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Soziale Frühwarnsysteme – Frühe Hilfen für Familien Arbeitshilfe zum Aufbau und zur Weiterentwicklung lokaler sozialer Frühwarnsysteme
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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

Arbeitshilfe zum Aufbau undzur Weiterentwicklung lokalersozialer Frühwarnsysteme

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1Frühe Hilfen für Familien

Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.)

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

Arbeitshilfe zum Aufbau und zur Weiterentwicklung lokaler sozialer Frühwarnsysteme

ISA-0039 Arbeitshilfen 16.02.2005 10:53 Uhr Seite 1

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Impressum

Herausgeber:Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-WestfalenFürstenwall 25, D-40219 Düsseldorf

Redaktion:ISA – Institut für soziale Arbeit e.V.Studtstr. 20, 48149 Münster

Bearbeitung:Dr. Erwin Jordan, Karin Schneider und Dr. Sabine Wagenblass

1. Auflage: 1000Stand: Dezember 2004

2005 © by ISA – Institut für soziale Arbeit e.V.

Gestaltung und Herstellung:KJM GmbH, Münster

Druck:WAZ Druck, Duisburg

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für FamilienArbeitshilfe zum Aufbau und zurWeiterentwicklung lokaler sozialerFrühwarnsysteme

2 Frühe Hilfen für Familien

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Inhalt

1. Die Gänse der Juno – Was ist ein Frühwarnsystem? 6

2. Wir können besser werden! 72.1 Hilfen für Kinder und Familien

kommen oft zu spät! 72.2 „Klassische“ Präventionsansätze

laufen nicht selten „ins Leere“. 82.3 Spezialisierungen und Ausdifferen-

zierungen in der sozialen Arbeit machen die Sache nicht immerleichter! 9

2.4 Nur gemeinsam kann es weitergehen 10

3. Bausteine eines sozialen Frühwarnsystems 11

3.1 Basiselement: Wahrnehmen 113.2 Basiselement: Warnen 123.3 Basiselement: Handeln 13

4. Schlüsselprozesse – Der Weg zu einem sozialen Frühwarnsystem 14

4.1 Handlungsfähig bleiben: Gegenstands- bzw. Problembereich klar bestimmen und begrenzen 14

4.2 Das Mittel zum Zweck: Gelingende Kooperation 16

4.3 Konsens herstellen: Die Basis des gemeinsamen Handelns klären 17

4.4 Nichts dem Zufall überlassen: Geregelte Verfahren etablieren 18

4.5 Die Nagelprobe: Kontrakte vereinbaren 19

5. Stolpersteine 215.1 Unklare Zielformulierungen 215.2 Zu umfangreiches Vorhaben 215.3 Geringe Mitwirkungsbereitschaft

zentraler Akteure 215.4 Konkurrenz 225.5 Unverbindlichkeit in den Absprachen 225.6 Keine Überprüfung der entwickelten

Indikatoren auf Alltagstauglichkeit 225.7 Die betroffenen Familien aus dem

Blick verlieren 235.8 Nichtbeachten des Datenschutzes 235.9 Fehlendes Frühwarnmanagement 23

6. Fazit 25

7. Anhang 267.1 Die Modellstandorte im Überblick 267.2 Verwendete Literatur 297.3 Projektbezogene Veröffentlichungen 297.4 Glossar 30

3Frühe Hilfen für Familien

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Vorbemerkung

In seiner bisherigen Entwicklungs- und Erprobungs-phase (2001 – 2004) hat das Modellprojekt „SozialeFrühwarnsysteme in Nordrhein-Westfalen“ – gefördertvom Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen undFamilie des Landes NRW – gezeigt, dass strukturierte,verlässliche und berechenbare Kooperationen vonFachkräften bei öffentlichen und freien Trägern derKinder- und Jugendhilfe, des Gesundheitssystems undvon anderen familienbezogenen Dienstleistern einenwichtigen und sinnvollen Beitrag dazu leisten, riskanteLebenssituationen bei Kindern und Familien bzw. inihren Lebenswelten frühzeitiger wahrzunehmen, zu be-urteilen und entsprechend zu handeln. Das Zusammenführen der drei Basiselemente:

� Wahrnehmen einer riskanten Entwicklung (in ei-nem frühen Stadium),

� das Aussprechen einer eindeutigen Warnung und

� das konsequente Handeln zu einer geschlossenenReaktionskette

ist das Innovative eines sozialen Frühwarnsystems ge-genüber den klassischen Präventionsansätzen. Einequalifizierte Wahrnehmung für sich alleine verändertnoch nichts an der Lebenssituation von Kindern undihren Familien. Es gibt immer wieder Fälle in der Pra-xis, bei denen im Nachhinein deutlich wird, dass ver-schiedene Personen und Institutionen frühzeitig ersteAnzeichen wahrgenommen haben, aber ihre Wahrneh-mungen entweder gar nicht, zu uneindeutig oder an diefalschen Institutionen weitergegeben haben, so dass dieWahrnehmungen bzw. die Warnungen keine Konse-quenzen nach sich gezogen haben. Erst eine eindeutigeWarnung an die verantwortlichen Akteure und Institu-tionen kann ein konsequentes Handeln nach sich zie-hen.

Die Pilotphase

An der dreijährigen Pilotphase nahmen insgesamtsechs Modellstandorte teil:

� vier Städte: Bielefeld, Dortmund, Herne, Emme-rich,

� der Kreis Siegen-Wittgenstein und

� der Deutscher Kinderschutzbund LandesverbandNRW/Ortsverband Essen als freier Träger.

Die sechs Modellstandorte haben sehr unterschiedlichesoziale Frühwarnsysteme entwickelt: Im Projektstand-ort Kreis Siegen-Wittgenstein ging es vor allem umdie Entwicklung von Instrumenten zur sozio-kulturel-len Analyse von Sozialräumen. Das DortmunderFrühwarnsystem fokussierte die biografischen Über-gänge von Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren undqualifizierte die Zusammenarbeit der Institutionen (Ju-gendhilfedienst, Kindertageseinrichtungen, Grund-schule) an diesen Schnittstellen. In Herne wurden alsZielgruppe die 3- bis 6-jährigen Kindergartenkindermit Verhaltensauffälligkeiten eines Stadtbezirks ausge-wählt. Der Deutsche Kinderschutzbund hat als zen-tralen Ort des Frühwarnsystems ein Kinderhaus in Es-sen gewählt. Das Frühwarnsystem wurde dort aufbau-end auf den Leitfragen: „Was brauchen Kinder, waswollen Kinder und was können Kinder?“ als aktivie-rendes Modell entwickelt, auf dessen Grundlage Kin-desvernachlässigung frühzeitig erkannt und bearbeitetwerden kann. In Bielefeld wurden Familien mit Neuge-borenen/Kleinkindern als Zielgruppe des sozialenFrühwarnsystems benannt. Ihnen soll über die Vermitt-lung ehrenamtlicher Patenschaften der Alltag erleich-tert werden. Das soziale Frühwarnsystem in Emme-rich stellte Familien mit Kindern, die in unzumutbarenWohnverhältnissen leben, in den Mittelpunkt. Mit denneu entwickelten Hilfesettings kann diesen Familienaktivierende und vor allem unkonventionelle Unterstüt-zung durch die Fachkräfte angeboten werden. Im An-hang (Kapitel 7.1) sind die Modellstandorte und ihreFrühwarnsysteme etwas ausführlicher dargestellt.Die Ergebnisse in den Modellstandorten haben gezeigt,dass Frühwarnsysteme bei vergleichsweise geringemAufwand nachhaltige Verbesserungen bringen. Ge-stützt durch die durchweg positiven Erfahrungen derModellerprobung sollen nunmehr interessierte Kom-munen und freie Träger beim Aufbau eines sozialenFrühwarnsystems unterstützt werden. Die modellbe-gleitenden Recherchen (Umfrage unter den Jugendäm-tern in Nordrhein-Westfalen) haben belegt, dass vieler-orts präventive Angebote bzw. Projekte für Kinder undFamilien vorhanden sind bzw. auf- und ausgebaut wer-den. Im Ergebnis zeigte sich aber, dass bei einem Groß-teil der in die Bestandsaufnahme eingegangenen Pro-jekte in der Regel nur Teilaspekte der Anforderungenan ein komplexes System der Früherkennung abge-deckt werden. Eine systematische Zusammenführungder einzelnen Teile zu einem Gesamtsystem fehlt je-doch bislang.

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

4 Frühe Hilfen für Familien

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Die konsequente Weiterentwicklungin NRW

Die genannten Aspekte – das „soziale Frühwarnsy-stem“ als ein erfolgversprechendes Handlungskonzepteinerseits und der noch zu verbessernde Ausbau unddie Vernetzung früher Hilfen in den Kommunen inNRW andererseits – sprechen dafür, einen weiterenSchritt der Umsetzung einzuleiten. Das Institut für so-ziale Arbeit e.V. (ISA) hat den Auftrag, eine überregio-nale Service- und Kontaktstelle für interessierte Kom-munen, Institutionen oder Interessengruppen einzu-richten. Ziel dieser zweiten Projektphase wird es sein,soziale Frühwarnsysteme landesweit als lokal veran-kerte Regelstrukturen zu implementieren. Das ISAübernimmt dabei vor allem die Aufgabe, interessierteKommunen und Verbände, lokale Akteure und Institu-tionen zu beraten und sie bei der Entwicklung einer anden örtlichen Rahmenbedingungen orientierten Kon-zeption zu unterstützen, unabhängig davon, ob sie be-reits in der einen oder anderen Form Strategien im Um-gang mit riskanten Lebenslagen von Familien entwik-kelt haben oder erst am Anfang stehen.

Die Arbeitshilfe

Die hier vorgelegte Arbeitshilfe ist vor dem Hinter-grund der Erfahrungen in der Pilotphase an den sechsModellstandorten entstanden und soll ein Verständnisüber die Grundideen des sozialen Frühwarnsystemsvermitteln. Gleichzeitig sollen interessierte Kommu-nen und Verbände, lokale Akteure und InstitutionenAnregungen und Hilfen für die Entwicklung konkreterlokaler Initiativen finden. Die Materialien umfassensowohl Texte, die die theoretischen Grundlagen skiz-zieren als auch konkrete Vorschläge, wie die Idee einessozialen Frühwarnsystems praktisch umgesetzt werdenkann.

5

Informationen zur Arbeitshilfe:

An einigen Stellen finden Sie weiterführende Literatur.

Die grundlegenden Begriffe des sozialen Frühwarnsystems sind in einem Glossar schnell zugreifbar.

Dieses Symbol weist auf Checkfragen im Kapitel „Stolpersteine“ hin.??

GG

LL

Kontakt

Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Gregor Hensen ([email protected]) imInstitut für soziale Arbeit e.V.Studtstr. 20, 48149 MünsterTelefon: 0251/925 36-0, Telefax: 0251/925 36-80

www.isa-muenster.dewww.soziales-fruehwarnsystem.de

Frühe Hilfen für Familien

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Wir verfügen in nahezu allen Lebensbereichen – Na-turbeherrschung, Gefahrenabwehr, Sicherheit etc. –über „Frühwarnsysteme“, die rechtzeitiges Handelnzur Vermeidung größeren Übels ermöglichen sollen.Ein frühes Beispiel für solche Frühwarnsysteme sinddie heiligen Gänse der Juno, die 390 vor Christus dieRömer mit ihrem lauten Schnattern vor einem Angriffder Gallier warnten, so dass diese das Capitol verteidi-gen konnten. In alten Bauernregeln findet sich Wissenin Bezug auf die Deutung von Wetterlagen, um dieErnte zu retten. Unser Körper registriert Gefahren –Hitze, Kälte –, um uns zu schützenden Reaktionen zuveranlassen. In dem Maße, wie durch naturwissenschaftliches Wis-sen, technische Umsetzungen und Erfindungen die Na-turbeherrschung durch den Menschen gesteigert wer-den konnte, haben Frühwarnsysteme allgemeine Ver-breitung gefunden. Das Manometer warnt vor zu ho-hem Kesseldruck und Explosionsgefahr, ein Thermo-meter signalisiert eine ggf. überhöhte Betriebstempera-tur eines Motors, ein Rauchmelder weist auf die Gefahreines Brandes hin, ein Seismograph warnt vor Erdbe-ben, ein Luftdruckmesser vor gefährlichen Winden,Stürmen oder Orkanen, ein Geigerzähler vor Radioak-tivität. Im Bereich der Gesundheitsvorsorge lassen sich– z.B. durch Blutuntersuchungen – mögliche Krank-heiten frühzeitig zu erkennen. Auch in der Ökonomieund Politik werden Frühwarnsysteme eingesetzt. Sosoll beispielsweise das Überschreiten eines Grenzwer-tes des jährlichen Budgetdefizits (EU Schwellenwert 3% des Bruttoinlandsprodukts) oder der öffentlichenVerschuldung (EU Schwellenwert 60% des Bruttoin-landsprodukts) vor negativen wirtschaftlichen Auswir-kungen (u. a. Inflation) warnen. Meinungsumfragen si-

gnalisieren politische Trends und Verkehrszählungenhelfen, blockierende Konzentrationen des Verkehrsfrühzeitig zu erkennen. Gemeinsam ist allen Frühwarnsystemen, dass sie aufmessbaren Sachverhalten und Grenzwerten basieren,deren Überschreiten eine Warnung hervorruft und eineReaktion nach sich zieht. Am Beispiel eines Rauch-melders lässt sich die Funktionsweise solcher techni-schen Frühwarnsysteme aufzeigen (s. Abbildung 1 aufdieser Seite).Wichtig ist, dass der Rauchmelder nur bei „echter“ Ge-fahr eine Warnung abgeben darf. Würde er bei jeder Zi-garette oder brennenden Kerze Alarm auslösen, dannwürde auf Dauer niemand mehr die Warnung ernstnehmen. Sind die Rauchmelder darüber hinaus an derrichtigen Stelle und in ausreichendem Maße installiert,so kann großer Schaden verhindert und Leben gerettetwerden.Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, danach zufragen, ob es auch im Bereich des Sozialen, d. h. deszwischenmenschlichen Zusammenlebens, des Funktio-nierens von Gesellschaft, der Entwicklungen von Ein-zelnen und Gruppen, Frühwarnsysteme gibt bzw. sichentwickeln lassen, die helfen, negative (ungünstige)Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, um diesen ent-gegenzuwirken zu können.

�Kurz gefasst:Frühwarnsysteme beinhalten alle systematisch er-folgenden Aktionen der Wahrnehmung, Samm-lung, Auswertung und Weiterleitung von Informa-tionen bzw. Fakten, um damit die zielgerichtetePlanung und die Realisierung von zeitnahen Re-aktionsstrategien zu ermöglichen.

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

6 Frühe Hilfen für Familien

1. Die Gänse der Juno – Was ist ein Frühwarnsystem?

Der �Rauchmelder ist mit einer �Messkammer ausge-stattet, in der in bestimmten Intervallen eine Lichtquelle ein-geschaltet wird. Kommt �Rauch in die Messkammer, wirdder Lichtstrahl gestreut. Ab einer gewissen Streuung desLichtstrahls (Übertreten eines Schwellenwertes) wird einePhotozelle aktiviert, das sogenannte „Auge“ des Rauchmel-ders (Wahrnehmung der Gefahr). Dadurch wird automatischAlarm ausgelöst (Warnung). Der laut erschallende �Signal-ton hilft den betroffenen Personen schnell und situationsge-recht zu reagieren; allem voran sich und seine Angehörigenrechtzeitig in Sicherheit zu bringen und die �Feuerwehr an-zurufen (Handlung).

Abbildung 1: Die Reaktionskette – Vom Rauch zur Feuerwehr

Rauchmelder

�Rauch�Messkammer�Signalton�Feuerwehr

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Die Lebenssituation von Kindern und Familien hat sichin den letzten Jahren verändert. Es sind vielfältigereFormen des Zusammenlebens entstanden und nebender Familie sind eine Vielzahl von Institutionen undPersonen an der Erziehung von Kindern beteiligt. Fa-milien müssen verstärkt die Aufgabe übernehmen, dieHeterogenität der verschiedenen Erziehungsorte und -stile zusammenzuführen und zu integrieren. Die Er-ziehung von Kindern ist für die Familien insgesamt„anspruchsvoller, widersprüchlicher und konfliktrei-cher geworden“ (Böllert 2003, S. 37). Damit Familienan diesem komplexen Erziehungsauftrag nicht schei-tern, fordert der 11. Kinder- und Jugendbericht einneues Ineinandergreifen von privater und öffentlicherUnterstützung für Kinder und Familien (Bundesmini-sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend2002). Der öffentlichen Unterstützung kommt dabeidie Aufgabe zu, Familien eine soziale Infrastruktur undDienstleistungen bereitzustellen, damit sie ihre privateVerantwortung für das Aufwachsen der kommendenGeneration wahrnehmen können.

2.1 Hilfen für Kinder und Familien kommen oft zu spät!

Auch in NRW ist die eigentlich paradoxe Entwicklungzu beobachten, dass es einerseits ein ausdifferenziertesSystem an öffentlichen Hilfen für Kinder und ihre Fa-milien gibt, andererseits jedoch immer wieder beklagtwird, dass diese Hilfen nicht richtig bzw. viel zu spätgreifen. So weist das Landesamt für Datenverarbeitungund Statistik des Landes NRW für die letzten Jahren ei-nen deutlichen Anstieg bei den Ausgaben der Jugend-hilfe nach. Bei diesen Leistungen handelt es sich imWesentlichen um die Förderung von Kindern in Tages-einrichtungen (insbesondere Kindergärten, Horte etc.)und in Tagespflege, Hilfen zur Erziehung in ambulan-ter, teilstationärer und stationärer Form (zum BeispielErziehungsberatung, sozialpädagogische Familienhilfe,Vollzeitpflege, Heimerziehung, intensive sozialpäd-agogische Einzelbetreuung), Angebote der Jugendar-

7Frühe Hilfen für Familien

2. Wir können besser werden!

beit sowie der Förderung der Erziehung in der Familie(Familienbildung, Familienerholung). Betrugen 1994 die reinen Nettoausgaben noch 164 Europro Einwohner, so waren 2002 bereits Ausgaben in Hö-he von 232 Euro pro Einwohner zu verzeichnen. Diesentspricht einer Steigerungsquote von 41% (vgl. LDSNRW, Stand Februar 2004). Dennoch gelingt die Früh-erkennung von riskanten Entwicklungen bei Kindernund ihren Familien häufig unzureichend und viele Fa-milien erhalten oder nehmen erst dann Hilfe und Unter-stützung in Anspruch, wenn die Probleme sich bereitsverfestigt haben. Kommt es dann zu einer Eskalationder Probleme, wird rückblickend oftmals deutlich, wel-che Entwicklung in vielen kleinen Schritten stattgefun-den hat und wie viele Warnhinweise im Vorfeld gegebenwaren, ohne dass jedoch ein Hilfesystem aktiv gewor-den ist. Wo aber frühzeitige Hilfen versagen bzw. nichtstattfinden, können später erhebliche Folgen für dieKinder zu beklagen sein (s. Abbildung 3).

100

Nettoausgaben pro EW in Euro

150

1994 1996 1998 2002 2004

200

250

164

178

193

206

232

Normalzustand SchwelleLatente Krise

bzw.schwache Signale

SchwelleAkute Krise

bzw. Verfestigung� �

Abbildung 3: Phasenmodell

Abbildung 2: Nettoausgaben der Jugendhilfe pro Einwohner(vgl. LDS NRW, Stand Februar 2004).

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Viele Probleme werden erst dann bearbeitet, wenn dasSignal – wie bei einer Ampel – sich im Übergang vonGelb nach Rot oder bereits im roten Bereich befindet,d. h. in der Praxis intensivere Hilfen wie eben Hilfenzur Erziehung gewährt werden müssen. Ziel des sozia-len Frühwarnsystems ist es, hier bereits im Vorfeld tä-tig zu werden und Probleme in ihrem Entstehungspro-zess, d. h. im Übergang von Grün nach Gelb bzw. beiGelb zu erkennen und zu bearbeiten.

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

8 Frühe Hilfen für Familien

�Kurz gefasst:Trotz steigender Ausgaben im Bereich der Ju-gendhilfe und einer Ausdifferenzierung der An-gebote für Familien, gelingt die Früherkennungvon riskanten Entwicklungen bei Kindern undihren Familien in der Praxis oftmals immer nochunzureichend und viele Familien erhalten odernehmen erst dann Hilfe und Unterstützung inAnspruch, wenn die Probleme sich bereits verfe-stigt haben.

Tipps zum Weiterlesen:

Ader, S./Schrapper, Chr. 2002: Wie aus Kindern inSchwierigkeiten „schwierige Fälle“ werden. In:Forum Erziehungshilfen 1, 27-34

LL

2.2 „Klassische“ Präventionsansätzelaufen nicht selten „ins Leere“.

Nun ist die Idee des vorbeugenden Handelns in der so-zialen Arbeit nicht neu. Mit dem 8. Kinder- und Ju-gendbericht (Bundesministerium für Jugend, Familie,Frauen und Gesundheit 1990, S. 85) wurde Präven-tion im Sinne eines vorbeugenden Handelns als einezentrale Strukturmaxime der Jugendhilfe definiert. Ei-ne präventive Orientierung – so die Autoren – richtetihren Blick auf drohende Konflikte und Risiken bei In-dividuen oder in Sozialräumen und versucht, möglichstfrühzeitig in diese Prozesse einzugreifen, um die Wahr-scheinlichkeit für das Eintreten solcher Entwicklungenzu reduzieren. Unterschieden wurde dabei zunächst zwischen primä-rer und sekundärer Prävention (vgl. Bundesministeri-um für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 1990,S. 85), später wurde dann in Anlehnung an die Arbei-ten von Caplan noch die tertiäre Prävention eingeführt.Primäre, sekundäre und tertiäre Prävention unterschei-

GG

den sich hinsichtlich ihrer Zielsetzung und des Zeit-punktes, wann die Maßnahmen ansetzen:Während die primäre Prävention auf die Stabilisie-rung lebenswerter Verhältnisse abzielt, wird die sekun-däre Prävention als vorbeugende Hilfen in Situatio-nen wirksam, die erfahrungsgemäß belastend sind undsich zu Krisen auswachsen können. Die tertiäre Prä-vention zielt schließlich darauf ab, die Folgen bereitseingetretener Krisen und Probleme zu reduzieren. Ent-sprechend erfolgen primär präventive Maßnahmen zueinem Zeitpunkt, an dem Konflikte und Krisen nochnicht aufgetreten sind, jedoch die Wahrscheinlichkeiteiner solchen Entwicklung (statistisch) nicht ausge-schlossen werden kann. Die sekundär präventiven Maß-nahmen erfolgen, wenn die Konflikte und Krisen nochnicht manifest sind und eine Verfestigung vermiedenwerden kann. Die tertiär präventiven Maßnahmen set-zen an, wenn Auffälligkeiten bereits aufgetreten sind,weitere Folgeprobleme aber verhindert werden sollen.In der Praxis löste der 8. Kinder- und Jugendbericht ei-ne wahre Präventionseuphorie aus, denn auf Grundlageder Einteilung in primäre, sekundäre und tertiäre Prä-vention konnte nahezu jedes Handeln in der Kinder-und Jugendhilfe als präventiv definiert werden. Die Präventionskonzepte kamen aber bald in die Kriseund in Zeiten immer knapper werdender Kassen wur-den Ende der 90er Jahre viele Maßnahmen gekürzt, diezuvor unter der Allgemeinformel „Prävention“ bewil-ligt worden waren.Die Gründe, warum die Prävention in die Krise kam,waren vielfältiger Art:

� Prävention wurde zum Schlagwort, das alles um-fassen sollte, was als Umorientierung, Verände-rung und Innovation im Bereich der sozialen Ar-beit galt (vgl. Böllert 1995, S. 113f). Mit dieserAllzuständigkeit und Entgrenzung des Präventi-onsbegriffes war in der Praxis oftmals nicht mehreindeutig, was Prävention und was Intervention ist.

� Die Wirkungen der Präventionsmaßnahmen blie-ben meist diffus, da es kaum Verfahren zur Mes-sung und Evaluation gab.

� Präventionskonzepte zielten oftmals pauschal aufso genannte „Risikogruppen“ ab. Dabei wurdenPersonen anhand eines Merkmals, wie z.B. allein-erziehend in Risikogruppen oder Nicht-Risiko-gruppen eingeteilt und damit zur Zielgruppe prä-ventiver Maßnahmen. Viele Präventionskonzeptewaren deshalb wenig zielgerichtet und in ihrenWirkungen ineffektiv.

� Das „Gießkannenprinzip“ führte z.T. dazu, dassdie eingesetzten Ressourcen und der erzielte Er-trag in keinem Verhältnis zueinander standen. Breitangelegte Präventionskampagnen haben nicht un-bedingt mehr Wirkung gezeigt.

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� Viele Präventionsprojekte waren befristet angeleg-te Programme oder Kampagnen, mit denen (öffent-lichkeitswirksam) Problemlösungen suggeriertwerden sollten.

� Die präventive Arbeit war oftmals auf eine Ein-richtung bzw. auf ein System begrenzt. VernetztePräventionsangebote, die verschiedene Systememiteinander verknüpften und interdisziplinäre Zu-gänge entwickelten, waren selten.

9Frühe Hilfen für Familien

�Kurz gefasst:Obwohl die Grundidee des präventiven und vor-beugenden Handelns nach wie vor von zentralerBedeutung für die Arbeit mit Familien ist, schei-tern viele klassische Präventionskonzepte auf-grund des Mangels an begrifflicher Klarheit, andifferenzierten Konzepten und an methodischerNachhaltigkeit.

Tipps zum Weiterlesen:

Böllert, K. 1995: Zwischen Intervention und Prä-vention. Neuwied, Kriftel, Berlin

Lindner, W./Freund, T. (Hrsg.) 2001: Prävention.Zur kritischen Bewertung von Präventionsan-sätzen in der Jugendarbeit. Opladen

LL

2.3 Spezialisierungen undAusdifferenzierungen in der sozialenArbeit machen die Sache nicht immerleichter!

Die in den zurückliegenden Jahren erfolgte Ausdiffe-renzierung und Spezialisierung sozialer und pädagogi-scher Angebote und Dienstleistungen ist ein Ergebnisder gestiegenen gesellschaftlichen Nachfrage nach Be-ratungs- und Unterstützungsangeboten und zugleichAusdruck einer gewachsenen Fachlichkeit (Professio-nalisierung).Der damit verbundene Gewinn liegt darin, dass nun-mehr bezogen auf spezifische Problemkonstellationenspezialisiertes Wissen und Handeln zu Verfügung stehtund dadurch „besser“ geholfen werden kann. Die Kehr-seite dieser Medaille bedeutet allerdings, dass der Ge-winn an „Tiefe“ (spezialisiertem Wissen) mit dem Ver-lust einer ganzheitlichen, die Person des Rat- bzw. Hil-fesuchenden insgesamt erfassenden Problemlösung er-kauft wird und Hilfen „aus einer Hand“ nicht ohne wei-

teres zustande kommen. Wenn man z.B. die Binnen-struktur unseres hochkomplexen Gesundheitssystemsbetrachtet, so zeigt sich überdeutlich, dass es notwen-dig ist, Diagnosen, Behandlungen und Nachbetreuun-gen der jeweils beteiligten Spezialisten (Fachärzte)durch ein fachspezifisches Fallmanagement (der Haus-arzt als Lotse) begleiten zu lassen, um damit sowohlüberflüssige und zeitaufwendige Doppeluntersuchun-gen als auch auftretende Betreuungslücken zu kompen-sieren.Verstärkt wird dieser Mangel an ganzheitlichen Pro-blemlösungen, wenn – wie bei vielen Anforderungenund Problemen von Familien mit Kinder – unterschied-liche Professionen und Leistungsanbieter jeweils nurfür einen Teilbereich zuständig sind (z.B. in Bezug aufVerhaltensauffälligkeiten bzw. Lernstörungen von Kin-dern). Hier müssen Kompetenzen und Zuständigkeitender Fachkräfte aus dem Gesundheitssystem, dem Bil-dungsbereich und der Kinder- und Jugendhilfe zusam-mengeführt werden.Vor diesem Hintergrund kann ein soziales Frühwarnsy-stem für Familien verstanden werden als ein notwendi-ger (und überfälliger) Versuch, unterschiedliche Diszi-plinen, Professionen, Wahrnehmungen und Lösungs-ansätze in ein koordiniertes und wirksames Zusam-menspiel zu bringen. Dies ist in der sozialen Arbeitkein grundsätzlicher neuer Ansatz. Unter den Stich-worten Kommunikation, Kooperation und Vernetzungetc. werden schon seit längerem die Notwendigkeitenbetont, durch gezielte Zusammenarbeit unterschiedli-cher Anbieter und Leistungen das Hilfeangebot „pass-genauer“, wirkungsvoller und damit im Ergebnis auchwirtschaftlicher zu erbringen.

�Kurz gefasst:Der Trend zur Spezialisierung von Unterstüt-zungsangeboten bringt zwar einen Zuwachs anProfessionalität, aber gleichzeitig einen Verlustan ganzheitlichen Problemlösungsstrategien.Ein soziales Frühwarnsystem ist keine neue undseparate Säule, die neben die gegebenen Struk-turen gestellt wird und damit keine weitere Spe-zialisierung. Die Stärke eines sozialen Früh-warnsystems liegt vielmehr darin, die im Rah-men eines lokalen Kontextes gegebenen Ressour-cen (nicht nur professioneller Dienste, sondernauch die Möglichkeiten ehrenamtlichen Engage-ments) produktiv zusammenzuführen.

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2.4 Nur gemeinsam kann es weitergehen

Vielfältige Erfahrungen im Zusammenhang mit derEntwicklung, dem Aufbau und der Verstetigung von( interdisziplinären) Kooperationen und Vernetzun-gen über Institutionen und Träger hinweg zeigen, dassdie Realität weithin geprägt ist von mehr oder minderunverbindlichen Kontaktaufnahmen, offenen und we-nig ergebnisorientierten Diskussionen und Beliebigkei-ten in Form und Inhalten mit geringen wahrnehmbarenAuswirkungen auf die Steigerung der Effektivität so-zialer Dienstleistungen. Koordination und Vernet-zung ist oft ein arbeits- und zeitintensives Unterneh-men, dessen Wirksamkeit eher angezweifelt wird oderweit hinter den gesetzten Erwartungen bleibt. DieseEinschätzungen und Wahrnehmungen werden auchdurch die Literatur bestätigt. „Nicht selten gewinntman den Eindruck, Netzwerke seien kaum mehr als ei-ne Art psychosozialer Selbstfindungszirkel, die zwardurchaus ersprießlich sein mögen, aber eher wenig miteinem strukturierten, professionellen Netzsystem imsozialen Dienstleistungssektor zu tun haben“ (Bosson2003, S. 469). Obwohl die Forderung nach Koope-ration in den gesetzlichen Grundlagen der Hilfesyste-me rechtlich verankert ist (bspw. § 80, § 36 SGB VIII;§ 24 ÖGDG kommunale GesundheitskonferenzenNRW), sind die spezialisierten Angebote der sozialenArbeit, des Gesundheits- und Bildungssystems in derRegel nicht aufeinander bezogen. Van Santen und Sek-kinger (2003, S. 9) haben im Rahmen ihrer Studie „Ko-operation: Mythos und Realität einer Praxis“ festge-stellt, dass „Kooperation eine mit vielen positiven Er-wartungen überladene Problemlösungsstrategie (ist),auf die (...) gerne zurückgegriffen wird, wenn komple-xe Aufgaben bearbeitet werden müssen“. Auf derHandlungsebene konnte Kooperation bislang noch kei-ne eigene normative Kraft entwickeln (ebd., S. 10).In der Konsequenz der eher kritisch zu bewertendenErfahrungen mit bisherigen Strategien der Kooperationund Vernetzung in sozialen Diensten und mit angren-zenden Institutionen des Gesundheits- und des Bil-dungssystems machen daher darauf aufmerksam, dasses für das Gelingen und die Wirksamkeit interinstitu-tioneller Kooperationen insbesondere ankommt auf:

� die Längerfristigkeit und Nachhaltigkeit derZusammenarbeit,

� das Vorhandensein von Schnittmengen in denAufgabenstellungen,

� gemeinsame (leistungs- und wirksamkeitsverbes-sernde) Zielsetzungen,

� Vermeidung von widersprüchlichen und einan-der neutralisierenden Aktivitäten,

� die Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit.

GG

GG

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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

10 Frühe Hilfen für Familien

Letztlich – so zeigen praktische Erfahrungen – sindKooperationsprojekte nicht selten daran gescheitert,dass den beteiligten Personen und Institutionen der„Nutzeffekt“ für ihre eigene Arbeit nicht transparentgemacht werden bzw. nicht erreicht werden konnte.Deshalb müssen in sozialen Frühwarnsystemen nichtdie zu erreichenden Gesamtnutzeffekte angegeben (z.B. frühe Hilfen für Familien in Krisensituationen),sondern auch die gleichzeitig damit gegebene Entla-stung und Strukturierung der Arbeitssituation der Ak-teure in den unterschiedlichen Feldern (z.B. Kinder-garten, Schule, Jugendhilfedienst) benannt und als ex-plizites Arbeitsziel ausgewiesen werden.

�Kurz gefasst:Erfolgreich sind soziale Frühwarnsysteme alsKooperationsmodell, wenn für alle Beteiligteneine „Win-Win-Situation“ entsteht. Das heißt,der Aufwand (Zeit und Geld), den Personen undInstitutionen in den Aufbau eines sozialen Früh-warnsystems investieren, muss durch Erleichte-rungen, Entlastungen und Klärungen der eige-nen nach wie vor gegebenen Arbeitssituation„gegenfinanziert“ werden.

Tipps zum Weiterlesen:

van Santen, E./Seckinger, M. 2003: Kooperation:Mythos und Realität einer Praxis. Eine empiri-sche Studie zur interinstitutionellen Zusam-menarbeit am Beispiel der Kinder- und Jugend-hilfe. Opladen

Der Paritätische Landesverband NRW e.V. (Hrsg.)2004: Arbeitshilfe Kooperation. Erfolgreich zu-sammen arbeiten im Paritätischen Wohlfahrts-verband, Wuppertal

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Auch wenn das Beispiel der Ampel und des Rauchmel-ders gezeigt haben, dass Frühwarnsysteme im techni-schen oder betriebswirtschaftlichen Zusammenhangfunktionieren, ist eine Übertragung des Prinzips auf so-ziale Lebensverhältnisse nicht möglich. Denn sozialePhänomene und vor allem „Normalzustände“ könnennicht mit einfachem Messen erfasst werden, sondernmüssen bestimmt werden über gesellschaftliche undprofessionelle Konventionen und Normen. So kann einKinderarzt andere Kriterien und Maßstäbe bei der Ein-schätzung von kindlichen Verhaltensauffälligkeiten an-legen als möglicherweise eine Erzieherin im Kinder-garten. Unter dem „Normalzustand“ sind somit Ent-wicklungen und Lebensbedingungen von Kindern undihren Familien zu verstehen, die vor dem Hintergrundgesellschaftlicher und verschiedener professionellerKonventionen und Normen als durchschnittlich zumut-bar und ausreichend gelten. Im sozialen Frühwarnsystem geht es also um dieEntwicklung gemeinsam geteilter Bewertungskriterienvon „Normalzuständen“ und deren Veränderungen, dieauf fachlich begründeten Standards beruhen und ent-sprechende verbindliche Reaktionen in den Institutio-nen nach sich ziehen sollen. Daneben werden interdis-ziplinär neue Zugänge zu Familien eröffnet, deren Pro-blemlagen sich zu Krisen zuspitzen könnten bzw. Zu-gänge in Sozialräumen gesucht, die sich so zu verän-

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3. Bausteine eines sozialen Frühwarnsystems

WAHRNEHMENAuf den Gegenstandsbereich bezogene Indikatoren entwik-keln, Wahrnehmung bewerten und Schwellenwerte prüfen.

WARNENEindeutige Warnmeldungen an handlungsverpflichtete

Institutionen oder Personen weitergeben.

HANDELNKonsequentes, zeitnahes Reagieren der eigenen oder

gemeinsam mit anderen Institutionen.

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Abbildung 4: Die Basiselemente eines sozialen Frühwarnsystems

dern drohen, dass Familien dort Benachteiligung erfah-ren. Diese theoretischen Grundüberlegungen erfordernin der praktischen Umsetzung das Zusammenführenverschiedener Einzelelemente – nämlich eine qualifi-zierte Wahrnehmung, eine eindeutige Warnung und einkonsequentes, abgestimmtes Handeln – zu einem Ge-samtsystem.

3.1 Basiselement: Wahrnehmen

„Riskante Entwicklungen“ ist ein weiter Begriff,der sich auf Unterschiedliches beziehen kann. Sie kön-nen verschiedene psychische, soziale und ökonomischeHintergründe haben. Individuelle Hintergründe könnenz.B. gesundheitliche Probleme, Drogenkonsum der El-tern, Behinderung des Kindes, Gewalterfahrungen undKonflikte in der Familie und Überforderung in Erzie-hungsfragen sein. Soziale und ökonomische Faktorenfür riskante Situationen ergeben sich meist aus der Le-benslage der Familien z.B. durch finanzielle Bela-stung, fehlende Unterstützung im sozialen Umfeld, be-engte Wohnsituation oder einem niedrigen Bildungsni-veau der Eltern (vgl. Klein 2002, S. 8). Insofern ist dasFrühwarnsystem auf einen Gegenstandsbereich auszu-richten, der sich auf bestimmte, „riskante Entwicklun-gen“ bezieht. Darüber hinaus braucht es Indikatoren,auf deren Grundlage Aussagen zu diesen riskanten Ent-wicklungen bezogen auf den Gegenstandsbereichgetroffen werden können.

Indikatoren sind „messbare“ oder beobachtbare Sach-verhalte, die im Hinblick auf den ausgewählten Gegen-standsbereich Aussagekraft haben. Sie sind also Hilfs-mittel, die gewisse Information über den Gegenstands-bereich vermitteln. Soziale Verhältnisse sind hochkom-plexe (vernetzte, intransparente) Systeme, die durchdie vielfältigsten Faktoren (individuelle vs. kollektive,emotionale vs. kognitive, mikro- vs. makrogesteuerte,ökonomische vs. soziokulturelle Faktoren) gesteuertwerden. Sie sind typischerweise nicht über ein Kriteri-um oder eine überschaubare Gruppe von Kriterien un-mittelbar messbar. Von daher müssen sich soziale Früh-warnsysteme auf Indikatoren stützen, die mit einer be-stimmten (im Idealfall hohen) Wahrscheinlichkeit einbestimmtes, direkt nicht messbares Ereignis vorhersa-gen können. So kann z.B. das Einkommen der Bevöl-kerung als Indikator für den „Lebensstandard“ heran-gezogen werden. Das Beispiel macht deutlich, dassüber die Beziehung zwischen gemessenem Indikatorund dem eigentlich interessierenden Sachverhalt eine

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hypothetische Beziehung besteht. Einem geeignetenSystem sozialer Indikatoren kommt die Aufgabe zu, ei-ne dauerhafte und systematische Beobachtung von so-zialen Erscheinungen und Problemen zu ermöglichen(social monitoring).

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�Kurz gefasst:Im Basiselement Wahrnehmen muss die Klä-rung dessen erfolgen, was – bezogen auf unter-schiedliche Gegenstandsbereiche oder Zielgrup-pen – als kritische, problematische bzw. krisen-hafte Entwicklungen anzusehen und anhand wel-cher Indikatoren solche Entwicklungen bzw. derÜbergang zur Krise beobachtbar sind.

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Tipps zum Weiterlesen:

Institut für soziale Arbeit e.V. (Hrsg.) 1999: SozialeIndikatoren und Sozialraumbudgets in der Kin-der- und Jugendhilfe. Münster

Laucht, M./Esser, G./Schmidt, H. 1998: Risiko- undSchutzfaktoren der frühkindlichen Entwick-lung. Empirische Befunde. In: Zeitschrift fürKinder und Jugendpsychiatrie 26, S. 6-20(„Mannheimer Risikostudie“)

Beyer, A. u. a., 2004: Gelsenkirchener Entwick-lungsbegleiter. Tübingen

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3.2 Basiselement: Warnen

Risiken und Gefahren entstehen meist nicht von heuteauf morgen, sie kündigen sich schon weit vor einerakuten Krise bzw. einer Verfestigung von Problemla-gen durch schwache Signale an. Oftmals werden dieseschwachen Signale zwar erkannt, aufgrund fehlenderoder gestörter Kommunikation zwischen verschiede-nen Einrichtungen bzw. ihren Vertreter/innen jedochnicht gebündelt und hinsichtlich ihres Risikopotenzialsnicht richtig eingeschätzt. Reichen die Selbsthilfepo-tenziale der Betroffenen oder die Ressourcen des Sozi-alraumes nicht aus, dann können sich solche latentenGefahrensituationen zu akuten Krisen verdichten.Um solche schwachen Signale wahrnehmen zu kön-nen, wird es im Kontext eines Frühwarnsystems auchdarum gehen, Abweichungen bzw. Gefahrenpotenzialezu bewerten und zu filtern. Das Vorhandensein einesMerkmals an sich reicht allein jedoch nicht aus, um ei-ne Reaktion zu rechtfertigen bzw. auszulösen. Viel-mehr sind Gefahrenschwellen zu benennen, derenÜberschreiten das Eintreten eines kritischen Zustandes

erwarten lässt und somit eine Warnung erfolgen soll.Auch bezüglich dieser Schwellenwerte können wiruns nicht auf „objektive“ (raum- und zeitenabhängiggeltende) Aussagen verlassen. Wenn man heute nachdem Stand der industriellen Technik mit einiger Sicher-heit vorherzusagen vermag, wie viel Druck ein Kesselaushalten kann, bevor er platzt, sind solche Grenz-bzw. Schwellenwerte im sozialen Bereich wesentlichschwieriger zu bestimmen. Wann führt mangelndebzw. unzureichende Förderung und Fürsorge einesKindes zu nachhaltigen Entwicklungsstörungen? Wieviel Spannung bzw. Konflikt vermag eine sozialeGruppe (z. B. Familie, Nachbarschaft) oder ein Sozial-raum auszuhalten bzw. zu verarbeiten, bevor dies fürdie Beteiligten zu destruktiven und nicht mehr zu be-wältigenden Beeinträchtigungen und Krisen führt? DieBeantwortung solcher Fragen sind abhängig von der je-weiligen Perspektive und den Normalitätsannahmendes Betrachters, insofern sind die Schwellen und Über-gänge mit den beteiligten Kooperationspartnern auszu-handeln.Diese Aushandlungsprozesse sind grundlegend für dasGelingen eines sozialen Frühwarnsystems. Denn bisherhat fast jedes Hilfesystem – bedingt durch die unter-schiedlichen Ansätze, Zugänge und Berufsgruppen –eigene Kriterien für die Wahrnehmung und Beurtei-lung kindlicher und familialer Lebensbedingungen ent-wickelt, die eine Verständigung untereinander erschwe-ren. Erst dann, wenn die unterschiedlichen Sichtweisenund Bewertungen der beteiligten Akteure zu einemkleinsten gemeinsamen Nenner zusammengeführt wor-den sind, ist gewährleistet, dass auf eine Warnung aucheine Reaktion erfolgen kann. Also – um im Bild zubleiben – was hilft es, wenn die Gänse schnattern, sieaber nicht beachtet werden? Dann fällt möglicherweisedoch das Capitol.

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�Kurz gefasst:Im Basiselement Warnen werden gemeinsammit allen Beteiligten fachlich begründete Stan-dards ausgehandelt, Bewertungskriterien trans-parent und nachvollziehbar dokumentiert, umentsprechende Dosierungen der Reaktionen(Feuerlöscher versus gesamter Löschzug) in In-stitutionen zu verankern.

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3.3 Basiselement: Handeln

Damit Beobachtungen und Informationen nicht verlo-ren gehen, sollen im Rahmen des sozialen Frühwarnsy-stems verbindliche durch Kontrakte geregelte Ver-fahren entwickelt werden, die klären, wer die Beobach-tung und Information an wen weitergibt (Warnungdurch ... an ...) und welche Reaktionen auf die Wahr-nehmung einer Krise/Abweichung folgen soll (Han-deln durch ...). Durch solche klaren Absprachen undVerfahren ist ein zeitnahes und zielgerichtetes Handelnmöglich. Damit ist ein wesentlicher Gedanke des sozia-len Frühwarnsystems, dass wir nicht in erster Linie einMehr an Leistungspotenzialen, Institutionen, Speziali-sierungen, Personal und Geld benötigen, sondern dass– bevor solche Forderungen plausibel begründet undim politischen Diskurs durchgesetzt werden können –die in den gegebenen Strukturen schon angelegten,nicht immer jedoch optimal genutzten, Leistungsmög-lichkeiten ausgelotet und die gegebenen Ressourcendurch verbindlichere Formen der Zusammenarbeit ef-fektiver eingesetzt werden. Das Konzept des sozialen Frühwarnsystems setzt damitauch an dem immer wieder vorgetragenen Unbehagen(der Frustration) über nicht gelingende Kooperationaufgrund starrer, gelegentlich schier unüberwindbar er-scheinender Professions-, Institutions- und Bürokratie-grenzen, Hierarchisierungen und eingespielter Berufs-routinen an. So weisen Lehrerinnen und Lehrer bspw. nicht seltendarauf hin, dass im Umgang mit schwierigen Schüle-rinnen und Schülern zu selten und gelegentlich wenignachvollziehbare Resonanzen im Jugendhilfesystemfinden, während umgekehrt von Sozialarbeiterinnenund Sozialarbeitern manifest oder latent oft die Kritikzu hören ist, dass die in der Schule Tätigen nur an an-gepassten Schülerinnen und Schülern interessiert seienund dann, wenn sie einmal pädagogisch gefordert wä-ren, ihre Unzuständigkeit bzw. Überforderung artiku-lierten und nach Möglichkeiten der Abschiebung, derEntfernung des schwierigen Schülers aus dem Klassen-verband suchten. Es liegt auf der Hand, dass die Kulti-vierung derartiger wechselseitiger Wahrnehmungen,Bilder und Vorurteile zu Blockierungen führen und –dies nun einmal aus der Perspektive eines sozialenFrühwarnsystems betrachtet – kontraproduktiv wirkenmuss.

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�Kurz gefasst:Im Basiselement Handeln zeigt sich der Quali-tätssprung von einer „guten sozialen Arbeit“zum „sozialen Frühwarnsystem“. Er bestehtdarin, dass sowohl innerhalb einzelner Institu-tionen und Leistungsbereiche, die für Kinderund Familien von Bedeutung sind (Gesundheits-system, Schule, Jugendhilfe/Sozialarbeit, etc.),als auch zwischen den Institutionen auf Grund-lage gemeinsam reflektierter und begründeterAbsprachen, Regelungen und Verfahren eineverlässliche (verbindliche) und auf Dauer ange-legte Zusammenarbeit entsteht.

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Im Rahmen des sozialen Frühwarnsystems geht es alsoum die Entwicklung von interdisziplinär organisiertenZugängen zu Familien, deren Problemlagen sich zuKrisen zuspitzen könnten bzw. zu Sozialräumen, diesich so zu verändern drohen, dass Familien dort Be-nachteiligung erfahren. Dies setzt vor allem voraus,dass gemeinsam geteilte Bewertungskriterien formu-liert, fachlich begründete Standards etabliert und ent-sprechende verbindliche Reaktionen in Institutionendauerhaft verankert werden. In der praktischen Umset-zung erfordert dies das erfolgreiche Zusammenführenverschiedener Schlüsselprozesse.

4.1 Handlungsfähig bleiben:Gegenstands- bzw. Problembereichklar bestimmen und begrenzen

Worum geht es?

Der Aufbau eines sozialen Frühwarnsystems kann nurgelingen, wenn er sich auf einen eindeutigen und kla-ren Gegenstands- bzw. Problembereich bezieht, denndas „Soziale“ oder „riskante Entwicklungen“ sind wei-te Begriffe, die Unterschiedliches umfassen können.Soziale Frühwarnsysteme können auf verschiedenenEbenen angesiedelt werden. Sie können einmal anset-zen an den kommunalen Infrastrukturen. Dann betref-fen sie Fragen wie z.B. was eine Stadt oder eine Ge-meinde – oder einen Stadtteil, einen Gemeindeteil – fürFamilien attraktiv macht oder aber sie belastet. SozialeIndikatoren auf dieser Ebene erlauben eine Bewertung,welche Vorzüge und Nachteile eine Kommune bzw. ein

Sozialraum hat und wie sich diese auf die Lebenswel-ten von Familien und ihren Kindern auswirken. EinFrühwarnsystem weist hier auf familienunfreundlicheBedingungen und Benachteiligungsstrukturen hin, wiebspw. erschwerte Zugänge zu Institutionen oder man-gelnde Beratungsangebote. Auf der personalen Ebene(Kinder, Jugendliche und Familien) zeigen Frühwarn-systeme Störungen auf, die ein gelingendes Aufwach-sen von Kindern und Jugendlichen und die Stabilitätvon Familien in Frage stellen können. Bei diesem Zu-gang stehen die individuellen Risiken und Gefähr-dungslagen spezifischer Zielgruppen im Vordergrund.In der Realität sind diese Ebenen nicht immer klar zutrennen, denn sozialräumliche Veränderungen könnenauch individuelle Entwicklungen beeinflussen und um-gekehrt. Dennoch müssen zur Eingrenzung des Gegen-standsbereichs des sozialen Frühwarnsystems Ent-scheidungen für die eine oder andere Ebene getroffenwerden.

Wie geht es?

Als einleitende Maßnahme kann ein Workshop durch-geführt werden mit dem Ziel, den Gegenstandsbereichbzw. die Handlungsfelder eines sozialen Frühwarnsy-stems zu bestimmen sowie die sachlichen wie lokalenPrioritäten zu klären. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll,mit einem kleinschrittigen Vorgehen zu beginnen undsich auf ein Handlungsfeld und wenige Zielvorgabenzu konzentrieren. Als Strukturierungshilfe für die not-wendigen Klärungsprozesse kann folgendes Raster ge-nutzt werden. Im ersten Schritt sind die Grundbedin-gungen und Zielsetzungen zu finden und u.U. auchschriftlich zu fixieren.

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

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4. Schlüsselprozesse – Der Weg zu einem sozialen Frühwarnsystem

Thema Fragen

Ausgangssituation �1 Was wollen Sie tun? (Inhalt/Ausgangspunkt des Projektes)�2 Auf welcher Ebene soll es angesiedelt sein?

(Sozialraum/Stadtteil oder Personen/Gruppen)�3 Warum haben Sie sich für diesen Sozialraum bzw. diese Zielgruppe entschieden? (Be-

schreibung des Raumes/der Zielgruppe)�4 Warum wollen Sie es tun? (Begründung des Projektvorhabens)

Inhaltlicher Schwerpunkt Welche Problematik soll im Rahmen des Vorhabens bearbeitet werden?

Abbildung 5: Raster zur Bestimmung des Gegenstandbereiches eines sozialen Frühwarnsystems

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In einem zweiten Schritt erfolgt die Feinabstimmung zu folgenden Themen.

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Zielgruppe/Adressat(innen) �1 Welche Zielgruppe soll konkret angesprochen werden?

Ziele �1 Formulieren Sie die angestrebten Ziele.�2 Welcher Veränderungsbedarf ist mit diesen Zielen verbunden?

Ressourcen �1 Welche Ressourcen werden eingesetzt oder können eingesetzt werden?�2 Wie sind die Rahmenbedingungen?

Methoden �1 Welche Methoden können angewandt werden, um das Ziel und die Zielgruppe zu er-reichen?

�2 Sind Erfahrungen mit bestimmten Verfahren vorhanden, die nutzbar gemacht werdenkönnen?

Kooperation �1 Welche Institutionen und Professionen sind noch anzusprechen bzw. bereits ange-sprochen?

�2 Welche Kooperationsformen gibt es bereits bezogen auf den ausgewählten Problem-bereich?

�3 Welche Person/Institution ist federführend?

Erfolgskriterien �1 Nennen Sie Kriterien, anhand derer sich erkennen lässt, ob die angestrebten Zieleerreicht wurden.

Überprüfung des Zielerreichungsgrades

�1 Mit welchen Instrumenten lässt sich der Zielerreichungsgrad messen?�2 Wurde das Ziel erreicht oder sind Nachjustierungen notwendig?

Zeitplan �1 Welche nächsten Schritte sind geplant?�2 Wer ist für die Planung dieser Schritte zuständig?

Abbildung 6: Feinabstimmungsmatrix

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Bei der Frage nach dem Grad der Zielerreichung ist esnotwendig, Qualitätsstandards zu formulieren, die zumeinen den fachlichen Anforderungen und Herausforde-rungen an ein soziales Frühwarnsystem entsprechenund zum anderen in der Praxis operationalisierbar sind.Die Kriterien der Standardisierung orientieren sich anfolgenden Bedingungen:

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

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S = spezifisch

M = messbar

A = akzeptabel

R = realistisch

T = terminierbar

4.2 Das Mittel zum Zweck: GelingendeKooperation

Worum geht es?

Der Aufbau gelingender Kooperationsbeziehungen istein zeitintensiver Prozess, da die Kooperationsbereit-schaft der beteiligten Akteure nicht einfach vorausge-setzt werden kann. Vielmehr müssen diese überzeugt,gewonnen und geworben werden. Ob Kooperation nun

gelingt oder nicht, hängt nach van Santen und Seckin-gen (2003, S. 29) jedoch weniger von den konkreten in-haltlichen Fragestellungen ab, vielmehr ist es relevant,ob ein Verfahren entwickelt werden kann, „bei dem imHinblick auf geteilte oder sich überschneidende Ziel-setzungen durch Abstimmung der Beteiligten eine Op-timierung von Handlungsabläufen oder eine Erhöhungder Handlungsfähigkeit bzw. Problemlösungskompe-tenz angestrebt wird“.

Wie geht es?

Der Paritätische Landesverband NRW (2004, S. 58 ff.)hat ein solches Verfahren entwickelt, das vier unter-schiedliche Phasen beim Aufbau von Kooperationsbe-ziehungen unterscheidet (s. Abbildung 8).Ausgehend von diesem Phasenmodell kann Kooperati-on nur funktionieren, wenn in der Planung berücksich-tigt wird, dass neben dem zentralen Interesse und Nut-zen für Kinder, Jugendliche und Familien auch für diebeteiligten Akteure ein ideeller, fachlicher oder sozial-politischer Gewinn erreichbar scheint. Zentral ist in derPhase der Kontaktaufnahme, dass Interessen geklärt,Ziele und Gewinnerwartungen klar bestimmt und dieKooperationspartner gezielt ausgewählt werden. Sinn-voll ist es hierbei zu unterscheiden, welche Akteureund Institutionen unmittelbar und welche mittelbar amFrühwarnsystem zu beteiligt sind.Bei der konkreten Anfrage von möglichen Kooperati-onspartnern ist es in der zweiten Phase wichtig, Trans-parenz über Ziele, Ressourcen, Erwartungen und betei-ligte Akteure herzustellen. Nur auf dieser Basis könnendie angefragten Institutionen eine Entscheidung fürbzw. gegen eine Kooperationsbeziehung treffen. Hier-zu ist es u. a. hilfreich, eine Beteiligtenanalyse durch-zuführen.

Abbildung 7: Kriterien der Standardisierung

OrganisationsinternePlanung

KontaktaufnahmeKooperationsaufbau und Konstituieren

Durchführung

� Kooperationsinteressenklären

� Ziele und Gewinnerwar-tungen bestimmen

� interne Voraussetzun-gen herstellen

� Kooperationspartnerauswählen

� Kontaktaufnahme ge-stalten und für Zusam-menarbeit werben

� Kooperationsbereit-schaft und -möglichkei-ten prüfen

� Erwartungen abstimmen

� Ziele und Inhalte ab-stimmen

� Kooperationsstrukturentwerfen

� Regeln festlegen� ggf. Kontrakt unter-

zeichnen

� Routinen für die Zusam-menarbeit entwickeln

� Kooperationsprozessereflektieren

� Konflikte erkennen undbearbeiten

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Abbildung 8: Phasen beim Aufbau von Kooperationsbeziehungen

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In der Konstituierungsphase gilt es, eine verbindlicheStruktur aufzubauen, die die gemeinsamen Bespre-chungen regelt, die Moderation der Gesprächsrundenbestimmt, die Ansprechpartner sowie die Informations-wege, Intensität und Umfang der Kooperation festlegt.In der letzten Phase schließlich geht es darum, Routi-nen für die Zusammenarbeit zu entwickeln und mögli-che Fallstricke in der Kooperation zu reflektieren undzu bearbeiten.

4.3 Konsens herstellen: Die Basis des gemeinsamen Handelns klären

Worum geht es?

Da im Grundsatz die Sinnhaftigkeit einer institutions-übergreifenden Kooperation im Interesse präventivenHandelns nicht bezweifelt wird, sollten die offenenFragen und Probleme lösbar sein. Es sind hier wenigerideologische, weltanschauliche, strategische Differen-zen, die einem „konzertierten“ Handeln entgegenste-hen, sondern vielmehr der fehlende Konsens über ge-meinsam getragene und durchgehaltene Problemanaly-sen und -bewältigungsstrategien. Die beteiligten Ko-operationspartner müssen deshalb gemeinsam Indika-toren entwickeln, auf deren Grundlage Aussagen zudem ausgewählten Gegenstandsbereich bzw. Hand-

lungsfeld getroffen werden können. Indikatoren sind„messbare“ oder beobachtbare Sachverhalte, die imHinblick auf den ausgewählten GegenstandsbereichAussagekraft haben. Sie sind also Hilfsmittel, die ge-wisse Information über den Gegenstandsbereich ver-mitteln.

Wie geht es?

Zu der Lösung dieses Problems könnte das sozialeFrühwarnsystem einen Beitrag leisten. Diese könnteinsbesondere darin bestehen, dass Vertreterinnen undVertreter unterschiedlicher Institutionen, die in ver-schiedener Weise Kontakt haben mit Kindern, Jugend-lichen und ihren Familien, sich darüber verständigen:Was – bezogen auf unterschiedliche Sozialräume, Ziel-gruppen und Individuen – als kritische, problematischebzw. krisenhafte Entwicklungen anzusehen sind. DieseKrisenanzeichen (Indikatoren) sind möglichst konkretzu formulieren, damit sich nicht im Verlauf der Koope-ration herausstellt, dass mit allgemeinen Begriffen aufden ersten Blick gleichbelegte Indikatoren dann dochin der konkreten Zurechnung auf Räume, Zielgruppenund Personen mit sehr unterschiedlichen Inhalten ge-füllt werden.Beispiel: Im Modellstandort Herne wurde von allenBeteiligten (u. a. Erzieher/innen in Kindertageseinrich-tungen) eine gemeinsame Definition von „Verhaltens-auffälligkeiten“ erarbeitet, die im weiteren Verlauf desProjektes als Basis diente (s. Abbildung 9).

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Als „Verhaltensauffälligkeit" werden Verhaltensweisen bezeichnet, die

� von der alterstypischen Entwicklung abweichen� wiederholt auftreten� einen Leidensdruck auslösen (beim Kind, bei Gleichaltrigen oder bei Erziehungspersonen) oder die

Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes einzuschränken drohen� mit Hilfe von „alltäglichem" pädagogischen Handeln über einen längeren Zeitraum nicht verändert werden können

und

� nicht auf Entwicklungsverzögerungen oder Funktionseinschränkungen zurückzuführen sind.

Beispielhaft für Verhaltensauffälligkeiten in diesem Sinne sind:

� aggressives, regelverletzendes Verhalten; Gewalt gegenüber Personen und/oder Sachen;� starke motorische Unruhe; Hyperaktivität;� ängstliches, schüchternes, überangepasstes Verhalten; Kontaktscheu; Sprachverweigerung;� depressive Verstimmungen (häufiges Weinen, keine Lebensfreude);� große Schwächen beim Aufbau und bei der Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten; fehlende Integration in die Gruppe;� fehlende Bereitschaft, sich auf altersgemäßes Spiel oder auf altersgemäße Anforderungen einzulassen;� Probleme beim Essen (extremes Matschen, Würgen usw.);� distanzloses, schamloses oder sexualisiertes Verhalten; ungewöhnlich hohes Bedürfnis nach Zuwendung und

Körperkontakt;� Defizite in der kommunikativen Ausdrucksfähigkeit.

Abbildung 9: „Verhaltensauffälligkeit" — „Herner Definition"

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Eine weitere und ebenso wichtige Konkretisierung undPräzisierung betrifft die Angabe von „Schwellenwer-ten“, bei deren Überschreiten nicht nur eine bestimmteKrisenintensität angezeigt, sondern zugleich auch dasHandeln anderer Institutionen bzw. Personen gefragtist, d. h. die eigenen (institutionsinternen) Möglichkei-ten ausgeschöpft sind. Die konkrete Bestimmung der-artiger Schwellenwerte, d. h. auch die Klärung der Fra-ge, wann gehandelt werden muss, ist wichtig, weil sieVerhaltenssicherheit und Orientierung gibt, Panikreak-tionen, Abschiebetendenzen und voreilige Dramatisie-rungen kontrolliert und damit den im Kontext desFrühwarnsystems eintretenden Fall des institutions-übergreifenden Beistandes nicht zum Regelfall alltäg-lichen Handelns werden lässt. Wäre dies nämlich so,würde das Frühwarnsystem an der wechselseitigenÜberforderung von Personen und Institutionen schei-tern (ersticken).Diese Aushandlungsprozesse sind zentral für den Auf-bau eines sozialen Frühwarnsystems, insofern genügtes nicht, die Indikatoren und Schwellenwerte einer an-deren Kommune zu übernehmen, vielmehr schafft erstdie Diskussion und das Streiten über diese Schwelleneine gemeinsame Kultur des Handelns.

4.4 Nichts dem Zufall überlassen:Geregelte Verfahren etablieren

Worum geht es?

Sind schließlich die beiden genannten Voraussetzungenfür das Ingangkommen eines Prozesses im Rahmen desFrühwarnsystems (Abweichung auf der Ebene der fest-

gelegten Indikatoren, Überschreiten der festgelegtenSchwellenwerte) gegeben, bedarf es im nächstenSchlüsselprozess eines festgelegten, verbindlichen undpersonenunabhängig auch immer einzuhaltenden Ver-fahrens zur Weitergabe dieser „Feuermeldung“ an an-dere Institutionen. Bis hin zur Ebene von Dienstverein-barungen, fachlichen Weisungen, Konferenzbeschlüs-sen etc. ist darin festzulegen, wie die Informationenweitergegeben werden sollen. Und umgekehrt bedarfes dieser Handlungs- und Reaktionsverbindlichkeitauch auf Seiten der nunmehr angefragten und zumHandeln aufgeforderten Institution. Hierfür solltenebenfalls Zeiträume und die Form der Rückmeldungbzw. der Zusammenarbeit bei der Problemlösung fest-gelegt werden. Erst in dieser systematischen und ver-bindlichen Kooperation, dem Zusammenwirken unter-schiedlicher Institutionen, kann das Frühwarnsystemseine Leistungspotenziale entfalten.Dies soll nun nicht bedeuten, dass solche Konventio-nen, Standards, Verfahren etc. bundesweit (europaweit)einheitlich festzulegen wären, etwa im Sinne einerDIN-Norm, der sich alle Akteure zu unterwerfen hät-ten. Es kann hier, je nach Berücksichtigung lokaler Be-sonderheiten, Ausstattungen etc. zu unterschiedlichenLösungen kommen. Entscheidend ist nicht das Erzielenbundeseinheitlicher Standards, sondern die Entwick-lung verlässlicher Standards innerhalb der jeweils pro-blembezogenen, auf Kooperation angewiesenen Part-ner (z.B. Kindergärten mit zuständiger Grundschulebzw. mit zuständigem Jugendamt etc.).

Wie geht es?

Als hilfreich hat sich in der Praxis bewährt, gemeinsammit allen Beteiligten folgendes Raster zu bearbeiten.

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

18 Frühe Hilfen für Familien

Gegenstandsbereich Indikator/en Schwellenwert Warnung durch ...Handelndurch ...

Abbildung 10: Raster Frühwarnsystem

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4.5 Die Nagelprobe:Kontrakte vereinbaren

Worum es geht?

Die Festlegung (Kontraktierung) verbindlicher Regelnbeim Aufbau eines Frühwarnsystems spielt eine ent-scheidende Rolle. Im Rahmen eines solchen Vertragesbzw. einer Vereinbarung sollten die Ziele und Zielgrup-pen klar benannt und durch Arbeitsprogramme präzi-siert werden. Je nach lokalem Bedarf müssen dieSchwerpunkte gesetzt und die regionalen Netzwerke geknüpft werden. Darüber hinaus ist es zentral, dieAufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten (auch

Krisen- und Konfliktmanagement) sowie die Art undWeise des Informationsaustausches schriftlich festzu-legen. Da sich regionale Gegebenheiten immer wiederändern, ist es hilfreich, Regelungen über Dauer bzw.Fortschreibung des Kontraktes mit aufzunehmen. Solche vertraglich gestalteten Absprachen und Verein-barungen fördern die Transparenz und Zielorientierungin der Zusammenarbeit und geben allen Beteiligtenmehr Sicherheit und schaffen Verbindlichkeit.

Wie geht es?

Als Beispiel einer möglichen Kontraktgestaltung sollfolgender im Rahmen des Modellprojektes am Stand-ort Dortmund entwickelter Kontrakt dienen.

19Frühe Hilfen für Familien

Abbildung 11: Vereinbarungen zwischen Jugendhilfedienst, Kindertagesstätte, Grundschule

Grundbedingungen:Handlungsleitlinien für eine effektive Kooperation

Allgemein � Vernetztes Denken und Handeln, Kooperation und Wahrung der jeweiligen Fachlichkeit und Aufgabenstel-

lung.� Wissen über die Arbeitsfelder des Kooperationspartners und dessen Möglichkeiten der Hilfe.� Gegenseitige Unterstützung in problematischen Einzelfällen zu Reduzierung von Verhaltensauffälligkeiten

von Kindern und Erziehungsproblemen der Eltern (anonyme Beratung).� Erkennen von Tendenzen und Bedarf mit stadtteilbezogener Relevanz und Entwicklung gemeinsamer Hand-

lungsstrategien.� Wahrnehmung der verschiedenster Kooperationsformen fallübergreifend und fallunabhängig, z.B. alle

Grundschulleiter treffen sich alle 6 Monate mit dem Jugendhilfedienst)� Sicherheit im Umgang mit den Datenschutzbestimmungen� Effektive Rahmenbedingungen für den aufgabenbezogenen Austausch (z.B. feste Ansprechzeiten und An-

sprechpartner, aktuelle Straßenverzeichnisse, Telefonlisten, Internetverbindungen).

Fallunabhängige und fallübergreifende Kooperation� Stadtteilkonferenzen (AG 78), Mitarbeiterkreise auf Stadtteilebene z. B. zur gemeinsamen Entwicklung von

Angeboten und Projekten im Sozialraum� Nutzung von Veranstaltungen in der Grundschule, zur Vorstellung der Jugendhilfeangebote, Behandlung re-

levanter Themen u. a. Arbeitsinhalte des JH-Dienstes, der Kita und der Grundschule� Institutionalisierte Form der Kontakte zwischen Grundschulen, Kindertagesstätten, JHD (zum Beispiel: re-

gelmäßige Kooperationsgespräche)

Fallspezifische Kooperation� Frühzeitige Kontaktaufnahme und Einbeziehung des jeweiligen Kooperationspartners und Wahrnehmung

der gemeinsamen Verantwortung auf Grund der vereinbarten Kriterien die zu einem Signal führen (sieheAnlage). Bei Bedarf schriftliche Aussagen der Grundschule per Notes-Signal in Einzelfällen

� Ermutigung von Eltern, frühzeitig Kontakt zum Jugendhilfedienst aufzunehmen� Bedarfsgerechte gemeinsame Zielvereinbarungen, Austausch mit der Grundschule, gemeinsame Planung

bezogen auf Handlungen und/oder Hilfemöglichkeiten (Die Fallverantwortung bleibt beim JHD).

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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

20 Frühe Hilfen für Familien

� Gemeinsame Übernahme von Verantwortung (systemischer ressourcenorientierter Ansatz in der Fallbearbei-tung) unter Wahrung der jeweiligen Fachlichkeit und Aufgabenstellung

� Transparenter Austausch unter Beteilung der Betroffenen (Hilfeplan) bei der Vermittlung von Kinder durchdie Jugendhilfedienste

� Möglichkeit der gegenseitigen anonymem Beratung� Verbindliche Einbindung der Kooperationspartner in Helfer/innenkonferenzen oder Hilfeplangesprächen

Vereinbarung zur KooperationFallunabhängige und fallübergreifend� Die Kooperationspartner verpflichten sich, unter den Grundbedingungen/Handlungsleitlinien der Punkte 1.1

und 1.2 zum Aufbau bzw. zur Nutzung und zur Verstetigung von sozialraumbezogenen Strukturen in dennächsten 4 Jahren.

� Mindestens 1 x jährlich fallunabhängiger Austausch/Teilnahme an Stadtteilkonferenzen (Austausch zumBeispiel über strukturelle Veränderung und Bedarfslagen in den Stadtteilen).

� Wechselseitige Information über die Arbeitsfelder/Aufgabengebiete� Gemeinsame Fachtagungen/Fortbildungen (zum Beispiel: Grenzen der Beratung, Bedeutung und adäquater

Umgang mit Kindeswohlgefährdung, „Gefahr in Verzug“ etc.) � Gemeinsame Themensammlung und Durchführung von Elternabenden

EinzelfallbezogenDie Kooperationspartner verpflichten sich, unter den Grundbedingungen/Handlungsleitlinien der Punkte 1.1 und1.3 zum Aufbau bzw. zur Nutzung und zur Verstetigung von einzelfallbezogener Kooperation.

Weitere Kooperationspartner� Kindertagesstätten und Kindergärten� Familienbildung� Erziehungsberatungsstellen� Gesundheitsamt� Einrichtungen der Jugendhilfe

DatenschutzbestimmungenGrundsätzlich sind die Daten bei den Betroffenen zu erheben. Genutzt und weitergegeben werden diese Daten nurzu dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden, in der Regel zur Erbringung der Leistungen / Hilfen / anderen Auf-gaben.Eine Weitergabe an Kooperationspartner/innen ist nur mit Zustimmung der Betroffenen möglich. Im Rahmen derKooperation muss die Einwilligung der Betroffenen vorliegen. Bei substantiellen Hinweisen auf Gefährdung(Misshandlung, grobe Vernachlässigung) muss von diesen o. a. Bestimmungen abgewichen werden.Genutzt und weitergegeben werden dürfen darüber hinaus nur die Daten, die zur Erfüllung der jeweiligen Aufga-be notwendig sind. Hierbei sind alle Mitarbeiter/innen aufgerufen, eigenverantwortlich im Sinne des Datenschut-zes mit der Vielfalt von Informationen umzugehen, die über die Betroffenen gesammelt werden.

Unterschriften der Einrichtungen(Jugendhilfedienste, Kindertagesstätten, Grundschulen)

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Stolpersteine beim Aufbau eines sozialen Frühwarnsy-stems können sich in unterschiedlicher Art und Weisepräsentieren. Die Erfahrungen in den Modellstandortenzeigen, dass insbesondere folgende Aspekte hinderlichfür die Installierung früher Hilfen sind:

� Unklare Zielformulierungen� Zu umfangreiches Vorhaben� Geringe Mitwirkungsbereitschaft zentraler Akteure� Konkurrenz� Unverbindlichkeit in den Absprachen� Keine Überprüfung der entwickelten Indikatoren

auf Alltagstauglichkeit� Die betroffenen Familien aus dem Blick verlieren� Nichtbeachten des Datenschutzes� Fehlendes Frühwarnmanagement

5.1 Unklare Zielformulierungen

Viele Projekte – auch und gerade Kooperationsprojek-te – scheitern oftmals daran, dass sich die beteiligtenAkteure nicht oder nur unzureichend darüber verstän-digt haben, was sie mit ihrem Projekt gemeinsam errei-chen wollen. Häufig werden nur Globalziele, wie z.B.„Wir wollen mit dem Projekt Kinder stärken“ formu-liert. Diese Globalziele können alle Beteiligten zwarteilen, jedoch bleibt in der Formulierung ungeklärt, werinnerhalb des Kooperationsverbundes definiert, wannein Kind „stark“ ist und vor allem, wer welchen Beitragdazu leisten muss, um ein Kind „zu stärken“.Diesen Prozess der Zielformulierung müssen daher im-mer alle Beteiligten gemeinsam durchlaufen bzw. zu-mindest miteinander abstimmen. Damit wird gewähr-leistet, dass alle Beteiligten „die gleiche Sprache spre-chen“, d. h. dass alle wissen, was mit einer Formulie-rung gemeint ist. Je unklarer die Zieldefinition, d. h. jevieldeutiger die Begriffe sind, desto weniger ist es auchmöglich, den Erfolg eines Projekts zu überprüfen. ImUmkehrschluss bedeutet dies: je klarer die Zieldefiniti-on ist, desto eher lässt sich ermitteln, inwiefern das so-ziale Frühwarnsystem seinen Zweck erfüllen kann bzw.wo es u.U. neu „justiert“ werden muss.

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5. Stolpersteine

Checkfragen:

� Werden die Ziele von allen Beteiligten gemein-sam getragen?

� Sind die Ziele so formuliert, dass sich darausMaßnahmen/konkrete Handlungsschritte ablei-ten lassen?

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5.2 Zu umfangreiches Vorhaben

Ein soziales Frühwarnsystem ist kein Mittel zur Ver-hinderung aller riskanter Entwicklungen, die in einemSozialraum oder beim Aufwachsen von Kindern auftre-ten können. Die Bedingungen oder Ursachen, die einebestimmte riskante Entwicklung begünstigen, sind inder Regel viel komplexer, als dass sie im Rahmen einesFrühwarnsystems einbezogen werden könnten. Den-noch ist es sinnvoll, den Bezugsrahmen des sozialenFrühwarnsystems so eng wie möglich und so weit wienötig zu halten. Vor allem um zu verhindern, dass dasFrühwarnsystem nicht greifen kann, weil in der Auf-bauphase zu viele verschiedene Institutionen angespro-chen und koordiniert werden müssen oder die Abstim-mungsprozesse zu viel Zeit und Aufwand benötigen.Im Rahmen der Umsetzung sind solche „Fehler“manchmal nicht zu vermeiden. Daher ist es zweckmä-ßig, das Vorhaben bereits in der Aufbauphase auf seineFunktionsfähigkeit und Machbarkeit kritisch zu reflek-tieren und ggf. zu modifizieren.

Checkfragen:

� Ist der Gegenstandsbereich klar definiert undabgegrenzt?

� Ist die Gruppe der Akteure überschaubar undhandlungsfähig?

5.3 Geringe Mitwirkungsbereitschaftzentraler Akteure

Im Prozess der Implementierung sozialer Frühwarnsy-steme kann es immer wieder zu Widerständen bzw.mangelndem Interesse an der Mitarbeit kommen. EinGrund kann sein, dass ein soziales Frühwarnsystemdarauf basiert, dass Personen und Institutionen Verant-wortung übernehmen (müssen), die z.T. außerhalb ih-rer professionellen Zuständigkeit liegt bspw. ein Kin-derarzt, der neben der medizinischen Betreuung auchdie soziale Versorgung der Familie oder des Kindes imBlick behalten soll und entsprechende Warnungen anandere Hilfesysteme z.B. das Jugendamt weiterleitet.Ein anderer Aspekt der geringen Bereitschaft, in einemsozialen Frühwarnsystem mitzuwirken, ist die man-gelnde Abgrenzung (siehe 5.4 Konkurrenz) der Hilfe-systeme untereinander oder auch fehlende Informatio-nen über die Wirkungsweise bzw. den Nutzen eines sol-chen Systems.

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Frühe Hilfen für Familien

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Die zentrale Fragestellung beim Aufbau bzw. dem Aus-bau von Kooperationsbezügen ist daher die Frage des„Nutzwerts“ der Kooperation für die beteiligten Akteu-re. Wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung, d. h. der Ab-gleich von Einsatz und Ertrag der Kooperation nichtpositiv ausfällt, wird die Kooperation nicht gelingenoder zumindest schwierig. Gleichzeitig muss auch imVorfeld geklärt werden, ob und in welchem Rahmendie Beteiligten einen Beitrag zum Gelingen des Früh-warnsystems leisten bzw. zu leisten bereit sind.

Checkfragen:

� Sind alle relevanten Akteure angesprochen undfür die Mitarbeit motiviert worden?

� Gibt es Rückmeldungen der Akteure, welchenNutzwert die Mitarbeit im sozialen Frühwarn-system für ihre Institution hat?

5.4 Konkurrenz

Die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen bzw.Hilfesysteme im Rahmen eines sozialen Frühwarnsy-stems bewegt sich häufig an den Schnittstellen zwi-schen den Institutionen, d. h. die beteiligten Institutio-nen mit ihren jeweils fachspezifischen Kompetenzenund Handlungsspielräumen müssen sich einerseits ab-grenzen und andererseits öffnen für die Wahrnehmun-gen bzw. Warnungen anderer Institutionen. Gab es inden bisherigen Arbeitszusammenhängen Aufgaben, dieohne geregelte Verfahren unstrukturiert von der einenoder der anderen Institution selbständig erfüllt wurden,müssen nun im sozialen Frühwarnsystem Kompetenz-bereiche u.U. neu abgesteckt werden. Sobald jedochklare Vereinbarungen z.B. in Form von Kontrakten ge-troffen sind, kann die Konkurrenz einem geregeltenMiteinander weichen.

Checkfragen:

� Sind die Zuständigkeiten der beteiligten Insti-tutionen und Akteure im Rahmen des sozialenFrühwarnsystems eindeutig geklärt?

� Hat ein Austausch über die Arbeitsprofile, dieKompetenzen und das professionelle Selbstver-ständnis der beteiligten Institutionen stattge-funden?

5.5 Unverbindlichkeit in den Absprachen

Ein Frühwarnsystem kann immer nur so gut sein, wiedie Absprachen, die es letztendlich überhaupt zu einemSystem werden lassen. Wenn im Vorfeld – oder auch imAblaufen einer Reaktionskette – Unsicherheiten dar-über auftreten, was als nächstes passiert bzw. nicht ein-deutig festgelegt ist, wer in der Reaktionskette welcheAufgabe übernimmt, kann die Reaktion, d. h. die Hilfefür die Familie oder die Aktivität im Sozialraum insLeere laufen oder ihr Zweck bleibt unerfüllt. Sicherlichkönnen nicht für alle auftretenden Eventualitäten be-reits im Vorfeld Absprachen getroffen werden, aller-dings sollte es einen Raum geben, in dem Unsicherhei-ten in der praktischen Anwendung des Frühwarnsy-stems geklärt werden können.

Checkfragen:

� Sind die festgehaltenen Absprachen (Wermacht was wann und wie?) innerhalb der eige-nen Institution und institutionenübergreifendabgestimmt?

� Sind darin allgemeine, fachlich begründeteStandards/Leitlinien für die Zusammenarbeitim sozialen Frühwarnsystem formuliert?

5.6 Keine Überprüfung der entwickeltenIndikatoren auf Alltagstauglichkeit

Die Indikatoren und Schwellenwerte müssen zu Be-ginn zunächst einmal festgeschrieben werden, um dieReaktionskette zu „aktivieren“. Es ist allerdings nichtauszuschließen, dass einige Indikatoren in der Praxisnicht greifen oder zu komplex sind, um tatsächlichwahrgenommen zu werden. Es kann allerdings auchsein, dass die Schwellenwerte zu niedrig oder zu hochangesetzt sind, d. h. die im Frühwarnsystem vorgesehe-ne Reaktionsweise ist entweder zu stark intervenierendoder nicht ausreichend für das erkannte „Problem“.Findet nicht regelmäßig eine Überprüfung der Indika-toren bzw. Schwellenwerte statt, kann es möglicher-weise dazu kommen, dass das Frühwarnsystem nichtmehr seine Funktion erfüllen kann. Frühwarnsystemesind also „lernende Systeme“, die sich stetig weiterverbessern und neu justieren lassen.

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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

22 Frühe Hilfen für Familien

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Checkfragen:

� Sind die Indikatoren geeignet, das Problembzw. den Gegenstandsbereich zu erfassen?

� Sind die Schwellenwerte richtig gesetzt? (Re-aktionskette wird nicht zu früh oder zu spätausgelöst)

5.7 Die betroffenen Familien aus demBlick verlieren

Ansatzpunkt des sozialen Frühwarnsystems ist immer(im Bild der Ampel gesprochen) der Übergang vongrün nach gelb, d. h. Familien, einzelne Kinder oderauch ein Sozialraum sind bzw. ist von einer riskantenEntwicklung zunächst nur bedroht. Insofern könnendie Hilfen immer nur den Charakter eines Angeboteshaben und setzen die Freiwilligkeit der Inanspruchnah-me voraus. In manchen Fällen sind auch weniger dieInterventionen von Fachkräften, sondern eher Impulseoder „Initialzündungen“ zur Wiederbelebung der eige-nen Kräfte gefragt. Die vorhandenen Ressourcen zustärken oder (wieder) zu entdecken hat zudem einenwesentlichen höheren „Nachhaltigkeitseffekt“ als vonaußen aufgezwungene Hilfen, die nicht auf den eige-nen Fähigkeiten oder den Kompetenzen aufbauen.Das soziale Frühwarnsystem versteht sich explizit alsHilfe und nicht als eine neue Form der sozialen Kon-trolle. Ein Handeln ist folglich immer nur in Abstim-mung mit den betroffenen Familien möglich und setztdas Vertrauen und die Akzeptanz der Familie vor-aus. Demnach ist der Wechsel des fachlichen Blickesvon der Defizitdiagnose hin zur Spurensuche nachStärken, die besondere und produktive Kraft eines so-zialen Frühwarnsystems. Zur Vorbereitung eines Ge-spräches mit Familien ist es deshalb sinnvoll zu fragen:Welche Stärken und Kompetenzen haben die Familien,auf welche (versteckte) Ressourcen kann zurückgegrif-fen werden oder in welchen Bereichen brauchen die Fa-milien Unterstützung, um wieder handlungsfähig zuwerden bzw. handlungsfähig zu bleiben?

Checkfragen:

� Welche (versteckten) Ressourcen haben die be-troffenen Familien?

� Werden die Familien zur Mitarbeit motiviert?

5.8 Nichtbeachten des Datenschutzes

Soziale Frühwarnsysteme bewegen sich im Vorfeld ma-nifester erzieherischer Krisen und Probleme (Kindes-wohlgefährdung) und können daher im Kern nur funk-tionieren, wenn auch die Handlungsadressaten (Eltern)in die Kooperation einbezogen werden und diese alshilfreich empfinden und stützen. Von daher stellen sichkeine wirklichen Datenschutzprobleme, da Aktivitätenim Rahmen eines sozialen Frühwarnsystems (hier Wei-tergabe von Informationen an andere Personen und In-stitutionen) immer im Einverständnis mit den beteilig-ten Handlungsadressaten folgen. Davon unabhängig bleibt natürlich immer der Auftragan die beteiligten Fachkräfte, gravierende Kindeswohl-gefährdungen einzuschätzen und hierauf bezogen –ggf. auch im Konflikt mit sorgeberechtigten Eltern –die notwendigen Schritte zu unternehmen (Informationdes Jugendamtes, Antrag an das Familiengericht etc.).

Checkfragen:

� Welche Datenschutzbestimmungen sind für dassoziale Frühwarnsystem relevant?

� Haben die Familien ihr Einverständnis zur Wei-tergabe von Informationen gegeben?

5.9 Fehlendes Frühwarnmanagement

Für ein funktionierendes Frühwarnsystem braucht eseine verlässliche „Andockstelle“, eine Person bzw. In-stitution, die Verantwortung für die Entwicklung derStandards, der Steuerung des Prozesses, der Weiterent-wicklung des Systems und ggf. auch für das Krisenma-nagement übernimmt. Diese Koordinierungs- undSteuerungsaufgaben („Frühwarnmanagement“) könn-ten vor Ort Einrichtungen und Dienste in kommunaleroder frei-gemeinnütziger Trägerschaft übernehmen,wie z.B. Gesundheitsämter, Jugendämter, Beratungs-stellen (öffentlicher und freier Träger).Von daher ist es durchaus sinnvoll und denkbar – jenach den inhaltlichen Schwerpunkten des aufzubauen-den kommunalen Frühwarnsystems – dass eines derangesprochenen kommunalen Ämter bzw. diesen zuge-ordnete Einrichtungen (z. B. die Mütterberatungsstelledes Gesundheitsamtes) eine zentrale und strukturieren-de Aufgabe beim Aufbau des Frühwarnmanagementsübernehmen kann.In erster Linie sind hier natürlich die kommunalen Ju-gendämter angesprochen, die auf der Grundlage desSGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) in allen Städten

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GG

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23Frühe Hilfen für Familien

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und Kreisen des Landes als Gewährleistungsträger fürInfrastrukturen, bedarfsgerechte Angebote und Lei-stungen in der Verantwortung stehen. Ein kommunalesJugendamt wäre z.B. ein geeigneter Vernetzungsträger,wenn es um die Bearbeitung „biographischer Schwel-len“ (Übergänge Familie – Kindergarten bzw. Kinder-garten – Schule), um die verbesserte Kooperation mitder Polizei/Justiz oder um sozialräumlich angelegteVernetzungen geht.Ein örtliches Gesundheitsamt könnte sich als Trägerdes Vernetzungsmanagements anbieten, wenn früheHilfen für Kinder und Familien in enger Kooperationmit den Akteuren des Gesundheitssystems (Ärzte/in-nen, Hebammen, Kliniken) im Vordergrund der Ent-wicklung des Frühwarnsystems stehen.Für eine Verankerung sozialer Frühwarnsysteme imkommunalen Kontext eignen sich auch Beratungsein-richtungen (bei öffentlichen und freien Trägern). Diesauch deshalb, weil Beratungseinrichtungen (z.B. Ehe-,Familien- und Erziehungsberatungsstellen) für sichschon jetzt in Anspruch nehmen, ihre Angebote und

Leistungen frühzeitig, präventiv, niedrigschwellig undauf freiwilliger Basis zu erbringen. All dies sind Rah-menbedingungen, die auch im Kontext eines sozialenFrühwarnsystems eine wichtige Rolle spielen. Aktuellejugendpolitische Positionsbestimmungen und Vorga-ben in NRW geben dabei wichtige Vorgaben und Im-pulse zur Weiterentwicklung der Beratungsarbeit (vgl.Landtagsdrucksache 13/4969 vom 27.01.2004 zur„Umstrukturierung der Familienberatungsstellen“).

Checkfragen:

� Wurden Institutionen und Personen benannt,die den Aufbau und die Koordinierung im so-zialen Frühwarnsystem federführend und ver-antwortlich übernehmen?

� Gibt es verbindliche Verfahren für den über-greifenden Informationsaustausch und für dasKrisenmanagement?

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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

24 Frühe Hilfen für Familien

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Ein soziales Frühwarnsystem stellt den Versuch dar,riskante Entwicklungen bei Kindern und Familien bzw.in den Sozialräumen, in denen sie leben, früher als bis-her zu erkennen und in verbindlichen und kooperativenArbeitsbezügen zu bearbeiten bevor sich Problemlagenverfestigt haben. In dem Modellprojekt soziale Früh-warnsysteme in NRW (Laufzeit 2001 – 2004) konntean sechs Standorten gezeigt werden, dass die Stärke ei-nes sozialen Frühwarnsystems in der konsequenten Zu-sammenführung der drei Basiselemente zu einem ge-schlossen System unter Einbeziehung der vorhandenenlokalen Ressourcen und familiären Stärken liegt. Ausvorher eher zufällig gemachten Beobachtungen werdendurch Aushandeln von Indikatoren systematische Be-obachtungen, die auf der Basis gemeinsam geteilterVorstellung der beteiligten Akteure verbindliche Reak-tionsweisen begründen. Während zufällig gemachteBeobachtungen in der Regel keine zielgerichtetenHandlungen nach sich ziehen, zwingen systematischeBeobachtungen die Akteure dazu, sich zu entscheiden,ob ein Handeln notwendig ist oder nicht, d. h. ob undwie andere Institutionen oder Fachdienste einbezogen

werden sollen oder nicht. Die Fachkräfte erhalten da-durch eine Sicherheit im Handeln bzw. Nicht-Handelnmüssen, die sich entlastend auf ihren jeweiligen Ar-beitsalltag auswirkt. Zusätzliche Entlastung erfahrendie Akteure dadurch, dass sie bei dem Erreichen ihrerfachlichen Grenzen auf die Kompetenzen der Koopera-tionspartner zurückgreifen können und aus der Allzu-ständigkeit für familiäre Problemlagen entlassen wer-den. Trotz dieser offensichtlichen Gewinne ist der Aufbaueines sozialen Frühwarnsystems ein schwieriges Vor-haben, das gut vorbereitet, kritisch reflektiert und per-manent auf seine Wirksamkeit überprüft werden sollte.Die angeführten Stolpersteine sind als Hinweise zuverstehen, welche Konflikte dabei auftreten können.Diese Konflikte lassen sich möglicherweise nicht ver-hindern. Zentral für die Implementierung eines sozia-len Frühwarnsystems ist jedoch, ob es den beteiligtenAkteuren gelingt, gemeinsam Lösungsstrategien zuentwickeln. Erst dadurch kann eine gemeinsame Kulturdes Handelns in der Arbeit mit Kindern und Familienentstehen.

25Frühe Hilfen für Familien

6. Fazit

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7.1 Die Modellstandorte im Überblick

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

26 Frühe Hilfen für Familien

7. Anhang

Früherkennung und rechtzeitige Bearbeitung sozialer Problemlagen als Präventionsansatz in Zusammenarbeit von Klinik, Kinderschutzbund und dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe

Projektstandort Stadt Bielefeld

Zielgruppe Säuglinge/Kleinkinder und deren Eltern

Begründung des Projektvorhabens

Die Geburts- und Kinderkliniken haben durch ihren medizinischen Versorgungsauftrag einen exklusiven Zugang zu den Säuglingen/Kleinkindern. Im Kontext dieser Untersuchung erhalten die Ärzte/innen evtl. auch Informationen über familiäre Risiko- und Problemlagen, dieeiner ungefährdeten, unbeeinträchtigten Entwicklung der Kinder möglicherweise entgegen-stehen.

InhaltlicheSchwerpunkte

�1 Entwicklung von Wahrnehmungs- und Beobachtungskriterien im Klinikalltag, �2 Aufbau tragfähiger Kooperationsformen zwischen Klinik und Kinderschutzbund,�3 Angebote angesiedelt zwischen Professionalität und Ehrenamtlichkeit (Patenschaftsmodell)

Ziele Frühzeitige Wahrnehmung und Beobachtung möglicher Risiken für Neugeborene, ggf. Neustruk-turierung bestehender Hilfe und Feststellung von Qualifizierungsbedarfen

Ansprechpartner Werner Wörmann, Amt für Planung, Finanzen, Jugend, Soziales, Wohnen Stadt Bielefeld, Niederwall 23, 33602 Bielefeld

Gelungene Kooperation – Beobachtung und Begleitung biographischer Übergänge im kindlichen Leben – ein frühzeitiges Hilfsangebot für Familien zur Vermeidung von riskanten Kindheiten

Projektstandort Stadt Dortmund

Zielgruppe Kinder im Alter von 0 bis 12 Jahren und ihre Eltern

Begründung des Projektvorhabens

Biografische Übergänge von Kindern (Kiga, Schuleintritt, Wechsel in weiterführende Schule)bringen Veränderungen mit, die zu Überforderungen der Kinder oder Eltern führen können. Andiesen Übergängen werden fast 100 % der Dortmunder Kinder erreicht, so dass Probleme früh-zeitig wahrgenommen und Hilfen an alle Familien herangetragen werden können.

Inhaltliche Schwerpunkte

�1 Vernetzung der Institutionen (Jugendhilfedienst und Kindertagesstätten/Grundschulen) anden biografischen Übergängen

�2 Ressourcenorientiertes Handeln im Umgang mit betreuten Familien�3 Eltern stärken (Empowerment)

Ziele Sensibilisierung der Fachkräfte an den Übergangspassagen, Vergleich der beiden Stadtteile, Reduzierung der unbekannten Erstkontakte im Bereich der Hilfen zur Erziehung

Ansprechpartner Martin Jonas, Jugendamt Stadt Dortmund, Ostwall 64, 44135 Dortmund

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27Frühe Hilfen für Familien

Unterstützung von Familien mit Kindern in problematischen Wohnverhältnissen

Projektstandort Stadt Emmerich

Zielgruppe Multiproblemfamilien in unzumutbaren Wohnverhältnissen

Begründung des Projektvorhabens

Bei einer Kumulation von Problemlagen können die Ressourcen der Familien derart überlastetsein, dass sie mit die Gestaltung ihres Wohnumfeldes überfordert sind. Um Empowerment ent-wickeln zu können, sind manchmal unkonventionelle Hilfen (wie z. B. Entmüllung der Wohnung,Schönheitsreparaturen), die nicht im Leistungsspektrum vorgesehen sind, notwendig.

Inhaltliche Schwerpunkte

�1 Gewährleistung lösungsorientierter und unkonventioneller Hilfen�2 ganzheitlicher Zugang zu den Problemen der Familien über die klassische Einzelfallhilfe

des BSHG/KJHG hinaus�3 Entwicklung eines Casemanagement

Ziele Bewältigungsressourcen der Familien stärken bzw. wiederherstellen, (Wieder-)Herstellung eines angemessenen Lebensumfeldes

Ansprechpartner Gregor Arntz/Arnfried Barfuß, Jugendamt Stadt Emmerich, Geistmarkt 1, 46446 Emmerich

SoFrüh! Der Aufbau eines sozialen Frühwarnsystems zur Bearbeitung von Verhaltensauffälligkeiten im Vorschulalter

Projektstandort Stadt Herne

Zielgruppe Kindergartenkinder im Alter von 3 bis 6 Jahren

Begründung des Projektvorhabens

Die Kindergärten klagen über eine zunehmende Zahl verhaltensaufälliger Kinder. Gleichzeitiggibt es wenig objektive Ansatzpunkte, die diesen Eindruck be- bzw. widerlegen. Im Rahmen desProjektes soll die gezielte Wahrnehmung verhaltensauffälliger Kinder erfolgen und notwendigeReaktionsformen in Kooperation mit anderen Institutionen entwickelt werden.

Inhaltliche Schwerpunkte

�1 Begriffsklärung „Verhaltensauffälligkeit“�2 Sensibilisierung der Wahrnehmung�3 Entwicklung entsprechender Instrumente zur Einschätzung von Verhaltensauffälligkeiten

Ziele Verbesserte Möglichkeiten der Früherkennung, Förderung der Inanspruchnahme frühzeitiger Hil-fen, Bessere Nutzung vorhandener Angebote

Ansprechpartnerin Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Institut Arbeit und Technik, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen

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Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

28 Frühe Hilfen für Familien

Entwicklung eines „aktivierenden“ Modells zur Früherkennung kindlicher Lebenssituationen – Ein „Kinderhaus“ als Ort/Teil eines sozialen Frühwarnsystems

Projektstandort Deutscher Kinderschutzbund LV NRW/Ortsverband Essen

Zielgruppe Kinder im Alter von 0 bis 12 Jahren und ihre Eltern (über Akteure in der Kinder- und Jugendhilfe)

Begründung des Projektvorhabens

Vernachlässigung von Kindern hat vielfältige Ursachen, die sowohl in der subjektiven Überfor-derung von Eltern als auch in objektiven Mangelsituationen und damit einhergehenden Bela-stungen und Ausgrenzungen liegen. Nachgegangen wird den Fragen, warum viele Probleme häu-fig (zu) spät erkannt und bearbeitet werden, welche Rolle die Zusammenarbeit verschiedenerInstitutionen spielt und wie Familien erreicht und aktiviert werden können.

Inhaltliche Schwerpunkte

�1 Weiterentwicklung der Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen der Fachkräfte�2 Aufbau kontinuierlicher Formen des Austauschs und der Reflexion�3 Analyse von Risikolagen und Ressourcen�4 Erprobung neuer Beteiligungsformen

Ziele Entwicklung eines übertragbaren Modells zur Wahrnehmung der Risiko- und Gefährdungslagenvon Kindern und Familien, Förderung ihrer Stärken und Kompetenzen sowie Aktivierung vonfachlichen und politischen Ressourcen

Ansprechpartner Friedhelm Güthoff, DKSB Landesverband NRW, Domagkweg 20, 42109 Wuppertal

Das Projekt „vornetz“: Integrierte Raumwahrnehmung

Projektstandort Kreis Siegen- Wittgenstein

Zielgruppe Kinder in einem ausgewählten Sozialraum (1000 EW)

Begründung des Projektvorhabens

Wenn sich Problemlagen im Sozialraum verdichten, so gibt es im Vorfeld Hinweise auf solcheEntwicklungen. Zur Wahrnehmung bedarf es besonderer Sensoren oder Indikatoren. Im Rahmen des Projektes sollen quantitative und qualitative Indikatoren erarbeitet und auf ihreFunktionalität hin überprüft werden.

Inhaltliche Schwerpunkte

�1 Entwicklung eines praktikablen Indikatorenmodells�2 Erstellen einer Sozialraumanalyse durch Erforschung der informellen Strukturen�3 Integration beteiligungsorientierter Verfahren

Ziele Beobachtung von Entwicklungsverläufen (der sozialen Kultur) im Sozialraum über der Einzelfallebene, Übertragbarkeit auf andere Sozialräume

Ansprechpartner Manfred Heiler, Regionaler Sozialdienst für Familie und Jugendhilfe Kreis Siegen-Wittgenstein,Bahnhofstr. 4, 57250 Netphen

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7.2 Verwendete Literatur

Böllert, K. 2003: Wo lassen Sie ihr Kind erziehen? In:Institut für soziale Arbeit e.V.: Riskante Kindheiten.Herausforderungen für die Jugendhilfe. Beiträgezum ISA Kongress 22. bis 24 September 2004 inDortmund. Eigendruck, S. 31-40

Bosson, H. 2003: Hilfe „Just in Time“. Vernetzung so-zialer Dienstleistungen, in: Neue Praxis, Heft 5, S.466-485.

Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen undGesundheit 1990: Achter Jugendbericht. Berichtüber die Bestrebungen und Leistungen der Jugend-hilfe. Bonn

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen undJugend 2002: Elfter Jugendbericht. Bericht über dieLebenssituation von Kindern und die Leistungender Kinderhilfen in Deutschland. Berlin/Bonn

Graham, J. 1997: Prävention und Jugendgewalt. In:DVJJ Journal Nr.156 S. 162-169

Lindner, W./Freund, T. 2001: Der Prävention vorbeu-gen? Zur Reflexion und kritischen Bewertung vonPräventionsaktivitäten in der Sozialpädagogik. In:Lindner, W./Freund, T. (Hrsg.): Prävention. Zur kri-tischen Bewertung von Präventionsansätzen in derJugendarbeit. Opladen, S. 69-96

Lynen von Berg, H. L./Roth, R. 2003: Maßnahmen undProgramme gegen Rechtsextremismus wissen-schaftlich begleitet. Leverkusen

Merchel, J. 2000: Kooperation und Vernetzung in derJugendhilfe, in: Dahme/Wohlfahrt (Hrsg.) Netz-werk Ökonomie im Wohlfahrtsstaat. Berlin

van Santen, E./Seckinger, M. 2003: Kooperation: My-thos und Realität einer Praxis. Eine empirische Stu-die zur interinstitutionellen Zusammenarbeit amBeispiel der Kinder- und Jugendhilfe. Opladen

7.3 Projektbezogene Veröffentlichungen

Jordan, E./ Wagenblass, S. 2002: Soziale Frühwarnsy-steme. In: Institut für soziale Arbeit e.V. (HG:):ISA-Jahrbuch zur sozialen Arbeit. Eigenverlag, S.174-195. Zu beziehen über Institut für soziale Ar-beit e.V., Studtstr. 20, 48149 Münster

Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Fa-milie des Landes NRW (Hrsg.) 2002: Zwischenbe-richt Modellprojekt soziales Frühwarnsystem .(zum downloaden unter: www.soziales-fruehwarn-system.de) oder zu beziehen über Institut für sozia-le Arbeit e.V., Studtstr. 20, 48149 Münster

Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Fa-milie des Landes NRW (Hrsg.) 2003: Dokumentati-on der Fachtagung in Gelsenkirchen. Institut für so-ziale Arbeit e.V. (zum downloaden unter: www.so-ziales-fruehwarnsystem.de)

Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Fa-milie des Landes NRW (Hrsg.) 2005: Soziale Früh-warnsysteme in Nordrhein-Westfalen – Ergebnisseund Perspektiven eines Modellprojekts Modellpro-jekt soziales Frühwarnsystem (i.E.)

Wagenblass, S. 2003: Modellprojekt soziales Früh-warnsystem. In: Weskamp, P./Zinnecker, J. (Hrsg.)Bildung und Beteiligung. Die Qualität des Sozialenund die Zukunft der jüngsten Generation. SozialeAkademie Siegen-Wittgenstein. Band 1, Siegen

Wagenblass, S. 2004: Modellprojekt soziales Früh-warnsystem – frühe Hilfen für Kinder und Famili-en. In: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, Heft2, S. 48-52

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7.4 Glossar

Soziale Frühwarnsysteme –Frühe Hilfen für Familien

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soziales Frühwarnsystem Interdisziplinär abgestimmte, in sich geschlossene Reaktionskette zur Früh-wahrnehmung und für frühe Reaktionen auf riskante Entwicklungen beiFamilien, Kindern bzw. im Sozialraum in drei Schritten: Wahrnehmen,

Warnen, Handeln.GGGGGG

Gegenstandsbereich Der Gegenstandsbereich bildet den Bezugspunkt des jeweiligen Frühwarnsy-stems. Er kann sich sowohl auf sozialräumliche Entwicklungen als auch aufdie Entwicklung von Zielgruppen oder von Einzelfällen beziehen. In der Rea-lität sind diese Dimensionen nicht immer klar zu trennen, denn sozialräumli-che Veränderungen können auch individuelle Entwicklungen beeinflussen undumgekehrt.

Indikator Ein Indikator ist eine beobachtbare, abfragbare, und registrierbare Größe, Um-stand oder Merkmal, das als (beweiskräftiges) Anzeichen oder als Hinweis aufetwas anderes dient „(Duden 1997, S. 354) Im sozialen Frühwarnsystem wer-den Indikatoren gewählt, die für den vorher festgelegten Gegenstandsbereichaussagekräftig sind. Sie sind Hilfsmittel, die gewisse Information über den Ge-genstandsbereich vermitteln. Meist ist ein Indikator allein nicht ausreichend,um ein umfassendes Bild über die Lebenssituation eines Kindes abzugeben, d.h. ggf. müssen verschiedene Indikatoren zusammengetragen werden.

Interdisziplinparität Kooperative Zusammenführung der Methoden und Kenntnisse und die Zusam-menarbeit unterschiedlicher Institutionen. Im sozialen Frühwarnsystem sinddies die unterschiedlichen Institutionen aus dem Bereich der Jugend- und Fa-milienhilfe (z.B. Kindergarten, Schule, Jugendamt, Beratungsstellen).

Kontrakt In Kontrakten werden verbindlich und begründete Vereinbarungen zwischenzwei (oder mehreren) Kooperationspartnern festgehalten. Im sozialen Früh-warnsystem diesen diese Vereinbarungen zur Fixierung gemeinsam reflektier-ter und begründeter Absprachen, Regelungen und technischer Verfahren so-wohl innerhalb der jeweiligen Institutionen als auch für die Interaktion zwi-schen den Institutionen.

Kooperation Kooperation ist eine problembezogene, zeitlich und sachlich abgegrenzte Formder gleichberechtigten, arbeitsteilig organisierten Zusammenarbeit zu festge-legten Bedingungen an einem von allen Beteiligten in einem Aushandlungs-prozess abgestimmten Ziel mit definierten Zielkriterien (Erik von Santen/Mike Seckinger: Kooperation – Mythos und Realität einer Praxis, München2003, Seite 27). Kooperation dient dem Zweck, Problemlagen bzw. Kinder, Ju-gendliche und ihre Familien die Aufmerksamkeit von Institutionen auf sichziehen, „einer frühzeitigen Bearbeitung zugänglich zu machen“ (vonSanten/Seckinger 2004, Seite 224). Kooperation ist – mindestens für eine be-grenzte Zeit – ein Zusammenschluss im Sinne einer Systembildung. Die Ko-operationspartner erwarten ein der Kooperation entsprechendes Verhalten. Die-se Art von Erwartungen können als Rechte und Pflichten verhandelt undschriftlich festgehalten werden ( Kontrakt).GG

Prävention Eine präventive Orientierung richtet ihren Blick auf drohende Konflikte undRisiken bei Individuen oder in Sozialräumen und versucht, möglichst frühzei-tig in diese Prozesse einzugreifen, um die Wahrscheinlichkeit für das Eintretensolcher Entwicklungen zu reduzieren.

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riskante Entwicklung Riskante Entwicklungen von Kindern und ihren Familien können sich auf ver-schiedene Aspekte der kindlichen und familialen Lebensführung (Verhaltens-auffälligkeiten, Eltern-Kind-Beziehung, biografische Übergangsphasen) bezie-hen. Entwicklungen werden als „riskant“ definiert, wenn sie nach gesellschaft-lichen Konventionen und professionellen Normen in einer Kultur als nicht zu-mutbar und nicht ausreichend gelten.

Schwellenwert Im Verständnis des sozialen Frühwarnsystems handelt es sich bei den Schwel-lenwerten um – zwischen den beteiligten Akteuren abgestimmte Veränderun-gen der festgelegten Indikatoren, die den Übergang zu einer Krise/Abwei-chung anzeigen.

GG

Vernetzung Vernetzung dient dazu, verschiedene, sehr vielfältige Hilfsangebote zu koordi-nieren, die sonst eher zufällig durch individuell von Familien wahrgenommenwerden. Vernetzung erfüllt somit eine „Brückenfunktion“ zwischen den ver-schiedenen Institutionen, mit denen Familien und Kinder sonst zu tun haben.Zielsetzung der Vernetzung ist es, vorhandene Informationen auszutauschenund miteinander zu kommunizieren.

Vertrauen Im Rahmen eines sozialen Frühwarnsystem steht die Freiwilligkeit der Inan-spruchnahme im Vordergrund. Vertrauen bezieht auf zwei Ebenen: Erstens aufden vertrauensvollen Umgang mit den Familien, dass es sich bei den Hilfennicht um eine neue Form der Kontrolle, sondern, um ein Angebot zur Stärkungder eigenen Ressourcen handelt. Zweitens auf die Vertrauensbasis, die für dieZusammenarbeit der Fachkräfte im sozialen Frühwarnsystem notwendig ist,um gemeinsam verantwortlich handeln zu können.

Wahrnehmen Im Rahmen eines sozialen Frühwarnsystems können sowohl sozialräumlichenEntwicklungen, als auch zielgruppenbezogene oder einzelfallbezogene Ent-wicklungen in den Blick genommen werden. Um Probleme qualifiziert wahr-nehmen zu können, bedarf es deshalb spezifischer Indikatoren, die im Hin-blick auf den ausgewählten Gegenstandsbereich bzw. die riskante EntwicklungAussagekraft haben.

Warnen Das Warnen ist die Form der Weitergabe von eindeutigen Warnmeldungen (In-formationen) an die zur Handlung verpflichteten Institutionen oder Personen.Die Warnung erfolgt dann, wenn die Schwellenwerte eine bestimme (vorhergemeinsam bestimmte) Grenze überschritten haben.

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Weitere Informationen:www.soziales-fruehwarnsystem.de

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