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Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben · bewerb „Entrepreneur des Jahres“ in...

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WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND JANUAR 2020 EXTRA Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben DIE SIEGER (von oben nach unten): Simon Haddadin (Franka Emika), Frank Mathias und Nikolaus Rentschler (Rentschler Biopharma), Catherine von Fürstenberg-Dussmann (Dussmann Group), Michael Durach (Develey Senf ), Birte Hackenjos und Markus Reithwiesner (Haufe Group)
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WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND JANUAR 2020

E X T R A

Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben

DIE S I EGER

(von oben nach unten):

Simon Haddadin(Franka Emika),

Frank Mathias und Nikolaus Rentschler(Rentschler Biopharma),

Catherine von Fürstenberg-Dussmann(Dussmann Group),

Michael Durach (Develey Senf),

Birte Hackenjos und Markus Reithwiesner(Haufe Group)

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4 BILANZDie Erfolgsrezepte der bestenEntrepreneure aller Zeiten.

8 JUNGE UNTERNEHMENDer Roboterhersteller Franka Emika erobert den Massenmarkt.

11 INDUSTRIEDer Mittelständler Rentschlerverdient sein Geld als Zulie -ferer für die Pharmaindustrie.

14 DIENSTLEISTUNGDie Dussmann Group putzt undsichert nicht mehr nur, sie rüstetnun auch elektronisch auf.

17 KONSUMGÜTER/HANDELWie Develey den Senfmarkt beherrscht – und gleichzeitigMcDonald’s versorgt.

20 DIGITALE TRANSFORMATIONDie Haufe Group verwandeltesich von einem Verlag in ein Bildungsunternehmen.

23 EHRENPREIS I Der Maschinenbauer Trumpfund seine erfolgreiche ChefinNicola Leibinger-Kammüller.

25 EHRENPREIS IISozial engagiert und ein früherUmweltschützer –der Händler Michael Otto.

Anschrift des VerlagsEricusspitze 1, 20457 HamburgTelefon: (040) 30 07-25 51Fax: (040) 30 07-22 47

Chefredakteure: Martin Noé (V. i. S. d. P.),Sven Oliver Clausen

Redaktion: Wolfgang Hirn

Gestaltung: Darius Wakilzadeh

Bildredaktion: Rahel Zander

Schlussredaktion: Bettina Storm-Rother(Ltg.); Simone Boldt, Klaus Wirtz

Dokumentation: Torsten Biendarra(Ltg.); Dennis Barg, Joana Ruthe

Titelbild: Fotos: Fritz Beck für managermagazin (3), Patrick Desbrosses für manager magazin, Lena Giovanazzi fürmanager magazin

IMPRESSUM

INHALT

Als manager-magazin-ReporterWolfgang Hirn vor 23 Jahrenseine ersten Entrepreneureporträtierte, war er gleich

ziemlich begeistert. Er traf auf Leute, dieeigenes Geld riskierten, denen kein Weg zuweit war und die ihre Besonderheitenpflegten, statt sie zu verstecken. Seitdemhaben sich viele Geschäftsmodelle durchdas Internet und den Aufstieg Chinas kom-plett verändert, die Charaktere der Unter-nehmer aber sind ähnlich geblieben. Sokam Develey-Chef Michael Durach mitdem Motorroller zum Termin in seineSenffabrik, und Simon Haddadin vom Ro-boterhersteller Franka Emika erschientrotz kaum überstandener Lungenentzün-dung zum Interview.

Als Entrepreneure mit langem Atemund großer Wandlungsfähigkeit sind insbesondere die FamilienunternehmerMichael Otto vom gleichnamigen Händlerund Nicola Leibinger-Kammüller vom Maschinenbauer Trumpf aufgefallen. Sieerhielten außerhalb des Wettbewerbs, dendie Wirtschaftsprüfer von EY nun seit fast einem Vierteljahrhundert ausrichten, ei-nen Ehrenpreis. Die Preisträger stehenauch stellvertretend für einen so risikobe-reiten wie verlässlichen Mittelstand, derüber die Hälfte aller Arbeitsplätze inDeutschland stellt. Viel Spaß beim Lesen wünschtIhr

MARTIN NOÉ

Chefredakteur

Eine Charakterfrage

EDITORIAL

3EXTRA manager magazin

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Gedacht  war  diese  Ge-schichte als eine reise in  die  Vergangenheit,tatsächlich  wurde  sie 

zu   einem ausflug  in die Zukunft.rund 100 Preisträger hat der Wett-bewerb „Entrepreneur des Jahres“in Deutschland seit seinem Beste-hen 1996 gekürt. Was  ist aus denHigh flyern von gestern geworden?Das war die Leitfrage.

Ja,  einige wenige  gibt  es  nichtmehr, wie Brokat, die kurz nach derWahl zum Entrepreneur des Jahrespleitegingen.  Bei  anderen  ist  dasUmsatzwachstum  nach  stürmi-schen Jahren erlahmt oder hat dasGeschäftsmodell  nicht  dauerhaft getragen. Unternehmertum schließt

eben auch die Möglichkeit des Irr-tums ein. Bei den meisten Siegernaber – und das ist die gute Nach-richt – liefen die Geschäfte weiterauf  hoher  Drehzahl.  Und  einige haben sogar überragend geliefert. manager magazin hat sich auf dieSpur der  besonders Erfolgreichenbegeben, um zu sehen, was dauer-hafte Ge winner ausmacht. Wir fan-den ein Quartett.

Fressnapf (Sieger 2003)

Umsatz 2003: 552 Millionen Euro,

Umsatz 2018: 2,1 Milliarden Euro

torsten toeller (53) erinnert sichnoch gut an das Jahr 2003, als er mitseinen Märkten für HeimtierbedarfSieger wurde. „Wir waren sehr, sehr

deutsch.“ Und: „Wir hatten damalsnoch sehr viele Dinge zu tun.“

Heute,  16  Jahre  später,  kann toeller für Fressnapf Vollzug ver-melden. Von den 1564 Märkten sind663 im europäischen ausland. DieSupply Chain wurde ausgebaut undoptimiert. „Wir haben massiv in Itund E-Learning investiert.“ Die Lä-den sehen moderner, schicker aus. 

Und das angebot ist breiter ge-worden.  Mehr  Premiumprodukte(tV-Köchin Cornelia Poletto kre -ierte  für  die  Vierbeiner  „Hardystraum“), mehr Eigenmarken. toel-ler hat den anspruch: „Wir wollenjedes Problem rund um die tier -haltung lösen.“ Entsprechend wurdedie Palette von Dienstleistungen

BILANZ

B I L A NZ

Rund 100 Gewinner wurden bislang beim Wettbewerb „Entrepreneur des Jahres“ gekürt. manager magazin

hat sich auf die Spur der Sieger begeben und vier besonders herausragende Unternehmen gefunden.

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Die fantastischen Vier

Foto: Ingo Rappers

4 manager magazin Extra

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EIN PLATZ FÜR TIEREWer einmal ausdem Fressnapffrisst, kauftimmer wieder bei Torsten Toeller ein.Seine Märktesind inzwischenmehr als nur Lieferant vonTiernahrung.

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Fotos: PR, Dieter Mayr

6 manager magazin Extra

 erweitert: Hundefriseur, tier-arzt,  Versicherungen,  Dog-walk, Dogsitting – alles untereinem Dach.

Was  sich  nicht  veränderthat,  obwohl  das  Unterneh-men inzwischen über 12.000Mit arbeiter zählt, ist die Kul-tur. „Die haben wir  im Kern er halten“,  sagt  toeller,  dervon sich behauptet, er sei „einmega-teamorientierter  Füh-rer“. Seine Mitarbeiter hättenMit sprachepflicht. In diesemkooperativen Geist entwickel-ten er und seine teams das Zu-kunftsprogramm „Challenge2025“, das vor allem die Digi-talisierung des Unternehmensvorantreiben soll.

toeller  (geschätztes  Ver-mögen: 1,5 Milliarden Euro),der Fressnapf 1990 gründete,hilft inzwischen über diverseKanäle (Family-Office, PrivateEquity)  Start-up-Unterneh-men nicht nur finanziell, son-dern auch mit rat. Zu seinenSchützlingen zählen Mymuesliund GastroHero, beides Un-ternehmen, die schon Finalis-ten des Wettbewerbs „Entre-preneur des Jahres“ waren.

Bionorica (Sieger 2008)

Umsatz 2008: 130 Millionen

Euro, Umsatz heute: 338 Mil-

lionen Euro

Michael a. Popp (60) lebt ge-sund. Beim Gespräch in sei-

nem Büro steht ein Glas wei-ßer tee auf dem tisch. Er willVorbild sein, denn schließlichverkauft  er  ja  Gesundheit.aber keine synthetischen arz-neimittel, sondern pflanzliche.In  diesem  kleinen  Segmentwar sein Unternehmen Biono-rica schon 2008 führend undist es heute erst recht.

Zum Erfolg der vergange-nen  Jahre  hat  vor  allem  einProdukt  beigetragen:  Sinu-pret extract, ein Mittel gegenEr kältungen.  Im  Oktober 2012 wurde es zugelassen, in -zwischen  sind  weltweit  Pa -tente  eingereicht.  Sinupret ist in Deutschland das meist -verkaufte  pflanzliche  arz -neimittel.

aber  auch  in  Osteuropaboomt  das  Geschäft.  „2008waren wir  dort  noch  in  den anfängen“, sagt Popp. Heutesieht  es  ganz  anders  aus:„russland ist unser wichtigs-ter Markt.“ Vor Kurzem wurdedort eine neue Fabrik eröffnet.Warum gerade russland? „Siehatten dort früher keinen Zu-gang  zu  modernen  Medika-menten,  pflanzliche  arznei-mittel  hatten  deshalb  großeBedeutung.“ 

Die Exportquote von Bio-norica liegt bei knapp 70 Pro-zent. Die türkei, Mexiko, Bra-silien  und  selbst  Indien  hatPopp schon im Visier.

Der Familienunternehmerversteht  sich  immer  noch als  Pionier  der  pflanz lichenarzneimittel  und  bedauert,dass Forschung und Wissen-schaft  sich  diesem  thema zu  wenig  widmen.   Deshalb betreibt er „inten sivste For-schung“ in seinem Unterneh-men. 15 Prozent vom Umsatz

NATUR -HEILERMichael A.Popp setztmit Bionoricaauf pflanz -liche Arznei-mittel und hat vor allemin Osteuropagroßen Erfolg

UNTERSTROM

Sven Bauerist mit seinemUnternehmenBMZ einer der Pioniereder Batterie -

zellen -fertigung

BILANZ

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Fotos: Evelyn Dragan für mm, Uli Deck / dpa / picture alliance

7Extra   manager magazin

fließen  in F+E. Und deshalbsponsert er auch einen Lehr-stuhl an der Uni Innsbruck, woer  einst  promovierte.  Dennnoch gebe es, sagt Popp, jedeMenge  Heilpflanzen,  derenWirkung überhaupt nicht er-forscht sei.

dm (Sieger 2008)

Umsatz 2008: 4,7 Milliarden

Euro, Umsatz heute: 10,7 Mil-

liarden Euro

Ende  Juli  in  Karlsruhe.  Dieneue  dm-Zentrale  wird  ein -geweiht.  MinisterpräsidentWinfried Kretschmann ist da,läuft staunend durch das mo-derne Gebäude, dessen Lobbyeher einem Hotel gleicht. DieKonferenzräume heißen „Sal-bei“ und „Sonnenblume“. Dasgefällt einem  Grünen. „dm istein  Vorzeigeunternehmen“,lobt  Kretschmann  am  Endedes  rundgangs  durch  das Unternehmen.

Und  er  hat  ja  recht:  InDeutschland ist dm mit seinenknapp  2000  Filialen Markt -führer  bei  Drogeriewaren.Marktanteil: 24 Prozent. Ver-folger rossmann liegt bei 15Prozent.

Warum dieser Vorsprung?Erich Harsch (58) gibt in sei-nen  letzten  tagen  als  Vor -sitzender  der  Geschäftsfüh-rung  ein  paar  antworten: „Wir sind seit jeher Vorreiterin  der  Digitalisierung.“  Die   It-tochter hat über 800 Mit-arbeiter.

dm hatte als einer der Ers-ten ein Data Warehouse, seit1998  einen  Onlineshop  undnutzt sehr intensiv die sozia-len Netzwerke. Harsch: „Für14- bis 20-Jährige sind wir sehrattraktiv.“

trotz  aller  Onlineaktivi -täten will dm aber nach wievor auch offline wachsen. „Wireröffnen jedes Jahr im hohenzweistelligen  Bereich“,  sagtHarsch. Der Österreicher, seit38  Jahren bei dm, wird aberdie weitere Entwicklung ausdem 30 Kilometer entferntenBornheim verfolgen. Denn abdem 1. Januar 2020 ist er dortChef der Hornbach-Gruppe.Sein Nachfolger bei dm wirdChristoph Werner (47), Sohndes  Firmengründers  GötzWer ner (75).

BMZ (Sieger 2012)

Umsatz 2011: 150 Millionen

Euro, Umsatz heute: 560 Mil-

lionen Euro

Sven Bauer (53), Chef der BMZGroup, war immer seiner Zeitvoraus.  als  er  predigte,  fürElektrogeräte doch bitte auf-ladbare Batterien statt Kabelnzu nutzen, standen die Her-steller auf der Leitung. Brau-chen wir nicht, wird sich nichtdurchsetzen, war die antwortbei vielen.

aber Bauer kann hartnäckigsein. Weil zum Beispiel Stihlablehnend  war,  ging  er  zurKonkurrenz von Husqvarna.Die  bauten  dann  Sägen  mitBatteriebetrieb. Seine Strate-gie: „Wir gehen zu einem Kö-nigskunden, überzeugen den,und dann folgen alle.“ 

So  überzeugte  er  Dyson,Staubsauger mit Batterien zuproduzieren. „Die verkaufteneine Million – und dann kippteder ganze Markt.“ Heute wer-den fast alle kleinen und gro-ßen Elektrogeräte mit Batte-rien  betrieben  – und  BMZprofitiert davon.

am Firmensitz in Karlsteinwerden neue Produktionshal-len gebaut, an den Standortenin China, Polen und den USawird ständig die Kapazität er-weitert. Umsatzziel für 2020:700 Millionen Euro, für 2025:1,9 Milliarden Euro.

Das Geschäft boomt, weilsich nun auch der gigan tischeMarkt der E-Mobilität auftut.Beim Geschäft mit E-Bikes istBMZ schon kräftig  dabei.

aber wenn Bauer auf E-au-tos zu sprechen kommt,  redeter sich in rage. Er sieht, dasses in Deutschland viel zu we-nig Batteriefertigung gibt. „Wirsind  hier  so  extrem  träge“,mault er. Und meint vor allemdie autoindustrie, die jahre-lang die E-autos ausgebremsthabe. Dabei steht für ihn ange-sichts der übermächtigen asia-tischen Konkurrenz fest: „Wirbrauchen  so  dringend  eineZellfertigung hier, dringendergeht es nicht.“

Immerhin entsteht jetzt inMünster – gefördert von derBundesregierung - ein Projektder Forschungsförderung Bat-teriezelle (FFB), der Vorläufereiner  möglichen  deutschenBatteriezellenfabrik. 

Bauer  geht  das  natürlichviel zu langsam, aber immer-hin ist seine BMZ in dem Kon-sortium der FFB in Münsterdabei.  So  kann  er  dort  aufstempo drücken. 1

DER SOHNFOLGT ...Zum Jahres-beginn 2020wird Chris-toph Wernerneuer Chefder Drogerie-kette dm

... DEMVATER

Vater GötzWerner hattedas Unter -nehmen 1973gegründet.Heute ist dm Markt -führer in

Deutschland.

„WIR SIND HIER IN DEUTSCH-LAND SO EXTREM TRÄGE.

WIR BRAUCHEN DRINGEND EINEZELLFERTIGUNG HIER.

DRINGENDER GEHT ES NICHT.“Sven Bauer, CEO BMZ

BILANZ

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DER KOPF HINTERM ARM

Simon Haddadin, CEO

von FrankaEmika, umgeben

von seinenPanda-Robotern.

Bis 2025 will ereine Million

davon verkaufen.

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Fotos: Fritz Beck für manager magazin, Paul Zinken / dpa / picture alliance

Fragt man Simon Had da-din (33), was aus seinemStart-up-Unternehmenwerden soll, dann sagt er

spontan: „das Apple der Robotik“.Wow, das ist eine Ansage.

Wer nun glaubt, einen Traumtän-zer vor sich zu haben, der täuschtsich. Hier steht jemand fest auf demBoden, und das in einem schmuck-losen Gebäude der ehemaligen Luitpold-Kaserne im Schwabinger Westen. „Das wird mal das Roboter- Valley“, sagt Haddadin. In der Um-gebung sind viele Forschungsinstitu-

te diverser Unis. „Und da hinten“,sagt er und zeigt auf ein 300 Meterentferntes Gebäude, „da lehrt undforscht mein Bruder.“ Sami Hadda-din (39) ist Professor für Robotik undSystemintelligenz an der TU Mün-chen. Ein Lehrstuhl, der extra für ihngeschaffen wurde, nachdem er schonfast in Stanford unterschrieben hätte.

Sami Haddadin entwickelte vorJahren einen Algorithmus, der demRoboter den Tastsinn beigebrachthat. Auf Basis dieser Idee bauten er,sein Bruder und ein kleines Teamvon zwölf Tüftlern einen Roboter.

Eigentlich ist es „nur“ ein Roboter-arm, der aber die Branche revolutio-nieren soll. Die klassische Roboter-industrie, sagt Simon Haddadin,baue sehr große, stupide Maschinen,die Hunderttausende Euro kosten.„Wir sagten: Solche Monstrenbraucht kein Mensch mehr.“ IhreIdealvorstellung von einem Roboterwar eine andere: leicht zu bedienenund zu einem Bruchteil der Kosten.So um die 10.000 Euro schwebte ih-nen für das Einstiegsmodell vor. DerRoboter sollte von einem Luxusgutzu einem Massenprodukt werden.

„Viele sagten: Ihr habt einen Vo-gel. Zu den Kosten kann man keinsolches Produkt entwickeln.“ Sieklopften bei Kuka und anderen etab-lierten Herstellern an. Alle winkten

ab. „Sie glaubten nicht anuns“, sagt Simon Hadda-din, der unter anderem

Medizin studierte, eheer über seinen Bru-der in die Welt derunmenschlichenWesen fand. Aberdie Haddadins undihr Team glaubtenan sich, ebenso

JUNGE UNTERNEHMEN

9

F R A N K A E M I K A

Simon Haddadin und sein Bruder Sami wollen beweisen, dass Robotik in Deutschland Zukunft hat.

Mit „Panda“ ist ihnen ein bärenstarkes Produkt gelungen: vielseitig, leicht zu bedienen – und auch noch günstig.

DIE ENTREPRENEURESimon Haddadin (33) ist CEO

und Mitgründer von Franka Emika.

Er studierte erst Mathematik und

Physik, dann Medizin. Zusammen

mit seinem Bruder Sami (39; r.),

Professor für Robotik und System-

intelligenz an der TU München,

und Sven Parusel (34) gründete

er 2016 in München das Roboter -

unternehmen Franka Emika.

DAS UNTERNEHMENFranka Emika produziert Roboter-

arme, die leicht zu bedienen und

vielseitig einsetzbar sind. Vorzeige-

produkt ist der Panda, 2017 auf der

Hannover Messe vorgestellt. Das

Start-up hat in München rund

80 Beschäftigte in Forschung und

Entwicklung. Produziert wird der

Panda (Verkaufsziel 2019: 12.000

Stück) in Durach bei Kempten.

FRANKA EMIKA, MÜNCHEN

2

Glückliches Händchen

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Fotos: PR

10 manager magazin EXTRA

drei deutsche Familienunterneh-men, darunter der MaschinenbauerVoith, die ihnen Geld gaben. 2016grün deten die Brüder ihre eigeneFirma Franka Emika, ein aus einemVor- und Nachnamen bestehenderKunst name. In TQ Systems – früherNokia Siemens Networks – fandensie einen Produktionspartner mit einer Fertigungsstätte in Durach beiKempten.

Ihr erstes Produkt war der Panda.2017 stellten sie ihn auf der Han -nover Messe vor. Das Basis modellkostet 9900 Euro. Es ist ein Sieben-achsroboter, im Gegensatz zu den

herkömmlichen Sechsachsern, da-durch ist er viel gelenkiger.

„Er ist fast kinderleicht zu bedie-nen“, sagt Simon Haddadin. Ge -steuert wird der Panda – und das istein Novum in der Branche – von di-versen Apps. „Jeder kann sich viaBrowser auf seinem Laptop oderHandy einloggen.“

Pandas für China

Haddadin klappt seinen Laptop auf.Auf dem Bildschirm erscheinen einige Apps. Die simpelsten ermög-lichen das Greifen oder Ablegen, dieschwierigsten das Schrauben oder

Stecken. Er öffnet die App, tippt da-rauf – und Panda reagiert.

Manche Apps entwickelt FrankaEmika selbst. Aber auch Dritte kön-nen Apps entwickeln und den Preisdafür bestimmen. „Wir stellen dafürden Marktplatz zur Verfügung“, sagtSimon Haddadin. Die Apps sind fürFranka Emika auch eine weitere Ein-nahmequelle.

Zum Einsatz kommen die Pandasvor allem in der Konsumgüterindus-trie, wo sie einfache Jobs er ledigen.Viele Kunden kämen aus China, sagtSimon Haddadin. Beispiel: Für einensehr bekannten Handyherstellermachen künftig die Pandas das Testing. Bislang übernehmen leib -haftige Menschen diese stupidenAufgaben. Rund 1000 Pandas hat derHandy riese, dessen Namen Hadda-din nicht nennen will, geordert.

Die Einsatzgebiete liegen auchjenseits der Fabrikhallen. In Gar-misch-Partenkirchen wird gerade ineinem Modellversuch getestet, wieder Panda älteren Menschen zurHand gehen kann. Ebenso in derBerliner Charité. Dort arbeitet er aufder neurologischen Station.

Als Verkaufsziel für 2019 hat dasManagement 12.000 Stück ausgege-ben, für 2025 bereits eine Million.Sollte die erreicht werden, wäreFranka Emika wohl Marktführer.Hallo Apple, wir kommen.

Doch die Haddadins wollen nichtnur den wirtschaftlichen Erfolg. Siehaben auch eine Mission. Die Brü-der – sie sind in Deutschland ge -boren, ihr Vater stammt aus Jorda-nien, ihre Mutter aus Finnland –wollen ihre Heimat technologischnach vorn bringen. Deshalb folgteSami nicht dem Ruf nach Stanford,deshalb lässt Simon nur in Deutsch-land forschen und produzieren.

Simon sagt: „Wir wollen bewei-sen, dass auch solche Hightechin-dustrien hier eine Chance haben.“ 1

JUNGE UNTERNEHMEN

AUSGEWÄHLTE FINALISTEN

ROLF-DIETER LAFRENZIm Alter von 48 Jahren

startete Rolf-Dieter

Lafrenz, bis dato als

Berater tätig, nochmals

durch und gründete

die Cargonexx GmbH

in Hamburg. Um Leer-

fahrten von Lkw zu

vermeiden, setzt Car -

go nexx unter anderem

Algorithmen ein und

erhöht damit die Aus-

lastung. Das Unter -

nehmen versteht sich

als eine digitale Spe -

dition, die inzwischen

auf ein Netzwerk von

über 8000 Transport-

unternehmen mit

mehr als 120.000 Lkw

zurückgreifen kann.

DANIEL STAMMLER, JANOSCH SADOWSKI In einer Karlsruher

Studentenwohnung

fing 2016 alles an: Die

beiden Kommilitonen

Sadowski und Stamm-

ler entwickelten inner-

halb von nur acht

Wochen das durchaus

anspruchsvolle Spiel

„Idle Miner Tycoon“,

das inzwischen 70 Mil-

lionen Mal herunterge-

laden wurde. Im April

2018 kam mit „Idle

Factory Tycoon“ ein

zweites Spiel auf den

Markt. Ihre Firma, die

Kolibri Games GmbH,

sitzt inzwischen mit

über 80 Mitarbeitern in

Berlin-Kreuzberg.

MAX KRONBERG, JENS WASELKronberg und Wasel

waren noch Studenten

an der TU Berlin, als

sie 2012 das Unterneh-

men KW-Commerce

GmbH gründeten.

Anfangs verkauften

sie Zubehör für Smart -

phones und Tablets.

Heute umfasst ihre

Produktpalette mehr

als 17.000 Artikel in

den Bereichen Zube-

hör für Consumer Elec -

tronics und Home &

Living. KW (250 Mit -

arbeiter) verkauft nicht

über eine eigene Platt-

form, sondern über die

etablierten Marktplätze

wie Amazon und Ebay.

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Foto: Fritz Beck für manager magazin

Nikolaus Rentschler (56)tat im Jahr 2016 etwas,was Managern und erstrecht Unternehmern

gemeinhin schwerfällt. Bis dato warer Chef des FamilienunternehmensRentschler Biopharma SE im ober-schwäbischen Laupheim, südlichvon Ulm gelegen. „Wir waren da-mals strategisch gut aufgestellt“,sagt er heute. Das Unternehmenhatte und hat in der Pharmabrancheeinen sehr guten Ruf, ist nahezuweltweit als „The Biopharma Ma -nufacturer“ bekannt. „Doch es hatuns an Dynamik gefehlt“, sagtRentsch ler selbstkritisch. „Manmuss seine Schwächen und Stärkenkennen.“

Seine Schwäche war: Er konnteseinem Unternehmen, seiner Beleg-schaft keine Impulse mehr geben.Seine Stärke: Er sah das ein undmachte im besten ManageralterPlatz für einen anderen, einen familienfremden Chef.

Lange suchen musste er nicht,denn er fand ihn in seinem Auf-sichtsrat: Frank Mathias (57). Ein erfahrener Pharmamanager, der beiHoechst anfgefangen hatte und zuletzt Vorstandschef der Biotech-firma Medigene AG in Martinsriedwar. Gut verdrahtet in der Bran-

INDUSTRIE

11EXTRA manager magazin

R E N T S C H L E R

Statt selbst Arzneimittel herzustellen, positionierte sich der Mittelständler als Zulieferer für die Pharmaindustrie. Ein Erfolgsrezept, das sich auszahlte.

2

Gesunde Einstellung

DOKTOREN-DUO Vorstandschef Frank Mathias (links)und Eigentümer Nikolaus Rentschlerergänzen sich nahezu ideal

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12 manager magazin EXTRA

che ist der Mann auch, etwa als Vor-stand des Verbandes vfa bio.

Mathias und Rentschler – derPharmazeut und der Biologe, derManager mit französischen Wurzelnund der Oberschwabe, der Eloquen-te und der Bedächtige, der Konzern -erfahrene und der Familienunter-nehmer: ein in vielerlei Hinsichtungleiches Paar, aber vielleicht des-wegen gut harmonierend.

Mathias sagt: „Ich habe in HerrnRentschler einen Sparringspartner.“Er sei unheimlich stark in der Ana-lyse. Der Gelobte sitzt daneben undnickt still vor sich hin. Mathias fährtfort: „Wir stimmen uns dauernd ab. Uns interessiert vor allem das, was nicht funktioniert.“ UndRentsch ler nickt weiter. Das wirktvertraut und vertrauenswürdig,selbst wenn man das Showelementein berechnet, das bei solchen Vor-führungen vor Journalisten nichtselten eine Rolle spielt.

Nikolaus Rentschler vertritt diefünfte Generation einer Familie, diestets im Gesundheitssektor unter-wegs war. Angefangen hat es 1872,als sein Ururgroßvater in Laupheimeine Apotheke gründete, die es dortheute noch unter dem Namen 7-Schwaben-Apotheke gibt, auchwenn die Familie sie 2012 verkaufte.

Aus den Apothekern wurden inder Silvesternacht 1923/24 Entre -preneure. Denn damals entdeckte Erwin Rentschler, Großvater von Nikolaus, die Rezeptur für dasSchmerzmittel Melabon. WeitereMedikamente folgten. Zunächst nurnicht verschreibungspflichtige, nachdem Zweiten Weltkrieg auch rezept-pflichtige.

Jahrzehnte behauptete sich diekleine Pharmafirma auf dem Markt.Doch Mitte der 90er Jahre standman vor der existenziellen Frage, obman im Schatten der immer größerwerdenden Pharmakonzerne weiterblühen kann.

Radikaler Kurswechsel

Nikolaus Rentschler, der 1992 ins el-terliche Unternehmen kam und dieersten Jahre unter seinem VaterFriedrich Erwin arbeitete, sagt heu-te: „Wir waren damals zu klein,

konnten keine Economies of Scaleerzielen.“ Außerdem wurden dieSummen für die Entwicklung neuerArzneimittel immer gigantischer.„Solche Investitionen konnten wirnicht stemmen.“

Also verkaufen? Dagegen sprachder schwäbische Unternehmerstolz.Was Neues wagen? Dafür sprach derschwäbische Tüftlergeist.

Die Rentschlers entschieden sichfür einen ziemlich radikalen Kurs-wechsel. Sie stiegen ins CDMO-Business ein. Das Kürzel steht fürContract Development and Manu-facturing Organization. Dahintersteht ein simpler Vorgang: Man ent-wickelt und produziert Arzneimittelfür andere.

Rentschler vergleicht die Ent-wicklung in der Pharma- mit der inder Autoindustrie, die schon viel früher das Outsourcing betrieb undinzwischen perfektioniert hat. Diegroßen Pharmahersteller wollen ihre Komplexität senken. Das nutztUnternehmen wie Rentschler. „Wirproduzieren inzwischen alles – vomGen bis zum Vial“, sagt Rentschler.Vial ist eine Ampulle oder auf gutSchwäbisch ein Fläschle.

Das Unternehmen hatte freilichauch einen technologischen Vorteil.Die Rentschler-Forscher konzen-trierten sich früh – Mitte der 70erJahre – auf Biopharmazeutika, alsoauf Arzneimittel, die mithilfe leben-der Zellen hergestellt werden. „Wir waren Pioniere“, sagt NikolausRentschler.

DIE ENTREPRENEUREDer promovierte Biologe Nikolaus

Rentschler (56) war bis 2016 CEO

des elterlichen Unternehmens.

Dann zog er sich in den Aufsichts-

rat zurück und übergab an Frank

Mathias (57), der in Paris aufwuchs

und dort Pharmazie studierte. Ma-

thias war zuvor schon Aufsichtsrat

bei Rentschler und Vorstandschef

der Medigene AG in Martinsried.

DAS UNTERNEHMENDie Rentschler Biopharma entstand

aus einer 1872 gegründeten Apo-

theke in Laupheim. Heute wird das

Unternehmen in fünfter Generation

geführt. Mitte der 90er Jahre hat

es sich als Auftragsfertiger von Bio-

pharmaprodukten spezialisiert.

Heute erzielt Rentschler mit rund

850 Beschäftigten einen Umsatz

von knapp 160 Millionen Euro.

RENTSCHLER BIOPHARMA, LAUPHEIM

„BIOPHARMAZEUTIKA SIND DIE KOMPLEXESTEN ARZNEIMITTEL.

NUR WENIGE FIRMEN BEHERRSCHEN SIE. RENTSCHLER GEHÖRT DAZU.“

Nikolaus Rentschler

INDUSTRIE

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Allerdings sind Biopharmazeu -tika auch die komplexesten Arznei-mittel. Ein solches Medikament istzum Beispiel 10.000-fach komplexerals ein simples Aspirin. Diese Kom-plexität wurde zum Wettbewerbs-vorteil für Rentschler. Mathias: „Nurwenige Biopharmafirmen beherr-schen die Komplexität des Her -stellungsprozesses.“ Deshalb koo -perien viele Pharmaunternehmenmit Rentschler.

Praktisch funktioniert die Zu-sammenarbeit so: Der Kunde kommtmit einer Idee, wie der Antikörper,wie die Zelle, die er für sein Me di -

kament braucht, aussehen soll. Ge-mischte Teams treffen sich alle vierbis sechs Wochen. Die Zusammen-arbeit kann sich bis zu neun Monatehinziehen, ehe Rentschler den ge-wünschten Antikörper liefern kann.

Um seinen technologischen Vor-sprung zu halten, hat das Unter -nehmen in den vergangenen Jahrenmassiv in Personal – rund die Hälfteder 850 Mitarbeiter sind Forscher –und in Maschinen investiert. Es sollen 50 bis 60 Millionen Euro ge-wesen sein, die zum größten Teil ausdem Cashflow finanziert werdenkonnten.

Um für die Zukunft gerüstet zusein, bat Nikolaus Rentschler seinenNachfolger Mathias, kaum war die-ser im Amt, um eine langfristigeStrategie. Die Ausgangsfragen wa-ren: Wie wird die Gesellschaft, wiewird unser Unternehmen im Jahr2025 aussehen?

Suche nach der Strategie

Die Fragenden gingen auf Reisen,führten viele Interviews. Sie spra-chen zum Beispiel mit Professorenan der Charité über mögliche Krebs-therapien im Jahr 2025, wollten vonHeadhuntern wissen, wie Lea der shipaussehen wird, fragten Risikokapital -geber und Private-Equity-Ma na ger,wo und in was sie dann möglicher-weise investieren werden. Und siebaten bestehende wie potenzielleKunden um ihre Meinung, was sietun müssen, damit diese auch noch2025 mit ihnen zusammenarbeiten.

Dieser aufwendige Prozess dau-erte 18 Monate. „Und er war sehrteuer“, sagt Mathias. Für ein Unter-nehmen dieser Größenordnung einKraftakt.

Heraus kam eine Strategie in sie-ben Punkten, die auf eine DIN-A4-Seite passten. So ist eine noch enge-re, noch frühere Zusammenarbeitmit den Kunden aus der Pharma -industrie geplant.

Zudem wollen die Oberschwa-ben internationaler werden. In derNähe von Boston – dem Zentrumder amerikanischen Biotechszene –haben sie dieses Jahr ein Werk gekauft, um dort eine Produktionhoch zuziehen. Immerhin machendie USA schon 40 Prozent des Um-satzes aus. Und auch aus Japan registriert Rentschler zunehmendeNachfrage.

Alles ändert sich – aber einesmacht der Unternehmer klar:Rentsch ler soll ein unabhängiges Familienunternehmen bleiben. 1

JAN KLINGELEDer Betriebswirt Jan

Klingele führt in dritter

Generation die Klin gele

Papierwerke GmbH &

Co. KG in Remshalden

bei Stuttgart. Das

Unternehmen (Umsatz:

860 Millionen Euro,

rund 2500 Beschäf-

tig te) gehört zu den

größten deutschen

Herstellern von

Ver packungen aus

Wellpappe, die zum

Teil aus Altpapier

ge wonnen wird.

Außer dem ist Klingele

Grün dungsmitglied

von Blue Box Partners,

der größten euro päi -

schen Allianz für Ver -

pa ckungs lösungen.

ULRICH ZAHORANSKYIn Todtnau, im tiefen

Schwarzwald, schlum-

mert mit der Zaho -

rans ky AG einer dieser

vielen Hidden Cham -

pions des Maschinen-

baus. Der begann

1902 mit der Produk-

tion von Maschinen

zur Bürstenherstellung.

Später kamen Maschi-

nen für die Medizin-

technik, aber auch

Komplett lösungen

zur Industrieautomati-

sierung hinzu. Das

sehr innovative Unter -

nehmen wird von dem

Wirtschaftsingenieur

Ulrich Zahorans ky,

dem Enkel des Firmen-

gründers, geleitet.

WERNER UND FABIAN AUCHVater und Sohn sind

die Lenker der Magen-

wirth Technologies

Group in Bad Urach.

Sohn Fabian ist

geschäftsführender

Gesellschafter, Vater

Werner Vorsitzender

des Beirats. Bekannt

wurde das Unterneh-

men (Umsatz: 215 Mil-

lionen Euro, mehr als

1100 Mitarbeiter) durch

seine Marke Magura,

unter der Hydraulik-

bremsen für Fahrräder

verkauft werden.

Daneben bietet die

Gruppe aber auch

Elektronik- und Kunst-

stoffkomponenten für

die Autobranche an.

AUSGEWÄHLTE FINALISTEN

Fotos: PR

13EXTRA manager magazin

INDUSTRIE

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CALIFORNIAN WAYCatherine vonFürstenberg-Dussmannführte das vonihrem Mann aufgebaute Unternehmenerfolg reich weiter – undnun auch in die Zukunft

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Fotos: Patrick Desbrosses für manager magazin

Das Dussmann-Haus  inder Friedrichstraße istin Berlin eine  Institu -tion. Über fünf Etagen

bietet das Kulturkaufhaus Bücher,CDs und Videos, und das bis Mitter-nacht. Oben  in der siebten Etagesitzt die Frau, der dieses Haus undnoch viel, viel mehr gehört: Cathe-rine  von  Fürstenberg-Dussmann(68), Vorsitzende des Stiftungsratsund Erbin des von ihrem EhemannPeter Dussmann gegründeten Un-ternehmens. Wir treffen uns in ih-

rem Büro, das eher einem Wohn-zimmer gleicht. In der Ecke steht einKlavier, statt an einem Schreibtischsitzt Frau Dussmann an einem run-den Esstisch. 

Mit  dabei  ist Wolf-Dieter  adl -hoch (44), der neue Sprecher desVor stands,  der  gerade  Wolfgang Häfele (60) abgelöst hat. Dussmann,gebürtige amerikanerin, switcht imGespräch  zwischen  Deutsch  undEnglisch hin und her: „Ich bringeden  Californian  Way  ins  Unter -nehmen ein.“ Sie meint damit Fun,

also Lockerheit und Spaß, aber vorallem den Wunsch nach ständigemWandel. 

Deshalb stellte sie 2017 die Duss-mann-Gruppe auf den Prüfstand.Der  Zeitpunkt  war  ideal,  weil  in diesem Jahr auch der sechsköpfigeVorstand fast komplett neu besetztwurde. auch Wolf-Dieter adlhochkam damals von Bilfinger. 

Der  Vorstand  und  Frau  Duss-mann nannten ihr Programm „Duss-mann  Next  Level“.  Es  war  keineNotgeburt.  Im  Gegenteil:  „Dem Unternehmen ging – und geht – essehr gut“, sagt adlhoch. Die Senio-renheime unter dem Namen Kur -sana waren und sind „eine, wennnicht die tragende Säule der Grup-pe“  (adlhoch).  Und  der  Bereich Gebäudemanagement, mit demdie Dussmann-Gruppe groß ge-

worden ist, setzte profitable1,5  Milliarden  Euro  um.Dussmann war der Pionierund  ist  heute  einer  der führenden  Unternehmender Branche. „Machen  wir  einfach  so

weiter?“, fragte sich trotz-

DIENSTLEISTUNG

15Extra   manager magazin

D U S S M A N N

Der Pionier im Facility-Management erweitert ständig sein Angebot. Zum Reinigen und Sichern kommen inzwischen

die Wartung der Elektronik – und bald auch Überwachungsdrohnen.

DIE ENTREPRENEURECatherine von Fürstenberg-Duss-

mann (68) übernahm 2009 während

der schweren Krankheit ihres

Mannes den Aufsichtsratsvorsitz

der Dussmann Group. Seit 2011

ist sie Vorsitzende des Stiftungs-

rats. Wolf-Dieter Adlhoch (44;

rechts) kam im Sommer 2017 in

den Vorstand und ist seit Septem-

ber 2019 Sprecher des Vorstands.

DAS UNTERNEHMENDie Dussmann Group wurde 1963

von Peter Dussmann gegründet.

Sie wurde zu einem der führenden

Unternehmen im Facility-Manage-

ment. Außerdem betreibt die

Gruppe (Umsatz: 2,3 Milliarden

Euro) unter dem Namen Kur-

sana Seniorenheime und das

Kulturkaufhaus am Firmensitz

in der Berliner Friedrichstraße.

DUSSMANN GROUP, BERLIN

2

Eine saubere Leistung

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Fotos: PR

16 manager magazin Extra

dem das Management. Die antwort:nein. Denn beim Facility-Manage-ment geht es nicht mehr nur um dasreinigen und Sichern von Gebäu-den. „Das ist das Brot-und-Butter-Geschäft“, sagt adlhoch. Inzwischenmuss man mehr können: die Kom-plettbetreuung von Gebäuden leis-ten, also auch von deren Elektronik,Lüftung, Heizung.

Deshalb hat die Gruppe im Mai2019 die Dussmann technical Solu-tions  (DtS)  gegründet,  die  ihrenSitz in Frankfurt hat. Weil das Un-ternehmen Know-how im techni-

schen Bereich nur spärlich besitzt,kauft man es sich. Gerade wurde dieirische StS Group (150 MillionenEuro  Umsatz,  700  Mitarbeiter)übernommen.  „Wir  sind  auf  der Suche nach weiteren Firmen, wo esstrategisch sinnvoll ist“, sagt Cathe-rine  von  Fürstenberg-Dussmann,„that is very exciting.“

Kontakte in die arabische Welt

Mit dieser Erweiterung des Portfo-lios hofft Dussmann, neue Kundenzu gewinnen, zum Beispiel  in derPharma- oder Hightechindustrie mit

ihren  anspruchsvollen  Gebäudenund Fabriken.

Im  Zukunftsprogramm  Duss-mann Next  Level  spielt  auch  die Digitalisierung eine ganz wichtigerolle. Stichwort: autonome reini-gungsroboter, die immer mehr aufden Markt drängen. Beim alljähr -lichen Global Group Meeting  am Lago Maggiore,  bei  dem  sich  dierund 150 Führungskräfte versam-melten, war auch ein reinigungs -roboter als Gast dabei. 

Sie boten eine saubere Leistungund überzeugten das Managementebenso wie Frau Dussmann. adl -hoch sagt: „Wir wollen die autono-men  reinigungsroboter  in  unser angebot integrieren.“ Denkbar istauch,  dass  künftig  Drohnen  zurÜberwachung im außenbereich ein-gesetzt werden. 

In  beiden  technologieberei-chen – roboter und Drohnen – sinddie Chinesen stark. Da allerdingswill Dussmann nicht zukaufen. Dieregionale Präferenz ist eine andere:Nahost statt Fernost. Sie ist bestensverdrahtet in die arabische Welt, vorallem  auch  in  Saudi-arabien,  woDussmann schon sehr aktiv ist. Ge-rade hat sie Dieter Haller, den deut-schen Ex-Botschafter in Saudi-ara-bien, in den Stiftungsbeirat berufen.

Catherine  von  Fürstenberg-Dussmann ist eine ungewöhnlicheFrau, die klare Worte  liebt – undsie manchmal auch singt. Zum ab-schied –wir sind ja in einem Kultur-kaufhaus – zeigt sie auf ihrem Handyein kurzes Video: Dort trällert sie aufdem Boden ihres Büros sitzend einLoblied auf die weiblichen Chefs.Der titel heißt „Girlboss“. Zu ihrenFüßen räkelt sich eher gelangweiltihre Katze. 

Welche  deutsche  Unterneh-menschefin würde das tun? But hey,that’s  fun,  that’s  the  californianway – mitten in Berlin. 1

SVENLINDIGDie Lindig Fördertech-

nik GmbH im thürin -

gischen Krauthausen

wurde nach der Wende

Vertragshändler für

Linde Gabelstapler.

Im Laufe der vergange-

nen drei Jahrzehnte

ent wickelte sich daraus

ein Rund um dienst -

leister für Technik

der Intralogistik (rund

500 Mit arbeiter).

In zwischen ist Firmen-

chef Sven Lindig

auch in die Luftfahrt

eingestiegen und

pro duziert unter der

Dachmarke Lift

Air Leichtflugzeuge

und sogenannte

Tragschrauber.

CARSTENMEYER-HEDERDer Fachinformatiker

Carsten Meyer-Heder

startete als Einmann-

betrieb. Heute hat

seine Team Neusta

GmbH (Umsatz:

170 Millionen Euro)

rund 1100 Mitarbeiter.

Das Bremer Unter -

nehmen ist damit eine

der größten deutschen

Internetagenturen. Zu

den Kunden zählen

etwa Rewe und Tui. Als

CDU-Spitzenkandidat

holte Meyer-Heder bei

der Bremer Bürger-

schaftswahl 2019 erst-

mals die meisten

Stimmen für die CDU,

aber Regierungschef

wurde ein anderer.

ALEXANDER KNÄLMANN, HENDRIK VON PAEPCKESie kannten sich aus

Studienzeiten in

Hamburg und gingen

dann getrennte Wege,

doch 2007 begegneten

sie sich wieder. Damals

gründeten Alexander

Knälmann und Hendrik

von Paepcke die APO-

projekt neu. Heute ist

das Unternehmen mit

rund 400 Mitarbeitern

einer der führenden

Anbieter für individuelle

und schlüsselfertige

Innenausbauten, etwa

für Mieter in gewerb -

lichen Räumen. 3000

Projekte (Bau volumen:

600 Millionen Euro)

haben sie bis heute

realisiert.

AUSGEWÄHLTE FINALISTEN

DIENSTLEISTUNG

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Foto: Fritz Beck für manager magazin

Senf ist ein sehr regio-nales Produkt“, sagtMichael Durach (51).Südlich  des  Weiß-

wurstäquators  würden  dieKonsumenten meist Develeyvorziehen,  im  schinkenge -prägten Norden und Westeneher den Löwensenf, und imOsten – Heimat fettiger Brat-würste – den Bautz’ner Senf.Ihm  kann  das  alles  wurschtsein: alle drei Marken gehörender Develey Senf & FeinkostGmbH – und die ist im Besitzder Durachs.

Das Familienunternehmenist durch Übernahmen in Seriezum Marktführer in Deutsch-land geworden. Es fing nachder  Wende  an.  Herbert  Du-rach – Michaels Vater – erfuhr,dass  der VEB Lebensmittel -betriebe Bautzen zum Verkaufstand. Leider hätten sie schoneinen Käufer aus dem Westen,beschied aber der Geschäfts-führer. Herbert Durach bliebtrotzdem dran, reichte ein indrei  tagen  erstelltes  Sanie-rungskonzept  bei  der  treu-handanstalt ein – und bekamden Zuschlag, vor allem weilDeveley die Fabrik weiter-

KONSUMGÜTER/HANDEL

17Extra   manager magazin

D E V E L E Y

Bekannt wurde das Familienunternehmen als Lieferant von McDonald’s. Doch inzwischen beherrscht Develey den deutschen

Senfmarkt – und baut stetig sein Feinkostsortiment aus.

2

Erfolgsrezept süßsauer

GIBT SEINENSENF DAZU

Mit den MarkenDeveley,

Löwensenf undBautz’ner be-

herrscht Michael

Durach den deutschen Markt

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18 manager magazin Extra

führen  wollte.  Heute  ist  derBautz’ner Senf  Marktführer  inDeutschland, was nur wenigen ost-deutschen Marken gelungen ist.

Knapp zehn Jahre später schlugDeveley im Westen zu. In Düssel-dorf übernahmen sie von der Fa -milie Frenzel den Löwensenf. auchdamals bekannten sie sich zum Pro-duktionsstandort Düsseldorf. 

„Natürlich könnten wir irgendwoin der Mitte Deutschlands eine gro-ße Senffabrik hinstellen und dort alle unsere Marken produzieren“,sagt Michael Durach. aber das wi-derspräche ihrem regionalprinzip.„Senf ist auch ein sehr emotionalesProdukt“, doziert Durach, „wie Bier.Die  Kunden  wollen  es  aus  ihrer region.“

So leistet sich Develey eben denLuxus, an acht verschiedenen deut-schen Standorten Senf zu produ -zieren. Und zunehmend wird auchder wichtigste rohstoff – Senfsaat –in Deutschland eingekauft. 40 Pro-zent sind es bereits, der rest kommtaus Osteuropa und Kanada.

Develey ist inzwischen nicht nurdeutsch,  es  kauft  auch  im  nahenausland  lokale Marken.  reine  de Dijon in Frankreich, Kand in tsche-chien,  Snico  in der  Slowakei  undMautner in Österreich. „auch dort

sagten wir zu, die bestehenden Fa-briken zu erhalten.“

Einerseits regional, andererseitsinternational. Kein Problem,  sagtMichael Durach: „Wir beherrschenden Spagat – wir kämpfen um jedenImbiss, aber auch in aller Welt umMcDonald’s.“ Dabei haben sie denKampf um McDonald’s eigentlichschon 1971 gewonnen. Damals kamder unbekannte Hamburger-Bräternach  Deutschland,  suchte  nach heimischen Lieferanten, bevorzugtkleine oder mittelständische Unter-nehmen. Und sie fanden Develey.

Geschäfte per Handschlag

Gemeinsam entwickelten sie damalsSoßen für die Big Macs. Heute liefertDeveley Soßen, Ketchup und Salat-dressings für McDonald’s in 43 Län-der. „In manchen Ländern haben wirnicht mal einen Vertrag mit McDo-nald’s“, sagt Durach. Kaum zu glau-

ben: Geschäfte per Handschlag miteinem Weltkonzern! 

„Wir hatten mit McDonald’s im-mer einen fairen Umgang“, sagt Mi-chael Durach, „das kannten wir vomdeutschen Einzelhandel gar nicht.“Na ja, abgesehen vielleicht von aldi,schiebt er nach einer kurzen Pausehinterher. aldi beliefert er auch. 

Die Frage muss jetzt kommen: IstDeveley nicht zu stark von McDo-nald’s abhängig? Michael Durach hatdiese Zweifel sicher schon 100-malgehört und antwortet diplomatisch:„Wir haben eine gesunde gegensei-tige Bereicherung.“

Das Know-how, das man aus derBeziehung mit McDonald’s gewann,hat sicher geholfen, die Feinkost-sparte  von  Develey  auszubauen.Heute setzt das Unternehmen ausUnterhaching sogar mehr mit Fein-kost um – darin sind allerdings dieUmsätze mit McDonald’s  enthal-ten – als mit Senf. Über die Hälftedes Umsatzes von über 500 Millio-nen Euro stammt nicht mehr ausdem Senfgeschäft.

Der Senfkonsum in Deutschlandgeht eher zurück. Er liegt derzeit beiknapp einem Kilo, wobei der Ost-deutsche  mehr  verspeist  als  derWestdeutsche. Gerade viermal imJahr, sagt Durach, kauft der Durch -schnittsdeutsche ein neues Senfglasoder eine -tube. Schon deshalb istfür Develey seit ein paar Jahren Di-versifizierung angesagt. Soßen, Dips,Dressings, Ketchup, Mayonnaisen:alles ist inzwischen im Programm.

DIE ENTREPRENEURE Der Betriebswirt Michael Durach

(51) kam nach ein paar Lehrjahren

bei Knorr 1995 ins elterliche Unter-

nehmen. 1999 wurde er Geschäfts-

führer bei Develey. Er ist für die

Bereiche Marketing und Vertrieb

zuständig. Sein Bruder Stefan (50)

ist ebenfalls Geschäftsführer und

verantwortet die Bereiche Finanzen

und Produktion.

DAS UNTERNEHMEN1845 gründete Johann Conrad

Develey in München eine Senfmanu-

faktur, die neun Jahre später den

süßen Senf zur Weißwurst kreierte.

1971 kaufte der Sauerkonserven-

hersteller Durach Develey. Heute ist

Develey (Umsatz: über 500 Millio-

nen Euro) der größte Senfhersteller

Deutschlands und Produzent von

Soßen, Ketchup und Mayonnaise.

DEVELEY, UNTERHACHING

„WIR BEHERRSCHEN DEN SPAGAT: WIR KÄMPFEN UM

JEDEN IMBISS, ABER AUCH IN ALLER WELT UM MCDONALD’S.“

Michael Durach

KONSUMGÜTER/HANDEL

Page 19: Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben · bewerb „Entrepreneur des Jahres“ in Deutschland seit seinem Beste- ... ragt man Simon Hadda-din (33), was aus seinem

Vor allem mit Soßen – von süßsauerbis Curry – ist Develey gut im Ge-schäft. „Wir sind seit Jahren die mitam stärksten wachsende Feinkost-marke in Deutschland“, sagt Durach.Dafür hat Develey auch ausnahms-weise  mal  Geld  für  tV-Werbungausgegeben. 

Dank dieser Diversifizierung, derstarken Stellung im Senfmarkt undder  treuen  Zusammenarbeit  mitMcDonald’s glaubt Michael Durach,dass Develey als Familienunterneh-men im Wettbewerb mit den großenFoodgiganten überleben kann. 

Zusammen mit  seinem BruderStefan (50), der selten nach außenauftritt und mit seinen ressorts Fi-nanzen und Produktion der Innen-minister genannt wird, führt MichaelDurach das Unternehmen. Er, deraußenminister,  ist  für  Marketingund Vertrieb zuständig. als Dritterim Familienbunde schaut auch heu-te noch ab und zu Vater Herbert (87)vorbei, geht sogar auf die ein oderandere Geschäftsreise mit. Operativmischt er sich längst nicht mehr ein. 

Die  beiden  Brüder  haben  vierKinder.  alle  sind  mit  der  Schule

 bereits fertig und derzeit  im Stu -dium. Danach sollen sie – so sieht esdie   Familienverfassung vor – ersteinmal bei einem anderen Unter -neh men Erfahrungen sammeln, sowie das Michael Durach bei Knorreinst auch getan hat. Spitzbübisch zitiert Michael seinen Vater Her -bert, der einmal sagte: „Die Jungensollen  lieber die anfängerfehler inanderen als im eigenen Unterneh-men machen.“

Vom Boxer zum Radfahrer

Bis es zum nächsten Generations-wechsel kommt – es wäre von dervierten zur fünften –, wird es alsonoch  dauern.  „Mindestens  zehn Jahre“, schätzt Michael Durach. Solange wollen er und sein Bruder ander Spitze bleiben.

Und  so  lange  muss  sich  derschlanke, drahtige Unternehmer fithalten. Bis vor Kurzem hat MichaelDurach in seiner Freizeit geboxt. Fürihn war das Duell mit einem Sand-sack oder einem Sparringspartnerein idealer Sport zum abschalten.Jetzt hat er aber Probleme mit derSchulter.  Boxen  geht  nicht mehr.Nun macht er auf ausdauersp ort.Zuletzt kam er von einer mehrtä -gigen alpenüberquerung mit demFahrrad zurück. 

Und auch in seinem Unterneh-men propagiert er Bewegung. Nebenjeder  aufzugtür  in  den  Develey-Gebäuden klebt ein Zettel. Daraufsteht, dass Freitag der aufzugfreietag ist. Und für die anderen Wo-chentage gilt: „treppe statt aufzug:null CO₂.“ 

Im Verwaltungsgebäude ließ ersogar einen gläsernen aufzug ein-bauen, damit man sehen kann, werdarin fährt. Die deutsche Sprachekönnte so um eine Wortschöpfungreicher werden:  nach  der  soebenkreierten Flugscham nun also auchnoch die aufzugscham. 1

AXEL MEISELicht hat ihn schon

immer fasziniert. Be-

reits während seines

Maschinenbaustu -

diums bastelte Axel

Meise seine ersten

Leuchten. Deshalb

schmiss er das Stu-

dium und gründete

1999 in München die

Occhio GmbH. Diese

ist heute mit Flagship-

Stores in München,

Köln und Hamburg

Marktführer bei hoch-

wertigen Designleuch-

ten. Seine Firma mit

rund 150 Mitarbeitern

hat er ganz nach

dem Vorbild seines

Leuchtensystems auf-

gebaut: schlank,

modular und flexibel.

AXEL MUNZWenn heutzutage

auf dem Oktoberfest

die Madln wieder in

Dirndl und die Bur-

schen in Lederhosen

herumlaufen, dann

ist das das Verdienst

von Axel Munz.

Der Betriebswirt über-

nahm 1976 die Firma

Angermaier, krempelte

sie total um und

machte aus ihr einen

Anbieter von moderner

Trachtenkleidung.

Durch geschickte PR

und Marketing schaffte

es der selbst ernannte

Münchener Trachten -

könig, dass die

tra ditionelle Gar derobe

wieder salon fähig

wurde.

FLORIAN SEIDLMan nennt sie etwas

abwertend C-Teile,

also Muttern, Schrau-

ben sowie andere

Kleinteile der Verbin-

dungs- und Be festi-

gungs technik. Über

100.000 davon hat der

Großhändler Keller &

Kalmbach (Umsatz:

333 Millionen Euro,

900 Mitarbeiter) im

Angebot. Florian Seidl

leitet das Fa mi lien-

unternehmen aus

Unterschleißheim in

dritter Generation.

Er entwickelt zu sam -

men mit seinen

Kunden innovative

Logistik lösungen –

vor allem in der Auto -

industrie.

AUSGEWÄHLTE FINALISTEN

Fotos: PR (2), SZ Photo / dpa / picture alliance

19Extra   manager magazin

KONSUMGÜTER/HANDEL

Page 20: Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben · bewerb „Entrepreneur des Jahres“ in Deutschland seit seinem Beste- ... ragt man Simon Hadda-din (33), was aus seinem

TOTAL DIGITALDas FührungsduoBirte Hacken jos

undMarkusReithwiesner

leitet seit über 20 Jahren den kom pletten

Umbau des ehe maligen Fach -verlags Haufe in

Freiburg

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Foto: Lena Giovanazzi für manager magazin

Haufe? Das waren dochdie  Loseblattsamm -lungen,  die  in  keinerPersonal-, rechts- und

Steuerabteilung  eines  Unterneh-mens fehlen durften. richtig. aberdiese früheren Vorzeigeprodukte –zu  denen  auch  Fachzeitschriftenund Bücher gehörten – sind längstaltpapier oder geschreddert.

Heute ist Haufe ein völlig anderesUnternehmen. Papier war gestern,Online ist heute. Print macht nur

noch rund 3 Prozent des Umsatzesaus. Der große rest stammt von digi -talen Dienstleistungen: Onlineange-bote für Personalmanager, Buch hal -tungs-apps für Selbstständige oderInternetportale für Steuerfachkräf-te. Hinzu kommt ein umfangreichesWeiterbildungsangebot in der Haufeakademie. Heute versteht sich Hau-fe eher als Software- oder Internet-unternehmen denn als Verlag. 

Die digitale transformation destraditionsreichen  Unternehmens

aus Freiburg ist eng mit einer Personverbunden:  Markus  reithwiesner(57),  seit  2005  Mitglied  der  Ge-schäftsführung der Haufe Group. Erkam 1998 über die von Haufe ak -quirierte Lexware GmbH zur Grup-pe. reithwiesner – und das ist sicherein  Vorteil  – war  nie  im Verlags -wesen  tätig, er ist ein geistiges Kindder It-Branche. Er sitzt  in   vielentechgremien,  unter  anderem  imGoogle Partners Executive Council.Mit COO Birte Hackenjos (50), dieseit 1997 im Unternehmen ist, hat er eine  Partnerin,  die  genauso  ticktwie er. Diese Doppelspitze hat denWandel entscheidend geprägt.

Einen CDO, einen Chief DigitalOfficer, haben sie nicht neben sich.„Das ist der tod einer jeden Digi -talisierungsstrategie“,  sagt reith -wiesner. Denn die Digitalisierung gehe alle an, nicht nur einen an derSpitze. 

Deshalb ging der Strategiewech-sel auch mit einer radikalen Verän-derung  der  Unternehmenskultureinher. „als ich vor über 20 Jahrenanfing“, erinnert sich reithwies-

DIGITALE TRANSFORMATION

21Extra   manager magazin

H AU F E G RO U P

Der biedere Fachverlag, der von Printprodukten lebte, hat sich in nur 20 Jahren in ein digitales Unternehmen verwandelt, das vor

allem auf Online- und Weiterbildungsangebote setzt.

DIE ENTREPRENEURECEO Markus Reithwiesner (57) und

COO Birte Hackenjos (50) sind

das Führungsduo der Haufe Group.

Betriebswirt Reithwiesner, seit

1998 im Unternehmen, war zuvor

bei Computer 2000 und dem

US-Softwareunternehmen Intuit.

Die Juristin Hackenjos fing 1997

bei Haufe an und sieht sich als

„Unternehmerin im Unternehmen“.

DAS UNTERNEHMENDer Rudolf Haufe Verlag wurde

1934 in Berlin gegründet. 1951 zog

er nach Freiburg um. Mit Loseblatt-

sammlungen und Fachzeitschriften

wurde das Unternehmen groß und

bekannt. Inzwischen hat es fast

nur noch digitale Produkte im Pro-

gramm. Mit 2000 Mitarbeitern

macht die Haufe Group einen Um-

satz von über 407 Millionen Euro.

HAUFE GROUP, FREIBURG

2

Apps statt loser Blätter

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Fotos: PR

22 manager magazin Extra

ner, „saßen die Leute in kleinen Ha-senställen, das Führungsmodell warstreng hierarchisch.“

Wenn man heute über die Flureder diversen Gebäude der Gruppeläuft, steht an vielen Wänden ge-schrieben: „open minded“. 

Mittlerweile sind die Entschei-dungsprozesse überwiegend dezen-tralisiert, jede abteilung darf ihreräume  selbst  gestalten.  In  jeder Etage befinden sich eine Küche undein  sogenannter  Marktplatz  mit einer  kleinen  Bühne  und  Sitzge -legenheiten.  Fast  täglich  gibt  es dort Stand-up-Meetings, bei denen

team mitglieder über ihre Projekteberichten. 

teamarbeit wird bei Haufe groß-geschrieben,  aber  es  gibt  keine festen teams mehr. „Heute habenteams konkrete aufträge, die einenanfang und ein Ende haben. Danachmuss neu priorisiert werden“, sagtreithwiesner. 

Gesellschafter ziehen mit

Nicht alle Mitarbeiter konnten mitdiesen neuen und innovativen ar-beitsformen etwas anfangen. „Wirhaben auch einige Leute auf demWeg verloren“, sagt Birte Hackenjos.

andererseits  stellt  sie  fest:  „Wirwachsen kontinuierlich und werdenimmer attraktiver für Leute von au-ßen.“ Es hat sich herumgesprochen,dass  bei  Haufe  selbstbestimmtes arbeiten möglich ist. 

all die Veränderungen – strate-gisch wie organisatorisch – warenaber nur möglich, weil die Gesell-schafter, vor allem die Beiratsvorsit-zende andrea Haufe (66) und Mar-tin Laqua (67), den Kurs von anfangan unterstützt haben. „Der Beirathält  uns  den  rücken  frei“,  sagtreithwiesner. Er weiß, dass die bei-den Eigentümerfamilien Haufe undHaufe-Laqua mit  dieser  digitalentransformation ein enormes risikoeingegangen sind, letztendlich aberkeine alternative hatten. 

„Wir standen vor der Frage, unsneu  zu  erfinden  oder  unterzuge-hen“, erinnert sich reithwiesner andie  Zeit  des  Umbruchs  vor  rund20 Jahren. Die Eigentümerfamilienentschieden sich damals – natür-lich – fürs Überleben, haben aber dafür  über  Jahre  auf  üppige  Ent -nahmen verzichtet. Zudem musstensie Druckerei und Callcenter – dierelikte der alten Welt – schließen,und sie wussten nicht, ob am Endedie  rechnung  aufgeht.  Nun,  sie ist aufgegangen. als reithwiesneranfing, betrug der Umsatz 40 Mil -lionen Mark, heute liegt er bei 407Millionen  Euro.  Und  die  Profitesprudeln auch. 

Die Haufe Group  ist heute einrundum erneuertes Unternehmen.Viele neue Mitarbeiter, neue Pro-dukte, neue Kunden. reithwiesner:„Kein anderer Fachverlag hat einesolche digitale transformation ge-schafft.“ Doch sich selbstzufriedenzurücklehnen  ist  nicht  die  Sache eines  Markus  reithwiesner.  Der Visionär  blickt  nach  vorn  undmahnt: „Die Digitalisierung steht jaerst am anfang.“ 1

MICHAEL HETZERLeutkirch im Allgäu –

eine Idylle. Um sie zu

erhalten, produziert die

Elobau GmbH & Co.

KG schon seit 2010

klimaneutral. Bei der

Produktion wird nur

grüner Strom und Bio-

gas aus organischen

Abfällen verwendet.

Die Fabriken des Sen-

sorikunternehmens

sind Energie-Plus-

Gebäude, und die Ver -

waltung sitzt in einem

Holzbau. Alles ein

Verdienst von Michael

Hetzer, der 2003 die

Führung übernahm

und die Mitarbeiterzahl

von damals 250 auf

fast 1000 steigerte.

RAFAEL LAGUNASein Konkurrent ist

kein Geringerer als

Microsoft. Gegen

dessen Microsoft Ex-

change positionierte

Rafael Laguna sein

Open-Xchange, das

Linux-basierte E-Mail-

und Groupwarelösun-

gen anbietet. Kunden

sind bereits die Deut-

sche Telekom, Voda-

fone und 1&1. Mehr als

2,7 Milliarden Nutzer

hat die OX-Software

inzwischen. Das Unter-

nehmen sitzt in Köln,

hat aber 13 Büros welt -

weit, in denen 270 Mit-

arbeiter, davon 180

Softwareingenieu re,

beschäftigt sind.

JÖRG KULLMANNDie neue, 2017 in

Betrieb genommene

Produktionsanlage

in der Wikus-Sägen -

fabrik wird digital

gesteuert. Dadurch

kann das Unternehmen

seine Metallsägen

noch effizienter und

schneller produzieren.

Aber auch im

neuen Headquarter

der Wikus-Gruppe

(750 Be schäftigte) im

hessischen Spangen-

berg geht Chef Jörg

Kullmann neue Wege:

Dort wurde auf allen

Ebenen ein nonterri to -

riales Bürokonzept

geschaffen. Agiles Ar-

beiten heißt das heute.

AUSGEWÄHLTE FINALISTEN

DIGITALE TRANSFORMATION

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Foto: IPON / imago images

Wenn in der Fa-milie Leibin-ger  jemand 16  Jahre  alt

wird, gibt es neben vielen Ge-schenken auch ein – schön inLeder eingebundenes – Büch-lein. auf 35 Seiten wird dortdas Verhältnis der Familien-mitglieder zu ihrem Unter neh -men, der trumpf Gruppe, de-finiert. Dort ist festgelegt, werin die Firma einsteigen darfund unter welchen Be din gun -gen; oder wie man mit Fami -lienmitgliedern  umgeht,  dieihre anteile verkaufen wollen;oder  wie  die  Familie  in  der Öffentlichkeit auftritt.

Hier  in  Ditzingen  denktman nicht in Quartalen, son-dern in Generationen.

Derzeit ist die zweite Gene-ration  an der  Spitze: NicolaLeibinger-Kammüller (60). Sieverkörpert das Unternehmenfast  so  wie  früher  ihr  VaterBerthold Leibinger, der im Ok-tober 2018 mit 87 Jahren starb.

Sie sagt Sätze wie: „Firmaist im besten Falle auch Hei-mat.“ Oder: „Wir würden eherauf  Entnahmen  verzichten als Mitarbeiter entlassen.“

EHRENPREIS FAMILIENUNTERNEHMEN

23Extra   manager magazin

T RU M P F

Der schwäbische Maschinenbauer verknüpft traditionelle Tugenden mit modernen Managementmethoden.

Ein Verdienst von Nicola Leibinger-Kammüller, die das Familienunternehmen seit über 14 Jahren leitet.

2

Die Firma als Heimat

HELDIN DER ARBEITNicola Leibinger-Kammüller setztnach wie vor aufWerte wie Fleiß,Bescheidenheitund Engage-ment – und lebtdiese auch vor

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EHRENPREIS FAMILIENUNTERNEHMEN

24 manager magazin Extra

Kein leeres Gerede, sondern Worte,denen taten folgten. 

Zum Beispiel in der globalen Fi-nanzkrise  2008. aufträge  bliebenaus, trumpf ging es nicht gut. Dochstatt die Mitarbeiter kurzarbeiten zulassen oder gar zu entlassen, schick-te  das Management  sie  zur Wei -terbildung. Um diese aktion zu fi -nanzieren, steuerten die Leibingers75 Millionen Euro aus ihrem Privat -vermögen bei. „Das war aus psycho-logischen Gründen wichtig“,  sagtheute Nicola Leibinger-Kammüller,„wir haben dadurch den Mitarbei-tern signalisiert: Wir stehen zur Fir-ma, wir nehmen Verluste in Kauf.“

Bei trumpf sind die Mitarbeiterauch nicht nur Kostenstellen. „Ichempfinde ein hohes Maß an Verant-wortung für die hier Beschäftigten.“ 

Triumphale Mitbestimmung

auch hier wird das Gesagte mit derWirklichkeit belegt. trumpf hat seit2012 eines der fortschrittlichsten ar-beitszeitmodelle in der ganzen re-publik. Die Mitarbeiter dürfen selbstbestimmen,  wie  viel  sie  arbeitenmöchten. Zwischen 15 und 40 Stun-den ist alles denk- und machbar.

Moderne Ideen treffen auf tradi-tionelle Werte. Bei trumpf hat manbewiesen,  dass  dies  kein  Wider-

spruch sein muss. Bescheidenheit,Fleiß und Engagement: Diese Wertestehen im Familienkodex ganz oben.  

Es ist eine Mischung aus pietisti-schen und schwäbischen tugenden,die sich gelegentlich überschneiden.

Zum Beispiel bei der Sparsam-keit. „Wir tanken nicht an der auto-bahn“, sagt Leibinger-Kammüller.Das sei kein Geiz. „Geiz ist eine Sün-de“,  sagt  sie.  Nein,  das  sei  Spar -samkeit. Wo es ihrer Meinung nachan gebracht ist, ist sie hingegen groß-zügig. In der Förderung von Kunstund Literatur zum Beispiel. 

Eine andere pietistisch-schwäbi-sche tugend – Fleiß – lebt sie tagtäg-lich vor. Die Christin steht morgensmeist in aller Herrgottsfrühe gegen5.30 Uhr auf und arbeitet dann denganzen tag. „Man fühlt sich schonschlecht,  wenn  man  die  Zeitung

liest“, kokettiert die belesene Frau,die politisch denkt und sich über dieVersäumnisse  der  Politik  („Wirbrauchen eine massive Bildungsof-fensive“) aufregen kann. 

Einen Wechsel in die Politik hatsie nie angestrebt. „Die wollen keineSeiteneinsteiger“,  sagt  das  CDU-Mitglied, obwohl sie solche Wechselfür  sehr wünschenswert  hält.  Sie begnügt sich mit der rolle der ge -legentlichen ratgeberin – sei es beiBundeskanzlerin  angela  Merkeloder  beim  MinisterpräsidentenWinfried Kretschmann. 

Nein, ihr Platz ist und bleibt ander  Spitze  des  väterlichen  Fami -lienunternehmens, in dem sie einen gravierenden  Vorteil  gegenüber den Konzernen sieht: „Die Managerdort sind viel unfreier“, sagt Leibin-ger-Kammüller, die durch diverseaufsichtsratsmandate die Konzern-welt sehr gut kennt. „Weil wir dieFirma besitzen, haben wir viel mehrSpielraum.“ 

Und dann zitiert sie ihren VaterBerthold.  Der  hat  einmal  gesagt:„Wenn  die  Familie  was  taugt,  istdas Familienunternehmen die beste Unternehmensform, die es gibt.“

Bislang taugte die Familie Lei -binger was. Der Übergang vom Vaterzur tochter im Jahr 2005 klappteziemlich  geräuschlos,  auch  wennmanche überrascht waren, dass esdie  tochter  und  nicht  der  Sohn Peter wurde. 

So  friktionsfrei  soll  auch  derWechsel zur dritten Generation ge-lingen.  Sie,  ihr  Bruder  Peter  (alsChief  technology  Officer  in  der Geschäftsführung) und Schwesterregine (architektin in Berlin) habeninsgesamt zehn Kinder. 

„Ich bin zuversichtlich, dass wirjemanden oder eine Jemandin fin-den werden“, sagt Nicola Leibinger-Kammüller, die noch einige Jahreweitermachen wird. 1

DIE UNTERNEHMERINNicola Leibinger-Kammüller (60),

die Germanistik, Anglistik und

Japanologie studierte, trat 1985 in

das elterliche Unternehmen ein.

2005 machte sie ihr Vater Berthold

zur Vorsitzenden der Geschäfts -

führung, der auch ihr Bruder Peter

und ihr Ehemann Mathias Kam -

müller angehören. Das Ehepaar

Kammüller hat vier Kinder.

DAS UNTERNEHMENTrumpf wurde 1923 von Christian

Trumpf in Stuttgart gegründet. Der

kinderlose Trumpf bestimmte seinen

Mitarbeiter Berthold Leibinger zu

seinem Nachfolger. Leibinger

war von 1978 bis 2005 Chef des

Maschinenbaukonzerns, der im

Geschäftsjahr 2018/19 mit rund

14.500 Beschäftigten einen Umsatz

von 3,8 Milliarden Euro erzielte.

TRUMPF, DITZINGEN

„WIR WÜRDEN EHERAUF ENTNAHMEN

VERZICHTENALS MITARBEITER

ENTLASSEN.“Nicola Leibinger-Kammüller

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Foto: Jewgeni Roppel für manager magazin

Anfang der 70er Jahre erschien ein Buch, dasauch für den damalsfrisch diplomierten

Volkswirt Michael Otto (76) einWeckruf war. Der Titel: „Die Gren-zen des Wachstums“. Geschriebenhat es federführend der ameri ka -nische Wissenschaftler Dennis Mea-dows. Es wurde der in tellek tuelleWegbereiter der Öko bewegung.

„Das Buch hat mich wachgerüt-telt“, sagt Otto. Er entwickelte einBewusstsein für Umweltthemen.Aber ihm war auch schnell klar, dassdas nicht reicht. „Noch wichtiger istes zu handeln, auch und gerade alsUnternehmer.“

Aber gilt nicht die Formel, dassGewinnmaximierung und Ressour-censchonung sich ausschließen?

Als Michael Otto in den 70er Jah-ren in das elterliche Unternehmen,den Hamburger Otto-Versand, ein-stieg, trat er auch an, um zu bewei-sen, dass diese angebliche Kausalitätnicht stimmt.

Es wurde ein langer Weg der Be-weisführung.

In den 70er Jahren startete Ottomit kleinen Projekten, zum Beispielden ersten Katalogen aus chlorfrei-em Papier. In den 80er Jahren,

EHRENPREIS FÜR SOZIALES ENGAGEMENT

25EXTRA manager magazin

M I C H A E L O T T O

Der Unternehmer hat bewiesen, dass Ökonomie und Ökologie doch zusammenpassen. Sein frühes Engagement

für den Umweltschutz – und für Afrika – ist vorbildlich.

2

Blume des Guten

MANN MIT WEITSICHT

Michael Otto warseiner Zeit voraus,

als er Mitte der80er Jahre Nach-

haltigkeit als Unternehmensziel

des Versand -händlers definierte

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26 manager magazin EXTRA

Michael Otto war inzwischen Vor-standsvorsitzender des Versand -konzerns, konnte er schon mehr bewegen. Er führte ein Umweltma-nagementsystem ein und erklärte1986 Nachhaltigkeit und Umwelt-schutz zu Unternehmenszielen.

Sein frühes Engagement stießnicht überall auf Begeisterung – weder im Unternehmen noch au ßerhalb. „Viele Unternehmer -kollegen haben mich – ich will es mal freundlich sagen – als Exotenan gesehen.“

Manche titulierten ihn als Öko-spinner und warteten nur darauf,dass er scheitert, dass er mit seinengrünen Ideen rote Zahlen produziert.

Doch Michael Otto tat ihnen denGefallen nicht. Er wusste, dass erzum Erfolg verdammt war. „Wäre es schlecht gelaufen, dann hätte je-der gesagt: Der kümmert sich nurum die Umwelt, aber nicht um sei-nen Laden.“

Aber der Laden lief, jedenfalls imVergleich zur direkten Konkurrenz.Während Neckermann und Quellevom Markt verschwanden, über -lebte Otto – und hat als einziges der deutschen Versandunterneh-men noch die Chance, gegen Ama-zon zu bestehen. Frühzeitig setzteOtto auf Digitalisierung und ist

heute vor allem ein E-Commerce-Unternehmen.

Michael Otto, nun seit LangemAufsichtsratsvorsitzender, resü-miert in seinem geräumigen Eck-zimmer in der Otto-Hauptverwal-tung: „Man kann also nicht sagen:Wenn man sich für die Umwelt engagiert, belastet das das Unter-nehmen. Im Gegenteil.“

Leidenschaft für Afrika

Warum ist es ihm gelungen? Es seiwichtig gewesen, Mitstreiter im Un-ternehmen zu finden, und zwar aufallen Ebenen. Ein Prozess, der dau-erte. „Rund zehn Jahre“, sagt Otto.Heute sei Umweltschutz Teil derUnternehmenskultur.

Und man müsse sein Engage-ment vorleben. Michael Otto fährtRad und einen Hybrid, nutzt Solar-strom, spritzt im Garten Brennnes-selsud und scheuert mit Bioseife.

Aber Michael Otto redet auch vielmit Politikern und Unternehmer -kollegen. Er wünscht sich eine am-bitionierte deutsche Klimapolitikmit klaren Zielen. Greta Thunbergfindet er gut, weil sie dem ThemaKlimawandel endlich die nötige Aufmerksamkeit verschafft.

In seinem Unternehmen gibt esbereits klare Zielvorgaben. Die CO₂-Emissionen sollen bis 2020 um 50Prozent gegenüber 2006 reduziertwerden und die textilen Eigenmar-ken zu 100 Prozent aus Baumwolleaus nachhaltigem Anbau stammen.Dazu gründete Otto die Initiative„Cotton made in Africa“.

Afrika ist seine zweite große Lei-denschaft, die schon früh mit einerersten Urlaubsreise begann. Er hatklare Vorstellungen, was geschehenmuss: „Mehr Hilfe zur Selbsthilfeund mehr Wertschöpfung vor Ort.“Also Rohstoffe dort verarbeiten, wosie gewonnen werden. Deshalb be-zieht Otto immer mehr Textilien ausafrikanischen Fabriken.

Weil er und sein Unternehmenallein nicht viel bewirken können,engagiert sich Michael Otto in vielenZirkeln. Zum Beispiel im „Bündnisfür nachhaltige Textilien“ oder inder „Stiftung 2 Grad“. Die „Aid byTrade Foundation“ gründete er mit,ebenso die „Business Social Com -pliance Initiative“. Und, und …

Er könnte noch viel auf- und er-zählen, aber er schaut auf die Uhr.Der nächste Gast wartet: Auma Obama, Halbschwester des ehe -maligen US-Präsidenten. Sie kennensich von der gemeinsamen Arbeit im World Future Council (WFC).Sie wol len über –was sonst – die Kli-mapolitik und Afrika reden. 1

EHRENPREIS FÜR SOZIALES ENGAGEMENT

DER EHRENPREISTRÄGERMichael Otto (76) war von 1981 bis

2007 Vorstandschef des Hambur-

ger Versandhändlers Otto. Danach

wechselte er in den Aufsichtsrat.

Schon 1993 gründete er die Um-

weltstiftung Michael Otto, die sich

überwiegend aus Erträgen der Otto

Group finanziert. Er ist Mitgründer

und Mitglied zahlreicher sozialer Ini-

tiativen und Umweltorganisationen.

DAS UNTERNEHMENDer von seinem Vater Werner 1949

gegründete Otto-Versand ist das

einzige überlebende der drei

großen deutschen Versandhäuser

(Neckermann, Otto, Quelle). Dies

gelang, weil sich Otto früh im

E-Commerce engagierte. Zum

Umsatz von 13,4 Milliarden Euro

steuert heute der Onlinehandel

7,7 Milliarden Euro bei.

MICHAEL OTTO, OTTO GROUP

„DER WIRTSCHAFT MUSSKLAR SEIN:

WENN WIR UNSERENATUR ZERSTÖREN,WIRD AUCH KEIN

WIRTSCHAFTEN MEHRMÖGLICH SEIN.“

Michael Otto

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