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Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur … · c. im Rahmen ihres Beitrags zur...

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Eidgenössisches Finanzdepartement EFD Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF Finanzsystem & Finanzmärkte Seite 1 von 27 Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur Publikation «Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen April 2019» 15. Ausgabe Einleitung Die oben genannte halbjährliche Bundespublikation bietet anhand statistischer Eckdaten objekti- vierte Grundwerte für Analysen des Finanzstandorts Schweiz. Wirtschaftliche Aussagen sowie auch Prognosen sind zugleich mit drei fundamentalen Problemen verbunden: (1) unklare Kausa- litäten, (2) dauernde Veränderungen und (3) unvollständige Informationen respektive Daten. 1 Informationen zum Finanzstandort Schweiz werden u. a. durch das Datenportal der Schweizeri- schen Nationalbank (SNB) bereitgestellt. Diese Institution wird durch die Nationalbankverordnung (NBV) 2 gemäss Art. 3 NBV ermächtigt, statistische Erhebungen durchzuführen: a. zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben; b. zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Überwachung von Zahlungs- und Effektenab- wicklungssystemen; c. im Rahmen ihres Beitrags zur Stabilität des Finanzsystems; d. für internationale Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, und e. für die Erstellung der Zahlungsbilanz und der Statistik über das Auslandvermögen. 3 In einer Volkswirtschaft stellen Haushalte und Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber die zentralen Wirtschaftsakteure dar. Sie berücksichtigen bei ihrer Finanzierung zu- künftige Entwicklungen, können aber nur anhand verfügbarer Informationen begrenzt rational handeln (sog. bounded rationality gemäss Herbert Alexander Simon (1916–2001)). 4 Da be- grenzte Wissensbestände jedoch nicht endgültig sind, lassen sie sich durch Informationsbeschaf- fung und -verarbeitung von Finanzkennzahlen im Rahmen eines Gedankenspiels erweitern. 5 Die 1 Vgl. hierzu auch Matheis, K.; Prange, S. (2017). Viele Wahrheiten, in: WirtschaftsWoche vom 24. März. Im Big-Data-Zeitalter besteht auch das Risiko der Gläubigkeit in ökonomische Modellaussagen, die umso gefähr- licher sein kann, als sie unreflektiertes Vertrauen in Algorithmen fördert. Vgl. Kaeser, E. (2017). Wenn Mathe- matik zur Waffe wird, in: NZZ vom 21. Dezember, S. 44. 2 Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank vom 18. März 2004 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20040259/index.html). Die SNB hat 1907 in Bern und Zü- rich ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen. 3 Das Datenportal der SNB stellt die wichtigste Informationsquelle dieser Bundespublikation dar (https://data.snb.ch). Obwohl statistische Daten stets vergangenheitsbezogen sind, sind sie ein wichtiger Be- standteil konkreter Vorhersagen. So lassen sich z. B. durch eine reine Extrapolation mögliche Prognosen ab- leiten, deren Güte wiederum von der Qualität der empirischen Datenbasis abhängt. Da vergangene Ereignisse auch von Zufall beeinflusst sind, sollten Extrapolationen oder Trends jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Vgl. hierzu Schüller, K (2015). Statistik und Intuition – Alltagsbeispiele kritisch hinterfragt, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg, 294 S. Dennoch sind im richtigen Leben Ereignisse zumeist voneinander abhängig, womit bereits Geschehenes einen Einfluss auf Zukünftiges hat. Vgl. Dobelli, R. (2017). Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 17. Auflage, dtv Verlagsgesellschaft, München, S. 121ff. (Der Spielerfehlschluss). 4 Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler erhielt 1978 den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel (1833–1896). Simon wurde für seine Erfor- schung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen geehrt. 5 Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung können nach Regeln der Selektion, der Klassifikation und der Interpretation erfolgen. Vgl. hierzu Siegenthaler, H. (1993). Regelvertrauen, Prosperität und Krisen – die Un- gleichmässigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Mohr Siebeck, Tübingen, 258 S.
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Eidgenössisches Finanzdepartement EFD

Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF

Finanzsystem & Finanzmärkte

Seite 1 von 27

Statistische und wirtschaftshistorische Erläuterungen zur Publikation «Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen April 2019»

15. Ausgabe Einleitung Die oben genannte halbjährliche Bundespublikation bietet anhand statistischer Eckdaten objekti-vierte Grundwerte für Analysen des Finanzstandorts Schweiz. Wirtschaftliche Aussagen sowie auch Prognosen sind zugleich mit drei fundamentalen Problemen verbunden: (1) unklare Kausa-litäten, (2) dauernde Veränderungen und (3) unvollständige Informationen respektive Daten.1

Informationen zum Finanzstandort Schweiz werden u. a. durch das Datenportal der Schweizeri-schen Nationalbank (SNB) bereitgestellt. Diese Institution wird durch die Nationalbankverordnung (NBV)2 gemäss Art. 3 NBV ermächtigt, statistische Erhebungen durchzuführen:

a. zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben; b. zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Überwachung von Zahlungs- und Effektenab-

wicklungssystemen; c. im Rahmen ihres Beitrags zur Stabilität des Finanzsystems; d. für internationale Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, und e. für die Erstellung der Zahlungsbilanz und der Statistik über das Auslandvermögen.3

In einer Volkswirtschaft stellen Haushalte und Unternehmen und damit auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber die zentralen Wirtschaftsakteure dar. Sie berücksichtigen bei ihrer Finanzierung zu-künftige Entwicklungen, können aber nur anhand verfügbarer Informationen begrenzt rational handeln (sog. bounded rationality gemäss Herbert Alexander Simon (1916–2001)).4 Da be-grenzte Wissensbestände jedoch nicht endgültig sind, lassen sie sich durch Informationsbeschaf-fung und -verarbeitung von Finanzkennzahlen im Rahmen eines Gedankenspiels erweitern.5 Die

1 Vgl. hierzu auch Matheis, K.; Prange, S. (2017). Viele Wahrheiten, in: WirtschaftsWoche vom 24. März. Im

Big-Data-Zeitalter besteht auch das Risiko der Gläubigkeit in ökonomische Modellaussagen, die umso gefähr-licher sein kann, als sie unreflektiertes Vertrauen in Algorithmen fördert. Vgl. Kaeser, E. (2017). Wenn Mathe-matik zur Waffe wird, in: NZZ vom 21. Dezember, S. 44.

2 Verordnung zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank vom 18. März 2004 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20040259/index.html). Die SNB hat 1907 in Bern und Zü-rich ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen.

3 Das Datenportal der SNB stellt die wichtigste Informationsquelle dieser Bundespublikation dar (https://data.snb.ch). Obwohl statistische Daten stets vergangenheitsbezogen sind, sind sie ein wichtiger Be-standteil konkreter Vorhersagen. So lassen sich z. B. durch eine reine Extrapolation mögliche Prognosen ab-leiten, deren Güte wiederum von der Qualität der empirischen Datenbasis abhängt. Da vergangene Ereignisse auch von Zufall beeinflusst sind, sollten Extrapolationen oder Trends jedoch mit Vorsicht betrachtet werden. Vgl. hierzu Schüller, K (2015). Statistik und Intuition – Alltagsbeispiele kritisch hinterfragt, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg, 294 S. Dennoch sind im richtigen Leben Ereignisse zumeist voneinander abhängig, womit bereits Geschehenes einen Einfluss auf Zukünftiges hat. Vgl. Dobelli, R. (2017). Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 17. Auflage, dtv Verlagsgesellschaft, München, S. 121ff. (Der Spielerfehlschluss).

4 Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler erhielt 1978 den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel (1833–1896). Simon wurde für seine Erfor-schung der Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsorganisationen geehrt.

5 Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung können nach Regeln der Selektion, der Klassifikation und der Interpretation erfolgen. Vgl. hierzu Siegenthaler, H. (1993). Regelvertrauen, Prosperität und Krisen – die Un-gleichmässigkeit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung als Ergebnis individuellen Handelns und sozialen Lernens, Mohr Siebeck, Tübingen, 258 S.

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vorliegenden Erläuterungen bieten daher statistische und wirtschaftshistorische Zusatzinformati-onen zu den einzelnen Tabellen und Abbildungen in der Bundespublikation Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen. Die Fussnoten in diesen Erläuterungen weisen auf weiterführende Quel-len hin (Literatur und Internet). Dabei wird der Rahmen bewusst etwas weiter gesetzt, um die Leinwand des Finanzstandorts z. B. auch kulturell, architektonisch und selbstsprechend auch geografisch aufspannen zu können.

Die Aktualisierung der Datenwerte in der Publikation selbst hängt von zwei Komponenten ab:

a. vom Veröffentlichungsrhythmus der jeweiligen Primärquellen der Daten,6 und b. vom halbjährlichen Erscheinungsrhythmus der Bundespublikation selbst (anfangs April

und anfangs Oktober eines Kalenderjahres).

Gegenüber der letzten und 14. Ausgabe dieser Bundespublikation (Oktober 2018) konnten die Tabellen 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10, 12, 13 und 14 sowie die vier Abbildungen 1, 2, 4 und 5 aktualisiert werden. Die Datenwerte in den 14 Tabellen werden jeweils für drei Zeitpunkte angegeben. Je nach Tabelle betragen die zwei Differenzen zwischen den drei gewählten Zeitpunkten fünf Jahre oder ein Jahr:7 Eine längerfristige Betrachtung interessiert bei tendenziell strukturellen Daten, eine kurzfristige Betrachtung bei tendenziell konjunkturellen Daten. Ebenso wird in den Fussno-ten der Tabellen ausgewiesen, ob es sich um Jahreswerte oder Jahresendwerte handelt. Erstere stellen eine Zeitraumbetrachtung (in der Regel von 1 Jahr) dar, womit die Datenwerte einer Fluss-grösse entsprechen. Letztere stellen eine Zeitpunktbetrachtung dar, d. h. die Datenwerte bezie-hen sich auf einen Stichtag (in der Regel: 31. Dezember) und entsprechen somit einer Bestan-desgrösse. Auch wenn die Datenwerte regelmässig aktualisiert werden, so bieten die ausgewählten Aspekte respektive Informationseinheiten in den 14 Tabellen und fünf Abbildungen ein möglichst zeitloses Themenspektrum des Finanzstandorts Schweiz. Sowohl die Bundespub-likation als auch diese Erläuterungen verfolgen den Ansatz, mittels der makroökonomischen Ad-lerperspektive das «Grosse Ganze» zu zeigen und dadurch relevantes Wissen zum Finanzstand-ort Schweiz aus der täglichen Informationsflut herauszufiltern und miteinander zu verbinden. Dabei soll situativ und an geeigneter Stelle auch die mikroökonomische Froschperspektive nicht fehlen.

Im Folgenden werden die 14 Tabellen der Bundespublikation gegliedert nach ihren fünf Kapiteln erläutert. Am Ende des Dokuments finden sich gesammelt die Ausführungen zu den fünf Abbil-dungen sowie Angaben zum Titelbild und zur Kontaktadresse. Viel Vergnügen!

6 Es werden ausschliesslich offizielle Daten, d. h. von Schweizer oder in seltenen Fällen von ausländischen

Behörden genutzt. Daten von Verbänden oder anderen Interessengruppen finden keinen Eingang in die Pub-likation, um ein möglichst neutrales Bild des Finanzstandorts Schweiz zu generieren.

7 Die einzige Ausnahme bildet Tabelle 3, die Zweijahres-Differenzen aufweist. Im Falle der Fünfjahres-Differenz ergibt sich ein gesamter Zeitraum von zehn Jahren respektive einer Dekade (in Griechisch: deka = zehn); dadurch wird auch versucht, dem wirtschaftshistorischen Charakter dieser Erläuterungen Rechnung zu tragen.

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1. Grundelemente Tabelle 1: Wertschöpfung

• Die Berechnung des Bruttoinlandprodukts (BIP) geht auf den US-amerikanischen Öko-nomen Simon Smith Kuznets (1901–1985) zurück, der sich mit wirtschaftsstatistischen Fragen zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft beschäftigte.8 Da-her misst sich seit dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) der Wohlstand eines Landes am BIP. Wie spätere Untersuchungen zeigten, ist dieser Indikator mit gewissen Schwächen verbunden, da er nur die mit einem Preis bewerteten Güter respektive Produktionsfakto-ren berücksichtigt.9 Bereits 1968 klagte der damalige US-Senator Robert Kennedy (1925–1968): „Das BIP misst alles, ausser dem, was das Leben lebenswert macht.“ Be-sondere Schwierigkeiten sind gerade mit der Erfassung von Finanzdienstleistungen ver-bunden. Noch in den 1950er Jahren zeigten die Daten einen geringen Beitrag dieser Leistungen zum BIP. Nach Revisionen der Erfassung zwischen 1968–1975 stieg deren Beitrag deutlich an, weil neu risikobedingte Einkommen berücksichtigt wurden. Alternativen zum BIP sind z. B. der seit 1990 durch die Vereinten Nationen (UNO) veröf-fentlichte Human Development Index10 sowie der Inclusive Wealth Index,11 der u. a. Da-ten zum Human-, Produktions-, Natur- und Gesundheitskapital eines Landes umfasst. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte 2011 den Better Life Index12 vor, während bereits 2006 die englische Denkfabrik New Economics Foundation den Happy Planet Index13 veröffentlichte (dieser misst z. B. die ökologische Effizienz bei der Erzeugung von Zufriedenheit). 2014 wurde der Good Country Index14 publiziert, der aufzeigt, wie viel ein Land mit seiner Politik und seinem Verhalten für den Planeten und die Menschheit leistet.15 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der World Happiness Report, der sich in seiner aktuellen Ausgabe 2018 schwergewichtig mit der Zufriedenheit von Immigranten in einzelnen Ländern befasst.16 Trotz Schwächen bleibt das BIP das bekannteste Instrument auf dem Armaturenbrett der Wirtschaftspolitik und somit Leitindikator der wirtschaftlichen Entwicklung, da es z. B. mit Gesundheit, Bil-dung, Freiheit, Lebensstandard und Glück korreliert.17

8 Kuznets (Wirtschaftsnobelpreis 1971) befasste sich mit den Gründen des wirtschaftlichen Wachstums, die zu

vertieften Einsichten in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und Entwicklungsprozesse führten. 9 Ein nicht erfasster Beitrag an die Wertschöpfung stellt die Haushaltsproduktion dar, d. h. die unbezahlte Arbeit.

2016 wurden in der Schweiz 9,2 Mrd. Stunden unbezahlt gearbeitet. Dies sind über 1 Mrd. Stunden mehr als für bezahlte Arbeit aufgewendet wurden. Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit wurde 2016 auf 408 Mrd. Fr. geschätzt. Dies entspricht rund zwei Drittel des BIP. Vgl. hierzu BFS (2017). Der Wert der unbezahlten Arbeit: Satellitenkonto Haushaltsproduktion 2016, Medienmitteilung vom 11. Dezember, Neuchâtel, 5 S.

10 http://hdr.undp.org/en/content/human-development-index-hdi 11 http://sdg.iisd.org/news/unu-unep-launch-inclusive-wealth-index-for-measuring-sustainability 12 http://www.oecdbetterlifeindex.org 13 http://happyplanetindex.org 14 https://goodcountry.org/good-country/data-treatment 15 Einen weiteren Ansatz bietet das kleine Königreich Bhutan im Himalaya: Dort gilt nicht das BIP als Mass aller

Dinge, sondern das Bruttonationalglück. So bezeichnen sich 40% der Einwohner als glücklich. Vgl. UBS (2017). UBS Magazin – Kopf hoch. Warum Optimismus guttut, Zürich, S. 5. Bhutan hat 1991 im Zuge der politischen Öffnung die Genfer Konventionen unterzeichnet und ist seither dem Humanitären Völkerrecht ver-pflichtet. Dies bedingt auch eine nationale Rotkreuzgesellschaft im Rahmen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, deren Ursprünge auf den Genfer Henry Dunant (1828–1910; erster Friedensnobel-preis 1901) zurückgehen. Vgl. Mathis D., Schindler K. (2018). Die Geburt eines neuen Roten Kreuzes, in: SRK (Hrsg.) Humanité 1, S. 26f.

16 http://worldhappiness.report. Gemäss diesem Bericht sind die fünf glücklichsten Länder: Finnland, Norwegen, Dänemark, Island und die Schweiz. Vgl. auch Moore, B. (2019). In der Ruhe liegt das Glück, in Tages-Anzeiger (Hrsg.) Das Magazin No. 3, 16. Februar, S. 5.

17 Vgl. (1) Scheidegger, E. (2018). Das BIP als unerlässlicher Kompass, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 6ff.; (2) Coyle, D. (2014). GDP – A Brief but Affectionate History. Princeton University Press, Princeton. 168 S., oder (3) Jackson, T. (2013). Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, oekom Verlag, München, 248 S.

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• Der internationale Standard System of National Accounts18 (SNA) dient der Berechnung des BIP und wurde 1968 durch die Statistikkommission der UNO entwickelt. Ausgehend vom SNA-Konzept baute die (damalige) Europäische Gemeinschaft (EG) ein eigenes System nach ihren Bedürfnissen auf: das Europäische System Volkswirtschaftlicher Ge-samtrechnungen (ESVG). Gemeinsam mit den EU-Ländern hat die Schweiz Ende Sep-tember 2014 die Version ESVG 2010 eingeführt. Dabei wurden ab 1995 revidierte Jah-res- und Quartalsdaten vom Bundesamt für Statistik (BFS)19 und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) berechnet, in denen z. B. auch die Kapitalisierung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), für Kriegsmaterial sowie für Drogen und Prostitu-tion enthalten ist. Sämtliche in Tabelle 1 ausgewiesenen Daten basieren auf der Methode ESVG 2010. In den letzten Jahren äusserten die Nutzerinnen und Nutzer der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ein Bedürfnis nach weiterführenden Informationen zur Entwick-lung des Finanzsektors. So nimmt dessen Regulierung zu, ohne dass dabei ein direkter Einfluss auf die Daten beobachtet werden kann. Die zunehmende Digitalisierung20 der Finanzgeschäfte sowie die Entwicklung des Schattenbankenwesens21 werden im Rah-men der VGR ebenfalls noch nicht komplett erfasst. Diese Veränderungen werden in ver-schiedenen internationalen Arbeitsgruppen besprochen, um die VGR konzeptuell oder methodisch anzupassen. Die nächste Revision ist für 2020 vorgesehen, wobei die Ent-wicklung von neuen Erhebungssystemen oder die Einführung neuer statistischer Quellen einen Einfluss auf die Schätzungen im Finanzsektor haben könnten.22

• Die Daten zur Wertschöpfung (BIP) während eines bestimmten Jahres werden durch das

SECO als Schätzung jeweils anfangs März des Folgejahres veröffentlicht. Die endgülti-gen Ergebnisse folgen anfangs September dieses Folgejahres. Das SECO führt für jedes Quartal eine BIP-Schätzung durch. Diese quartalsweisen Schätzungen der BIP-Datenwerte liefern den Wirtschaftsakteuren frühzeitig eine erste Einschätzung der Kon-junkturentwicklung.23

• Die Werte sind in nominalen Grössen, d. h. zu laufenden Preisen angegeben. Die Preise

werden somit nicht um die Inflation respektive Deflation bereinigt.24 Verwechseln Unter-

18 Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. 19 Das BFS stellt nebst der SNB eine weitere bedeutende Primärquelle für die Bundespublikation Finanzstandort

Schweiz – Kennzahlen dar. Dieses Amt wurde 1860 in Bern als Eidgenössisches Statistisches Büro gegründet – nahezu 50 Jahre vor der SNB. Seit 1998 ist sein Sitz in Neuenburg. Das Bundesstatistikgesetz (BstatG) bezweckt gemäss Art. 1 u. a., der Wirtschaft und der Öffentlichkeit statistische Ergebnisse zur Verfügung zu stellen (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19920252/index.html).

20 Die Digitalisierung im Finanzsektor wird auch mit dem Begriff Financial Technology (Fintech) umschrieben. Dabei handelt es sich um innovative Software-Lösungen für Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse des Finanzsektors, wie z. B. Big Data Analytics, Chatbots, Crowdfunding, Personal Finance Management oder Smart Contracts. So hat 2018 die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ein neues Beratungsmodell lanciert, das dem Kunden ermöglicht, sein Portfolio automatisch mit den Positionierungen ihres Chief Investment Officers (CIO) zu vergleichen. Nebst Fintech-Unternehmen gilt es auch, die GAFA-Konzerne und ihre Rolle im Finanzsektor zu berücksichtigen (GAFA = Google, Apple, Facebook, Amazon). Vgl. Affolter, Ch. (2017). Il faut être actif face aux fintechs, in: L’Agefi vom 30. November, S. 8. Da es seitens SNB und/oder BFS keine Daten zum Thema Fintech gibt, kann dieser Wirtschaftszweig in der Bundespublikation noch nicht vollständig abgebildet werden. Gemäss einer Erhebung von Swisscom gibt es in der Schweiz gegenwärtig 215 Fintech-Start-ups. Vgl. Credit Suisse (Hrsg.). Finanzplatz Schweiz 2018 – Von der Krise zum Wachstum, Zürich, S. 14. In der Schweiz füh-rend im Bereich Fintech sind die Städte Zug und Zürich. Vgl. Farine, M. (2018). Les investissements dans la fintech décollent, in: Le Temps vom 2. Juni, S. 14.

21 Als Schattenbank (shadow bank) wird ein Finanzunternehmen bezeichnet, das ausserhalb des regulierten Bankensystems im Rahmen der Finanzintermediation tätig ist. Dem Schattenbankenwesen (shadow banking respektive parallel banking) werden zusätzlich zu den Unternehmen auch Aktivitäten wie z. B. Verbriefungs-transaktionen zugerechnet.

22 Vgl. BFS (2017). BFS Aktuell, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1995–2014, Analyse des Finanzsektors innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Schweiz, Neuchâtel, 8 S.

23 Vgl. Bachmann, A, Indergand, R. (2018). Quartalsschätzung verkürzt das Warten auf die BIP-Zahlen, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 3, S. 18–22.

24 In den Wertschöpfungsdaten ist ebenfalls nicht ersichtlich, ob Unternehmen Preise nach dem Sozialstatus eines privaten Haushalts oder nach anderen Kriterien differenzieren (sog. Prix à la tête du client; vgl.

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nehmen oder Haushalte nominale mit realen Grössen – die zu konstanten Preisen ermit-telt werden – so unterliegen sie der Geldillusion (sog. money illusion). Als Geld gilt nicht nur Bargeld,25 sondern auch elektronisches Geld wie Buchgeld oder Kryptowährungen.26 Die bekannteste Kryptowährung ist Bitcoin (BTC),27 die jedoch keinen Substanzwert hat wie z. B. Bargeld oder Aktien eines Unternehmens; andere bekannte Kryptowährungen sind Ether (ETH) und Litecoin (LTC).28 Der Basler Mathematiker Daniel Bernoulli (1700–1782) erkannte bereits vor rund 300 Jahren, dass der Nutzen von zusätzlichem Geld (sog. Grenznutzen des Frankens) abnimmt, je mehr man schon davon besitzt.29

Tabelle 2: Beschäftigte

• Die Daten zur Beschäftigungsstatistik (BESTA) werden seit 1925 quartalsweise durch das BFS erhoben. Die Werte beruhen heutzutage auf einer repräsentativen Stichprobe von 18‘000 Unternehmen respektive 65‘000 Betrieben im 2. und 3. Wirtschaftssektor. Ziel der Statistik ist die Erstellung von verschiedenen Konjunkturindikatoren, welche die Ent-wicklung der Beschäftigung in der Schweiz verfolgen. Die Datenwerte sind ab 1992 unter www.besta.bfs.admin.ch verfügbar, wobei sich die ausgewiesenen Quartalswerte jeweils auf den letzten Monat innerhalb eines Quartals (d.h. März, Juni, September oder Dezem-ber) beziehen. Somit handelt es sich weder um Monatsend- noch Monatsdurchschnitts-werte, sondern um die Summe sämtlicher innerhalb eines letzten Quartalsmonats be-schäftigten Personen. Eine Person wird nur einmal erfasst, auch wenn sie z. B. mehrere Teilzeitanstellungen hat, d. h. die BESTA ist personen- und nicht stellenorientiert.30

https://www.frc.ch/prix-a-la-tete-du-client). Dies liegt daran, dass das BIP ein makroökonomisches Gesamtag-gregat darstellt, in dem die mikroökonomische Preispolitik einzelner Unternehmer nicht erkennbar ist. Das BIP der Schweiz beträgt rund 0,9% des weltweiten BIP.

25 Das Bargeld in Form von gedruckten Banknoten oder geprägten Münzen ist heute die bekannteste physische Form von Geld. Die Schweizer Banknoten werden im Auftrag der SNB seit 1911 durch die Orell Füssli Holding AG gedruckt; der gleichnamige Verlag existiert seit 1519 und gilt als eines der ältesten Gewerbeunternehmen der Schweiz. Dieses Zürcher Unternehmen druckte bereits 1848 die erste Banknote für die Leih- und Spar-kasse des Seebezirks im sankt-gallischen Uznach. Unter den Kunden gab und gibt es auch ausländische Auftraggeber, wie z. B. Ungarn, dessen Banknoten Orell Füssli bis 1924 druckte. Afghanistan und die Türkei zählen auch heutzutage zum Kundenkreis der SNB. Vgl. Musée National Suisse (ed.). De la Bible au billet de banque, in: Magazine, No. 1/2019, Zurich, S. 12–13.

Die 1872 gegründete Papierfabrik Landquart stellt heute unter dem Namen LandQart Spezial- und Sicherheits-papier für den internationalen Markt her, so z. B. auch für die Herstellung von Schweizer- und Euro-Banknoten. Vgl. Rätisches Museum (2015). Arbeit und Brot, S. 17. Im Dezember 2017 übernahm die SNB 90% der Unter-nehmensanteile der LandQart AG (www.landqart.com). Die Schweizer Münzen werden durch Swissmint – vormals die Eidgenössische Münzstätte – geprägt und über die SNB in Umlauf gebracht (http://www.swissmint.ch). In der Stadt Zürich besass seit dem 11. Jahrhundert, d. h. vor der Gründung der Alten Eidgenossenschaft mittels Rütlischwur (1291), die Abtei Fraumünster das königliche Münzrecht. Diese Epoche endete mit der kirchlichen Erneuerungsbewegung der Reformation, die 1517 mit Martin Luthers (1483–1546) Thesen am Tor der Wittenberger Schlosskirche begonnen haben soll. Er prangerte u. a. die breit ange-legte Kapitalisierung des Ablasses an, mit dem die Kirche in einer Verbindung aus Seelsorge und Finanzderi-vaten das verbriefte (Seelen-)Heil verkaufte und auf diese Weise ihre Haushaltslöcher stopfte.

26 Dies zeigt sich auch beim Ausfüllen der Steuererklärung und des dazugehörigen Wertschriftenverzeichnisses. Kryptowährungen sind offenzulegen, da ihr Besitz vergleichbar ist mit jenem von Bargeld und Edelmetallen. Vgl. Lehmann-Maldonado, St. (2019). Was gehört wie ins Wertschriftenverzeichnis, in: ZKB (Hrsg.). Meine Vorsorge – Das Magazin zu Vorsorge, Nachfolge und Steuern, Februar, S. 7–9.

27 Bitcoin wurde 2007 vom unbekannten Satoshi Nakamoto erfunden. 2010 erfolgte die erste Zahlung. Vgl. Vereb, K. (2018). Das Geld zählt – Wie geht man richtig damit um?, in: Coopzeitung vom 16. Januar, S. 12–17. Am 16. Februar 2018 hat die FINMA eine Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs) veröffentlicht. Bei einem ICO überweisen die Anleger finanzielle Mittel in der Regel in Form von Kryp-towährungen an den ICO-Organisator (https://www.finma.ch/de/news/2018/02/20180216-mm-ico-wegleitung). Kryptowährungen basieren auf dem Blockchain-Konzept und der damit verbundenen Distributed-Ledger-Tech-nologie (sog. verteiltes Kontenbuch). Diese ermöglicht einen dezentralen Geldtransfer ohne Zwischenschal-tung einer zentralen Gegenpartei. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigt sich mit der Frage, ob Kryptowährungen langfristig eine Rolle im Geldsystem spielen können; vgl. BIZ (2018). Wirt-schaftsbericht – Kapitel V. Kryptowährungen: ein Blick hinter den Hype, Basel, 28 S. Am 27. März 2019 exis-tierten weltweit 2129 unterschiedliche Kryptowährungen, deren Marktkapitalisierung 141 Mrd. US-Dollars be-trug; vgl. https://coinmarketcap.com.

28 Am 27. März 2019 wurden diese drei Kryptowährungen zu folgenden Wechselkursen gehandelt: 1 BTC = 4049 US-Dollars; 1 ETH = 139 US-Dollars und 1 LTC = 61 US-Dollars.

29 Eine in der Umgangssprache gebräuchliche Bezeichnung für Geld ist das aramäische Wort Mammon. 30 Deshalb werden die Werte der BESTA in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und nicht in Arbeitsstellen ausgewiesen.

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• Diese Tabelle gliedert sich in die drei Kategorien der Finanzdienstleistungen (NOGA 64),

Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) und Mit Finanz- und Versicherungsdienstleis-tungen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66). NOGA bezeichnet die Allgemeine Systema-tik der Wirtschaftszweige respektive die Nomenclature générale des Activités écono-miques.31 Dieses System datiert von 2008 und ist nahezu kompatibel mit der EU-Systematik der Wirtschaftszweige (Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne, NACE). Mit NOGA lassen sich wirtschaftliche Aktivi-täten in 85 Wirtschaftszweige klassieren, auf fünf Stufen untergliedern und international bis auf die vierte Stufe vergleichen; die fünfte Stufe lässt nationale Besonderheiten zu. Die Kodierung umfasst 2- bis 6-stellige Ziffern, die oberste (Branchen-)Stufe wird mit ei-nem Buchstaben gekennzeichnet. Die drei Wirtschaftszweige 64, 65 und 66 entsprechen zusammen dem Abschnitt K „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistun-gen“. Nebst NOGA gibt es auch eine statistische Systematik von Eurostat zur eindeutigen Identifizierung und Klassifizierung von Raumeinheiten innerhalb Europas (Nomenclature des unités territoriales statistiques, NUTS). Dabei decken sich die sieben Grossregionen in der Schweiz mit NUTS 2. Als Schweizer Grossregionen gelten: Espace Mittelland, Genferseeregion, Nordwestschweiz, Ostschweiz, Tessin, Zentralschweiz und Zürich.

• Im Februar 2016 wurden sämtliche BESTA-Ergebnisse umfassend revidiert veröffent-licht. Die Revision hat rückwirkend grundsätzlich zwei Effekte auf die ausgewiesenen Beschäftigten am Finanzstandort: (1) Die Werte für das Total des Finanzstandorts (NOGA 64–66) wurden für die Jahre 1991–2003 leicht nach unten revidiert, während die-jenigen für die Jahre 2004–2015 leicht nach oben korrigiert wurden. (2) Deutlich mehr Beschäftigte wurden dem Wirtschaftszweig Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistun-gen verbundene Tätigkeiten (NOGA 66) zugeschrieben und zwar vor allem auf Kosten der Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65).

• NOGA 66 beinhaltet u. a. den Effekten- und Warenhandel, aber auch Fondsleitungen und -management.32 Dieser Wirtschaftszweig wird in Tabelle 1 im Rahmen der Erfassung der Wertschöpfung nicht separat ausgewiesen, sondern auf die Finanzdienstleistungen (NOGA 64) und Versicherungsdienstleistungen (NOGA 65) aufgeteilt, wobei der Vertei-lungsschlüssel dem EFD/SIF nicht bekannt ist.

• Die Gesamtbeschäftigung beinhaltet die Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im

2. und 3. Wirtschaftssektor, d. h. diejenigen im Industriebereich (NOGA 05–43) und Dienstleistungsbereich (NOGA 45–96).33 Die rund 100‘000 VZÄ im 1. Sektor (u. a. Land- und Forstwirtschaft; NOGA 01–03) werden in der Gesamtbeschäftigung nicht berücksich-tigt.

31 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/nomenklaturen/noga.html 32 Z. B. die Tätigkeiten von unabhängigen Vermögensverwaltern (External Asset Managers; EAMs). Die rund

2500 EAMs am Finanzstandort Schweiz betreuen Vermögenswerte Dritter aufgrund von Vollmachten. Laut Schätzungen belaufen sich diese Gesamtvermögen auf 400–600 Mrd. Fr. Vgl. Grundlehner, W. (2018). Das angekündigte Sterben bleibt aus: Die unabhängigen Vermögensverwalter behaupten sich – auch in neuen Organisationsformen, in: NZZ vom 7. Mai, S. 26. Nebst EAMs sind auch Stiftungen in NOGA 66 enthalten, die öfters gemeinnützige, kulturelle oder wissenschaftliche Aktivitäten finanzieren.

33 Für die folgenden elf Nummerierungen gibt es sowohl in NOGA als auch in NACE keinen Wirtschaftszweig: 04, 34, 40, 44, 48, 54, 57, 67, 76, 83 und 89. Diese Auslassungen wurden gezielt vorgenommen, um Möglich-keiten einer Anpassung der Systeme zu haben, die z. B. aufgrund der Wirtschaftsentwicklung nötig wird. Mit der Nummer 67 besteht eine Auslassung im Abschnitt K, womit nebst NOGA 64–66 ein vierter Wirtschafts-zweig im Bereich des Finanzstandorts eingeführt werden könnte. Dieser Wirtschaftszweig könnte z. B. den noch nicht vollständig erfassten Bereich Fintech abdecken. Dies wären z. B. Aktivitäten von Unternehmen ausserhalb des klassischen Finanzsektors (z. B. die als UBS-Spin-off gegründete Firma Chain IQ), welche Banken und Versicherer mit neuen Produkten ausstatten oder ihnen die Auslagerung von Dienstleistungen ermöglichen. Demgegenüber wird z. B. eine bankinterne Entwicklung einer App zum Tätigen von Bankge-schäften bereits innerhalb NOGA 64 erfasst.

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• Die SNB veröffentlicht in ihrer Jahresendstatistik ebenfalls Angaben zum Personalbe-stand bei den Banken. Im Gegensatz zur BESTA des BFS wird jedoch nicht der gesamte Wirtschaftszweig NOGA 64 berücksichtigt, sondern nur die Subsamples NOGA 641902–641911. Diese Subsamples decken die Bankengruppen der Geschäftsbanken ab.34 So-mit erfasst die SNB den Personalbestand bei Instituten mit besonderem Geschäftskreis nicht (z. B. die Pfandbriefzentrale, die Pfandbriefbank oder die SIS x-clear AG). Entspre-chend fällt der von der SNB ausgewiesene Personalbestand etwas geringer aus als der-jenige in der BESTA.35

Tabelle 3: Steueraufkommen

• Natürliche Personen (Arbeitnehmer): Das Staatssekretariat für internationale Finanzfra-gen (SIF) berechnet die Steuerbelastung der Haushalte auf allen drei Staatsebenen für die Städte Zürich ZH, Genf GE und Lugano TI.36 Als Basis dient der jährliche Bruttolohn (Zentralwert) im Finanzbereich in diesen drei Städten gemäss Schweizerischer Lohn-strukturerhebung (LSE).37 Als wirtschaftlicher Finanzstandort gelten die drei Wirtschafts-zweige NOGA 64–66. Die Steuerbelastung wird jeweils für die drei Steuertypen Verhei-ratet mit zwei Kindern (inkl. Einelternfamilien), Verheiratet ohne Kinder und Ledig ermittelt. Aus diesen Steuerbelastungen der drei Städte und drei Steuertypen wird ein gewichteter Durchschnitt als Schätzwert für die Steuerbelastung des gesamten Finanz-standorts berechnet. Die Gewichtung erfolgt anhand der prozentualen Verteilung der Summe aller Reineinkommen (für direkte Bundessteuer massgeblicher Nettolohn) in den drei genannten Städten. Für diese Gewichtung werden als Approximation die Steuer-pflichtigen mit einer direkten Bundessteuer verwendet. Die ermittelte durchschnittliche Steuerbelastung wird mit dem Total der Anzahl VZÄ-Beschäftigten am Finanzstandort gemäss BESTA multipliziert.38 Die LSE wurde erstmals 1994 durch das BFS durchgeführt und liefert seither alle zwei Jahre detaillierte Informationen zu Lohnniveau, -komponenten und -struktur in der Schweizer Volkswirtschaft. Anlässlich der 10. Ausgabe (2012) hat das BFS eine Revision der LSE durchgeführt. Wichtige Neuerungen betrafen einerseits die einheitliche Definition der Lohnkomponenten gemäss Standards, die in den Unternehmen geläufig sind (Lohn-arten in der Lohnbuchhaltung, Rubriken des Lohnausweises usw.) und die von anderen Lohndaten erhebenden Verwaltungseinheiten anerkannt sind, wie z. B. Ausgleichskas-sen, Steuerverwaltungen, Versicherer und die Schweizerische Unfallversicherungsan-stalt (SUVA). Andererseits wird auch eine detailliertere Aufgliederung der Entlöhnung vorgenommen, um auch ohne zusätzliche Direkterhebungen über Daten zu den Arbeits-kosten und zu den Lohnnebenleistungen (Fringe Benefits) zu verfügen.

34 Die einzelnen Bankengruppen werden in der Bundespublikation (Tabelle 6 und Abbildung 3) genannt. 35 Nebst Berücksichtigung unterschiedlicher statistischer Gruppierungen (sog. Subsamples) können auch Son-

dereffekte Auswirkungen auf den ausgewiesenen Personalbestand haben. So haben die beiden Grossbanken UBS Group AG und Credit Suisse Group AG im Zuge der Too-big-to-fail-Regulierung ihre Organisation ange-passt und zentrale Dienstleistungsstellen eingerichtet, die über keine Banklizenz verfügen und somit statistisch nicht erfasst werden, Vgl. Gallarott, E. (2018). Banken beschäftigen etwas weniger Personal – Der starke Rückgang in der Statistik ist auf einen verzerrenden Sondereffekt zurückzuführen, in: NZZ vom 29. Juni, S. 25. Zugleich lassen sich aber auch gegenläufige Entwicklungen beobachten, bei denen (dieselben) Banken eine Strategie des Insourcing betreiben. Vgl. Imwinkelried, D. (2018). Die UBS holt Fachkräfte zurück in die Firma, In: NZZ vom 17. August, S. 23.

36 Diese drei Städte dienen als geografische Approximation für den Finanzstandort Schweiz. Zugleich sind dies die einzigen drei Schweizer Finanzplätze, die im Global Financial Centres Index (GFCI) bewertet werden kön-nen und entsprechend über ein Ranking verfügen. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Abbildung 1 in diesen Erläuterungen. Eine vorwiegend statistische Untersuchung des Finanzplatzes Tessin bietet: Centro di Studi Bancari (Hrsg.). La piazza finanziaria ticinese 2017, Vezia, 71 S.

37 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erhebungen/lse.html 38 Hierzu wird der Durchschnitt der vier Quartalswerte der VZÄ-Beschäftigten während eines Jahres berechnet.

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Das BFS hat die 13. Erhebung im Januar 2019 begonnen, die das Jahr 2018 abdeckt. Voraussichtlich werden die Ergebnisse der LSE 2018 im Mai 2020 publiziert werden, wo-mit sie erstmals für die Ausgabe Oktober 2020 der Publikation „Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen“ berücksichtigt werden können.

• Juristische Personen (Arbeitgeber): Das Steueraufkommen der Banken wird durch die SNB veröffentlicht, dasjenige der Versicherer durch die Eidgenössische Finanzmarktauf-sicht (FINMA). In diesen Unternehmen sind die Krankenkassen sowie die ausländischen Niederlassungen von Versicherern in der Schweiz nicht enthalten. Ebenfalls nicht be-rücksichtigt in dieser Rubrik werden die Ertrags- und Kapitalsteuern der übrigen Finanz-dienstleister (NOGA 66).

• Abgrenzung des Steueraufkommens des Finanzstandorts: (1) Nicht berücksichtigt sind

die Gewinnausschüttungen des Finanzstandorts, die beim Empfänger steuerpflichtig werden sowie die Stempelabgaben und die Verrechnungssteuer. (2) Makroökonomische Wirkungsanalysen zeigen, dass die Nachfrage der Akteure im Finanzsektor nach Vor-leistungen aus anderen Branchen zu weiteren Wertschöpfungs- und Steuereffekten im Finanzsektor führen können. Dieses indirekt generierte Steueraufkommen wird ebenfalls nicht erfasst.39

• Steuern auf Einkommen und Vermögen (Bund, Kantone und Gemeinden): Die Eidgenös-

sische Finanzverwaltung (EFV) ermittelt das gesamte direkte Steueraufkommen, das sich aus zwei Hauptkomponenten zusammensetzt: (1) den direkten Steuern natürlicher Personen (insbesondere Einkommen-, Vermögens- und Quellensteuern) und (2) den di-rekten Steuern juristischer Personen (insbesondere Gewinn-, Kapital- und Quellensteu-ern). Nicht berücksichtigt in den Steuern auf Einkommen und Vermögen (= direkte Steu-ern) werden die Verrechnungs-, die Grund-, die Vermögensgewinn-, die Vermögensverkehr-, die Erbschafts- und Schenkungssteuern sowie die Spielbanken- und Spielautomatenabgabe. Ebenso finden auch sämtliche Besitz- und Aufwand-, Ver-brauchssteuern, Verkehrsabgaben sowie Zölle keinen Eingang in das gesamte Steuer-aufkommen.

39 In zwei Studien wird eine Schätzung dieser indirekten Effekte vorgenommen: Vgl. hierzu die Ausführungen zu

Abbildung 1 in diesen Erläuterungen.

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2. Globale Integration Tabelle 4: Netto-Exporte

• Die Systematik der Zahlungsbilanz und diejenige des Auslandvermögens wurden 2014 auf den neuen Zahlungsbilanzstandard des Internationalen Währungsfonds (IWF) umge-stellt (Balance of Payments and International Investment Position Manual, Sixth Edition; BPM6).40 Erstmals wurden die Ergebnisse der Zahlungsbilanz und des Auslandvermö-gens per 1. Quartal 2014 gemäss diesem neuen Standard veröffentlicht. Im Zusammen-hang mit der Umstellung auf BPM6 wurden auch erstmals die Ergebnisse der neuen Leistungsbilanzerhebungen publiziert. Zur Modernisierung der beiden Systematiken ge-hören auch (1) die Erfüllung der Anforderungen aus dem bilateralen Statistikabkommen mit der EU und (2) die Revision der Direktinvestitionsstatistik gemäss dem neuen Hand-buch der OECD (Benchmark Definition of Foreign Direct Investment, Fourth Edition; BMD4). Beide Elemente wurden 2015 implementiert.

• Die internationale Verflechtung des Finanzplatzes erklärt auch das Interesse der Schweiz

an der Rechtsentwicklung wichtiger Partnerländer. Standards können bei der Erstellung und Weiterentwicklung nationaler Regeln als Massstab dienen. Insbesondere anerkannte internationale Standards eignen sich, gleich lange Spiesse – also ein level-playing-field – zwischen Ländern zu schaffen. Dadurch wird die grenzüberschreitende Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erleichtert. Wichtige Bereiche für den Finanz-standort Schweiz sind hierbei die Vermögensverwaltung und das Asset Management für private und institutionelle Anleger im Ausland,41 wobei die Betreuung ausländischer Kun-den aus der Schweiz erfolgen sollte (sog. Marktzugang). Dadurch kann der Beitrag an die Wertschöpfung am Standort Schweiz anfallen.42 Die Schweiz hat zwecks Stabilität und Verlässlichkeit ihrer Beziehungen zu anderen Ländern insgesamt rund 4000 bilate-rale Verträge – oft mit Nachbarstaaten – und rund 1000 multilaterale Verträge abge-schlossen.

Tabelle 5: Direktinvestitionen

• Direktinvestitionen sind eine Form des Kapitaltransfers. Dabei kann ein Mutterunterneh-men am Finanzstandort Schweiz Tochterunternehmen im Ausland errichten oder Betei-ligungen an ausländischen Unternehmen erwerben. Aus Sicht des Mutterunternehmens gibt es zahlreiche Gründe, die für Investitionen im Ausland sprechen können, wie z. B. Öffnung des Marktzugangs, niedrigere Löhne und/oder steuerliche Vorteile. Die in der Bundespublikation festgehaltene Erkenntnis, dass die Verflechtung von Volkswirtschaf-ten den menschlichen Zusammenhalt fördere, geht auf den österreichischen-amerikani-schen Wirtschaftswissenschafter Ludwig von Mises (1881–1973) zurück.43

40 Vgl. https://www.imf.org/external/pubs/ft/bop/2007/bopman6.htm. Der IWF wurde zusammen mit der Weltbank

nach dem Zweiten Weltkrieg als Bretton-Woods-System gegründet. Dieses wurde nach dem gleichnamigen Ort im US-Bundesstaat New Hampshire benannt, wo 1944 Vertreter der späteren Siegermächte das entspre-chende Abkommen unterzeichneten. Diese internationale Währungsordnung sah Wechselkursbandbreiten vor, in dessen Zentrum der US-Dollar stand, zu dem alle anderen Währungen ein fixes Wechselverhältnis hatten. 1973 wurde das System offiziell ausser Kraft gesetzt, und die meisten Länder gingen zu flexiblen Wech-selkursen über, wobei die beiden Bretton-Woods-Institutionen weiterhin bestehen. Die Schweiz ist ihnen 1992 beigetreten.

41 Vgl. auch Tabelle 8 in der Bundespublikation sowie die Ausführungen hierzu in diesen Erläuterungen. 42 Vgl. Stofer, M. (2017). Finanzplatzpromotion Schweiz: Auf dem Weg zur institutionellen Implementierung, Mas-

terarbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, S. 15f. 43 Vgl. Boettke, P. J. (2005/2006). Von der Unmöglichkeit, kein Unternehmer zu sein – Soziale Kooperation prägt

den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, in: NZZ vom 31. Dezember/1. Januar, S. 29.

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3. Banken und Kreditmarkt Tabelle 6: Anzahl Banken

• Strukturwandel:44 Der Konzentrationsprozess im Bankenwesen am Standort Schweiz lässt sich seit Jahrzehnten beobachten. Bereits im 19. Jahrhundert verlangte das indust-riell getriebene Wirtschaftswachstum nach grösseren Banken, da die kleineren Banken die Finanzierungsbedürfnisse bedeutender Unternehmen nicht erfüllen konnten.45 Nebst den eigenen Wirkungen der Marktkräfte, kann auch der Staat über den Einsatz seines Politikinstrumentariums Einfluss auf die Marktentwicklungen nehmen, so z. B. über einen industriepolitischen Ansatz zur Förderung nationaler Champions. Wettbewerbspolitisch betrachtet ist eine Reduktion der Anzahl Bankinstitute das Ergebnis von Zusammen-schlüssen beziehungsweise Übernahmen oder Konkursen von Banken. Ebenso kann in seltenen Fällen eine (freiwillige) Rückgabe der Lizenz vorliegen. Neugründungen und der Marktzugang ausländischer Institute haben selbstverständlich einen positiven Effekt. Die Statistik zeigt letztlich nur den zumeist abnehmenden Gesamtsaldo (= Total der Institute mit einer Bankenbewilligung durch die FINMA).46 Die Entwicklung der Anzahl Geschäftsstellen am Standort Schweiz zwischen 1988–2017 offenbart, dass sich diese von 5555 auf 2937 und somit um knapp die Hälfte vermindert hat. Die Anzahl Institute mit einer Bankenbewilligung reduzierte sich über denselben Zeit-raum von 626 auf 253 und somit gar um -60%. Damit verfügt ein Bankinstitut heutzutage über mehr Geschäftsstellen als früher – eine Entwicklung, die auch durch die Globalisie-rung getrieben wird.47

44 Der gebürtige österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) hat im Zusammenhang

mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel den Begriff der kreativen respektive schöpferischen Zerstörung ge-prägt. Die Kernaussage lautet, dass jede ökonomische Entwicklung eine Neukombination von Produktionsfak-toren bedingt, wodurch alte Strukturen verdrängt und schliesslich eliminiert werden. Die Zerstörung ist also notwendig − und nicht etwa ein Systemfehler −, damit eine Neuordnung der Gesamtwirtschaft stattfinden kann. Vgl. hierzu Schumpeter, J. A. (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin, 548 S.

45 So ortete bereits der Ökonom und spätere Zürcher FDP-Bundesrat und EFD-Vorsteher Ernst Wetter (1877–1963) in unsoliden Geschäftspraktiken die Ursachen für die abnehmende Anzahl Banken. In seiner 1918 ver-öffentlichten Habilitationsschrift Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz wies er darauf hin, dass kleinere Bankinstitute mit der zunehmenden Industriefinanzierung finanziell und organisato-risch überfordert seien.

46 Im Gegensatz zu den Bankinstituten mit einer Lizenz der FINMA sind Unternehmen mit einer Fintech-Bewilli-gung bei der SNB für statistische Erhebungen nicht meldepflichtig. In der Folge werden hierzu keine offiziellen Daten publiziert. Diese Banklizenz „light“ respektive Fintech-Bewilligung wurde zusammen mit dem Finanz-dienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) am 15. Juni 2018 durch die Bundes-versammlung angenommen und ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Vgl. Ruche, S. (2019). La licence fintech entre en vigeur, in: Le Temps vom 4. Februar, S. 13.

47 Mittlerweile gibt es mehrere hundert Gemeinden in der Schweiz, die über keinen bedienten Bankschalter mehr verfügen. Vgl. Schmid, S.; Heim, M. (2017). Hunderte von Schweizer Bankenfilialen haben ihre Schalter ge-schlossen, in: Handelszeitung vom 13. Dezember. Im letzten Jahrhundert konnten Kunden der Schweizeri-schen Kreditanstalt (SKA) nahe des Zürcher Paradeplatzes direkt mit ihrem Fahrzeug an einen bedienten Bankschalter vorfahren und vom Auto aus Geld abheben oder andere Bankgeschäfte tätigen. Diese Drive-in-Bank war die erste Autobank der Schweiz und wurde zwischen 1962 und 1983 betrieben. Sie galt damals als grösste und modernste Anlage Europas. Heute befindet sich an dieser Lokalität das Forum St. Peter der Credit Suisse. Die nahe gelegene Kirche St. Peter ist der erste protestantische Sakralbau in der Stadt Zürich nach der Reformation und verfügt über das grösste Zifferblatt Europas. Vgl. Huber, M. (2017). Mit dem Auto in die Schalterhalle, in: Tages-Anzeiger vom 3. November, S. 23. Im Zuge der Anfänge der Digitalisierung eröffnete die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) 1987 an der Bahnhofstrasse in Zürich ihre erste elektronische Bank. Diese verfügte über Bancomaten und Automaten für den Fremdwährungsbezug. Der erste Bargeldau-tomat in der Schweiz ging 1967 ebenfalls in Zürich in Betrieb. Entsprechend warben in den 1960er Jahren auch Banken für Programmierer. 1969 beschloss die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG), ein Projekt zu lancieren, um ihr gesamtes Informationssystem zu digitalisieren. Sie scheiterte, weil sie es nicht verstand, dass Bankgeschäfte in den 1970er Jahren nur dann in den digitalen Raum verlegt werden können, wenn die Grund-strukturen einer Bank neu überdacht würden. Vgl. Gugerli, D. (2018). Wie die Welt in den Computer kam – Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit, S. Fischer, Frankfurt a. M., 251 S. Die Credit Suisse AG erwartet in der Schweiz bis ins Jahr 2024 einen Mangel an 25'000 IT-Spezialisten. Vgl. Credit Suisse AG (Hrsg.) Bulletin 2/2018 – Jobs of the Future, S. 12.

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• Kantonalbanken: Von den 20 Voll- und sechs Halbkantonen verfügen sowohl der Kanton Appenzell Ausserrhoden (AR) als auch der Kanton Solothurn (SO) über keine Kantonal-bank mehr, womit seit Jahren ein Total von 24 Kantonalbanken ausgewiesen wird. Die Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank wurde nach jahrelangen erfolglosen Sanie-rungsversuchen per Ende 1996 aufgelöst bzw. von der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) übernommen und vollständig in deren Konzernstruktur integriert. Bereits Anfang 1995 wurde die Solothurner Kantonalbank privatisiert und unter dem Na-men Solothurner Bank (SoBa) an den damaligen Schweizerischen Bankverein (SBV) veräussert. Aufgrund der Fusion des SBV mit der damaligen SBG 1998 zur UBS AG musste die SoBa aus wettbewerbspolitischen Überlegungen abgestossen werden. Die SoBa ging 2000 an die Basler Versicherung und wird noch heute unter dem Namen Baloise Bank SoBa geführt. In Basel entsteht seit Juni 2017 auf dem Areal der Basler Versicherung der Baloise Park – eine offene Arbeits- und Bewegungszone –, deren Fer-tigstellung für 2020 projektiert ist und sich gleich beim Bahnhof Basel SBB und nahe des BIZ-Turms befindet.48 Die Kantonalbanken sind insgesamt eine recht heterogene Gruppe:49 Mit Abstand am grössten bezüglich Bilanzsumme ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB). So war die Bilanz-summe der ZKB per Ende 2017 grösser als diejenige der nächsten vier Kantonalbanken zusammen (VD, BS, LU, SG) und 55 Mal grösser als diejenige der kleinsten Kantonal-bank (JU).50 Die ZKB öffnete als Bank des Zürcher Volkes ihre Schalter 1870 an ihrem ersten Standort im leer stehenden Zeughaus am (damaligen) Feldhof – dem heutigen Paradeplatz.51 Treibende Kraft war der Fabrikant und Kantonsrat Johann Jakob Keller (1823–1903) aus Fischenthal ZH. 1872 eröffnete die ZKB ihre Pfandleihkasse und bis zur Gründung der SNB 1907 gab sie eigene Banknoten heraus.52 Auch heutzutage bildet der gesetzliche Leistungsauftrag das grundlegende Fundament der ZKB,53 die ebenfalls ein Kooperationspartner des Human Rights Film Festival Zurich ist. Anlässlich ihres 150-Jahr-Jubiläums wird die ZKB auf der Zürcher Landiwiese am 29. Mai 2020 ihren Erleb-nisGarten eröffnen. Dieser wird während 45 Tagen eine Parklandschaft und ein Kultur-pavillon sowie auch hängende Gärten mit Schweizer Pflanzen bieten.54

• Grossbanken: Im April 2015 wurde die UBS Schweiz AG als hundertprozentige Tochter der UBS AG gegründet. Sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft sind seither in die gemeinsame Holdingstruktur der UBS Group AG eingebettet und fliessen als zwei Insti-tute in die statistische Bankengruppe der Grossbanken ein, weil sie beide über eine ei-gene Banklizenz der FINMA verfügen. Diese Umstrukturierung erfolgte aufgrund der Re-gulierung, um die erforderlichen Notfallpläne (sog. Testamente) durch eine Ex-ante-Trennung der systemrelevanten Funktionen zu erfüllen und den neuen Rechtsträger, d. h. die UBS Schweiz AG, damit zu betrauen. Als systemrelevant gelten z. B. das inländi-sche Kreditgeschäft oder der Zahlungsverkehr. In ihren Ursprüngen geht die UBS Group

48 http://www.baloisepark.ch 49 Der Begriff Kantonalbank ist trügerisch, denn einige dieser Banken bieten heutzutage nicht mehr ausschliess-

lich auf ihrem ursprünglichen Hoheitsgebiet Produkte und Dienstleistungen an. Im Kanton Zürich finden sich z. B. auch Geschäftsstellen der Genfer, Luzerner und St. Galler Kantonalbank. Die Glarner Kantonalbank bietet mit ihrer Online-Hypothekenplattform schweizweit Hypotheken an (http://www.hypomat.ch). Ebenso können Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Schwyzer und der Walliser Kantonalbank eine Online-Hypothek abschliessen (www.e-hypo.ch). Die ZKB operiert gar in Österreich und Guernsey.

50 Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalbanken in Zahlen, Basel, 6 S. (www.kantonalbank.ch). 51 Das Zürcher Stimmvolk, d. h. die damals über 20-jährigen Männer, sprach sich am 7. November 1869 mit 86

Prozent Ja-Stimmen für die Staatsbank aus. Vgl. Statistisches Amt Kanton Zürich (Hrsg.) Von Glaubensfreiheit und Maikäfervertilgung, in: Kanton Zürich in Zahlen 2017, S. 11.

52 Von den 24 Kantonalbanken wurden deren fünf nach der SNB gegründet (1907): die Aargauische Kantonal-bank (1913), die Banca dello Stato del Cantone Ticino (1915), die Banque Cantonale du Jura (1979), die Banque Cantonale du Valais (1917) und die Urner Kantonalbank (1915). Vgl. VSKB (2018). Die Kantonalban-ken in Zahlen, S. 2. Die älteste Kantonalbank ist die Banque Cantonale de Genève (1816), gefolgt von der Berner Kantonalbank (1834) und der Banque Cantonale Vaudoise (1845).

53 Vgl. Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in: ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank, No. 4, S. 18–23.

54 https://2020.zkb.ch/de/erlebnisgarten

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AG auf die 1862 gegründete Bank in Winterthur zurück, die sich 1912 mit der Toggen-burger Bank zur SBG zusammenschloss. 1872 wurde der Basler Bankverein gegründet, aus dem 1897 nach mehreren Fusionen schliesslich der SBV hervorging.55 1998 ent-stand aus den beiden Grossbanken SBG und SBV die UBS AG und damit der damals weltweit grösste Vermögensverwalter.56 Grösster eingetragener Aktionär der UBS Group AG per 31. Dezember 2018 ist Chase Nominees Ltd. in London mit einem Anteil von 12,08%. Auch die Credit Suisse Group AG hat im vierten Quartal 2016 die Struktur ihrer Gruppe aus regulatorischen Gründen angepasst. In der Schweiz hat sie dazu die Credit Suisse (Schweiz) AG als reine Tochtergesellschaft der Credit Suisse AG gegründet, die im No-vember 2016 den Betrieb als eigenständige Bank innerhalb der Holdingstruktur der Credit Suisse Group AG aufgenommen hat.57 Analog zur UBS Group AG werden auch zwei Institute in der statistischen Bankengruppe der Grossbanken berücksichtigt.58 Die Credit Suisse Group AG geht auf die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) zurück, die 1856 durch Alfred Escher (1819–1882) gegründet wurde.59 Die SKA finanzierte den Eisenbahnbau am Gotthard. Escher war gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der SKA, Direktionsprä-sident der Nordostbahn, Präsident des Nationalrats und Präsident des zürcherischen Grossen Rates. 1857 gründete er die Schweizerische Lebensversicherungs- und Ren-tenanstalt (heute Swiss Life Holding AG) und 1863 – im Nachgang des Brandes von Glarus (1861)60 – die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft (heute Swiss Re AG).61 1993 übernahm die SKA die genossenschaftlich strukturierte Schweizerische Volksbank (SVB), die 1869 von Vertretern aus Arbeiter-, Beamten- und Gewerbekreisen unter dem Namen Volksbank in Bern gegründet wurde und bereits in den 1870er Jahren mehrere Filialen inner- und ausserhalb des Kantons Bern eröffnete. Bereits drei Jahre

55 Der SBV eröffnete bereits 1898 einen Sitz in London, womit sich der Basler Finanzplatz aussergewöhnlich früh

international ausrichtete. Vgl. Erbacher, F. (2018). Bankenplatz mit bewegter Geschichte – Basler Bankiers legten die finanzielle Basis für die Industrialisierung der Schweiz, in Basler Zeitung vom 12. Februar, S. 7.

56 Vgl. UBS AG (2012). 150 Jahre UBS, Zürich und Basel, 37 S. Bereits 1966 malte der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) das Ölbild Letzte Generalversammlung der Eidgenössischen Bankanstalt, in welchem das Ende einer Bank und ihrer Vertreter dargestellt wird. Inwiefern Dürrenmatt die Realität der 1990er Jahre mit ihren zahlreichen Fusionen (sog. Fusionitis) bewusst vorwegnahm, ist unbekannt. Es mag Absichtslosigkeit gewesen sein, die insbesondere das literarische Werk Dürrenmatts in Form des Zufalls als ein herausragendes Leitthema durchzieht. Ein Finanzinstitut namens Eidgenössische Bankanstalt hat nie exis-tiert. Dürrenmatt bezeichnete mit diesem Namen auch keine einzelne Bank, sondern wies mit grotesker Ein-deutigkeit auf die Schweiz als Nation hin. Vgl. Strehle, R. (2016). Weitsichtiger als die Banquiers, in: Dyttrich, B.; Howald, St. (Hrsg.). Quer denken: Mascha Madörin – Über Antikolonialismus, Südafrika-Solidarität, Kritik am Schweizer Finanzplatz, feministische Wirtschaftstheorie und Care-Ökonomie, edition 8, Zürich, 144 S. Noch vor seinem Tod vermachte Dürrenmatt seinen literarischen Nachlass der Schweizerischen Eidgenos-senschaft. Seine zweite Ehefrau Charlotte Kerr (1927–2011) schenkte das Wohnhaus oberhalb von Neuen-burg ebenfalls der Eidgenossenschaft – dies verbunden mit einer Auflage: Es sollte in das neue Centre Dür-renmatt integriert werden, das nach Plänen des Tessiner Architekten Mario Botta (geb. 1943) errichtet und im Jahr 2000 eröffnet wurde. Vgl. BÄRN! Verlag (Hrsg.). BÄRN! MAGAZIN Ausgabe 3/2018, S. 33.

57 Vgl. Credit Suisse (Schweiz) AG (Hrsg.) Unternehmensprofil 2018 – Engagement der Credit Suisse in der Schweiz, 16 S. Diese Bank pflegt verschiedene Partnerschaften in Sport und Kultur, so z. B. mit dem Concours Hippique International de Genève, dem Kunstmuseum in Bern und demjenigen in Basel, dem Lugano Arte e Cultura, dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Schweizerischen Fussballverband, den St. Galler Fest-spielen, dem Zurich Film Festival und natürlich mit Roger Federer (geb. 1981).

58 Die Aufteilung der Geschäftsbereiche der UBS Group AG und der Credit Suisse Group AG auf je zwei Bankin-stitute führt dazu, dass seither die finanziellen Verflechtungen zwischen den jeweiligen zwei Gruppeninstituten in den Daten der SNB gezeigt werden können.

59 Im Jahr 2019 wird sowohl der 200. Geburtstag Alfred Eschers (https://www.alfred-escher.ch) als auch derje-nige des Schriftstellers Gottfried Keller (1819–1890) gefeiert.

60 In einer Scheune am Landsgemeindeplatz brach am 10. Mai 1861 ein Feuer aus: Zwei Drittel von Glarus wurden zerstört und fast die Hälfte der 5000 Einwohner wurde obdachlos. 90% der betroffenen Personen mit einer Hausratpolice waren bei der genossenschaftlichen Mobiliar versichert. Diese ging aufgrund ihrer Zahlun-gen nahezu Konkurs, vor dem sie letztlich durch den Kanton Bern mit einem Darlehen bewahrt wurde. Vgl. Die Mobiliar (2018). Phönix aus der Asche, in: Mobirama – Herbstausgabe 2018, S. 2.

61 Vgl. zum Aufstieg Zürichs zum Wirtschaftszentrum der Schweiz: (1) Wiget, Y. (2018). Wie Zürich zum Finanz-zentrum wurde, in: Tages-Anzeiger vom 12. Mai, S. 23 und (2) Schmid, M. (2016). Mit Volldampf voran, in: ZKB (Hrsg.). ZH – das Magazin der Zürcher Kantonalbank, No. 4, S. 18–23. Eschers Tochter Lydia Welti-Escher (1858–1891) war mit dem Sohn des damaligen FDP-Bundesrats Emil Welti (1825–1899) verheiratet. Sie vermachte 1890 ihr Vermögen in Form der Gottfried-Keller-Stiftung als Mäzenin der Schweizerischen Eid-genossenschaft. Nach Welti-Escher ist ein Hof neben dem Zürcher Kunsthaus benannt. Vgl. Heim, Ch. (2019). Eschers «irrer» Tochter sei Dank, in: Tages-Anzeiger vom 14. Februar, S. 35.

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vor dieser Übernahme erfolgte die Integration der 1755 gegründeten Bank Leu AG in die SKA. 2007 entstand aus der Bank Leu AG und vier weiteren Banken die Clariden Leu AG,62 die 2012 mit ihrer Muttergesellschaft Credit Suisse AG fusionierte. Grösster einge-tragener Aktionär der Credit Suisse Group AG per 31. Dezember 2018 ist Qatar Holding LLC mit einem Anteil von 5,21%.

• Regionalbanken und Sparkassen: Mit Blick auf die Rechtsform finden sich nahezu je hälftig Aktiengesellschaften und Genossenschaften. In Bezug auf die Bilanzsumme stel-len die Valiant Bank AG (BE)63 und die Neue Aargauer Bank AG die weitaus grössten zwei Institute dieser Bankengruppe dar. Beispiele kleinerer Institute sind die Alpha RHEINTAL Bank AG (SG), die Caisse d’Epargne Riviera (société coopérative) (VD), die Ersparniskasse Schaffhausen AG, die Regiobank Männedorf AG (ZH), die Regiobank Solothurn AG oder die Sparkasse Sense (FR).

• Raiffeisenbanken: Ende 2017 waren in der Raiffeisen Gruppe 255 Raiffeisenbanken zu-sammengeschlossen, die in 21 Regionalverbänden organisiert sind. Diese Organisati-onsform ermöglicht, national eine gemeinsame genossenschaftliche Strategie zu verfol-gen (Raiffeisen Schweiz) und zugleich als selbständiges lokales Bankinstitut auf örtliche Gegebenheiten einzugehen. Die rund 1,9 Millionen Genossenschafter sind Mitbesitzer ihrer Bank.64 Der Hauptsitz dieser Bankengruppe befindet sich de facto seit 1912 und de jure seit 1936 in St. Gallen. Die Raiffeisen Gruppe ist gegenwärtig mit einem Marktanteil von knapp 20% an den inländischen Hypothekarschuldnern die grösste Immobilienfinan-ziererin in der Schweiz.65

• Auslandsbanken: (1) Die ausländisch beherrschten Banken sind nach schweizerischem

Recht organisiert. (2) Die Filialen ausländischer Banken haben keine eigene Rechtsper-sönlichkeit und sind der Muttergesellschaft wirtschaftlich und rechtlich unterstellt, d. h. sie unterliegen der ausländischen Gesetzgebung. Die beiden Bankengruppen sind seit 1972 im Verband der Auslandsbanken in der Schweiz zusammengeschlossen.

• Privatbankiers: Der Rückgang um sieben Institute zwischen 2012 und 2017 erklärt sich v. a. damit, dass zwischen 2013 und 2014 vier Privatbankiers in die Bankengruppe der Börsenbanken statistisch umgruppiert wurden. Diese vier Institute sind: Bank La Roche & Co AG, Banque Pictet & Cie SA, Banque Lombard Odier & Cie SA und Mirabaud & Cie SA. Die statistische Umgruppierung dieser vier Banken erfolgte aufgrund eines Wechsels der Rechtsform von einer Kommanditgesellschaft zu einer Aktiengesellschaft. Ein Rück-gang der Anzahl Institute innerhalb einer Bankgruppe muss somit nicht zwingend auf-grund von Fusionen, Übernahmen oder Konkursen erfolgen.

• Andere Banken: Ein bekanntes Beispiel in dieser Bankengruppe ist die 1958 von Gottlieb

Duttweiler (1888–1962) gegründete Migros Bank AG. 1963 wurde in Rüschlikon ZH das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) eröffnet, ein Zentrum für wirtschafts- und sozialpolitische Fragen.66 Angrenzend zum GDI befindet sich der Park im Grüene (sog. Dutti-Park) mit Blick auf den Zürichsee – er wird auf dem ehemaligen Wohngelände Duttweilers unter-halten. Auf dem Berner Hausberg Gurten findet sich der gleichnamige Park mit Aussicht über die Bundesstadt. Und in der Nähe von Aubonne VD lässt sich das Westschweizer Pendant besuchen – der Parc Pré Vert auf dem Signal de Bougy oberhalb des Genfer-sees.

62 Die ursprüngliche Clariden Bank wurde 1955 mit Domizil in Zürich gegründet. Der Clariden (auch Clariden-

stock) ist ein Berg der Glarner Alpen mit einer Höhe von 3267 m. ü. M. 63 In Englisch steht das Adjektiv valiant für beherzt, kühn und mutig. 64 Vgl. Raiffeisen (2017). Raiffeisen – Engagiert für die Schweiz, Bern, 20 S. 65 Zu den Anfängen von Raiffeisen in der Schweiz vgl. Gernet, H.; Klein, M. (2018). Zwei Pioniere, eine Idee –

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Johann Evangelist Traber, Neukirchner Verlagsgesellschaft mbH, Neukir-chen-Vluyn, 172 S.

66 http://www.gdi.ch

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• Systemrelevante Banken: Solche Banken werden erst seit der Änderung des Bankenge-

setzes per 1. März 2012 ausgewiesen.67 Ende 2012 galten die beiden Grossbanken Cre-dit Suisse AG und UBS AG als systemrelevant. Ende 2017 werden fünf systemrelevante Banken gezählt: die Credit Suisse Group AG, die Postfinance, die Raiffeisen-Gruppe, die UBS Group AG sowie die ZKB.68 Die SNB bezeichnet die als systemrelevant geltenden Finanzgruppen, während die FINMA entscheidet, welche Einzelinstitute aus diesen Grup-pen die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken zu erfüllen haben.

• Total: Für das Jahr 2007 ergibt sich ein Total von 330 Instituten. Werden jedoch die ein-

zelnen Bankinstitute pro Bankengruppe aufsummiert, so resultiert ein Total von 323 In-stituten. Eine solche Differenz kann aufgrund von Bankengruppen zustande kommen, die seitens SNB nicht mehr geführt bzw. nicht mehr gesondert veröffentlicht werden. So wurde per Berichtsjahr 2008 die Gruppe der Handelsbanken mit ihren sieben Instituten aufgelöst und Letztere ab diesem Zeitpunkt anderen Gruppen zugeteilt. Dadurch gehen diese Institute vor 2008 statistisch «verloren», weil die Gruppe nicht mehr existiert. Im Total aller Bankinstitute sind diese Banken für vergangene Zeitpunkte (und somit für 2007) jedoch enthalten.

Tabelle 7: Kreditvolumen

• Die Erhebung erfolgt auf der Stufe Bankstelle. Diese umfasst alle Geschäftsstellen der Banken am Finanzstandort Schweiz, d. h. 2937 Sitze und Filialen per Ende 2017. Mel-depflichtig sind Banken, deren Kredite an Nicht-Banken im Inland – dies sind Unterneh-men, jedoch keine privaten Haushalte – 280 Mio. Fr. übersteigen.69 Das ausgewiesene Kreditvolumen zeigt die Nachfrage seitens Unternehmen, d. h. die Benützung der Limi-ten, die von Banken angeboten werden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts werden von den angebotenen Kreditlimiten an Unternehmen im Inland nahezu immer zwischen 80–85% benützt, während von den angebotenen Kreditlimiten an Unternehmen im Ausland in der Regel 50–60% benützt wurden.

• Das internationale Regelwerk Basel III wurde durch den Basler Ausschuss für Banken-

aufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel aus-gearbeitet.70 Diese Vorschriften enthalten u. a. Standards für Banken im Bereich der Ei-genkapital- und Liquiditätsanforderungen, die 2013 in Kraft getreten sind und per 2018 in der Schweiz umgesetzt wurden. Die ersten Bestimmungen (Basel I) gehen auf das Jahr 1988 zurück, nachdem sich die Zentralbankpräsidenten der G10-Länder71 besorgt über das gesunkene Eigenkapital der weltweit wichtigsten Banken zeigten. 2004 wurde die

67 Die folgende Studie befasst sich mit den zugrundeliegenden Konzepten und Indikatoren zur Messung syste-

mischer Relevanz: Weistroffer, Ch. (2011). Systemisch relevante Finanzinstitute (SIFIs) – Wie misst man sys-temische Relevanz?, in: Deutsche Bank Research (Hrsg.), Aktuelle Themen 530, 20 S.

68 Im Inland gelten alle fünf Banken als systemrelevant (domestic systemically important banks; sog. D-SIBs). Zusätzlich gelten die Credit Suisse Group AG und die UBS Group AG auch weltweit als systemrelevant (global systemically important banks; sog. G-SIBs). Das Financial Stability Board (FSB) – ein Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Basel und bestehend aus 25 Mitgliedsländern – designiert die G-SIBs und veröffentlicht einmal jährlich eine Liste mit den entsprechenden Bankinstituten (http://www.fsb.org/2017/11/2017-list-of-global-systemically-important-banks-g-sibs). Die SNB designiert die D-SIBs. Seit 2012 wird gemäss Art. 52 BankG die Regulierung aller systemrelevanten Banken am Finanzstandort Schweiz evaluiert. Die Schweiz ist seit 2007 Mitglied des FSB.

69 Der Europäische Forschungsrat hat im September 2017 ein Fünfjahres-Projekt lanciert, in dessen Rahmen der Einfluss verschiedener Faktoren auf die Kreditvergabe der Banken in Krisenzeiten untersucht werden soll (http://cordis.europa.eu/project/rcn/210964_en.html).

70 Die BIZ ist am Aeschenplatz BS in einem Rundbau von Mario Botta untergebracht. Das Gebäude wurde von der UBS AG erstellt und ging 1998 an seine heutige Eigentümerin über.

71 Die G10 (auch Zehnergruppe) ist eine 1962 gegründete Gruppe von zehn (mittlerweile elf) führenden Indust-rienationen. Diese sind Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada, die Nieder-lande, Schweden und die USA. Die Schweiz wurde bereits 1964 Beobachterin der G10 und trat 1983 als 11. Mitglied bei, ohne dass der Name der Gruppe angepasst wurde.

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ursprüngliche Fassung der Rahmenvereinbarung zu Basel II veröffentlicht, deren Regeln seit dem 1. Januar 2007 angewendet werden. Die Umsetzung von Basel III in der Schweiz erfolgt über die Anpassung der Eigenmittelverordnung (ERV)72 sowie der darauf abstützenden FINMA-Rundschreiben. Höhere Eigenkapitalanforderungen bezwecken letztlich eine Einschränkung der Kreditvergabe der Banken.73 Unter dem (noch) inoffizi-ellen Begriff Basel IV sollen die Einschränkung interner Modellverfahren und die Revision der entsprechenden Standardverfahren im Rahmen der Eigenkapitalregulierung erfol-gen.74

• In der Schweiz zählen 99% der Firmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU),

die 70% der Arbeitnehmer beschäftigen. Für KMU sind Bankkredite die zentrale Finan-zierungsform, da Alternativen nur in einem beschränkten Mass verfügbar sind. So weisen nur die wenigsten KMU die kritische Grösse für eine Anleiheemission am Kapitalmarkt auf. Einerseits steigt die Häufigkeit von Bankfinanzierungen mit zunehmendem Firmen-alter und -grösse, da neu gegründete Unternehmen (Start-ups) kaum über ausreichende Sicherheiten für einen Bankkredit verfügen.75 Andererseits bietet sich reiferen Unterneh-men auch vermehrt der Kapitalmarkt als alternativer Finanzierungskanal an. Ein weiterer Finanzierungskanal für KMU könnte auch im Bereich digitaler Währungen liegen.76 Seit dem 1. Januar 2019 können KMU und Start-ups bei der Nidwaldner Kantonalbank (NKB) über die Crowdfunding-Plattform www.funders.ch Kredite aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine Plattform der Luzerner Kantonalbank (LUKB), womit die NKB die zweite Kantonalbank ist, die Crowdlending via www.funders.ch anbietet. Auf derselben Plattform kooperieren im Bereich Crowdsupporting auch die Kantonalbanken von Obwalden, Thur-gau und Bern.77

Tabelle 8: Wertschriftenbestände

• Die Wertschriftenbestände in Kundendepots der Banken stellen lediglich einen Teil der am Finanzstandort Schweiz verwalteten Vermögen dar. Die FINMA verfolgt mit ihrem Rundschreiben 2015/1 zur Rechnungslegung der Banken einen Ansatz, ein Total der verwalteten Vermögen zu definieren.78 In Anhang 5, Ziffer 31 finden sich Angaben zur Aufgliederung in einzelne Vermögenspositionen. Zu diesen sind grundsätzlich alle Anla-gewerte zu zählen, für welche Anlageberatungs- und/oder Vermögensverwaltungsdienst-leistungen erbracht werden. Darunter fallen insbesondere gewisse Bestandteile der Po-sition Verpflichtungen aus Kundeneinlagen (namentlich Spar- und Anlagekonten sowie Festgelder), Treuhandgelder und alle bewerteten Depotwerte. Mit ihrem Rundschreiben

72 Vgl. die Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20121146/index.html). Gegenwärtig wird über eine Teil-

revision der ERV beraten. Geplant sind u. a. Befreiungen und Erleichterungen für Kleinbanken in Bezug auf verschiedene regulatorische Anforderungen. Die revidierte ERV und die angepassten FINMA-Rundschreiben sollen frühestens am 1. Januar 2020 in Kraft treten.

73 Dies ist der Mechanismus des antizyklischen Kapitalpuffers (AZP), dessen Erhöhung die Nachfrage nach Kre-diten verteuert und das Wirtschaftswachstum bremsen sollte. Der AZP ist eine makroprudenzielle Komponente des Basel-III-Regelwerks. Dieser Puffer wurde 2013 in der Schweiz auf Kreditpositionen für Wohnliegenschaf-ten eingeführt und aktiviert. Vgl. SNB (2014). Umsetzung des antizyklischen Kapitalpuffers in der Schweiz: Konkretisierung der Rolle der Schweizerischen Nationalbank, Bern, 7 S. Er gilt nur für bestimmte Segmente der Bankbilanz, weshalb er auch als sektorspezifisch bezeichnet wird. Vgl. BCBS (2018). Towards a sectoral application of the countercyclical capital buffer: A literature review, BIS Working Paper 32, March (https://www.bis.org/bcbs/publ/wp32.pdf). Aktuelle Forschungsbeiträge der Universität Zürich (UZH) zeigen, dass Banken, die frühzeitig einen Kapitalpuffer gebildet hatten, mehr Mitarbeitende beschäftigten und seltener Bankrott gingen. Vgl. Eberhard, A. (2018). Kapitalpuffer gegen die Krise, in: UZHmagazin Nr. 3, S. 23–25.

74 Letztlich bewirken Standards eine Reduktion der Komplexität auf wenige Zahlen und ermöglichen dadurch eine Orientierung an wenigen Signalen. Zur Bedeutung von Regeln vgl. Brennan, G.; Buchanan, J. M. (1985). The reason of rules – Constitutional political economy, Cambridge University Press, New York, 153 S.

75 Vgl. Dietrich, A.; Wernli, R. (2018). Der Zugang der KMU zu Bankkrediten ist gewährleistet, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 1–2, S. 61f.

76 Vgl. Grundlehner, W. (2018). Finanzieren sich KMU künftig mit Krypto-Coins?, in: NZZ vom 5. Juli, S. 31. 77 Vgl. finews.ch. Nidwaldner KB baut Crowdbanking aus, 10. Januar 2019. 78 https://www.finma.ch/de/dokumentation/rundschreiben/#Order=2

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erfasst die FINMA lediglich die verwalteten Vermögen bei Banken, nicht jedoch zwingend diejenigen bei unabhängigen Vermögensverwaltern. Die Schweizerische Bankiervereini-gung (SBVg) orientiert sich ebenfalls an der Begriffsbestimmung der FINMA.79 Der SNB werden die Wertschriftenbestände in offenen Kundendepots gemeldet. Melde-pflichtig sind Banken am Finanzstandort Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein, de-ren Depotbestand 4,3 Mrd. Fr. überschreitet. Jährlich wird eine Vollerhebung auf Stufe Bankstelle durchgeführt, wobei die Erhebung der Wertschriftenbestände von zahlreichen Reihenbrüchen und statistische Umgruppierungen gekennzeichnet ist. Aus diesen Grün-den ist ein zeitlicher Vergleich der Daten zum Teil schwierig. Zudem kann eine Zu- resp. Abnahme der Wertschriftenbestände über die Jahre einerseits mit einem gezielten Zu- oder Abfluss von Kundengeldern erklärt werden.80 Andererseits können hierfür auch Ka-pitalmarktentwicklungen oder Wechselkursschwankungen verantwortlich sein. Die ge-nauen Gründe für eine Änderung des Totals der Wertschriftenbestände lassen sich somit nicht aus den Daten entnehmen.

• Es gelten die folgenden Zuweisungen zu den Wirtschaftssektoren gemäss NOGA: Pri-vatkunden (kein NOGA Code), kommerzielle Kunden (01–63, 68–842, 85–96, 99) und institutionelle Anleger (64–66 und Sozialversicherungen (843)). Ökonomisch betrachtet, entsprechen die Privatkunden den Haushalten, während die kommerziellen und instituti-onellen Anleger die Unternehmen bilden. Mit Blick auf die Datenwerte in Tabelle 8 zeigt sich, dass der grösste Teil der Wertschriftenbestände in Kundendepots der Banken durch Unternehmen des Finanzstandorts selbst gehalten werden, d. h. durch Banken und Ver-sicherer (NOGA 64–66), sowie durch die Sozialversicherungen (843). Darin zeigt sich die Verflechtung des Finanzsystems.

79 Vgl. SBVg (2015). Vermögensverwaltung im Umbruch: Zahlen, Fakten und Branchentrends – global und in der

Schweiz, Basel, 29 S. (http://www.swissbanking.org/library/studien-reports/vermoegensverwaltung-im-umbruch-november-2015). 80 Ein gezielter Zu- respektive Abfluss kann sich z. B. aufgrund der Einführung des automatischen Informations-

austauschs über Finanzkonten (AIA) ergeben. Der AIA ist ein globaler Standard, dessen rechtlichen Grundla-gen am 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind. Nebst der Schweiz haben sich über 100 Staaten, darunter alle wichtigen Finanzzentren, zur Übernahme dieses Standards entschieden. In der Schweiz ersetzt der AIA das Bankgeheimnis für ausländische Kunden. Friedrich Dürrenmatt hatte sich über das Bankgeheimnis stets mo-kiert und die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft anhand ihres Aufbaus hinterfragt: Ist derjenige der Schuldige, der Gesetze bricht, oder ist es derjenige, der sie erlässt? Vgl. Schauspielhaus Zürich (Hrsg.). Gerechtigkeit als metaphysische Angelegenheit, in: journal Jan–Jun 2019, Zürich, S. 17–19.

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4. Versicherer und Vorsorgeeinrichtungen Tabelle 9: Anzahl Versicherer81

• Die FINMA beaufsichtigt einerseits die Versicherer am Finanzstandort Schweiz.82 Ande-rerseits unterstehen ebenfalls die Krankenkassen im Rahmen der Krankenzusatzversi-cherung (VVG-Geschäft)83 der Aufsicht der FINMA. Primär werden die Krankenkassen vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) beaufsichtigt. Der Gruppenaufsicht der FINMA unterstanden per Ende 2016 sechs Versicherungskonzerne (Gruppen und Konglome-rate), die jedoch in Tabelle 9 nicht explizit aufgeführt sind. Dabei handelt es sich um die folgenden Unternehmen: Bâloise Holding AG,84 Helvetia Holding AG,85 Schweizerische Mobiliar Holding AG,86 Swiss Life Holding AG, Swiss Re AG und Zurich Insurance Group AG.87 Die einzelnen Konzernteile unterstehen auch der Einzelaufsicht der FINMA und fliessen entsprechend in die jeweiligen Kategorien innerhalb Tabelle 9 ein.

• Schadenversicherer: Der Finanzstandort Schweiz kennt als eines der wenigen Finanz-

zentren weltweit das Angebot einer Elementarschadenversicherung. Die privaten Versi-cherer, die in den Kantonen Genf, Uri, Schwyz, Tessin (Ticino), Appenzell Innerrhoden, Wallis (Valais) und Obwalden (GUSTAVO-Kantone) auch Gebäude versichern, gründe-ten 1953 den Elementarschaden-Pool in seiner heutigen Form.88 Dadurch wurde ein Ri-sikoausgleich unter den Versicherern geschaffen. Die restlichen 19 Kantone betrieben eigene kantonale Gebäudeversicherer, die bereits 1926 begannen, Elementarschäden zu versichern. Des Weiteren besteht im Schadensbereich zwischen der Schweiz und der EU seit 1989 ein Direktversicherungsabkommen. Dieses ermöglicht Versicherern im Nichtlebensgeschäft (z. B. Hausrats- oder Reiseversicherungen), in einem Land der je-weils anderen Vertragspartei Zweigniederlassungen zu gründen und zu betreiben.89

81 Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) veröffentlicht jährlich die Broschüre Zahlen und Fakten der

privaten Versicherungswirtschaft mit Daten zur Schweizer Privatassekuranz (https://www.svv.ch/zahlen). 82 Nicht nur bei Unternehmen werden Prozesse vermehrt digitalisiert. Auch in den Bereichen der Aufsicht und

der Regulierung finden neue Technologien Anwendung. Vgl. Der Bundesrat (2018). Einsatz innovativer Tech-nologien im Bereich der Finanzmarktaufsicht und -regulierung (RegTech) – Bericht des Bundesrates in Erfül-lung des Postulats 16.3256 Landolt vom 18.03.2016, 25 S.

83 Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 (Versicherungsvertragsgesetz, VVG). 84 Mitte Juli 2018 hat sich der Basler Versicherer im Rahmen seiner Digitalstrategie an einer Vergleichsplattform

im Autoservice-Bereich beteiligt. Vgl. finews.ch. Baloise fährt in der Digitalisierung auf der Überholspur. 24. Juli 2018.

85 Die Helvetia Gruppe wurde 1858 gegründet und verfügt über je einen Hauptsitz in St. Gallen und Basel. Seit der Saison 2005/2006 ist dieser Versicherer Verbandssponsor von Swiss-Ski.

86 Die genossenschaftlich organisierte Mobiliar mit Sitz in Bern engagiert sich ebenfalls im Bereich Fintech. So hat sie 2018 das Rapperswiler Business-Software-Unternehmen Bexio erworben. Bexio bietet Schweizer Kleinunternehmen, Selbständigen und Startups eine cloudbasierte Buchhaltung an. Die UBS AG und die Va-liant Bank AG unterhalten des Weiteren eine Zusammenarbeit mit Bexio. Vgl. finews.ch. Die Mobiliar über-nimmt Vorzeige-Fintech, 5. Juli 2018.

87 Die Zurich Insurance Group AG geht in ihren Ursprüngen auf den Versicherungs-Verein zurück. Dieser wurde 1872 als Tochtergesellschaft der Schweiz Transport-Versicherung gegründet und sollte einen Teil der Rück-versicherung der 1869 gegründeten Muttergesellschaft übernehmen. Der Zürcher Dichter und 9. Erster Staats-schreiber des Kantons Zürich Gottfried Keller unterzeichnete in der Stadt Zürich die Statuten des Versiche-rungs-Vereins. 1881 führte die Zurich Insurance Group AG zusammen mit dem Schweizerischen Alpen-Club (SAC) eine Unfallversicherung für Bergführer ein – eine Zusammenarbeit, die bis heute anhält. Im Museum Alpin in Pontresina GR können Modelle und Einrichtungen von SAC-Hütten betrachtet werden. Vgl. Amt für Kultur Graubünden (2015). Die Museen im Kanton Graubünden, S. 216f.

88 Die Gründung des Elementarschaden-Pools erfolgte im Nachgang zum Lawinenwinter 1950/51, der zeigte, dass viele Gebäude unzureichend versichert waren. Vgl. Denzler, L. (2017). Ein Erfolgsmodell, aus Lawinen geboren, in: NZZaS vom 19. November, S. 47. In jenem Winter zerstörten 1300 Lawinen vorwiegend im Al-pengebiet 1000 Gebäude. Als Folge wurde der Lawinenschutz in der Schweiz massiv ausgebaut. Vgl. Hoff-mann, C. (2018). Als die Schweiz im Schnee versank, in: Berghilf-Ziitig, Nr. 100, S. 11.

89 Am 3. Juli 2018 wurde dieses Abkommen aktualisiert. Es berücksichtigt seither risikobasierte Systeme zur Berechnung und Erfüllung der Kapitalanforderungen. Die Schweiz führte 2011 den Schweizer Solvenztest (SST) ein, und die EU wendet seit 2016 die Richtlinie Solvency II an.

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• Rückversicherer: Eine Captive Insurance Company (sog. Captive) bezeichnet eine Form des alternativen Risikotransfers zur Selbstversicherung. Hierzu gründet ein Versicherer ein unternehmenseigenes, nicht in der Versicherungswirtschaft tätiges Unternehmen (o-der einen Konzern). Eine Erstversicherungs-Captive (Direct Insurance Captive) über-nimmt direkt die Risiken dieses Unternehmens bzw. dieses Konzerns. Eine Rückversi-cherungs-Captive (Reinsurance Captive) übernimmt die Risiken eines solchen Unternehmens bzw. des Konzerns über einen zugelassenen Erstversicherer im Rahmen eines Fronting.90 Eine Pure Captive deckt ausschliesslich die Risiken des eigenen Unter-nehmens, während ein Broad Captive bzw. Open-Market Captive auch Risiken fremder Unternehmen versichert.91

• Krankenkassen: Der Finanzstandort Schweiz weist eine räumliche Konzentration von

Krankenkassen in der Stadt Luzern auf. Auch findet sich die Zentrale der Schweizeri-schen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), die 1918 ihren Betrieb aufgenommen hat.92 Ebenso beurteilte dort das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) zwischen 1917 und 2006 Streitigkeiten im Bereich der Sozialversicherungen. Ab 2007 wurde das EVG in die beiden sozialrechtlichen Abteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts umge-wandelt. Diese haben ihren Sitz weiterhin in Luzern.

• Ende 2017 verfügte der Finanzstandort Schweiz über keinen eigenen systemrelevanten

Versicherer.93 Dies liegt mitunter an der Erkenntnis, dass im Versicherungsgeschäft die Systemrelevanz weniger auf der Institutsebene (Versicherer) auftritt, sondern dass viel-mehr systemrelevante Aktivitäten eine Rolle spielen.

Tabelle 10: Anzahl Vorsorgeeinrichtungen, Versicherte und Leistungsbezüger

• Bei den Vorsorgeeinrichtungen handelt es sich um Pensionskassen mit reglementari-schen Leistungen und aktiven Versicherten. Bezüger laufender Renten können nicht nur Empfänger einer Altersrente sein, sondern ebenso einer Invaliden-, Kinder-, Ehegatten- oder Waisenrente. Die Anzahl Altersrenten belief sich per Ende 2017 auf 773’299, d. h. auf 68% sämtlicher laufender Renten. Zudem werden im Rahmen der Altersvorsorge le-diglich diejenigen Personen ausgewiesen, die sich durch die berufliche Vorsorge (BVG)94 eine monatliche Altersrente auszahlen lassen. D. h. die Bezüger einer einmaligen Kapi-talleistung werden nicht erfasst. Per Ende 2017 belief sich deren Anzahl auf 44’476.95

Tabelle 11: Aktiven der Versicherer

• Als Näherungswert werden hierbei die globalen Aktiven respektive Kapitalanlagen der Schweizer Lebens-, Schaden- und Rückversicherer abgebildet. Aufgrund erhebungs-technischer Lücken gibt es keine Daten zu den Aktiven der in- und ausländischen Versi-cherer am Standort Schweiz. Eine Investition von Kapital wird getätigt, um dessen Wert

90 Dies bezeichnet eine Konstellation, bei der ein (Rück-)Versicherer zwar in eigenem Namen, aber auf Anord-

nung eines zweiten, im Hintergrund verbleibenden Versicherers ein Risiko zeichnet, mit der Absicht, dass die-ses Risiko vollständig von dem hinter ihm stehenden Versicherer getragen wird.

91 Zum Einsatz von Captives als Risikoinstrument vgl. Wöhrmann, P.; Schmelzle, J. (2018). Was sind Captives und welche strategischen Ausrichtungen werden mit diesen Versicherungsgesellschaften verfolgt?, in: Han-delskammer Deutschland–Schweiz (Hrsg.): CH-D Wirtschaft, Nr. 3, S. 34f.

92 https://www.suva.ch 93 Gegebenenfalls werden die im Inland systemrelevanten Versicherer (domestic systemically important insure-

res; sog. D-SIIs) durch die FINMA designiert. Weltweit systemrelevante Versicherer (global systemically im-portant insurers; sog. G-SIIs) werden analog zu den G-SIBs durch das FSB bestimmt.

94 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (BVG). 95 Mit Blick auf die Anzahl Altersrenten sind dies lediglich rund 6%. Es gilt jedoch zu beachten, dass Bezüger

einer Altersrente in jedem Jahr der Pensionierung erfasst werden, während Bezüger einer (einmaligen) Kapi-talleistung lediglich im Jahr des Bezugs statistisch registriert werden.

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zu erhalten oder gar einen Gewinn zu erzielen. Dabei soll das Vermögen, d. h. die Pas-siven eines Versicherers, so angelegt werden, dass eine möglichst grosse Sicherheit und Rentabilität erreicht wird, wobei jederzeit eine ausreichende Liquidität und angemessene Diversifikation gewährleistet sein muss. Idealerweise sollten sich die Risiken, die ein Ver-sicherer auf die Passivseite seiner Bilanz genommen hat, auf der Aktivseite in seinem Anlageportfolio widerspiegeln.96

Tabelle 12: Aktiven der Vorsorgeeinrichtungen97

• Die Kategorien der Aktiven unterscheiden sich leicht gegenüber denjenigen in Tabelle 11, weil die Daten zu den Vermögenspositionen der Versicherer durch die FINMA (Ta-belle 11) und diejenigen zu den Vorsorgeeinrichtungen durch die kantonalen Aufsichts-behörden erhoben werden (Tabelle 12). Somit sind die Kategorien zwischen den beiden Tabellen nicht vollumfänglich vergleichbar. Nachstehende Kategorien in Tabelle 12 sind wie folgt zusammengesetzt:

o Die Kategorie Alternative Anlagen umfasst Private Equity, Hedge Funds, Insu-rance Linked Securities, Rohstoffe und Infrastrukturen.

o Die Kategorie Übrige Anlagen setzt sich zusammen aus Forderungen und Dar-lehen, Anlagen beim Arbeitgeber, Mischvermögen bei kollektiven Anlagen, wei-teren Aktiven sowie der aktiven Rechnungsabgrenzung.

o Im Total der Kapitalanlagen sind die Aktiven aus Versicherungsverträgen nicht enthalten. Diese beliefen sich per Ende 2017 auf 147 Mrd. Franken und entspre-chen dem Wert der durch den Versicherungsvertrag abgedeckten Verpflichtun-gen der Vorsorgeeinrichtungen gegenüber ihren Versicherten.

o Unter den kollektiven Vermögensanlagen werden Ansprüche, Anteile und Betei-ligungen bei Anlagestiftungen und -fonds etc. (ab 2010 inkl. Geldmarktanlagen) subsumiert.

96 Erste Erfolge durch Investitionen in klimafreundliche Projekte (Green Finance) zeichnen sich z. B. bei den

Versicherern Swiss Re AG und Zurich Insurance Group AG ab. Vgl. Greenpeace Member Ausgabe 1/2018. Beide Unternehmen zählen zu den nachhaltigsten Firmen im Swiss Performance Index (SPI). Vgl. Kisling, B. (2018). Geld ohne schlechtes Gewissen anlegen, in: Tages-Anzeiger vom 13. August, S. 9. So hat z. B. die Swiss Re AG rund 70% ihres Investitionsportfolios in nachhaltige Fonds umgeschichtet. Vgl. Battiston, St. (2018). Den Klima-Stresstest bestehen, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 12, S. 43–45. Die ZKB wiederum fördert umweltfreundliches Bauen und Renovieren mit einer Zinsreduktion von bis zu 0,8% und konnte 2017 Umweltdarlehen im Umfang von rund 1,2 Mrd. Fr. ausweisen. Dennoch verursachen die weltweit getätigten Investitionen in fossile Energieträger durch Akteure des Finanzplatzes Schweiz ein Zwanzigfaches der inländischen Treibhausgas-Emissionen. Vgl. van Dok, G. (2018). Bedenkliche Investitionen in fossile Technologien, in: HELVETAS Swiss Intercooperation (Hrsg.), Partnerschaft, Ausgabe 2, S. 17. Gemäss Analysen des Club of Rome würde sich aufgrund der CO2-Menge in der Atmosphäre – und ohne jegliche globale Gegenmassnahme – die Erde bis 2030 um über zwei Grad Celsius erwärmen. Der Sitz des Clubs befindet sich in Winterthur ZH. Vgl. Remez, G. (2018). Denkfabrik Club of Rome: Das Gewissen der Welt sitzt in der Schweiz, in: Luzerner Zeitung vom 12. Februar, S. 2. Die Stadt Winterthur ist zugleich Ge-burtsort des ersten Schweizer Bundespräsidenten Jonas Furrer (1805–1861).

97 Am 19. Mai 2019 wird in der NZZ am Sonntag eine Sonderbeilage zum Thema «Anlegen & Vorsorgen» er-scheinen, am 29. September 2019 eine solche zum Thema «Anlageprodukte».

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5. Börse und Kapitalmarkt Tabelle 13: Netto-Emissionswert

• Anleihen sind festverzinsliche Wertpapiere und können sowohl von Unternehmen, als auch vom Staat herausgegeben werden. So emittiert z. B. die Schweizerische Eidgenos-senschaft regelmässig Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten zwischen 1–50 Jahren. Das Total des Finanzstandorts entspricht der Nettobeanspruchung des CHF-Kapitalmarkts, d. h. dem Volumen an ausstehenden CHF-Anleihen (Emissionen abzüg-lich Rückzahlungen) an der SIX Swiss Exchange AG.98 Bei den Emissionen handelt es sich um Neuaufnahmen von Mitteln über die Ausgabe von Anleihen, bei den Rückzah-lungen um fällig werdende Anleihen. Die Mittelaufnahme durch inländische Schuldner am CHF-Kapitalmarkt übersteigt seit 2009 deren fällig werdenden Anleihen. Demgegen-über wurde der CHF-Kapitalmarkt weniger durch Emissionen ausländischer Schuldner beansprucht. Haupttreiber dieser Entwicklung dürften die ungünstigen Konditionen am Währungsswapmarkt99 sein, welche die Umwandlung von CHF in die entsprechende Heimwährung der Auslandschuldner verteuert hat.

Tabelle 14: Wertschriftenumsätze

• Es handelt sich hierbei um die Umsätze an der SIX Swiss Exchange AG. Diejenigen der BX Berne eXchange, d. h. der Schweizer Börsenplattform für KMU, sind in den ausge-wiesenen Daten nicht enthalten.100 Die Kategorie Anlagefonds, Optionen101 und struktu-rierte Produkte102 beinhaltet ebenfalls Exchange Traded Funds (ETFs). ETFs sind bör-sengehandelte, passive Indexfonds103 (sog. UCITS/Sondervermögen gemäss KAG).104 Diese können ohne Beschränkung täglich ge- und verkauft werden. Den ersten ETF für Schweizer Aktien brachte die Credit Suisse AG im Jahr 2001 auf den Markt. Inzwischen gibt es rund 1300 verschiedene ETFs an der SIX Swiss Exchange AG, mit denen Anleger auf verschiedene Assetklassen (z. B. Aktien, Obligationen und Rohstoffe) setzen kön-nen.105 Global gibt es heutzutage rund 7200 börsengehandelte Indexfonds mit einem Vermögen von 4800 Mrd. Dollar.106

98 Die SIX Swiss Exchange AG geht auf den Zusammenschluss der drei regionalen Börsen in Basel, Genf und

Zürich im Mai 1995 zurück. Die erste Börse am Finanzstandort Schweiz wurde 1850 in Genf unter dem Namen Société des agents de change réunis gegründet.

99 Ein Währungsswap ist ein Finanzderivat, bei dem zwei Vertragsparteien Zins- und Kapitalzahlungen in unter-schiedlichen Währungen austauschen.

100 Im Dezember 2017 hat die Börse Stuttgart GmbH die Aktienmehrheit an der BX Swiss AG übernommen (https://www.bxswiss.com). Die BX Swiss AG ist Trägerin der BX Berne eXchange

(https://www.berne-x.com). Anfangs 2019 hat die Börse Stuttgart GmbH mit einer App namens Bison die erste Handelsplattform für Kryptowährungen geschaffen, hinter der eine Börse steht. Vgl. Gojdka, V. (2019). Das Bison ist los – Die Börse Stuttgart will den Handel mit Kryptowährungen seriös machen, in: Süddeutsche Zei-tung vom 4. Februar, S. 20.

101 Eine Option ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien. Dabei erwirbt der Käufer der Option das Recht, nicht aber die Verpflichtung, innerhalb einer festgelegten Laufzeit eine gewisse Menge eines bestimmten Basiswerts zu einem voraus fixierten Preis (Ausübungspreis) zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option).

102 Der Schweizerische Verband für Strukturierte Produkte (SVSP) bietet die folgende Informationsbroschüre an: SVSP (2017). Strukturierte Produkte – Entdecken Sie das Potenzial, 9. Auflage, Zürich, 44 S.

103 Weltweit beträgt das ETF-Volumen rund sechs Billionen US-Dollars, womit es rund dem 25-fachen der Marktkapitalisierung sämtlicher Kryptowährungen entspricht. Dennoch machen ETFs nur etwa 5% des gesam-ten Aktienumlaufs aus. Da ETFs prozyklisch wirken, besteht das Risiko einer Spekulationsblase, die einen Einbruch der Aktienkurse an der Börse auslösen könnte. Vgl. Bartz, T. (2018). Per Autopilot ins Risiko, in: Der Spiegel, Nr. 33, S. 73.

104 UCITS = Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities (in EU-Deutsch: OGAW = Organis-men für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren); KAG = Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen vom 23. Juni 2006 (Kollektivanlagengesetz).

105 Vgl. Steck, A. (2017). Warum Geldanlegen demokratisch geworden ist, in: NZZaS vom 1. Oktober, Sonderbei-lage Anlageprodukte, S. 3.

106 Vgl. Mayer, R. (2018). ETF – wie drei Buchstaben die Finanzwelt umkrempelten, in: Der Bund vom 30. Januar, S. 12.

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• Die Kategorie „In- und ausländische Anlagefonds, Optionen und strukturierte Produkte“

wird nicht separat nach In- und Ausland unterschieden, da die SNB als Primärquelle der Datenwerte keine Untergliederung in ihrem Datenportal vornimmt.

• Seit dem 1. Januar 2019 gilt eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze,

welche Aktien von Schweizer Gesellschaften zum Handel zulassen. Diese Massnahme des Bundesrats dient zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur, da die Europäische Kommission entschieden hat, die sog. Börsenäquivalenz für die Schweiz (nur befristet) bis Ende Juni 2019 zu verlängern. Die FINMA kann damit vorerst auch die betroffenen Handelsplätze in der EU seit dem 1. Januar 2019 anerkennen. Die Handelsplätze müs-sen dazu kein Gesuch stellen. Die Verordnung des Bundesrates vom 30. November 2018 über die Anerkennung ausländischer Handelsplätze bleibt somit zwar in Kraft, wird je-doch in der Praxis vorerst – d. h. für die Dauer der befristeten Verlängerung der Bör-senäquivalenz durch die EU – keine Wirkung entfalten. Eine unbefristete Verlängerung bleibt weiterhin die beste Lösung für alle betroffenen Marktakteure in der Schweiz und im Ausland.

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Abbildungen Abbildung 1: BIP-Anteil des Finanzstandorts

• Finanzzentren, aber auch ganze Volkswirtschaften werden weltweit miteinander vergli-chen. Dabei stellt der BIP-Anteil eines Finanzstandorts lediglich einen einzelnen Indikator dar. In der Regel werden mehrere Faktoren untersucht und bewertet, die zumeist in ei-nem Benchmarking respektive in einem Ranking münden. Eine mögliche Untersuchung ist der Global Financial Centres Index (GFCI), der halbjährlich jeweils im März und Sep-tember erscheint.107 In der 25. Ausgabe des GFCI von März 2019 wurden 112 Finanz-plätze untersucht. Zürich platziert sich auf Rang 8, Genf auf Rang 28 und Lugano als sog. Associate Centre. Die Ränge 1 bis 3 werden belegt von New York (USA), London (UK) und Hongkong. Auf nationaler Ebene gibt es zwei aktuelle umfassendere Untersu-chungen über die Entwicklung des Finanzplatzes:

o Polynomics AG (2018). Banken und Versicherungen in der Schweiz – Analyse

der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Finanzsektors 2017, Studie im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung SBVg und des Schweizerischen Versi-cherungsverbands SVV, Olten, 19 S.

o BAK Economics AG (2018). Finanzplatz Zürich 2019/2020 – Monitor, Prognosen, Der Finanzplatz zwischen Krisenbewältigung und Zukunftssicherung, eine Studie des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (Standortförderung) und der Stadt Zürich (Wirtschaftsförderung), Basel, 46 S.108

• Da Fintech-Unternehmen an Bedeutung für die Schweizer Volkswirtschaft gewinnen

könnten, interessiert auch die Frage, wo innovative Unternehmen optimale Rahmenbe-dingungen vorwinden: Die junge Zürcher Firma StartupBlink hat weltweit über 900 sog. Ökosysteme für Unternehmen anhand drei Kriterien evaluiert: (1) die Anzahl Startups, (2) die Qualität der Startups und (3) das Geschäftsumfeld, so z. B. die Regulierung. Vier Schweizer Städte finden sich im vorderen Drittel des Cities Global Ranking of Startup Ecosystems: Zürich platziert sich auf Rang 46,109 gefolgt von Genf (152), Bern (176) und Lausanne (192). Basel findet sich auf Rang 347.110 Die ersten drei Ränge belegen San Francisco (USA), New York (USA) und London (UK).

• Ein hoher respektive steigender BIP-Anteil des Finanzstandorts scheint prima vista als

erstrebenswert, erfolgt jedoch stets zugunsten anderer Branchen. Der Gefahr einer ein-seitigen und anfälligen Wirtschaftsstruktur kann hingegen über einen gut ausgewogenen Branchen-Mix entgegengewirkt werden.111

107 Vgl. (1) http://www.zyen.com und (2) Schmuki, D. (2015). Wettbewerbsfähigkeit von Finanzplätzen: Methoden

und ihre Grenzen, in: SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 8/9, S. 45–48. 108 Diese Studie wird begleitet von Datenmaterial in Form von Zahlen, Fakten und eines Chartberichts. Im Schwei-

zerischen Nationalmuseum neben dem Zürcher Hauptbahnhof kann seit Januar 2019 das neueröffnete Lan-desmuseum Zürich besucht werden. Dieses bietet die kostenlose Dauerausstellung «Einfach Zürich» (http://www.einfachzuerich.ch).

109 Es ist denkbar, dass die Autoren nicht nur die Stadt Zürich, sondern die Greater Zurich Area untersucht haben. Diese beinhaltet ebenfalls den Fintech-Standort Zug ZG, und seit Januar 2019 ist ebenfalls das Tessin Teil dieses Marketing-Verbunds. Vgl. https://www.greaterzuricharea.com.

110 Vgl. (1) https://www.startupblink.com und (2) Credit Suisse AG (Hrsg.) Bulletin 2/2018 – Jobs of the Future, S. 28f.

111 Vgl. Schmuki, D. (2018). Welche Aussagekraft hat der BIP-Anteil des Finanzsektors?, in: SIF-Newsletter, Aus-gabe 1, S. 3f. Die folgenden zwei Studien beschäftigen sich mit den (negativen) Auswirkungen eines zu stark wachsenden Finanzsektors auf die Realwirtschaft: (1) Cecchetti, St. G.; Kharroubi, E. (2015). Why does finan-cial sector growth crowd out real economic growth? BIS Working Papers No 490, February (http://www.bis.org/publ/work490.pdf), und (2) Eichler, M.; Grass, M.; Torti, A.; Künnemann M. (2013). The Financial Sector and the Economy: A Pillar or a Burden? Strukturberichterstattung Nr. 50/1, Study on behalf of Seco, Berne.

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Abbildung 2: Interbankenmarkt

• Nebst dem Abbau des grenzüberschreitenden Interbankengeschäfts kann zugleich auch eine Zunahme des inländischen Geschäfts beobachtet werden. Beide Entwicklungen können als Zeichen der Deglobalisierung und des Protektionismus gewertet werden.112 Wie die Wirtschaftsgeschichte zeigt, sind auf Globalisierungsphasen häufig Gegenbewe-gungen gefolgt, deren Auslöser jeweils vor allem (Finanz-)Krisen waren.113 Experten wei-sen darauf hin, dass die nächste grosse Finanzkrise mit steigender Wahrscheinlichkeit ihren Anfang bei den Schattenbanken nehmen wird, d. h. dem unregulierten Teil des Finanzsystems.114 Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass Finanzkrisen in aller Regel Ver-schuldungskrisen sind, d. h. dass ein gegenüber dem BIP übermässiges Kreditwachstum vorliegt. An diesem Punkt setzt mitunter die internationale Regulierung Basel III an.115 Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich hält den Grad der Globalisierung anhand eines Indexes fest.116 Dieser zeigt, dass sich 2015 die Globalisierung erstmals seit 1975 rückläufig entwickelte. Für diesen Rückgang verantwortlich waren einerseits die Handelsglobalisierung, d. h. der grenzüberschreitende Austausch von Waren und Dienst-leistungen, und andererseits die Finanzglobalisierung, d. h. das regulatorische Umfeld für internationale Finanzströme. Die insgesamt am stärksten globalisierten Länder sind die Niederlande, Schweden und die Schweiz. Ein ähnliches Bild zeigt sich mit Blick auf regi-onale Gegebenheiten. So weist der BAK Economic Potential Index 2017 folgende Regi-onen mit dem grössten ökonomischen Entwicklungspotenzial aus: Stockholm, London und Zürich. In Europa gilt Zürich gar als attraktivste Region hinsichtlich der Akquirierung von Talenten und Unternehmen, d. h. von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.117

112 Francis Fukuyama (geb. 1952), Professor für Politische Wissenschaften an der Stanford University, ist der

Ansicht, dass der zunehmende Nationalismus die Schweiz sehr früh und sehr hart treffen wird und die grossen Firmen in der Schweiz nicht überleben werden. Vgl. hierzu auch: Brunner, S.; Waldner, L. (2018). «Die Rück-kehr zur Vergangenheit», in: Credit Suisse AG (Hrsg.) Bulletin 1/2018 – Visionäre: Gespräche mit ausserge-wöhnlichen Menschen, S. 54f.

113 Vgl. (1) Toren, S. (2017). Globalisierung auf dem Prüfstand, in: ZKB (Hrsg.). Anlagebarometer, Nr. 3, S. 3ff., (2) Hug, D. (2017). Sand im Getriebe der Globalisierung, in: NZZaS vom 20. August, S. 27 und (3) Rodrik, D. (2017). Straight Talk on Trade – Ideas for a Sane World Economy, Princeton University Press, Princeton, 316 S. Einen Überblick über die Ursachen, Massnahmen und Folgen der globalen Finanzkrise bietet: Nobel, P. (2018). Ursachen der Finanzkrise und seitherige Regulierungsentwicklung, in: Von der Crone, C. et al. (Hrsg.). Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht, Nr. 6, S. 588–597.

114 Vgl. McMillan, J. (2018). Das Ende der Banken – Warum wir sie nicht brauchen, Campus Verlag, Frankfurt a. M., 288 S. Desweitern stellt auch die Digitalisierung in Form von Blockchain die Existenzberechtigung der Banken zunehmend in Frage, da es zentrale Institutionen wie Banken letztlich nicht mehr braucht. Vgl. HELVETAS Swiss Intercooperation (Hrsg.), Partnerschaft, Ausgabe 3, S. 21. Die Auswirkungen dieser Ent-wicklungen auf den Raum sind bereits sichtbar: «Bankfilialen in den Innenstädten wirken, sofern sie noch nicht ganz geschlossen sind, wie verlassene Orte (…) Geldautomaten stehen wie Memento mori herum. Es ist ein kühler, abweisender Ort: Es ist (…) ein vom Menschen hinterlassener Müllraum». Lobe, A. (2018). Schaffen wir uns selbst ab?, in: NZZaS vom 5. August, S. 49. Damit lässt sich unweigerlich auch die Frage stellen, wann Fintech-Unternehmen und ihre Algorithmen die klassischen Banken vollumfänglich verdrängt haben und Letz-tere z. B. zu Museen umfunktioniert sein werden. Damit wäre auch die Rolle der SNB als Zentralbank obsolet. Hat deshalb die SNB per Ende 2021 in der Berner Kaiserhauspassage ein Besucherzentrum in Zusammenar-beit mit dem Bernischen Historischen Museum geplant? Diese Begegnungsstätte soll der Bevölkerung und insbesondere auch Schulklassen Erlebnisse zu den zukünftig allenfalls vergangenen, heute jedoch aktuellen Themen Geld, Geldpolitik und Zentralbank bieten. Vgl. Blättler, M. (2018). Die Nationalbank öffnet sich, in: SNB (Hrsg.) note Nr. 3, S. 4–8. In der Rolle der SNB als Museum bekäme die Aussage des früheren SNB-Präsidenten Jean-Pierre Roth (geb. 1946) anlässlich der UBS-Rettung im Jahr 2008 eine neue Dimension: «Wir sind da für die Ewigkeit». Vgl. Hug, D. (2018). Die staatliche Rettung, welche die UBS nicht wollte, in: NZZaS vom 9. September, S. 26f.

115 Vgl. Aebersold Szalay, C. (2017). Für mehr Demut in der Bankenregulierung, in: NZZ vom 13. Juli (online). 116 Vgl. KOF Konjunkturforschungsstelle (2018). KOF Globalisierungsindex: Weltweite Globalisierung 2015 ge-

sunken, Medienmitteilung vom 22. Januar, Zürich, 5. S. 117 Vgl. BAK Economic AG (2018). BAK Economic Potential Index, Press Release 12. July, Basel, 5 S.

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Abbildung 3: Konzentration im Bankensystem

• Diese Abbildung stellt eine statische Betrachtung per Ende 2017 dar. Eine dynamische Betrachtung über die letzten 30 Jahre zeigt, dass kein dauerhafter Konzentrationspro-zess der Gesamt-Bilanzsumme auf eine einzelne Bankengruppe stattgefunden hat – ein Resultat, das wettbewerbspolitisch als positiv beurteilt werden darf.118

• Eine Möglichkeit zur Messung der Konzentration stellt die Konzentrationsrate dar. Diese bemisst den Marktanteil der grössten Unternehmen respektive einer oder mehrerer Ban-kengruppen am Gesamtmarkt, d. h. an der Bilanzsumme, und entspricht somit jeweils den in Abbildung 3 ausgewiesenen Prozentwerten. Ein ausgefeilteres statistisches Mass stellt der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) dar, benannt nach Orris C. Herfindahl (1918–1972) und Albert O. Hirschman (1915–2012). Dieser berechnet sich als die Summe der quadrierten Marktanteile der einzelnen n Unternehmen respektive Banken. Bei Gleich-verteilung der Marktmacht nimmt der HHI den Wert 1/n an, bei einem Monopol den Wert 1. Der entsprechende Wert lässt sich für einzelne Banken innerhalb Tabelle 6 jedoch nicht ermitteln, da die SNB lediglich die Daten pro Bankengruppe, nicht jedoch für die einzelnen Bankinstitute respektive Unternehmen veröffentlicht.

Abbildung 4: Aktienmarkt

• Unternehmen, die Kapital an der Börse aufnehmen, werden als Publikumsgesellschaften bezeichnet. Durch die sog. Börsenkotierung werden die Aktien in der Öffentlichkeit ge-streut (going public), womit das Unternehmen eine breite Basis von Eigentümern (Aktio-nären) mit Stimmrechten erhält.119 Gegenwärtig kommen in der Schweiz 30 kotierte Un-ternehmen auf eine Million Einwohner – Tendenz sinkend.120 Diese Abkehr von der Börse liegt u. a. an der geringeren Regulierung privater Firmen, der Benachteiligung kleinerer Firmen durch kostenintensive detaillierte Berichterstattungen und der Vermeidung einer unfreundlichen Übernahme (unfriendly takeover). Firmen bleiben dadurch vermehrt in privatem Besitz oder ziehen sich von der Börse zurück (going private). Nachteilig wirkt sich dies wiederum auf institutionelle Investoren aus, wie z. B. Pensionskassen, die ihre Gelder weniger diversifiziert anlegen können.121

• Der Swiss Performance Index (SPI) gilt als Gesamtmarktindex für den Schweizer Aktien-markt. Er enthält nahezu alle an der SIX Swiss Exchange gehandelten Beteiligungspa-piere von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein. Nicht im SPI enthalten sind Beteiligungspapiere, deren Free Float122 kleiner als 20% ist, sowie Investmentgesellschaften. Diese sind im Swiss All Share Index vertreten. Der SPI ist nach Sektoren wirtschaftlicher Tätigkeit und nach Unternehmensgrössen Small, Middle und Large eingeteilt. Er ist ein dividendenadjustierter Aktienindex (Total-Return-Index). Dies bedeutet, dass jede Dividendenzahlung bei der Indexentwicklung mitberücksichtigt

118 Vgl. hierzu auch Schmuki, D. (2017). Fintech-Unternehmen treiben den Wandel im Bankenwesen voran, in:

SECO (Hrsg.). Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik, Nr. 4, S. 50–52. 119 Der erstmalige Gang eines Unternehmens an die Börse heisst Initial Public Offering (IPO). Im laufenden Jahr

2018 brachten so viele Unternehmen ihre Aktien an die SIX Swiss Exchange AG wie seit zehn Jahren nicht mehr – die meisten entpuppten sich jedoch bis anhin als Flops. Vgl. Müller, A. (2018). Sechs von acht Börsen-gängen bescherten den Anlegern Verluste, in: Sonntagszeitung vom 22. Juli, S. 30. Während Aktien Eigenka-pital darstellen, sind die von Banken vergebenen Kredite Fremdkapital.

120 Vgl. Steck, A. (2018). Firmen verschmähen die Börse, in: NZZaS vom 15. Juli, S. 25. 121 Vgl. Grundlehner, W. (2018). Die Börse darf nicht zum Auslaufmodell werden, in: NZZ vom 26. Juli, S. 12. 122 Der Free Float (= Streubesitz) bezeichnet jenen Anteil der Aktien, der sich nicht im festen Besitz (z. B. der

Gründer) befindet.

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wird, womit der Divisor des Indexes angepasst wird. Der SPI wird seit 1. Juni 1987 kal-kuliert und alle drei Minuten neu berechnet und publiziert.123 Gegenwärtig setzt sich der SPI aus 213 Unternehmen zusammen: Im Aktienkorb der Banken finden sich 13 Kantonalbanken124, Banque Profil de Gestion S. A., Cembra Money Bank AG125, Credit Suisse Group AG, Julius Bär Gruppe AG, Hy-pothekarbank Lenzburg AG, Liechtensteinische Landesbank AG, SNB,126 UBS Group AG, Valiant Holding AG, VP Bank AG, Vontobel Holding AG und VZ Holding AG.127 Der Aktienkorb der Versicherer setzt sich aus Bâloise Holding AG, Helvetia Holding AG, Swiss Life Holding AG128, Swiss Re AG129, Vaudoise Assurances Holding SA und Zurich Insurance Group AG130 zusammen.

• Ein weiterer Index der SIX Swiss Exchange AG ist der Swiss Market Index (SMI), der seit

1988 besteht und als bedeutendster Aktienindex der Schweiz gilt.131 Er umfasst 20 grosse Unternehmen (Blue-Chips), repräsentiert bzgl. Marktkapitalisierung zwischen 80 und 85% des Aktienmarkts und dient so als Basis für Anlageprodukte wie Optionen, Fu-tures, strukturierte Produkte oder ETFs.132 Folgende Unternehmen stammen aus der Fi-nanzbranche: Credit Suisse Group AG, Julius Bär Gruppe AG, Swiss Life Holding AG, Swiss Re AG, UBS Group AG und Zurich Insurance Group AG. Der SMI ist im Gegensatz zum SPI ein nicht dividendenkorrigierter Index (Kursindex). Von den 20 Konzernen im SMI lagern gerade noch zwei Firmen ihre Papieraktien im Wertschriftentresor der SIX

123 Das Berechnungsintervall kann durch die SIX Group AG für jeden Index der SPI-Familie unterschiedlich ein-

gestellt werden, da es sich um einen modifizierbaren Parameter handelt. Vgl. SIX Group AG (2016). SIX Swiss Exchange Indices – Reglement SPI Indexfamilie (Stand 04.07.2017), S. 8 (Absatz 2.5). Das Schweizer Finanz-museum führt noch bis Ende April 2019 die Ausstellung «30 Jahre SMI: Aktienindizes erklärt!» durch (www.finanzmuseum.ch).

124 BE, BL, BS, GE, GL, GR, JU, LU, SG, TG, VD, VS und ZG. Die Bank Cler AG, die bis Mitte Mai 2017 als Bank Coop AG firmierte, ist eine Tochtergesellschaft der Basler Kantonalbank. Obwohl ihr Ursprung und Sitz in Basel sind, hat sie einen rätoromanischen Namen: Cler bedeutet klar, deutlich respektive transparent. Die Bank ist Sponsorin der Swiss Music Awards (SMA) und des Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchesters (SJSO).

125 Cembra bezieht sich auf die in den Schweizer Bergen beheimatete Arve respektive Zirbelkiefer, deren wissen-schaftlicher Name Pinus Cembra lautet. Sie kann bis zu 600 Jahre alt werden und Temperaturen bis etwas unter minus 40 Grad Celsius überstehen. In der Schweiz ist sie fast nur in Bündner und Walliser Bergwäldern verbreitet. Die Cembra Money Bank AG hiess bis November 2013 GE Money Bank und war Teil des General Electric Konzerns.

126 Die SNB ist als spezialgesetzliche Aktiengesellschaft gestaltet. Zwei Drittel der Aktien sind im Besitz der Kan-tone, ein Drittel ist in Privatbesitz. Der Bund ist nicht an der SNB beteiligt, um ihre Unabhängigkeit zu gewähr-leisten.

127 Im Gegensatz zu den beiden G-SIBs Credit Suisse Group AG und UBS Group AG sind die drei D-SIBs nicht im SPI enthalten: Die ZKB ist im Besitz des Kantons Zürich und daher nicht an der Börse kotiert, die PostFi-nance gehört zu 100% der Post und damit dem Bund, und die Raiffeisen-Gruppe ist in der Rechtsform einer Genossenschaft organisiert.

128 Die ursprüngliche Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt hatte ihren Sitz von 1867 bis 1899 im Chamhaus am Rande der Zürcher Altstadt nahe des Obergerichts. Die ältesten Teile dieses Hauses stam-men vermutlich aus dem 14. Jahrhundert.

129 Für den Aktienertrag sind Dividenden (Ausschüttungen) ebenso wichtig wie die Kursgewinne. So hat Swiss Re AG seit 1869 – und Zurich Insurance Group AG seit 1873 – noch nie eine Dividendenzahlung ausgelassen. Vgl. Steck, A. (2018). Schweizer Aktien schütten rekordhohe Dividenden aus, in: NZZaS vom 25. März, S. 35.

130 Die Zurich Insurance Company Ltd. besitzt seit 1998 die Bircher-Benner-Privatklinik am Stadtzürcher Adlisberg und unterhält dort das Zurich Development Center. Das ursprüngliche Sanatorium wurde vom Aargauer Arzt und Ernährungsreformer Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867–1939) gegründet – dieser entwickelte das weltbekannte Birchermüesli und gilt als Pionier der Vollwertkost (vgl. Wottreng, W. (2005). Revolutionäre und Querköpfe – Zürcher Schicksale, 2. Auflage, Vontobel-Stiftung, Zürich, S. 18ff.). Ein prominenter Kurgast war Thomas Mann (1875–1955; Literaturnobelpreis 1929), der die Klinik 1909 in einem Brief als hygienisches Zuchthaus bezeichnete. Er liess sich in diesen Räumen für seinen Roman Der Zauberberg (1924) inspirieren, dessen Handlung im Tuberkulose-Sanatorium Schatzalp oberhalb von Davos GR spielt – dem Austragungsort der Jahresversammlung des World Economic Forum (WEF). Manns literarischer Weggefährte Hermann Hesse (1877–1962; Literaturnobelpreis 1946) schrieb kurz zuvor sein persönlichstes und ernsthaftestes Buch Kurgast (1923), dessen Handlung in Baden im Kanton Aargau spielte. Der damals 46-jährige litt an Gicht- und Ischias-beschwerden und verglich sich vorerst freudig mit den richtig Lahmen und Hinker. Dass Hesse mit dieser einseitigen Vergleichung keine objektive und keine objektivierte Forschung betrieb, sondern lediglich optimis-tische Selbstbezauberung, diese Erkenntnis erreichte ihn auf dem üblichen langsamen Weg. Die beiden gros-sen deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wurden in der Schweiz beigesetzt – Mann in Kilchberg ZH und Hesse in Gentilino TI.

131 Einen Grundkurs bietet: Diem Meier, M. (2018). Äss Ämm Ei, in: Tages-Anzeiger vom 1. Juni, S. 3. 132 Vgl. SIX (Hrsg.) (2017). RED 2.17 – das Magazin der SIX, S. 22f.

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ein, der 1993 in Olten in Betrieb genommen wurde.133 Von den anderen 18 Konzernen existieren im Zuge der Digitalisierung nur noch elektronische Aktien. Kunden dieses her-metisch abgeriegelten Hochsicherheitstrakts dürfen ausschliesslich Banken und Hypo-thekenverwalter sein.134

• Ein Aktienindex ist nicht repräsentativ für die Volkswirtschaft eines Landes. Er besteht

letztlich aus lauter überlebenden Firmen (Survivors). So sind weder im SPI noch im SMI fehlgeschlagene und/oder klein gebliebene Firmen vertreten – also weitaus die Mehr-heit.135 Dadurch wird die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Investition am Aktienmarkt sys-tematisch falsch eingeschätzt.136

Abbildung 5: Kollektive Kapitalanlagen

• Die dargestellten kollektiven Kapitalanlagen, d. h. Anlagefonds, stehen allen Investoren offen, d. h. sowohl qualifizierten als auch nicht-qualifizierten Anlegern. Als qualifizierte Anleger gelten z. B. Versicherer und Vorsorgeeinrichtungen. Für solche finden weniger restriktive Bestimmungen im Bereich des Konsumentenschutzes Anwendung, da ange-nommen werden kann, dass deren Arbeitnehmer über hinreichende Kenntnisse im Be-reich der Finanzmärkte verfügen.

• Das Domizil der übrigen 395 kollektiven Kapitalanlagen verteilt sich zu drei Viertel auf

zwei Länder: Deutschland (160) und Grossbritannien (141).

133 Dies sind die beiden Unternehmen, von denen keine Namenaktien an der SIX Swiss Exchange kotiert sind:

(1) Der Pharmakonzern F. Hoffmann-La Roche AG handelt ausschliesslich Inhaberaktien und Genussscheine, (2) der Uhrenkonzern Swatch Group AG gibt sowohl Namen- als auch Inhaberaktien aus, wobei nur Letztere gehandelt werden. Die Aufbewahrung erfolgt nicht direkt durch die beiden Unternehmen selbst, sondern via Bank.

134 Vgl. (1) https://www.six-securities-services.com und (2) Sulc, A. (2018). Das „Fort Knox“ der Schweiz steht in Olten, in: Tages-Anzeiger vom 6. Januar, S. 9. Dieser Hochsicherheitstrakt darf nicht mit der Datenfestung Swiss Fort Knox (Mount10 AG) verwechselt werden. Rund 2600 Kunden – darunter auch Banken und Versi-cherer – speichern bei diesem Unternehmen ihre sensiblen Daten als Back-ups gegen Cyberattacken, Feuer, Wasser, aber auch gegen mögliche atomare, biologische und chemische Angriffe (sog. ABC-Angriffe). Damit kommt Swiss Fort Know einer Bank für strategische Daten gleich. Die hierfür umgenutzten Militäranlagen fin-den sich bei Saanen BE und bei Zweisimmen BE. Auch an der Jahresversammlung des WEF in Davos GR wird gegen mögliche Cyberattacken vorgegangen. Die Churer Firma Droptec hat im Auftrag der Bündner Kan-tonspolizei ein System entwickelt, das Drohnen unschädlich machen soll und erstmals am WEF 2018 einge-setzt wurde. Das System basiert auf der Technologie einer Pistole, die über einer Drohne ein Netz abwirft und sie damit auf den Boden holt. Vgl. Somedia Production (2018). Terra Grischuna, Nr. 2, S. 46.

135 In der Schweiz übten 2015 gemäss BFS rund 545'000 Unternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Vgl. BFS (2018). Unternehmensdemografie – Analysen der Daten von 2013 bis 2015, Neuenburg, 24 S. Der SPI deckt somit 0,038% und der SMI 0,0037% des gesamten Firmenspektrums ab.

136 Vgl. Dobelli, Rolf (2017). Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 17. Auflage, dtv Verlagsgesellschaft, München, S. 5ff (The Survivorship Bias) und S. 117ff. (The Base-Rate Neglect).

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Titelbild und Farben

• Die Symbole zeigen die Verbindung zwischen Finanz- und Realwirtschaft. Diese werden exemplarisch anhand der Chemie-, der Fintech-, der Tourismus- und der Wissenschafts-branche dargestellt. Zugleich erinnern die Symbole an Apps und an ein Netzwerk. Die gesamte Anordnung stellt abstrakt den Umriss der Schweiz dar mit dem Matterhorn im Wallis. Der Globus soll die internationale Verflechtung der Schweiz veranschaulichen. Das wortlose Titelbild wird in allen fünf Sprachversionen der Publikation einheitlich ver-wendet. Die leeren Felder zwischen gewissen Symbolen oder an einem Rande sollen zeigen, dass der Finanzstandort Schweiz anhand dieser Kennzahlen nicht in seiner Ge-samtheit erfasst wird. Ebenso ermöglichen die Auslassungen Raum für persönliche Kre-ativität und eigene Bilder. Die gestrichelten Linien (ins Nichts) weisen auf die Komplexität, Stabilität respektive Fragilität des Finanzsystems hin, deren Ausmass letztlich niemand vollumfänglich kennt.

• Die Farbe Blau stellt laut Farbpsychologie Vertrauen und Verlässlichkeit dar und wirkt

dadurch beruhigend und entspannend. Zugleich fördert Blau die Sprachfähigkeiten und das klare Denken. Mit Blick auf die Schweiz sollen ihre zahlreichen Seen und Flüsse angedeutet werden.137

Kontakt EFD/SIF Finanzsystem & Finanzmärkte Daniel Schmuki Bundesgasse 3 CH-3003 Bern Tel. direkt: 058 463 09 81 (Mo–Do) [email protected] Übersetzungen (aus Deutsch) Sprachdienste EFD: Englisch, Französisch und Italienisch.138 Bern, im März 2019

137 Der besonders im Ausland beliebte deutsche Schriftsteller Hesse verlegte in seinem letzten grossen Prosa-

werk Das Glasperlenspiel (1943) die Handlung ins 23. Jahrhundert. Das Buch erschien in der Schweiz, weil es in Deutschland nicht gedruckt werden durfte. Auch wenn aus der Publikation Finanzstandort Schweiz – Kennzahlen wohl kaum Entwicklungen bis ins übernächste Jahrhundert vorhersehbar sind, so soll sie in Erin-nerung an Hesse den Morgenlandfahrern gewidmet sein. Damit gemeint sind Künstlerinnen, Wissenschaftler, Visionärinnen, Idealisten und Menschen, die Ihrer Bestimmung folgen und sich nicht vom politischen Zeitgeist beeinflussen lassen. Vgl. NZZaS; in Kooperation mit getAbstract (2006). Weltliteratur – Klassiker kompakt – Ausgabe Nr. 3: Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel.

138 Diese Erläuterungen werden in den drei Amtssprachen und in Englisch publiziert. Wie für die Bundespub-likation selbst, wird keine Übersetzung in die seit 1938 offizielle vierte Landessprache der Schweiz – das (Räto)-Romanisch – vorgenommen. Dies, weil Romanisch nur im Verkehr mit bündnerromanischsprachigen Einwohnern den Status einer nationalen Amtssprache hat. Zugleich fehlt im Ansehen der Bundesstadt Bern eine Übersetzung in Mattenenglisch (Berndeutsch: Matten'änglisch, in der Spielsprache Itteme-Inglische). Dies ist eine Sonder- und Geheimsprache, die im Mattequartier in Bern und überhaupt von der Stadtberner Unter-schicht angewandt wurde.


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