WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND JANUAR 2020
E X T R A
Starke Ideen, die Deutschlands Wirtschaft vorantreiben
DIE S I EGER
(von oben nach unten):
Simon Haddadin(Franka Emika),
Frank Mathias und Nikolaus Rentschler(Rentschler Biopharma),
Catherine von Fürstenberg-Dussmann(Dussmann Group),
Michael Durach (Develey Senf),
Birte Hackenjos und Markus Reithwiesner(Haufe Group)
4 BILANZDie Erfolgsrezepte der bestenEntrepreneure aller Zeiten.
8 JUNGE UNTERNEHMENDer Roboterhersteller Franka Emika erobert den Massenmarkt.
11 INDUSTRIEDer Mittelständler Rentschlerverdient sein Geld als Zulie -ferer für die Pharmaindustrie.
14 DIENSTLEISTUNGDie Dussmann Group putzt undsichert nicht mehr nur, sie rüstetnun auch elektronisch auf.
17 KONSUMGÜTER/HANDELWie Develey den Senfmarkt beherrscht – und gleichzeitigMcDonald’s versorgt.
20 DIGITALE TRANSFORMATIONDie Haufe Group verwandeltesich von einem Verlag in ein Bildungsunternehmen.
23 EHRENPREIS I Der Maschinenbauer Trumpfund seine erfolgreiche ChefinNicola Leibinger-Kammüller.
25 EHRENPREIS IISozial engagiert und ein früherUmweltschützer –der Händler Michael Otto.
Anschrift des VerlagsEricusspitze 1, 20457 HamburgTelefon: (040) 30 07-25 51Fax: (040) 30 07-22 47
Chefredakteure: Martin Noé (V. i. S. d. P.),Sven Oliver Clausen
Redaktion: Wolfgang Hirn
Gestaltung: Darius Wakilzadeh
Bildredaktion: Rahel Zander
Schlussredaktion: Bettina Storm-Rother(Ltg.); Simone Boldt, Klaus Wirtz
Dokumentation: Torsten Biendarra(Ltg.); Dennis Barg, Joana Ruthe
Titelbild: Fotos: Fritz Beck für managermagazin (3), Patrick Desbrosses für manager magazin, Lena Giovanazzi fürmanager magazin
IMPRESSUM
INHALT
Als manager-magazin-ReporterWolfgang Hirn vor 23 Jahrenseine ersten Entrepreneureporträtierte, war er gleich
ziemlich begeistert. Er traf auf Leute, dieeigenes Geld riskierten, denen kein Weg zuweit war und die ihre Besonderheitenpflegten, statt sie zu verstecken. Seitdemhaben sich viele Geschäftsmodelle durchdas Internet und den Aufstieg Chinas kom-plett verändert, die Charaktere der Unter-nehmer aber sind ähnlich geblieben. Sokam Develey-Chef Michael Durach mitdem Motorroller zum Termin in seineSenffabrik, und Simon Haddadin vom Ro-boterhersteller Franka Emika erschientrotz kaum überstandener Lungenentzün-dung zum Interview.
Als Entrepreneure mit langem Atemund großer Wandlungsfähigkeit sind insbesondere die FamilienunternehmerMichael Otto vom gleichnamigen Händlerund Nicola Leibinger-Kammüller vom Maschinenbauer Trumpf aufgefallen. Sieerhielten außerhalb des Wettbewerbs, dendie Wirtschaftsprüfer von EY nun seit fast einem Vierteljahrhundert ausrichten, ei-nen Ehrenpreis. Die Preisträger stehenauch stellvertretend für einen so risikobe-reiten wie verlässlichen Mittelstand, derüber die Hälfte aller Arbeitsplätze inDeutschland stellt. Viel Spaß beim Lesen wünschtIhr
MARTIN NOÉ
Chefredakteur
Eine Charakterfrage
EDITORIAL
3EXTRA manager magazin
Gedacht war diese Ge-schichte als eine reise in die Vergangenheit,tatsächlich wurde sie
zu einem ausflug in die Zukunft.rund 100 Preisträger hat der Wett-bewerb „Entrepreneur des Jahres“in Deutschland seit seinem Beste-hen 1996 gekürt. Was ist aus denHigh flyern von gestern geworden?Das war die Leitfrage.
Ja, einige wenige gibt es nichtmehr, wie Brokat, die kurz nach derWahl zum Entrepreneur des Jahrespleitegingen. Bei anderen ist dasUmsatzwachstum nach stürmi-schen Jahren erlahmt oder hat dasGeschäftsmodell nicht dauerhaft getragen. Unternehmertum schließt
eben auch die Möglichkeit des Irr-tums ein. Bei den meisten Siegernaber – und das ist die gute Nach-richt – liefen die Geschäfte weiterauf hoher Drehzahl. Und einige haben sogar überragend geliefert. manager magazin hat sich auf dieSpur der besonders Erfolgreichenbegeben, um zu sehen, was dauer-hafte Ge winner ausmacht. Wir fan-den ein Quartett.
Fressnapf (Sieger 2003)
Umsatz 2003: 552 Millionen Euro,
Umsatz 2018: 2,1 Milliarden Euro
torsten toeller (53) erinnert sichnoch gut an das Jahr 2003, als er mitseinen Märkten für HeimtierbedarfSieger wurde. „Wir waren sehr, sehr
deutsch.“ Und: „Wir hatten damalsnoch sehr viele Dinge zu tun.“
Heute, 16 Jahre später, kann toeller für Fressnapf Vollzug ver-melden. Von den 1564 Märkten sind663 im europäischen ausland. DieSupply Chain wurde ausgebaut undoptimiert. „Wir haben massiv in Itund E-Learning investiert.“ Die Lä-den sehen moderner, schicker aus.
Und das angebot ist breiter ge-worden. Mehr Premiumprodukte(tV-Köchin Cornelia Poletto kre -ierte für die Vierbeiner „Hardystraum“), mehr Eigenmarken. toel-ler hat den anspruch: „Wir wollenjedes Problem rund um die tier -haltung lösen.“ Entsprechend wurdedie Palette von Dienstleistungen
BILANZ
B I L A NZ
Rund 100 Gewinner wurden bislang beim Wettbewerb „Entrepreneur des Jahres“ gekürt. manager magazin
hat sich auf die Spur der Sieger begeben und vier besonders herausragende Unternehmen gefunden.
2
Die fantastischen Vier
Foto: Ingo Rappers
4 manager magazin Extra
EIN PLATZ FÜR TIEREWer einmal ausdem Fressnapffrisst, kauftimmer wieder bei Torsten Toeller ein.Seine Märktesind inzwischenmehr als nur Lieferant vonTiernahrung.
Fotos: PR, Dieter Mayr
6 manager magazin Extra
erweitert: Hundefriseur, tier-arzt, Versicherungen, Dog-walk, Dogsitting – alles untereinem Dach.
Was sich nicht veränderthat, obwohl das Unterneh-men inzwischen über 12.000Mit arbeiter zählt, ist die Kul-tur. „Die haben wir im Kern er halten“, sagt toeller, dervon sich behauptet, er sei „einmega-teamorientierter Füh-rer“. Seine Mitarbeiter hättenMit sprachepflicht. In diesemkooperativen Geist entwickel-ten er und seine teams das Zu-kunftsprogramm „Challenge2025“, das vor allem die Digi-talisierung des Unternehmensvorantreiben soll.
toeller (geschätztes Ver-mögen: 1,5 Milliarden Euro),der Fressnapf 1990 gründete,hilft inzwischen über diverseKanäle (Family-Office, PrivateEquity) Start-up-Unterneh-men nicht nur finanziell, son-dern auch mit rat. Zu seinenSchützlingen zählen Mymuesliund GastroHero, beides Un-ternehmen, die schon Finalis-ten des Wettbewerbs „Entre-preneur des Jahres“ waren.
Bionorica (Sieger 2008)
Umsatz 2008: 130 Millionen
Euro, Umsatz heute: 338 Mil-
lionen Euro
Michael a. Popp (60) lebt ge-sund. Beim Gespräch in sei-
nem Büro steht ein Glas wei-ßer tee auf dem tisch. Er willVorbild sein, denn schließlichverkauft er ja Gesundheit.aber keine synthetischen arz-neimittel, sondern pflanzliche.In diesem kleinen Segmentwar sein Unternehmen Biono-rica schon 2008 führend undist es heute erst recht.
Zum Erfolg der vergange-nen Jahre hat vor allem einProdukt beigetragen: Sinu-pret extract, ein Mittel gegenEr kältungen. Im Oktober 2012 wurde es zugelassen, in -zwischen sind weltweit Pa -tente eingereicht. Sinupret ist in Deutschland das meist -verkaufte pflanzliche arz -neimittel.
aber auch in Osteuropaboomt das Geschäft. „2008waren wir dort noch in den anfängen“, sagt Popp. Heutesieht es ganz anders aus:„russland ist unser wichtigs-ter Markt.“ Vor Kurzem wurdedort eine neue Fabrik eröffnet.Warum gerade russland? „Siehatten dort früher keinen Zu-gang zu modernen Medika-menten, pflanzliche arznei-mittel hatten deshalb großeBedeutung.“
Die Exportquote von Bio-norica liegt bei knapp 70 Pro-zent. Die türkei, Mexiko, Bra-silien und selbst Indien hatPopp schon im Visier.
Der Familienunternehmerversteht sich immer noch als Pionier der pflanz lichenarzneimittel und bedauert,dass Forschung und Wissen-schaft sich diesem thema zu wenig widmen. Deshalb betreibt er „inten sivste For-schung“ in seinem Unterneh-men. 15 Prozent vom Umsatz
NATUR -HEILERMichael A.Popp setztmit Bionoricaauf pflanz -liche Arznei-mittel und hat vor allemin Osteuropagroßen Erfolg
UNTERSTROM
Sven Bauerist mit seinemUnternehmenBMZ einer der Pioniereder Batterie -
zellen -fertigung
BILANZ
Fotos: Evelyn Dragan für mm, Uli Deck / dpa / picture alliance
7Extra manager magazin
fließen in F+E. Und deshalbsponsert er auch einen Lehr-stuhl an der Uni Innsbruck, woer einst promovierte. Dennnoch gebe es, sagt Popp, jedeMenge Heilpflanzen, derenWirkung überhaupt nicht er-forscht sei.
dm (Sieger 2008)
Umsatz 2008: 4,7 Milliarden
Euro, Umsatz heute: 10,7 Mil-
liarden Euro
Ende Juli in Karlsruhe. Dieneue dm-Zentrale wird ein -geweiht. MinisterpräsidentWinfried Kretschmann ist da,läuft staunend durch das mo-derne Gebäude, dessen Lobbyeher einem Hotel gleicht. DieKonferenzräume heißen „Sal-bei“ und „Sonnenblume“. Dasgefällt einem Grünen. „dm istein Vorzeigeunternehmen“,lobt Kretschmann am Endedes rundgangs durch das Unternehmen.
Und er hat ja recht: InDeutschland ist dm mit seinenknapp 2000 Filialen Markt -führer bei Drogeriewaren.Marktanteil: 24 Prozent. Ver-folger rossmann liegt bei 15Prozent.
Warum dieser Vorsprung?Erich Harsch (58) gibt in sei-nen letzten tagen als Vor -sitzender der Geschäftsfüh-rung ein paar antworten: „Wir sind seit jeher Vorreiterin der Digitalisierung.“ Die It-tochter hat über 800 Mit-arbeiter.
dm hatte als einer der Ers-ten ein Data Warehouse, seit1998 einen Onlineshop undnutzt sehr intensiv die sozia-len Netzwerke. Harsch: „Für14- bis 20-Jährige sind wir sehrattraktiv.“
trotz aller Onlineaktivi -täten will dm aber nach wievor auch offline wachsen. „Wireröffnen jedes Jahr im hohenzweistelligen Bereich“, sagtHarsch. Der Österreicher, seit38 Jahren bei dm, wird aberdie weitere Entwicklung ausdem 30 Kilometer entferntenBornheim verfolgen. Denn abdem 1. Januar 2020 ist er dortChef der Hornbach-Gruppe.Sein Nachfolger bei dm wirdChristoph Werner (47), Sohndes Firmengründers GötzWer ner (75).
BMZ (Sieger 2012)
Umsatz 2011: 150 Millionen
Euro, Umsatz heute: 560 Mil-
lionen Euro
Sven Bauer (53), Chef der BMZGroup, war immer seiner Zeitvoraus. als er predigte, fürElektrogeräte doch bitte auf-ladbare Batterien statt Kabelnzu nutzen, standen die Her-steller auf der Leitung. Brau-chen wir nicht, wird sich nichtdurchsetzen, war die antwortbei vielen.
aber Bauer kann hartnäckigsein. Weil zum Beispiel Stihlablehnend war, ging er zurKonkurrenz von Husqvarna.Die bauten dann Sägen mitBatteriebetrieb. Seine Strate-gie: „Wir gehen zu einem Kö-nigskunden, überzeugen den,und dann folgen alle.“
So überzeugte er Dyson,Staubsauger mit Batterien zuproduzieren. „Die verkaufteneine Million – und dann kippteder ganze Markt.“ Heute wer-den fast alle kleinen und gro-ßen Elektrogeräte mit Batte-rien betrieben – und BMZprofitiert davon.
am Firmensitz in Karlsteinwerden neue Produktionshal-len gebaut, an den Standortenin China, Polen und den USawird ständig die Kapazität er-weitert. Umsatzziel für 2020:700 Millionen Euro, für 2025:1,9 Milliarden Euro.
Das Geschäft boomt, weilsich nun auch der gigan tischeMarkt der E-Mobilität auftut.Beim Geschäft mit E-Bikes istBMZ schon kräftig dabei.
aber wenn Bauer auf E-au-tos zu sprechen kommt, redeter sich in rage. Er sieht, dasses in Deutschland viel zu we-nig Batteriefertigung gibt. „Wirsind hier so extrem träge“,mault er. Und meint vor allemdie autoindustrie, die jahre-lang die E-autos ausgebremsthabe. Dabei steht für ihn ange-sichts der übermächtigen asia-tischen Konkurrenz fest: „Wirbrauchen so dringend eineZellfertigung hier, dringendergeht es nicht.“
Immerhin entsteht jetzt inMünster – gefördert von derBundesregierung - ein Projektder Forschungsförderung Bat-teriezelle (FFB), der Vorläufereiner möglichen deutschenBatteriezellenfabrik.
Bauer geht das natürlichviel zu langsam, aber immer-hin ist seine BMZ in dem Kon-sortium der FFB in Münsterdabei. So kann er dort aufstempo drücken. 1
DER SOHNFOLGT ...Zum Jahres-beginn 2020wird Chris-toph Wernerneuer Chefder Drogerie-kette dm
... DEMVATER
Vater GötzWerner hattedas Unter -nehmen 1973gegründet.Heute ist dm Markt -führer in
Deutschland.
„WIR SIND HIER IN DEUTSCH-LAND SO EXTREM TRÄGE.
WIR BRAUCHEN DRINGEND EINEZELLFERTIGUNG HIER.
DRINGENDER GEHT ES NICHT.“Sven Bauer, CEO BMZ
BILANZ
DER KOPF HINTERM ARM
Simon Haddadin, CEO
von FrankaEmika, umgeben
von seinenPanda-Robotern.
Bis 2025 will ereine Million
davon verkaufen.
Fotos: Fritz Beck für manager magazin, Paul Zinken / dpa / picture alliance
Fragt man Simon Had da-din (33), was aus seinemStart-up-Unternehmenwerden soll, dann sagt er
spontan: „das Apple der Robotik“.Wow, das ist eine Ansage.
Wer nun glaubt, einen Traumtän-zer vor sich zu haben, der täuschtsich. Hier steht jemand fest auf demBoden, und das in einem schmuck-losen Gebäude der ehemaligen Luitpold-Kaserne im Schwabinger Westen. „Das wird mal das Roboter- Valley“, sagt Haddadin. In der Um-gebung sind viele Forschungsinstitu-
te diverser Unis. „Und da hinten“,sagt er und zeigt auf ein 300 Meterentferntes Gebäude, „da lehrt undforscht mein Bruder.“ Sami Hadda-din (39) ist Professor für Robotik undSystemintelligenz an der TU Mün-chen. Ein Lehrstuhl, der extra für ihngeschaffen wurde, nachdem er schonfast in Stanford unterschrieben hätte.
Sami Haddadin entwickelte vorJahren einen Algorithmus, der demRoboter den Tastsinn beigebrachthat. Auf Basis dieser Idee bauten er,sein Bruder und ein kleines Teamvon zwölf Tüftlern einen Roboter.
Eigentlich ist es „nur“ ein Roboter-arm, der aber die Branche revolutio-nieren soll. Die klassische Roboter-industrie, sagt Simon Haddadin,baue sehr große, stupide Maschinen,die Hunderttausende Euro kosten.„Wir sagten: Solche Monstrenbraucht kein Mensch mehr.“ IhreIdealvorstellung von einem Roboterwar eine andere: leicht zu bedienenund zu einem Bruchteil der Kosten.So um die 10.000 Euro schwebte ih-nen für das Einstiegsmodell vor. DerRoboter sollte von einem Luxusgutzu einem Massenprodukt werden.
„Viele sagten: Ihr habt einen Vo-gel. Zu den Kosten kann man keinsolches Produkt entwickeln.“ Sieklopften bei Kuka und anderen etab-lierten Herstellern an. Alle winkten
ab. „Sie glaubten nicht anuns“, sagt Simon Hadda-din, der unter anderem
Medizin studierte, eheer über seinen Bru-der in die Welt derunmenschlichenWesen fand. Aberdie Haddadins undihr Team glaubtenan sich, ebenso
JUNGE UNTERNEHMEN
9
F R A N K A E M I K A
Simon Haddadin und sein Bruder Sami wollen beweisen, dass Robotik in Deutschland Zukunft hat.
Mit „Panda“ ist ihnen ein bärenstarkes Produkt gelungen: vielseitig, leicht zu bedienen – und auch noch günstig.
DIE ENTREPRENEURESimon Haddadin (33) ist CEO
und Mitgründer von Franka Emika.
Er studierte erst Mathematik und
Physik, dann Medizin. Zusammen
mit seinem Bruder Sami (39; r.),
Professor für Robotik und System-
intelligenz an der TU München,
und Sven Parusel (34) gründete
er 2016 in München das Roboter -
unternehmen Franka Emika.
DAS UNTERNEHMENFranka Emika produziert Roboter-
arme, die leicht zu bedienen und
vielseitig einsetzbar sind. Vorzeige-
produkt ist der Panda, 2017 auf der
Hannover Messe vorgestellt. Das
Start-up hat in München rund
80 Beschäftigte in Forschung und
Entwicklung. Produziert wird der
Panda (Verkaufsziel 2019: 12.000
Stück) in Durach bei Kempten.
FRANKA EMIKA, MÜNCHEN
2
Glückliches Händchen
Fotos: PR
10 manager magazin EXTRA
drei deutsche Familienunterneh-men, darunter der MaschinenbauerVoith, die ihnen Geld gaben. 2016grün deten die Brüder ihre eigeneFirma Franka Emika, ein aus einemVor- und Nachnamen bestehenderKunst name. In TQ Systems – früherNokia Siemens Networks – fandensie einen Produktionspartner mit einer Fertigungsstätte in Durach beiKempten.
Ihr erstes Produkt war der Panda.2017 stellten sie ihn auf der Han -nover Messe vor. Das Basis modellkostet 9900 Euro. Es ist ein Sieben-achsroboter, im Gegensatz zu den
herkömmlichen Sechsachsern, da-durch ist er viel gelenkiger.
„Er ist fast kinderleicht zu bedie-nen“, sagt Simon Haddadin. Ge -steuert wird der Panda – und das istein Novum in der Branche – von di-versen Apps. „Jeder kann sich viaBrowser auf seinem Laptop oderHandy einloggen.“
Pandas für China
Haddadin klappt seinen Laptop auf.Auf dem Bildschirm erscheinen einige Apps. Die simpelsten ermög-lichen das Greifen oder Ablegen, dieschwierigsten das Schrauben oder
Stecken. Er öffnet die App, tippt da-rauf – und Panda reagiert.
Manche Apps entwickelt FrankaEmika selbst. Aber auch Dritte kön-nen Apps entwickeln und den Preisdafür bestimmen. „Wir stellen dafürden Marktplatz zur Verfügung“, sagtSimon Haddadin. Die Apps sind fürFranka Emika auch eine weitere Ein-nahmequelle.
Zum Einsatz kommen die Pandasvor allem in der Konsumgüterindus-trie, wo sie einfache Jobs er ledigen.Viele Kunden kämen aus China, sagtSimon Haddadin. Beispiel: Für einensehr bekannten Handyherstellermachen künftig die Pandas das Testing. Bislang übernehmen leib -haftige Menschen diese stupidenAufgaben. Rund 1000 Pandas hat derHandy riese, dessen Namen Hadda-din nicht nennen will, geordert.
Die Einsatzgebiete liegen auchjenseits der Fabrikhallen. In Gar-misch-Partenkirchen wird gerade ineinem Modellversuch getestet, wieder Panda älteren Menschen zurHand gehen kann. Ebenso in derBerliner Charité. Dort arbeitet er aufder neurologischen Station.
Als Verkaufsziel für 2019 hat dasManagement 12.000 Stück ausgege-ben, für 2025 bereits eine Million.Sollte die erreicht werden, wäreFranka Emika wohl Marktführer.Hallo Apple, wir kommen.
Doch die Haddadins wollen nichtnur den wirtschaftlichen Erfolg. Siehaben auch eine Mission. Die Brü-der – sie sind in Deutschland ge -boren, ihr Vater stammt aus Jorda-nien, ihre Mutter aus Finnland –wollen ihre Heimat technologischnach vorn bringen. Deshalb folgteSami nicht dem Ruf nach Stanford,deshalb lässt Simon nur in Deutsch-land forschen und produzieren.
Simon sagt: „Wir wollen bewei-sen, dass auch solche Hightechin-dustrien hier eine Chance haben.“ 1
JUNGE UNTERNEHMEN
AUSGEWÄHLTE FINALISTEN
ROLF-DIETER LAFRENZIm Alter von 48 Jahren
startete Rolf-Dieter
Lafrenz, bis dato als
Berater tätig, nochmals
durch und gründete
die Cargonexx GmbH
in Hamburg. Um Leer-
fahrten von Lkw zu
vermeiden, setzt Car -
go nexx unter anderem
Algorithmen ein und
erhöht damit die Aus-
lastung. Das Unter -
nehmen versteht sich
als eine digitale Spe -
dition, die inzwischen
auf ein Netzwerk von
über 8000 Transport-
unternehmen mit
mehr als 120.000 Lkw
zurückgreifen kann.
DANIEL STAMMLER, JANOSCH SADOWSKI In einer Karlsruher
Studentenwohnung
fing 2016 alles an: Die
beiden Kommilitonen
Sadowski und Stamm-
ler entwickelten inner-
halb von nur acht
Wochen das durchaus
anspruchsvolle Spiel
„Idle Miner Tycoon“,
das inzwischen 70 Mil-
lionen Mal herunterge-
laden wurde. Im April
2018 kam mit „Idle
Factory Tycoon“ ein
zweites Spiel auf den
Markt. Ihre Firma, die
Kolibri Games GmbH,
sitzt inzwischen mit
über 80 Mitarbeitern in
Berlin-Kreuzberg.
MAX KRONBERG, JENS WASELKronberg und Wasel
waren noch Studenten
an der TU Berlin, als
sie 2012 das Unterneh-
men KW-Commerce
GmbH gründeten.
Anfangs verkauften
sie Zubehör für Smart -
phones und Tablets.
Heute umfasst ihre
Produktpalette mehr
als 17.000 Artikel in
den Bereichen Zube-
hör für Consumer Elec -
tronics und Home &
Living. KW (250 Mit -
arbeiter) verkauft nicht
über eine eigene Platt-
form, sondern über die
etablierten Marktplätze
wie Amazon und Ebay.
Foto: Fritz Beck für manager magazin
Nikolaus Rentschler (56)tat im Jahr 2016 etwas,was Managern und erstrecht Unternehmern
gemeinhin schwerfällt. Bis dato warer Chef des FamilienunternehmensRentschler Biopharma SE im ober-schwäbischen Laupheim, südlichvon Ulm gelegen. „Wir waren da-mals strategisch gut aufgestellt“,sagt er heute. Das Unternehmenhatte und hat in der Pharmabrancheeinen sehr guten Ruf, ist nahezuweltweit als „The Biopharma Ma -nufacturer“ bekannt. „Doch es hatuns an Dynamik gefehlt“, sagtRentsch ler selbstkritisch. „Manmuss seine Schwächen und Stärkenkennen.“
Seine Schwäche war: Er konnteseinem Unternehmen, seiner Beleg-schaft keine Impulse mehr geben.Seine Stärke: Er sah das ein undmachte im besten ManageralterPlatz für einen anderen, einen familienfremden Chef.
Lange suchen musste er nicht,denn er fand ihn in seinem Auf-sichtsrat: Frank Mathias (57). Ein erfahrener Pharmamanager, der beiHoechst anfgefangen hatte und zuletzt Vorstandschef der Biotech-firma Medigene AG in Martinsriedwar. Gut verdrahtet in der Bran-
INDUSTRIE
11EXTRA manager magazin
R E N T S C H L E R
Statt selbst Arzneimittel herzustellen, positionierte sich der Mittelständler als Zulieferer für die Pharmaindustrie. Ein Erfolgsrezept, das sich auszahlte.
2
Gesunde Einstellung
DOKTOREN-DUO Vorstandschef Frank Mathias (links)und Eigentümer Nikolaus Rentschlerergänzen sich nahezu ideal
12 manager magazin EXTRA
che ist der Mann auch, etwa als Vor-stand des Verbandes vfa bio.
Mathias und Rentschler – derPharmazeut und der Biologe, derManager mit französischen Wurzelnund der Oberschwabe, der Eloquen-te und der Bedächtige, der Konzern -erfahrene und der Familienunter-nehmer: ein in vielerlei Hinsichtungleiches Paar, aber vielleicht des-wegen gut harmonierend.
Mathias sagt: „Ich habe in HerrnRentschler einen Sparringspartner.“Er sei unheimlich stark in der Ana-lyse. Der Gelobte sitzt daneben undnickt still vor sich hin. Mathias fährtfort: „Wir stimmen uns dauernd ab. Uns interessiert vor allem das, was nicht funktioniert.“ UndRentsch ler nickt weiter. Das wirktvertraut und vertrauenswürdig,selbst wenn man das Showelementein berechnet, das bei solchen Vor-führungen vor Journalisten nichtselten eine Rolle spielt.
Nikolaus Rentschler vertritt diefünfte Generation einer Familie, diestets im Gesundheitssektor unter-wegs war. Angefangen hat es 1872,als sein Ururgroßvater in Laupheimeine Apotheke gründete, die es dortheute noch unter dem Namen 7-Schwaben-Apotheke gibt, auchwenn die Familie sie 2012 verkaufte.
Aus den Apothekern wurden inder Silvesternacht 1923/24 Entre -preneure. Denn damals entdeckte Erwin Rentschler, Großvater von Nikolaus, die Rezeptur für dasSchmerzmittel Melabon. WeitereMedikamente folgten. Zunächst nurnicht verschreibungspflichtige, nachdem Zweiten Weltkrieg auch rezept-pflichtige.
Jahrzehnte behauptete sich diekleine Pharmafirma auf dem Markt.Doch Mitte der 90er Jahre standman vor der existenziellen Frage, obman im Schatten der immer größerwerdenden Pharmakonzerne weiterblühen kann.
Radikaler Kurswechsel
Nikolaus Rentschler, der 1992 ins el-terliche Unternehmen kam und dieersten Jahre unter seinem VaterFriedrich Erwin arbeitete, sagt heu-te: „Wir waren damals zu klein,
konnten keine Economies of Scaleerzielen.“ Außerdem wurden dieSummen für die Entwicklung neuerArzneimittel immer gigantischer.„Solche Investitionen konnten wirnicht stemmen.“
Also verkaufen? Dagegen sprachder schwäbische Unternehmerstolz.Was Neues wagen? Dafür sprach derschwäbische Tüftlergeist.
Die Rentschlers entschieden sichfür einen ziemlich radikalen Kurs-wechsel. Sie stiegen ins CDMO-Business ein. Das Kürzel steht fürContract Development and Manu-facturing Organization. Dahintersteht ein simpler Vorgang: Man ent-wickelt und produziert Arzneimittelfür andere.
Rentschler vergleicht die Ent-wicklung in der Pharma- mit der inder Autoindustrie, die schon viel früher das Outsourcing betrieb undinzwischen perfektioniert hat. Diegroßen Pharmahersteller wollen ihre Komplexität senken. Das nutztUnternehmen wie Rentschler. „Wirproduzieren inzwischen alles – vomGen bis zum Vial“, sagt Rentschler.Vial ist eine Ampulle oder auf gutSchwäbisch ein Fläschle.
Das Unternehmen hatte freilichauch einen technologischen Vorteil.Die Rentschler-Forscher konzen-trierten sich früh – Mitte der 70erJahre – auf Biopharmazeutika, alsoauf Arzneimittel, die mithilfe leben-der Zellen hergestellt werden. „Wir waren Pioniere“, sagt NikolausRentschler.
DIE ENTREPRENEUREDer promovierte Biologe Nikolaus
Rentschler (56) war bis 2016 CEO
des elterlichen Unternehmens.
Dann zog er sich in den Aufsichts-
rat zurück und übergab an Frank
Mathias (57), der in Paris aufwuchs
und dort Pharmazie studierte. Ma-
thias war zuvor schon Aufsichtsrat
bei Rentschler und Vorstandschef
der Medigene AG in Martinsried.
DAS UNTERNEHMENDie Rentschler Biopharma entstand
aus einer 1872 gegründeten Apo-
theke in Laupheim. Heute wird das
Unternehmen in fünfter Generation
geführt. Mitte der 90er Jahre hat
es sich als Auftragsfertiger von Bio-
pharmaprodukten spezialisiert.
Heute erzielt Rentschler mit rund
850 Beschäftigten einen Umsatz
von knapp 160 Millionen Euro.
RENTSCHLER BIOPHARMA, LAUPHEIM
„BIOPHARMAZEUTIKA SIND DIE KOMPLEXESTEN ARZNEIMITTEL.
NUR WENIGE FIRMEN BEHERRSCHEN SIE. RENTSCHLER GEHÖRT DAZU.“
Nikolaus Rentschler
INDUSTRIE
Allerdings sind Biopharmazeu -tika auch die komplexesten Arznei-mittel. Ein solches Medikament istzum Beispiel 10.000-fach komplexerals ein simples Aspirin. Diese Kom-plexität wurde zum Wettbewerbs-vorteil für Rentschler. Mathias: „Nurwenige Biopharmafirmen beherr-schen die Komplexität des Her -stellungsprozesses.“ Deshalb koo -perien viele Pharmaunternehmenmit Rentschler.
Praktisch funktioniert die Zu-sammenarbeit so: Der Kunde kommtmit einer Idee, wie der Antikörper,wie die Zelle, die er für sein Me di -
kament braucht, aussehen soll. Ge-mischte Teams treffen sich alle vierbis sechs Wochen. Die Zusammen-arbeit kann sich bis zu neun Monatehinziehen, ehe Rentschler den ge-wünschten Antikörper liefern kann.
Um seinen technologischen Vor-sprung zu halten, hat das Unter -nehmen in den vergangenen Jahrenmassiv in Personal – rund die Hälfteder 850 Mitarbeiter sind Forscher –und in Maschinen investiert. Es sollen 50 bis 60 Millionen Euro ge-wesen sein, die zum größten Teil ausdem Cashflow finanziert werdenkonnten.
Um für die Zukunft gerüstet zusein, bat Nikolaus Rentschler seinenNachfolger Mathias, kaum war die-ser im Amt, um eine langfristigeStrategie. Die Ausgangsfragen wa-ren: Wie wird die Gesellschaft, wiewird unser Unternehmen im Jahr2025 aussehen?
Suche nach der Strategie
Die Fragenden gingen auf Reisen,führten viele Interviews. Sie spra-chen zum Beispiel mit Professorenan der Charité über mögliche Krebs-therapien im Jahr 2025, wollten vonHeadhuntern wissen, wie Lea der shipaussehen wird, fragten Risikokapital -geber und Private-Equity-Ma na ger,wo und in was sie dann möglicher-weise investieren werden. Und siebaten bestehende wie potenzielleKunden um ihre Meinung, was sietun müssen, damit diese auch noch2025 mit ihnen zusammenarbeiten.
Dieser aufwendige Prozess dau-erte 18 Monate. „Und er war sehrteuer“, sagt Mathias. Für ein Unter-nehmen dieser Größenordnung einKraftakt.
Heraus kam eine Strategie in sie-ben Punkten, die auf eine DIN-A4-Seite passten. So ist eine noch enge-re, noch frühere Zusammenarbeitmit den Kunden aus der Pharma -industrie geplant.
Zudem wollen die Oberschwa-ben internationaler werden. In derNähe von Boston – dem Zentrumder amerikanischen Biotechszene –haben sie dieses Jahr ein Werk gekauft, um dort eine Produktionhoch zuziehen. Immerhin machendie USA schon 40 Prozent des Um-satzes aus. Und auch aus Japan registriert Rentschler zunehmendeNachfrage.
Alles ändert sich – aber einesmacht der Unternehmer klar:Rentsch ler soll ein unabhängiges Familienunternehmen bleiben. 1
JAN KLINGELEDer Betriebswirt Jan
Klingele führt in dritter
Generation die Klin gele
Papierwerke GmbH &
Co. KG in Remshalden
bei Stuttgart. Das
Unternehmen (Umsatz:
860 Millionen Euro,
rund 2500 Beschäf-
tig te) gehört zu den
größten deutschen
Herstellern von
Ver packungen aus
Wellpappe, die zum
Teil aus Altpapier
ge wonnen wird.
Außer dem ist Klingele
Grün dungsmitglied
von Blue Box Partners,
der größten euro päi -
schen Allianz für Ver -
pa ckungs lösungen.
ULRICH ZAHORANSKYIn Todtnau, im tiefen
Schwarzwald, schlum-
mert mit der Zaho -
rans ky AG einer dieser
vielen Hidden Cham -
pions des Maschinen-
baus. Der begann
1902 mit der Produk-
tion von Maschinen
zur Bürstenherstellung.
Später kamen Maschi-
nen für die Medizin-
technik, aber auch
Komplett lösungen
zur Industrieautomati-
sierung hinzu. Das
sehr innovative Unter -
nehmen wird von dem
Wirtschaftsingenieur
Ulrich Zahorans ky,
dem Enkel des Firmen-
gründers, geleitet.
WERNER UND FABIAN AUCHVater und Sohn sind
die Lenker der Magen-
wirth Technologies
Group in Bad Urach.
Sohn Fabian ist
geschäftsführender
Gesellschafter, Vater
Werner Vorsitzender
des Beirats. Bekannt
wurde das Unterneh-
men (Umsatz: 215 Mil-
lionen Euro, mehr als
1100 Mitarbeiter) durch
seine Marke Magura,
unter der Hydraulik-
bremsen für Fahrräder
verkauft werden.
Daneben bietet die
Gruppe aber auch
Elektronik- und Kunst-
stoffkomponenten für
die Autobranche an.
AUSGEWÄHLTE FINALISTEN
Fotos: PR
13EXTRA manager magazin
INDUSTRIE
CALIFORNIAN WAYCatherine vonFürstenberg-Dussmannführte das vonihrem Mann aufgebaute Unternehmenerfolg reich weiter – undnun auch in die Zukunft
Fotos: Patrick Desbrosses für manager magazin
Das Dussmann-Haus inder Friedrichstraße istin Berlin eine Institu -tion. Über fünf Etagen
bietet das Kulturkaufhaus Bücher,CDs und Videos, und das bis Mitter-nacht. Oben in der siebten Etagesitzt die Frau, der dieses Haus undnoch viel, viel mehr gehört: Cathe-rine von Fürstenberg-Dussmann(68), Vorsitzende des Stiftungsratsund Erbin des von ihrem EhemannPeter Dussmann gegründeten Un-ternehmens. Wir treffen uns in ih-
rem Büro, das eher einem Wohn-zimmer gleicht. In der Ecke steht einKlavier, statt an einem Schreibtischsitzt Frau Dussmann an einem run-den Esstisch.
Mit dabei ist Wolf-Dieter adl -hoch (44), der neue Sprecher desVor stands, der gerade Wolfgang Häfele (60) abgelöst hat. Dussmann,gebürtige amerikanerin, switcht imGespräch zwischen Deutsch undEnglisch hin und her: „Ich bringeden Californian Way ins Unter -nehmen ein.“ Sie meint damit Fun,
also Lockerheit und Spaß, aber vorallem den Wunsch nach ständigemWandel.
Deshalb stellte sie 2017 die Duss-mann-Gruppe auf den Prüfstand.Der Zeitpunkt war ideal, weil in diesem Jahr auch der sechsköpfigeVorstand fast komplett neu besetztwurde. auch Wolf-Dieter adlhochkam damals von Bilfinger.
Der Vorstand und Frau Duss-mann nannten ihr Programm „Duss-mann Next Level“. Es war keineNotgeburt. Im Gegenteil: „Dem Unternehmen ging – und geht – essehr gut“, sagt adlhoch. Die Senio-renheime unter dem Namen Kur -sana waren und sind „eine, wennnicht die tragende Säule der Grup-pe“ (adlhoch). Und der Bereich Gebäudemanagement, mit demdie Dussmann-Gruppe groß ge-
worden ist, setzte profitable1,5 Milliarden Euro um.Dussmann war der Pionierund ist heute einer der führenden Unternehmender Branche. „Machen wir einfach so
weiter?“, fragte sich trotz-
DIENSTLEISTUNG
15Extra manager magazin
D U S S M A N N
Der Pionier im Facility-Management erweitert ständig sein Angebot. Zum Reinigen und Sichern kommen inzwischen
die Wartung der Elektronik – und bald auch Überwachungsdrohnen.
DIE ENTREPRENEURECatherine von Fürstenberg-Duss-
mann (68) übernahm 2009 während
der schweren Krankheit ihres
Mannes den Aufsichtsratsvorsitz
der Dussmann Group. Seit 2011
ist sie Vorsitzende des Stiftungs-
rats. Wolf-Dieter Adlhoch (44;
rechts) kam im Sommer 2017 in
den Vorstand und ist seit Septem-
ber 2019 Sprecher des Vorstands.
DAS UNTERNEHMENDie Dussmann Group wurde 1963
von Peter Dussmann gegründet.
Sie wurde zu einem der führenden
Unternehmen im Facility-Manage-
ment. Außerdem betreibt die
Gruppe (Umsatz: 2,3 Milliarden
Euro) unter dem Namen Kur-
sana Seniorenheime und das
Kulturkaufhaus am Firmensitz
in der Berliner Friedrichstraße.
DUSSMANN GROUP, BERLIN
2
Eine saubere Leistung
Fotos: PR
16 manager magazin Extra
dem das Management. Die antwort:nein. Denn beim Facility-Manage-ment geht es nicht mehr nur um dasreinigen und Sichern von Gebäu-den. „Das ist das Brot-und-Butter-Geschäft“, sagt adlhoch. Inzwischenmuss man mehr können: die Kom-plettbetreuung von Gebäuden leis-ten, also auch von deren Elektronik,Lüftung, Heizung.
Deshalb hat die Gruppe im Mai2019 die Dussmann technical Solu-tions (DtS) gegründet, die ihrenSitz in Frankfurt hat. Weil das Un-ternehmen Know-how im techni-
schen Bereich nur spärlich besitzt,kauft man es sich. Gerade wurde dieirische StS Group (150 MillionenEuro Umsatz, 700 Mitarbeiter)übernommen. „Wir sind auf der Suche nach weiteren Firmen, wo esstrategisch sinnvoll ist“, sagt Cathe-rine von Fürstenberg-Dussmann,„that is very exciting.“
Kontakte in die arabische Welt
Mit dieser Erweiterung des Portfo-lios hofft Dussmann, neue Kundenzu gewinnen, zum Beispiel in derPharma- oder Hightechindustrie mit
ihren anspruchsvollen Gebäudenund Fabriken.
Im Zukunftsprogramm Duss-mann Next Level spielt auch die Digitalisierung eine ganz wichtigerolle. Stichwort: autonome reini-gungsroboter, die immer mehr aufden Markt drängen. Beim alljähr -lichen Global Group Meeting am Lago Maggiore, bei dem sich dierund 150 Führungskräfte versam-melten, war auch ein reinigungs -roboter als Gast dabei.
Sie boten eine saubere Leistungund überzeugten das Managementebenso wie Frau Dussmann. adl -hoch sagt: „Wir wollen die autono-men reinigungsroboter in unser angebot integrieren.“ Denkbar istauch, dass künftig Drohnen zurÜberwachung im außenbereich ein-gesetzt werden.
In beiden technologieberei-chen – roboter und Drohnen – sinddie Chinesen stark. Da allerdingswill Dussmann nicht zukaufen. Dieregionale Präferenz ist eine andere:Nahost statt Fernost. Sie ist bestensverdrahtet in die arabische Welt, vorallem auch in Saudi-arabien, woDussmann schon sehr aktiv ist. Ge-rade hat sie Dieter Haller, den deut-schen Ex-Botschafter in Saudi-ara-bien, in den Stiftungsbeirat berufen.
Catherine von Fürstenberg-Dussmann ist eine ungewöhnlicheFrau, die klare Worte liebt – undsie manchmal auch singt. Zum ab-schied –wir sind ja in einem Kultur-kaufhaus – zeigt sie auf ihrem Handyein kurzes Video: Dort trällert sie aufdem Boden ihres Büros sitzend einLoblied auf die weiblichen Chefs.Der titel heißt „Girlboss“. Zu ihrenFüßen räkelt sich eher gelangweiltihre Katze.
Welche deutsche Unterneh-menschefin würde das tun? But hey,that’s fun, that’s the californianway – mitten in Berlin. 1
SVENLINDIGDie Lindig Fördertech-
nik GmbH im thürin -
gischen Krauthausen
wurde nach der Wende
Vertragshändler für
Linde Gabelstapler.
Im Laufe der vergange-
nen drei Jahrzehnte
ent wickelte sich daraus
ein Rund um dienst -
leister für Technik
der Intralogistik (rund
500 Mit arbeiter).
In zwischen ist Firmen-
chef Sven Lindig
auch in die Luftfahrt
eingestiegen und
pro duziert unter der
Dachmarke Lift
Air Leichtflugzeuge
und sogenannte
Tragschrauber.
CARSTENMEYER-HEDERDer Fachinformatiker
Carsten Meyer-Heder
startete als Einmann-
betrieb. Heute hat
seine Team Neusta
GmbH (Umsatz:
170 Millionen Euro)
rund 1100 Mitarbeiter.
Das Bremer Unter -
nehmen ist damit eine
der größten deutschen
Internetagenturen. Zu
den Kunden zählen
etwa Rewe und Tui. Als
CDU-Spitzenkandidat
holte Meyer-Heder bei
der Bremer Bürger-
schaftswahl 2019 erst-
mals die meisten
Stimmen für die CDU,
aber Regierungschef
wurde ein anderer.
ALEXANDER KNÄLMANN, HENDRIK VON PAEPCKESie kannten sich aus
Studienzeiten in
Hamburg und gingen
dann getrennte Wege,
doch 2007 begegneten
sie sich wieder. Damals
gründeten Alexander
Knälmann und Hendrik
von Paepcke die APO-
projekt neu. Heute ist
das Unternehmen mit
rund 400 Mitarbeitern
einer der führenden
Anbieter für individuelle
und schlüsselfertige
Innenausbauten, etwa
für Mieter in gewerb -
lichen Räumen. 3000
Projekte (Bau volumen:
600 Millionen Euro)
haben sie bis heute
realisiert.
AUSGEWÄHLTE FINALISTEN
DIENSTLEISTUNG
Foto: Fritz Beck für manager magazin
Senf ist ein sehr regio-nales Produkt“, sagtMichael Durach (51).Südlich des Weiß-
wurstäquators würden dieKonsumenten meist Develeyvorziehen, im schinkenge -prägten Norden und Westeneher den Löwensenf, und imOsten – Heimat fettiger Brat-würste – den Bautz’ner Senf.Ihm kann das alles wurschtsein: alle drei Marken gehörender Develey Senf & FeinkostGmbH – und die ist im Besitzder Durachs.
Das Familienunternehmenist durch Übernahmen in Seriezum Marktführer in Deutsch-land geworden. Es fing nachder Wende an. Herbert Du-rach – Michaels Vater – erfuhr,dass der VEB Lebensmittel -betriebe Bautzen zum Verkaufstand. Leider hätten sie schoneinen Käufer aus dem Westen,beschied aber der Geschäfts-führer. Herbert Durach bliebtrotzdem dran, reichte ein indrei tagen erstelltes Sanie-rungskonzept bei der treu-handanstalt ein – und bekamden Zuschlag, vor allem weilDeveley die Fabrik weiter-
KONSUMGÜTER/HANDEL
17Extra manager magazin
D E V E L E Y
Bekannt wurde das Familienunternehmen als Lieferant von McDonald’s. Doch inzwischen beherrscht Develey den deutschen
Senfmarkt – und baut stetig sein Feinkostsortiment aus.
2
Erfolgsrezept süßsauer
GIBT SEINENSENF DAZU
Mit den MarkenDeveley,
Löwensenf undBautz’ner be-
herrscht Michael
Durach den deutschen Markt
18 manager magazin Extra
führen wollte. Heute ist derBautz’ner Senf Marktführer inDeutschland, was nur wenigen ost-deutschen Marken gelungen ist.
Knapp zehn Jahre später schlugDeveley im Westen zu. In Düssel-dorf übernahmen sie von der Fa -milie Frenzel den Löwensenf. auchdamals bekannten sie sich zum Pro-duktionsstandort Düsseldorf.
„Natürlich könnten wir irgendwoin der Mitte Deutschlands eine gro-ße Senffabrik hinstellen und dort alle unsere Marken produzieren“,sagt Michael Durach. aber das wi-derspräche ihrem regionalprinzip.„Senf ist auch ein sehr emotionalesProdukt“, doziert Durach, „wie Bier.Die Kunden wollen es aus ihrer region.“
So leistet sich Develey eben denLuxus, an acht verschiedenen deut-schen Standorten Senf zu produ -zieren. Und zunehmend wird auchder wichtigste rohstoff – Senfsaat –in Deutschland eingekauft. 40 Pro-zent sind es bereits, der rest kommtaus Osteuropa und Kanada.
Develey ist inzwischen nicht nurdeutsch, es kauft auch im nahenausland lokale Marken. reine de Dijon in Frankreich, Kand in tsche-chien, Snico in der Slowakei undMautner in Österreich. „auch dort
sagten wir zu, die bestehenden Fa-briken zu erhalten.“
Einerseits regional, andererseitsinternational. Kein Problem, sagtMichael Durach: „Wir beherrschenden Spagat – wir kämpfen um jedenImbiss, aber auch in aller Welt umMcDonald’s.“ Dabei haben sie denKampf um McDonald’s eigentlichschon 1971 gewonnen. Damals kamder unbekannte Hamburger-Bräternach Deutschland, suchte nach heimischen Lieferanten, bevorzugtkleine oder mittelständische Unter-nehmen. Und sie fanden Develey.
Geschäfte per Handschlag
Gemeinsam entwickelten sie damalsSoßen für die Big Macs. Heute liefertDeveley Soßen, Ketchup und Salat-dressings für McDonald’s in 43 Län-der. „In manchen Ländern haben wirnicht mal einen Vertrag mit McDo-nald’s“, sagt Durach. Kaum zu glau-
ben: Geschäfte per Handschlag miteinem Weltkonzern!
„Wir hatten mit McDonald’s im-mer einen fairen Umgang“, sagt Mi-chael Durach, „das kannten wir vomdeutschen Einzelhandel gar nicht.“Na ja, abgesehen vielleicht von aldi,schiebt er nach einer kurzen Pausehinterher. aldi beliefert er auch.
Die Frage muss jetzt kommen: IstDeveley nicht zu stark von McDo-nald’s abhängig? Michael Durach hatdiese Zweifel sicher schon 100-malgehört und antwortet diplomatisch:„Wir haben eine gesunde gegensei-tige Bereicherung.“
Das Know-how, das man aus derBeziehung mit McDonald’s gewann,hat sicher geholfen, die Feinkost-sparte von Develey auszubauen.Heute setzt das Unternehmen ausUnterhaching sogar mehr mit Fein-kost um – darin sind allerdings dieUmsätze mit McDonald’s enthal-ten – als mit Senf. Über die Hälftedes Umsatzes von über 500 Millio-nen Euro stammt nicht mehr ausdem Senfgeschäft.
Der Senfkonsum in Deutschlandgeht eher zurück. Er liegt derzeit beiknapp einem Kilo, wobei der Ost-deutsche mehr verspeist als derWestdeutsche. Gerade viermal imJahr, sagt Durach, kauft der Durch -schnittsdeutsche ein neues Senfglasoder eine -tube. Schon deshalb istfür Develey seit ein paar Jahren Di-versifizierung angesagt. Soßen, Dips,Dressings, Ketchup, Mayonnaisen:alles ist inzwischen im Programm.
DIE ENTREPRENEURE Der Betriebswirt Michael Durach
(51) kam nach ein paar Lehrjahren
bei Knorr 1995 ins elterliche Unter-
nehmen. 1999 wurde er Geschäfts-
führer bei Develey. Er ist für die
Bereiche Marketing und Vertrieb
zuständig. Sein Bruder Stefan (50)
ist ebenfalls Geschäftsführer und
verantwortet die Bereiche Finanzen
und Produktion.
DAS UNTERNEHMEN1845 gründete Johann Conrad
Develey in München eine Senfmanu-
faktur, die neun Jahre später den
süßen Senf zur Weißwurst kreierte.
1971 kaufte der Sauerkonserven-
hersteller Durach Develey. Heute ist
Develey (Umsatz: über 500 Millio-
nen Euro) der größte Senfhersteller
Deutschlands und Produzent von
Soßen, Ketchup und Mayonnaise.
DEVELEY, UNTERHACHING
„WIR BEHERRSCHEN DEN SPAGAT: WIR KÄMPFEN UM
JEDEN IMBISS, ABER AUCH IN ALLER WELT UM MCDONALD’S.“
Michael Durach
KONSUMGÜTER/HANDEL
Vor allem mit Soßen – von süßsauerbis Curry – ist Develey gut im Ge-schäft. „Wir sind seit Jahren die mitam stärksten wachsende Feinkost-marke in Deutschland“, sagt Durach.Dafür hat Develey auch ausnahms-weise mal Geld für tV-Werbungausgegeben.
Dank dieser Diversifizierung, derstarken Stellung im Senfmarkt undder treuen Zusammenarbeit mitMcDonald’s glaubt Michael Durach,dass Develey als Familienunterneh-men im Wettbewerb mit den großenFoodgiganten überleben kann.
Zusammen mit seinem BruderStefan (50), der selten nach außenauftritt und mit seinen ressorts Fi-nanzen und Produktion der Innen-minister genannt wird, führt MichaelDurach das Unternehmen. Er, deraußenminister, ist für Marketingund Vertrieb zuständig. als Dritterim Familienbunde schaut auch heu-te noch ab und zu Vater Herbert (87)vorbei, geht sogar auf die ein oderandere Geschäftsreise mit. Operativmischt er sich längst nicht mehr ein.
Die beiden Brüder haben vierKinder. alle sind mit der Schule
bereits fertig und derzeit im Stu -dium. Danach sollen sie – so sieht esdie Familienverfassung vor – ersteinmal bei einem anderen Unter -neh men Erfahrungen sammeln, sowie das Michael Durach bei Knorreinst auch getan hat. Spitzbübisch zitiert Michael seinen Vater Her -bert, der einmal sagte: „Die Jungensollen lieber die anfängerfehler inanderen als im eigenen Unterneh-men machen.“
Vom Boxer zum Radfahrer
Bis es zum nächsten Generations-wechsel kommt – es wäre von dervierten zur fünften –, wird es alsonoch dauern. „Mindestens zehn Jahre“, schätzt Michael Durach. Solange wollen er und sein Bruder ander Spitze bleiben.
Und so lange muss sich derschlanke, drahtige Unternehmer fithalten. Bis vor Kurzem hat MichaelDurach in seiner Freizeit geboxt. Fürihn war das Duell mit einem Sand-sack oder einem Sparringspartnerein idealer Sport zum abschalten.Jetzt hat er aber Probleme mit derSchulter. Boxen geht nicht mehr.Nun macht er auf ausdauersp ort.Zuletzt kam er von einer mehrtä -gigen alpenüberquerung mit demFahrrad zurück.
Und auch in seinem Unterneh-men propagiert er Bewegung. Nebenjeder aufzugtür in den Develey-Gebäuden klebt ein Zettel. Daraufsteht, dass Freitag der aufzugfreietag ist. Und für die anderen Wo-chentage gilt: „treppe statt aufzug:null CO₂.“
Im Verwaltungsgebäude ließ ersogar einen gläsernen aufzug ein-bauen, damit man sehen kann, werdarin fährt. Die deutsche Sprachekönnte so um eine Wortschöpfungreicher werden: nach der soebenkreierten Flugscham nun also auchnoch die aufzugscham. 1
AXEL MEISELicht hat ihn schon
immer fasziniert. Be-
reits während seines
Maschinenbaustu -
diums bastelte Axel
Meise seine ersten
Leuchten. Deshalb
schmiss er das Stu-
dium und gründete
1999 in München die
Occhio GmbH. Diese
ist heute mit Flagship-
Stores in München,
Köln und Hamburg
Marktführer bei hoch-
wertigen Designleuch-
ten. Seine Firma mit
rund 150 Mitarbeitern
hat er ganz nach
dem Vorbild seines
Leuchtensystems auf-
gebaut: schlank,
modular und flexibel.
AXEL MUNZWenn heutzutage
auf dem Oktoberfest
die Madln wieder in
Dirndl und die Bur-
schen in Lederhosen
herumlaufen, dann
ist das das Verdienst
von Axel Munz.
Der Betriebswirt über-
nahm 1976 die Firma
Angermaier, krempelte
sie total um und
machte aus ihr einen
Anbieter von moderner
Trachtenkleidung.
Durch geschickte PR
und Marketing schaffte
es der selbst ernannte
Münchener Trachten -
könig, dass die
tra ditionelle Gar derobe
wieder salon fähig
wurde.
FLORIAN SEIDLMan nennt sie etwas
abwertend C-Teile,
also Muttern, Schrau-
ben sowie andere
Kleinteile der Verbin-
dungs- und Be festi-
gungs technik. Über
100.000 davon hat der
Großhändler Keller &
Kalmbach (Umsatz:
333 Millionen Euro,
900 Mitarbeiter) im
Angebot. Florian Seidl
leitet das Fa mi lien-
unternehmen aus
Unterschleißheim in
dritter Generation.
Er entwickelt zu sam -
men mit seinen
Kunden innovative
Logistik lösungen –
vor allem in der Auto -
industrie.
AUSGEWÄHLTE FINALISTEN
Fotos: PR (2), SZ Photo / dpa / picture alliance
19Extra manager magazin
KONSUMGÜTER/HANDEL
TOTAL DIGITALDas FührungsduoBirte Hacken jos
undMarkusReithwiesner
leitet seit über 20 Jahren den kom pletten
Umbau des ehe maligen Fach -verlags Haufe in
Freiburg
Foto: Lena Giovanazzi für manager magazin
Haufe? Das waren dochdie Loseblattsamm -lungen, die in keinerPersonal-, rechts- und
Steuerabteilung eines Unterneh-mens fehlen durften. richtig. aberdiese früheren Vorzeigeprodukte –zu denen auch Fachzeitschriftenund Bücher gehörten – sind längstaltpapier oder geschreddert.
Heute ist Haufe ein völlig anderesUnternehmen. Papier war gestern,Online ist heute. Print macht nur
noch rund 3 Prozent des Umsatzesaus. Der große rest stammt von digi -talen Dienstleistungen: Onlineange-bote für Personalmanager, Buch hal -tungs-apps für Selbstständige oderInternetportale für Steuerfachkräf-te. Hinzu kommt ein umfangreichesWeiterbildungsangebot in der Haufeakademie. Heute versteht sich Hau-fe eher als Software- oder Internet-unternehmen denn als Verlag.
Die digitale transformation destraditionsreichen Unternehmens
aus Freiburg ist eng mit einer Personverbunden: Markus reithwiesner(57), seit 2005 Mitglied der Ge-schäftsführung der Haufe Group. Erkam 1998 über die von Haufe ak -quirierte Lexware GmbH zur Grup-pe. reithwiesner – und das ist sicherein Vorteil – war nie im Verlags -wesen tätig, er ist ein geistiges Kindder It-Branche. Er sitzt in vielentechgremien, unter anderem imGoogle Partners Executive Council.Mit COO Birte Hackenjos (50), dieseit 1997 im Unternehmen ist, hat er eine Partnerin, die genauso ticktwie er. Diese Doppelspitze hat denWandel entscheidend geprägt.
Einen CDO, einen Chief DigitalOfficer, haben sie nicht neben sich.„Das ist der tod einer jeden Digi -talisierungsstrategie“, sagt reith -wiesner. Denn die Digitalisierung gehe alle an, nicht nur einen an derSpitze.
Deshalb ging der Strategiewech-sel auch mit einer radikalen Verän-derung der Unternehmenskultureinher. „als ich vor über 20 Jahrenanfing“, erinnert sich reithwies-
DIGITALE TRANSFORMATION
21Extra manager magazin
H AU F E G RO U P
Der biedere Fachverlag, der von Printprodukten lebte, hat sich in nur 20 Jahren in ein digitales Unternehmen verwandelt, das vor
allem auf Online- und Weiterbildungsangebote setzt.
DIE ENTREPRENEURECEO Markus Reithwiesner (57) und
COO Birte Hackenjos (50) sind
das Führungsduo der Haufe Group.
Betriebswirt Reithwiesner, seit
1998 im Unternehmen, war zuvor
bei Computer 2000 und dem
US-Softwareunternehmen Intuit.
Die Juristin Hackenjos fing 1997
bei Haufe an und sieht sich als
„Unternehmerin im Unternehmen“.
DAS UNTERNEHMENDer Rudolf Haufe Verlag wurde
1934 in Berlin gegründet. 1951 zog
er nach Freiburg um. Mit Loseblatt-
sammlungen und Fachzeitschriften
wurde das Unternehmen groß und
bekannt. Inzwischen hat es fast
nur noch digitale Produkte im Pro-
gramm. Mit 2000 Mitarbeitern
macht die Haufe Group einen Um-
satz von über 407 Millionen Euro.
HAUFE GROUP, FREIBURG
2
Apps statt loser Blätter
Fotos: PR
22 manager magazin Extra
ner, „saßen die Leute in kleinen Ha-senställen, das Führungsmodell warstreng hierarchisch.“
Wenn man heute über die Flureder diversen Gebäude der Gruppeläuft, steht an vielen Wänden ge-schrieben: „open minded“.
Mittlerweile sind die Entschei-dungsprozesse überwiegend dezen-tralisiert, jede abteilung darf ihreräume selbst gestalten. In jeder Etage befinden sich eine Küche undein sogenannter Marktplatz mit einer kleinen Bühne und Sitzge -legenheiten. Fast täglich gibt es dort Stand-up-Meetings, bei denen
team mitglieder über ihre Projekteberichten.
teamarbeit wird bei Haufe groß-geschrieben, aber es gibt keine festen teams mehr. „Heute habenteams konkrete aufträge, die einenanfang und ein Ende haben. Danachmuss neu priorisiert werden“, sagtreithwiesner.
Gesellschafter ziehen mit
Nicht alle Mitarbeiter konnten mitdiesen neuen und innovativen ar-beitsformen etwas anfangen. „Wirhaben auch einige Leute auf demWeg verloren“, sagt Birte Hackenjos.
andererseits stellt sie fest: „Wirwachsen kontinuierlich und werdenimmer attraktiver für Leute von au-ßen.“ Es hat sich herumgesprochen,dass bei Haufe selbstbestimmtes arbeiten möglich ist.
all die Veränderungen – strate-gisch wie organisatorisch – warenaber nur möglich, weil die Gesell-schafter, vor allem die Beiratsvorsit-zende andrea Haufe (66) und Mar-tin Laqua (67), den Kurs von anfangan unterstützt haben. „Der Beirathält uns den rücken frei“, sagtreithwiesner. Er weiß, dass die bei-den Eigentümerfamilien Haufe undHaufe-Laqua mit dieser digitalentransformation ein enormes risikoeingegangen sind, letztendlich aberkeine alternative hatten.
„Wir standen vor der Frage, unsneu zu erfinden oder unterzuge-hen“, erinnert sich reithwiesner andie Zeit des Umbruchs vor rund20 Jahren. Die Eigentümerfamilienentschieden sich damals – natür-lich – fürs Überleben, haben aber dafür über Jahre auf üppige Ent -nahmen verzichtet. Zudem musstensie Druckerei und Callcenter – dierelikte der alten Welt – schließen,und sie wussten nicht, ob am Endedie rechnung aufgeht. Nun, sie ist aufgegangen. als reithwiesneranfing, betrug der Umsatz 40 Mil -lionen Mark, heute liegt er bei 407Millionen Euro. Und die Profitesprudeln auch.
Die Haufe Group ist heute einrundum erneuertes Unternehmen.Viele neue Mitarbeiter, neue Pro-dukte, neue Kunden. reithwiesner:„Kein anderer Fachverlag hat einesolche digitale transformation ge-schafft.“ Doch sich selbstzufriedenzurücklehnen ist nicht die Sache eines Markus reithwiesner. Der Visionär blickt nach vorn undmahnt: „Die Digitalisierung steht jaerst am anfang.“ 1
MICHAEL HETZERLeutkirch im Allgäu –
eine Idylle. Um sie zu
erhalten, produziert die
Elobau GmbH & Co.
KG schon seit 2010
klimaneutral. Bei der
Produktion wird nur
grüner Strom und Bio-
gas aus organischen
Abfällen verwendet.
Die Fabriken des Sen-
sorikunternehmens
sind Energie-Plus-
Gebäude, und die Ver -
waltung sitzt in einem
Holzbau. Alles ein
Verdienst von Michael
Hetzer, der 2003 die
Führung übernahm
und die Mitarbeiterzahl
von damals 250 auf
fast 1000 steigerte.
RAFAEL LAGUNASein Konkurrent ist
kein Geringerer als
Microsoft. Gegen
dessen Microsoft Ex-
change positionierte
Rafael Laguna sein
Open-Xchange, das
Linux-basierte E-Mail-
und Groupwarelösun-
gen anbietet. Kunden
sind bereits die Deut-
sche Telekom, Voda-
fone und 1&1. Mehr als
2,7 Milliarden Nutzer
hat die OX-Software
inzwischen. Das Unter-
nehmen sitzt in Köln,
hat aber 13 Büros welt -
weit, in denen 270 Mit-
arbeiter, davon 180
Softwareingenieu re,
beschäftigt sind.
JÖRG KULLMANNDie neue, 2017 in
Betrieb genommene
Produktionsanlage
in der Wikus-Sägen -
fabrik wird digital
gesteuert. Dadurch
kann das Unternehmen
seine Metallsägen
noch effizienter und
schneller produzieren.
Aber auch im
neuen Headquarter
der Wikus-Gruppe
(750 Be schäftigte) im
hessischen Spangen-
berg geht Chef Jörg
Kullmann neue Wege:
Dort wurde auf allen
Ebenen ein nonterri to -
riales Bürokonzept
geschaffen. Agiles Ar-
beiten heißt das heute.
AUSGEWÄHLTE FINALISTEN
DIGITALE TRANSFORMATION
Foto: IPON / imago images
Wenn in der Fa-milie Leibin-ger jemand 16 Jahre alt
wird, gibt es neben vielen Ge-schenken auch ein – schön inLeder eingebundenes – Büch-lein. auf 35 Seiten wird dortdas Verhältnis der Familien-mitglieder zu ihrem Unter neh -men, der trumpf Gruppe, de-finiert. Dort ist festgelegt, werin die Firma einsteigen darfund unter welchen Be din gun -gen; oder wie man mit Fami -lienmitgliedern umgeht, dieihre anteile verkaufen wollen;oder wie die Familie in der Öffentlichkeit auftritt.
Hier in Ditzingen denktman nicht in Quartalen, son-dern in Generationen.
Derzeit ist die zweite Gene-ration an der Spitze: NicolaLeibinger-Kammüller (60). Sieverkörpert das Unternehmenfast so wie früher ihr VaterBerthold Leibinger, der im Ok-tober 2018 mit 87 Jahren starb.
Sie sagt Sätze wie: „Firmaist im besten Falle auch Hei-mat.“ Oder: „Wir würden eherauf Entnahmen verzichten als Mitarbeiter entlassen.“
EHRENPREIS FAMILIENUNTERNEHMEN
23Extra manager magazin
T RU M P F
Der schwäbische Maschinenbauer verknüpft traditionelle Tugenden mit modernen Managementmethoden.
Ein Verdienst von Nicola Leibinger-Kammüller, die das Familienunternehmen seit über 14 Jahren leitet.
2
Die Firma als Heimat
HELDIN DER ARBEITNicola Leibinger-Kammüller setztnach wie vor aufWerte wie Fleiß,Bescheidenheitund Engage-ment – und lebtdiese auch vor
EHRENPREIS FAMILIENUNTERNEHMEN
24 manager magazin Extra
Kein leeres Gerede, sondern Worte,denen taten folgten.
Zum Beispiel in der globalen Fi-nanzkrise 2008. aufträge bliebenaus, trumpf ging es nicht gut. Dochstatt die Mitarbeiter kurzarbeiten zulassen oder gar zu entlassen, schick-te das Management sie zur Wei -terbildung. Um diese aktion zu fi -nanzieren, steuerten die Leibingers75 Millionen Euro aus ihrem Privat -vermögen bei. „Das war aus psycho-logischen Gründen wichtig“, sagtheute Nicola Leibinger-Kammüller,„wir haben dadurch den Mitarbei-tern signalisiert: Wir stehen zur Fir-ma, wir nehmen Verluste in Kauf.“
Bei trumpf sind die Mitarbeiterauch nicht nur Kostenstellen. „Ichempfinde ein hohes Maß an Verant-wortung für die hier Beschäftigten.“
Triumphale Mitbestimmung
auch hier wird das Gesagte mit derWirklichkeit belegt. trumpf hat seit2012 eines der fortschrittlichsten ar-beitszeitmodelle in der ganzen re-publik. Die Mitarbeiter dürfen selbstbestimmen, wie viel sie arbeitenmöchten. Zwischen 15 und 40 Stun-den ist alles denk- und machbar.
Moderne Ideen treffen auf tradi-tionelle Werte. Bei trumpf hat manbewiesen, dass dies kein Wider-
spruch sein muss. Bescheidenheit,Fleiß und Engagement: Diese Wertestehen im Familienkodex ganz oben.
Es ist eine Mischung aus pietisti-schen und schwäbischen tugenden,die sich gelegentlich überschneiden.
Zum Beispiel bei der Sparsam-keit. „Wir tanken nicht an der auto-bahn“, sagt Leibinger-Kammüller.Das sei kein Geiz. „Geiz ist eine Sün-de“, sagt sie. Nein, das sei Spar -samkeit. Wo es ihrer Meinung nachan gebracht ist, ist sie hingegen groß-zügig. In der Förderung von Kunstund Literatur zum Beispiel.
Eine andere pietistisch-schwäbi-sche tugend – Fleiß – lebt sie tagtäg-lich vor. Die Christin steht morgensmeist in aller Herrgottsfrühe gegen5.30 Uhr auf und arbeitet dann denganzen tag. „Man fühlt sich schonschlecht, wenn man die Zeitung
liest“, kokettiert die belesene Frau,die politisch denkt und sich über dieVersäumnisse der Politik („Wirbrauchen eine massive Bildungsof-fensive“) aufregen kann.
Einen Wechsel in die Politik hatsie nie angestrebt. „Die wollen keineSeiteneinsteiger“, sagt das CDU-Mitglied, obwohl sie solche Wechselfür sehr wünschenswert hält. Sie begnügt sich mit der rolle der ge -legentlichen ratgeberin – sei es beiBundeskanzlerin angela Merkeloder beim MinisterpräsidentenWinfried Kretschmann.
Nein, ihr Platz ist und bleibt ander Spitze des väterlichen Fami -lienunternehmens, in dem sie einen gravierenden Vorteil gegenüber den Konzernen sieht: „Die Managerdort sind viel unfreier“, sagt Leibin-ger-Kammüller, die durch diverseaufsichtsratsmandate die Konzern-welt sehr gut kennt. „Weil wir dieFirma besitzen, haben wir viel mehrSpielraum.“
Und dann zitiert sie ihren VaterBerthold. Der hat einmal gesagt:„Wenn die Familie was taugt, istdas Familienunternehmen die beste Unternehmensform, die es gibt.“
Bislang taugte die Familie Lei -binger was. Der Übergang vom Vaterzur tochter im Jahr 2005 klappteziemlich geräuschlos, auch wennmanche überrascht waren, dass esdie tochter und nicht der Sohn Peter wurde.
So friktionsfrei soll auch derWechsel zur dritten Generation ge-lingen. Sie, ihr Bruder Peter (alsChief technology Officer in der Geschäftsführung) und Schwesterregine (architektin in Berlin) habeninsgesamt zehn Kinder.
„Ich bin zuversichtlich, dass wirjemanden oder eine Jemandin fin-den werden“, sagt Nicola Leibinger-Kammüller, die noch einige Jahreweitermachen wird. 1
DIE UNTERNEHMERINNicola Leibinger-Kammüller (60),
die Germanistik, Anglistik und
Japanologie studierte, trat 1985 in
das elterliche Unternehmen ein.
2005 machte sie ihr Vater Berthold
zur Vorsitzenden der Geschäfts -
führung, der auch ihr Bruder Peter
und ihr Ehemann Mathias Kam -
müller angehören. Das Ehepaar
Kammüller hat vier Kinder.
DAS UNTERNEHMENTrumpf wurde 1923 von Christian
Trumpf in Stuttgart gegründet. Der
kinderlose Trumpf bestimmte seinen
Mitarbeiter Berthold Leibinger zu
seinem Nachfolger. Leibinger
war von 1978 bis 2005 Chef des
Maschinenbaukonzerns, der im
Geschäftsjahr 2018/19 mit rund
14.500 Beschäftigten einen Umsatz
von 3,8 Milliarden Euro erzielte.
TRUMPF, DITZINGEN
„WIR WÜRDEN EHERAUF ENTNAHMEN
VERZICHTENALS MITARBEITER
ENTLASSEN.“Nicola Leibinger-Kammüller
Foto: Jewgeni Roppel für manager magazin
Anfang der 70er Jahre erschien ein Buch, dasauch für den damalsfrisch diplomierten
Volkswirt Michael Otto (76) einWeckruf war. Der Titel: „Die Gren-zen des Wachstums“. Geschriebenhat es federführend der ameri ka -nische Wissenschaftler Dennis Mea-dows. Es wurde der in tellek tuelleWegbereiter der Öko bewegung.
„Das Buch hat mich wachgerüt-telt“, sagt Otto. Er entwickelte einBewusstsein für Umweltthemen.Aber ihm war auch schnell klar, dassdas nicht reicht. „Noch wichtiger istes zu handeln, auch und gerade alsUnternehmer.“
Aber gilt nicht die Formel, dassGewinnmaximierung und Ressour-censchonung sich ausschließen?
Als Michael Otto in den 70er Jah-ren in das elterliche Unternehmen,den Hamburger Otto-Versand, ein-stieg, trat er auch an, um zu bewei-sen, dass diese angebliche Kausalitätnicht stimmt.
Es wurde ein langer Weg der Be-weisführung.
In den 70er Jahren startete Ottomit kleinen Projekten, zum Beispielden ersten Katalogen aus chlorfrei-em Papier. In den 80er Jahren,
EHRENPREIS FÜR SOZIALES ENGAGEMENT
25EXTRA manager magazin
M I C H A E L O T T O
Der Unternehmer hat bewiesen, dass Ökonomie und Ökologie doch zusammenpassen. Sein frühes Engagement
für den Umweltschutz – und für Afrika – ist vorbildlich.
2
Blume des Guten
MANN MIT WEITSICHT
Michael Otto warseiner Zeit voraus,
als er Mitte der80er Jahre Nach-
haltigkeit als Unternehmensziel
des Versand -händlers definierte
26 manager magazin EXTRA
Michael Otto war inzwischen Vor-standsvorsitzender des Versand -konzerns, konnte er schon mehr bewegen. Er führte ein Umweltma-nagementsystem ein und erklärte1986 Nachhaltigkeit und Umwelt-schutz zu Unternehmenszielen.
Sein frühes Engagement stießnicht überall auf Begeisterung – weder im Unternehmen noch au ßerhalb. „Viele Unternehmer -kollegen haben mich – ich will es mal freundlich sagen – als Exotenan gesehen.“
Manche titulierten ihn als Öko-spinner und warteten nur darauf,dass er scheitert, dass er mit seinengrünen Ideen rote Zahlen produziert.
Doch Michael Otto tat ihnen denGefallen nicht. Er wusste, dass erzum Erfolg verdammt war. „Wäre es schlecht gelaufen, dann hätte je-der gesagt: Der kümmert sich nurum die Umwelt, aber nicht um sei-nen Laden.“
Aber der Laden lief, jedenfalls imVergleich zur direkten Konkurrenz.Während Neckermann und Quellevom Markt verschwanden, über -lebte Otto – und hat als einziges der deutschen Versandunterneh-men noch die Chance, gegen Ama-zon zu bestehen. Frühzeitig setzteOtto auf Digitalisierung und ist
heute vor allem ein E-Commerce-Unternehmen.
Michael Otto, nun seit LangemAufsichtsratsvorsitzender, resü-miert in seinem geräumigen Eck-zimmer in der Otto-Hauptverwal-tung: „Man kann also nicht sagen:Wenn man sich für die Umwelt engagiert, belastet das das Unter-nehmen. Im Gegenteil.“
Leidenschaft für Afrika
Warum ist es ihm gelungen? Es seiwichtig gewesen, Mitstreiter im Un-ternehmen zu finden, und zwar aufallen Ebenen. Ein Prozess, der dau-erte. „Rund zehn Jahre“, sagt Otto.Heute sei Umweltschutz Teil derUnternehmenskultur.
Und man müsse sein Engage-ment vorleben. Michael Otto fährtRad und einen Hybrid, nutzt Solar-strom, spritzt im Garten Brennnes-selsud und scheuert mit Bioseife.
Aber Michael Otto redet auch vielmit Politikern und Unternehmer -kollegen. Er wünscht sich eine am-bitionierte deutsche Klimapolitikmit klaren Zielen. Greta Thunbergfindet er gut, weil sie dem ThemaKlimawandel endlich die nötige Aufmerksamkeit verschafft.
In seinem Unternehmen gibt esbereits klare Zielvorgaben. Die CO₂-Emissionen sollen bis 2020 um 50Prozent gegenüber 2006 reduziertwerden und die textilen Eigenmar-ken zu 100 Prozent aus Baumwolleaus nachhaltigem Anbau stammen.Dazu gründete Otto die Initiative„Cotton made in Africa“.
Afrika ist seine zweite große Lei-denschaft, die schon früh mit einerersten Urlaubsreise begann. Er hatklare Vorstellungen, was geschehenmuss: „Mehr Hilfe zur Selbsthilfeund mehr Wertschöpfung vor Ort.“Also Rohstoffe dort verarbeiten, wosie gewonnen werden. Deshalb be-zieht Otto immer mehr Textilien ausafrikanischen Fabriken.
Weil er und sein Unternehmenallein nicht viel bewirken können,engagiert sich Michael Otto in vielenZirkeln. Zum Beispiel im „Bündnisfür nachhaltige Textilien“ oder inder „Stiftung 2 Grad“. Die „Aid byTrade Foundation“ gründete er mit,ebenso die „Business Social Com -pliance Initiative“. Und, und …
Er könnte noch viel auf- und er-zählen, aber er schaut auf die Uhr.Der nächste Gast wartet: Auma Obama, Halbschwester des ehe -maligen US-Präsidenten. Sie kennensich von der gemeinsamen Arbeit im World Future Council (WFC).Sie wol len über –was sonst – die Kli-mapolitik und Afrika reden. 1
EHRENPREIS FÜR SOZIALES ENGAGEMENT
DER EHRENPREISTRÄGERMichael Otto (76) war von 1981 bis
2007 Vorstandschef des Hambur-
ger Versandhändlers Otto. Danach
wechselte er in den Aufsichtsrat.
Schon 1993 gründete er die Um-
weltstiftung Michael Otto, die sich
überwiegend aus Erträgen der Otto
Group finanziert. Er ist Mitgründer
und Mitglied zahlreicher sozialer Ini-
tiativen und Umweltorganisationen.
DAS UNTERNEHMENDer von seinem Vater Werner 1949
gegründete Otto-Versand ist das
einzige überlebende der drei
großen deutschen Versandhäuser
(Neckermann, Otto, Quelle). Dies
gelang, weil sich Otto früh im
E-Commerce engagierte. Zum
Umsatz von 13,4 Milliarden Euro
steuert heute der Onlinehandel
7,7 Milliarden Euro bei.
MICHAEL OTTO, OTTO GROUP
„DER WIRTSCHAFT MUSSKLAR SEIN:
WENN WIR UNSERENATUR ZERSTÖREN,WIRD AUCH KEIN
WIRTSCHAFTEN MEHRMÖGLICH SEIN.“
Michael Otto