsvorhaben des Europäischen Komitee für Normung (Comité Européen

AUS DENGESELLSCHAFTEN

Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft derWissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.zu Normierungsvorhaben des Europäischen Komitee fürNormung (Comité Européen de Normalisation - CEN)vom 15. 05. 2014

Die AWMF spricht sich nachdrücklich mF

-

-

-

DlLhiopLdmfiwfWkncovbeDgwewgssEuwk

und begründet gegen eine Normierungmedizinischer Gesundheitsdienst-leistungen und Versorgungsprozessedurch das Europäische Komitee fürNormung (CEN) aus. Die Hauptgründesind

1. Widerspruch zum Patientenrechtauf eine individuell angemesseneVersorgung

2. Ungeprüfte Transferierbarkeit vonNormen nach Deutschland

3. Mangelnde Methodik und fehlendeÜberprüfbarkeit der Entwicklungdes Verfahrens

Seit mehr als 50 Jahren unterstütztdie AWMF ihre mittlerweile 168 Mit-gliedsgesellschaften bei der Verfol-gung medizinisch-wissenschaftlicherAufgaben und Ziele sowie bei derVerbindung der wissenschaftlichenMedizin mit der ärztlichen Praxis.Bereits im März 2012 hat die AWMFin einer Stellungnahme deutlich ge-macht, dass die wissenschaftlichenmedizinischen Fachgesellschaftenjede Standardisierung und Normierungärztlicher Leistungen auf nationalerund europäischer Ebene ablehnen[1]. Die Normierung medizinischerGesundheitsdienstleistungen und Ver-sorgungsprozesse auf europäischerEbene verstößt gegen europäischeVerträge und widerspricht bewährtennationalen berufsrechtlichen Rege-lungen [2]. Diese 2012 von der AWMFgemachten Äußerungen gegen diederzeitigen Normierungsvorhaben vonBehandlungsprozessen des Europäi-schen Komitees für Normung (CEN)gelten auch heute unverändert fort.Bei kritischer Analyse der erstenEntwürfe und der abgeschlossenenNormierungsvorhaben im Europäi-schen Komitee für Normung bestehengrundlegende Bedenken an der Eig-

nung, Transferierbarkeit, Qualität undEntwicklungssystematik der Normen.Wesentliche Kritikpunkte an alleNormierungsvorhaben im Bereich

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesenhttp://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.06

edizinischer Leistungen sind dieolgenden:

Zunächst freiwillige Normen imBereich von Gesundheitsdienst-leistungen werden nach Anerken-nung und Bezug in entsprechendenVerordnungen oder Gesetzen zuRichtlinien und behindern damitsowohl die ärztliche Therapie-freiheit als auch das Recht desPatienten auf eine seinen individu-ellen Bedürfnissen entsprechendeGesundheitsversorgung.Europäische Normen werden für EU-Länder bindend. Eine Adaptation anländerspezifische Gesundheitssys-teme, Kulturen und Versorgungsre-geln ist nicht mehr möglich.Derzeitige Normierungsvorhabendes Europäischen Komitees fürNormung lassen jegliche Qualitätund Systematik der Entwicklungvermissen, wie:◦ Transparenz über den Prozess

der Entstehung und der beteilig-ten Personen und Institutionen.

◦ Freier Zugang zur Mitarbeit amEntwicklungsprozess, der nichtvon intransparenten Berufungs-vorgängen oder Kostenbeteili-gungen bzw. Zahlung von Ver-gütungen abhängig ist, sonderneine Beteiligung aller relevanten,am späteren Behandlungsprozessbeteiligten Gruppierungen zumZiel haben muss.

◦ Kriterien für die Auswahl derExperten, damit die Sachkompe-tenz nachvollziehbar ist.

◦ Transparenz über Interessen-konflikte der Beteiligten, derEntwicklergruppe insgesamt so-wie über die Finanzierung desProjekts.

◦ Belege für alle Aussagen (Evi-denz oder Gruppenkonsens) undNachvollziehbarkeit der Entschei-

dungsmechanismen (Angabe vonQuellen und Kriterien).

◦ Beschreibung der Methodikder Feststellung des aktuellen

delb

(ZEFQ).004

Standes der Wissenschaft undTechnik als Grundlage der Aussa-gen und transparente Implemen-tierung von Regeln zur Adaptie-rung einer Änderung im Verlaufan einen geänderten Stand derWissenschaft und Technik.

◦ Regelwerk zur Methodik undentsprechende transparente,für unabhängige Kontrollgre-mien überprüfbare Darlegungdes Entstehungsprozesses jedesProdukts.

ie AWMF sieht generell keine Qua-itätsverbesserung medizinischereistungen durch Normierungsvor-aben. Vielmehr besteht in einemn erster Linie privatwirtschaftlichrganisierten Prozess einer euro-äischen Normierung medizinischereistungen eine Gefahr für das Zieler Verbesserung, wenn die Nor-ierungsvorhaben überwiegend vonnanziellen Aspekten beeinflussterden. Es besteht zudem die Ge-

ahr, dass der gegenwärtige Stand derissenschaft und Technik im Bereich

omplexer medizinischer Leistungenicht abgebildet wird und ein am flä-hendeckend erreichbaren Minimumrientierter Konsens zu Qualitäts-erlusten für Mitgliedsstaaten mitereits guter Versorgungsqualitätntsteht.ie AWMF und die in ihr zusammen-eschlossenen Fachgesellschaftenerden sich mit Nachdruck dafürinsetzen, dass die Qualitätsent-icklung der medizinischen Versor-ung auch zukünftig auf aktuelle,ystematisch entwickelte, wissen-chaftliche medizinische Leitlinien alsntscheidungshilfen für die Betreu-ng individueller Patienten gestütztird und dass die inhaltlichen undompetenzrechtlichen Grundlagen

er ärztlichen Berufsausübung in deninzelnen Fachgebieten in Deutsch-and auf höchsten Niveau gewahrtleiben. Sie wird der Standardisierung

349

Page 2: Stellungnahme der AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.zu Normierungsvorhaben des Europäischen Komitee für Normung (Comité Européen

vepgRBtuvzw

[

3

on Berufsausübungsregelungen aufuropäischer Ebene durch das Euro-äische Komitee für Normung ent-egenwirken und die bewährtenegelungsmechanismen der ärztlichenerufsausübung im Deutschen Wei-erbildungsrecht gegen überflüssige

nd Interessen gesteuerte Einflüsseerteidigen und gemeinsam mit denuständigen Ärztekammern weiterent-ickeln.

[

50

Literatur

1] Stellungnahme der AWMF zu Nor-mierungsvorhaben im Europäi-sschen Komittee für Normung(CEN) und im Deutschen Insti-tut für Normung (DIN). Verfügbar:

http://www.awmf.org/die-awmf/awmfstellungnahmen.html

2] Vertrag über die Arbeitsweiseder Europäischen Union. Ar-

Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesund

tikel 168 Abs. 7. Verfügbar:http://www.aeuv.de/aeuv/dritter-teil/titel-xiv/art-168.html

Korrespondenzadresse:AWMF-GeschäftsstelleUbierstr. 2040223 Düsseldorf

E-Mail: [email protected]

h. wesen (ZEFQ) 108 (2014), 349—350http://journals.elsevier.de/zefq


Recommended