+ All Categories
Home > Documents > Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Date post: 23-Dec-2016
Category:
Upload: gudrun
View: 224 times
Download: 6 times
Share this document with a friend
5
Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre Ein Plädoyer für ihre Neuthematisierung Die Bedeutung sozialer Gruppenarbeit in der Praxis hat in den letzten Jahren zugenommen (siehe Beitrag von Michael Behnisch in die- sem Schwerpunkt). Allerdings wird in der Ausbildung und Lehre die Arbeitsform soziale Gruppenarbeit immer noch marginalisiert. Die- ser Beitrag ist ein Plädoyer für eine Neuthematisierung sozialer Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre und gleichsam ein Vorschlag, Kompetenzebenen zu benennen, die unserer Ansicht nach im Arbeiten mit Gruppen wesentlich sind. „Seit Jahren coache ich eine Fußballgruppe – erst nachdem ich mich mit Theorien über Gruppen be- schäftigt habe, weiß ich, wie ich mit Außenseitern umgehen muss und wie mir Außenseiter zeigen, welche verdeckten Themen in dem Team eine Rolle spielen!“ „Gleich gehe ich zu meiner Koch- gruppe, ich werde einmal darauf achten, wie heu- te die Aufgabenverteilung aussieht und was mir dies über die Positionen in meiner Gruppe sagt!“ „Das Leiten von Gruppen, so wurde mir in dem Seminar deutlich, ist ganz schön schwer. Ich ha- be mir vorher keine Gedanken darüber gemacht!“ Diese Aussagen stammen von Studierenden, die ein Seminar zur sozialen Gruppenarbeit be- sucht haben. In den Seminaren wird immer wie- der deutlich, wie frappierend gering bei Studie- renden das Wissen über Theorien oder Techni- ken im Arbeiten mit sozialen Gruppen ist. Ebenso lückenhaft ist die Kenntnis über die komplexen Aufgaben der Lei- tung, viele agieren „aus dem Bauch heraus“. Diese Wissenslücken sind zum einen der Tatsache geschuldet, dass Gruppenprozesse hoch komplex, oft intransparent und paradox und somit schwer zu expli- zieren sind. Ein anderer Grund für diese Tatsache liegt jedoch in der Marginalisierung von sozialer Gruppenarbeit in der Ausbildung an- gehender Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter überhaupt. Stich- proben von Modulhandbüchern einiger deutscher Fachhochschu- len haben dies bestätigt, wird doch soziale Gruppenarbeit in der Regel in Überblickseminaren zu Methoden und Handlungskonzep- ten Sozialer Arbeit als eine der drei Arbeitsformen vorgestellt und meist nicht ausführlicher behandelt. Die Vertiefung von Wissensbe- ständen im Arbeiten mit Gruppen oder das Training im Leiten von Gruppen ist in der Ausbildung nicht obligatorisch. Dies war einmal anders: Ab Mitte der 1950er Jahre wurde in Deutschland die Methodenlehre und die Ausbildung im Arbei- ten mit Gruppen an den Sozialen Fachschulen eingeführt. Hein- rich Schiller, der als Schüler von Gisela Konopka – der „Mutter der Gruppenpädagogik“ – in den USA als Groupworker ausgebildet worden war, lehrte ab 1955 soziale Gruppenarbeit nach amerikani- schem Vorbild an der Sozialen Fachschule in Nürnberg. Die Auszu- bildenden wurden in die Theorie der Gruppe eingeführt und über- nahmen für etwa ein Jahr lang eine Gruppe, die sie mit einem Su- pervisor alle zwei Wochen analysierten (Schiller 1997, S. 298f). Die Gruppen wurden dann von Studierenden des Folgejahres übernom- men und auf diese Weise ihre Kontinuität gesichert. Zur Verbindung von Theorie und Praxis – so Heinrich Schiller – mussten die Studie- renden am Ende ihres Praktikums eine Analyse der Gruppe verfas- sen und ihre pädagogischen Erfahrungen in der Gruppe reflektieren (ebd.). Mit der Einrichtung der Höheren Fachschulen für Sozialar- beit zu Beginn der 1960er Jahre hatte sich schließlich auch die Me- thodenlehre etabliert. Auch wenn sicherlich das Ausbildungsmodell der Fachschule Nürnberg stark vom amerikanischen Modell geprägt war und nicht in dieser Weise in allen Fachschulen etabliert werden konnte, spielte die soziale Gruppenarbeit bis in die 1970er Jahre in der Ausbildung eine bedeutendere Rolle als heute (ebd., S. 299). Auch in der Ausbildung angehender SozialarbeiterInnen in den USA nimmt social groupwork einen zentraleren Stellenwert als in Deutschland ein. In den letzten Jahren wurden zahlreiche work- books und Handbücher zum Thema veröffentlicht, einige in Koope- ration mit der im Jahre 1979 gegründeten AASWG (Association for the Advancement of Social Work with Groups) 1 (vgl. u. a. Garvin et al. 2006, Geldard/Geldard 2003, Kurland/Salmon 2005, Zastrow 2006). C. W. Müller, der das Buch von Geldard/Geldard über die Einführung in die Gruppenarbeit mit Kindern ins Deutsche über- setzte, spricht sogar von einem „partiellen Paradigmenwechsel“, da Abstract / Das Wichtigste in Kürze Soziale Gruppenarbeit hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Aus diesem Grund plädieren wir für die Professionalisierung der Ausbildung in sozialer Gruppenarbeit in den Kompetenzebenen von Wissen, Können und Haltung. Keywords / Stichworte Soziale Gruppenarbeit, Lehre und Ausbildung, Kompetenzebenen, Konzeption, Reflexion Gudrun Maierhof *1962 Dr. phil., Sozialarbei- terin/-pädagogin seit 2008 Professorin für Me- thodenkompetenz und Geschichte der Sozialen Arbeit an der FH Frank- furt am Main, Fachbe- reich Soziale Arbeit und Gesundheit. Derzeit Aus- bildung zur Gruppen- analytikerin am Semi- nar für Gruppenana- lyse Zürich (SGAZ). maierhof@fb4. fh-frankfurt.de 41 Sozial Extra 1 2014: 41-45 DOI 10.1007/s12054-014-0009-x Durchblick Soziale Gruppenarbeit
Transcript
Page 1: Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Ein Plädoyer für ihre Neuthematisierung

Die Bedeutung sozialer Gruppenarbeit in der Praxis hat in den letzten Jahren zugenommen (siehe Beitrag von Michael Behnisch in die-sem Schwerpunkt). Allerdings wird in der Ausbildung und Lehre die Arbeitsform soziale Gruppenarbeit immer noch marginalisiert. Die-ser Beitrag ist ein Plädoyer für eine Neuthematisierung sozialer Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre und gleichsam ein Vorschlag, Kompetenzebenen zu benennen, die unserer Ansicht nach im Arbeiten mit Gruppen wesentlich sind.

„Seit Jahren coache ich eine Fußballgruppe – erst nachdem ich mich mit Theorien über Gruppen be-schäftigt habe, weiß ich, wie ich mit Außenseitern umgehen muss und wie mir Außenseiter zeigen, welche verdeckten Themen in dem Team eine Rolle spielen!“ „Gleich gehe ich zu meiner Koch-gruppe, ich werde einmal darauf achten, wie heu-te die Aufgabenverteilung aussieht und was mir dies über die Positionen in meiner Gruppe sagt!“ „Das Leiten von Gruppen, so wurde mir in dem Seminar deutlich, ist ganz schön schwer. Ich ha-be mir vorher keine Gedanken darüber gemacht!“Diese Aussagen stammen von Studierenden,

die ein Seminar zur sozialen Gruppenarbeit be-sucht haben. In den Seminaren wird immer wie-der deutlich, wie frappierend gering bei Studie-renden das Wissen über Theorien oder Techni-ken im Arbeiten mit sozialen Gruppen ist. Ebenso

lückenhaft ist die Kenntnis über die komplexen Aufgaben der Lei-tung, viele agieren „aus dem Bauch heraus“. Diese Wissenslücken sind zum einen der Tatsache geschuldet, dass Gruppenprozesse hoch komplex, oft intransparent und paradox und somit schwer zu expli-zieren sind. Ein anderer Grund für diese Tatsache liegt jedoch in der Marginalisierung von sozialer Gruppenarbeit in der Ausbildung an-gehender Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter überhaupt. Stich-proben von Modulhandbüchern einiger deutscher Fachhochschu-len haben dies bestätigt, wird doch soziale Gruppenarbeit in der Regel in Überblickseminaren zu Methoden und Handlungskonzep-ten Sozialer Arbeit als eine der drei Arbeitsformen vorgestellt und meist nicht ausführlicher behandelt. Die Vertiefung von Wissensbe-ständen im Arbeiten mit Gruppen oder das Training im Leiten von Gruppen ist in der Ausbildung nicht obligatorisch.

Dies war einmal anders: Ab Mitte der 1950er Jahre wurde in Deutschland die Methodenlehre und die Ausbildung im Arbei-ten mit Gruppen an den Sozialen Fachschulen eingeführt. Hein-rich Schiller, der als Schüler von Gisela Konopka – der „Mutter der Gruppenpädagogik“ – in den USA als Groupworker ausgebildet worden war, lehrte ab 1955 soziale Gruppenarbeit nach amerikani-schem Vorbild an der Sozialen Fachschule in Nürnberg. Die Auszu-bildenden wurden in die Theorie der Gruppe eingeführt und über-nahmen für etwa ein Jahr lang eine Gruppe, die sie mit einem Su-pervisor alle zwei Wochen analysierten (Schiller 1997, S. 298f). Die Gruppen wurden dann von Studierenden des Folgejahres übernom-men und auf diese Weise ihre Kontinuität gesichert. Zur Verbindung von Theorie und Praxis – so Heinrich Schiller – mussten die Studie-renden am Ende ihres Praktikums eine Analyse der Gruppe verfas-sen und ihre pädagogischen Erfahrungen in der Gruppe re�ektieren (ebd.). Mit der Einrichtung der Höheren Fachschulen für Sozialar-beit zu Beginn der 1960er Jahre hatte sich schließlich auch die Me-thodenlehre etabliert. Auch wenn sicherlich das Ausbildungsmodell der Fachschule Nürnberg stark vom amerikanischen Modell geprägt war und nicht in dieser Weise in allen Fachschulen etabliert werden konnte, spielte die soziale Gruppenarbeit bis in die 1970er Jahre in der Ausbildung eine bedeutendere Rolle als heute (ebd., S. 299).Auch in der Ausbildung angehender SozialarbeiterInnen in den

USA nimmt social groupwork einen zentraleren Stellenwert als in Deutschland ein. In den letzten Jahren wurden zahlreiche work-books und Handbücher zum Thema verö�entlicht, einige in Koope-ration mit der im Jahre 1979 gegründeten AASWG (Association for the Advancement of Social Work with Groups)1 (vgl. u. a. Garvin et al. 2006, Geldard/Geldard 2003, Kurland/Salmon 2005, Zastrow 2006). C. W. Müller, der das Buch von Geldard/Geldard über die Einführung in die Gruppenarbeit mit Kindern ins Deutsche über-setzte, spricht sogar von einem „partiellen Paradigmenwechsel“, da

Abstract / Das Wichtigste in Kürze Soziale Gruppenarbeit hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Aus diesem Grund plädieren wir für die Professionalisierung der Ausbildung in sozialer Gruppenarbeit in den Kompetenzebenen von Wissen, Können und Haltung.

Keywords / Stichworte Soziale Gruppenarbeit, Lehre und Ausbildung, Kompetenzebenen, Konzeption, Re�exion

Gudrun Maierhof *1962

Dr. phil., Sozial arbei-terin/-pädagogin seit 2008 Professorin für Me-thodenkompetenz und Geschichte der Sozialen Arbeit an der FH Frank-furt am Main, Fachbe-reich Soziale Arbeit und Gesundheit. Derzeit Aus-bildung zur Gruppen-analytikerin am Semi-nar für Gruppenana-lyse Zürich (SGAZ).

[email protected]

41

Sozial Extra 1 2014: 41-45 DOI 10.1007/s12054-014-0009-x

Durchblick Soziale Gruppenarbeit

Page 2: Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

in dem Buch die soziale Gruppenarbeit mit Kindern im Fokus steht (Geldard/Geldard 2003, S. 9). Eine Gemeinsamkeit dieser Arbeits- und Handbücher ist, dass die zunehmende Bedeutung von sozialer Gruppenarbeit und ihre positive Wirkung betont werden. „Social group work is a very positive and optimistic way of working with people. It is truly empowering and a�rming of people’s strengths. (…) In today’s troubled world, e�ective group work is needed more than ever“, heißt es u. a. bei Kurland/Salmon (2005, S. IX).

Kompetenzebenen der sozialen GruppenarbeitDie letztgenannte These von Kurland/Salmon aufgreifend, – nach

der professionelle soziale Gruppenarbeit in der Spätmoderne eine zunehmende Bedeutung erhält, – plädieren wir für eine Aufwer-tung und profunde Ausbildung in sozialer Gruppenarbeit für an-gehende SozialarbeiterInnen und Fachkräfte. Doch wie kann dies aussehen? Anknüpfend an die Kompetenzanforderungen für me-thodisches Handeln, die Hiltrud von Spiegel in den Dimensionen „Können, Wissen und Haltung“ beschreibt, möchten wir folgende Anforderungen an die Professionalisierung im Arbeiten mit Grup-pen stellen: Auf der Kompetenzebene des Wissens müssen Konzep-te von Gruppenarbeit auch theoretisch vermittelt werden. Betrach-ten wir die Ebene des Könnens soll die Gestaltung von Gruppen-prozessen, etwa die Steuerung von Gruppen im Spannungsfeld von Intervention und Selbstorganisation in den Fokus gerückt werden. In der Dimension der Haltung geht es um die Frage nach der pro-fessionellen Haltung der Gruppenleitung selbst. Die drei Kompe-tenzebenen werden im Folgenden näher erläutert.

Kompetenzebene: WissenIn der Dimension des Wissens ist es erforderlich, Studierenden

Kenntnisse über Konzepte und Theorien im Arbeiten mit Grup-pen zu vermitteln, damit sie eben nicht nur „aus dem Bauch heraus“ agieren. Mit der Themenzentrierten Prozessanalyse stellen wir ei-ne Konzeption vor, mit der sich Gruppenprozesse analysieren, re-�ektieren und gestalten lassen (s. Beitrag von Walter Lotz in die-sem Schwerpunkt). Eine Konzeption sozialer Gruppenarbeit muss drei Funktionen einer pädagogischen Handlungskonzeption erfül-len: Sie hat erstens eine Scharnier-Funktion, zweitens eine Kom-pass-Funktion und drittens eine Balance-Funktion. Im Sinne einer Scharnier-Funktion wird eine Konzeption sozialer Gruppenarbeit zu einem Bindeglied, um unterschiedliche Wissensebenen – die all-tagspraktisch-narrative, die fachlich professionelle sowie die wissen-schaftlich-theoretische Ebene – in Relation zueinander zu setzen. Wenn eine Studentin in einer Re�exionsveranstaltung eine für sie irritierende Gruppensituation beschreibt – etwa aggressives Ver-halten von Kindern in einer Gruppe – ist es nicht ausreichend, sich alltagspraktisch-narrativ der Situation zu nähern. In einem weite-ren Schritt muss die Studentin die fachlich professionelle Dimensi-on einbeziehen. Das heißt, sie benötigt eine Konzeption, um analy-sieren zu können, was da eigentlich los war. Darüber hinaus gilt es, die wissenschaftlich-theoretische Perspektive zu berücksichtigen – in diesem Fall etwa die Frage nach Theorien von Aggression, psy-

chologische Entwicklungsstufen, Peergroups etc. Wenn alle drei Ebenen in Beziehung zueinander gesetzt werden, kann eine auf den ersten Blick irritierende Situation aus der Praxis entschlüsselt wer-den. Eine Konzeption hat auf diese Weise eine Scharnier-Funktion zwischen verschiedenen Wissensdimensionen und dient der profes-sionellen Re�exion eines Geschehens aus der Praxis.Eine Konzeption wirkt zudem wie ein pädagogischer Kompass

und bietet eine Orientierung für das konkrete Handeln mit Grup-pen. Im Sinne unserer methodischen Leitidee sind es vier Fakto-ren, die ein Gruppengeschehen bestimmen: Das Individuum, die Interaktionsbeziehungen, der Inhalt und der Kontext. In dem er-wähnten Beispiel der Studentin, die mit dem aggressiven Auftre-ten einzelner Kinder überfordert war, ist die Frage nach den ein-zelnen Beteiligten, nach ihren Interaktionsbeziehungen, dem In-halt und den Kontext zentral für die Re�exion des Geschehens. Zuletzt sei die Balance-Funktion einer Handlungskonzeption er-

wähnt: Bezugnehmend auf die vier Faktoren, die das Prozessge-schehen in Gruppen bestimmen – Individuum, Interaktion, In-halt und Kontext – gehen wir davon aus, dass diese in einer Ba-lance zueinander stehen müssen. Darüber hinaus meinen wir mit Balance-Funktion auch den balancierten Umgang mit Spannungs-feldern, etwa die Balance zwischen der alltagspraktisch-narrativen Ebene, der fachlich professionellen und der wissenschaftlich-the-oretischen Ebene. Würden wir in dem Beispiel mit den aggressi-ven Kindern in einer Gruppensituation nur Theorien zu aggres-sivem Verhalten von Kindern – die wissenschaftlich-theoretische Ebene – berücksichtigen, würde dies in unserer Re�exion über das Geschehen zweifelsohne zu kurz greifen. Eine Handlungskonzeption muss darüber hinaus die spezi�schen

Herausforderungen und Dilemmata-Situationen mitdenken, de-nen pädagogisches Handeln per se unterliegt, etwa das Dilemma zwischen individueller Förderung auf der einen und der Entwick-lung von Gemeinschaftlichkeit auf der anderen Seite (ausführlicher Behnisch/Lotz/Maierhof 2013, S. 75�). Neben der Vermittlung von Theorien und Konzepten im Arbeiten

mit Gruppen ist die Darstellung der historischen Entwicklung sozi-aler Gruppenarbeit unseres Erachtens ebenso zentral. Zum einen, um nachzuvollziehen, wie sich nach 1945 in Deutschland die sozi-ale Gruppenarbeit neben der Einzelfallhilfe als zweite Arbeitsform in der Sozialen Arbeit etabliert hat. Dies ist umso wichtiger, als sich SozialarbeiterInnen im Sinne der Entwicklung einer Berufsidenti-tät mit Fragen nach der historischen Dimension der Professionali-sierung beschäftigen müssen. Zum anderen wird die Bedeutung so-zialer Gruppenarbeit, ihr Bedeutungsverlust in den 1970er Jahren sowie das veränderte Verständnis im § 29 SGB VIII nur mit dem Blick auf die historische Entwicklung verständlich. Die Übersicht „Entwicklungslinien sozialer Gruppenarbeit in Deutschland und in den USA von 1889 bis 1991“ gibt einen Einblick in die verschiede-nen Phasen der Entwicklung im Arbeiten mit Gruppen. Die Wur-zeln der sozialen Gruppenarbeit liegen in der amerikanischen Sett-lementbewegung, in der deutschen Jugendbewegung und Reform-pädagogik sowie in der systematischen Erforschung des Phänomens

42

Sozial Extra 1 2014

Durchblick Soziale Gruppenarbeit

Page 3: Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Gruppe – unter anderem durch Kurt Lewin - in den 1930er Jahren in den USA. Interessant dabei ist, dass die Entwicklung im Arbei-ten mit Gruppen in engem Kontext mit der Entwicklung der soci-al group work in den USA zu betrachten ist, denn die Diskurse in den 1930er Jahren fanden nach 1945 mit der amerikanischen Besat-zungsmacht ihren Weg nach Deutschland. Erst nach 1950 wurden in Deutschland eigene Wege im Arbeiten mit Gruppen beschritten, die in dem Zentrum für soziale Gruppenarbeit bzw. Gruppenpäd-agogik im Haus Schwalbach vermittelt und im Hansischen Jugend-bund umgesetzt wurden. Bis zu den 1960er Jahren erlebte sozia-le Gruppenarbeit als Methode einen Höhen�ug, der erst durch die Auseinandersetzung mit der Gruppenarbeit durch die kritische So-zialarbeitsbewegung beendet wurde. In den Jahren bis 1991 versank die soziale Gruppenarbeit als Methode der Sozialen Arbeit gewis-sermaßen in die Bedeutungslosigkeit. Die Kompetenzebene Wissen - verstanden als Wissen über Konzepte, Theorien und Geschichte der sozialen Gruppenarbeit - lässt sich deshalb auch als ein Schar-nier zwischen Praxis und Theorie beschreiben.

Kompetenzebene: KönnenAuf der Kompetenzebene des Könnens stellt sich die Frage nach

der Gestaltung von Gruppenprozessen. Wie wird eine Gruppe initiiert, was gilt es zu beachten, wie schwierig ist die Wahrneh-mung von Gruppenprozessen oder wie lassen sich Gruppenpro-zesse steuern? Soziale Gruppenarbeit bedarf sorgfältiger Planung. Zum einen muss der institutionelle Rahmen als Kontext miteinbe-zogen werden und zum andern müssen die Gruppenziele ausgear-beitet werden. Soziale Gruppen entstehen nicht zufällig, sie sind Bestandteil sozialpolitisch und pädagogisch beabsichtigter Verän-derungswünsche und daher in Rahmenbedingungen eingebun-den. Diese müssen bei der Planung berücksichtigt werden, denn der Kontext beein�usst die Gruppenarbeit und die Verhaltenswei-sen der Mitglieder. Soziale Gruppenarbeit, die im Rahmen sozi-aler Trainingskurse angeboten wird, vollzieht sich unter anderen Bedingungen als ein Gruppenangebot in einem Jugendtre�. Rele-vante Aspekte, die das Gruppengeschehen beein�ussen sind etwa die Vorgeschichte einer Gruppe, o�ene oder geschlossene Grup-pen, Gruppengröße, die Auswahl der Gruppenmitglieder, die Or-te und die Räume, die Finanzierung der Angebote. Gruppen ent-wickeln Ziele und Dynamiken jenseits der Rahmenbedingungen und Kontexte, was auf das Spannungsfeld zwischen institutionel-len Auftrag und kommunikativen Prozessen in Gruppen verweist. Bei der Planung der Gruppenziele ist diese Ebene nicht unerheb-lich. Aus diesem Grund ist es zentral, die unterschiedlichen Ziele-benen in Gruppen, sprich die Ziele, die durch die Rahmenbedin-gungen gesetzt werden, die Ziele der Gruppenleitung, der Einzel-nen sowie die Ziele der Gruppe zu berücksichtigen. Bevor die Gruppenarbeit beginnt, gilt es, die Rolle und Funk-

tion der Gruppenleitung zu klären, denn die Anforderungen an die Leitung sind komplex. Die Frage ist, über welche spezi�schen Kompetenzen die Fachkraft in der Leitung verfügen muss, nach welchem Leitungsverständnis sie arbeitet und worin ihre Aufga-

ben liegen? Unseres Erachtens lassen sich die Anforderungen der Gruppenleitung unter drei Aspekte fassen:•Wahrnehmen, Beobachten und Re�ektieren•Steuerung von Gruppenprozessen im Sinne eines dynamischen

Balancierens•Gruppenphasen und Gruppenkonstellationen berücksichtigen

und gestaltenDie erste Aufgabe besteht im Wahrnehmen, Beobachten und Re-

�ektieren von Gruppenprozessen. Dabei besteht die Schwierigkeit, dass Wahrnehmungen subjektiv und selektiv sind, und daher un-ser Verstehen begrenzt ist und nur einen Ausschnitt abbildet. Mehr Wissen, eine konzeptionelle Fundierung und methodische Kom-petenz kann zu einer professionelleren Wahrnehmung, Beobach-tungskompetenz und Interpretation von Gruppenprozessen führen. Die zweite Aufgabe liegt unserer Konzeption zufolge in der Steu-

erung von Gruppenprozessen im Sinne einer dynamischen Balan-ce. Dabei gehen wir – wie bereits erwähnt – von vier Wirkfaktoren

Gisela Konopka (1910 - 2003): „Mutter der Gruppenpädagogik“

Geboren als Gisela Peiper in Berlin, Besuch des Gymnasiums, Mitgliedschaft in der jüdischen Jugendbewegung. Im Alter von 17 Eintritt in den 1925 gegründeten Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). Nach dem Abitur Umzug nach Hamburg, dort lernte sie ihren späteren Mann Erhardt Paul Konopka kennen und studierte Geschichte, Psychologie, Pädagogik und Philosophie. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP 1933 beschloss sie, in den Widerstand zu gehen und für den ISK tätig zu werden. Im Dezember 1936 wurde Gisela Konopka verhaftet und ins Konzen-trationslager Hamburg-Fühlsbüttel gebracht. Nach ihrer Freilas-sung aus dem KZ gelang ihr 1937 die Flucht in die Tschechoslowa-kei, von dort aus über viele Umwege 1941 in die USA. In den USA studierte sie social work an der University in Pitts-

burgh und wurde Schülerin von Gertrude Wilson, damals ei-ne der wenigen Forscherinnen und Forscher, die sich auf social work with groups spezialisiert hatten. Nach ihrem Abschluss ar-beitete Gisela Konopka in einer Kinderklinik in Pittsburgh, wo sie mit emotional vernachlässigten Kindern soziale Gruppen-arbeit praktizierte. 1947 erhielt sie eine Stelle als Dozentin für social group work an der Universität of Minnesota in Minne-apolis, an der sie bis zu ihrer Emeritierung 1978 tätig war. Sie beteiligte sich aktiv an den amerikanischen Diskursen um The-orie und Praxis der Gruppenarbeit und publizierte zahlreiche Bücher zum Thema. Seit Beginn der 1950er Jahre reiste sie als visiting expert regelmäßig nach Deutschland und beein�usste die Diskussionen um soziale Gruppenarbeit nachhaltig. 1975 erhielt Gisela Konopka das Bundesverdienstkreuz für ihr En-gagement in der Nachkriegszeit. 2003 starb sie in Minnesota.

Quellen u.a.: Andrews-Schenk (2005), Feidel-Mertz (1993)

43

Page 4: Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

aus, die das Gruppengeschehen beein�ussen: Das Individuum, der Inhalt, die Interaktion sowie der Kontext. Diese vier Faktoren müs-sen im Sinne einer dynamischen Balance gesteuert werden. Je nach Gruppensituation und Prozess stehen die einzelnen Individuen, der Gegenstand, die Interaktion oder der Kontext der Gruppe im Mit-telpunkt. Wenn eine Gruppenleiterin zu sehr mit den Be�ndlich-keiten der einzelnen Kinder oder Jugendlichen beschäftigt ist, da-bei aber der Inhalt aus dem Blick gerät, kann die Gruppe stagnieren.Die dritte Aufgabe der Gruppenleitung ist die Berücksichtigung von

Gruppenphasen und Gruppenkonstellationen. Es wurden zahlreiche Modelle entwickelt – etwa von Wilfred R. Bion, Bruce Tuckman oder Angelika Rubner/Eike Rubner – um den Verlauf von Gruppenpro-zessen in eine mehr oder minder gesetzmäßige Abfolge zu bringen. Es wird unterschieden zwischen einer Anfangsphase, einer mittleren bzw. Arbeitsphase und einer Abschiedsphase. Die unterschiedlichen Phasen erfordern unterschiedliche Interventionen seitens der Grup-penleitung. In der Phase, die von Kampf und Flucht bestimmt ist und in der sich Funktionen, Positionen und Rollen in Gruppen herausbil-den, sind die Anforderungen an die Leitung anders als beispielsweise in der Abschiedsphase. Phasen-Modelle sind Strukturierungshilfen, um die Komplexität von Gruppenprozessen zu erfassen sowie die Dy-namik in Gruppen verstehen. Da die Phasen nicht idealtypisch auftau-chen, sprechen wir von Konstellationen in Gruppen, die aber keines-wegs immer vorkommen. Diese gilt es wahrzunehmen, um angemes-sen intervenieren zu können (ausführlicher Behnisch/Lotz/Maierhof 2013, S. 222�). Bei der Planung, Gestaltung und Re�exion von Grup-penprozessen müssen die Anforderungen an die Leitung, die spezi-�schen Aufgaben und Herausforderungen stets mitgedacht werden.

Kompetenzebene: HaltungAuf der Kompetenzebene der Haltung steht die Person der Grup-

penleitung und ihre beru�iche Haltung im Mittelpunkt. Unter „Hal-tung“ verstehen wir grundlegende Einstellungen und innere Be-reitschaften im Hinblick auf das pädagogische Tun. Haltung ist ei-ne Disposition zum Handeln, die sich aus persönlich-biogra�schen und beru�ich-fachlichen Erfahrungen entwickelt. Sie beein�usst als ein innerer „Erfahrungsraum“ die jeweilige Art und Weise, in der ei-ne Person eine Situation erlebt, wie sie diese handlungsbezogen ein-schätzt und wie sie sich in ihr verhält. In unserem Konzept der The-menzentrierten Prozessanalyse stellen wir drei wesentliche Merkmale einer pädagogischen Haltung vor: Präsenz, Achtsamkeit und selektive Authentizität (ausführlicher Behnisch/Lotz/Maierhof 2013, S. 133�).Die Re�exion der pädagogischen Haltung beinhaltet unter ande-

rem die Re�exion individueller Berufswahlmotive und Wertestan-dards und das Nachdenken über den persönlichen Leitungsstil. Der persönliche Leitungsstil setzt sich aus mehreren Komponenten zu-sammen, unter anderem aus dem Leitungsstil, der sich im Laufe des Sozialisationsprozesses entwickelt hat. Dieser Zusammenhang – zwischen Leitungsstil und biogra�schen Erfahrungen – muss re-�ektiert werden. Des Weiteren ist das Nachdenken über die beruf-lichen Wertestandards wichtig. Grundlage dafür ist der Code of Ethics, der von der International Federation of Social Workers ent-

wickelt wurde. Allerdings muss der Ethik-Kodex in der Praxis der sozialen Gruppenarbeit noch spezi�scher gefasst werden, etwa was den Umgang mit der Privatsphäre und vertraulichen Informationen angeht oder bezüglich der Transparenz, wie die Mitglieder in die Gruppe gewählt oder von der Gruppe ausgeschlossen werden (vgl. auch AASWG, Standards für die praktische Sozialarbeit mit Grup-pen, S. 17). Mit solcherart Fragen bezüglich der Haltung der Grup-penleiterInnen ist schließlich die Au�orderung verknüpft, die eige-ne beru�iche Haltung stets aufs Neue zu re�ektieren. Die Re�exion der Haltung stellt neben den Kompetenzebenen

des Wissens und des Könnens einen zentralen Baustein in der Pro-fessionalisierung sozialer Gruppenarbeit dar. Ausgehend von ei-nem Bedeutungszuwachs sozialer Gruppenarbeit muss das Arbei-ten mit Gruppen in der Lehre und Ausbildung neu thematisiert werden. Erst dann lässt sich vielleicht irgendwann von einer „Re-naissance“ sozialer Gruppenarbeit sprechen.

∑1. 1993 wurde die deutsche Sektion der AASWG gegründet, Ziel ist es, die Methode der So-cial Groupwork in Theorie, Ausbildung und Praxis zu fördern.

Literatur

ANDREWS-SCHENK, JANICE (2005). Rebellious Spirit: Gisela Konopka, Edina: Beavers Pond Press

BEHNISCH, MICHAEL, LOTZ, WALTER, MAIERHOF, GUDRUN (2013). Soziale Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Theoretische Grundlage – methodische Konzeption – empirische Analyse, Weinheim/Basel: Beltz Juventa

FEIDEL-MERTZ, HILDEGARD (1993). Gisela Konopka. In: Dick, Jutta, Sassenberg, Marina (Hrsg), Jüdische Frauen im 19. Und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk (S. 221-222), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag

GARVIN, CHARLES D., GUTIÉRREZ, LORRAINE M., GALINSKY, MAEDA J. (2006). Handbook of Social Work with Groups, New York/London: The Guilford Press

GELDARD, KATHRYN, GELDARD, DAVID (2003). Helfende Gruppen. Eine Einführung in die Gruppenarbeit mit Kindern, Weinheim u.a.: Beltz Verlag

KURLAND, ROSELLE, SALMON, ROBERT (2005). Teaching a Methods Course in Social Work with Groups, Alexandria: Council on Social Work Education

MÜLLER, CARL WOLFGANG (2006). Wie Helfen zum Beruf wurde. Eine Methodengeschichte der Sozialen Arbeit, (4. Au�.), Weinheim/Basel: Juventa

MÜLLER, CARL WOLFGANG (1970). Gruppenpädagogik: Auswahl aus Schriften und Dokumenten. Weinheim/Berlin/Basel: Julius Beltz Verlag

SCHILLER, HEINRICH (1997). Soziale Gruppenarbeit in Deutschland. Persönliche Erinnerungen und Erfahrungen. In: Nebel, Georg, Woltmann-Zingsheim, Bernd (1997): Werkbuch für das Arbeiten mit Gruppen, Aachen: Wissenschaftlicher Verlag des Instituts für Beratung und Supervision Aachen, 277-327

SCHMIDT-GRUNERT, MARIANNE (2009). Soziale Arbeit mit Gruppen. Eine Einführung (3. Au�.), Freiburg i. Br.: Lambertus

SPIEGEL, HILTRUD VON (2006). Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. (2. Au�.), München: Reinhardt Verlag

ZASTROW, CHARLES H. (2006). Social Work with groups. A comprehensive Workbook. (6. Au�.), Belmont: Thomson Higher Education

44

Sozial Extra 1 2014

Durchblick Soziale Gruppenarbeit

Page 5: Soziale Gruppenarbeit in Ausbildung und Lehre

Tabelle 1: Entwicklungslinien sozialer Gruppenarbeit in Deutschland und in den USA von 1889 bis 1991Zeitraum und Kurzbeschreibung

Deutschland USA1

1889 bis 1933Wurzeln der GruppenarbeitDie Gruppe wird quasi „entdeckt“, in den USA durch die Arbeit in den Settlements und durch die Freizeitbewegung und in Deutschland durch die Jugendbewegung und Reformpädagogik

Um 1900: „Entdeckung“ der Gruppe durch die Jugendbewegung, die die Idee der Selbsterziehung durch die Gruppe und die Bedeutung der Peergruppe ins Zentrum stellt. Ebenso Beginn der Reformpädagogik, die Gruppe wird zum Medium der Erziehung.1918 bis 1933: Höhepunkt der Reformpädagogik, die Gruppe spielt eine bedeutende Rolle in der Entwicklung zum Subjekt durch positive Gruppenerlebnisse.

1889: Gründung Hull House in Chicago, Hilfe von benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Gruppen.Freizeitbewegung (recreation movement), Angebote für die Arbeiterschaft und für Kinder in Gruppen.1896: Laborschule des amerikanischen Reformpädagogen John Dewey, neue Diskussionen um Gruppe.1923: Erster Lehrgang in Gruppenarbeit in Cleveland/ Ohio an der Western Reserve University.1926: Wilbert Newstetter erforscht die Gruppenarbeit mit Kindern eines Sommercamps, Beginn der systematischen Untersuchung der Gruppe in der Sozialen Arbeit.

1933 bis 1945Instrumentalisierung der Gruppe im NS-Regime.Beginn der Erforschung des Phänomens Gruppe in den USA und Diskussion über die Bedeutung von Gruppe in der Sozialen Arbeit

In Deutschland zeigt sich die „dunkle Seite der Gruppe“, die Gruppe wird zur Indoktrination von Menschen für menschenverachtende Ziele missbraucht.Allen Reformbestrebungen in der Pädagogik wird durch das NS-Regime ein Ende gesetzt.

Deutsch-jüdische Flüchtlinge entwickeln ihre Theorien in den USA weiter, so unter anderem Kurt Lewin, Hans Maier, Gisela Konopka, Hertha Kraus uva.1938/1939: Begründung der Kleingruppenforschung, u.a. durch Kurt Lewin, der den Begri� Gruppendynamik prägt und die Wirkung verschiedener Führungsstile auf die Gruppe untersucht. Jacob Moreno entwickelt die Soziometrie.1936: National Conference of Social Work bringt das Thema soziale Gruppenarbeit ein.

1945 bis 1950Erziehung zur Demokratie durch Gruppenerfahrungen.Der Diskurs um social group work kommt mit der amerikanischen Besatzungsmacht und später durch die „visiting experts“ nach Deutschland

Die Gruppe avanciert zum zentralen Medium der Erziehung zur Demokratie und zur Umerziehung (Re-Education).Gründung zahlreicher Jugendleiterschulen, um GruppenleiterInnen auszubilden.1947: Wiedergründung des Hansischen Jugendbunds (HJB) durch Elisabeth Sülau in Hamburg.1947: Beginn des Austauschprogramms des amerikanischen Außenministeriums: Zahlreiche „Experten“ aus den USA reisen nach Deutschland, um ihre Expertise einzubringen, Männer und Frauen aus Deutschland fahren in die USA, um dort geschult zu werden (so genannte Amerikafahrer).1949: Erö�nung von Haus Schwalbach in Bad Schwalbach im Taunus, Trainingscenter für das Arbeiten mit Gruppen, Einführung des Begri�s Gruppenpädagogik.

1946: Social Group Work wird zur Methode in der Sozialen Arbeit.

1950 bis 1960Etablierung der sozialen Gruppenarbeit/ Gruppenpädagogik

Visiting experts aus den USA haben entscheidenden Ein�uss auf die Diskurse und die Etablierung sozialer Gruppenarbeit.Haus Schwalbach wird zum Zentrum für soziale Gruppenpädagogik, seit 1949/50 erscheinen die Schwalbacher Blätter, Zeitschrift für Gruppenpädagogik, Gruppenunterricht und Gruppenp�ege.Der HJB (Hansische Jugendbund) wird in Hamburg zum zentralen Ort für Jugendsozialarbeit und Jugendarbeit und praktiziert soziale Gruppenarbeit.Aufbaulehrgänge für Fachkräfte der Sozialen Arbeit nach amerikanischem Vorbild, u.a. durch Gisela Konopka (1910-2003).

1955: Anschluss der AASWG (American Association for the Study of Group Work) an die National Association for Social Workers

1960 bis 1970Soziale Gruppenarbeit etabliert sich als Methode der Sozialarbeit

Eine Fülle an Literatur zum Thema Gruppe erscheint, zahlreiche Übersetzungen aus dem Amerikanischen.1967: Au�ösung des Hansischen Jugendbundes (HJB).

1970 bis 1990Bedeutungsverlust der sozialen Gruppenarbeit

Kritische Sozialarbeitsbewegung bezeichnet die soziale Gruppenarbeit als „amerikanischen Methodenimport“ und als viel zu „therapeutische Methode“.In den 1970/ 1971 gegründeten Fachhochschulen verliert die Methode der sozialen Gruppenarbeit an Bedeutung, Gemeinwesensarbeit wird im Sinne des politischen Aufbruchs in den Fokus gestellt. 1985: Au�ösung des Verein Haus Schwalbach und Einstellung der Publikation der Schwalbacher Blätter.

Seit 1991Neuthematisierung sozialer Gruppenarbeit durch die Reform des KJHG

Soziale Gruppenarbeit �ndet Eingang ins KJHG § 29 – allerdings bezogen auf eine spezi�sche Interpretation von sozialer Gruppenarbeit.

Ausführlicher zur Geschichte vgl. Behnisch/Lotz/Maierhof, 2013, S. 48-72 1) Die Entwicklungslinien der social group work in den USA werden nur bis 1946 dargestellt, weitere Informationen u.a. Müller 1970, S. 191�.

45


Recommended