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Sonderausbildung für psychiatrische Gesundheits- und ... · Nursing Best Practice Guidline...

Date post: 04-Dec-2019
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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 1 Sonderausbildung für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege Otto Wagner Spital 2006/2007 Abschlussarbeit BEZUGSPFLEGE Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege Kann bei Patienten im stationären psychiatrischen Bereich durch Implementierung von Bezugspflege anstatt Funktionspflege eine hohe Zufriedenheit von betroffenen und beteiligten Personen erreicht werden? vorgelegt von Siegfried Schwarzenberger [email protected] Betreuer PDGKP Josef Eberl Wien, am 21.Jänner 2007
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Page 1: Sonderausbildung für psychiatrische Gesundheits- und ... · Nursing Best Practice Guidline zugrunde liegt. Weiters wird hier eine psychiatrische Station vorgestellt und versucht

BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 1

Sonderausbildung für

psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege

Otto Wagner Spital

2006/2007

Abschlussarbeit

BEZUGSPFLEGE

Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Kann bei Patienten im stationären psychiatrischen Bereich durch

Implementierung von Bezugspflege anstatt Funktionspflege eine hohe

Zufriedenheit von betroffenen und beteiligten Personen erreicht werden?

vorgelegt von

Siegfried Schwarzenberger

[email protected]

Betreuer

PDGKP Josef Eberl

Wien, am 21.Jänner 2007

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 2

Abstract

Ich habe diese Facharbeit nach den Grundsätzen des Evidence Based

Nursings geschrieben. In dieser Arbeit versuche ich die folgende

Forschungsfrage zu beantworten: „Kann bei Patienten im stationären

psychiatrischen Bereich durch Implementierung von Bezugspflege anstatt

Funktionspflege eine hohe Zufriedenheit von betroffenen und beteiligten

Personen erreicht werden?“

Im ersten Hauptteil beschäftige ich mich mit den Unterschieden von

Bezugspflege und Funktionspflege. Dies geschieht durch das

Herausarbeiten der verschiedenen Definitionen, Hauptmerkmale, sowie

den jeweiligen Kritikpunkten. Schwerpunkt in dieser Arbeit ist die

Bezugspflege und somit habe ich diesem Teil mehr Beachtung gegeben.

Hier versuche ich das Kriterium der Zufriedenheit durch die Bezugspflege

herauszuarbeiten.

Im zweiten Teil der Facharbeit erläuterte ich ein Umsetzungskonzept zur

Etablierung einer pflegerisch-therapeutischen Beziehung, das einer

Nursing Best Practice Guidline zugrunde liegt. Weiters wird hier eine

psychiatrische Station vorgestellt und versucht ein theoretisches und

praxisnahes Konzept zu erarbeiten, dass die Umstellung auf das

Bezugspflegesystem ermöglichen könnte.

In den Schlussbetrachtungen werden die Ergebnisse vorgestellt und

herausgearbeitet.

Ich habe mich in dieser Arbeit, wegen des wissenschaftlichen Anspruches

um eine eher sachliche, nüchterne Sprache bemüht. Jedoch war es mir

wichtig meinen persönlichen Sprachstil einzubringen und so bitte ich den

Leser es zu entschuldigen, wenn die Ausdrucksweisen nicht ganz sachlich

sind.

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 3

Inhaltsverzeichnis

Abstract.......................................................................................................2

1 Einleitung ......................................... .......................................... 4

1.1 Motivation zur Wahl des Themas ................................................ 4

1.2 Ausgangslage.............................................................................. 4

1.3 Pflegefrage .................................................................................. 5

1.4 Literaturbewertung....................................................................... 5

2 Hauptteil I - Bezugspflege vs. Funktionspflege ..... ................. 7

2.1 Definitionen.................................................................................. 7

2.2 Hauptmerkmale der Bezugspflege .............................................. 9

2.2.1 Qualitätsnormen zu Bezugspflege............................................. 10

2.2.2 Vorraussetzungen bzw. Prinzipien für Bezugspflege................. 13

2.2.3 Kritik an der Bezugspflege......................................................... 17

2.3 Hauptmerkmale von Funktionspflege ........................................ 18

2.3.1 Kritik an der Funktionspflege ..................................................... 19

3 Hauptteil II - Umsetzung in die Praxis........... ....................... 21

3.1 Etablierung einer pflegerisch - therapeutisch Beziehung........... 21

3.1.1 Fachliche und Persönliche Kompetenzen.................................. 21

3.1.2 Aus- und Weiterbildung ............................................................. 23

3.1.3 Organisation .............................................................................. 23

3.1.4 Grundsätze zur Implementierung .............................................. 25

3.2 Station C3 – KH Rosenhügel..................................................... 26

4 Schlussbetrachtungen ............................... ............................. 29

5 Legende............................................ ........................................ 30

6 Literaturverzeichnis............................... .................................. 31

Anhang………………………………………………………………………….32

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 4

1 Einleitung

1.1 Motivation zur Wahl des Themas

Während meiner Ausbildung zum allgemeinen diplomierten Gesundheits-

und Krankenpfleger, und während der Sonderausbildung zum

psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege konnte ich eine Reihe

von Praktika an verschiedenen allgemeinen und psychiatrischen Stationen

absolvieren.

Die Organisation der Pflege wurde unterschiedlich an den Abteilungen

geregelt: Funktionspflege, Gruppen- bzw. Zimmerpflege, Bezugspflege

und Mischbilder dieser Organisationsformen.

Auf der Station C3 des Krankenhauses Hietzing, mit neurologischem

Zentrum Rosenhügel, konnte ich ein Praktika im Bereich geistig

behinderte Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen absolvieren. Auf

dieser Station wird derzeit aufgrund organisatorischer und inhaltlicher

Rahmenbedingungen Gruppen- bzw. Zimmerpflege angewendet.

Während meiner Themensuche für diese Diplom-Arbeit habe ich mich an

die Stationsleitung von C3, DGKS Hertha Denner gewendet. Sie plant, mit

ihrem Pflegeteam auf das Bezugspflegesystem umzustellen.

1.2 Ausgangslage

Bezugspflege wird in den meisten psychiatrischen Stationen als die

bestmöglichste Organisationsform der Pflege genannt. Leider scheitert es

oftmals an organisatorischen oder inhaltlichen Rahmenbedingungen,

warum Bezugspflege nicht angewendet werden kann.

In der Bezugspflege kann die Pflegeperson ihr erworbenes Fachwissen

hervorragend für den Patienten, Angehörige und das interdisziplinäre

Team einbringen. Die Pflege wird von der Aufnahme bis zur Entlassung

geplant, durchgeführt bzw. organisiert und koordiniert.

Im Rahmen der Professionalisierung und Etablierung von diplomierten

Pflegepersonen wird das Bezugspflegesystem „die Organisationsform“ im

psychiatrischen Pflegebereich werden müssen.

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 5

1.3 Pflegefrage

Bezugspflege ist im stationären Pflegebereich, vor allem in der

psychiatrischen Pflege, grundsätzlich allen bekannt. Was jedoch

unterscheidet Bezugspflege zu anderen Pflegeorganisationssystemen?

Welche Vorraussetzungen benötigt Bezugspflege, mit seinen Vor- und

Nachteilen? Und welche Auswirkung hat dies auf die stationären

Rahmenbedingungen, auf das Pflegepersonal, den Patienten, das

interdisziplinäre Team und die Angehörigen?

In Zusammenarbeit mit meinem Betreuer DGKP Josef Eberl ergab sich

folgende Fragestellung:

Kann bei Patienten im stationären psychiatrischen Bereich durch

Implementierung von Bezugspflege anstatt Funktionspflege eine hohe

Zufriedenheit von betroffenen und beteiligten Personen erreicht werden?

Daraus abgeleitet möchte ich folgende Begriffe und Inhalte im Hauptteil

bearbeiten:

� Definitionen von Pflegeorganisationsformen

� Hauptmerkmale, Vorraussetzungen von Bezugspflege

� Hauptmerkmale Funktionspflege

� Auswirkung auf das interdisziplinäre Team und auf die Zufriedenheit

der betroffenen und beteiligten Personen

� Umsetzungskonzepte in die Praxis

1.4 Literaturbewertung

Zu den einzelnen Begriffen bzw. Schlagwörtern findet sich ausreichend

Literatur in Form von Büchern, Studien, Zeitschriftenartikel und Vorträgen.

Die Literatursuche wurde vorrangig im Internet durchgeführt, sowie in

Bibliotheken.

Definitionen von Pflegeorganisationsformen finden sich in zahlreichen

Büchern wie z.B. im Buch Lehrbuch Psychiatrische Pflege oder im Internet

auf www.pflegewiki.de/wiki/Primary_Nursing.

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 6

Zu dem Thema Hauptmerkmale, Vorraussetzungen von Bezugspflege

fand ich eine Studie von Needham I. und Abderhalden Ch. mit dem Titel

Bezugspflege in der stationären psychiatrischen Pflege der

deutschsprachigen Schweiz: Empfehlungen zur Terminologie und

Qualitätsnormen, sowie eine Studie von Needham I. Rezeption der

Bezugspflege in der psychiatrischen Pflege im deutschsprachigen Raum:

eine Literaturübersicht.

In zahlreichen Artikeln in Zeitschriften und Büchern werden die

Hauptmerkmale von Funktionspflege beschrieben und dargestellt wie im

Artikel von Elkeles Th. Kritik an der Funktionspflege sowie im Internet auf

www.pflegewiki.de/wiki/Funktionspflege.

Die Auswirkung auf das interdisziplinäre Team und auf die Zufriedenheit

der betroffenen und beteiligten Personen werden in den Studien von

Needham I. und Abderhalden Ch. (siehe oben) mitbehandelt.

Die RNAO (Registered Nurses Association of Ontario) bietet eon

Umsetzungskonzept in die Praxis mit dem Titel Establishing Therapeutic

Relationship - Nursing Best Practice Guidline an.

Direkt zu meiner Pflegefrage fand ich eine ähnliche Arbeit vom deutschen

Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (Deutsche

Altershilfe) mit dem Titel PLANUNGSHIFLE – Bezugs(Personen)pflege.

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 7

2 Hauptteil I - Bezugspflege vs. Funktionspflege

Bezugspflege ist in der aktuellen Entwicklung der Pflege als

Arbeitsablauforganisation nicht mehr wegzudenken. Dieses Konzept hebt

alle Anteile der professionellen Pflege anhand der Aufgabenbereiche

hervor. Im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich kann die Pflegeperson

mittels der Pflegeplanung selbständig, unabhängig und professionell

arbeiten. Im mitverantwortlichen und interdisziplinären Tätigkeitsbereich

kann sie durch ihr vorhandenes Wissen über den Patienten als Vermittler

und Koordinator auftreten, um während des Krankenhausaufenthaltes

eine bestmögliche Behandlung zu ermöglichen.

Primary Nursing (=Primärpflege) hat sich in den 60er Jahren in den USA

(von Marie Manthey) aus der Gruppenpflege entwickelt und wird

hauptsächlich im englischsprachigen Ländern angewendet.

Bezugspflege hat sich aus Primary Nursing entwickelt und wird

vorwiegend im deutschsprachigen Bereich verwendet. Trotz inhaltlicher

Gemeinsamkeiten weisen diese Organisationsformen Unterschiede auf.

2.1 Definitionen

Bezugspflege - Needham/Abderhalden (2002)

„Jeder Patient hat eine pflegerische Bezugsperson, die auf der Grundlage

des Pflegeprozesses für die Einführung auf der Station und während des

gesamten Aufenthalts, dort im Rahmen einer unterstützenden Beziehung

für eine Zielgerichtete, der individuellen Situation angepasste,

interdisziplinäre abgesprochene Pflege des Patienten und für die

Betreuung der Angehörigen verantwortlich ist.“ (SAUTER /

ABDERHALDEN / NEEDHAM/ WOLFF 2004, S.221)

Primary Nursing - Anderson / Choi (1980):

Primary Nursing ist als Pflegesystem so organisiert, dass es die

kontinuierliche und umfassende pflegerische Versorgung der Patienten

maximiert. Den Schwerpunkt bildet eine Pflegeperson, die über die

professionelle / organisatorische Autonomie verfügt, die Verantwortung

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 8

und Rechenschaftspflicht für die Pflegeplanung und, soweit möglich, die

umfassende pflegerische Versorgung bestimmter Patienten während ihres

Krankenhausaufenthalts zu übernehmen. Im Idealfall erstreckt sich diese

Verantwortung auch auf die Wiederaufnahme eines Patienten, auf

häusliche Pflege und die weitere ambulante Versorgung.

(www.pflegewiki.de/wiki/Primary_Nursing)

Funktionspflege - Allgemeine Definition

Eine Tätigkeitsorientierte Organisationsform der Pflege, bei der eine

bestimmte Pflegende für bestimmte Interventionen bei allen PatientInnen

zuständig ist. Pflegende X führt zum Beispiel alle Injektionen bei allen

PatientInnen durch, Pflegende Y. und Z. machen die Betten. (SAUTER /

ABDERHALDEN / NEEDHAM/ WOLFF 2004, S.219)

Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Primary Nursing vs. Bezugspflege:

Wie bei Primary Nursing wird in der Bezugspflege dem Patient eine

Pflegeperson individuell zugeteilt. Die Pflegeperson betreut in ihrer Schicht

ihre Bezugspatienten und alle weiteren Patienten in ihrer Gruppe. Die

Pflegeperson teilt dem interdisziplinären Team mit, für welche Patienten

sie zuständig ist.

Im Bezugspflegesystem werden im Gegensatz zu Primary Nursing die

organisatorischen Aufgaben (ärztlicher Bereich, Sozialarbeiterische

Tätigkeiten) vom interdisziplinären Team aus organisiert und durchgeführt.

Diesbezüglich wird die Verantwortung verteilt. Das Bezugspflegesystem ist

keine „Einzel-Personen-Pflege“.

Im Unterschied zu Primary Nursing trägt die Bezugspflegeperson nicht die

alleinige Verantwortung (24Stunden / 7Tage die Woche) für den

Patienten. Die Bezugspflegeperson begleitet den Patienten während des

Dienstes und hat bis auf Ausnahmen (Urlaub, besondere Vereinbarungen

im Team, usw.) keine Vertretung.

(www.pflegewiki.de/wiki/Primary_Nursing)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 9

2.2 Hauptmerkmale der Bezugspflege

Im Vordergrund des Bezugspflegesystems steht die Beziehung zum

Patienten und die umfassende Verantwortung für den Pflegeprozess

während seines Krankenhausaufenthaltes von der Aufnahme bis zur

Entlassung. Hierbei ist eine ressourcen- und patientenorientierte

Grundhaltung erforderlich, die sowohl psychische, physische, sowie die

soziokulturellen und biografischen Gesichtspunkte beachtet. In der

partnerschaftlichen Beziehung zu dem Patienten sollte die Möglichkeit

bestehen, diesen in seiner Entwicklung positiv zu beeinflussen.

Durch eine eindeutige Zuteilung einer hauptverantwortlichen

Bezugspflegeperson zu einem Patienten besteht Transparenz für den

Patienten und das interdisziplinäre Team bezüglich der Verantwortung in

der Pflege und des Pflegeprozesses. Die Bezugspflegeperson soll

differenziert nach seinen individuellen und persönlichen Fähigkeiten

eingesetzt werden und sollte eine kontinuierliche Beziehung zum

Patienten aufbauen und gewährleisten können. Um die kontinuierliche

Pflege durch die Bezugspflegeperson zu gewährleisten ist ein individuelles

Stationskonzept mit Dienstplanregelung erforderlich. Zu den

Eigenschaften einer Bezugsperson sollten Reflexionsbereitschaft und

Kritikfähigkeit gehören.

Das Bezugspflegesystem beinhaltet eine weitgehende

Entscheidungsbefugnis über den Pflegeprozess. Durch die hohe

Eigenverantwortung und einem klaren Tätigkeitsbereich grenzt sich in der

Bezugspflege das Berufsfeld der Pflege von den anderen Berufsfeldern

erheblich ab. In Kooperation mit anderen Berufsgruppen wird der

Krankenhausaufenthalt koordiniert und geplant. Die Pflegeperson ist der

Hauptansprechpartner für den Patienten und das interdisziplinäre Team

und sichert den Informationsfluss an diese.

Beinhaltet das Stationskonzept die Nachbetreuung des Patienten auch

nach seiner Entlassung aus der Station, so sollte diese die zuständige

Bezugspflegeperson übernehmen. (vgl. NEEDHAM, ABDERHALDEN

2000, S. 5f)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 10

2.2.1 Qualitätsnormen zu Bezugspflege

Diese folgenden Kriterien können als Orientierung und Grundlage für die

Formulierung weiterer Konzepte, Standards und Kriterien dienen. Weiters

können sie als Grundlage für Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und

-prüfung verwendet werden.

Hierzu gibt es drei Qualitätsmerkmale:

1. Strukturkriterien

2. Prozesskriterien

3. Ergebniskriterien

Ad 1) Strukturkriterien

� Grundsätzlich sollte ein Konzept auf der Station erarbeitet werden, das

die klare Beschreibung der Aufgaben, Kompetenzen und

Verantwortlichkeiten der Bezugspflegeperson vorsieht (z.B.

Stellenbeschreibung, interne Regelungen).

� Die Zuteilung der Pflegeperson erfolgt (je nach Stationskonzept)

bereits bei der Aufnahme des Patienten innerhalb einer

Teamentscheidung und wird von der Stationsleitung überwacht und

koordiniert. Bei der Zuteilung sollte folgendes beachtet werden:

� ob die Pflegeperson dienstlich Zeit hat

� ob das Geschlecht der Pflegeperson für den Patienten von

Bedeutung ist

� ob die Arbeitssituation zusätzliche Aufgaben zulässt

� ob die Kompetenz oder die Erfahrung ausreicht

� Das individuelle Anforderungsprofil an Bezugspflegepersonen kann

unterschiedlich aufgefasst werden. Festzuhalten ist, dass die

Bezugspflege nicht von Hilfspersonal (Pflegehelfer, Praktikanten, usw.)

übernommen werden kann bzw. sollte.

� Bei der täglichen Arbeitsverteilung werden die grundlegenden und

außerplanmäßigen dienstlichen Aufgaben (z.B. Angehörigengespräch)

berücksichtigt.

� Die Stationsleitung sollte unterstützend und koordinierend bei der

Organisation des Bezugspflegesystems mitwirken und eventuell

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 11

spezielle Anleitungs- und Ausbildungsprogramme sowie Beratung od.

Supervision für die Pflegeperson ermöglichen.

(vgl. NEEDHAM; ABDERHALDEN 2000, S. 7ff)

Ad 2) Prozesskriterien

Die Arbeitsablaufgestaltung richtet sich nach den individuellen Strukturen

(siehe Strukturkriterien) auf der Station und dem Aufgabenbereich der

Bezugspflegeperson.

� Die Bezugspflegeperson informiert den Patienten über Art und

Gestaltung der Zusammenarbeit und führt ihn ins Stationsleben ein.

� Im Rahmen des Pflegeprozesses ist die Pflegeperson bei seinen

Bezugspatienten, für die Pflegeanamnese, -planung und -evaluierung,

verantwortlich. Dies passiert in Zusammenarbeit mit dem Patienten,

der über alle Schritte des Pflegeprozesses informiert wird.

� Die Herstellung von Kontakten (z.B. Angehörige, Nachbetreuende

Stellen, usw.) für den Patienten nach Außen muss mit diesem

abgesprochen werden und darf nur bei dessen Einwilligung erfolgen.

� Entlassungsplanung passiert im interdisziplinären Team und sollte eine

Evaluierung der Bezugspflege mit dem Patienten beinhalten.

� Aufgabe der Bezugspflegeperson ist es, den Informationsfluss für den

Patienten, das interdisziplinäre Team und das Pflegeteam zu

gewährleisten. Weites koordiniert die Pflegeperson Termine für

Gespräche, Ausgänge, usw. und nimmt an pflegerischen und

interdisziplinären Fallbesprechungen über seinen Bezugspatienten teil.

� Ein Wechsel der Bezugspersonen erfolgt nur bei schwerwiegenden

pflegetherapeutischen Gründen und nach gründlicher Reflexion im

Team. Je nach Stationskonzept kann unterstützend eine zweite

Bezugsperson eingesetzt werden oder als Vertretung bei Urlaub.

� Eine positive Grundhaltung gegenüber dem Patienten sowie eine

reflektierte Beziehung sind enorm wichtig in der Zusammenarbeit. Die

Pflegeperson orientiert sich an den Bedürfnissen des Patienten und

übernimmt die Gestaltung der Beziehung nach seinen pflegerisch-

therapeutischen Zielen.

(vgl. NEEDHAM; ABDERHALDEN 2000, S. 10ff)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 12

Im psychiatrischen Bereich spielt Beziehungsarbeit die bedeutende Rolle

im Bezugspflegesystem. Die US-Amerikanerin Hildegard Peplau (1909 -

1999) beschreibt hierzu 1952 vier Interaktionsphasen:

� Orientierungsphase

� Identifikations- bzw. Arbeits- oder Nutzungsphase

� Ablösungsphase

Nach ihrem psychodynamischen Modell, besteht das Ziel darin dass sich

beide Partner (Patient und Pflegeperson) weiterentwickeln und sich bei

den zwischenmenschlichen Problemen unterstützen.

(de.wikipedia.org/wiki/Zwischenmenschliche_Beziehungen_in_der_Pflege)

Ad 3) Ergebniskriterien

Die Frage ob das Bezugspflegesystem eingesetzt werden sollte oder

nicht, richtet sich nach seinen positiven Auswirkungen auf die Pflege.

Diese können folgendermaßen beschrieben werden:

� Das Vertrauen, die Zufriedenheit, der Informationsstand und die

Beziehung zwischen Pflegepersonen und Patienten werden verbessert.

� Mehr Autonomie und Einfluss in der Pflegebehandlung erhöhen die

Berufszufriedenheit der Pflegepersonen.

� Angehörige werden mehr in die Pflege einbezogen.

� Der Pflegeprozess kann im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich

besser umgesetzt werden.

� Die Pflegequalität kann gesteigert werden.

� Das Berufsbild der psychiatrisch diplomierten Gesundheits- und

Krankenpflegeperson wird gestärkt.

� Die Interdisziplinäre Zusammenarbeit wird erleichtert.

(vgl. NEEDHAM; ABDERHALDEN 2000, S. 13)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 13

2.2.2 Vorraussetzungen bzw. Prinzipien für Bezugspf lege

Beziehung

Die Beziehung ist „das Arbeitsinstrument“ für das Bezugspflegesystem.

Dies gewinnt dadurch an Bedeutung, dass viele psychiatrische Patienten

Beziehungsstörungen bzw. –konflikte haben. Um Beziehungsarbeit leisten

zu können werden berufliche wie soziale Kompetenzen erwartet. Weiters

werden neben beruflichem Fachwissen auch persönliche Eigenschaften

wie Kommunikationsfähigkeit, Reflexionsbereitschaft oder ein guter

Umgang mit Nähe und Distanz erwartet. Eine professionelle Beziehung

sollte Vertrauen, Empathie, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Echtheit, eine

persönliche Anteilnahme und Wertschätzung des Patienten durch die

Bezugspflegeperson beinhalten. Anzumerken ist, dass der

Beziehungsprozess vielen nicht beeinflussbaren Bedingungen ausgesetzt

ist und somit die Beziehung auch eine unsicher Variable in der

Bezugspflege bleibt. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 8ff)

Kontinuität der Pflege

Um das persönliche Menschenbild sowie die Ganzheitlichkeit des

Patienten wahrnehmen zu können wird eine kontinuierliche Beziehung

durch die Pflegepersonen benötigt. Sie ermöglicht die Entstehung einer

Vertrauensbasis, die für eine umfassende, kompetente, sowie individuelle

Bezugspflege erforderlich ist. Für eine kontinuierliche Beziehung wird eine

patientenorientierte Dienstplangestaltung benötigt, die wiederum

Flexibilität und persönliche Motivation der Pflegepersonen benötigt.

Beziehungsstörungen, Personal- oder Patientenfluktuationen,

Krankenstände, usw. können zu einer Diskontinuität in der Betreuung

führen und einen Wechsel der Bezugsperson erfordern. Dies sollte jedoch

die Ausnahme bleiben. Eher kann ein Wechsel stattfinden wenn eine

Pflegeperson besonders gut mit einem Patienten kann. (vgl. NEEDHAM

2000, S. 11)

Vertretung in der Bezugspflege

Ist die Bezugspflegeperson dienstlich abwesend, wird diese vertreten. Die

Vertretung übernimmt die Aufgaben dieser Pflegeperson, führt die

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 14

Tagesbetreuung durch und trägt hierfür die Verantwortung. Wer die

Vertretungsaufgaben übernimmt, wird im Team, mit dem Patienten und

der Pflegeperson selbst im Vorhinein besprochen. Auszugehen ist, dass

zwischen Bezugspflegeperson und Vertretung eine gute Zusammenarbeit

stattfinden sollte. Die Bezugspflegeperson trägt die Verantwortung, dass

die vertretende Pflegeperson bestellt wird und dass sie ausreichend (im

Rahmen der Pflegeplanung) informiert ist. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 11f)

Zuteilung der Pflegepersonen

Bevor die Übernahme von Bezugspflege oder dessen Vertretung

stattfinden sollte, ist einerseits eine fachliche Ausbildung sowie ein

Mindestmaß an Arbeitsstundenzahl und anderseits ein Mindestmaß an

Erfahrung erforderlich. Die Aufgabenzuteilung geschieht in Absprache mit

der Stationsleitung. Der Zuteilungszeitpunkt kann bei Eintritt der Patienten,

im Verlauf einiger Tage oder bereits zuvor (bei bekannten Patienten)

erfolgen. Optimal wäre es, wenn die Pflegeperson die den Erstkontakt und

das Anamnesegespräch macht, die Bezugspflege übernehmen kann. Bei

der Zuteilung sollten pflegerische Kapazitäten berücksichtigt werden.

Gegebenenfalls können die Pflegepersonen selbst oder der Patient eine

Wahl treffen. Geschlechtsspezifische Überlegungen oder unterschiedliche

Interessen von Pflegepersonen sollten berücksichtigt werden. (vgl.

NEEDHAM 2000, S. 12f)

Kooperation im Team

Die Zusammenarbeit betrifft das Pflegeteam selbst, die anderen

Berufsgruppen und Institutionen sowie natürlich die Patienten und deren

Angehörige. Innerhalb eines interdisziplinären Teams sollten gegenseitige

Unterstützung, Akzeptanz, und Ehrlichkeit vorhanden sein, sowie die

Identifikation mit dem eigenen Handeln bestehen. In der Zusammenarbeit

mit dem Patienten sollte dieser aktiv an der Pflege teilnehmen, teilhaben

bzw. mitentscheiden können und es sollte eine gemeinsame Zielsetzung

bei der Bewältigung des Problems stattfinden. Die Bezugpflegeperson

bezieht die Patienten und deren Angehörige in die Pflege, den

Pflegeprozess und die Behandlung ein. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 13)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 15

Multiprofessionelle Teamarbeit

Im Team sollte es möglich sein, dass man sich gegenseitig unterstützt und

abstützt. Es ist wertvoll, wenn im Team gemeinsame Entscheidungen und

Ziele gefasst werden können und wenn ein Austausch auch innerhalb der

Berufsgruppen stattfinden kann. Weiters sollten Konflikte gemeinsam

gelöst werden können und ev. unklare Kompetenzen geklärt werden.

Hierzu sind ein guter Kontakt, ein ausreichender Informationsfluss und

eine gute Kommunikation innerhalb des interdisziplinären Teams

Vorrausetzung. Im pflegerischen, wie im multidisziplinären Team ist ein

gemeinsames Leitbild bzw. Konzept zur Umsetzung der Behandlung und

Betreuung, wie z.B. die Bezugspflege von Vorteil. Interdisziplinär können

also Ziele und die Pflegeplanung abgesprochen werden, wobei die

Bezugspflegeperson Ansprechpartner des pflegerischen Bereichs ist. (vgl.

NEEDHAM 2000, S.13ff)

Koordination

Die Bezugspflegeperson koordiniert und organisiert im Team die

Betreuung bzw. Behandlung des Patienten mit. Sie versucht ein

Bindeglied zwischen dem interdisziplinären Team und dem Patienten

sowie den Angehörigen zu sein. Zu den Koordinationsaufgaben gehört es,

Kontakte und diverse Tätigkeiten zu planen, die Pflegeplanung zu

erstellen und umsetzen, sowie den Informationsfluss zum Patienten und

dem Team zu gewährleisten. Treten Kompetenzverteilungen oder

-überschneidungen auf, müssen diese im Team besprochen und geplant

werden. Die Bezugspflegeperson koordiniert die pflegerischen Aufgaben

des Bezugspatienten. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 15)

Reflexion

In der Pflege ist reflektierendes, kritisches Denken Vorrausetzung um

Bezugspflege durchführen zu können. Es sollte also Bereitschaft bei der

Pflegeperson bestehen, sich selbst oder durch andere, überprüfen zu

lassen. Hierzu bieten sich Supervision, Praxisbegleitung, Teamgespräche,

Fallbesprechungen oder Patientenvorstellungen an. Die Evaluation der

Dokumentation, der Pflegeplanung und des Therapiekonzeptes, sowie der

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 16

Fortschritte des Patienten und der Pflegequalität fällt ebenfalls in den

Bereich der Reflexion. Die Bezugspflegeperson reflektiert ins besondere

die eigene Rolle, ihre Handlungen sowie die Beziehung zu und die

Zusammenarbeit mit den Patienten und den Angehörigen. Weiters sollten

das Nähe- und Distanzverhältnis, auftretende Beziehungsschwierigkeiten

und unterschiedliche Meinungen reflektiert werden. Reflexion kann die

Qualität der Bezugspflege verbessern, Beziehungsstörungen vermeiden

und das Team abstützen. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 16)

Verantwortung

Um Verantwortung übernehmen zu können wird

Verantwortungsbereitschaft, hohe pflegerische Kompetenz und

Zuverlässigkeit vorausgesetzt. Strukturelle Vorrausetzungen sollten

gegeben sein damit die Pflegeperson überhaupt Verantwortung

übernehmen kann. Die Kompetenzbereiche mit denen die Pflegepersonen

seitens der Leitung ausgestattet sein sollten, werden benötigt, um

eigenständig, selbstverantwortlich und autonom handeln zu können.

Verantwortung übernehmen heißt zuständig und verantwortlich zu sein

und seine Arbeit transparent gegenüber anderen zu machen.

Aufgabenbereiche der Bezugspflegeperson sind: Gestaltung der

Pflegeplanung, schriftliche Dokumentation, die Bestellung einer

Vertretung, interdisziplinär abgesprochene Pflege sowie die Betreuung

von Angehörigen. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 17)

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 17

2.2.3 Kritik an der Bezugspflege

Die Bezugspflege beinhaltet für den Pflegenden Gefahren und

Belastungen wie ein zu privater oder persönlicher Umgang mit dem

Patienten. Trotz möglicher Sympathien und Asympathien, muss beachtet

werden dass die professionelle Haltung nicht verloren geht.

Beziehungsfallen, -verwicklungen bis zu symbiotischen Beziehungen

können entstehen. Schwierigkeiten in der Bezugspflege können durch

mangelnde Abgrenzung oder durch unkooperative Patienten oder

Angehörige entstehen. Um professionelle Beziehungsarbeit leisten zu

können ist die Reflexion dieser notwendig. Es ist zwar oftmals eine

beständige Beziehung erwünscht, in der Praxis aber häufig unpraktikabel

und unrealistisch bzw. nicht möglich. Es besteht die Gefahr, dass sich die

Bezugspflegepersonen für zu wichtig halten bzw. zu Einzelkämpfern

werden und sich nicht mehr in einem interdisziplinären Team einfinden

können. Findet keine partnerschaftliche Teamarbeit statt, kann es zu

Beziehungs- bzw. Berufskonkurrenz sowie zu Unzufriedenheit kommen,

was sich wiederum negativ auf den Patienten auswirkt. Schwierigkeiten

können auftreten, wenn Absprachen oder Informationen innerhalb eines

Teams nicht weitergeben werden. Weiters ist es schwierig wenn zu viele

Personen an der Behandlung oder Betreuung beteiligt sind. Das

Übernehmen von Verantwortung durch die Bezugspflegeperson ist nicht

immer eine Motivationsfeder, sondern kann sich auch negativ auswirken.

Hervorzuheben ist aber, dass die Bezugspflegeperson im Team direkten

Einfluss auf die Gesamtbehandlung hat und die pflegerische Arbeit somit

aufwertet. Das eigenständige Arbeiten bewirkt weiters eher eine höhere

Zufriedenheit als das funktionelle oder hilfsarbeiterische Arbeiten. Das

Bezugspflegesystem unterstützt die Eigenverantwortlichkeit und die

Professionalisierung der Pflege. (vgl. NEEDHAM 2000, S. 8-17)

Das Bezugspflegesystem hat zahlreiche positive Auswirkungen auf den

Arbeitsalltag psychiatrischer Stationen (siehe S. 12, Ergebniskriterien).

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BEZUGSPFLEGE – Die Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege

Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 18

2.3 Hauptmerkmale von Funktionspflege

Bei dieser Arbeitsorganisationsform werden die direkten bzw. indirekten

Pflegetätigkeiten am Patienten sowie die sonstigen Aufgaben nach

funktionellen und verrichtungsbezogenen Gesichtspunkten unterteilt. Den

einzelnen Pflegepersonen werden die jeweiligen Aufgaben (Blutdruck

messen, Verbandswechsel, usw.) zur Durchführung an den Patienten (alle

oder einer Gruppe) zugewiesen.

Die Zuteilung der „Einzelaufträge“ bzw. die Arbeitszerlegung erfolgt meist

nach hierarchischen Gesichtspunkten → je patientenferner eine Tätigkeit

(Arztvisiten, Schreibarbeit, usw.), umso höher das Sozialprestige.

Beim Pflegeprozess werden meist die pflegeplanenden (Anamnese,

Diagnose, Planung, Evaluation) und -ausführenden (Pflegemaßnahme)

Tätigkeiten von unterschiedlichen Pflegepersonen (je nach Dienst)

durchgeführt. Die Verantwortung des Pflegeprozesses obliegt der

Stationsleitung, die diese Aufgaben koordiniert. Der eigenverantwortliche

Tätigkeitsbereich beschränkt sich auch bei pflegerischen Maßnahmen

„nur“ auf die Durchführungsverantwortung.

Die Koordination der pflegetherapeutischen Maßnahmen findet über die

Stationsführung statt und gewährleistet eine kontinuierliche pflegerische

Leistung. Der direkte Kommunikations- und Informationsaustausch im

interdisziplinären Team findet indirekt über die Leitungsebene statt.

Beziehungsarbeit und Kommunikation mit dem Pat. wird nicht als einzelne

Tätigkeit bzw. Arbeitshandlung angesehen. So findet Beziehungsarbeit auf

Eigenmotivation des Pflegepersonals statt.

Die Fähigkeiten des Pflegepersonals werden bei der Funktionspflege auf

einzelne professionelle Tätigkeiten „herabgesetzt“. Die pflegerische Arbeit

erfordert ein hohes Maß an Wissen über pflegerische

Handlungsmöglichkeiten, Improvisations- und Konzentrationsvermögen,

sowie Geschicklichkeit, Genauigkeit und Reaktionsschnelligkeit. Durch

das Funktionspflegesystem werden diese Fertigkeiten und Fähigkeiten

nicht ausreichend ausgeschöpft. (vgl. ELKELES 1997, S.49-61)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 19

2.3.1 Kritik an der Funktionspflege

Funktionspflege ist ein traditionelles, auf Gewohnheiten aufgebautes

Pflegesystem in Krankenhäusern, das schwer veränderbar ist und dem

heutigen professionellen Pflegebild nicht mehr entspricht.

Hier wird vor allem die veraltete Arbeitsstruktur, die hohe Arbeitsteiligkeit

sowie der eingeschränkte Verantwortungsbereich kritisiert. Weiters

besteht meist ein hierarchisches Entscheidungsmuster mit autokratischem

Führungsstil. Dies bietet wenig Raum für persönliche Entfaltung, für

Kreativität, Arbeitsfreude und Identifikation mit Organisationszielen und

-ergebnissen.

Dies führt zur sozialen Beziehungslosigkeit bei der Funktionspflege, was

im Widerspruch zur patientenorientierten und ganzheitlichen Pflege steht.

Den Produktivitäts- und Zeitökonomischen Vorteilen stehen ein

Mehraufwand an Koordination der einzelnen Aufgabenbereiche sowie

vermehrte Arbeitswege und –überschneidungen gegenüber.

Oftmals besteht Unklarheit wer für welche Aufgaben zuständig ist. Somit

unterbleibt die vorgesehene Pflegehandlung, sie wird doppelt bzw.

mehrfach verrichtet oder sie wird überhaupt am „falschen“ Patienten

verrichtet. Pflegefehler treten durch Routinisierung von Tätigkeitsabläufen

mit fehlender Flexibilität und unklaren Zuständigkeiten häufig auf.

Aufgrund dieser oben genannten Punkte und dem eingeschränkten

Handlungs- und Entscheidungsspielraum dieser Arbeitsorganisationsform

kommt es zu einer Demotivation der Pflegepersonen.

Demotivierende Aspekte an der Funktionspflege sind vor allem:

� Fehlende Verantwortung

� Mangelnde Informiertheit

� Monotonie

� Sinnentleerung der Arbeit und

� Qualitative Unterforderung

(vgl. ELKELES 1997, S.49-61)

In der Praxis ist grundsätzlich die Funktionspflege auch eine nützliche

Arbeitsorganisation, wenn es sich um Administration oder patientenferne

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 20

Tätigkeiten handelt. Funktionspflege lässt sich grundsätzlich mit allen

Pflegorganisationsformen verbinden.

So findet z.B. ein Bezugspflegegespräch mit dem Thema

Pflegeevaluierung bei seinem Patienten statt und Funktionspflege wird im

Rahmen der Medikamenten- oder Essensverteilung, sowie der Anmeldung

für Röntgenuntersuchungen durchgeführt.

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 21

3 Hauptteil II - Umsetzung in die Praxis

3.1 Etablierung einer pflegerisch - therapeutisch B eziehung

Die RNAO – Registered Nurses Association of Ontario hat 2006 eine

Nursing Best Practice Guidline bzw. ein Umsetzungskonzept mit dem

Thema einer Herstellung einer therapeutischen Beziehung herausgeben.

3.1.1 Fachliche und Persönliche Kompetenzen

1 Erforderliches Fachwissen

Die Pflegeperson sollte ein allgemeines Fachwissen haben, um sich in

eine therapeutische Beziehung begeben zu können.

Die Pflegeperson sollte:

� ein Hintergrundwissen durch Ausbildung, Fortbildungen und

Lebenserfahrung haben.

� Wissen über interpersonelle und Entwicklungstheorien, sowie

Unterschiede von zwischenmenschlichen Beziehungen haben.

� Wissen über beeinflussende soziale, kulturelle, religiöse Einflüsse und

Faktoren auf die therapeutische Beziehung haben.

� die „Welt“ des Patienten mit seiner Lebensgeschichte verstehen und

herausfinden bzw. erkennen was für den Patienten wichtig ist.

� Wissen über Gesundheit/Krankheit, über Symptome von Erkrankungen

und diesbezügliche pflegetherapeutische Interventionen haben.

� Wissen über Gesundheitssystem, wie z.B. Selbsthilfegruppen, soziale

Unterstützungen, usw. haben.

� Wissen über Systeme wie z.B. Familiensysteme funktionieren, haben.

(vgl. RNAO 2006, S.18ff)

2 Reflektierende Praxis/Selbstreflexion

Die Herstellung einer therapeutischen Beziehung erfordert einige

Eigenschaften von Pflegerpersonen:

� Sich selbst und den Prozess der Selbstreflexion kennen, um eine

Beziehung zum Patienten herstellen zu können.

� Gedanken, Gefühle so kongruent, emphatisch ausdrücken

können wie es der Patient braucht.

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 22

� Selbstbewusstsein in Bezug auf sich und die Arbeit.

� Die Fähigkeit sich in die Beziehung professionell einlassen zu

können und den Patient als Partner in der Entwicklung der

therapeutischen Beziehung sehen.

� Professionellen Umgang mit seiner eigenen Rolle in der

Beziehungssituation.

(vgl. RNAO 2006, S.20fff)

3 Der pflegetherapeutische Prozess

Die Pflegeperson muss über die Phasen einer professionellen

therapeutischen Beziehung und deren Bedeutung für den Patienten

Bescheid wissen. Nach Hildegard Peplau gibt es eine Orientierungs-,

Arbeits-, Ablösungsphase.

In der Orientierungsphase treffen fremde Menschen mit ihren vorgefassten

Meinungen, Erwartungen und Erfahrungen aufeinander. Es ist ein Prozess

des kennen lernens in der versucht wird Vertrauen, Respekt, Ehrlichkeit

und positiver Wertschätzung aufzubauen. Ziel ist es, eine sichere,

tragfähige und stabile Beziehung zu gestalten

In der Arbeitsphase finden die pflegetherapeutischen Interventionen statt.

Hier werden Problemen mögliche Lösungsstrategien entgegengesetzt.

Dieser Prozess ist beweglich um muss oftmals evaluiert, reflektiert und

besprochen werden. Während der Beziehung werden Gedanken, Gefühle

und das Verhalten des Patienten in Bezug auf das Problem reflektiert und

validiert

Die Ablösungsphase besteht darin dass die Beziehung reflektiert und

evaluiert und mit gegenseitigem Verständnis gelöst wird. Die Pflegeperson

und der Patient müssen erkennen dass das Ende einer Beziehung

förderlich für den Patienten sein kann.

Die Beziehung sollte bewusst von der Pflegeperson gesteuert werden um

das Wachstum und die Gesundheit des Patienten zu fördern. Die

Pflegeperson wendet hierbei erlernte Kommunikations- bzw.

Gesprächstechniken an. (vgl. RNAO 2006, S.23ff)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 23

3.1.2 Aus- und Weiterbildung

4 Ausbildung der Pflegepersonen

Die Pflegepersonen müssen die Möglichkeit haben den therapeutischen

Beziehungsprozess zu erlernen. Dies sollte neben der Wissensvermittlung

von theoretischen Inhalten auch die Möglichkeit der praktischen

Durchführung der Beziehungsarbeit beinhalten. (vgl. RNAO 2006, S.26)

5 Professionelle Entwicklung

Die Organisation bzw. die Leitungsfunktion sollte die professionelle

therapeutische Beziehung als die Pflegepraxis ansehen. Weiters sollte sie

die Pflegepersonen unterstützen und beraten wie sie diese anwenden und

entwickeln können. Instrumente zur Unterstützung können Beratung,

Supervision, Coaching, Falldarstellungen, usw. sein. Eine ständige

Weiterbildung in Bezug auf die therapeutische Beziehung ist erforderlich.

Eine Weiterbildung für Pflegepersonen könnte folgende Punkte

beinhalten:

� Selbstreflexion

� Überblick über die Theorien und Modelle bezüglich

therapeutischer Kommunikation

� Grundregeln in der therapeutischen Beziehung, wie Empathie,

Vertrauen, Grenzen, usw.

� Reflexion der therapeutischen Beziehung und Erfahrungen

(vgl. RNAO 2006, S.27)

3.1.3 Organisation

6 Kontinuität der Pflege

Die Organisationen müssen ein individuelles System schaffen um die

Bezugspflege bzw. die therapeutische Beziehung zu ermöglichen und die

Kontinuität der Beziehung zu gewährleisten. (vgl. RNAO 2006, S.29)

7 Dienstplanregelung

Um eine dauerhafte kontinuierliche Pflegebeziehung gewährleisten zu

können ist es erforderlich dass mind. 70% des Pflegepersonals Vollzeit

(=40 Stunden pro Woche) angestellt ist. (vgl. RNAO 2006, S.29)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 24

8 Zeit für die Pflegebeziehung

Um eine therapeutische Beziehung herstellen zu können müssen den

Pflegepersonen Zeitressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die

Beziehungsarbeit sollte als Hauptaufgabe des Pflegepersonals angesehen

werden. Ein Ausgleich kann in administrativen oder in „pflegefremden“

Tätigkeiten geschaffen werden. (vgl. RNAO 2006, S.30)

9 Stellenbesetzung

Es ist wesentlich, dass die Pflegeperson über breites Fachwissen und eine

allgemeine Sachkenntnis verfügt um den komplexen Pflegealltag, mit all

seinen Entscheidungen für den Patienten, zu bewältigen. In diesem

Pflegealltag wird ein hohes Wissensniveau und hohe persönliche, wie

fachliche Fähigkeit vom Pflegepersonal erwartet. (vgl. RNAO 2006, S.31)

10 Wohlbefinden des Pflegepersonals

Die Organisation kann die Pflegepersonen bei der therapeutischen

Beziehung zum Patienten dadurch unterstützen, indem sie für deren

größtmögliche Zufriedenheit sorgt. Es ist eine hohe emotionale,

psychische, wie physische Anforderung an das Personal sich für die

therapeutische Beziehung zu engagieren. (vgl. RNAO 2006, S.32)

11 Evidenzbasierte Praxis

Die Pflegeorganisationen müssen Rahmenbedingungen schaffen um neue

wissenschaftliche Erkenntnisse in die therapeutische Beziehung einfließen

zu lassen. Hierzu müssen neben den Fort- und Weiterbildungen finanzielle

und zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um das Wissen

auf aktuellem Stand zu halten. (vgl. RNAO 2006, S.33)

12 Pflegeleitung

Organisationen sollten auf ein Verhältnis mit offener Kommunikationsbasis

zwischen Pflegepersonal und Pflegeleitung achten. Die Pflegeleitung,

Stationsleitung, Bereichsleitung sowie auch die Direktionsebenen sollten

miteinbezogen werden um für ein positives Klima, indem Motivation und

Vertrauen herrscht, sorgen zu können. (vgl. RNAO 2006, S.33)

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 25

13 Supervision und Coaching

Jede Pflegeperson sollte die Möglichkeit haben den therapeutischen

Beziehungsprozess zu überprüfen bzw. zu evaluieren. Um Supervision

und Coaching ermöglichen zu können, werden finanziellen Mittel benötigt.

Weiters können die zwischenpersonellen Fähigkeiten durch

Mitarbeitergespräche, Pflegevisiten, usw. evaluiert werden. (vgl. RNAO

2006, S.34)

14 Qualitätsstandards

Pflegeorganisationen sollten Richtlinien, wie die Best-Practice-Guidline, in

der therapeutischen Beziehung anwenden oder zumindest in den

stationären Pflegestandards in der Praxis umsetzen. Weiters könnten die

Leistungen und Entwicklungen der Pflege in einer Jahresübersicht

bekannt gemacht werden. (vgl. RNAO 2006, S.35)

3.1.4 Grundsätze zur Implementierung

Um eine bestmöglichste Praxisrichtlinie erstellen zu können, sollte vorweg

geklärt werden, ob Zeit für Planung, ob organisatorische und betriebliche

Unterstützung vorhanden sind und ob eine ev. Veränderung bzw.

Verbesserung erfolgreich durchgeführt werden könnte.

Dies beinhaltet:

� Einschätzung der organisatorischen Veränderungsmöglichen und der

Hindernisse in der Umsetzung.

� Einbeziehung aller Mitarbeiter (ob in direkt oder indirekt

unterstützender Funktion) in den Prozess der Implementierung.

� Benennung einer qualifizierten Pflegeperson, die für die Bildung und

Umsetzung einer neuen Richtlinie „verantwortlich“ ist

� Gelegenheiten für Diskussionen geben, um die bestmögliche,

umfassendste Pflegerichtlinie erhalten zu können

� Möglichkeiten zur Reflexion auf persönlicher und organisatorischer

Ebene in Bezug auf Erfahrung mit Umsetzungskonzepten von

Praxisrichtlinien.

(vgl. RNAO 2006, S.35)

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3.2 Station C3 – KH Rosenhügel

Die Station C3, des Krankenhauses Hietzing mit neurologischem Zentrum

Rosenhügel, ist eine Station die sich auf den Bereich geistig behinderte

Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen spezialisiert hat. Es ist eine

Station mit 20 Betten und ausgerichtet für stationäre akute, therapeutische

oder rehabilitative Aufenthalte zur Behandlung von psychischen

Störungen und Krankheiten, einschließlich stationärer Psychotherapie und

Rehabilitationsplanung. Das interdisziplinäre Team besteht aus

Pflegepersonen, Ärzten, Psychologen, Sozialpädagogen, Ergo- und

Physiotherapeuten, sowie Musiktherapeuten.

Die Pflege ist organisiert nach Gruppen- bzw. Zimmerpflege. Dies ergibt

sich aus der räumlichen Aufteilung mit einer jeweiligen Gruppengröße von

5-8 Patienten. Es wird getrennt zwischen einer männlichen und weiblichen

Aufteilung. Die Mindestanzahl des Pflegepersonals auf der Station besteht

aus zwei Pflegepersonen. Die Stationsführende und –stellvertretende

Pflegeperson ist wochentags anwesend.

Das Pflegepersonal besteht hauptsächlich aus allgemein und

psychiatrisch diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen

sowie Pflegehelfern mit den jeweiligen fachlichen Tätigkeitsbereichen auf

der Station. Es besteht eine freie Dienstplangestaltung mit 12½h Diensten.

Es werden oftmals mehrere Dienste hintereinander gereiht um im

Gegenzug mehrere arbeitsfreie Tagen (bis 7 freie Diensttage) zu haben.

Der Pflegeprozess passiert in der Gruppe, wobei die Anamnese und

Planung meist von derselben Pflegeperson gemacht wird. Die

Durchführung sowie die Evaluierung obliegen den jeweiligen

Diensthabenden Pflegepersonen. Die Stationsleitung unterstützt das

Pflegeteam bei diesem Prozess. Die Verantwortung des Pflegeprozess

von der Aufnahme bis zur Entlassung wird vom Team bzw. der

Stationsleitung getragen. Angehörigenarbeit, Koordination der Pflege

innerhalb des interdisziplinären Teams und im Weiteren der

Bezugspflegearbeit wird von der Stationsleitung durchgeführt.

Die Grundhaltung der Station ist ressourcen- und patientenorientiert. Die

Pflegeprinzipien sind das Normalitätsprinzip, sowie das Selbst-Pflege-

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 27

Defizit Modell nach Orem. Die Beziehungsgestaltung zum Patienten wird

nicht explizit als Pflegetätigkeit ausgewiesen sondern entsteht individuell

durch persönliches Engagement und Interesse der Pflegepersonen.

Ressourcen bei der Umsetzung

� Fachspezifisches Wissen des Pflegepersonals

� Jahrelange Erfahrung

� Funktionierende Interdisziplinäre Zusammenarbeit

� Informationsprozess auf breiter Basis

� Engagiertes, aufgeschlossenes Team

� Junges und älteres Pflegepersonal

Mögliche Hindernisse bei der Umsetzung

� Dienstplangestaltung

o Viele freie Tage hintereinander

o Tag, Nachtdienst

o 12 ½ h Dienste

� mehr Verantwortungsgefühl des PP

� Angst vor Veränderung des PP

� Zusätzliche Arbeit durch Angehörigenbetreuung

Mögliche Ideen für ein Umsetzungskonzept

� Bezugnahme auf die Nursing Best Practice Guidline zur Herstellung

einer therapeutischen Beziehung (siehe 3.1) von RNAO

� Ressourcen des Pflegepersonals unterstützen und fördern durch

fachliche und Persönlichkeitsentwickelnde Fort- und Weiterbildung

(z.B. für Beziehungsprozess, Pflegeprozess, usw.)

� Dienstpläne ev. neu regeln (z.B. max. 4 freie Tage / Woche) um eine

kontinuierliche Pflegebeziehung gewährleisten zu können

� Supervision und Teamsupervision anbieten bzw. weiter anbieten

� Arbeitskreis Bezugspflege (ev. mit anderen Berufsgruppe) einsetzen:

o Mit dem Ziel Bezugspflege zu implementieren

o möglichen Zeitplan zur Implementierung erstellen

o Hinzuziehen von internen oder externen Pflegefachleuten

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 28

o Einbeziehung aller Mitarbeit im Prozess der Implementierung

o Bezugnahme auf die Guidline

o Gelegenheiten für Diskussionen geben

o Reflexion auf persönlicher und organisatorischer Ebene in Bezug

auf Erfahrungen mit Bezugspflege und Umsetzungskonzepte

o Evaluierung dieses Prozesses

o Existierende Umsetzungskonzepte einfließen lassen, z.B. von

Schossmaier G. (2000/2001), Chancen und Grenzen einer

therapeutischen Beziehung Patient ↔ Pflegeperson,

(www.oegkv.at/uploads/media/Schossmaier.pdf)

� Aufgaben klären:

o Aufgaben und Verantwortung bzgl. Pflegeprozess, Evaluierung,

Angehörigenbetreuung, Teambesprechungen, usw.

o Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten gegenüber anderen

Berufsgruppen klären

o Ev. ein Bezugspflegeteam von 2PP für einen Pat. stellen

o Zeitplan einer Bezugspflegeausbildung erstellen bzw. wie man

neue Mitarbeiter diesbezüglich ausbilden kann

� Unterstützung sichern durch Stationsleitung und Organisation:

o Können Zeitressourcen zur Verfügung gestellt werden

o Finanzielle, persönliche Ressourcen ev. verbessern

o Kommunikation verstärken

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 29

4 Schlussbetrachtungen

Diese Facharbeit mit dem Titel BEZUGSPFLEGE – Die

Pflegeorganisationsform in der psychiatrischen Pflege versucht die

Auswirkung von Bezugspflege auf die Zufriedenheit der betroffenen und

beteiligten Personen zu klären.

Im ersten Hauptteil werden meiner Meinung nach die positiven Merkmale

der Bezugspflege gegenüber der Funktionspflege ausgeführt. So finden

sich hier deutliche Unterscheidungen in Bezug auf die Verantwortung, die

interdisziplinäre Teamarbeit, das Menschenbild bzw. die Grundhaltung

gegenüber dem Patienten sowie den eigenständigen Tätigkeitsbereich

einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson.

Im zweiten Teil wird das Umsetzungskonzept von RNAO zur Etablierung

einer therapeutischen Beziehung vorgestellt, dass sich, wenn die nötigen

Ressourcen und Vorraussetzungen geschaffen werden können, als

durchaus umsetzbar erweist. Ein Konzept zur Umstellung auf das

Bezugspflegesystem an einer psychiatrischen Station wird dargestellt.

Aus der Literatur lässt sich keine eindeutige Antwort auf meine

Forschungsfrage ableiten, da die Zufriedenheit von vielen unsicheren

Faktoren abhängig ist.

Ich bin für mich in dieser Arbeit jedoch zu dem Schluss gekommen, dass

die Zufriedenheit der betroffenen und beteiligten Personen in der

Bezugspflege im Allgemeinen größer ist als in der Funktionspflege.

Es ist festzuhalten dass es im Bereich der Bezugspflege noch einiges an

Arbeit zu tun gibt. Dies betrifft einerseits die noch wenigen vorhanden

wissenschaftlichen Studien zur Bezugspflege und deren Auswirkungen,

sowie andererseits die praktische Umsetzung dieses

Pflegeorganisationssystems auf einem Großteil der psychiatrischen

Stationen.

Siegfried Schwarzenberger

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 30

5 Legende

S. Seite

bzw. beziehungsweise

z.B. zum Beispiel

vs. versus

bzgl. bezüglich

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Siegfried Schwarzenberger – SAB 06/07 31

6 Literaturverzeichnis

Elkeles, Thomas (1997): Kritik an der Funktionspflege. In: Büssing, Andre

(Hrsg.)(1997): Von der funktionalen zur ganzheitlichen Pflege –

Reorganisation von Dienstleistungen. Verlag für Angewandte Psychologie

Göttingen

Needham I., Abderhalden Ch. (Hrsg.)(2000): Bezugspflege in der

stationären psychiatrischen Pflege der deutschsprachigen Schweiz:

Empfehlungen zur Terminologie und Qualitätsnormen. 1.Auflage

(www.pflegeforschung-psy.ch/BP_Empfehlungen%20Terminolog.pdf)

Needham I. (Hrsg.)(2000) Rezeption der Bezugspflege in der

psychiatrischen Pflege im deutschsprachigen Raum: eine

Literaturübersicht

(pflegeforschung-psy.ch/BP_Literatur.pdf)

RNAO – Registered Nurses Association of Ontario (Hrsg.), Nursing Best

Practice Guidline (2006) - Establishing Therapeutic Relationship.

(www.rnao.org/Storage/15/936_BPG_TR_Rev06.pdf)

Sauter D., Abderhalden Ch., Needham I., Wolff St. (Hrsg.)(2004):

Lehrbuch Psychiatrische Pflege. 1.Auflage Verlag Hans Huber, Hogrefe

AG, Bern

Internetseiten:

www.pflegewiki.de/wiki/Primary_Nursing (15. September 2006)

de.wikipedia.org/wiki/Zwischenmenschliche_Beziehungen_in_der_Pflege

(15.September 2006)

www.geroweb.de/krankenpflege/funtionspflege-bezugspflege.html

(15.September 2006)

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