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Spezialchemie am Golf

Date post: 08-Dec-2016
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Chemiewirtschaft Spezialchemie am Golf Spezialchemie am Golf Marcus Hübel Die Petrochemie stellt sich breiter auf – ist das hinreichend attraktiv für andere Chemieunternehmen? Das höchste Gebäude der Welt, der Burdsch Chalifa in Dubai, ist oh- ne Chemie kaum vorstellbar: Zusatz- mittel, die Fließeigenschaften von Beton optimieren, oder Pulver- beschichtungen, die Aluminiumfas- saden vor Sonne und Sand schützen, haben deutsche Spezialchemiepro- duzenten am Golf dazu beigetragen. Aber werden Unternehmen Spezial- chemie dort künftig nicht nur einset- zen, sondern auch verstärkt pro- duzieren? Die Chemieindustrie in der Golf- region hat sich stark entwickelt. Al- lein in Saudi-Arabien produzieren heute 24 petrochemische Megakom- plexe, nachdem dort der erste staatli- che Komplex im Jahr 1983 angefah- ren wurde. Anstrengungen zum wei- teren Ausbau und zur Diversifikation sind erkennbar von Oman bis Iran. Gerade die Länder der arabischen Halbinsel (Bahrain, Katar, Kuweit, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabischen Emirate (VAE)) haben in den letzen Dekaden mit ihren Petro- dollar ihre Volkswirtschaft ent- wickelt. Dies hat den regionalen Markt für Chemieprodukte wachsen lassen, sei es den für Basiskunststoffe oder für Spezialchemikalien. Einige europäische Chemieunternehmen er- warten für dieses Jahr hohe Absatz- steigerungen im Nahen Osten. Dynamische Region, viele Facetten Die acht Anrainerstaaten des Golfs (die Länder der arabischen Halbinsel sowie Irak und Iran) haben eine jun- ge, rasch wachsende Bevölkerung von etwa 140 Mio. Menschen, die im Jahr 2008 ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 1,3 Mrd. US-Dollar erwirt- schafteten. Kulturell, religiös und sprachlich unterscheiden sich die Länder der arabischen Halbinsel von ihren nördlichen Nachbarn wie Irak. Auch das Handelsabkommen des Golfkooperationsrats, bestehend aus den Ländern der arabischen Halb- insel, verknüpft diese Staaten wirt- schaftlich enger. Saudi-Arabien ist mit Abstand die wichtigste Wirtschaftsmacht der Golfregion, doch hat der Iran mehr als dreimal so viele Einwohner (71 Mio. im Jahr 2008 gegenüber 23 Mio. in Saudi-Arabien). Diese er- gänzen als schlummerndes Wirt- schaftspotenzial die enormen Öl- und Gasreserven des Iran. Breiteres Portfolio an Grundchemikalien Die wirtschaftliche Entwicklung der Golfregion beruht auf Öl und Gas. Die daran geknüpfte Petroche- mie wird konsequent ausgebaut. So wird im Sommer die verdreifachte Polyolefinkapazität von Borouge im Emirat Abu Dhabi in Betrieb gehen; für das Jahr 2013 ist bereits eine Ver- doppelung der dann bestehenden Kapazität geplant. Weitere Komple- xe, die Raffinerien und Petrochemie verzahnen, sind unterschiedlich weit entwickelt, die meisten davon in Saudi-Arabien wie Petro Rabigh und Ras Tanura. Sukzessive werden darüber hinaus neue Vorräte an nicht mit der Ölgewinnung assozi- iertem Erdgas erschlossen. Die Petrochemie am Golf wächst nicht nur, sondern sie wird auch ent- lang der Wertschöpfungsketten aus- gebaut und diversifiziert. Die breitere petrochemische Rohstoffbasis am Golf ermöglicht immer mehr Pro- duktgruppen, wie z. B. die Aromaten- chemie. Ein herausragendes Beispiel ist der unter Führung des Staatsfonds von Abu Dhabi entstehende Che- miestandort Chemweyaat. Die sau- dische Industriepolitik zur Diversifi- kation stimuliert zudem die Privat- wirtschaft vor Ort. Dennoch über- raschte es, als im Januar Saudi Aramco – und kein internationales Konsortium, geführt von einem pri- vaten saudischen Unternehmen – mit der ersten Ausbaustufe des Raf- Baustellen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. (Foto: BASF) Nachrichten aus der Chemie | 58 | April 2010 | www.gdch.de/nachrichten 458
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Page 1: Spezialchemie am Golf

�Chemiewirtschaft�

Spezialchemie am Golf Spezialchemie am Golf

Marcus Hübel

Die Petrochemie stellt sich breiter auf – ist das hinreichend attraktiv für andere Chemieunternehmen?

� Das höchste Gebäude der Welt, der Burdsch Chalifa in Dubai, ist oh-ne Chemie kaum vorstellbar: Zusatz-mittel, die Fließeigenschaften von Beton optimieren, oder Pulver-beschichtungen, die Aluminiumfas-saden vor Sonne und Sand schützen, haben deutsche Spezialchemiepro-duzenten am Golf dazu beigetragen. Aber werden Unternehmen Spezial-chemie dort künftig nicht nur einset-zen, sondern auch verstärkt pro-duzieren?

Die Chemieindustrie in der Golf-region hat sich stark entwickelt. Al-lein in Saudi-Arabien produzieren heute 24 petrochemische Megakom-plexe, nachdem dort der erste staatli-che Komplex im Jahr 1983 angefah-ren wurde. Anstrengungen zum wei-teren Ausbau und zur Diversifikation sind erkennbar von Oman bis Iran.

Gerade die Länder der arabischen Halbinsel (Bahrain, Katar, Kuweit, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabischen Emirate (VAE)) haben in den letzen Dekaden mit ihren Petro-dollar ihre Volkswirtschaft ent-wickelt. Dies hat den regionalen Markt für Chemieprodukte wachsen lassen, sei es den für Basiskunststoffe oder für Spezialchemikalien. Einige europäische Chemieunternehmen er-warten für dieses Jahr hohe Absatz-steigerungen im Nahen Osten.

Dynamische Region, viele Facetten

� Die acht Anrainerstaaten des Golfs (die Länder der arabischen Halbinsel sowie Irak und Iran) haben eine jun-ge, rasch wachsende Bevölkerung von etwa 140 Mio. Menschen, die im Jahr 2008 ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 1,3 Mrd. US-Dollar erwirt-schafteten. Kulturell, religiös und sprachlich unterscheiden sich die Länder der arabischen Halbinsel von ihren nördlichen Nachbarn wie Irak. Auch das Handelsabkommen des Golfkooperationsrats, bestehend aus den Ländern der arabischen Halb-insel, verknüpft diese Staaten wirt-schaftlich enger.

Saudi-Arabien ist mit Abstand die wichtigste Wirtschaftsmacht der Golfregion, doch hat der Iran mehr als dreimal so viele Einwohner (71 Mio. im Jahr 2008 gegenüber 23 Mio. in Saudi-Arabien). Diese er-gänzen als schlummerndes Wirt-schaftspotenzial die enormen Öl- und Gasreserven des Iran.

Breiteres Portfolio an Grundchemikalien

� Die wirtschaftliche Entwicklung der Golfregion beruht auf Öl und Gas. Die daran geknüpfte Petroche-

mie wird konsequent ausgebaut. So wird im Sommer die verdreifachte Polyolefinkapazität von Borouge im Emirat Abu Dhabi in Betrieb gehen; für das Jahr 2013 ist bereits eine Ver-doppelung der dann bestehenden Kapazität geplant. Weitere Komple-xe, die Raffinerien und Petrochemie verzahnen, sind unterschiedlich weit entwickelt, die meisten davon in Saudi-Arabien wie Petro Rabigh und Ras Tanura. Sukzessive werden darüber hinaus neue Vorräte an nicht mit der Ölgewinnung assozi-iertem Erdgas erschlossen.

Die Petrochemie am Golf wächst nicht nur, sondern sie wird auch ent-lang der Wertschöpfungsketten aus-gebaut und diversifiziert. Die breitere petrochemische Rohstoffbasis am Golf ermöglicht immer mehr Pro-duktgruppen, wie z. B. die Aromaten-chemie.

Ein herausragendes Beispiel ist der unter Führung des Staatsfonds von Abu Dhabi entstehende Che-miestandort Chemweyaat. Die sau-dische Industriepolitik zur Diversifi-kation stimuliert zudem die Privat-wirtschaft vor Ort. Dennoch über-raschte es, als im Januar Saudi Aramco – und kein internationales Konsortium, geführt von einem pri-vaten saudischen Unternehmen – mit der ersten Ausbaustufe des Raf-

Baustellen in den Vereinigten

Arabischen Emiraten. (Foto: BASF)

Nachrichten aus der Chemie | 58 | April 2010 | www.gdch.de/nachrichten

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Page 2: Spezialchemie am Golf

finerie-Petrochemie-Komplexes in der Economic City Jazan am Roten Meer betraut wurde.

Die Kostenvorteile auf der Roh-stoff- und Energieseite werden für großvolumige Chemieprodukte meh-rere Stufen hinter dem Cracker ge-nutzt werden, sofern sie materiell und energetisch verknüpft sind. Dies umfasst auch Chemikalien, die un-mittelbar als Inhaltsstoffe in Verbrau-cherprodukte gelangen. Allerdings steigen die Transportkosten bei Pro-dukten, die nicht in großen Tonna-gen und mit den langen Laufzeiten der Seeschifffahrt zu bewegen sind. Hier hat die Golfregion kaum öko-nomische Transportwege in Richtung der traditionellen Absatzmärkte Eu-ropäische Union und Nafta oder der aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens. Der Logistikaufwand frisst die Vorteile der nahen Petrochemie, je näher am Verbraucher die Chemie ist und je kleinteiliger sie wird, je mehr Spezialitätencharakter sie hat und je mehr Volatilität in den Absatz-märkten sie meistern muss. Aller-dings sind Rohstoff- und Energiekos-ten sowie Transportaufwände nicht die alleinigen Faktoren, die eine er-folgreiche Spezialchemie fördern.

Breite, nachhaltige Grundlage erst im Aufbau

� Märkte in der Nähe der Produkti-on sichern eine Grundauslastung. Daher gehen die Anstrengungen bei-spielsweise der saudischen Regie-rung zur Diversifizierung der Che-mieproduktion Hand-in-Hand mit Programmen, welche die industrielle Basis im Land verbreitern. Dort wer-den in Economic Cities industrielle Cluster vorangetrieben, Ansiedlun-gen über mehrere Industrien hinweg und rund um bereits existierende wirtschaftliche Aktivitäten. Sie sollen die Abhängigkeit vom Rohöl als Ein-kommensquelle abtragen und Ar-beitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung schaffen. Wirtschafts-förderung sowie attraktive rechtliche und steuerliche Rahmenbedingun-gen sind Eckpfeiler dieses Pro-gramms zur Entwicklung der Wett-bewerbsfähigkeit. Das Programm

dürfte aber eher auf Jahrzehnte, denn auf Jahre zum Tragen kommen.

Ein in die globale Wirtschaft inte-grierter Iran könnte dagegen mit sei-ner Bevölkerung, sie macht etwa 50 % der Region aus, und der vor-handenen Industriebasis wie Auto-mobilproduktion und Maschinen-bau dynamischer sein.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit beispielsweise der avisierte saudische Cluster Kunststoffverarbeitung eher eine regionale oder aber eine globale Wettbewerbsfähigkeit entwickelt. Prognosen zum damit einhergehen-den Aufbau einer regionalen Spezial-chemie – wie Additive oder Prozess -chemikalien – scheinen spekulativ. In den Planungen der Economic City Jazan ist allerdings bereits perspekti-visch eine materiell und energetisch verknüpfte Produktion von Spezial-chemikalien ins Auge gefasst [Nachr. Chem. 2009, 57, 1109].

Weitere, darüber hinausgehende Erfolgsfaktoren in der Spezialchemie gilt es erst aufzubauen: tiefes Ver-ständnis heterogener Käufermärkte, Meistern von Volatilitäten im Ver-brauch, technisches Anwendungs-wissen zum Lösen von Kundenpro-blemen. Alles Fähigkeiten, die der Ar-beitsmarkt weiterentwickeln muss – ein Arbeitsmarkt der seit Jahrzehnten auf beachtliche Anteile ausländischer Fachkräfte angewiesen ist, um den wachsenden Personalbedarf der Pe-trochemie sowie der Öl- und Gas-industrie qualifiziert zu bedienen.

Punktuelle Chancen für Spezialchemie kraftvoll ergreifen

� Initiativen wie die elitäre sau-dische King Abdullah University of Science and Technology (Kaust) sind notwendige Bausteine in der Entwicklung der Arbeitskräfte [Nachr. Chem. 2009, 57, 762]. Solche Initiativen fördern gleichzeitig For-schung und Entwicklung bei The-men wie Photovoltaik und unterirdi-scher CO2-Speicherung oder Bio- und Nanotechnik.

Auch die vollständig durch er-neuerbare Energien zu versorgende, klimaneutrale Masdar City in Abu Dhabi ist ohne Chemie kaum reali-

� Nachhaltigkeit von Chemieunternehmen

BASF, Air Liquide und Bayer ar-

beiteten in den Jahren 2004 bis

2007 nachhaltiger als sechs

weitere untersuchte Chemieun-

ternehmen. Dies geht aus der

Studie „Sustainable Value Crea-

tion by Chemical Companies“

des Instituts für Zukunftsstudi-

en und Technologiebewertung

(IZT) hervor. Neben wirtschaftli-

chen Aspekten flossen ökonomi-

sche und soziale Aspekte in die

Studie ein wie der Wasserver-

brauch, die Menge gefährlicher

Abfälle und Emissionen, sowie

die Zahl der Arbeitsplätze und

-unfälle. Danach wirtschafte-

ten der französische Industrie-

gashersteller Air Liquide und

BASF in allen Untersuchungs-

jahren am nachhaltigsten. Im

Jahr 2007 arbeitete Air Liquide

1,7 Mal effizienter als der Markt.

Bei BASF lag dieser Wert zwi-

schen 1,2 und 1,4. Bayer wirt-

schaftete im Jahr 2004 um das

1,3-fache weniger effizient als

die Konkurrenz. Im Jahr 2007

stieg das Unternehmen auf

Platz zwei, den es sich nun mit

BASF teilt.

Auf die Unternehmensgröße

umgerechnet erwirtschafte Air

Liquide 2007 einen nachhalti-

gen Mehrwert, den Sustainable

Value, in Höhe von 888 Mio. Eu-

ro. BASF schloss hierbei im glei-

chen Jahr mit 1,1 Mrd. Euro ab.

Am Ende des Rankings steht das

US-Unternehmen Dow Che-

mical. Es setzte seine Ressour-

cen im Jahr 2007 nur etwa halb

so effizient ein wie der Durch-

schnitt.

Das IZT bewertete außerdem Ak-

zo Nobel, DSM, Du Pont, Reliance

und Shell Chemicals. Das Institut

wählte für die Studie nur Che-

mieunternehmen, deren Nach-

haltigkeitsberichte seinen Krite-

rien in Hinsicht auf Inhalt und

Ausführlichkeit entsprachen.

Jessica von Ahn, Frankfurt

Chemiewirtschaft �Blickpunkt� 459

Nachrichten aus der Chemie | 58 | April 2010 | www.gdch.de/nachrichten

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sierbar. Als Pilotprojekt, das den ho-hen Energieverbrauch im subtropi-schen Klima reduziert, genießt es in-ternationale Aufmerksamkeit.

Während sich kundennah arbei-tende Systemhäuser der Poly ure -than an bieter stärker in der Golfregi-on ansiedeln, dürfte das beispiels-weise für die Produktion der in in-novativen Dämmstoffen enthaltenen Schaumstabilisatoren weniger der Fall sein.

Um die auf der arabischen Halb-insel vorhandenen Rohstoffe Silici-um und Sonnenstrahlung bei Photo-voltaik zu nutzen, scheinen Betei-ligungen an Innovationszentren am Golf realistisch, gegebenenfalls als globale Forschungsaktivitäten von Spezialchemiefirmen. Sie mögen lo-kale Fertigungen nach sich ziehen.

In Hinblick auf die Förderung technischer Durchbrüche stehen die Länder der arabischen Halbinsel auch im Wettbewerb mit anderen aufkommenden Volkswirtschaften: China und Indien wollen bei nach-haltigen Techniken führen und set-zen ihre Finanzkraft sowie ihr zahl-reiches, gut ausgebildetes technisch-wissenschaftliches Personal ein. Für internationale Spezialchemieunter-nehmen ist der Schutz geistigen Ei-gentums in der Golfregion wichtig, der sich erst langsam entwickelt, beispielsweise mit einem über die Länder des Golfkooperationsrats hinweg harmonisierten Anmeldever-fahren.

Der Absatzmarkt für Spezialche-mie am Golf wird wachsen. Punk-tuell werden sich Chancen für die Spezialchemie ergeben: materiell und energetisch sinnvolle Ergänzun-gen der sich diversifizierenden Pe-trochemie. Möglicherweise ent-wickelt sich die Spezialchemie mit der lokalen Produktion heute noch importierter Chemieprodukte oder im Kontext konzertierter For-schungsanstrengungen. Eine breite-re Synthesechemie ist demgegen-über nicht absehbar.

Der promovierte Chemiker Marcus Hübel ist

Executive Director und Leiter Chemieindustrie

bei Scopein Management Consultants in Düs-

seldorf. [email protected]

handelt [Nachr. Chem. 2009, 55,

762]. Im damaligen Fall waren zu

einem bereits patentierten Produkt

weitere Schutzrechte hinzugetre-

ten, so dass sich die Umstände

nachträglich geändert hatten.

In Ihrem Fall scheint es so zu sein,

als ob Sie die Vergütungsverträge

mit Ihren Arbeitnehmern schon

abgeschlossen hatten, bevor Ihnen

das eingangs geschilderte Pro-

blem auffiel. Daher ist fraglich, ob

Sie nachträglich die Verträge zu

Ungunsten der Erfinder verändern

können. In Ihrem Fall haben sich

die Umstände nach Vertrags-

abschluss nicht geändert, es sind

auch insbesondere keine Schutz-

rechte nach Vertragsabschluss

hinzugetreten. Sie waren lediglich

im Irrtum, entweder hinsichtlich

des tatsächlichen Schutzes durch

die Patente oder hinsichtlich der

Gesetzeslage, die eine „Deckelung“

der Vergütungszahlung ermög-

licht. Derartige Irrtümer sind aber

kein Grund für eine nachträgliche

Vertragsänderung zu Ungunsten

der Arbeitnehmer. Eine nachträgli-

che Veränderung der Vergütungs-

regeln, so wie sie in § 12, Abs. 6 Ar-

beitnehmererfindungsgesetz vor-

gesehen ist, kann daher nicht er-

folgen. Darüber hinaus könnte ei-

ne solche nachträgliche Vertrags-

änderung auch die Beziehung zum

Arbeitnehmer belasten. Anders

wäre der Fall unter Umständen zu

beurteilen, wenn sie durch die Ar-

beitnehmererfinder arglistig ge-

täuscht worden wären. In einem

solchen Fall hätten Sie gegebenen-

falls die Möglichkeit, den Vertrag

nach den allgemeinen vertrags-

rechtlichen Grundsätzen anzufech-

ten, zur Not mit Hilfe der Gerichte.

In einem solchen Fall dürfte die Be-

ziehung zum Arbeitnehmer ohne-

hin stark angespannt sein.

Fragen für Thomas Seuß bitte an: nachrichten

@gdch.de. Alle Beiträge dieser Serie in

MyGDCh und: http://va.gdch.de/spez_

angebote/my_recht/patentrecht.asp

Frage 39:

Wir vertreiben ein Produkt, welches

durch mehrere Patente geschützt

ist. Für jedes Patent haben wir eine

Regelung mit den Arbeitnehmer-

erfindern getroffen, wonach sie in

Lizenzanalogie mit einem bestimm-

ten Lizenzsatz am Nettoumsatz be-

teiligt werden. Im konkreten Fall ist

uns jetzt aufgefallen, dass wir

durch die Vergütung mehrerer Pa-

tente das Produkt unverhältnis-

mäßig hoch mit Erfindervergü -

tungskosten belasten, ohne dass

wir den Kaufpreis entsprechend er-

höhen könnten. Unsere Frage ist

nun: Können wir den Lizenzsatz in

diesem Fall reduzieren?

Antwort:

Grundsätzlich kennen die Richtlini-

en zur Arbeitnehmererfinderver-

gütung dieses Problem bereits:

Nach der Richtlinie Nr. 19 werden

bei mehreren Schutzrechten, wel-

che ein Produkt betreffen, die

Schutzrechte zu einem Schutz-

rechtskomplex zusammengefasst.

Auf diesen Schutzrechtskomplex

werden die Vergütungen auf-

geteilt, wobei eine Deckelung der

Gesamtzahlungen zulässig ist, da-

mit die Produkte nicht über alle

Maßen mit Vergütungszahlungen

belastet werden. Bei der Aufstel-

lung eines solchen Schutzrechts-

komplexes können und müssen die

einzelnen Schutzrechte entspre-

chend ihrer Bedeutung für den

Schutz des Produktes gewichtet

werden. Einen derartigen Fall hat-

ten wir bereits in unserer Serie be-

Thomas Seuß Patentanwalt

Thomas Seuß beantwortet Fragen zum Patentrecht

Reduzierung der Erfindervergütung

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�Blickpunkt� Chemiewirtschaft 460


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