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Stationsleitungen — ein Auslaufmodell?

Date post: 23-Dec-2016
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© iStockphoto/Thinkstock DOI: 10.1007/s00058-013-0972-9 Karriere in der Pflege Stationsleitungen – ein Auslaufmodell? Führungskräfte im 21. Jahrhundert benötigen andere Kompetenzen als noch vor einigen Jahren. Arbeitsprozesse werden immer komplexer, Mitarbeiter müssen entsprechend geführt werden. In deutschen Krankenhäusern wird diesbezüglich reichlich experimentiert: Primary Nursing, Bereichspflege, Ebenenkonzept sind nur drei Stichworte. Und: Welche Leitungsebenen braucht man im Krankenhaus wirklich? Sind Stationsleitungen vielleicht sogar ein Auslaufmodell? Heilberufe / Das Pflegemagazin 2013; 65 (9) 50
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Karriere in der Pflege

Stationsleitungen – ein Auslaufmodell?Führungskräfte im 21. Jahrhundert benötigen andere Kompetenzen als noch vor einigen Jahren. Arbeitsprozesse werden immer komplexer, Mitarbeiter müssen entsprechend geführt werden. In deutschen Krankenhäusern wird diesbezüglich reichlich experimentiert: Primary Nursing, Bereichspflege, Ebenenkonzept sind nur drei Stichworte. Und: Welche Leitungsebenen braucht man im Krankenhaus wirklich? Sind Stationsleitungen vielleicht sogar ein Auslaufmodell?

Heilberufe / Das P�egemagazin 2013; 65 (9) 50

Permanente Veränderungsprozesse, Arbeitsverdichtung, begrenzte Ressourcen sowie erhöhte Ar-

beitsanforderungen durch immer ältere, multimorbide und demente Patienten stellen enorme Anforderungen an Pflege-kräfte. Die Frage der Arbeitsorganisation gewinnt somit an Bedeutung. Denn das Gebot der Stunde kann nicht sein, noch schneller zu arbeiten, sondern radikal anders.

Wenn sich Arbeitsverständnis und Ar-beitsweise nicht parallel verändern, füh-ren diese Bedingungen zu einer erhöhten Stressbelastung. Einen ICE mit den Mit-teln einer Dampflok zu betreiben, kann nicht funktionieren. Da aber die Pflege-arbeit innerhalb der Institution Kranken-haus oft von verkrusteten Strukturen und ineffizienten Prozesse beeinflusst wird, gibt es keine einfachen Lösungen. Auf den Prüfstand gehört sowohl das eigene Be-rufs- und Rollenverständnis als auch die Arbeitsorganisation.

Ein weiterer erschwerender Faktor kommt hinzu: Pflegekräfte haben, ebenso wie Ärzte, große Mühe, ihre eigene Arbeit als professionelle Helfer mit einem wirt-schaftlichen Kalkül in Verbindung zu setzen. Das Zusammenbringen zweier sehr verschiedener, aus der Sicht von Pfle-gekräften oft als unvereinbar empfundene Sichtweisen, ist eine schwierige Aufgabe. Je weniger es daher gelingt, die verschie-denen Wertesysteme einander anzunäh-ern, umso verunsicherter reagieren Mit-arbeiter. Pflegekräfte werden diese Auf-gaben nicht allein bewältigen können, sie benötigen Führungskräfte, die die viel-schichtigen Ursachen einer erhöhten Ar-beitsbelastung verstehen, Mitarbeitern erläutern können, notwendige Verände-rungsprozesse initiieren und die Mitar-beiter dabei individuell und in einem starken Gruppenzusammenhalt begleiten.

Entwicklung des Teams Häufig wird deutlich unterschätzt, von welch hoher Bedeutung ein Gruppenge-füge und das auf einer Station herrschende Klima für die innere Sicherheit von Pfle-gekräften ist. Die Frage, wie erzeuge ich in einem Dreischichtsystem ein kohä-rentes Gruppengefühl, wird als Notwen-digkeit oft nicht erkannt. Abzulesen ist dies daran, dass Teambesprechungen oftmals reine Informationsveranstal-

tungen sind und kaum bewusste Teament-wicklung beinhalten. Dass eine Teament-wicklung einer konstanten Arbeit von Führungskräften bedarf, ist vielen Füh-rungskräften nicht bewusst.

Mitarbeiter individuell fördernEbenso wenig bewusst ist die Notwendig-keit einer individuellen Mitarbeiterent-wicklung, die sich nicht in dem Führen eines Jahresgespräches erschöpfen sollte. Um die Entwicklungspotentiale einzu-schätzen, benötigt eine Stationsleitung klinische Kompetenz und sie muss wissen, wie ihre Mitarbeiter mit den Patienten arbeiten. Die Frage, welche Entwicklungs-

potenziale die einzelnen Mitarbeiter ha-ben und wie diese individuell zu fördern wären, steht in Zusammenhang mit den grundlegenden Zielen, die eine Stations-leitung verfolgt.

Arbeitsorganisation und Prozess-management auf der Station Pflegekräfte können die derzeitigen und weiter steigenden Anforderungen nicht dadurch bewältigen, dass sie immer schneller Tätigkeiten ausführen. Es wäre viel gewonnen, wenn pflegerische Füh-rungskräfte erkennen würden, dass sie Pflegekräften einen Bärendienst erweisen, wenn sie diese diskontinuierlich und tä-tigkeitsbezogen arbeiten lassen. Man muss nicht gleich Primary Nursing einführen. Allein die Herstellung einer Kontinuität, die es Pflegekräften ermöglicht, über mehrere Tage Pflege- und Behandlungs-verläufe ihrer Patienten nachzuvoll-zie-hen, wäre bereits ein guter Ansatz. So ließe sich Stress reduzieren und pflege-fachliches Denken und Handeln entwi-ckeln.

Neben der Regelung der täglichen Ab-lauforganisation auf der Station ist die Koordination der Belegungssteuerung in Zusammenarbeit mit den Ärzten und die Bettendisposition eine wichtige Aufgabe der Stationsleitung. Ferner hat sie sicher-zustellen, dass ihre Mitarbeiter die jewei-

ligen Behandlungs- und Pflegeprozesse ihrer zu behandelnden Patienten überbli-cken können und im Dialog mit den an-deren Behandlern das interne Entlass-management in den Fokus stellen.

Die Steuerung des Personaleinsatzes ist ein weiterer wichtiger Arbeitsschwer-punkt. Kriterien hierfür sind, neben ar-beitsrechtlichen Grundlagen, die Über-einstimmung von Arbeitsspitzen und Personalstärken und die Planung von kontinuierlichen Diensten entsprechend den durchschnittlichen Verweildauern. Da eine Stationsleitung sieben Tage die Woche für die Pflegequalität auf ihrer Station verantwortlich ist, ist es entschei-

dend, dass das obere pflegerische Manage-ment ihr dementsprechend Verantwor-tung und Entscheidungsbefugnis in der Mitarbeiterauswahl überträgt.

Diese Arbeitsfelder einer Stationslei-tung sind verbindlich zu definieren. Sie sind abhängig von folgenden Faktoren:

▶ Anzahl der Patienten und deren durch-schnittlicher Verweildauer

▶ Schweregrad der Erkrankungen der Patienten

▶ Anzahl der unterstellten Mitarbeiter ▶ Baulichen Gegebenheiten

Hausgemachte Misere und ReparaturversucheDie Anforderungen, die aus den skiz-zierten Aufgabenfeldern erwachsen, sind hoch und die Klagen von Pflegedirektoren und Pflegedienstleitungen diesbezüglich bekannt: „Unsere Stationsleitungen sind zu alt. Das schaffen die nicht. Die wollen gar nicht in die Personalentwicklung, das haben wir schon versucht.“ Dass diese Misere nicht neu und zudem hausgemacht ist, wird selten hinzugefügt. Es ist seit et-lichen Jahren zu beobachten, dass zwar Pflegemanagement- und Pflegewissen-schaft-Studiengänge in Deutschland üp-pig gedeihen, deren Früchte in der Reali-tät des stationären Alltags aber so gut wie nicht ankommen. Das Führungsdilemma in der deutschen Pflege ist nicht neu. Sta-

Stationsleitungen gänzlich aus der direkten Patientenpflege zu nehmen und sie zu Managern zu machen, die die Tätigkeiten einer Stationssekretärin erfüllen, wurde mittlerweile als Irrweg erkannt.

Heilberufe / Das P�egemagazin 2013; 65 (9) 51

PflegeKarriere Arbeiten im Team

tionsleitungen haben zum größten Teil kein Grundlagenstudium absolviert, son-dern oft nur einen Stationsleitungskursus besucht. Dauer und Ausrichtung dieser Kurse ist sehr unterschiedlich. Dieser Zu-stand wird noch länger andauern. Was tun?

Die Bereichspflege hat Stationslei-tungen eine marginale Rolle in Hinblick auf ihre Führungsrolle zugewiesen, auf-grund derer sie zumeist den größten Teil ihrer Arbeitszeit in der direkten Pflege arbeiteten. Dieses Dilemma wurde bereits vor geraumer Zeit auch von Pflegedirek-toren erkannt. Die Schlussfolgerung war, Stationsleitungen gänzlich aus der di-rekten Patientenpflege zu nehmen und sie zu Managern zu machen, die im Grunde die Tätigkeiten einer Stationssekretärin erfüllen: das Telefon bedienen, Patienten aufnehmen oder Anamnesegespräche mit allen Patienten führen. Dieser Irrweg wird mittlerweile erkannt, allerdings erweist es sich als äußerst schwierig, Stationslei-

tungen, die sich viele Jahre über admini-strative Aufgaben definiert haben, in die klinische Arbeit zurück zu führen.

Inzwischen gibt es andere Reparatur-versuche. Einer davon besteht in der Ein-führung von Fallmanagern, die das Pfle-geassessment, die Pflegeprozessplanung und das Entlassmanagement planen, durchführen, evaluieren, Visiten begleiten oder auch die Prozessteuerung auf der Station übernehmen. Ein anderer Repa-raturversuch besteht in der Bildung von Großstationen mit 50 oder mehr Betten, auch Ebenenkonzept genannt. Es ist inte-ressant, dass in Gesprächen mit Pflegedi-rektoren oder Pflegedienstleitungen als eine Begründung für die Bildung von Großstationen und der gleichzeitigen Ab-schaffung der Stationsleitungen, neben Sparmaßnahmen oft folgendes Argument zu hören ist: „Die Stationsleitungen helfen sich untereinander nicht, sie rücken nicht zusammen und in die Personalentwick-lung wollen sie auch nicht. Da kann ich sie auch abschaffen und gebe einer Be-reichsleitung zwei oder drei Stationen, die regelt das dann.“ Im gleichen Zuge wer-den Stellvertretungen abgeschafft, da sie nur reine Abwesenheitsvertretungen seien. Ergänzend müssen Mitarbeiter über lange Zeiträume oder dauerhaft auf zwei bis drei Stationen mit unterschiedlichen Fachdisziplinen rotieren.

Notwendige Kompetenzen pflegerischer FührungskräfteWas folgt aus diesen Beschreibungen und welche Kompetenzen benötigen Füh-rungskräfte? Die aufgezeigten Lösungs-

Buchtipp

Bechtel, P. Smerdka-Arhelger, I.

Pflege im Wandel gestalten – Eine Führungsaufgabe

Springer Verlag Berlin Heidelberg 2012 ISBN 978-3-642-24920-4, ebook ISBN 978-3-642-24921-1

wege einer Abschaffung von Stationslei-tungen oder kuriose Wege von Fallma-nagement erweisen sich oft als Irrwege. Rotation von Mitarbeitern und das Auf-lösen von Stationen mitsamt Wegfall der Stationsleitungen sind keine Lösung. Die Förderung der Zusammenarbeit auf der Ebene der Stationsleitungen im Sinne ei-ner sozialen Gruppe, in der sie voneinan-der lernen können, dagegen schon. Heu-tige Stationsleitungen benötigen die Fä-higkeit, im Sinne einer Prozess-orientierung des Gesamthauses zu den-ken, den Blick über die Stationsgrenzen hinaus schweifen zu lassen. Dieses Den-ken beginnt jedoch nicht auf der Hierar-chiestufe der Stationsleitungen sondern auf der höchsten Führungsebene und – sofern es Abteilungsleitungen gibt – in der Zusammenarbeit mit diesen. Wenn Abteilungsleitungen formalistisch und intransparent führen, kann sich auf der Ebene der Stationsleitungen nur wenig verändern.

Es ist eine schwere Aufgabe, die Füh-rungsverantwortung von Abteilungslei-tungen zu definieren und vor allem in der Praxis zu verankern. Wenn eine Stations-leitung im Sinne der genannten Aufga-benfelder arbeitet und entsprechende Entscheidungsspielräume hat, so wird die Aufgabe einer Abteilungsleitung eher in der praxisnahen Förderung und Beglei-tung der Stationsleitungen und im Initi-ieren und Begleiten von Veränderungs-prozessen liegen. Entscheidend ist eine klare Definition der Verantwortungsbe-reiche dieser zwei Führungsebenen.

Um also auf die Eingangsfrage zurück-zukommen – ob Stationsleitungen ein Auslaufmodell sind – man kann davon ausgehen, dass im Hinblick auf eine effi-ziente Prozesssteuerung auf der Station und im Hinblick auf die Entwicklung ei-ner professionellen pflegerischen Arbeit, unter den bekannten hohen Arbeitsan-forderungen, Stationsleitungen benötigt werden.

Petra Schütz-PazziniOrganisationsberatung im Gesundheitswesen Eppendorfer Landstraße 96 20249 [email protected]

▶ Da sich die Bildungs- und Führungskräftemisere der deutschen Krankenpflege kurzfristig nicht ändern wird, bleibt nichts anderes übrig, als die vorhandenen Stationsleitungen zu fördern.

▶ Dafür ist die Vermittlung von Führungswerkzeugen und Managementwissen notwendig.

▶ Nur wenn sich die Zusammenarbeit der verschiedenen pflegerischen Führungs- ebenen von einer mehr oder minder formalistischen und monologisierenden Form der Zusammenarbeit hin zum Dialog und einer kreativen Zusammenarbeit ändert, kann Wandel gelingen.

▶ Die beschriebenen Anforderungen wird eine Stationsleitung nicht ohne Unter- stützung vor Ort umsetzen können. Gefragt ist ein Verlernen und Neulernen in der Arbeit durch eine interne Begleitung, die in die Prozesse geht, statt über sie zu reden.

FA Z IT FÜ R D I E PFLEG E

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PflegeKarriere Arbeiten im Team


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