+ All Categories
Home > Documents > Spanien und das völkerrecht / Spain and International Public Law || Beschluß des...

Spanien und das völkerrecht / Spain and International Public Law || Beschluß des...

Date post: 20-Jan-2017
Category:
Upload: lydien
View: 215 times
Download: 1 times
Share this document with a friend
8
Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1993 zur Frage, wann ein im Ausland durchgeführtes Abwesenheitsverfahren gegen reditsstaatlidie Grundsätze verstößt Source: Archiv des Völkerrechts, 32. Bd., 2. H., Spanien und das völkerrecht / Spain and International Public Law (Juni 1994), pp. 271-277 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40798842 . Accessed: 14/06/2014 12:57 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Transcript

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1993 zur Frage, wann ein im Auslanddurchgeführtes Abwesenheitsverfahren gegen reditsstaatlidie Grundsätze verstößtSource: Archiv des Völkerrechts, 32. Bd., 2. H., Spanien und das völkerrecht / Spain andInternational Public Law (Juni 1994), pp. 271-277Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40798842 .

Accessed: 14/06/2014 12:57

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archivdes Völkerrechts.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

ENTSCHEIDUNGEN

Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf

vom 26. Mai 1993 zur Frage, wann ein im Ausland durchgeführtes Abwesenheitsverfahren

gegen reditsstaatlidie Grundsätze verstößt*

1. Zum Umfang der Prüfungskompetenz deutscher Gerichte im Auslieferungs- verfahren.

2. Zur Frage, wann ein im Ausland durchgeführtes Abwesenheitsverfahren gegen rechtsstaatliche Grundsätze (§ 73 IRG) verstößt.

3. Zur Frage der nachträglichen Heilung von Verfahrensmängeln in einem im Ausland durchgeführten Abwesenheitsverfahren.

4. Das Verbot der Doppelbestrafung ist nicht schlechthin zum Kernbereich des internationalen Strafrechts zu rechnen.

Entscheidungs formel : 1. Die Auslieferung des Verfolgten an die griechisdie Regierung zur Straf Voll-

streckung wegen der in dem Urteil des Landgerichts Athen vom 7. Juli 1989 (Nr. 34726) verhängten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten ist unzulässig.

2. Die Auslieferung des Verfolgten an die griechische Regierung zur Strafver- folgung wegen der in dem Haftbefehl des Untersuchungsrichters beim Landgericht Athen vom 26. Oktober 1987 (Nr. 21/85 - Az. 14/1987) in Verbindung mit der Anklageschrift vom 17. Dezember 1987 und dem Eröffnungsbeschluß des Land- gerichts Athen vom 25. Januar 1988 (Nr. 252/1988) erwähnten Straftaten der vollendeten und fortgesetzten versuchten Erpressung ist zulässig.

Gründe : I.

Der Verfolgte verbüßt gegenwärtig eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Krefeld vom 2. Oktober 1991 (22 Ks 9 Js 851/90) wegen Totschlags.

Mit Ersuchen vom 25. Januar 1993 (Nr. F 09318/241) hat die Generalstaats- anwaltschaft Athen die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung und zur Strafvollstreckung beantragt.

Dem Auslieferungsersuchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 24. Februar 1985 soll der Verfolgte gegen 22.00 Uhr mit seinem anderweitig verfolgten Sohn T. in dem Lokal „Evita" des D. D. in A. erschienen sein, nach Verschließen der Eingangstür ein Dolchmesser zum Zwecke der Einschüchte- rung und Drohung auf einen Tisch gelegt und von dem Geschädigten die Unter-

* Az.: 4 Ausl (A) 109/93-53/93 III.

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

272 Entscheidungen

Zeichnung eines Dokuments, mit welchem das Lokal auf den Verfolgten über- tragen werden sollte, verlangt haben. Für den Fall der Weigerung soll der Ver- folgte die Tötung des Geschädigten angedroht haben.

Unter dem Eindruck der Drohung soll der Geschädigte daraufhin - wie von dem Verfolgten verlangt - ein Schriftstück nach dessen Diktat verfaßt haben, mit welchem unter einem zurückliegenden Datum die Zahlung einer Geldsumme durch den Verfolgten bestätigt und die Übertragung der Gaststätte auf diesen und den ursprünglich ebenfalls verfolgten P. V. angeordnet worden sei. Nach Unterzeichung des Schriftstücks durch den Geschädigten sei dieses dem Verfolgten ausgehändigt worden. Anschließend habe der Verfolgte mit seinem Sohn nach Wiederaufsperren der Eingangstür das Restaurant gegen 22.30 Uhr verlassen.

Ebenfalls am 24. Februar 1985 um 22.30 Uhr und darüberhinaus in einem am 26. Februar 1985 gegen 12.20 Uhr mit dem Geschädigten geführten Telefonat soll der Verfolgte eine Geldsumme von 1.300.000 Drs verlangt und für den Fall der Nichtzahlung die Tötung des Geschädigten und seiner Familie angedroht haben.

Wegen der dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten der vollendeten und fortgesetzten versuchten räuberischen Erpressung und des unbefugten Mitsichführens einer Waffe hat der Untersuchungsrichter beim Landgericht Athen am 26. Ok- tober 1987 Haftbefehl gegen den Verfolgten erlassen (Nr. 21/85 - Aktenzeichen: 14/1987). Mit Anklageschrift vom 17. Dezember 1987 (Nr. 2593/1987) hat die Staatsanwaltschaft wegen des gesamten Komplexes vom 24. und 26. Februar 1985 Anklage bei der Strafkammer des Landgerichts Athen erhoben und die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem für Verbrechen zuständigen Dreirichter-Strafsenat des Oberlandesgerichts Athen beantragt. Durch Beschluß vom 25. Januar 1988 (Nr. 252/1988) hat das Landgericht Athen das Hauptverfahren wegen des Vor- wurfs der Erpressung, der fortgesetzten versuchten Erpressung, des unbefugten Mitsichführens einer Waffe und der Freiheitsberaubung antragsgemäß eröffnet.

Durch Verfügung des Generalstaatsanwalts von Athen vom 30. März 1988 (Az. 65/88) ist das Verfahren hinsichtlich der vollendeten und der fortgesetzten ver- suchten Erpressung (Verbrechen) gemäß Art. 432 griech. StPO ausgesetzt worden, weil der Verfolgte nach Zustellung des Eröffnungsbeschlusses vom 9. Februar 1988 weder erschienen war noch ergriffen werden konnte.

Der Verfolgte hatte den den griechischen Behörden bekannten Wohnort (Athen, L. Straße) verlassen und war unbekannten Aufenthalts.

Nach seinen eigenen Angaben bei der richterlichen Anhörung vom 5. April 1993 will der Verfolgte von 1983 bis 1985 in Athen gewohnt haben, allerdings auf der F. Straße. Danach will er nach Deutschland, und zwar zunächst nach Düren gezogen sein.

Ein am 2. Dezember 1988 vorgenommener Versuch der persönlichen Zustellung der Ladung der Staatsanwaltschaft Athen zum Hauptverhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht Athen am 20. Januar 1989 schlug fehl, weil der Verfolgte nicht angetroffen werden konnte. Daraufhin erfolgte die öffentliche Zustellung durch Aushang beim Bürgermeisteramt der Stadt Athen.

Durch Beschluß vom 20. Januar 1989 hat das Oberlandesgericht Athen das noch anhängige Verfahren wegen des Vorwurfs der Freiheitsberaubung und des uner- laubten Waffenführens (Vergehen) gemäß Art. 131 griech. StPO an das Land- gericht Athen verwiesen.

Zur Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts Athen am 7. Juli 1989 ist der Verfolgte gemäß Art. 166, 320, 321 griech. StPO ebenfalls durch öffentliche Zustellung in gleicher Art am 23. Mai 1989 geladen worden. Im Hinblick auf sein unentschuldigtes Fernbleiben ist gemäß Art. 429 Abs. 2 griech.

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Entscheidungen 273

StPO das weitere Verfahren gegen den Verfolgten in seiner Abwesenheit durch- geführt worden. Mit Urteil vom 7. Juli 1989 (Nr. 34726) hat das Landgericht Athen wegen des Vorwurfs der Freiheitsberaubung und des unbefugten Waffen- führens am 24. Februar 1985 zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr eine Gesamt- freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten gegen den Verfolgten verhängt und diese in eine Geldstrafe zu einem Tagessatz von 400 Drs. umgewandelt. Das Urteil ist seit dem 22. Januar 1990 rechtskräftig.

II. 1. Die Auslieferung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil lediglich eine

gemäß Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk nicht auslieferungsfähige Geldstrafe Gegenstand des Auslieferungsersuchen ist. Zwar hat das Landgericht Athen in seinem Urteil vom 7. Juli 1989 die Gesamtfreiheitsstrafe von fünfzehn Monaten in eine Geldstrafe zu einem Tagessatz von 400 Drs. umgewandelt. Dadurch hat die verhängte Strafe aber ihren Charakter als Freiheitsstrafe nicht verloren, weil in der nach griechi- schem Recht möglichen Umwandlung von Freiheitsstrafe in Geldstrafe nicht mehr als eine Befugnis zur Abwendung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zu sehen ist. Die umgewandelte Freiheitsstrafe ist demgemäß nicht mit der Ersatzfreiheits- strafe nach deutschem Recht zu vergleichen. Im übrigen wird eine erkannte Frei- heitsstrafe von der griechischen Rechtsordnung durchgehend als solche behandelt, selbst wenn die aufgrund einer Umwandlung festgesetzte Geldstrafe getilgt wor- den ist (so auch OLG Hamburg GA 1981, 523; Grützner-Pötz-Vogler, 2. Aufl., § 3 IRG Rdnr. 26).

2. Die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung ist un- zulässig (§15 Abs. 2 IRG), weil das gegen den Verfolgten in Griechenland durch- geführte Abwesenheitsverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung rechtsstaat- lichen Grundsätzen widerspricht (73 IRG).

a) Zwar haben die deutschen Gerichte im Verfahren über die Zulässigkeit der Auslieferung zur Strafvollstreckung grundsätzlich davon auszugehen, daß das in dem ersuchenden Staat gegen den Verfolgten ergangene Strafurteil auf recht- mäßige Weise zustande gekommen ist. Insbesondere haben sie diese Frage nicht nach Maßgabe des innerstaatlichen deutschen Rechts nachzuprüfen.

Die dem Senat zufallende Prüfungskompetenz erstreckt sich indessen auf die Frage, ob die Auslieferung selbst und die ihr seitens des ersuchenden Staates zu- grundeliegenden Akte mit unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und mit dem völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard an elementarer Verfassungsgerechtigkeit, der über Art. 25 GG Bestandteil des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden inner- staatlichen Rechts ist, vereinbar sind. Dementsprechend hängt die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Auslieferung zur Vollstreckung eines aus- ländischen Abwesenheitsurteils entscheidend davon ab, ob und in welchem Umfang die in einem Abwesenheitsverfahren ergangene Verurteilung gegen übergeordnete, von allen Rechtsstaaten anerkannte Grundsätze verstößt. Maßgebliche Anhalts- punkte dafür, ob die unverzichtbaren rechtlichen Mindestanforderungen in diesem Sinne gewahrt worden sind, sind dem allen rechtsstaatlichen Rechtsordnungen im- manenten Grundsatz des sog. „fair trial" zu entnehmen, der insbesondere die Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs und die Wahrung der Mindest- rechte einer angemessenen Verteidigung beinhaltet.

Dazu gehört, daß der Verfolgte im Rahmen des nach den Bestimmungen der ausländischen Verfahrensordnung durchgeführten Strafverfahrens die Möglichkeit haben muß und auch tatsächlich nutzen kann, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern und dabei ihn

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

274 Entscheidungen

entlastende Umstände vorzutragen, sowie deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung durch das ausländische Gericht zu erreichen. Auch wenn die Rechtsordnung des ersuchenden Staates diese Garantien theoretisch vorsieht, muß dem Grundsatz des „fair trial" auch in det praktischen Anwendung des ausländischen Rechts Geltung verschafft werden.

Eine ausreichende Sicherung der entsprechenden Mindestrechte des Verfolgten ist demgemäß nur dann gewährleistet, wenn er nachweislich von dem konkret gegen ihn durchgeführten Strafverfahren und von anstehenden oder zu erwartenden Hauptverhandlungsterminen tatsächlich Kenntnis erhalten hat und diese Kenntnis auf amtlicher Mitteilung beruht.

Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang die nur theoretische Möglichkeit, Kenntnis von dem konkreten Strafverfahren zu erlangen, wie beispielsweise bei öffentlicher Zustellung von Terminsladungen oder sonstigen für Durchführung und Abschluß des Strafverfahrens wesentlichen Schriftstücken, insbesondere wenn an einen mit der Zustellung beginnenden Fristablauf erhebliche Rechtsfolgen ge- knüpft sind. Demgegenüber spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen einem Verfolgten im konkreten Fall keine ausreichende Kenntnis durch amtliche Be- nachrichtigungen verschafft werden konnte. Insbesondere kann der bloße Um- stand, daß sich ein Verfolgter dem ausländischen Strafsverfahren, dessen Einleitung er nach einer begangenen Straftat grundsätzlich erwarten muß, durch Flucht wegen befürchteter Strafverfolgung oder durch Verlassen des Landes aus anderen Grün- den entzieht, für sich allein nicht entscheidend ins Gewicht fallen (vgl. zu alledem Senatsbeschlüsse vom 26.11.1986 = NStZ 1987, 370, 371 m. w. N. = StV 1987, 499, 500 m. w.N. und vom 26. 1. 1987 = NStZ 1987, 466, 467 m. w. N.).

b) Im vorliegenden Fall kann nicht einmal davon ausgegangen werden, daß der Verfolgte von der förmlichen Einleitung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens überhaupt in irgendeiner Weise aufgrund amtlicher Benachrichtigungen etwas er- fahren hat.

c) Die Nichtgewährung der unbedingt zu garantierenden Mindestrechte kann auch nicht mehr nachträglich geheilt werden.

Zwar ist davon auszugehen, daß es allgemeinen rechtsstaatlichen Verfahrens- grundsätzen genügt, wenn einem in Abwesenheit verurteilten Verfolgten durch das Strafverfahrensrecht des ersuchenden Staates die tatsächliche Möglichkeit einer späteren gerichtlichen Überprüfung des Schuldvorwurfs im Nachhinein er- öffnet wird. In einem solchen Fall ist die Auslieferung eines Verfolgten auch im Fall eines gegen ihn ergangenen Abwesenheitsurteils zulässig.

Indessen ist dafür entscheidende und zwingende Voraussetzung, daß dem Ver- folgten durch das geltende Strafprozeßrecht, eine rechtlich und tatsächlich wirk- same Möglichkeit der nachträglichen Urteilsanfechtung eingeräumt wird. Der Verfolgte muß das Abwesenheitsurteil - auch wenn es bereits rechtskräftig ist - durch einen einfachen Rechtsbehelf, der dem Beschwerdeführer keine besondere Darlegungs- und Beweislast auferlegt, beseitigen können (vgl. Senatsbeschluß vom 26.1.1987 = NStZ 1987, 466, 467 m.w.N.; KG StV 1993, 207, 208 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall kommt eine Zulässigkeit der Auslieferung unter diesem Gesichtspunkt der nachträglichen Heilung nicht in Betracht, weil der nach Art. 430 Abs. 1 griech. StPO vorgesehene Rechtsbehelf der sog. Wiedereinsetzung keinen absoluten Rechtsschutz bietet. Vielmehr handelt es sich einerseits um eine bloße Ermessensentscheidung des zuständigen Gerichts (vgl. Art. 431 Abs. 1 Satz 1 griech. StPO). Andererseits hindert die Einlegung des Rechtsbehelfs nicht den Beginn der Vollstreckung des Abwesenheitsurteils. Die Staatsanwaltschaft als Voll- streckungsbehörde entscheidet aufgrund des ihr vom Gesetz ebenfalls eingeräum- ten Ermessens erst nach einem gestellten Wiedereinsetzungsantrag, ob die Straf-

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Entscheidungen 275

Vollstreckung unterbrochen oder ausgesetzt wird (vgl. Art. 431 Abs. 2 griech. StPO), so daß ein Verfolgter ohne Rücksicht auf den Rechtsbehelf zunächst in- haftiert werden kann und erst danach in dem dann durchzuführenden Wieder- einsetzungsverfahren eine Überprüfung des Abwesenheitsverfahrens erfolgt. Diese Prüfung erstreckt sich darüberhinaus lediglich auf die Frage, ob die Voraussetzun- gen des Art. 428 griech. StPO zur Zeit der Zustellung nicht vorgelegen haben, d. h. ob der Verurteilte unbekannten Aufenthalts gewesen ist. Schließlich ist die einen Wiedereinsetzungsantrag zurückweisende Entscheidung des zuständigen Ge- richts unanfechtbar (vgl. Art. 431 Abs. 3 griech. StPO).

Diese Regelung des griechischen Strafverfahrensrechts kann nicht als hinreichend wirksame Gewährleistung einer rechtsstaatlich gebotenen nachträglichen Ge- währung des rechtlichen Gehörs zur Kompensierung der gegen übergeordnete und unverzichtbare Rechtsstaatsgrundsätze verstoßenen Nichtgewährung im Abwesen- heitsverfahren betrachtet werden.

Die gesetzliche Ausgestaltung des Rechtsbehelfs ist tatsächlich und rechtlich kompliziert, engt den Umfang der zu überprüfenden Voraussetzungen des Ab- wesenheitsverfahrens erheblich ein, stellt eine erneute Durchführung der Haupt- verhandlung in Anwesenheit des Verurteilten unter Wahrung seiner Verteidigungs- rechte nicht einschränkungslos sicher und gewährt ihm keine weitere Anfechtung einer ihm nachteiligen Entscheidung im Wiedereinsetzungsverfahren.

d) Es besteht auch keine Möglichkeit, der griechischen Regierung Gelegenheit zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung des Inhalts einzuräumen, daß dem Verfolgten im Falle der Bewilligung der Auslieferung das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden, gewähr- leistet wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 2. ZusProt EuAlÜbk). Denn Griechenland ist nach einer vom Senat eingeholten Auskunft des BMJ vom 24. Mai 1993 dem 2. Zusatzprotokoll zum EuAlÜbk vom 17.3.1978 bisher (Stand: l.März 1993) nicht beigetreten. Im übrigen kann die griechische Regierung nach geltendem inner- staatlichen Recht nicht das für die Entscheidung über eine Wiedereinsetzung allein zuständige Gericht bindend verpflichten, die ihm zufallende Entscheidung nach Art. 340 Abs. 1 und 2, 341 griech. StPO in einer bestimmten Richtung, nämlich Gewährung der Wiedereinsetzung und damit erneute Durchführung des ursprüng- lichen Strafverfahrens bis zum Urteil zu treffen. Eine solche zwingende Gewähr- leistung eines neuen Gerichtsverfahrens und die Erteilung einer dahingehenden bindenden Zusicherung der Regierung des ersuchenden Staates ist aber Voraus- setzung für eine Ergänzung nach Art. 3 Abs. 1 2. ZusProtEuAlÜbk.

III. Die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung wegen des noch anhängi-

gen, durch Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Athen vom 30. März 1988 ausgesetzten Verfahrens (Vorwurf der vollendeten und der fortgesetzten ver- suchten Erpressung) ist zulässig.

Die Zulässigkeit der Auslieferung scheitert insbesondere nicht an dem Grundsatz des Art. 103 Abs. 3 GG (ne bis in idem), der gegebenenfalls über § 73 IRG im Auslieferungsverfahren zu berücksichtigen wäre.

1. Eine unmittelbare Anwendung von Art. 103 Abs. 3 GG scheidet bereits deshalb aus, weil das in dieser Verfassungsnorm enthaltene Verbot der Doppel- bestrafung ausschließlich im Verhältnis zwischen deutschen Gerichten gilt und lediglich eine mehrmalige Verurteilung durch deutsche Gerichte hindert (vgl. BVerfGE 75, 1, 15; AK-Wassermann, 2. Aufl., Art. 103 GG Rdnr. 61; Leibholz- Rinck-Hesselberger, 6. Aufl., Art. 103 GG Rdnr. 1648; Rüping in Bonner Kom-

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

276 Entscheidungen

mentar, 2. Bearb., Art. 103 Abs. 3 GG Rdnrn. 68, 69; Grützner-Pötz-Vogler, aaO., § 73 IRG Rdnr. 25).

2. Der in Art. 103 Abs. 3 GG enthaltene Grundsatz ist auch nicht als allgemein gültige Regel des Völkerrechts zu betrachten, die über Art. 25 GG auch von deutschen Gerichten im Verhältnis zu ausländischen Gerichten zu beachten wäre (vgl. BVerfGE 75, 1, 18 ff. zur Auslieferungsfähigkeit bei Strafverfolgung in einem Drittstaat).

3. Es läßt sich auch nicht für den Fall einer erneuten Strafverfolgung wegen einer bereits abgeurteilten Tat im selben Staat eine allgemeine Regel des Völker- rechts feststellen, daß dem ein allen Rechtsordnungen immanentes Verbot der Doppelbestrafung entgegenstehe.

Der Grundsatz „ne bis in idem" hat lediglich teilweise Eingang in fremde Rechtsordnungen gefunden, so daß schon von der quantitativen Bandbreite her durchgreifende Bedenken bestehen, eine Allgemeinverbindlichkeit anzunehmen. Andererseits beinhalten die entsprechenden Regelungen - ebenso wie Art. 103 Abs. 3 GG - nur eine Bindung der eigenen Gerichtsbarkeit für im eigenen Staat durchgeführte Strafverfahren. In gleicher Weise sehen bestehende oder ausgehan- delte internationale Abkommen (vgl. Art. 14 Abs. 7 IntPakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12. 1966 und Art. 4 7. ZusProtMRK vom 22. 11. 1984) nur die Ächtung der Doppelbestrafung im jeweiligen Staat vor. Die Geltung des Grundsatzes „ne bis in idem" wird indessen nicht auf vorangegangene Strafverfahren in einem anderen Staat estreckt.

Abgesehen von Art. 14 Abs. 7 IntPakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12. 1966 (BGBl 1973 II, 1533) hat der Grundsatz darüberhinaus bisher keinen Eingang in internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ge- funden. Die Regelungen der MRK beinhalten kein Verbot der Doppelbestrafung; Art. 4 7. ZusProtMRK ist entgegen anderslautenden Vermutungen (vgl. BVerfGE 75, 1, 23) bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Kraft getreten. Auch das EuAlUbk sieht kein entsprechendes Auslieferungshindernis vor, sondern erfaßt in Art. 9 - ebenso wie § 9 Nr. 1 IRG - nur den Fall der rechtskräftigen Abur- teilung im ersuchten Staat. Aus dem Umstand der Nichtregelung der erneuten Strafverfolgung trotz vorangegangener Verurteilung im ersuchenden Staat läßt sich unter Berücksichtigung der sonst allumfassenden Regelung von persönlichen und sachlichen Auslieferungshindernissen ein gewichtiger Gesichtspunkt gegen das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts gewinnen.

Darüberhinaus weichen die Auffassungen über den Begriff „derselben Tat" in den einzelnen Rechtsordnungen erheblich voneinander ab, so daß Inhalt und Trag- weite des Grundsatzes kaum eindeutig und allgemeinverbindlich zu bestimmen wären. Schon die Völkerrechtsfeundlichkeit der deutschen Rechtsordnung und das damit verbundene Gebot der Achtung fremder Rechtsordnungen verbieten, den Maßstab des deutschen Rechts bei der Begriffsbestimmung zugrundezulegen.

Die Souveränität eines jeden Staates verlangt, daß fremde Staaten nicht dar- über bestimmen, wie der Tatbegriff auszulegen ist. Es muß von daher dem er- suchenden Staat vorbehalten bleiben, nach seiner Rechtsordnung zu entscheiden, in welchem Umfang und mit welchen Wirkungen er einer Verurteilung wegen derselben Tat Rechnung trägt. Es ist generell nicht Aufgabe deutscher Gerichte und deutscher Staatsgewalt, bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse darauf zu achten, ob gewährleistet ist, daß fremde Staatsgewalt in Ansehung des in Rede stehenden Sachverhalts den gleichen Beschränkungen unterliegt wie die entscheidenden deut- schen Gerichte oder die berufene deutsche Staatsgewalt durch das geltende inner- staatliche Recht.

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Entscheidungen 277

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und Gesichtspunkte läßt sich daher keine allgemeine Regel feststellen, nach der das Verbot der Doppelbestrafung schlechthin zum Kerngehalt des internationalen Strafrechts zu rechnen wäre (vgl. zu alledem auch OLG Karlsruhe NJW 1988, 1476; OVG Münster NVwZ 1982, 454; Grützner-Pötz-Vogler, aaO., § 73 IRG Rdnrn. 25, 26).

Auch der Bundesgerichtshof geht demgemäß davon aus, daß der Grundsatz „ne bis in idem" im internationalen Strafrecht nicht allgemein anerkannt und auf zwischenstaatliche Beziehungen nicht anwendbar ist (vgl. BGHSt 34, 334, 340; 33, 26, 33).

Der Umstand, daß der Verfolgte durch das Urteil des Landgerichts Athen vom 7. Juli 1989 bereits wegen eines Teilkomplexes (Freiheitsberaubung und unerlaubter Waffenbesitz) bezüglich der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen verurteilt worden ist, hindert demgemäß nicht seine Auslieferung zur Strafverfolgung wegen der ihm zur Last gelegten vollendeten und fortgesetzten versuchten Erpressung, die nach griechischem Recht als Verbrechen eingestuft ist. Mag auch nach deutschem Rechtsverständnis der gesamte geschichtliche Vorgang zwischen dem 24. und 26. Februar 1985 als eine Tat iSd § 264 Abs. 1 StPO anzusehen sein; jedenfalls sieht die griechische Rechtsordnung eine entsprechende Beurteilung des Tatbegriffs ersichtlich nicht vor, vielmehr erlaubt sie im Hinblick auf den graduellen Unter- schied zwischen Verbrechen und Vergehen augenscheinlich die erneute (ausgesetzte) Strafverfolgung wegen des Verbrechenstatbestandes, wenn wegen des Vegehens- tatbestandes bereits ein Urteil gegen den Angeklagten ergangen ist.

IV. Im übrigen bestehen keine sonstigen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Aus-

lieferung zur Strafverfolgung. Das Auslieferungsersuchen genügt den formellen Voraussetzungen des Art. 12

EuAlÜbk. Der Verfolgte unterliegt der Auslieferung gemäß Art. 1, 2 und 6 EuAlÜbk in Verbindung mit § 2 IRG. Er ist nicht Deutscher im Sinne der Art. 16 Abs. 2, 116 Abs.l GG, sondern nach den Angaben im Auslieferungsersuchen und seinen eigenen Angaben bei der richterlichen Anhörung vom 5. April 1993 grie- chischer Staatsangehöriger.

Die Straftaten, hinsichtlich derer die Auslieferung erfolgen soll, sind auch aus- lieferungsfähig gemäß Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk. Sie sind sowohl nach deutschem Recht (§§ 253, 255, 22, 23 StGB) als auch nach dem Recht des Heimatstaates des Verfolgten (Art. 380, 385, 98, 42 griech. StGB) im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht. Umstände, die nach Art. 3-5 und 7-11 EuAlÜbk der Auslieferung entgegenstehen könnten sind nicht ersichtlich.

Eine Strafverfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Der Senat hatte daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen eingeschränkten

Umfang die Auslieferung für zulässig zu erklären.

This content downloaded from 195.34.79.223 on Sat, 14 Jun 2014 12:57:39 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions


Recommended