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STARS Journal 05 2008 [Ulrich Berding, Sarah Ginski, Juliane Pegels und Klaus Selle]

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Ausgabe 05 Juni 2008 [ STARS ] Stadträume in Spannungsfeldern Plätze, Parks und Promenaden im Spannun öffentlicher und privater Aktivitäten Stadträume in Spannungsfeldern Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten In den vorangegangenen Journalen haben wir Ihnen Einblicke in die Methodik und erste Er- gebnisse unserer Fallstudienarbeit gegeben. Nun sind wir einen entscheidenen Schritt weiter: Wir haben die 30 Fallbeispiele im Detail erfasst und Hintergrundinformationen recherchiert – nun können wir umfassende Beschreibungen dieser Räume präsentieren; wir können sowohl von der Alltäglichkeit der Räume berichten als auch von den vielschichtigen Überlagerungen verschiedener Regelungsmodi und den Inter- dependenzen der raumprägenden Akteure. Das vorliegende Journal ist ein erster Ver- such, die Ergebnisse der empirischen Arbeit in Leipzig, Hannover und Aachen zu verdichten. Dabei stehen zunächst die Beschreibungen der öffentlich zugänglichen Freiräume im Mittel- punkt. Was für hybride Räume haben wir ge- funden? Was prägt und charakterisiert sie? Wie sind sie in ihre jeweiligen städtischen Kontexte eingebunden? In welchem Zustand sind sie? Nach diesen Raum-Beschreibungen lenken wir den Blick auf die Akteure, die das „Hybride“ die- ser Fallstudien ausmachen: Welche Personen und Institutionen spielen eine Rolle? Welche privaten oder genauer nicht-komunalen Ak- teure sind neben der kommunalen Politik und Planung aktiv? Nach der Beschreibung der Räume und der Akteure folgt der vielleicht unübersicht- lichste, weil komplexeste T eil: die Überlagerung und Aufteilung von Verantwortlichkeiten der jeweiligen Akteure in den unterschiedlichen F ällen deutlich zu machen und ihr I nteragieren zu erkunden. Schließlich gilt es, diese Beobach- tungen in den hybriden Räume zu analysieren und zu erklären: Wie und warum entstehen die Räume im Schnittbereich kommunaler und nicht-kommunaler Aktivitäten? Welche Mo- tive und Hintergrü nde werden erkennbar? Wie „funktioniert“ die Interdependenz der Akteure? Welche Wirkungen ergeben sich daraus? Obwohl mit diesen ersten Erklärungsan- sätzen ein wichtiger Schritt zum „Verständnis“ hybrider Räume getan ist, bleiben doch noch Fragen offen: Was bedeutet das eigentlich für den kommunalen Handlungs- und Steuerungs- bedarf? Welche Optionen, welche Gestaltungs- spielräume haben die kommunalen Akteure? Diese und weitere Fragen werden die nächsten StaRS-Projektschritte prägen. Doch dieser Spur wollen wir nicht allein nachgehen, sondern möchten den bisher so fruchtbaren Dialog mit Ihnen fortsetzen. Fra- gen und Anregungen, Kritik und Ideen aller Art sind sehr willkommen – wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen! Ulrich Berding, Sarah Ginski, Do Hyung Kim,  Juliane Pegels, Achim Reese und Klaus Selle Die Fallstudien
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8/3/2019 STARS Journal 05 2008 [Ulrich Berding, Sarah Ginski, Juliane Pegels und Klaus Selle]

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Ausgabe 05 Juni 2008

[STARS]Stadträume in Spannungsfeldern

Plätze, Parks und Promenaden im Spannunöffentlicher und privater Aktivitäten

Stadträume in Spannungsfeldern

Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereichöffentlicher und privater Aktivitäten

In den vorangegangenen Journalen haben wirIhnen Einblicke in die Methodik und erste Er-gebnisse unserer Fallstudienarbeit gegeben.Nun sind wir einen entscheidenen Schritt weiter:Wir haben die 30 Fallbeispiele im Detail erfasstund Hintergrundinformationen recherchiert –nun können wir umfassende Beschreibungendieser Räume präsentieren; wir können sowohlvon der Alltäglichkeit der Räume berichten alsauch von den vielschichtigen Überlagerungenverschiedener Regelungsmodi und den Inter-dependenzen der raumprägenden Akteure.

Das vorliegende Journal ist ein erster Ver-such, die Ergebnisse der empirischen Arbeit in

Leipzig, Hannover und Aachen zu verdichten.Dabei stehen zunächst die Beschreibungen deröffentlich zugänglichen Freiräume im Mittel-punkt. Was für hybride Räume haben wir ge-funden? Was prägt und charakterisiert sie? Wiesind sie in ihre jeweiligen städtischen Kontexteeingebunden? In welchem Zustand sind sie?Nach diesen Raum-Beschreibungen lenken wirden Blick auf die Akteure, die das „Hybride“ die-ser Fallstudien ausmachen: Welche Personenund Institutionen spielen eine Rolle? Welcheprivaten oder genauer nicht-komunalen Ak-

teure sind neben der kommunalen Politik undPlanung aktiv?Nach der Beschreibung der Räume und

der Akteure folgt der vielleicht unübersicht-

lichste, weil komplexeste Teil: die Überlagerungund Aufteilung von Verantwortlichkeiten der

jeweiligen Akteure in den unterschiedlichenFällen deutlich zu machen und ihr Interagierenzu erkunden. Schließlich gilt es, diese Beobach-tungen in den hybriden Räume zu analysierenund zu erklären: Wie und warum entstehen dieRäume im Schnittbereich kommunaler undnicht-kommunaler Aktivitäten? Welche Mo-tive und Hintergründe werden erkennbar? Wie„funktioniert“ die Interdependenz der Akteure?Welche Wirkungen ergeben sich daraus?

Obwohl mit diesen ersten Erklärungsan-sätzen ein wichtiger Schritt zum „Verständnis“

hybrider Räume getan ist, bleiben doch nochFragen offen: Was bedeutet das eigentlich fürden kommunalen Handlungs- und Steuerungs-bedarf? Welche Optionen, welche Gestaltungs-spielräume haben die kommunalen Akteure?Diese und weitere Fragen werden die nächstenStaRS-Projektschritte prägen.

Doch dieser Spur wollen wir nicht alleinnachgehen, sondern möchten den bisher sofruchtbaren Dialog mit Ihnen fortsetzen. Fra-gen und Anregungen, Kritik und Ideen allerArt sind sehr willkommen – wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen!

Ulrich Berding, Sarah Ginski, Do Hyung Kim, Juliane Pegels, Achim Reese und Klaus Selle

Die Fallstudien

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StaRS-FallstudienBeschreibungen und Analysen

Nach Abschluss der ersten Empirie-Phase des StaRS-Projektes ist es an der Zeit, das Vorgefundeneauszuwerten: die 30 untersuchten Freiräume in Leipzig, Hannover und Aachen zu beschreiben undzu charakterisieren, die Ursachen- und Wirkungszusammenhänge dieser Räume im Schnittbereichkommunaler und nicht-kommunaler Interessen zu erläutern und schließlich erste Hypothesen zuformulieren, was die Existenz dieser Räume – geprägt von der Interdependenz sehr unterschied-licher Akteure – für denn kommunalen Handlungsalltag bedeutet.

Was den Untersuchungsgegenstand der Fall-studien kennzeichnet, ist in den früheren Jour-nalen sicherlich ausreichend deutlich gewor-den: Unserer Augenmerk liegt auf alltäglichen,in der europäischen Stadt schon immer zu n-denden öffentlich zugänglichen Stadträumen.Diese Räume sind nur insofern besonders,als sie im Schnittbereich öffentlicher und pri-

vater Aktivitäten liegen, also maßgeblich vonden unterschiedlichen Interessen kommunalerund nicht-kommunaler Akteure geprägt sind.Das vornehmliche Ziel der empirischen Ar-beit lag darin, diese hybriden Räume zunächstzu erfassen und zu beschreiben, um dann dieHintergründe ihrer Entstehung zu ergründenund die Wirkungen zu analysieren, die ausden Einüssen der unterschiedlichen Akteureresultieren. Schließlich gilt es abzuleiten, wel-

che Folgerungen aus der Interdependenz derAkteure für den Handlungsbedarf der Kommu-nen resultiert.

1. Die FallstudienWonach haben wir gesucht?Bevor 30 Fallbeispiele aus Aachen, Hannoverund Leipzig erfasst und beschrieben werdenkonnten, anhand derer Ursache- und Wirkungs-

zusammenhänge analysiert und erklärt werdensollten, mussten zunächst fallstudientauglicheRäume gesucht und identiziert werden. Die-sen Such- und Auswahlprozess haben wir inden vorangegangenen Journalen verschiedent-lich dokumentiert. Diese Suche zeitigte schonbald eine erste eindeutige Erkenntnis: HybrideRäume sind keine Einzelfälle in unseren Städ-ten. Egal, auf welche Weise gesucht, waren inLeipzig, Hannover und Aachen bald weit mehrFreiräume im Schnittbereich identiziert als inder empirischen Arbeit eingehender zu unter-

suchen möglich wären. In Aachen, unseremtäglichen Bewegungsraum, lag das Identizie-ren hybrider Plätze, Parks und Promenadenvielleicht nahe; aber auch in Hannover undinsbesondere in Leipzig, in einem städtischenKontext, der den Bearbeiterinnen neu war,entpuppte sich die Suche nach möglichen Fall-beispielen als unkompliziert. Nach der Iden-tizierung von annähernd 100 hybriden „Ver-dachtsräumen“ bestand die nächste Aufgabe inder Eingrenzung. Ein wesentliches Kriteriumhierfür war die Zugänglichkeit und Verfügbar-keit aller für die Forschung relevanten Daten.Dazu gehören auch Informationen aus Grund-büchern oder Verträgen, die in der Regel nur inbegründeten Fällen einzusehen sind. Aus über

Unser Forschungsinteresse gilt weniger „neuen“ Räumen, sondern vor allemden Raumtypen, die schon immer Teil der europäischen Stadt waren – alsovornehmlich Plätzen, Parks und Promenaden

Ein Platz Ein Park Eine Promenade

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Ausgabe Juni 2008

Editorial 01

StaRS-FallstudienBeschreibungen und Analysen 02

Neues Hybrides 16

Impressum/Kontakt 16

05

100 Verdachtsräumen, die alle der Raumkate-gorie Platz, Park oder Promenade zuzuordnen,alle öffentlich zugänglich, alle maßgeblich vonkommunalen und nicht-kommunalen Akteurengeprägt waren, wählten wir in jeder Stadt zehnFreiräume als Fallbeispiele aus. Wir bemühten

uns, eine ausgeglichene Auswahl zu treffen, diedie verschiedenen Nutzungskontexte berück-sichtigt, die die drei Raumkategorien umfasstund unterschiedliche Erkenntnisse zur Ausge-staltung der Interdependenz der beteiligten Ak-teure versprach.

Diesen Kanon der 30 Fallstudien galt esgenauer zu untersuchen. Dabei wurden zu-nächst Angaben zum jeweiligen Raum selber,seiner Funktion, seiner Lage im baulichen undNutzungs-Kontext, seiner Bedeutung im Netz-werk aller öffentlich zugänglichen Räume undsein Pege- und Erhaltungszustand erfasst.Im nächsten Schritt wurden – als zweite Säuleder Untersuchung – die Akteure identiziert,die den Raum maßgeblich prägen. Schließ-lich wurden diese beiden Betrachtungsebenenüberlagert und erfasst, welche Akteure auftre-ten, welche Rollen und Verantwortlichkeitensie einnehmen, wie sie untereinander agieren,also wie deren Interdependenz gestaltet ist undwelchen Charakter diese Interdependenz hat.Da das Beziehungsgeecht der oftmals vielenAkteure selten statisch ist, lenken wir schlus-sendlich noch den Blick auf dynamische Ver-

änderungen. Obwohl Gegenstand unserer Un-tersuchungen der Status quo eines Raumes ist,sind in einigen Fällen Veränderungen zu erken-nen, deren eingehendere Betrachtung wichtigeRückschlüsse auf die Ausgestaltung und Stabi-lität einer Interdependenz beinhaltet.

2. BeschreibungenWas haben wir gefunden?Wie schon der Titel des Forschungsprojektesimpliziert, zeigen die Fallbeispiele, dass dieunterschiedlichsten Ausprägungen und Misch-

formen von Plätzen, Parks und Promenadenim Schnittbereich öffentlich-privater Aktivi-täten zu nden sind. Das Repertoire reicht vomklassischen Bahnhofsvorplatz in Hannover,über Grünplätze in Leipzig bis hin zu Plätzenin Wohnkontexten wie der Hermann-Heusch-Platz in Aachen. Ebenso sind verschiedeneParks zu nden, vom historischen Stadtparküber einen neugestalteten Themenpark inLeipzig bis hin zur Wohnpark-Anlage Seelhor-ster Garten in Hannover. Auch die Vielfalt vonPromenaden ist groß und reicht von der neuaufgelebten historischen Blockquerung überdie gastronomische Meile bis zur klassischenInnenstadtpassage.

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Ein großer Teil der Räume ist in städtischeMischkontexte eingebettet. Aber auch Wohn-nutzungen oder Orte, die vom Strukturwandelgeprägt sind, bilden das Umfeld hybrider Räu-me. Analog zu den vielfältigen Kontexten istauch die Rolle unterschiedlich, die die unter-

suchten Fallbeispiele im Netzwerk aller öffent-lich zugänglichen Räume spielen: Zahlreicheder von uns betrachteten Räume bilden einensubstanziell-integralen Bestandteil, sind alsofunktional und strukturell stark mit dem Um-feld verwebt. Würden diese Räume also unzu-gänglich, wäre das Geecht des Grün- und Frei-raumsystems empndlich gestört. Hybride undnicht-hybride Räume ießen im Stadtgefügezusammen und ergeben ein von Nutzerinnenund Nutzern erlebbares Raum-Netzwerk.

Andere Beispielräume hingegen sind eherkomplementär-additiver Natur. Sie funktionie-ren als ergänzende separate Räume und erwei-

tern das städtische Raumsystem. Neben denfunktionalen und strukturellen Eigenschaftender untersuchten Räume ist auch der baulich-räumliche Zustand von Bedeutung. Auffälligist, dass sich die von uns untersuchten Räume,von wenigen Ausnahmen abgesehen, in einem

ihrer Lage und Funktion entsprechenden gutenZustand benden. Einige Räume sind erst vorwenigen Jahren gebaut worden und macheneinen sehr guten und gepegten Eindruck.Aber auch wenig ältere sind trotz intensiverNutzung ebenfalls in tadellosem Zustand, undauch sehr alte Räume erscheinen gut gepegtund erhalten. Natürlich nden sich unter denuntersuchten Räumen auch Beispiele für man-gelhafte Pege und Verwahrlosungserschei-nungen. So gibt es Beispiele, in denen sichRenovierungsbedarf zeigt oder ursprünglicheAufenhaltsqualitäten durch parkende Autos ge-mindert werden.

Wer mischt mit? Die Akteure im BlickAnders als in den oben genannten Beispielen,in denen Pegezustände auf unterschiedlicheVerantwortlichkeiten verweisen, bleiben diemeisten Akteure zunächst unsichtbar. Erst einegenaue Recherche bringt ein breites Akteurs-spektrum zu Tage: Alle Gruppen, Unterneh-men, Personen und Institutionen, die Rechtean einem Raum innehaben oder – im Sinneeines „Stakeholders“ – ein Interesse an einer

Raumentwicklung haben, tauchen als Akteureauf. Dazu gehören auf der einen Seite die pri-vaten, am Markt agierenden Akteure. Hier sindneben Einzelpersonen, die (Mit-)Eigentümereines Raums sind, vor allem gewerbliche Ak-teure, Entwicklungsgesellschaften und Bankenzu nennen. Demgegenüber stehen auf der an-deren Seite die Kommunen, die in fast allen be-trachteten Beispielen Interesse an der Entwick-lung eines Raumes haben, oftmals aber auchInhaber von Rechten sind. Zwischen diesenbeiden Polen – privat und kommunal – lassensich weitere Differenzierungen beobachten, die

sich aus der jeweiligen Handlungslogik undrechtlichen Zuordnung der Akteure ergeben.

Die KommuneDie Kommunen können in vielen Fällen als„Shareholder“ direkt oder indirekt über dieEntwicklungen mitbestimmen. Damit verbun-den ist in Einzelfällen auch die Zuständigkeitfür Pege und Unterhalt der Räume. So sindbeispielsweise große Teile des Seelhorster Gar-tens nach der Fertigstellung in kommunales Ei-gentum übergegangen, und gleichzeitig hat die

Stadt Hannover die Pegeaufgabe übernom-men. In Leipzig ist die Stadt Miteigentümerindes Duft- und Tastgartens, übernimmt aber

Unterschiedliche Pe-gestandards auf demBemeroder Rathaus-platz in Hannover:Quer über den Platzverläuft eine Eigen-tumsgrenze, die denkommunalen Teil desPlatzes vom privatentrennt. Die Kommu-ne pegt „ihren“ Teilnicht so intensiv wieder private Eigentü-mer es mit „seiner“Seite tut.

Die Kommune als „Shareholder“ des LeipzigerDuft- und Tastgartens: Die Stadt ist Miteigen-tümerin des Duft- und Tastgartens, übernimmtaber nicht selbst die Pege, sondern beteiligtsich durch Zuschüsse nanziell an dieser Auf-gabe.

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nicht selbst die Pege, sondern beteiligt sichdurch Zuschüsse nanziell an dieser Aufgabe.Anders ist die Lage im Ramdohrscher Park,von dem nur ein kleiner Teil im Eigentum derKommune ist, die aber dennoch den gesamtenPark pegt. In anderen Beispielräumen hat die

Kommune keine Eigentumsrechte inne, enga-giert sich aber trotzdem. Über diesen Einzelfallhinaus verfolgen aber in Aachen, Leipzig undHannover die Kommunen das Anliegen, den öf-fentlich nutzbaren Stadtraum, unabhängig vonden jeweiligen Eigentumsrechten, als Ganzenzu entwickeln. Die Kommunen beschränkensich selten auf die Rolle eines Zuschauers, son-dern bemühen sich – im Sinne einer „Stake-holder-Rolle“ – auch dann um Einussnahme,wenn sie keine direkten Eigentums-, Nutzungs-oder andere Rechte haben.

Die PrivatenNeben den Kommunen, die in vielen Fallbei-spielen einen zum Teil erheblichen Einussnehmen, stellen die privaten Entwickler undBetreiber wesentliche Akteure der Raument-wicklung dar. In einigen Fallbeispielen sindPrivate die alleinigen Inhaber von Rechten. Indiesen Fällen übernehmen die privaten Eigen-tümer sämtliche Pichten: die Pege und denUnterhalt der Räume, aber auch sämtliche In-vestitionen zum Bau und zur Fortentwicklungder Räume, sowie die Gewährleistung der Si-

cherheit. Entsprechend ist in diesen Beispielender kommunale Einuss auf die Raumentwick-lung gering und beschränkt sich im Kern auf die Festsetzung der (bau)rechtlichen Rahmen-bedingungen.

Der Einuss privater Akteure kann sichauch auf die Entwicklungsphase eines Raumesbeschränken: So im Fall des Seelhorster Gar-

tens in Hannover, wo die Investorengesellschaftden Bau und die Vermarktung des Projektes be-trieben hat, um dann die öffentlich nutzbarenRäume an die Kommune zu übergeben. Oderanders herum kann sich der private Einussauf die „Lebensphase“ eines Raumes beziehen:

Ein privater Akteur kauft einen bereits entwi-ckelten Raum und die dazu gehörende Immo-bilien und ist damit zuständig für Pege, Erhaltund Nutzungsregulierung. In einem anderenFallbeispiel bezieht sich der Einuss eines Pri-vaten allein auf die Entstehungsphase, genauerdie Finanzierung eines Projektes: Die Grünä-che vor dem Haus Marquette in Leipzig konntedurch die Spende einer Privatperson gestaltetund gebaut werden. Die Pege und Regulie-rung übernimmt die Kommune.

Auch die Bürgerinnen und Bürger treten –vor allem als Nutzer der Räume – in Erschei-

nung. Sie stellen die Öffentlichkeit dar, für diedie Räume zugänglich und nutzbar gehaltenwerden. In Einzelfällen geht ihre Rolle jedochüber die der Nutzer hinaus: Bürger überneh-men freiwillig Pegeleistungen, sie engagie-ren sich mit Geldspenden für den Bau einesRaumes oder durch Gründung eines Vereins,

der die kulturelle Nachnutzung eines Geländesinitiiert.

Recht: Welche rechtlichen Zuordnungen undVereinbarungen gibt es?Die Betrachtung der Dimension „Recht“ er-fordert einen eingehenderen Blick ins „Un-sichtbare“. Wer welche Rechte am hat, wirktsich zwar auf den Raum aus, lässt sich aus denBeobachtungen vor Ort jedoch nicht zwingendschließen.

Eine zentrale Dimension stellt das Eigen-tumsrecht dar. Sehr häug lässt sich einembetrachteten Raum eindeutig ein Eigentümerzuordnen. In zahlreichen Fällen liegt jedochein mitunter kompliziertes Nebeneinander

Übergabe eines „öffentlichen“ Raums an einenPrivaten: Ein PKW-Händler kauft die SchwarzenGärten in Hannover, übernimmt also einen be-

reits entwickelten Freiraum und die dazu gehö-renden Immobilien zur weiteren Nutzung undist nun zuständig für Pege und Regulierung.

Kommunaler Einussim Rahmen der Bau-leitplanung im Falldes Städtischen Kauf-hauses: In Leipzig legtein für die gesamteInnenstadt geltenderBebauungsplan fest,dass die Passage desStädtischen Kaufhau-ses in Fortsetzung derLeipziger Passagen-Tradition öffentlichzugänglich sein muss.

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von Eigentumsrechten vor: Direkt aneinandergrenzende Grundstücke gehören jeweils unter-schiedlichen Eigentümern, ein kommunalesGrundstück ist in ein privates „Umfeld“ einge-bettet, einzelne Parzellen und Wege eines pri-vaten Grundstücks sind in kommunaler Handoder eine Freiäche ist in sechs Parzellen unter-teilt, von denen drei nicht zusammenhängendeTeile dem einen und die anderen drei einemanderen Eigentümern gehören. Für die Nut-zerinnen und Nutzer werden eigentumsrecht-

liche Zuordnungen nur in seltenen Fällen er-kennbar – oft nur dann, wenn ein Eigentümersich als Autor von Ge- und Verbotsschildern zuerkennen gibt.

Neben der eigentumsrechtlichen Zuord-nung liegen in den meisten Fallbeispielen wei-tere rechtlich bindende Festlegungen zu Aufga-ben, Pichten und Rechten von Akteuren vor.Ein wichtiges Instrument zur Festlegung vonRechten und Pichten ist der Bebauungsplan.Die Kommune schafft sich mittels eines B-Plansdie Möglichkeit, nicht-kommunalen Akteuren

Auagen zu Bau, Gestaltung und Nutzbarkeiteines Raumes zu machen. Konkreter auf dieöffentliche Nutzbarkeit der Freiräume bezogensind die Vorgaben, die im Grundbuch vermerktsind. In sehr vielen von uns untersuchten Bei-spielen wird über das Grundbuch eine öffent-liche Zugänglichkeit sichergestellt. Sehr häugwird ein öffentliches Gehrecht festgelegt, dasdie Querung des Grundstücks auf einem fest-gelegten Streifen ermöglicht und ein Versper-rung oder Bebauung dieses Bereiches verbietet.Eine andere Möglichkeit der Sicherung öffent-licher Nutzbarkeit besteht in einer im Grund-buch festgelegten Grunddienstbarkeit, die derÖffentlichkeit das Queren eines privaten Ge-

ländes ermöglicht. Eine noch deutlichere Fest-legung ist die öffentliche Widmung, die einenRaum unabhängig von seiner eigentumsrecht-lichen Zuordnung de facto „öffentlich“ macht.

Jenseits dieser hoheitlichen Instrumente,die einer Kommune zur Verfügung stehen, wer-den auch immer wieder individuelle Vereinba-rung zwischen den beteiligten Akteuren getrof-fen. Dazu zählen die Leipziger Gestattungsver-einbarungen oder auch andere privat-rechtlicheund städtebauliche Verträge zwischen Privaten

und Kommunen. Über den konkreten Einzel-fall hinaus nutzen Kommunen im Rahmenvon stadtweit geltenden Verordnungen weitereMöglichkeiten zur Kontrolle öffentlichen undprivaten Handelns. In Hannover legt zum Bei-spiel die „Verordnung über die öffentliche Si-cherheit und Ordnung in der LandeshauptstadtHannover“ fest, dass alle öffentlich nutzbarenRäume unabhängig von ihrem Eigentümer alsöffentliche Räume gelten. Damit ist die Kom-mune für Sicherheit und Ordnung auch derRäume zuständig, die sich nicht in kommu-

nalem Eigentum benden. Angesichts der Viel-falt der zur Anwendung kommenden Rechts-instrumente kann es kaum verwundern, dasssich in vielen Fällen mehrere Regelungen in einund demselben Raum überlagern. Insgesamtumfassen die angewandten rechtlichen Rege-lungen und Instrumente ein breites Spektrum:von temporär wirkenden Gestattungen überprojektbezogene Verträge, einen bestimmtenRaum betreffenden Baulasten, Dienstbarkeitenund öffentlichen Widmungen bis zu gesamt-städtisch wirksamen Verordnungen.

In einigen Fallbeispielen sind allen Rege-lungsmöglichkeiten zum Trotz, keine beson-deren Vereinbarungen zwischen Kommune

Gestattungsvereinbarungen in Leipzig: Ein Beispiel hierfür istdas „Schlüsselloch“, für das eine temporäre öffentliche Nut-zung ermöglicht wurde, bis sich ein Investor ndet, der die ge-

samte Fläche oder einzelne Parzellen weiter entwickeln möchte.

Nutzungsregulierung durch Überwachung? Der Vorplatz derLeipziger Volkszeitung wird vom Empfangspersonal im Innerendes Gebäudes rund um die Uhr beobachtet.

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und Privaten getroffen. In diesen Fallbeispielenstellen private Eigentümer ihre Flächen der Öf-fentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung ohnedies auf irgendeine Weise rechtlich zu manife-stieren.

Nutzungsregulierung: Wer beeinusst dieNutzerinnen und Nutzer?Neben der physischen Präsenz, der Lage unddem Umfeld eines Raums ist aus Sicht derNutzerinnen und Nutzer die Frage wichtig,ob und auf welche Weise das eigene Verhal-ten eingeschränkt wird. In den untersuchtenBeispielräumen zeigen sich unterschiedliche,mehr oder minder deutliche Ansätze der Regu-lierung. Ein wirksames Mittel zur Regulierungvon Nutzerverhalten ist die Absperrung einesganzen Raumes oder von Teilbereichen. Auf diese Weise wird unerwünschten Nutzern der

Zutritt verwehrt. Da ein Kriterium zur Auswahlder Fallstudienräume ihre öffentliche Nutzbar-keit war, nden sich unter unseren Fallstudienkeine Beispiele für dauerhafte Absperrungen.Allerdings besteht bei einigen Räumen dieMöglichkeit, einen oder mehrere Eingängedurch Tore zu verschließen.

Deutlich häuger als die direkte Absper-rung werden andere Formen der Nutzungs-regulierung gewählt: In vielen Fällen weisenSchilder auf „verbotenes“ Verhalten hin. DasSpektrum der Hinweise ist dabei sehr breit: es

reicht von Verhaltenshinweisen bis zu klarenVerboten, von prägnanten Piktogrammen biszu ausführlichen Hausordnungen mit mehre-

ren Paragraphen. Weiter ins Detail gehen Platz-oder Hausordnungen, die einen klaren Kanonerwünschten und unerwünschten Verhaltensaufzeigen.

Die Wirkung von Hausordnungen und an-deren schriftlich festgehaltenen Nutzungs- undVerhaltensbestimmungen entfaltet sich meisterst dann, wenn es Personal gibt, das sie durch-setzen kann. Weil auf öffentlich nutzbaren Plät-zen in Hannover die Polizei für alle Belange derSicherheit und Ordnung zuständig ist, müssendort im Zweifelsfall die Polizei oder die Service-gruppen der Stadtverwaltung gerufen werden.In anderen Fällen setzen ein private Sicher-heitsdienste das Hausrecht durch, entwederdurch permanente 24-Stunden-Beobachtungoder weniger umfassend durch einzelne Kon-trollgänge.

Subtiler ist die Überwachung von öffent-

lich nutzbaren Räumen durch Videokameras.In welcher Weise Kameras das Verhalte vonNutzerinnen und Nutzern beeinussen, kannhier nicht weiter erörtert werden. Doch gene-rell ist das Vorhandensein von Überwachungs-kameras eine Form der Regulierung, die inden Fallbeispielen gefunden wurde. Trotz derzahlreichen Beispiele mit mehr oder wenigerstarken Formen der Nutzerregulierung gibt esauch Fälle ohne eine erkennbare – über dasMaß der sozialen Kontrolle hinaus gehende –Beeinussung oder Selektion von Nutzerinnen

und Nutzern.

Sicherheitspartnerschaft: Auf dem Aachener Domhof istformal-rechtlich das Domkapitel für die Sicherheit zuständig;allerdings zeigt auch der städtische Ordnungsdienst immer

wieder Präsenz. Ohnehin übernimmt der kommunale Ord-nungsdienst in Aachen immer wieder Überwachungsaufgabenfür einzelne nicht-kommunale Räume mit deutlichem Öffent-lichkeitscharakter.

Keine besonderen Vereinbarungen oder Regelungen: In derLeipziger Spinnerei gilt reines Privatrecht – es gibt keine Wid-mungen, Grunddienstbarkeiten, Baulasten oder Verträge. Diese

Nicht-Regelung führt aber weder zu Unklarheiten der Rechts-lage noch zu spürbaren Einschränkungen der öffentlichenNutzung. Die private Eigentümergesellschaft stellt einfach ihreFlächen der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung.

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Interdependenz: Wie gehen die Akteuremiteinander um?Die bisherigen Erläuterungen machen deutlich,

dass sich in den meisten Fallbeispielen mehre-re Akteure – kommunale, private und andere –an der Produktion und Regulierung der Räumebeteiligen. Nun stellt sich die Frage, wie dieKommune, aber auch die nicht-kommunalenAkteure, ihre jeweiligen Interessen durchset-zen können. Ein Blick auf das Zusammenspiel,die gegenseitigen Abhängigkeiten und Aus-tauschbeziehungen, die Gestaltung der „Inter-dependenz“ der im und am Raum handelndenAkteure ist daher aufschlussreich:

In einzelnen Beispielen manifestiert sichdie Interdependenz zwischen den unterschied-

lichen Akteuren unmittelbar auf baulich-räum-liche Weise: Auf dem Aachener Bücherplatz– einer privaten Fläche – bendet sich einSpielgerät, das in kommunalem Eigentum ist.Dieses Spielgerät stellt eine Art „kommunaleInsel“ auf privatem Grund dar. Ebenfalls ineinem Aachener Raum in privatem Eigentumhat die Kommune dekorative Panzkübel auf-

gestellt. Auch hier zeigt sich, dass das Zusam-menspiel eines nicht-kommunalen Akteurs mitder Stadt sehr raumwirksam sein kann. Eineübliche Form der Ausgestaltung der Interde-pendenz der Akteure ist der Abschluss einesprivat-rechtlichenVertrages, vor allem zur Fest-

legung der jeweiligen Rechte und Pichten.Nicht in allen Fällen schließen die Akteure je-doch rechtlich bindende vertragliche Vereinba-rungen. In einigen Beispielen handeln Akteureim Stillen, inofziell oder gar ohne expliziteKenntnis der anderen Partei. Doch informelleRegelungen müssen nicht zwangsläug nurmit einseitigem Akteurswissen verbundensein. So haben Pegekräfte der Stadt und derRWTH Absprachen getroffen, nach denen die„einen“ Flächen der jeweils „anderen“ reinigenund instand halten. Hier geht also Alltagspraxisvor Bürokratie, jenseits vertraglich festgesetzterVereinbarungen kommen Akteure zu einemModus des Zusammenspiels.

Die Interdependenzen zwischen den kom-munalen und nicht-kommunalen Akteuren ge-staltet sich jedoch auch und gerade jenseits derim Raum sichtbaren Ergebnisse sehr vielschich-tig. Handfeste Konikte zwischen kommunalerund privater Seite stellen allerdings die Ausnah-me dar. In der Regel sind die Akteure an einerkooperativen Zusammenarbeit oder zumindestan einer koniktfreien Koexistenz interessiert.Das Spektrum der Interdependenzgestaltung

ist angesichts der unterschiedlichen Akteurs-konstellationen und örtlichen Voraussetzungenentsprechend vielfältig.

Neben der Art und den Modalitäten sindder Gegenstand einer Interdependenz sowiedie Motive und Motivationen der jeweiligenAkteure von besonderer Bedeutung. Hier n-den wir zahlreiche, eng mit den spezischen

Räumlich manifestierteInterdependenz: DasSpielgerät auf dem priva-ten Aachener Bücherplatzbendet sich in kommuna-lem Eigentum und unter-

liegt kommunaler Haftung.Diese „kommunale Insel“auf privatem Grund ist dasErgebnis einer Vereinba-rung zwischen der StadtAachen und dem Eigentü-mer.

Konikte sind selten,kommen aber gelegent-lich vor: In der AachenerMilchstraße kommt es

immer wieder zu Be-schwerden der Anwohner,die vor allem in den Som-mermonaten unter Lärmund Verschmutzungdurch die Gastronomieleiden. Die Lärmemissi-onen übersteigen zumTeil das rechtlich erlaubteMaß, und es wurdenauch schon Bürgeriniti-ativen zur Wahrung der

Anwohnerinteressengegründet.

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örtlichen Gegebenheiten ver-knüpfte Ausprägungen vor:

In einigen der betrachte-ten Fälle ndet aus kommu-nalen Interessen und auf kom-munale Initiative eine enge

Zusammenarbeit kommunalerund nicht-kommunaler Ak-teure statt. So entwickelte sichin einem Fall aus einer freiwil-ligen kommunalen Vorleistungein enger Dialog, und die Stadtals „Stakeholder“ zu einer ak-tiven Mit-Gestalterin eines wei-teren Entwicklungsprozesses.

Generell sind Absprachenund Kooperationen im Vorfeldvon Neu- und Umgestaltungenhäug: Vor allem im Zuge vonNeugestaltungen sprechen sichKommune und Private ab, umein einheitliches gestalterischesErscheinungsbild von privatemund angrenzendem kommunalem Raum zuerreichen. Doch nicht nur in Phasen baulicherVeränderungen kommt es zu einem Zusam-menwirken, sondern ebenso im laufenden Be-trieb. So nden in manchen Fällen regelmäßigeTreffen zwischen Kommune und Privaten statt,um die gegenseitigen Belange zu koordinie-ren.

Die formellen und informellen Abspra-chen und Regelungen zwischen den Akteurenkönnen in Einzelfällen von erheblicher Viel-schichtigkeit sein, sich überlagern und dabeinicht immer allen Akteuren vollständig be-wusst sein. So ist beispielsweise zu beobachten,dass öffentliche Sicherheitskräfte auch in nicht-kommunalen Räumen Präsenz zeigen, obwohldiese Räume eindeutig außerhalb ihrer Zustän-digkeit liegen.

Gelegentlich kommt es auch zu einerfaktisch kaum ausgestalteten Interdependenz

zwischen Kommune und Privaten. Vor allemin den oben geschilderten Fällen nicht vorhan-dener Verträge oder Vereinbarungen reduziertsich die Ausgestaltung der Schnittstelle auf einMinimum. In einem Fall kommt es immer wie-der zu Beschwerden der Anwohner, die unterLärm und Verschmutzung durch Gastronomieleiden. Faktisch verhält sich die Stadt hier je-doch passiv, wirkt nicht auf den Eigentümerein und unterstützt das private Handeln durchNicht-Intervention. Das Stillschweigen derKommune ließe sich auch als eine subtile Formder aktiven Interdependenz-Gestaltung inter-pretieren – mit dem Ziel, nichts zu unterneh-men, was den auch kommunal erwünschtenStatus quo gefährden würde.

Dynamische Veränderungen: „alles ießt“Im Mittelpunkt der Fallstudien steht der Sta-tus quo der betrachteten Räume, also der zumZeitpunkt der Untersuchung vorgefundeneZustand. Gleichwohl unterliegen alle öffentlichnutzbaren Räume einem stetigen dynamischenWandel. Die von uns genauer betrachteten Räu-me zeigen also in vielen Fällen Veränderungs-

prozesse sowohl in Bezug auf ihre Gestalt alsauch hinsichtlich der Akteure, ihren Rechtenund Rollen. Oft hängen räumliche Entwick-lungen und dynamische Akteurskonstellationeneng zusammen. Weniger offensichtlich, aberim Sinne einer akteursbezogenen Betrachtungvon großer Bedeutung sind Veränderungen vonZuständigkeiten und Eigentumsverhältnissen.Diese Veränderungen im Schnittbereich lassensich prinzipiell in zwei zeitlichen Phasen fest-stellen: Im Übergang von Planung und Fertig-stellung sowie während des Betriebs.

In einigen neueren Räumen recher-chierten wir gezielt die Entstehungsgeschich-te, weil diese Hinweise zu Veränderungen derInterdependenzen von der Entwicklung bis zurZeit nach der Fertigstellung beinhaltete. In an-deren Beispielen blicken wir in die Zukunft, dasich in ihrer derzeitigen Interdependenz-Ge-staltung schon zukünftig eintretende Verände-rung abzeichnen. In einigen Räumen, die wirtäglich selber nutzen und entsprechend langebeobachten, konnten wir im Laufe der letztenJahre zum Teil sehr deutliche bauliche Verände-rungen registrieren.

Eigentumsrechtliche „Veröffentlichung“: Der Seelhorster Garten

in Hannover ist eine Anlage, die zu großen Teilen von der pri-vaten in die kommunale Hand übergegangen ist. Nach Planungund Bau durch einen privaten Investor ist nun die Stadt Hanno-ver Eigentümerin dieser Fläche.

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3. Analysieren und Erklären:Ursachen- und WirkungszusammenhängeNachdem wir nun beschrieben haben, wie dievon uns betrachteten Räume beschaffen sind,was die Akteurskonstellationen kennzeichnet,welche rechtlichen Regelungen getroffen wer-den, wie sich räumliche Gegebenheiten dar-stellen und welche Formen der Nutzungsregu-lierung vorzunden sind, stellt sich die Fragenach Hintergründen und Ursachen: Wie undwarum entstehen Räume im Schnittbereich?

Wie funktioniert das Zusammenspiel der Ak-teure? Welche Probleme und Konikte tretenauf? Welche Wirkungen ergeben sich aus denInterdependenzen zwischen den Akteuren?

Wie und warum entstanden die Räume imSchnittbereich kommunaler und privaterAktivitäten?Die Entstehungshintergründe der von uns un-tersuchten Räume sind vielfältig. Grundsätz-lich zeichnen sich zwei Entstehungstypen ab,die sich aus der Dominanz einer Akteursseite

ergeben. Der erste Typ ist gekennzeichnet voneiner eindeutigen Initiativkraft der privaten Sei-te, während sich beim zweiten Typ die Kommu-ne als maßgeblich agierende Akteurin zeigt:

Private öffnen ihre Räume: Ein großer Teilder von uns betrachteten Räume wurde von pri-vaten Eigentümern entwickelt, gebaut und fürdie Öffentlichkeit nutzbar gemacht. So werdenehemals unzugängliche Areale von privatenEigentümern als Potenzial erkannt und ent-sprechend zugänglich gemacht. Auf den erstenBlick handelt es sich um ein „Geschenk“ an dieÖffentlichkeit. Doch in der Regel sind es nichtausschließlich altruistische Motive, die einenprivaten Akteur dazu bewegen private Flächenzu öffnen. Vielmehr haben die privaten Eigen-

tümer häug auch kommerzielle Interessen.Die öffentliche Hand hingegen hat in diesenFällen keine besonders stark mitgestaltendeRolle inne, stellt den Entwicklungen aber auchkeine Hindernisse in den Weg. Sie bemüht sichvielmehr um eine Unterstützung bei der Ent-stehung „neuer“ öffentlicher Räume.

Private Akteure entwickeln und übergebenRaum an Kommune: In den oben genanntenFällen bleibt das Eigentumsrecht auf der pri-vaten Seite. Mitunter aber kommt es auch zu

einer eigentumsrechtlichen „Veröffentlichung“privater Räume. In einem Fallbeispiel ist nachPlanung und Bau durch einen private Akteurdie Stadt Hannover Eigentümerin geworden.Eine private Vorleistung führte also zur Entste-hung des Raums, für den nun die Kommuneverantwortlich ist.

Kommune bezieht private Akteure in Ent-wicklung ein: Räume „im Schnittbereich“ ent-stehen nicht nur durch die Initiative privaterAkteure. Häug entstehen sie auch aus einemkommunalen Engagement, wenn zum Beispiel

die Kommune als Eigentümerin und maßgeb-liche Entwicklerin auftritt, aber private Akteuredeutlich mit einbezieht.

Kommunales Interesse an der Entwicklung  privater Räume: In anderen Fallbeispielen wirddie Kommune aktiv und mischt sich in privateAktivitäten ein – ohne dabei Eigentumsrechteam betreffenden Raum zu haben. Das kommu-nales Interesse liegt in der Verbesserung deröffentlichen Nutzbarkeit und der Aufenthalts-qualität eines nicht-kommunalen Raumes. Die„Einmischung“ in die privaten Aktivitäten ge-schieht entweder durch nanzielle Unterstüt-zung oder aber in der Mit-Planung von Neu-bau- oder Umstrukturierungsmaßnahmen.

Neue Räume durchStrukturwandel: DasBusiness Innovati-on Center in Leipzigzeigt – neben anderenLeipziger Fällen –, dass

der Strukturwandelzum Wegfall von ge-werblichen Nutzungenführen kann und – viel-fach zunächst tempo-rär – neue Freiächenentstehen lässt.

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Raum als kommunale Bedingung an privateInvestoren: In einigen Fällen macht die Kom-mune den privaten Entwicklern eindeutigeVorgaben und deniert Rahmenbedingungen,die eine öffentliche Nutzbarkeit von Räumenherbeiführen.

Kommune vermarktet Grund und gewähr-leistet öffentliche Nutzung: In vereinzelten Fall-beispielen hat die Kommune einen Raum ent-wickelt, der sich zunächst in ihrem Eigentumbendet und den sie dann an Private verkauft.So wurden zum Beispiel die zuvor in kommu-nalem Mit-Eigentum bendlichen Gärten aneine Firma veräußert, die die Beispiel im Fallder Schwarzen Gärten in Hannover. Sie istjedoch durch vertragliche Vorgaben dazu ge-zwungen, eine öffentliche Zugänglichkeit dau-erhaft aufrecht zu erhalten.

Motive und Hintergründe für die Entstehungvon RäumenEs lassen sich verschiedene Motive und Grün-de nden, warum eine Kommune Interesse aneiner bestimmten Gestaltung oder an einer öf-fentlichen Nutzbarkeit eines Grundstücks hat.Meist ist es nicht nur ein einziges Motiv, son-dern es spielen mehrere Gründe zusammen,wie zum Beispiel die Sicherung des Öffentlich-keitscharakters eines Raumes, eine zukunfts-orientierte Quartiersentwicklung, kommerzielleInteressen oder die Orientierung an historisch

begründeten Bau- oder Nutzungsvorgaben.In anderen Fällen dient ein öffentlicher

Raum als „Aushängeschild“, repräsentiert denCharakter einer Stadt oder bietet besondereQualitäten, die erhalten und gestärkt werdensollen. Das Interesse einer Kommune an einerAufwertung bedingt nicht immer eine grund-legende Neu- oder Umgestaltung von Freiräu-men. Oft wird auch mit Nutzungs- und Pe-gevereinbarungen oder mit der nanziellenUnterstützung von privaten Initiativen dasErscheinungsbild verändert. Eine kostspielige

gestalterische Aufwertung erfolgt meist nichtallein aus ästhetischen Gründen, sondern oftdominiert das Ziel, den Standorte aufzuwertenund Folgeeffekte zu initiieren, von denen dieKommune und private Akteure gleichermaßenprotieren.

Einige Leipziger Beispiele machen deut-lich, dass neue Freiächen im Zuge des Struk-turwandels entstehen können, wenn auch viel-fach zunächst temporär. Die Kommune verstehthier Freiräume als wichtiges Element einer ak-tiven Stadtentwicklungspolitik. Damit reagierteine Kommune nicht nur auf einen erfolgtenNutzungswandel, sondern fördert ihn gezielt.

Die Leipziger Strategien verweisen auf eine immer stärker in den Mittelpunkt rü-

ckende Funktion öffentlich nutzbarer Räumeals „weicher“ Standortfaktor. Ein attraktiv ge-stalteter öffentlich nutzbarer Raum dient invielen Fällen den ökonomischen Interessen desEigentümers. Auch immobilienwirtschaftlicheÜberlegungen können treibende Kraft für dieEntstehung öffentlich nutzbarer Räume sein.So kann es aus Sicht eines Unternehmens zu-nächst sinnvoll sein, einen Raum öffentlich zu-gänglich zu machen. Ändert sich die Situation,kann eine einmal getroffenen Entscheidungauch wieder revidiert werden.

In einzelnen Beispielen geht die Entste-hung von öffentlich nutzbaren Flächen auf nicht-kommunalem Grund bis in die Historiezurück, wo zum Beispiel alte Raumzuschnitte

und Zugangsmöglichkeiten wiederhergestelltwerden sollen; ebenso kann die Geschichteeines Raums die heute vorzundenden „hy-briden Verhältnisse“ erklären. So wurde zumBeispiel der Garten einer Sommerresidenz zueinem öffentlich zugänglichen Raum. SeinUmfeld wurde sukzessive urbanisiert, währenddie private Gartenäche von Bebauung freiblieb und für den Stadtteil geöffnet wurde.

Eine weitere Ursache für die Entstehunghybrider Verhältnisse sind Aushandlungspro-zesse zwischen den Akteuren. Der gegensei-

tige Tausch von Leistungen oder das Gewährenvon Rechten unter gewissen Bedingungen er-möglicht den verschiedenen Seiten, ihre jewei-ligen Interessen zu befriedigen. Oft genehmigt

Öffentlich nutzbare Räume als Aushandlungsergebnis: Ein „Deal“führte zur Entstehung des Aachener Bücherplatzes. Der Bau einesHochhauses wurde nur unter der Bedingung möglich, dass derprivate Eigentümer einen öffentlich nutzbaren Platz am Fuß des Ge-bäudes schafft – die Stadt bekam einen neuen Platz, der Eigentümerdurfte bauen.

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die Kommune nur dann die Bebauung einesGrundstücks, wenn die Aufwertung oder Über-nahme von Pege und Unterhaltung öffentlichnutzbarer Räume zugesichert wird.

Wie funktioniert die Interdependenz zwischen

den Akteuren?Zunächst ist festzustellen, dass das Zusam-menspiel der Akteure in den meisten Fällenreibungslos funktioniert. Selten tauchen Pro-bleme auf, gelegentlich sorgen aber auch In-formationsdezite bzw. die mangelhafte Prä-senz vorhandener Informationen für Schwie-rigkeiten.

So wurde beispielsweise im Fall des Aa-chener Bücherplatzes erst im Zuge einer Pla-nung zur Umgestaltung den kommunalenPlaner deutlich, dass die Kommune auf Grund

der privaten Eigentümerschaft kaum direkteZugriffsmöglichkeiten hat. In die nun anste-henden Planungen müssen diese aus kom-munaler Sicht erschwerenden Rahmenbedin-gungen einkalkuliert werden.

In einzelnen Fallbeispielen sind es wenigerInformationsdezite, sondern viel mehr kon-krete Interessenskonikte, die die Planungsab-sichten und -prozesse beeinussen. So war ineinem Leipziger Beispiel die Stadt gegen denBau eines Vorplatzes, weil dieser aus kommu-naler Sicht die Struktur des Stadtraumes zustark verändern würde. Im Zuge von Aushand-

lungsprozessen fand man einen Kompromiss:Die Stadt genehmigte die Freiäche, verlangteaber einen Gestaltungswettbewerb, um einehohe Freiraumqualität sicherzustellen.

Auf dem Bahnhofsvorplatz in Hannoverhingegen musste sich die kommunale Seiteden privaten Interessen beugen. Dort wolltedie Stadt nach Fertigstellung des neu gestal-teten Platzes eine mobile, keiner Gastrono-mie zugeordnete Bestuhlung aufstellen. Ein

eintägiger Test verlief positiv, aber der privateEigentümer verhinderte ein dauerhaftes Ange-bot, und den kommerzielle Interessen wurdeVorrang gegeben.

Welche Wirkungen ergeben sich aus derInterdependenz?Nach Versuchen, Ursachen für dieEntstehung „hybrider Verhältnisse“ und fürdas Zusammenspiel der Akteure zu nden,stellt sich die Frage, welche Wirkungenund Folgen sich aus den Interdependenzen

der kommunalen und nicht-kommunalenAkteure ergeben. Generell ergeben sichsowohl positiv als auch negativ zu bewertendeKonsequenzen:

Positiv werten wir eine wesentliche Be-obachtung: Es gibt einen doppelten Gewinnin Bezug auf das Raumangebot. In Leipzig,Hannover und Aachen ist offenkundig eineVielzahl öffentlich nutzbarer Räume entstan-den. Zwei Drittel der von uns betrachtetenFallbeispiele stellen „Neuproduktionen“ oderÖffnungen unzugänglicher Areale dar. Da-rüber hinaus wurden weniger attraktive oder

schlecht nutzbare Räume aufgewertet und inihren Nutzungsmöglichkeiten verbessert.

Des Weiteren sind positive Wirkungenauf das jeweils gesamtstädtische Image zu er-

Private Akteure

Kommune

     B    a   u     h    e    r    r

     G    e    s    t    a     l    t    e    r

     E     i    g    e    n    t     ü    m    e    r

EBV AG

Carlos Magnus GmbH

MayerscheBuchhandlung

Stadt Aachen

Innenstadtüberwachungs-dienst

Planungsamt      Ä    m    t    e    r

VerträgeVereinbarungen Spielgerät

PachtverträgePächter

Haus-meister

Verkehrssiche-rungspficht

Recht:Gehrecht

Kauf 

Das Beziehungsgeechtder unteschiedlichenAkteure – visualisiert amBeispiel des AachenerBücherplatzes: Auf dereinen Seite die privatenAkteure, bei denen der

Bauherr, der Eigentümerund der Gestalter desRaumes zu differenzierensind. Denen gegenüberstehen die kommunalenInstanzen, die durchVertreter verschiedenerÄmter Einuss auf denPlatzraum nehmen. DieInterdependenz dieserunterschiedlichen Inter-essensgruppen ist in ver-schiedenen rechtlichen

Festsetzungen, Verträgenund Vereinbarungenfestgeschrieben.

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  13STARS Ausgabe 05_2008[ ]

kennen, zum Beispiel da, wo schwierige Stand-orte eine Belebung erfahren oder neue „Aus-hängeschilder“ geschaffen werden. Auch dievorstrukturierende Wirkung einer temporärenFreiraumgestaltung ist als Gewinn für einenStandort zu werten. Aber nicht nur räumliche

Gewinne sind festzustellen. In vielen Fällenwerden kommunale und private Akteure überden öffentlich nutzbaren Raum zur Kooperati-on veranlasst, die langfristig über das konkreteVorhaben hinaus anhält.

Es lassen sich jedoch auch einige negati-ve Wirkungen beobachten: In Einzelfällen gehtmit einem kommerziell orientierten privatenAkteur auch die Beeinträchtigung ästhetischerQualitäten einher. Doch nicht immer sind esPrivate, die ästhetische Beeinträchtigungen ver-ursachen – in Einzelfällen hat die Kommuneeinen niedrigeren Pegestandard, was im di-rekten Vergleich augenscheinlich werden kannund den privaten Akteur in seinen Bemühun-gen um den Standort ärgert.

4. Nächste Schritte: Was bedeuten dasfür den kommunalen Handlungs- undSteuerungsbedarf?Die Beschreibungen und Analysen der 30Fallstudien haben mehr als deutlich gemacht:hybride Räume sind so alltäglich und präsentin unseren Städten, wie sie von vielschichtigenÜberlagerungen und Interdependenzen

unterschiedlicher Akteure geprägt sind. Dabeiist das „Sichtbare“, was uns aus alltäglicherNutzerperspektive vertraut ist, noch relativ

einfach zu erfassen und zu begreifen. Das„Unsichtbare“ hingegen, also die Aufteilungder Verantwortlichkeiten unter den beteiligtenAkteuren und der Regelungsmodus derselben,ist umso vielschichtiger und unübersichtlicher.

Was aber bedeutet das – insbesondere für

das kommunale Handeln? Gehört das „Phäno-men“ der hybriden Räume zum kommunalenAlltagsgeschäft? Sehen die kommunalen Akteu-re besondere Chancen oder Schwierigkeiten imZusammenspiel mit ihrem nicht-kommunalenGegenüber? Welche Verantwortlichkeiten erge-ben sich daraus aus kommunaler Sicht? Wo lie-gen die Möglichkeiten, aber auch Notwendig-keiten der kommunalen Einussnahme? Diessind nur einige wenige Fragen. Von dieser Artsind viele mehr zu stellen und zu disktuieren.In ersten Gesprächen, die wir im Rahmen derFallstudienrecherche geführt haben, schienendie hybriden Räume unterhalb der Wahrneh-mungsschwelle zu liegen und eher selten einThema zu sein. Ob sich aber diese Eindrückeerhärten lassen, wird sich zeigen – und zwarin der nächsten Phase des StaRS-Projektes:der Interviewphase. In den kommenden Mo-naten werden wir Vertreterinnen und Vertreterkommunaler Grünächen- und Stadtplanungs-ämter nach ihren Einschätzungen und Erfah-rungen befragen. Die Ergebnisse dieser Inter-views werden weitere wichtige Einblicke undErkenntnisse geben, wie es um Plätze, Parks

und Promenaden im Schnittbereich öffentli-cher und privater Aktivitäten in unseren Städ-ten gestellt ist.

Überlagerung von Rechten im Raum am Beispiel des Aachener Bücherplatzes: Auf einer privatenFläche liegen ächendeckend öffentliche Gehrechte. Für einzelne Bereiche obliegt der Kommunedie Verkehrssicherungspicht, ein Objekt auf einer kleinen Teiläche bendet sich in kommunalemEigentum.

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14 STARS Ausgabe 05_2008[ ]

Katalog der Fallbeispiele

Duft- und TastgartenEin vielschichtiges Kooperati-

onsprojekt des Grünächen-amtes, der Universität Leip-zig, verschiedener Vereineund privater Sponsoren.

Katharinen-/ ReichsstraßeEin Innenhof, der als subs-tanzieller Teil der LeipzigerFußgängerzone empndlichgegenüber Störungen ist.

Leipziger VolkszeitungGegen Widerstände der Kom-mune enstand eine öffentlichzugängliche Fläche auf priva-tem Grund.

RitterpassageDer Rahmenplan für dasStadtzentrum sah vor, alte

Straßenzüge und Blockränderwieder aufzunehmen.

Städtisches KaufhausEine der vielen LeipzigerPassagen, die auf die Mes-setradition in der Innenstadtzurück gehen.

Business Innovation CenterAls Auftakt für einen größerenTechnologiepark ist das BICnoch heute von großzügigenFreiächen umgeben.

Haus MarquetteEin der Stadt verbundenerSpender nanzierte die Ge-staltung des Grünplatzes.

SchlüssellochEin Beispiel von vielen: EinTeil eines Blockrandes istvon Bebauung befreit und als

Grünäche für das Quartierzugänglich geworden.

Ramdohrscher ParkDer private Garten einesSommerhauses, der nochheute von Bebauung frei abermittlerweile öffentlich nutzbarist.

Alte Spinnerei

Ein Aushängeschild LeipzigerStrukturwandels: Die ehema-ligen Freiächen des Werkge-ländes sind heute Erschlie-ßungsraum und Adresse.

Leipzig

Hannover

Ernst-August-PlatzEin Bahnhofsvorplatz zwi-schen urbanem Flair und

kommerziellem Verwertungs-druck.

Andreas-Hermes-PlatzEine Bank schafft Freiräu-me – im wahrsten Sinne desWortes.

Niki-de-Saint-Phalle-PassagePromenieren und shoppen imUntergeschoss.

Theaterhof Ein „Hinterhof“ im Schnittbe-reich komplexer Akteursstruk-turen.

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  15STARS Ausgabe 05_2008[ ]

NordLBNeugestaltung eines öffent-lichen Außenraumes auf Wunsch und mit Beteiligung

eines privaten Akteurs.

FaustgeländeEin gemeinnütziger Vereinsetzt die Nachnutzung einesehemaligen Fabrikgeländesdurch.

Bemeroder Rathausplatz

Kommune und Private teileneine Fläche unter sich auf –mit messerscharfer Grenzeder Zuständigkeiten.

Seelhorster GartenEin privat entwickelter Raumgeht in Teilen in die kommu-nale Hand über.

EXPO Schwarze GärtenEin öffentlicher Raum wird aneinen Privaten übergeben, derihn aber zugänglich haltenmuss.

Aachen

BücherplatzEin öffentlich nutzbarer Raumals Resultat einer privat-öffentlichen Aushandlung -besser eines „deals“.

Domhof Kommunales Engagementfür einen Platz im kirchlichenEigentum.

EBV-CarreePrivater produziert öffentlichnutzbarer Raum – und musskommunale Fläche mit ge-

stalten.

Hermann-Heusch-PlatzInnerstädtisches Wohnen mitgemischten Freiräumen.

Kapuziner Karree

Der ehemalige Posthof fest inprivater Hand – Gastronomie,Kultur- und Versorgungsange-bote schaffen Lebendigkeit.

Kármán-AuditoriumDie Stadt hat Interesse an derEntwicklung eines attraktivenRWTH-Campus-Geländes.

Milchstraße Teil A+B+CPrivate Raumentwicklungim Zeitraffer: vom Platz zurGastro-Meile.

TürmeGroßzügige Aufenthalts-ächen teils im Eigentumdes Studentenwerks, teils inkommunaler Hand.

WenzelstraßeEin privater Raum unter kom-munalem Einuss.

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16 STARS Ausgabe 05_2008[ ]

05Impressum/Kontakt

Journal zum Forschungsprojekt [STARS] – Stadträume in Spannungsfeldern.Herausgegeben Juni 2008 von:Ulrich Berding, Sarah Ginski, Do Hyung Kim, Juliane Pegels, Achim Reese und Klaus SellePT Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH AachenPostfach, 52056 Aachen. T +49 241 80 983 [email protected] www.pt.rwth-aachen.de

Neues Hybrides

Durchaus kontrovers diskutiert wurde die neue Bebauung des Brühl am nörd-lichen Rand des Leipziger Innenstadtkerns. Auch diese Projekt wird geprägt

sein von hybriden Räumen: die innenliegenden Höfe werden 22 Stunden täg-lich zugänglich sein und die Plauensche Straße wird „ganz normaler Straßen-raum“ sein, der uneingeschränkt zugänglich ist und sich in privatem Eigen-tum bendet.

Abbildungen aus: Leipziger Blätter 52, Frühjahr 2008


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