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Sonno-Meter für Matthäi-Leute / Chefarzt Hans-Rüdiger ... … · Sonno-Meter für Matthäi-Leute...

Date post: 18-Oct-2020
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Kein hitzefrei für Freiluftarbeiter Sonno-Meter für Matthäi-Leute / Chefarzt Hans-Rüdiger Wätzig: Alte Menschen besonders gefährdet Ein Sonno-Meter für die Matthäi-Arbeiter auf der Brückenbaustelle in langwedel-Förth (von rechts): Betriebsratsvorsitzender Günter WÖbse, Hans Borchert, Karsten Junge, Polier Frank Sielemann und Gerd Eggers. Auch Boris Jeromin (links), der gerade Material anlieferte, bekam eine UV-Card vom IG-Bau-Regionalleiter Wolfgang Jägers (Zweiter von links). . FOTO: ANKE LANDWEHR VON ANKE LANDWEHR Verden. Arbeiten im Freien bei hohen Temperaturen möglichst vermeiden, sa- gen Experten. Bekommen Bauarbeiter oder Gärtner also hitzefrei? "Nein", sagt Wolfgang Jägers von der IG Bau Agrar Umwelt, "aber es wäre gut, wenn Arbeitge- ber kostenlos Getränke und Sonnenschutz- creme zur Verfügung stellen würden. Man- che tun das, andere nicht. " Das Verdener Bauunternehmen Matthäi tut's. "Wir bringen uns alle selbst was zu trinken mit, aber wenn das nicht reicht, kau- fen wir zusätzliche Getränke ein und krie- gen das Geld von der Firma wieder", be - richtet Frank Sielemann. Er ist Polier auf der Brückenbaustelle in Langwedel-Förth und das ist in diesen heißen Tagen kein Vergnügen. Statt von 1 bis 11 Uhr arbeiten er und seine Kollegen jetzt von 6 bis 16 Uhr. Sielemann: "Wir würden gerne noch früher anfangen, aber das kriegen wir mit den lie- feranten der Baumaterialien nicht hin. " Und so müssen die Männer auch die Mit- tagssonne aushalten. "Pa wird's dann so richtig knuffig", sagt Sielemann. Der Ar- beitgeber ist mit der Verlagerung der Ar- beitszeiten einverstanden und auch mit zu- sätzlichen Pausen, wie Betriebsratsvorsit- zender Günter Wöbse erklärt. "Im Großen und Ganzen" sei Matthäi ein guter Arbeit- geber. "Von den Kollegen manch anderer Firmen hören wir da was ganz Da müssen zum Beispiel unbezahlte Uberstun- den geschoben werden." Wolfgang Jägers, bei der Baugewerk- schaft Leiter der Region Weser-Ems, bestä- tigt: "Vergleichsweise gehört Matthäi zu den vorbildlichen Arbeitgebern. " Der Funktionär war gestein auf der Brücken- baustelle, um den Arbeitern kostenlose UV -Cards zu bringen, auch Sonno-Meter genannt. Auf der scheckkartengroßen Karte befindet sich ein Solarfeld, dass sich unter Sonneneinstrahlung verfärbt. "In 30 Sekunden weiß man, welchen Lichtschutz- faktor man bei der Sonnenmilch nehmen muss", erklärt Jägers. Dazu unterscheidet die UV -Card nach vier Hauttypen. Die Beschenkten nehmen das Kärtchen entgegen, ob sie es aber auch benutzen werden? "Na ja, eigentlich wissen wir alle, welchen Lichtschutzfaktor wir brauchen" , sagt Polier Sielemann. Jägers berichtet, dass er von Männern angerufen worden sei, die Windkraftanlagen aufstellen. "Die hatten das mit der UV -Card in der Zeitung gelesen und hallen gefragt, ob .. sie auch wel- che haben können. " . Die Sonno-Meter können im Regional- büro Weser-Ems angefordert werden, Tele- fon 0421/335230. Berufsschulen Mtten sich ebenfalls schon danach erkundigt, sagt Jägers . Das freut ihn: "Ich wünschte mir, sie würden den Gesundheitsschutz bei extremen Wetterlagen im Unterricht behan- deln, wie es einige auch schon tun." Ge- . rade junge Leute gingen zu unbesorgt mit der UV-Belastung um. Vor einigen Jahren hat die IG Bau auch schon mal ein Sonnenschutzmittel auf die Baustellen gebracht, gesponsert wurde die Aktion von einer Innungskrankenkasse. Jä- gers: "Aber wir können das natürlich I,licht jedes Jahr tonnenweise verteilen." Besser wäre es, die Arbeitgeber spendierten ihren Beschäftigten Sonnencremes. Die Matthäi- Männer erhoffen sich beim derzeitigen Ver- brauch zumindest einen Zuschuss. Be- triebsratsvorsitzender Günter Wöbse: "Wir sind deswegen im Gespräch. " Im Arbeitsschutzgesetz sind keine spe- ziellen Maßnahmen bei großer Hitze vorge- schrieben, wie Gewerkschafter Jägers weiß. Fürsorgliche Arbeitgeber würden al- lerdings neben kostenlosen Getränken auch dafür sorgen, dass sich ihre Beschäf- tigten immer mal wieder in den Schatten zurückziehen konnten - "wie es die Bedui- nen in der Wüste ja auch tun", so Jägers. Hierzulande reiche schon ein Sonnense- gel. Auf der Brückenbaustelle können .sich "Das Geld für zusätzliche Getränke kriegen wir von der Firma wieder." Polier Frank Sielemann die Männer in den Schatten naher Bäume begeben. Der mit einem Kühlschrank aus- gestattete Bauwagen eignet sich trotz Lüf- ter eher nicht. "Da drin ist es noch wärmer als draußen", so Polier Sielemanri. Wenn's ganz unerträglich wird, packen die Män- ner um drei nachmittags ein, ohne dass es deswegen Arger mit dem Chef gibt. Ge- werkschafter Jägers: "Macht ja auch kei- nen Sinn, da kriegt man bei dieser Hitze doch keine Leistung mehr. " Während die Freiluftarbeiter den sengen- den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, stöh- nen andere über Saunatemperaturen in ren geschlossenen Arbeitsräumen. Bei der Kreissparkasse etwa sind zwar Kunden- halle und . Beratungsräume klimatisiert, doch die Büros nicht. "Da darf man dann aber schon die Jacke ablegen", so Presse- sprecherin Beate Patolla. Außerdem spen- diert die KSK ihren Mitarbeitern Getränke. Auch Patienten und Mitarbeiter der Al- ler-Weser-Klinik durchleiden harte Tage, das Haus ist mit Ausnahme von OP und an- deren Funktionsräumen nicht klimatisiert. "So was gibt's nur in Saudi-Arabien, aber nicht bei uns" , flüchtet sich Verwaltungslei- ter Manfred Dzeik in Galgenhumor. Die Schwestern würden alles tun, um den Pa- . . tienten die Lage zu erleichtern. Wo es mög- lich sei, würden Ventilatoren aufgestellt. Auch kühle Umschläge und Getränke ge- hörten zum Service. . Hans-Rüdiger Wätzig, Chefarzt Innere Medizin, hat derzeit etliche ältere Hitzeop- fer auf der Station. "So ausgeprägt habe -ich das noch nie erlebt", sagt der Medizi- ner, "das geht hin bis zu Nierenversagen. " Bei alten Menschen komme rasch eines zum anderen: "Sie haben wenig Durstge- fühl und nehmen häufig wassertreibende Medikamente gegen Beschwerden wie . Herzschwäche oder Krampfadern." Dass die Dosis der gegenwärtigen Wetterlage angepasst, also reduziert werden könne, wüssten sie in der Regel nicht. Das ge- schieht dann im Krankenhaus, wo der Salz- haushalt des Blutes durch Infusionen wie- der in Ordnung gebracht wird. Hitzschlag-Patienten hat Wätzig noch nicht behandeln müssen. Generell rät er dazu, Arbeitszeiten soweit möglich in die Morgen- und Abendstunden zu verlegen. "Da können wir von den Mittelmeerlän- dern lernen, wo zwischen 13 und 16 Uhr nicht gearbeitet wird. "
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Kein hitzefrei für Freiluftarbeiter Sonno-Meter für Matthäi-Leute / Chefarzt Hans-Rüdiger Wätzig: Alte Menschen besonders gefährdet

Ein Sonno-Meter für die Matthäi-Arbeiter auf der Brückenbaustelle in langwedel-Förth (von rechts): Betriebsratsvorsitzender Günter WÖbse, Hans Borchert, Karsten Junge, Polier Frank Sielemann und Gerd Eggers. Auch Boris Jeromin (links), der gerade Material anlieferte, bekam eine UV-Card vom IG-Bau-Regionalleiter Wolfgang Jägers (Zweiter von links). . FOTO: ANKE LANDWEHR

VON ANKE LANDWEHR

Verden. Arbeiten im Freien bei hohen Temperaturen möglichst vermeiden, sa­gen Experten. Bekommen Bauarbeiter oder Gärtner also hitzefrei? "Nein", sagt Wolfgang Jägers von der IG Bau Agrar Umwelt, "aber es wäre gut, wenn Arbeitge­ber kostenlos Getränke und Sonnenschutz­creme zur Verfügung stellen würden. Man­che tun das, andere nicht. "

Das Verdener Bauunternehmen Matthäi tut's. "Wir bringen uns alle selbst was zu trinken mit, aber wenn das nicht reicht, kau­fen wir zusätzliche Getränke ein und krie­gen das Geld von der Firma wieder", be­richtet Frank Sielemann. Er ist Polier auf der Brückenbaustelle in Langwedel-Förth und das ist in diesen heißen Tagen kein Vergnügen. Statt von 1 bis 11 Uhr arbeiten er und seine Kollegen jetzt von 6 bis 16 Uhr. Sielemann: "Wir würden gerne noch früher anfangen, aber das kriegen wir mit den lie­feranten der Baumaterialien nicht hin. "

Und so müssen die Männer auch die Mit­tagssonne aushalten. "Pa wird's dann so richtig knuffig", sagt Sielemann. Der Ar­beitgeber ist mit der Verlagerung der Ar­beitszeiten einverstanden und auch mit zu­sätzlichen Pausen, wie Betriebsratsvorsit­zender Günter Wöbse erklärt. "Im Großen und Ganzen" sei Matthäi ein guter Arbeit­geber. "Von den Kollegen manch anderer Firmen hören wir da was ganz an~eres. Da müssen zum Beispiel unbezahlte Uberstun­den geschoben werden."

Wolfgang Jägers, bei der Baugewerk­schaft Leiter der Region Weser-Ems, bestä­tigt: "Vergleichsweise gehört Matthäi zu den vorbildlichen Arbeitgebern. " Der

Funktionär war gestein auf der Brücken­baustelle, um den Arbeitern kostenlose UV -Cards zu bringen, auch Sonno-Meter genannt. Auf der scheckkartengroßen Karte befindet sich ein Solarfeld, dass sich unter Sonneneinstrahlung verfärbt. "In 30 Sekunden weiß man, welchen Lichtschutz­faktor man bei der Sonnenmilch nehmen muss", erklärt Jägers. Dazu unterscheidet die UV -Card nach vier Hauttypen.

Die Beschenkten nehmen das Kärtchen entgegen, ob sie es aber auch benutzen werden? "Na ja, eigentlich wissen wir alle, welchen Lichtschutzfaktor wir brauchen" , sagt Polier Sielemann. Jägers berichtet, dass er von Männern angerufen worden sei, die Windkraftanlagen aufstellen. "Die hatten das mit der UV -Card in der Zeitung gelesen und hallen gefragt, ob .. sie auch wel­che haben können. " .

Die Sonno-Meter können im Regional­büro Weser-Ems angefordert werden, Tele­fon 0421/335230. Berufsschulen Mtten sich ebenfalls schon danach erkundigt, sagt Jägers. Das freut ihn: "Ich wünschte mir, sie würden den Gesundheitsschutz bei extremen Wetterlagen im Unterricht behan­deln, wie es einige auch schon tun." Ge- . rade junge Leute gingen zu unbesorgt mit der UV-Belastung um.

Vor einigen Jahren hat die IG Bau auch schon mal ein Sonnenschutzmittel auf die Baustellen gebracht, gesponsert wurde die Aktion von einer Innungskrankenkasse. Jä­gers: "Aber wir können das natürlich I,licht jedes Jahr tonnenweise verteilen." Besser wäre es, die Arbeitgeber spendierten ihren Beschäftigten Sonnencremes. Die Matthäi­Männer erhoffen sich beim derzeitigen Ver­brauch zumindest einen Zuschuss. Be-

triebsratsvorsitzender Günter Wöbse: "Wir sind deswegen im Gespräch. "

Im Arbeitsschutzgesetz sind keine spe­ziellen Maßnahmen bei großer Hitze vorge­schrieben, wie Gewerkschafter Jägers weiß. Fürsorgliche Arbeitgeber würden al­lerdings neben kostenlosen Getränken auch dafür sorgen, dass sich ihre Beschäf­tigten immer mal wieder in den Schatten zurückziehen konnten - "wie es die Bedui­nen in der Wüste ja auch tun", so Jägers . Hierzulande reiche schon ein Sonnense­gel. Auf der Brückenbaustelle können .sich

"Das Geld für zusätzliche Getränke kriegen wir von

der Firma wieder." Polier Frank Sielemann

die Männer in den Schatten naher Bäume begeben. Der mit einem Kühlschrank aus­gestattete Bauwagen eignet sich trotz Lüf­ter eher nicht. "Da drin ist es noch wärmer als draußen", so Polier Sielemanri. Wenn's ganz unerträglich wird, packen die Män­ner um drei U~r nachmittags ein, ohne dass es deswegen Arger mit dem Chef gibt. Ge­werkschafter Jägers: "Macht ja auch kei­nen Sinn, da kriegt man bei dieser Hitze doch keine Leistung mehr. "

Während die Freiluftarbeiter den sengen­den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, stöh­nen andere über Saunatemperaturen in ih~ ren geschlossenen Arbeitsräumen. Bei der Kreissparkasse etwa sind zwar Kunden-

halle und . Beratungsräume klimatisiert, doch die Büros nicht. "Da darf man dann aber schon die Jacke ablegen", so Presse­sprecherin Beate Patolla. Außerdem spen­diert die KSK ihren Mitarbeitern Getränke.

Auch Patienten und Mitarbeiter der Al­ler-Weser-Klinik durchleiden harte Tage, das Haus ist mit Ausnahme von OP und an­deren Funktionsräumen nicht klimatisiert. "So was gibt's nur in Saudi-Arabien, aber nicht bei uns" , flüchtet sich Verwaltungslei -ter Manfred Dzeik in Galgenhumor. Die Schwestern würden alles tun, um den Pa- .

. tienten die Lage zu erleichtern. Wo es mög­lich sei, würden Ventilatoren aufgestellt. Auch kühle Umschläge und Getränke ge-hörten zum Service. .

Hans-Rüdiger Wätzig, Chefarzt Innere Medizin, hat derzeit etliche ältere Hitzeop­fer auf der Station. "So ausgeprägt habe -ich das noch nie erlebt", sagt der Medizi­ner, "das geht hin bis zu Nierenversagen. " Bei alten Menschen komme rasch eines zum anderen: "Sie haben wenig Durstge­fühl und nehmen häufig wassertreibende Medikamente gegen Beschwerden wie . Herzschwäche oder Krampfadern." Dass die Dosis der gegenwärtigen Wetterlage angepasst, also reduziert werden könne, wüssten sie in der Regel nicht. Das ge­schieht dann im Krankenhaus, wo der Salz­haushalt des Blutes durch Infusionen wie­der in Ordnung gebracht wird.

Hitzschlag-Patienten hat Wätzig noch nicht behandeln müssen. Generell rät er dazu, Arbeitszeiten soweit möglich in die Morgen- und Abendstunden zu verlegen. "Da können wir von den Mittelmeerlän­dern lernen, wo zwischen 13 und 16 Uhr nicht gearbeitet wird. "

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